Love against all Reason von Ukiyo1 (Liebe gegen jede Vernunft) ================================================================================ Epilog: -------- 6 Jahre später.   >Wenn zwei Menschen füreinander bestimmt sind, wird das Schicksal sie zusammenführen, egal, wie lange es dauert, wie weit der Weg ist, wie schwer es scheint. Diese Liebe wird für immer halten.<   Heute ist ein wundervoller Tag. Ich lache und bewundere die strahlende Braut. Als Trauzeugin habe ich heute besonders viel zu tun und es ist bis jetzt zum Glück alles gut gelaufen. Ich freue mich so für sie. Für Sally. Und für Davis natürlich auch. Noch immer kann ich nicht fassen, dass die beiden jetzt verheiratet sind. Ganz lange war der Ausgang zwischen ihnen ungewiss. Sally und Davis haben all die Jahre immer Kontakt gehalten. Sie haben es sogar geschafft, sich regelmäßig zu besuchen. Die Zeit genossen beide sehr. Sie machten da weiter, wo sie zuvor aufgehört hatten. Dennoch war jeder Abschied wieder mehr als schwer und die Sehnsucht wieder groß. Irgendwann musste dann eine Entscheidung getroffen werden, wie es mit ihnen weitergeht und schließlich ist Davis ausgewandert und zu Sally nach New York gezogen. “Mimi, komm schnell. Wir müssen noch ein Foto zusammen machen.” Sally winkt mir aufgeregt zu. Ein Foto? Noch eins? Es ist ja nicht so, dass ich nicht schon auf fünfzig Bildern drauf bin. “Ja, schneller geht nicht.” Langsam erhebe ich mich von meinem Stuhl. Ich war froh endlich mal zu sitzen, aber als Trauzeugin wohl nichts, was man erwarten darf. Einfach sitzen. In meinem altrosa A-Linien Kleid stelle ich mich neben die Braut. Die Hochzeit findet auf Hawaii statt. Ich muss nicht erwähnen, wie traumhaft es hier ist. Da meine High Heels eine absolut schreckliche Schuhauswahl war, laufe ich seit Stunden nur noch Barfuß herum und ja, Tai hat mir tausend Mal gesagt, dass ich auf meinen Schuhen nicht lange glücklich werden würde, aber wie so oft, musste ich das ja auf Biegen und Brechen durchziehen. Ich lerne immer noch am besten durch eigenes Fehlverhalten. Wir stellen uns unter einen großen Blumenbogen und posieren vor Karies Kamera. Wir lächeln breit, ehe Sally wieder zu mir sieht. “Danke für deine Hilfe und Unterstützung heute.” “Kein Problem, du weißt doch, ich habe das alles wirklich gerne gemacht.” “Wer hätte gedacht, dass von uns Beiden ich die Erste bin, die heiratet? Warum, zum Kuckuck, macht Tai dich nicht endlich klar?” “Sally!” Nach wie vor ist meine beste Freundin nicht auf den Mund gefallen. Es stimmt, von meinem gesamten Freundeskreis sind Tai und ich das einzige Pärchen, das noch nicht verheiratet ist. “Ich verstehe es auch nicht. Ihr seid seit sechs Jahren keinen einzigen Tag getrennt gewesen und trotzdem seid ihr immer noch nicht verlobt”, stimmt auch Kari Sally zu. “Ich muss ein ernstes Wörtchen mit meinem Bruder reden.” Tatsächlich war ganz lange ich der Grund, warum wir noch nicht weiter gegangen sind. Die ganze Geschichte mit Joe und den Kidos hat so viele Spuren hinterlassen, dass das Thema Ehe ganz lange ein rotes Tuch für mich war. Ich brauche keinen Trauschein, um mich an jemanden zu binden. Tai ist und bleibt die Liebe meines Lebens. Das wird sich nie ändern. “Dann musst du eher ein ernstes Wörtchen mit mir reden, denn ich bin die, die einfach noch nicht so weit war.” Kari nimmt ihre Kamera herunter und lässt sie einfach baumeln, da sie an einem Sicherheitsband befestigt ist. “Glaubst du denn, dass du meinen Bruder eines Tages heiraten möchtest?”   “Sag niemals nie.” Ich zwinkere ihr zu. Ich mag jetzt nicht mit den Beiden darüber reden. Die Wahrheit ist, dass ich natürlich eines Tages Tais Ehefrau sein möchte und seinen Namen tragen will. Es würde mich mehr als stolz machen, aber das möchte ich erst, wenn ich meine Narben ansehen kann, ohne Flashbacks zu haben. Wenn ich das Wort Hochzeit oder Ehe höre, ohne das Gefühl zu haben, keine Luft mehr zu bekommen. Früher hatte ich Angst, dass das vielleicht niemals passiert, aber ich bin schon so weit gekommen und Tai hat mir deswegen nie Druck gemacht. Er sagt nur, ich soll ihm Bescheid geben, wenn ich soweit bin. Sally wird von ihrem Mann gerufen und verabschiedet sich zunächst von uns. Sie läuft Davis in die Arme, sie küssen sich und kichern wieder. Sie sind echt süß zusammen. Die Zwei machen mit ihrem privaten Fotoshooting weiter und werden hier sicher unglaublich tolle Fotos schießen. “So, ich gehe dann mal mit. Wir haben einen strengen Zeitplan.” “Ach?” Ich lache, da ich den Zeitplan auswendig kenne. Sie hängen übrigens bereits hinterher. Ich freue mich, dass ich mich jetzt endlich nochmal hinsetzen kann. Es wird langsam anstrengend. Da steht auch schon Tai vor mir und hält mir ein Sektglas mit Orangensaft drin entgegen. “Du solltest mal eine Pause machen.” “Das versuche ich ja schon die ganze Zeit”, kichere ich. Tai drückt mir einen Kuss auf die Stirn und streichelt sanft, fast unbemerkt meinen Bauch. “Immerhin muss ich ja auf euch beide aufpassen.” “Uns geht es gut.” Tai und ich