In die Arme des Bösen von FlameHashira (Wichtelgeschichte für Sturmdrache) ================================================================================ Kapitel 1: Chapter One ---------------------- Im Nachhinein war das alles nur noch ein Echo von einer Erinnerung. Kyojuro fühlte die Klarheit und Sicherheit darüber tief in sich, aber gleichzeitig verweigerte sich sein Verstand anzuerkennen, dass dies wirklich passiert war. Seit seinem ersten Erwachen waren nun ein paar Tage vergangen. Er schaffte es mittlerweile wirklich für einige Stunden wach zu bleiben, auch wenn er nach wie vor mehr Schlaf benötigte als in einem völlig gesunden Zustand. Seine Ernährung bestand hauptsächlich auch Tee und leichte Misosuppe oder Ramen. Immer nur minimale Portionen.   Portionen, die Kyojuro normalerweise nicht ansatzweise sättigen würden, waren manchmal sogar zu viel. Er brauchte Hilfe bei jeder zu großen Bewegung – um sich aufzusetzen, um zu essen und zu trinken und natürlich auch dann, wenn er sich erleichtern wollte. Nach der anfänglichen Verlegenheit für ihn war das mittlerweile ganz normal geworden. Vielleicht nicht ganz normal, aber es war nicht mehr so, als würde Kyojuro innerlich im Boden versinken.   Das Schönste war jedoch, dass so viele Menschen kamen, um ihn zu besuchen. Kyojuro war sich natürlich darüber bewusst, dass er zu den meisten Menschen eine Bindung aufbaute, er bemühte sich stets darum, mit seinen Hashira-Kumpanen gut auszukommen, sie waren für ihn wie eine Familie. Dennoch war er durchaus etwas überrascht davon, wie viele Personen zu ihm kamen. Am wichtigsten für ihn war dabei natürlich Senjuro, welcher eindeutig tagelang damit verbracht hatte zu weinen. Kyojuro sprach es nicht an, um seinen kleinen Bruder nicht in Verlegenheit zu bringen, er umarmte ihn einfach so fest, wie es möglich für ihn war. Kyojuro fand heraus, dass er etwas mehr als zwei Wochen im Koma verbracht hatte. Sein Überleben war reines Glück gewesen. Der Blutverlust war immens gewesen, von der faustgroßen Öffnung in seinem Oberkörper mal ganz zu schweigen. Er sah bei allen Besorgnis und Skepsis darüber, als er hinterfragte, wann er wieder fit genug wäre. Kyojuro sah auch einen kurzen Augenblick mehr von Shinobu, als diese normalerweise zeigte. Als würde ihre Maske für den Bruchteil einer Sekunde zerbrechen, ehe sie wieder in traumhaftes Lächeln trug, welches Mut schenken konnte. Selbst dann, wenn es scheinbar keinen Mut gab, weil Kyojuro's Körper so stark beschädigt worden war, dass es möglicherweise zu einem verfrühten Rücktritt kommen könnte.   Kyojuro weigerte sich, das zu akzeptieren. Genauso wie er sich weigerte zu akzeptieren, dass Upper Moon Three hier gewesen war.   „Kyo~juro~!“   Er drehte schwerfällig den Kopf in die Richtung, aus welcher die ihm so bekannte Stimme kam, die einige Oktaven höher ging, als jemals zuvor. Viel Zeit hatte er auch nicht, um hinzusehen, denn kaum erkannte er einen rosafarbenen Haarschopf, da lagen auch schon die vermeintlichen zierlichen Arme um ihn, die ihn wohl wie einen Zweig zerbrechen könnten.   „Mitsuri“, erwiderte Kyojuro etwas lachend – und schwer zu Luft kommend.   „Kanroji-san! Rengoku-san ist immer noch sehr verletzt, seid also vorsichtig!