Sternschwingen von Flordelis ================================================================================ Eine Sternschnuppe und ein Dartiri ---------------------------------- [LEFT]»Toll, dass du den weiten Weg aus Escissia hierher gefunden hast. Ich bin Professor Platan! Na, macht dir das Reisen mit den Pokémon Spaß? Bist du schon vielen begegnet?«[/LEFT] [LEFT]Julie warf nur einen kurzen Blick auf das Mädchen, das ins Labor gekommen war. Etwa zehn Jahre alt, Pokébälle am Gürtel, die Tasche groß genug, um zahlreiche Items und leere Pokébälle mit sich zu führen. Hoffnungsvoll starrte sie Platan mit großen Augen an, während er ihren Pokédex kontrollierte und mit seiner charmanten Stimme kommentierte. Dabei lächelte und nickte er immer wieder, manchmal weiteten sich seine Augen erstaunt, was dafür sprach, dass sie einige seltene Pokémon auf dem Weg entdeckt hatte. Das übliche Verhalten also, wenn er wie jedes Jahr verschiedenen Kindern aus ganz Kalos ein Pokémon schenkte und sie auf ihre Reise schickte.[/LEFT] [LEFT]Und der einzige Punkt, wegen dem Julie je wütend auf ihn gewesen war.[/LEFT] [LEFT]Um fair zu sein, erinnerte sie sich selbst, kannte ich ihn damals auch nicht.[/LEFT] [LEFT]Seit sie ihn kannte, empfand sie es als unmöglich, je wütend auf ihn sein zu können. Außer wenn er all diese Trainer zu sich rief, die alle ihre eigenen Ziele verfolgten, mit den Pokémon, die er ihnen anvertraute und dem Pokédex, den er ihnen schenkte. Dann erinnerte sie sich immer an damals, vor knapp zehn Jahren, als sie selbst im richtigen Alter gewesen war, voller Pläne und Träume – die er unwissentlich mit einem einzigen Brief zerstört hatte.[/LEFT] [LEFT]Dummerweise brachten die neuen Trainer jedes Jahr diese alten Erinnerungen, inklusive der damit einhergehenden negativen Gefühle, wieder zurück. So auch an diesem Tag, selbst während sie versuchte, sich wieder auf die Daten direkt vor sich zu konzentrieren. Alle Buchstaben und Zahlen verschwommen vor ihren Augen und setzten sich zu jenem Brief zusammen, der damals ihr Leben nachhaltig beeinflusst hatte.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Liebe Julie,[/LEFT] [LEFT]vielen Dank für deine Bewerbung um dein erstes Pokémon und einen Pokédex. Man merkte ihr die Liebe für Pokémon nicht nur an, sie war sogar so ansteckend, dass ich selbst fast wieder auf eine Trainerreise gegangen wäre.[/LEFT] [LEFT]Deswegen bedauere ich es sehr, dir diesen Brief schreiben zu müssen. Wie du sicher weißt, wähle ich jedes Jahr nur ein Kind aus jeder Stadt aus. Da ich nur eine begrenzte Anzahl an Pokémon vergeben kann, erfolgt diese Auswahl anhand bewährter Kriterien. Leider fiel die Entscheidung dieses Jahr auf ein anderes Kind aus Aquarellia.[/LEFT] [LEFT]Ich würde mich aber freuen, wenn ich nächstes Jahr noch einen deiner leidenschaftlichen Briefe bekommen könnte. Vielleicht gehen wir dann ja wirklich zusammen auf eine Trainerreise.[/LEFT] [LEFT]Behalte dir deine Liebe für Pokémon bei.[/LEFT] [LEFT]Liebe Grüße[/LEFT] [LEFT]Professor Platan[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Deprimiert ließ Julie den Brief sinken, der gerade ihren gesamten Traum zerschmettert hatte.[/LEFT] [LEFT]Ihre Mutter, die sie angespannt beobachtete, strich ihr sofort tröstend über den Kopf. »Es ist schon gut. Du kannst es doch wirklich nächstes Jahr noch einmal versuchen.«[/LEFT] [LEFT]Julie seufzte. »Ich schätze schon. Aber es ist so frustrierend. Ich habe mich schon richtig gut vorbereitet.«[/LEFT] [LEFT]Dabei klopfte sie auf die Tasche, die sie immer noch bei sich trug, worauf die Tränke und die Pokébälle, die sie sich mit ihrem Taschengeld eines ganzen Jahres gekauft hatte, leise klapperten.[/LEFT] [LEFT]»Das kannst du alles nächstes Jahr noch einsetzen«, sagte ihre Mutter lächelnd. »Und er hat ja geschrieben, dass er sich schon darauf freut, wieder von dir zu hören.