erwarten ein Baby. Es war nicht wirklich geplant, aber manchmal passieren Dinge im Leben, die nicht so ganz nach Plan laufen und das ist auch gut so. Tai hat sich den Rat von Kaito Minamoto zu Herzen genommen und Kriminologie studiert. Seit einem Jahr arbeitet er fest in diesem Beruf und ist jetzt schon nicht mehr aus der Branche wegzudenken. Die Weltreise haben wir selbstverständlich auch umgesetzt, als Tai sich endgültig zurück ins Leben gekämpft hatte. Es hat fast ein ganzes Jahr gedauert, bis Tai wieder körperlich, als auch mental als genesen angesehen wurde. Er hat auch nicht nur ein hohes Schmerzensgeld von Haruiko erhalten, sondern auch von der Profuktionsfirma, unter der er damals noch unter Vertrag stand. Die Summe war so oberirdisch hoch, dass wir beide gar nicht mehr hätten arbeiten müssen, aber das wäre uns dann doch zu langweilig geworden. Jedoch hat es sehr viel Druck rausgenommen und das Haus, welches wir damals zur Miete übernommen haben, haben wir dann schlussendlich gekauft. Noch immer ist Sport sehr wichtig für Tai und genau den Ausgleich, den er in seinem Berufsalltag braucht. Ich hingegen habe mich dann mit meinem eigenen Store als Stylistin in einem anderen Stadtteil selbstständig gemacht. Es liegt sehr viel näher an unserer Wohngegend und das tägliche Pendeln fiel endlich weg. “Das ist gut. Ist dir übel?” “Nein, gar nicht.” Ich habe die ersten Wochen sehr unter Schwangerschaftsübelkeit gelitten und auch erstmal nur abgenommen. Ich habe jetzt die zwölfte Woche erreicht, aber tatsächlich wissen es bisher nur unsere Eltern. Ich wollte Sally vor ihrem großen Tag nicht die Show stehlen und es erst danach sagen. “Ich glaube, ich habe das Schlimmste hinter mir.” Das hoffe ich zumindest. “Dann setz dich hin und ich schau mal, ob ich noch welche von den leckeren Cupcakes für dich bekomme.” Ich kichere, während ich erneut versuche, mich mal hinzusetzen und Tai auf die Candy-Bar zusteuert. “Tante Mimi.” Ich drehe mich um und Hina läuft auf mich zu. Ich lache, als ich das kleine Mädchen, welches ihrer Mutter Kaori so unglaublich ähnlich sieht, sehe. “Hina.” Sie ist schon so groß geworden. Hina ist schon fünf Jahre alt und besucht bereits die Vorschule. Wo ist die Zeit nur geblieben? Ich kann mich noch so genau an den Tag erinnern, als ich Kaoris Hand gehalten hatte und sie vom Geschlecht erfahren hat und jetzt steht dieses großartige Mädchen vor mir und zeigt mir eine Skulptur, die sie gerade aus Knete geformt hat. “Was hast du denn schönes gebaut?”, frage ich sie und gehe in die Hocke, um Hina auf Augenhöhe zu begegnen. “Das ist ein kleines Schweinchen”, kichert Hina und ja, mit genauem Hinsehen und viel Phantasie kann ich es auch erkennen. “Mensch, das hast du aber toll gemacht.” Hina nickt stolz und hält ihre Knetfigur nah an ihrem Gesicht. “Die muss ich Mama zeigen.” Sie läuft bereits wieder los. Ich erhebe mich, folge ihr und gehe zu Kaori. Sie kichert, als sie die Skulptur sieht und streichelt sanft über den Kopf von Hina. “Wahnsinn, das ist mein Mädchen.” Hina setzt sich hin und begutachtet weiter ihre Knetfigur, die teils ein wenig mit Sand begossen wird. Kaori hebt mir ihr Orangensaftglas entgegen und ich stoße mit ihr an. “Es ist bereits dein viertes Glas Orangensaft und vorhin nach der Trauung hast du mit alkoholfreiem Sekt angestoßen, so wie ich … also … gibt es da etwas, was du mir sagen möchtest?” “Ich ähm … ich will heute einfach nicht so viel trinken und einen klaren Kopf behalten.” Kaori sieht mich an, als hätte sie mich schon längst durchschaut. Ich rolle mit den Augen und nicke schließlich ergeben. “Ja okay, ich bin schwanger”, sage ich leise und nah an Kaori gewandt. Sie kreischt jedoch sofort auf, weshalb sich alle Gäste zu uns umdrehen. Ich lächle verlegen. “Auf Sally und Davis”, rufe ich drauf los, obwohl die Beiden gerade mit Kari Fotos schießen. Die umliegenden Gäste erheben mit uns das Glas und suchen mit ihren Augen das Brautpaar. “Ups”, kommt es von Kaori. Ich sehe sie mit einem mahnenden Blick an, denn heute möchte ich wirklich nicht, dass dieses Thema zur Sprache kommt. “Entschuldige, aber ich freue mich so für euch.” “Danke.” Ich kann nicht anders, als breit zu grinsen. Ich freue mich ja selber. “Wie weit bist du denn?” “Ich bin bereits in der zwölften Schwangerschaftswoche.” “Schon so weit? Wow. Weißt du schon, was es wird?” Ich schüttel den Kopf. “Nächste Woche haben Tai und ich das große Screening und vielleicht erfahren wir es dann. Vielleicht aber auch nicht. Irgendwie glaube ich, dass es ein Junge wird. Keine Ahnung, warum.” “Dann werden unsere Jungs bestimmt beste Freunde”, klatscht Kaori in die Hände, da diese auch wieder schwanger ist. Jedoch ist Kaori schon im letzten Trimester angekommen und alles dreht sich bei ihnen Zuhause um das Thema Baby. Hina erhebt sich in dem Moment und sieht erst ihre Mutter und dann mich an. “Hast du auch ein Baby in deinem Bauch, Tante Mimi?” “Ähm …” “Also …”, versucht auch Kaori zu überlegen, wie wir jetzt aus dieser Nummer wieder rauskommen. “Hina, es