“   Er schickte einen kleinen Dank gedanklich an Aoi, welche wohl die meiste Zeit mit ihm verbrachte und stets darauf aus war, darauf zu achten, dass Kyojuro von seinen Besuchern nicht überrannt wurde.   „O-oh nein ... Es tut mir so leid!“, hörte er Mitsuri schluchzen, die es geschafft hatte, in Sekundenschnelle, den Kragen seiner Kleidung unter ihren Tränen komplett zu benässen.   „Schon in Ordnung“, erwiderte Kyojuro sofort beruhigend, dennoch erleichtert als Mitsuri sich ein wenig löste, damit er auch richtig atmen konnte.   „I-ich bin nur so froh! Ich habe die Nachricht bekommen, dass du es vielleicht nicht schaffen wirst, aber du hast es geschafft! Du atmest und lebst und du lächelst immer noch!“   Wie konnte er nicht lächeln, bei einer Freundin wie Mitsuri? „Es war wohl reines Glück, wenn wir Kocho-san einfach so glauben wollen“, verriet Kyojuro mit einem kleinen auflachen. „Aber mir geht es ... ganz gut so weit.“ Auch wenn er immer noch sehr unselbstständig war, wurde es mit jedem Tag besser, zumindest fühlte es sich für ihn so an. Sein Optimismus spielte dabei jedoch sicherlich auch eine große Rolle.   Erst als Mitsuri sich nun wirklich von ihm löste, konnte Kyojuro auch eine weitere Person entdecken, die sich bislang in Stille geübt hatte – und einen scharfen Blick.   „Iguro-san!“ Kyojuro konnte den Schlangenhashira nicht so lautstark begrüßen, wie er es oft und gerne tat, aber da derzeit eine angenehme Ruhe herrschte, war es eindeutig laut genug, um auf sich aufmerksam zu machen.   „Rengoku-san ... gut das du überlebt hast.“   Kyojuro kannte Obanai gut genug, um zu wissen, dass dies schon mehr war, als man erwarten konnte. Es fühlte sich schon gut an, dass Obanai überhaupt aufgetaucht war, um ihm einen Besuch abzustatten. Er hätte ihm genauso gut einfach nur einen Brief schreiben können – oder einfach stillschweigend sein Überleben zur Kenntnis nehmen.   Mitsuri zeigte ihre Erleichterung schon mehr, denn kaum hatte Obanai diese Worte gesagt, drückte sie sich doch wieder mehr an Kyojuro und brachte diesen erneut zum Lachen. Solange sie ihn nicht erneut zerdrückte, gab es keinen Grund zur Beunruhigung für ihn.   „Denk nicht daran, mir erneut solche Sorgen zu machen!“, empörte sie sich dennoch ein wenig. „Ich dachte wirklich, du würdest ... sterben!“   „Du kennst mich doch, Mitsuri. So schnell tötet man mich nicht!“, entgegnete er etwas witzelnd.   Auch wenn es dieses Mal verdammt knapp gewesen war.   Genau das sagte auch Mitsuri's Gesichtsausdruck und Kyojuro wusste es ja auch. Sein scheinbar übermenschliches Glück war Grund dafür, dass er überlebt hatte und nichts weiter. Er hätte auf dieser Lichtung sterben sollen und sein Tod wäre noch sicherer gewesen, wenn die Sonne nicht aufgegangen wäre. Damit wollte sich Kyojuro jedoch nicht auseinandersetzen. Genauso wenig wie mit der Prognose von Shinobu, was seinen Zustand anbelangte. Für ihn war klar, dass er zurück an die Front gehen würde, auch wenn es vielleicht ein paar Wochen noch dauern würde, bis er wirklich bereit dazu wäre.   „Kocho-san sagte, dass ich wohl bald zum Auskurieren nach Hause geschickt werden kann“, wechselte er also glanzvoll das Thema. „Es muss nur alles vorbereitet werden, da sie mir keinen so langen Marsch zutraut.