«[/LEFT] [LEFT]Julie war sich nicht einmal sicher, ob der Brief ernst gemeint war. Sicher, er war handgeschrieben und ihm haftete ein schwacher Parfümduft an, aber das musste ja nichts heißen. Vielleicht war er nicht mal vom Professor selbst und es waren alles nur irgendwelche Satzbausteine, klug ausgewählt, um Kinder nicht direkt zu sehr zu enttäuschen. Bei ihr hatte dieser Professor damit auf jeden Fall keine guten Karten, denn sie glaubte ihm das alles nicht. Auch wenn sie erst zehn war. Wahrscheinlich war er nur ein weiterer Erwachsener, der Kinder einfach nicht ernst nahm.[/LEFT] [LEFT]»Soll ich dir zum Trost einen Pudding kochen?« Während ihre Mutter versuchte, sie irgendwie abzulenken, dachte Julie darüber nach, wer aus der Stadt wohl ausgesucht worden war und nickte deswegen nur gedankenverloren.[/LEFT] [LEFT]Vielleicht Emilio? Nein, der hatte kein Interesse an Pokémon. Wendy? Unmöglich, sie liebte die Schule zu sehr, um diese für eine Trainerreise zu unterbrechen. Orso? Absolut nicht, der warf sogar Steine auf kleine Pokémon. Am ehesten kam Sannah in Frage – und da könnte Julie nicht einmal sauer sein, jedenfalls nicht auf das Mädchen selbst, denn Sannah war immer nett zu ihr gewesen.[/LEFT] [LEFT]Aber auf den Professor und dieses dumme Schreiben, in dem er ihr sogar Hoffnung für ein mögliches nächstes Jahr machte, konnte sie durchaus wütend sein. Warum sollte sie überhaupt warten? Sie wusste, dass sie Trainerin werden wollte und darin ganz bestimmt großartig wäre, ein fehlendes erstes Pokémon und ein nicht vorhandener Pokédex sollten sie nicht von ihrem Ziel abhalten! Sie würde sich einfach ein wildes Pokémon fangen – wofür hatte sie denn all diese Bälle? Dann würde sie ganz locker Champ werden und diesem Professor ins Gesicht lachen, wenn er sie wegen irgendetwas um Hilfe bat! Ja, genau so würde sie es machen.[/LEFT] [LEFT]Ihr finsterer Gesichtsausdruck brachte ihre Mutter offenbar zu einer Überzeugung: »Ich koche dir einen Trost-Pudding.«[/LEFT] [LEFT]Leise ächzend stand sie auf, darauf bedacht, das schlafende Baby auf ihrem Arm – Cecibel, Julies Schwester – nicht zu wecken. Normalerweise hätte Julie sie nun davon abzubringen versucht, damit ihre Mutter sich eher ausruhte, solange Cecibel das zuließ. Aber heute wartete sie, bis ihre Mutter in der Küche verschwunden war und dort Geschirr klapperte.[/LEFT] [LEFT]Erst dann stand sie auf und schlich zur Haustür.[/LEFT] [LEFT]Doch auf halbem Weg wurde sie auf ein fragendes Knurren aufmerksam. Julie hielt inne und erwiderte Snubbulls Blick. Das Hauspokémon ihrer Mutter hatte sie fast schon vergessen, aber er starrte sie an, vor allem ihre volle Tasche – ein untrügliches Zeichen, dass sie nicht einfach nur kurz vor die Tür gehen würde. Sie hielt sich einen Finger an die Lippen und flüsterte: »Bitte sag ihr nichts, Mama würde mir bestimmt verbieten, ganz allein ein Pokémon zu fangen.«[/LEFT] [LEFT]Snubbull stieß ein Schnauben aus, als wolle er ihrer Mutter zustimmen. Prima, nun stand ihr nicht nur dieser Professor bei der Erfüllung ihres Traums im Weg, sondern auch das Snubbull ihrer Mutter.[/LEFT] [LEFT]»Ich passe auch auf, versprochen. Und ich bin bald wieder da.«[/LEFT] [LEFT]Da er immer noch zweifelte, legte sie mit ihrer letzten Möglichkeit nach: »Wenn ich wiederkomme, kriegst du einen Snack von mir.«[/LEFT] [LEFT]Das überzeugte Snubbull anscheinend, denn er kehrte, ohne einen weiteren Ton von sich zu geben, in sein Bettchen zurück. Sein Blick blieb immer noch auf ihr, aber das war nur seine übliche Art, ihr zu sagen, dass sie sich beeilen sollte, weil er seinen Snack wollte. Wären nur alle Probleme so einfach lösbar.