ist so, dass das noch niemand weiß und …” “Papa …“, ruft Hina in dem Moment los und rennt davon. “Oh nein.” Kaori und ich laufen Hina hinterher, doch diese ist so eben bei Onkel, äh Papa Joe angekommen. Ja, das mit Kaori und Joe ist eine Geschichte für sich. Jim hat zwar noch lange versucht, sich zu wehren, aber gegen Kaito Minamoto hatte er keine Chance. Die Scheidung wurde vollzogen und das Sorgerecht stand zunächst beiden zu. Jedoch hat Jim nie sonderlich viel Interesse an seiner Tochter gezeigt. Am Anfang hat er es ein paar Mal versucht, doch irgendwann hat er eine neue Frau kennengelernt, ist mit ihr nach Kyoto gezogen und hat leider wieder geheiratet. Das Interesse an Hina war verschwunden. Joe hingegen war schon in der Schwangerschaft für Kaori da und dies blieb, als Hina das Licht der Welt erblickt hatte. Joe war sogar bei der Geburt dabei und ich glaube von dem Moment an, hatte er sein Herz an Hina komplett verloren. Es hat dann trotzdem noch ein ganzes Jahr gedauert, bis aus den beiden ein Paar wurde, aber dann ging alles recht schnell. Zusammenziehen, Heirat. Joe hat Kaoris Namen angenommen und darunter auch seine eigene Hausarztpraxis aufgemacht. Frau Kido arbeitet in seiner Praxis sogar als Arzthelferin und unterstützt ihn bei der Abrechnung. Worüber sie sehr dankbar ist. Kaori hat nach einem Jahr Elternzeit beschlossen wieder als Innenarchitektin zu arbeiten und ist an einer etablierten Firma angestellt. Schließlich wurde Kaori erneut schwanger. Diesmal mit einem Jungen und in sechs Wochen soll der kleine Mann kommen und diese kleine Familie perfekt machen. Nanami hat nach ihrem Schulabschluss ebenfalls Architektur studiert. Ihr liegen besonders Objekte am Herzen, die unter Denkmalschutz stehen. Sie ist die Jahre über richtig aufgeblüht und mittlerweile eine sehr offene und fröhliche junge Frau geworden. “Was ist los, Hina?” Joe nimmt Hina auf den Arm und auch Joe sieht sich die Knetfigur an. “Ein tolles Schweinchen hast du da gemacht.” “Du erkennst es, Papa.” “Na klar.” “Hey.” Völlig außer Puste kommen Kaori und ich vor Joe zum Stehen. “Was ist denn mit euch los?” “Wir äh … wollten herausfinden, wer schneller ist…” “Na, das war klar, dass Mimi gewinnt. Du bist hochschwanger. So etwas solltest du nicht tun.” “Ja, entschuldige. Hina war nur plötzlich so schnell weg”, erklärt Kaori schweratmend. “Ja, weil ich Papa sagen will, dass Tante Mimi …” “Ahhhhhhhh”, kommt es aus mir lauthals und ich fange an, einen Hampelmann zu machen. Ich muss nicht erwähnen, dass alle Augenpaare auf mich gerichtet sind und mich angucken, als hätte ich sie nicht mehr alle. Oh Gott, wie kann ich dieses Kind nur zum Schweigen bringen? “So und jetzt basteln wir auch alle Knetfiguren und die schönste Figur bekommt einen Preis”, verkünde ich, während die Hochzeitsgäste sich unsicher Richtung Knetstand bewegen. Ich nehme die Skulptur von Hina und zeige auf den Knetstand. “Oh, ich will auch noch eine Figur machen. Komm Papa, du musst mir helfen. Ich will gewinnen.” Hina strampelt mit ihren Beinen, sodass Joe sie wieder runter lässt, dann greift Hina an Joes Hand und zieht ihn hinter sich her. Erleichtert atme ich aus. Das ist gerade nochmal gut gegangen, aber für wie lange? “Und was bekommt der Gewinner?”, fragt Kaori. “Keinen blassen Schimmer.” “Sorry, Mimi, schon wieder. Nur ist Hina im Moment so aufgeregt wegen ihrem kleinen Bruder, dass sie einfach total viel mitbekommt.” Ich nicke ihr zu. Ich bin nicht böse, nicht wirklich. Ich will nur nicht, dass Hina heute allen die News erzählt. Ich werde Hina wohl heute im Auge behalten müssen. Mal sehen, ob ich sie immer ablenken kann, sodass sie mein Geheimnis nicht verrät. “Ich setze mich nochmal rüber zu Tai. Ich glaube, Hina ist jetzt erstmal abgelenkt.” Hoffe ich.   Da mir gerade wirklich etwas schwindelig geworden ist, setze ich mich an den Tisch. Endlich sitzen. Tai wartet bereits grinsend auf mich und hat sich selbst natürlich auch noch Macarones, Cake Pops und Mashmallos mitgebracht. Na ja, man sagt ja nicht umsonst, dass die Männer irgendwie mit schwanger sind. “Ist mein Cupcake noch da?” “Na klar. Was war das eigentlich gerade mit deiner Sporteinheit?”, fragt Tai grinsend nach. “Ach, frag nicht. Kaori weiß es und Hina hat es irgendwie aufgeschnappt und jetzt ist sie so etwas wie eine tickende Zeitbombe.” Ich nehme mir meinen Cupcake und beiße herzhaft rein. Himmlisch. “Okay, dann werden wir wohl untergehen.” “Sag das nicht.” Tai steckt sich gerade einen Cake Pop in den Mund und zuckt unbekümmert mit den Achseln. “Es ist doch nicht so schlimm, wenn es jetzt alle erfahren. Die kritische Zeit ist doch eh vorbei.” “Darum geht es mir doch gar nicht, das weißt du doch.” Es ist mir unendlich schwer gefallen, es bis hierhin geheim zu halten, denn immerhin ist das eine gewaltige Nachricht und sicher würden sich auch alle Freunde für uns mit freuen, aber eben weil es so gewaltig ist und dann sicher alle viele Fragen stellen würden, fände ich heute gänzlich unpassend. Tai nickt und hat sich soeben