“   Natürlich würde sie es auch lieber sehen, wenn er hier bleiben würde. Doch auch wenn er alle hier mochte und er dankbar für ihre Hilfe war; nichts war wie das eigene Zuhause. Auch wenn er nicht ganz genau wusste, ob es wirklich die beste Idee war – sein Bruder würde sich freuen, aber sein Vater ... das war eine andere Angelegenheit.   „Lass dir Zeit damit“, meinte Mitsuri besorgt. „Immerhin weiß noch niemand, wie damit umgegangen wird, dass du ... na ja ... diesen Kampf überlebt hast.“   Kyojuro wusste, dass sie damit nicht das Corps meinte; es ging nur um Kibutsuji und Upper Moon Three. Es war mehrere Jahrzehnte her, dass ein Dämonenjäger auf einen solch mächtigen Dämon gestoßen war, wenn es doch mal vorgekommen wäre, war er durch diesen wohl gestorben. Ihre Informationen waren rar – eine Seite starb immer.   In diesem Fall war es jedoch nicht so.   Kyojuro hatte keine Informationen, abgesehen vom Kampfstil des Dämons und dessen Mühen, ihn zu seinesgleichen machen zu wollen. Er ging davon aus, dass dieser Dämon genauso wenig Wissen aus ihrem Kampf hatte ziehen können. In seinen Augen war es also fragwürdig, ob sich Kibutsuji die Mühe machen würde, jemanden auszusenden, um ihn doch noch zu töten.   „Mir wird es gut gehen“, sagte er daher unbesorgt zu seiner Freundin und der einzigen Person, die sein hartes Training durchgestanden hatte – bis sie ihre eigene Atemtechnik entwickelt hatte. „Hattet ihr eine gemeinsame Mission oder wart ihr zufällig zusammen in der Gegend?“   „Oh, wir sind uns auf dem Weg zum Anwesen hierher begegnet!“, antwortete Mitsuri sofort strahlend, ihre Wangen erröteten sanft. „Und gleich gehen wir zusammen essen! Iguro-san sagt, dass er ein neues Lokal kennt und es klingt großartig! Es ist so schade, dass du nicht mitkommen kannst, Kyojuro.“   „Das empfinde ich genauso“, seufzte er ein wenig gequält. „Die Ramen und die Misosuppe hier sind großartig, aber manchmal fehlt es mir, etwas zu essen, was man ... na ja, richtig essen kann, weißt du?“ Selbst Ramen konnte man nicht zerbeißen. Dennoch war ihm klar, dass es besser für seinen Magen war. Hinzukommend schaffte er es nach wie vor nicht, wirkliche Portionen zu verschlingen, die einen Besuch in einem Lokal rechtfertigen würden. „Aber sobald es mir wieder möglich ist, zeigt ihr mir dieses Lokal! Zumindest, wenn es wirklich so gut ist, wie es klingt!“ „Auf jeden Fall!“, stimmte Mitsuri sofort zu.   „Ich denke, ihr solltet dann langsam wieder gehen. Rengoku-san benötigt immer noch viel Ruhe zur Genesung“, mischte sich Aoi ein, welche sich bisher zurückgehalten hatte, indem sie irgendwelchen Aufgaben nachgegangen war. „Es ist Zeit für die Medikation und ich muss mir alle Verbände nochmal ansehen.“   „Ohhh ... aber ja ... das verstehen wir natürlich!“, die rosafarbenen Zöpfe wippten ein wenig, als Mitsuri sanft nickte. „Erhole dich gut, Kyojuro und übernimm dich nicht!“   „Ich doch nicht“, winkte er sofort ab.   Es war schön zu sehen und zu hören, wie besorgt alle um ihn herum waren und gleichzeitig erfüllte es ihn ein wenig mit Verlegenheit und einem unguten Gefühl in der Magengrube. Ihm war klar, dass dies nur an den selbstauferlegten Lastern lag, - immer lächeln, immer die starke Person sein, immer allen helfen und zur Seite stehen – es machte die Sache nur nicht besser.   