In die Arme des Bösen von FlameHashira (Wichtelgeschichte für Sturmdrache) ================================================================================ Kapitel 3: Chapter Three ------------------------ Kyojuro war durchaus überrascht davon, dass Shinobu selbst ihn nach Hause brachte. Er unterschätzte ihre Stärke keinesfalls – selbst wenn sich eben jene nicht in ihrer Körperkraft zeigte – doch sicherlich hatte sie wesentlich Besseres zu tun. Vielleicht war es eine direkte Anweisung von Oyakata-sama gewesen, damit Kyojuro wirklich sicher Zuhause ankäme.   Möglicherweise ging es aber auch nur darum, dass sie ihm nochmal deutlich machen wollte, worauf er zu achten hatte.   Was es auch war, Kyojuro war wirklich froh als er die bekannten Mauern erkannte, die sein Zuhause umgaben und noch glücklicher war er, als er von Weiten schon seinen kleinen Bruder erkennen konnte. Dessen Haarschopf war genauso auffällig wie jener von ihm selbst und gerade wenn man danach Ausschau hielt, konnte man ihn aus jeder Entfernung entdecken.   „Aniue!“, rief sein jüngerer Bruder ganz aufgeregt, als sie nahe genug am Haus angekommen waren, auch wenn sich neben der Freude auch etwas Besorgnis dazumischte.   „Senjuro!“, begrüßte er seinen Bruder mindestens genauso aufgeregt.   Allerdings wurde er schon daran gehindert in die Knie zu gehen, weil er sich nur dank eines Gehstocks fortbewegen konnte. Er befürchtete auch nicht mehr so schnell hochzukommen, wenn er einmal unten wäre. Dennoch breitete er seinen freien Arm aus, damit Senjuro zu ihm kommen konnte. Er atmete erleichtert auf, als er die zierlichen Arme um sich herum spürte. Die Umarmung war zaghaft und vorsichtig, es war ungewohnt – auch nach all der Genesungszeit – so berührt zu werden. Normalerweise war es Kyojuro, der seine Kraft etwas zurückhalten musste.   „Na na“, machte Shinobu an ihrer Seite. „Lasst uns nach drinnen gehen. Du solltest dich immer noch ausreichend ausruhen, Rengoku-san.“   „Natürlich!“, fiepste Senjuro, welcher sich versuchte so unauffällig wie möglich Tränen aus den Augenrändern zu streichen. Er hielt sanft die freie Hand von Kyojuro, damit sie gehen konnten.   Kyojuro hatte sich mittlerweile an das Laufen mit dem Gehstock gewöhnt, das war allerdings auch eine Forderung gewesen, damit er wirklich nach Hause hatte gehen können. Dadurch hatte es fast zwei weitere Wochen gedauert, bis Shinobu ihm endlich diese Erlaubnis gab. Er brauchte nach wie vor mehr Pausen als normal, mehr Schlaf als normal – dafür konnte er nun aber auch ein paar Sachen wieder alleine. Sich waschen, ein wenig Laufen und auch das Umziehen waren keine Probleme mehr. Feste Nahrung konnte er mittlerweile auch wieder zu sich nehmen, auch wenn er immer noch nicht die Mengen schaffte, die er normal zu sich nahm. Die Medikation war heruntergesetzt worden, er nahm nichts mehr gegen Schmerzen, da jene, die er noch hatte, erträglich waren.   Shinobu hatte ihm dennoch Schmerzmittel eingepackt, - zur Sicherheit. Er war deutlich auf dem Weg zur Besserung. Dennoch war dieser Weg noch sehr lang und Kyojuro war sich dem bewusst. Da er nun aber daheim war, konnte er sich ein wenig mehr erlauben. Nur durfte er das natürlich nicht vor Shinobu erwähnen, sonst würde diese ihn wieder mit zum Schmetterlingsanwesen nehmen.   Und so klein und körperlich schwach sie auch sein sollte; Kyojuro traute es ihr zu, das zu schaffen.   Also ging er besser kein Risiko ein, sondern ließ sich ins Haus führen. Sein Blick streifte die verschlossenen Türen, welche zum Zimmer ihres Vaters führen würden, selbst wenn dieser ihn wahrnahm, so gab er keine Reaktion von sich. Vielleicht war dies für den jetzigen Augenblick auch besser so. Kyojuro hatte sich bereits ausgemalt, wie ihr Aufeinandertreffen aussehen würde.   Er war auf das Ergebnis gekommen, dass er eine Begegnung noch ein wenig aufschieben könnte, ohne sich schlecht fühlen zu müssen.   Stattdessen führte Senjuro ihn in sein Zimmer, als würde Kyojuro es selbst nicht finden können. Dabei war er schon sehr stabil auf den Beinen unterwegs. Dennoch musste er ein erleichtertes Geräusch unterdrücken, als er auf seinen Futon Platz nehmen durfte. Es fühlte sich gut an, nicht mehr das komplette Gewicht auf seinen Beinen tragen zu müssen.   „Gut, ich werde mir nochmal all deine Wunden ansehen und fachgerecht verbinden. Senjuro-kun, du kannst gerne dabei bleiben. Rengoku-san wird sicherlich mal Hilfe dabei benötigen“, erklärte Shinobu nun, während sie bereits an seiner Kleidung zupfte.   Wenn es nicht Shinobu wäre, würde Kyojuro vielleicht verlegen werden. Mittlerweile war er sich ziemlich im Klaren darüber, dass die junge Frau ihn vermutlich schon nackt gesehen hatte, während er im Koma gelegen hatte. Sie oder Aoi, vielleicht auch andere Personen – beispielsweise die Kakushi.   Kyojuro hinterfragte das lieber nicht zu viel.   Er war auch froh darüber, dass dies nicht mehr passieren musste. Im Grunde war nur noch die große Wunde in seinem Oberkörper die Sorge von Shinobu. Sie heilte soweit gut, aber bei einer so großen Wunde konnte es immer Probleme geben. Sein Auge verheilte ebenfalls, auch wenn es niemals funktionsfähig sein würde, war dies gut zu wissen? Auch seine gebrochenen Rippen, sowie kleinere Verletzungen waren entweder schon komplett verheilt oder ebenfalls auf einem guten Weg.   Für ihn gab es keinen Grund zur Sorge mehr.   Einen vielleicht doch.   War es ein Traum oder die Realität gewesen? Akazas Besuch könnte beides gewesen sein und wann immer Kyojuro daran dachte, fühlte er ein Frösteln am Körper. Es hatte keine Spuren gegeben. Nicht von dem Blut und dem Speichel, das er ausgespuckt hatte. Der Gedanke, dass Akaza alles gesäubert hatte, war schwachsinnig – aber nicht unmöglich. Er hatte nichts darüber gesagt, - am Ende würde es dafür sorgen, dass man ihn nicht mehr auf das Schlachtfeld lassen würde. Außerdem gab es keine Veränderungen.   Er fühlte sich menschlich wie eh und je. Also musste es ein verrückter Traum gewesen sein. Der einzige dieser Art – glücklicherweise.   „Deine Wunden heilen wirklich gut, Rengoku-san“, summte Shinobu, welche wesentlich schneller vorgehen könnte, aber für Senjuro's aufmerksamen Blick, bemühte sie sich um eine gewisse Langsamkeit. „Wenn es so weitergeht, wirst du bald schon die Rehabilitation anfangen können.“   Kyojuro hatte vor sofort mit ihr anzufangen, aber anstatt dies auszusprechen, warf er Shinobu nur ein fröhliches Lächeln zu. „Ich bin froh, dass es scheinbar schneller geht, als ich gedacht habe“, merkte er dennoch an. Nach seinem Aufwachen hatte er tatsächlich geglaubt, dass es viele Monate dauern würde.   „Viel schneller“, erwiderte Shinobu beinahe melodisch.   Und scheinbar hatte nicht nur er das so gedacht?   „Fast schon beunruhigend schnell. Scheinbar kommt dein Körper deinem übermäßigen Grad an Optimismus und Motivation nach, Rengoku-san.“   Blinzelnd sah er Shinobu an, welche nach wie vor ihr hübsches Lächeln auf den Lippen trug. Es war tatsächlich beruhigend Shinobu anzusehen, auch wenn er ihr Lächeln nicht immer zu 100 % abkaufte, so war es ein Ideal und eine Norm, die es in den Reihen der Hashiras gab. Dieses Mal fühlte es sich anders an. Vielleicht lag es an seinen Traum und daran, dass er diesen verheimlicht hatte. Aber konnte man von verheimlichen sprechen, wenn es um irgendeinen schlechten Traum ging? Immerhin träumte jeder mal schlecht, das hatten ihre Missionen so an sich. Selbst wenn es bei Kyojuro bislang nie passiert war, war er eben erst dem Tod entgangen – durchaus ein Grund für schlechte Träume.   „Aber es ist natürlich ein Grund zur Freude! Dennoch solltest du dich nicht zu sehr überschätzen.“   „Ich werde auf mich aufpassen, Kocho-san“, antwortete er sofort folgsam.   Sie wusste es.   Es war ganz eindeutig, dass Shinobu wusste, dass sie nur weit genug weg sein müsste, damit Kyojuro sich ins Training werfen würde. Nun, vielleicht nicht direkt heute, aber morgen! Für einen Moment lächelten sie einander an, als wäre es ein Wettstreit – Kyojuro würde nicht verlieren!   Wie ein Sieg fühlte es sich nicht an, als Shinobu sich nun Senjuro zuwandte: „Denkst du, du kommst hiermit zurecht, Senjuro-kun?“   „Ja, natürlich! Ich werde mich gut um Aniue kümmern!“ „Ah, auf dich kann ich vertrauen. Und wenn dein großer Bruder sich nicht ausreichend ausruht, wirst du mir eine Nachricht schicken, verstanden? Dann werde ich sehr schnell wieder da sein.