über die Mashmallos hergemacht. “Also sollten wir jemals heiraten, brauchen wir auch eine Candy-Bar.” “Ist notiert.” Tai und ich waren jetzt schon auf so vielen Hochzeiten. Es gab immer Dinge, die uns gut und weniger gut gefallen hatten und diese haben wir notiert, was unsere eigene Planung mal deutlich leichter gestalten wird. Takeru setzt sich ebenfalls mit einem Teller voller Macarons neben Tai. Auf seinem anderen Arm hält er seine kleine Tochter Megumi, die gerade auf seinem Arm wegdämmert. Megumi ist achtzehn Monate alt und hatte wohl keine Lust, im Kinderwagen ihren Mittagsschlaf zu halten. “Oh weia, Megumi ist aber ganz schön müde”, stelle ich fest. Megumi gähnt herzhaft und schreckt dann aber wieder hoch. “Ham ham.” “Echt, du willst schon wieder meine Macarones?” “Scheinbar nicht das erste Mal?”, fragt Tai nach. “Nein, sie hat eben schon über die Hälfte gegessen. Wenn deine Mutter das erfährt, killt sie mich, also nicht verraten.” Megumi knabbert bereits an einem Macarones, aber die Müdigkeit scheint sie gerade wieder zu überrollen. Sie reibt sich die Augen und wird unruhig. “Komm mal zu Onkel Tai und lass deinen Papa mal in Ruhe essen.” Tai hält seine Hände zu Megumi und Takeru übergibt sie. Er läuft etwas hinter unserem Tisch auf und ab und schaukelt dabei Megumi. Er fängt an, irgendein Kinderlied zu summen und tatsächlich schläft Megumi so ein. Ich kann nicht anders, als Tai die ganze Zeit anzustarren. Man, mit diesem Mann habe ich echt das große Los gezogen. Er sieht eben nicht nur mega gut aus. Er ist fürsorglich, humorvoll, großzügig und liebevoll. Mein Herz weitet sich sowieso jedesmal, wenn ich ihn mit Kindern sehe. Er wird so ein großartiger Vater werden. Als der Schwangerschaftstest positiv ausfiel, war ich ehrlich gesagt total geschockt. Ich hatte Zukunftsängste und wusste nicht, ob ich schon so weit bin, Mutter zu werden und auch wenn ich die Kinder meiner Mama Freundinnen liebe, wie meine eigenen, ist eine eigene Familie gründen doch nochmal was anderes. Tai hingegen hatte nie auch nur eine Sekunde Zweifel, er hat mir sämtliche Wünsche von den Augen abgelesen und als er dann am nächsten Tag mit einem Set New Born Baby Klamotten ankam, war es auch um mich geschehen. Ich werde unsere Zweisamkeit sicher auch mal vermissen, aber weiß nun eben auch, dass dieses Baby das ultimative Zeichen unserer Liebe ist. Oh man, ein Baby von Tai. Ich spüre, wie wieder Hitze in meinem Kopf aufsteigt. Meine Wangen glühen förmlich. “Alles ok?”, erkundigt sich Takeru, denn ihm entgeht natürlich auch nicht, wie ich Tai anschaue. “Tai macht das mit den Kindern einfach nur toll. Kinder lieben ihn einfach.” Takeru sieht seine schlafende Tochter und nickt zustimmend. Das kleine Mädchen mit den dunkelblonden Haaren und den braunen Augen, ist jetzt schon eine Erscheinung. “Wenn es eines Tages bei euch soweit ist, wird er dich sicher noch mehr vergöttern, als ohnehin schon.” Darüber muss ich nachdenken. Tut er das? “Meinst du?” “Ähm ja, das war schon immer Tais großer Traum, eine eigene Familie zu gründen. Zumindest hat Kari das immer gesagt. Lange sah es ja auch nicht so aus, als würde dieser Traum für ihn je in Erfüllung gehen und dann kamst du in sein Leben, wie ein Hurrican. Hurrican Mimi.” Ich lache und schüttle meinen Kopf. Oh ja, unser Zusammenkommen war wirklich ein Hurrican. Kari scheint mit dem Paar-Fotoshooting fertig zu sein, denn sie setzt sich gerade neben ihrem Mann und klaut seine letzten Macarones. “Lecker.” Etwas bedröppelt sieht Takeru auf seinen Teller und sieht zu seiner Frau. “Na ja, immerhin werde ich von den wichtigsten Frauen in meinem Leben bestohlen.” "Ähm, wie bitte?” "Ach, vergiss es.” Takeru drückt seiner Frau einen Kuss auf die Lippen und tritt erneut den Gang Richtung Candy Bar an. “Soll ich dir was mitbringen?” “Nicht nötig, ich bediene mich einfach an deinem Teller”, zwinkert Kari ihm zu. Tai, der gerade Megumi erfolgreich zum Schlaf verholfen hat, legt sie nun behutsam in den Kinderwagen. Er schaukelt ihn noch etwas, damit Megumi nicht direkt wieder wach wird. Mein Herz. “Der beste Onkel der Welt”, sagt auch Kari, die in den Kinderwagen blickt und sieht wie ihre kleine Tochter endlich in den Schlaf gefunden hat. “Tja, ich habe es eben drauf.” Er zwinkert frech und ich kann ihm da nicht mal widersprechen. Sally und Davis laufen Händchenhaltend zusammen an uns vorbei und können nun auch endlich von der Candy Bar probieren. Gleich wird es auch schon Zeit für die Hochzeitsrede. Irgendwie bin ich deswegen sogar richtig aufgeregt. Ich habe echt lange an dieser Rede geschrieben. Immerhin geht es hier um meine beste Freundin, die zu jeder schlimmen Stunde meines Lebens an meiner Seite stand, ob es bei meinem ersten Liebeskummer der Fall war oder bei all meinen verrückten Plänen, die ich im Laufe meines Lebens geschmiedet hatte. Wie dankbar ich ihr bin, für alles, was sie zu der Zeit in Tokyo für mich gemacht hat, ist sowieso nicht mit Worten zu beschreiben und selbst als mein Vater nach dem Prozess auf zehn Jahre