[/LEFT] [LEFT]Kaum draußen, rannte Julie so schnell sie konnte – was zugegeben nicht sehr schnell war – über die Brücke in Richtung von Route 2. Sie hatte alles darüber gelesen, wie man Pokémon am besten fing, also würde sie das geschafft haben, bevor ihre Mutter überhaupt bemerkte, dass sie nicht mehr da war. Jedenfalls war es das, was sie in diesem Moment selbst noch fest glaubte.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Ein paar Stunden später, als die Sonne bereits unterzugehen begann, wurden Julie zwei Dinge schmerzlich bewusst: Nur über das Fangen von Pokémon zu lesen, war einfach nicht genug. Und ein wildes Pokémon ohne ein eigenes zu fangen, war ziemlich gefährlich.[/LEFT] [LEFT]Nachdem ein Raupy versucht hatte, sie mit einem Fadenschuss einzuspinnen, ein Zigzachs ihre Hand zerkratzt hatte und ein Taubsi ihr fast ihre Brille geklaut hätte, war Julie plötzlich gar nicht mehr so sehr davon überzeugt, ob sie eine Trainerreise überstehen könnte. Sicher, es war etwas anderes, wenn man ein Pokémon bei sich hatte – aber der verdammte Professor hatte ihr keines gegeben! Er war also schuld, dass sie sich hier gerade abmühte, nicht sie selbst oder ihre überzogenen Vorstellungen![/LEFT] [LEFT]Nachdem sie sich derart wieder in ihre rebellische Einstellung hineingefunden hatte, fasste sie den Eingang zum Nouvaria-Wald ins Auge. Normalerweise war er tabu, weil dort natürlich noch mehr wilde Pokémon lauerten, noch dazu wurde es rasch immer dunkler. Aber sie weigerte sich, ohne ein Pokémon nach Hause zurückzukehren. Besonders nachdem sie nun schon so lange unterwegs war, käme es ihr wie eine Niederlage gleich, wenn sie einfach zurückging.[/LEFT] [LEFT]Hinter sich hörte sie ein Taubsi mit dem Schnabel klackern, als wolle es sich über sie lustig machen. Das überzeugte sie davon, den Rücken durchzustrecken und entschlossen in den Wald hineinzumarschieren.[/LEFT] [LEFT]Kaum unter den dichten Baumkronen schien das letzte Licht des Tages zu verblassen und jedes Geräusch zu dämpfen. Selbst ihre eigenen Schritte waren plötzlich leise. Neben ihr raschelte ein Gebüsch, irgendwo zwitscherte ein Vogel-Pokémon. Panik stieg in ihr auf, drohte sie zu überwältigen, aber sie zwang sich selbst dazu, erst einmal tief durchzuatmen.[/LEFT] [LEFT]»Hier ist nichts gefährlich«, murmelte sie sich selbst zu, während sie langsam voranschritt.[/LEFT] [LEFT]Ihr Herzschlag hämmerte in ihren Ohren.[/LEFT] [LEFT]»Du willst nur ein Pokémon, dann bist du schon wieder draußen ...«[/LEFT] [LEFT]Neben dem Pfad wuchs hohes Gras, das bei Tag dunkelgrün war, bei Nacht aber regelrecht schwarz, und in dem sich manchmal auch wilde Pokémon verbargen. Sie stellte sich vor, wie unzählige unsichtbare Augen sie aus diesem Gras heraus beobachteten, man leise über sie kicherte und schon die Zähne bleckte …[/LEFT] [LEFT]Nein, nein, nein! Es gab hier keine menschenfressenden Pokémon.[/LEFT] [LEFT]Das Gras raschelte.[/LEFT] [LEFT]Zumindest gab es sie bislang hier nicht und auch nur, soweit sie wusste.[/LEFT] [LEFT]Das Rascheln näherte sich ihr.[/LEFT] [LEFT]Aber Pokémon wanderten manchmal und suchten sich neue Lebensräume.[/LEFT] [LEFT]In der Dunkelheit sah sie nur einen Schatten, der sich durch das Gras bewegte.[/LEFT] [LEFT]Und vielleicht gab es hier auch Geister.[/LEFT] [LEFT]Schweißtropfen bildeten sich auf Julies Stirn. Was, wenn es am Ende wirklich ein Geister-Pokémon war, das einfach ihre Seele verputzte? Dann wäre sie hier draußen gestorben – und das nur, weil dieser Pokémon-Professor ihr kein Pokémon hatte geben wollen![/LEFT] [LEFT]Die Wut überkam ihre Furcht für einen Moment wieder. Wenn sie hier jetzt weglief, könnte sie ohnehin keine Trainerin werden. Aber sie hatte keine Angst vor Geister-Pokémon![/LEFT] [LEFT]Breitbeinig, die Arme in die Hüfte gestemmt – und dennoch zitternd – erwartete sie, welches Pokémon auch immer sich ihr gleich zeigen würde.[/LEFT] [LEFT]Das Rascheln näherte sich dem Rand des Grases, dann hüpfte ein Schatten auf den Weg, den Julie schnell erkannte: »Ein Pikachu?