Er lächelte auch Obanai nochmal zu, als dieser ihm zum Abschied zunickte. Dennoch verschwanden sie jetzt auch gemeinsam, womit nur noch Aoi bei ihm war. Natürlich hatte er den Luxus von einem Einzelzimmer bekommen, auch wenn er genauso wenig etwas dagegen hätte, mit seinen Kumpanen ein Raum zu teilen. Vielleicht wäre es traumatisierend, für sie alle gewesen, einen Hashira in diesem Zustand zu sehen? Schließlich war nicht jeder mit einem Hashira als Vater aufgewachsen und hatte mitansehen müssen, wie dieser aufgrund von Kummer und Alkohol immer mehr gebrochen wurde.   „Fangen wir mit den Verbänden an, Rengoku-san.“   „Natürlich.“   Kyojuro war nach wie vor nicht wirklich agil, beweglich oder auf andere Weise eine große Hilfe dabei, aber er tat sein Bestes, damit Aoi jeden Verband abnehmen konnte. Die ersten Male hatte Kyojuro gar nicht hinsehen können, mittlerweile war es gegenteilig der Fall. Er betrachtete jede Wunde, die er sehen konnte, äußerst neugierig und war stets erleichtert, wenn er eine positive Veränderung erkennen konnte. Etwas, dass ihm zeigte, dass er heilen würde. Nicht immer war er sich sicher, ob er sich etwas nicht nur einbildete, etwas sehen wollte, was nicht da war. Spätestens wenn Aoi oder auch Shinobu angaben, dass sich etwas besserte, fühlte er sich wirklich sicher in dem. Die schlimmste Wunde war jene in seinem Oberkörper, verursacht durch einer Faust. Schon jetzt waren Narben deutlich zu erkennen, im Grunde war es das, worauf sich Kyojuros immerzu konzentrierte. Es war unglaublich, dass er dies überlebt hatte – es war unglaublich, dass Shinobu es irgendwie hinbekommen hatte, das zu operieren. Genauso unglaublich war es auch, dass die Kakushi ihn lange genug am Leben erhalten hatten, damit es zu dieser Operation überhaupt hatte kommen können.   Wann immer diese Wunde sah, verstand er wieder komplett, weshalb sich alle solche Sorgen um ihn machten. Er verstand wieder, wie nahe er dem Tod gewesen war. „Es sieht alles gut so weit aus“, verkündete Aoi mit einem kleinen Lächeln. Sie half ihm dabei seine Kleidung wieder anzuziehen und zurecht zu zupfen, sodass er sich wieder etwas erleichtert zurücklehnen konnte. „Ich gebe dir noch die Medikamente, dann kannst du dich auch wieder ausruhen, Rengoku-san.“   Es war lächerlich, wie schnell er sich so entkräftet fühlte und gleichzeitig wäre es wohl seltsam, wenn es anders aussehen würde. Mittlerweile war er die Medikation bereits gewöhnt, deshalb spülte er ohne Probleme alles herunter, was Aoi ihm reichte. Die Wirkung würde nicht sofort eintreten, aber schon jetzt fühlte er sich müde.   „Ich werde jetzt gehen, Rengoku-san. Sollte etwas sein-“   „Dann werde ich nach dir rufen oder klingeln. Sei unbesorgt“, unterbrach er lächelnd.   Vermutlich könnte dies als sehr unhöflich angesehen werden, aber das war wohl ein Vorwurf, den man Kyojuro nicht so schnell machen würde. So auch Aoi, die ihm mit einem mutigen Lächeln zunickte, ehe sie den Weg aus seinem Zimmer heraus antrat und die Tüte hinter sich zuschob.   Prompt entrann Kyojuro ein schweres Seufzen, während er sich mehr im Bett zurücksinken ließ, sodass er wieder lag. Sein Oberkörper war noch etwas aufrecht, da es ihm so einfacher fiel zu atmen und zu entspannen. Wie lange würde es wohl noch dauern, bis er nach Besuchen nicht mehr das Gefühl haben würde, völlig erledigt zu sein?   Wie lange würde es dauern, bis er ganz allgemein wieder komplett verheilt wäre? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)