Haft verurteilt wurde, stand sie meiner Mutter und mir bei. Sie ist einfach ein wundervoller Mensch mit viel Energie. Meiner Mutter geht es soweit gut. Sie hat eine schöne Wohnung in New York gefunden, fährt meinen Vater jedes Wochenende besuchen, arbeitet in einer Drogerie und ist wahnsinnig bescheiden geworden. Auch Tai und ich haben meinen Vater schon ein paar Mal besucht. Ich habe ihm am Telefon gesagt, dass er Opa wird. Es stimmt ihn wahnsinnig traurig, dass er die ersten Jahre seines Enkels oder seiner Enkelin verpassen wird, aber ich bin sicher, dass sie danach auch noch genug Zeit haben, um eine schöne Beziehung aufzubauen. Er versucht die Zeit so gut es geht abzusitzen und sich weiter nichts zu Schulden kommen zu lassen. Wenn er Glück hat, darf er in zwei Jahren einen vorzeitigen Antrag stellen, um eher aus der Haft entlassen zu werden. Ich wünsche es ihm so.   “Die Trauzeugen bitte.” Davis sieht in die Runde und sieht zu mir und zu Ken. Ken und Davis sind schon ewig beste Freunde, daher war es nicht verwunderlich, dass Ken Davis‘ Trauzeuge wurde. Es hat auch wirklich Spaß gemacht, mit Ken so viel zu planen. Ken und Yolei sind mir so sehr ans Herzen gewachsen und dass wir fast Nachbarn sind, ist sowieso das Schönste. Oft sitzen wir abends noch bei ihnen auf der Veranda und lassen die Woche Revue passieren. Yolei und Ken sind bereits zum dritten Mal Eltern geworden. Ryu ist bereits neun Jahre alt, dann kam Yuna, sie ist vier Jahre alt und vor drei Monaten hat Akira das Licht der Welt erblickt. Keine Ahnung, wie sie das alles hinbekommen, aber sie sind der Wahnsinn. “Darf ich bitten?” Ken hält mir seinen Arm entgegen und ich hake mich bei ihm unter. “Mit dem größten Vergnügen.” Meine Pause scheint wohl wieder vorbei zu sein. “Eure Reden sind dran.” Davis sieht mit einem strengen Blick zu Ken. “Nur Gutes über mich.” “Was sollte ich auch sonst über dich sagen?”, lächelt Ken freundlich. “Na ja, du kennst alle meine Geheimnisse.” “Und Geheimnisse unter besten Freunden bleiben geheim.” Ich grinse, die beiden sind selbst schon wie ein altes Ehepaar. “Hab nichts anderes von dir erwartet. Wer fängt an?”, möchte Davis wissen. “Ken beginnt.” Ich muss gerade echt gegen meine Nervösität ankämpfen. Irgendwie bin ich gerade total verkrampft. Dabei kann ich sowas eigentlich ganz gut, aber irgendwie ist mir dennoch übel. Oh man, ich hätte den Cupcake nicht essen sollen. Ken lässt ein Champagnerglas mit einem Löffel erklingeln und alle Gäste verstummen und schauen zu uns. Oh Gott, wieso bin ich so nervös? Es ist doch nicht meine Hochzeit. “Liebes Brautpaar, liebe Brauteltern, sehr geehrte Hochzeitsgesellschaft. Ich bin Ken, Davis‘ Trauzeuge. Ich möchte zunächst mit einem Zitat beginnen und ich denke, dies passt sehr zu den Beiden: Die Ehe ist eine Partnerschaft zwischen zweier einzigartiger Menschen, die das Beste aus dem jeweils anderen herausholen und die wissen, dass sie zwar als Einzelne wunderbar sind, aber zusammen noch besser.” Während Ken darüber erzählt, wie er Davis kennen und lieben gelernt hat, wie oft er zwischen den Stühlen stand, weil Davis sich anfänglich mit Yolei nicht so gut verstanden hatte und wie glücklich er über die Jahre der Freundschaft ist, hänge ich noch an seinen Worten. Tai und ich sind genau das füreinander. Wir sind zwei Menschen, die immer versuchen, das Beste aus dem anderen herauszuholen, die zwar wissen, dass wir gut sind, so wie wir sind, aber genauso wissen, dass wir nur gänzlich strahlen können, wenn wir zusammen sind. Wenn das also Ehe ist, warum habe ich dann Angst davor? Denn das sind wir. Tai und ich. Wir beide. Ich lächle, wir beide. Ken kommt zum Ende und kann es auch zum Schluss nicht sein lassen, ganz philosophisch zu werden. “Glückliche Ehen beginnen, wenn wir die heiraten, die wir lieben und sie blühen auf, wenn wir die lieben, die wir heiraten und ich freue mich, euch heute dabei begleiten zu dürfen. Euch jeden Tag in eurer Liebe wachsen zu sehen, auch wenn es mal nicht so einfach ist, ich weiß, ihr werdet es schaffen.” Alle klatschen, Sally hat Tränen in den Augen und Davis ist berührt. Oh man, das kann ich gar nicht toppen. Das ist unmöglich. Ausgerechnet ich soll über die Ehe reden, die, die es nicht mal hinbekommen hat, den tollsten Mann der Welt zu heiraten, weil ich Angst habe, es würde mich oder uns verändern. Alle blicken zu mir. Kein guter Zeitpunkt, um eine Panikattacke zu bekommen. Nein, wirklich nicht. Also reiß dich zusammen. “Hi, ich bin Mimi und die Trauzeugin von Sally. Erstmal vielen Dank an Ken für die schöne Rede.” Ich sehe kurz zu Ken, ehe ich wieder zur Braut und den Gästen schaue. “Sally und ich kennen uns bald schon unser ganzes Leben und ich …” Oh man, die Schwangerschaftsübelkeit ist doch eigentlich vorrüber, aber warum ist mir nur so schlecht? Ist doch total bescheuert. “Als wir in den Hochzeitsvorbereitungen steckten und Sally mir mitteilte, dass ich bei ihrer Hochzeit eine Rede halten sollte, dachte ich ja, warum nicht, was ist schon dabei? Doch dann bekam ich