“   Senjuros Gesichtsausdruck nach zu urteilen, verstand selbst er die versteckte Drohung hinter Shinobus Worten.   „J-ja natürlich, Kocho-sama!“   Kyojuro hoffte, dass Senjuros Liebe zu ihm größer wäre, als der Respekt vor Shinobu. Vorerst wäre er aber befreit von den aufmerksamen Blicken seiner Verbündeten, denn diese verabschiedete sich nun lächelnd. Senjuro brachte sie trotz allem Abwinken zur Tür, Kyojuros war insgeheim stolz darauf, dass sein Bruder so gut erzogen war. So hatte er hinzukommend auch nochmal einen Moment Zeit, um tief durchzuatmen, ohne dass alles hinterfragt wurde. Manches Mal war es so, als würde jede normale Sache bei ihm als kränklich oder verletzt gelten – dabei war es normal durchzuatmen.   Sein Blick wanderte durch sein Zimmer. Aufgrund all seiner Missionen, vor allem seitdem er zu einem Hashira aufgestiegen war, kam er nur noch selten nach Hause. Noch seltener konnte er dann länger als einige Augenblicke bleiben. Man konnte keine Rücksicht darauf nehmen und unterwegs war es sogar schwierig, mit Senjuro im Briefkontakt zu bleiben – er versuchte dies dennoch stets zu machen. Auch wenn er schon in seinem Kopf hallen hören konnte, dass Senjuro abwinkte und versicherte, es wäre schon in Ordnung, wenn er keine Zeit dafür hatte. Kyojuro wollte sich immer Zeit für seinen kleinen Bruder nehmen, selbst wenn es weniger war, als er sich wünschen würde.   „Aniue!“ Er drehte seinen Kopf wieder prompt in die Richtung der Tür, als Senjuro dort auftauchte, wesentlich entspannter, wo sie unter sich waren. „Wenn du magst, kannst du gerne etwas schlafen. Die Reise hierher war sicherlich anstrengend. Ich werde derweil etwas zu Essen für uns kochen.“   Kyojuro wollte nicht schlafen, aber er konnte spüren, dass sein Körper dies anders sah. Die Müdigkeit saß tief in seinen Knochen. „Ich freue mich schon auf dein Essen, Senjuro“, erwiderte er lächelnd. „Es ist schon so lange her, dabei gibt es niemanden, der besser kochen kann als du!“   Er war eine Person, die seine Mitmenschen gerne lobte und motivierte, vor allem in solchen Sachen, die der Wahrheit entsprachen. Vielleicht war er dabei zu motivierend, aber er empfand es als gerechtfertigt, Personen zu zeigen, dass sie etwas wirklich gut konnten und dran bleiben sollten. Bei seinem Bruder war es natürlich noch spezieller.   „Würdest du mir vielleicht etwas Wasser bereitstellen?“, bat er schließlich noch. Nebenbei machte es sich Kyojuro bereits etwas bequemer, um sich richtig hinzulegen.   „Aber natürlich!“ Amüsiert konnte er beobachten, wie Senjuro fast über seine eigenen Füße stolperte, als er sich geschwind auf den Weg machte, um ihm das gewünschte Wasser zu bringen. Mit einem leisen Seufzer schloss er sein Auge zur Hälfte, als er nun wirklich bequem lag. Die Betten im Schmetterlingsanwesen waren natürlich schon angenehm, aber nichts ging über das eigene Bett, im eigenen Zuhause.   „Ich stelle es dir hier hin“, kündigte Senjuro an, als er den Becher auch schon mit dem Wasser füllte, das in einer Karaffe gefüllt worden war. „Ich mache es dir hier noch etwas dunkler. Soll ich dich wecken, wenn das Essen fertig ist oder möchtest du lieber von alleine wach werden?“   Um ihn herum wurde es dunkler, während er die sanften Fußschritte seines Bruders vernehmen konnte, welcher flink durch das Zimmer lief und dabei versuchte so wenig Geräusche wie möglich zu machen.   Unscheinbar, leise, zurückhaltend ... wie ein Schatten.   „Wecke mich ruhig auf. Ich würde gerne mit dir gemeinsam speisen und noch etwas Zeit verbringen.“   Auch wenn er sicherlich nicht lange wach bleiben könnte. Vielleicht könnten sie sich draußen auf die Engawa setzen und den Sonnenuntergang beobachten, bevor er wieder schlafen gehen würde.   „Natürlich Aniue. Sollte etwas sein, ruf einfach nach mir.“   Hoffentlich schafft er den Weg aus den Schatten ins Licht.   „Das werde ich tun, Senjuro.“   Mittlerweile war Kyojuro es ja zumindest gewohnt, um Hilfe bitten zu müssen. Dennoch hoffte er darauf, dass dies bald nicht mehr der Fall sein müsste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)