Angst, weil ich dachte, dass ich vielleicht nicht geeignet für diese Position bin, ich dachte nur: no way.” Ich blicke zu Tai, der mich ermutigend anlächelt und mir mit seinem Blick andeutet, dass ich es schon schaffen werde. Oh man, wie sehr ich diesen Mann liebe. “Doch ihr kennt Sally, sie bekommt was sie will. Wahrscheinlich verbindet uns diese Eigenschaft auch so sehr und deswegen stehe ich auch hier. So Sally, das hast du jetzt davon. Ich werde nun ein paar Wahrheiten über dich berichten. Als ich überlegt habe, welche Erinnerung von Sally ich mit euch teilen möchte, habe ich sofort an unseren gemeinsamen Zeltausflug gedacht. Wir waren damals noch Teenager und hielten das für ein echt spannendes Abenteuer. Nach dem Motto: Wir sind voll die Survivor. Ich sage euch, nach einer gemeinsamen Nacht mit Sally in einem kleinen Zelt mitten im Wald war das Abenteuer auch beendet. Sally hat mich erst total kirre gemacht, was das wieder für ein Geräusch war, ehe sie eingeschlafen ist und den ganzen Wald abgesägt hatte, also im übertragenen Sinne natürlich, denn sie hat so laut geschnarcht. Im Leben hätten sich keine wilden Tiere an die Nähe unseres Zeltes gewagt.” Die Hochzeitsgesellschaft lacht. Sally auch. Es läuft doch ganz gut. “Lieber Davis, solltest ihr im Spätsommer jemals mit Rucksack und Zelt in der freien Natur übernachten, mach dich auf was gefasst.” Sally schüttelt lachend den Kopf. “Den Platz im Zelt neben Sally gebe ich gerne auf und an dich weiter - du machst das schon. Den Platz den ich nicht so gerne aufgebe, ist der neben Sally im Autoscooter. Es gibt keine bessere Freundin, die so leidenschaftlich beim Autoscooter verängstigte kleine Jungs anschreit, wenn klein Mimi versucht auch mal die anderen Autos zu rammen. Überhaupt möchte ich die Gelegenheit nutzen, um dir zu sagen, wie viel du mir bedeutest, wie viel ich von dir gelernt habe und wie sehr ich mich darauf freue, deinen Kindern einmal alles über ihre Mutter erzählen zu können. Und ich meine wirklich alles. Lieber Davis, du wirst mit Sally eine starke und wundervolle Frau an deiner Seite haben und ich kann dir zum Schluss nur den Rat geben, diese drei Worte immer zu Sally zu sagen: Du hast Recht. Ein Prost auf eure Hochzeit und auf viele glückliche Jahre. Auf euch.” “Auf euch”, stimmen alle mit zu.   Sally weint, es scheint ihr gefallen zu haben und auch ich atme erleichtert auf. Doch dann springt Hina plötzlich vom Schoß ihres Vaters auf und brüllt. “Tante Mimi hat auch ein Baby in ihrem Bauch.” Alle starren mich an. Kaori hält Hina den Mund zu, doch es ist bereits zu spät. Sally sieht zu mir. Okay, jetzt ist mir wieder schlecht. “Stimmt das?” “Ähm … also.” Tai kommt zu mir, geht auf die Knie und küsst meinen Bauch. Er sieht mich voller Liebe an, erhebt sich, nimmt meine Hand und sieht zum Hochzeitspaar. “Ja, es stimmt. Mimi und ich erwarten unser erstes Kind. Wir wollten es eigentlich erst morgen sagen, aber es zu leugnen kommt nicht in Frage.” Nein, ich würde es auch niemals leugnen, wenn man mich direkt darauf anspricht. Es ist schließlich unser Baby und wir lieben es jetzt schon. Ich nicke und halte mich an Tai fest. Sally springt von ihrem Stuhl auf, kreischt und läuft auf uns zu. Sie umarmt mich fest, während auch der Rest der Hochzeitsgesellschaft klatscht. Oh man, genau das wollte ich vermeiden. Jetzt stehe ich total im Mittelpunkt und einfach jeder hat es mitbekommen. Davis sagt dem DJ, dass er wieder Musik spielen soll und die Leute fangen wieder an, sich zu unterhalten. “Wieso sagst du denn nichts?” Will Sally direkt von mir wissen. Auch Kari kommt gleich auf uns zu und drückt ihrem großen Bruder einen Kuss auf die Wange. “Herzlichen Glückwunsch, Bruderherz.” “Ich wollte es erst nach der Hochzeit sagen, weil na ja, es soll doch heute nur um dich, um euch gehen.” Sofort winkt Sally ab. “Also wenn meine beste Freundin von ihrem Adonis, so wie du ihn immer nennst, ein Baby erwartet, will ich das sofort wissen!“ “Dein Adonis?”, hakt Tai grinsend nach und ich rolle mit meinen Augen. “Ach halt die Klappe.” “Was? Du hast vor meinem Mann gesagt, dass ich schnarche.” “Ich würde jetzt Mal die freche Behauptung aufstellen, dass er das schon weiß.” “Jap und trotzdem liebe ich dich.” Davis kommt dazu und umarmt Sally von hinten. “So und jetzt erzählt endlich”, sagt Kari aufgeregt. Auch Takeru hat sich zu seiner Frau gestellt und Yolei, mit Baby im Tragetuch, zu Ken. Jetzt sind alle um uns versammelt. “Na ja, wir bekommen eben ein Baby.” “Wie weit bist du?” “Ich bin in der zwölften, morgen sogar in der dreizehnten Schwangerschaftswoche.” “Und ich hatte mich letztens schon gewundert, als du den Sushi Abend abgesagt hast. Du liebst Sushi”, stellt Yolei nüchtern fest. “Das Verzichten auf bestimmte Lebensmittel ist gerade auch wirklich das Schlimmste.” “Ja, umso mehr freut man sich dann, wenn man bestimmte Dinge wieder essen darf”, erklärt Yolei. Kari nickt. “Oh ja und wie erging es dir bisher so?” Ich sehe zu Tai, der wohl gerne übernehmen möchte. “Mimi litt schon sehr unter Schwangerschaftsübelkeit und sie war extrem müde, aber jetzt geht es langsam wieder.” Tai holt sein Handy hervor und zeigt ganz stolz das letzte Ultraschallbild, welches wir bekommen haben. Man sieht darauf schon einen echten kleinen Mini-Menschen. “Awww”, seufzt Sally. “Ich werde Patentante.” “Hey, ich bin auch im Rennen", grinst Kari. “Darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht.”   “Gut, dann bewerbe ich mich auch”, lacht Yolei. “Du bist doch schon Patin für Megumi”, setzt Kari an. “Ja und?” “Vorher komme ich ja wohl in Frage”, kommen nun auch Kaori, Joe und Hina dazu. “Sorry Mimi, dass Hina die Bombe so hat platzen lassen.” “Ach was, ist schon okay.” Jetzt können wir unsere Freude wenigstens mit unseren Freunden teilen.” “Vier Kinder, ein Baby, zwei Schwangere und das auf meiner Hochzeit. Gott, wann sind wir eigentlich so erwachsen geworden?”, fragt Sally in die Runde. “Keine Ahnung.” “Irgendwann in den letzten sechs Jahren. Es ist doch ziemlich verrückt, wie sich unsere Leben noch so entwickelt haben und das alles wäre wohl nie passiert, wenn Mimi nicht in Tokyo aufgetaucht wäre.” Joe lächelt mich an. “Ja, Hurrican Mimi eben”, grinst Takeru wieder. “Hurrican Mimi?”, fragt Tai irritiert nach. “Ja, so hat Takeru mich neuerdings getauft.” “Ich würde dich nicht Hurrican nennen, sondern viel mehr die Sonne, die nach einem Hurrican wieder aufgeht”, gesteht Tai. “Du bist keine Verwüstung. Du bist Heilung.” Ich ziehe Tai an seiner Krawatte zu mir runter. Dieser Mann macht mich ganz verrückt. Wie gut er in diesem dunkelblauen Anzug aussieht und wenn er dann noch solche Sachen sagt, ist es komplett um mich geschehen. “Herzlichen Glückwunsch. Ich freue mich sehr für euch”, fährt Joe aufrichtig fort. Tai lächelt. “Danke.” Uns alle hier so zusammen und glücklich zu sehen, erwärmt mein Herz ins unermessliche. Jeder einzelne hier hat uns und mir so sehr geholfen. Ich liebe sie alle und bin dankbar für diese Freundschaften. Sie verdienen alle nur das Beste, aber niemand mehr wie Tai. Es wird langsam Zeit, seinen größten oder vielleicht zweitgrößten Wunsch zu erfüllen.     Es ist weit nach Mitternacht, als Tai und ich uns vom Brautpaar verabschiedet haben. Der Tag war lang und ich bin durch. Ich warte bereits im Hotelzimmer auf Tai. Ich habe ihm gesagt, ich hätte plötzlich Heißhunger auf Orangen, also ist er losgegangen, um jetzt um ein Uhr morgens nach Orangen zu suchen. Dieser Mann. Und was mache ich? Ich bereite alles für einen Heiratsantrag vor. Ich habe das gesamte Schlafzimmer des Hotels mit Rosenblättern geschmückt und vereinzelte Kerzen im Zimmer verteilt. Ich bin schon wieder so nervös. Ich weiß, ich könnte Tai sagen: Du, ich bin soweit. Und er würde es zeitnah in die Tat umsetzen, aber er hat mir schon mal einen Antrag gemacht, den ich zwar nicht abgelehnt hatte, aber auch nicht so reagiert habe, wie er sich gewünscht hatte. Seitdem habe ich so ein schlechtes Gewissen, aber Tai war nie deswegen böse auf mich und hat mir immer wieder zu verstehen gegeben, dass er immer auf mich warten würde. Ich dachte, wir könnten auch ohne Trauschein glücklich sein. Irgendwie verstand ich gar nicht, warum alle unbedingt diesen Schritt gehen wollten, was so besonders daran ist. Aber wenn ich mich an das kleine Mädchen von damals zurück erinnere, war es immer mein Traum meinen Märchenprinzen zu heiraten. So richtig klassisch, mit Kutsche und weißem Kleid und die Erfahrung in der Kido Villa hat diesen Kindheitstraum in einen Alptraum verwandelt. Tai aber ist mein Ein und Alles und ich möchte seine Ehefrau sein, seinen Namen tragen und dies auch an unser Kind weitergeben. Also selbst ist die Frau, ich kann das, weil ich ihn liebe und weil ich ihn überraschen will. Ich höre, wie er mit seiner Hotelkarte an der Tür spielt und mein Herz schlägt ganz aufgeregt. Was er wohl sagen wird? Ich bin so aufgeregt. Tai betritt das Schlafzimmer, stellt die Orangen auf einen Tisch und sieht mich verwirrt an. “Was hast du denn hier gemacht? Hab ich irgendein Jahrestag verpasst. Das kann nicht sein.” Ich schüttel gleich den Kopf. “Hast du nicht und ich weiß, dass du das nicht würdest.” Tai ist wirklich bekloppt. Er bringt mir immer einen Blumenstrauß mit, wenn der 19. Mai ist und genauso am 08. Oktober. Beide Daten, die viel Bedeutung in unserem Leben haben. “Okay, dass du schwanger bist, weiß ich auch, werden es zwei?” “Um Gottes Willen, nein. Eines reicht erstmal.” Tai lacht, wird aber schnell wieder ernst und lässt mich reden. “Es ist einfach Mal an der Zeit, dir danke zu sagen.” Ich nehme seine Hände und führe ihn in die Mitte des Zimmers. “Heute, als ich mit Ken die Hochzeitsrede gehalten habe, ist mir klar geworden, dass wir beide einfach füreinander geschaffen sind. Ich weiß, dass unser Weg sehr unkonventionell war, aber vielleicht musste das so sein, weil ich dich sonst nie kennengelernt hätte und man sagt zwar, man kann nichts vermissen, was man nicht kennt, aber doch, ich hätte dich mein Leben lang vermisst. Auch ohne dich zu kennen, weil dir mein Herz gehört und das war schon immer so. Du bist die Erfüllung all meiner Träume. Du bist wie ein Lied, ein Flüstern und ich weiß nicht, wie ich ohne dich habe leben können, aber ich weiß, dass ich nie wieder ohne dich sein will.” Mir steigen Tränen in die Augen. Tai nimmt seine Hände, legt sie an mein Gesicht und küsst die Tränen weg. “Ach Mimi, ich weiß doch auch so, wie sehr du mich liebst, dazu musst du doch nicht mitten in der Nacht das Zimmer so herrichten.” “Doch, weil du es verdienst und weil ich noch nicht fertig bin.” Ich blicke wieder in diese warmen Schokoladen-Augen, die mir jeden Tag zeigen, was Liebe ist und wie sie sich anfühlt und jetzt wächst diese Liebe sogar in mir. “Du bist mein Fels in der Brandung und mein Held. Mein wahrgewordener Traum. Du hast mich gerettet und immer an mich geglaubt. Ich bin …” Ich breche ab, weil die Emotionen mich gerade verschlucken. Gott, diese Schwangerschaftshormone tun ihr übriges dazu bei. Ich gehe runter auf die Knie und Tai starrt mich mit großen Augen an. Er scheint jetzt zu verstehen, was genau ich hier tue. “Und deshalb wollte ich dich …” Noch ehe ich weiter sprechen kann, hält Tai mir den Mund zu. “Stopp, nicht weiter sprechen.” Tai dreht sich um und geht zu seinem Koffer. Er holt eine kleine Schmuckschatulle heraus und kniet sich mir gegenüber hin. Hat er ernsthaft immer den Ring dabei, dass wenn ich soweit bin, er ihn mir jederzeit an den Finger stecken kann? “Du kommst mir auf keinen Fall zuvor.” Ich lächle ihn an. “Du hast mich doch schon mal gefragt, also komme ich dir nicht zuvor.” “Und du hast gesagt, dass du mich heiraten wirst, dass du nichts lieber willst, als das, aber dass du es jetzt noch nicht kannst.” Ja, so ziemlich genau trifft es das. “Und ich habe gesagt, gib mir ein Zeichen, wenn du soweit bist und ich frage dich erneut.” “Ja, aber ich finde, eine Frau darf ihrem Mann genauso einen Antrag machen. Besonders, wenn sie viel zu lange gebraucht hat, um zu verstehen, dass wir beide, wir beide sind und unsere Ehe unser Band nur festigen wird, dass es kein Zwang ist, dass ich nicht dafür meinen freien Willen verliere, dass ich dadurch nicht zu einer anderen Person werde und meine Identität verliere. Ich weiß jetzt, dass unsere Ehe mich jeden Tag noch stärker machen wird, weil unsere Liebe, das Wichtigste für mich ist und weil ich jetzt verstanden habe, dass ich meine Identität durch eine Ehe nicht verliere, sondern mein Herz endlich geheilt ist. Denn erst, wenn ich ganz dein bin, bin ich auch ganz mein, weil du und ich füreinander geschaffen sind und ich jetzt endlich genau weiß, wer ich bin und wer ich sein möchte. Ich bin Mimi noch Tachikawa, bald hoffentlich Yagami und Mutter von jetzt schon dem tollsten Geschöpf auf Erden. Ich bin eine verdammt gute Stylisten und habe den Mut gehabt mein Herz an jemanden zu verlieren, der so sicher darauf aufpasst, als hinge sein Leben davon ab. Der mir nicht nur ein Zuhause, eine Familie und Freunde geschenkt hat, sondern vor allem Zuversicht und Hoffnung. Ich liebe dich und wünsche mir, deine Frau zu werden.” Tai küsst mich mit so viel Hingabe, dass ich darunter fast zerbreche. “Ich habe eine Latte, seitdem du Mimi Yagami gesagt hast.” Und dann sagt er sowas und ich lache mich an seinen Lippen kaputt. “Ach Prinzessin, ich weiß doch, warum du vorher nicht so weit warst, aber wusste auch immer, dass du deine Meinung ändern wirst und selbst wenn nicht, solange du an meiner Seite bist, bin ich der glücklichste Mann der Welt.” Er hält mir die Schmuckschatulle entgegen, öffnet sie und holt den schönsten Ring heraus, den ich jemals gesehen habe. Weißgold mit einem Diamanten besetzt. “Himmel, ein Diamant.” Der Ring, den Joe mir damals geschenkt hatte, war schon schön, aber dieser ist traumhaft. Es fühlt sich so anders an, so richtig. “Du bist mein größter Traum, Prinzessin. Ja, ich habe mir immer eine eigene Familie gewünscht, eigene Kinder, aber nichts habe ich je mehr gewollt als dich. Ich könnte mir sogar ein Leben ohne Kinder vorstellen, aber ein Leben ohne dich, das würde nicht gehen. Du vervollständigst mich.” “Willst du mich heiraten?”, schießt es aus mir heraus und ich bin so aufgeregt, weil ich es endlich besiegeln will. Tai grinst breit, während er mir den Ring auf meinen Finger schiebt. “Werde endlich meine Frau, Prinzessin.” Ich nicke. Ich weine. Ich lache. Ich liebe. Für diesen Moment, für diesen Mann und für dieses Leben. Wir besiegeln unsere Verlobung mit einem Kuss und wenn ich je den perfekten Moment beschreiben muss, wäre es wohl dieser. So oft steht man im Leben an Kreuzungen, weiß gar nicht genau, wohin man gehen soll, welcher Weg der Richtige für einen ist, doch dann erreicht dich ein Zeichen, eine Geste und du weißt endlich, dass alles genau richtig war, auch wenn es erst nicht den Anschein gemacht hat. Denn es ist nicht wichtig, welchen Weg du gehst, sondern mit wem du ihn gehst.     Home is not where your are from. It is where you belong. 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