«[/LEFT] [LEFT]Derart angesprochen wandte das Pikachu – ein Männchen, wie sie am Schweif erkannte – sich ihr zu und musterte sie mit großen Augen. Er neigte den Kopf, als fragte er sich, was Julie hier eigentlich machte. Langsam griff sie nach einem Pokéball, dabei redete sie beruhigend auf ihn ein. Pikachu blinzelte nur. Nicht einmal er schien sie ernst zu nehmen.[/LEFT] [LEFT]Kaum hielt sie den Ball in der Hand, schleuderte sie ihn zielsicher auf Pikachu.[/LEFT] [LEFT]Doch er wehrte ihn einfach mit seinem Schweif ab.[/LEFT] [LEFT]Der Ball landete untätig im Gras. Wütend warf sie einen weiteren, dem Pikachu locker auswich. Auch die nächsten drei Versuche wurden viel zu problemlos abgewehrt.[/LEFT] [LEFT]»Pika!«, verkündete er strahlend.[/LEFT] [LEFT]Während er das Spiel lustig zu finden schien, stieg in Julie die Frustration und die Erschöpfung. Der letzte Ball, den sie warf, landete nur wenige Zentimeter von ihr entfernt, nach einem Flug, der kein richtiger gewesen war. Pikachu und sie starrten ihn für einen Moment an, dann begegneten sich ihre Blicke. In einer Serie oder einem Film, hätte Pikachu sich ihr nun als neuer Freund und Pokémon-Partner angeboten – aber in der Realität stieß er nur ein »Chu!« aus, ehe er eine Pfote hob und dann einfach in die Dunkelheit verschwand.[/LEFT] [LEFT]Kaum allein ließ sie sich seufzend rückwärts auf den Boden fallen. Die Erschöpfung und die Frustration forderten ihren Tribut, sie konnte nicht einmal mehr wirklich wütend sein, sie war einfach nur … müde. Am liebsten wäre sie direkt in ihr Bett gekrochen und bis nächstes Jahr nicht mehr herausgekommen. Aber sie war mitten im Wald. Im Dunkeln. Allein.[/LEFT] [LEFT]Durch die Baumkronen hindurch sah sie den klaren Nachthimmel. Außerhalb der Stadt waren so viele Sterne sichtbar, dass Julie sich noch kleiner und unbedeutender fühlte. Was immer sie hier tat, übte keinen Einfluss auf irgendetwas da oben aus, nicht einmal wenn sie wirklich einen Partner fände. Alles war … unwichtig, genau wie sie, das zeigte sogar ihr Vater ihr seit letztem Jahr deutlich. Diese Reise hätte ihr Mittel sein sollen, ihm (und ihr selbst) das Gegenteil zu beweisen. Aber das Universum gönnte ihr das nicht, es stimmte ihrem Vater zu.[/LEFT] [LEFT]Auch ihr Zorn auf den Professor verrauchte langsam, es war nicht seine Schuld, dass sie hier war. Er war immerhin eine bedeutende Person, vielleicht hatte er einfach im Vorfeld erkannt, wie unerheblich und untalentiert sie war und ihr deswegen kein Pokémon geben wollen. Und in diesem Moment war sie sogar bereit, das ebenfalls zu glauben.[/LEFT] [LEFT]Aber warum sollte sie dann überhaupt noch aufstehen und wieder gehen? Wenn es ihr, gerade nach dem Zwischenfall mit ihrem Vater letztes Jahr, nicht einmal vergönnt war, ihren einzigen Traum zu leben – Pokémon-Trainerin zu werden –, warum dann überhaupt weitermachen?[/LEFT] [LEFT]»Nur ein Zeichen«, murmelte sie. »Wenn das Universum mir nur ein Zeichen schickt, dann gehe ich nach Hause und versuche es nächstes Jahr wieder.«[/LEFT] [LEFT]Wenn er sie dann nochmal ablehnte …[/LEFT] [LEFT]Sie unterbrach sich selbst in ihren Gedanken, als plötzlich ein helles Licht über den Himmel zog und dabei einen Schweif hinter sich herzog. Ihr Herz schlug augenblicklich schneller.[/LEFT] [LEFT]Eine Sternschnuppe![/LEFT] [LEFT]Es war die allererste in ihrem Leben und es konnte kein Zufall sein, dass sie ihr gerade in diesem Moment erschien. Sie war so aufgeregt, dass sie fast sogar vergaß, sich etwas zu wünschen. Der Schweif verblasste bereits, als sie die Augen zusammenkniff.[/LEFT] [LEFT]Bitte schick mir einen Pokémon-Partner. Das ist alles, was ich mir wünsche.[/LEFT] [LEFT]Auch wenn es nicht funktionierte, war das Zeichen genug. Ein Partner, mit dem sie dieses Jahr schon die Reise anfangen könnte, wäre aber auch wunderbar.[/LEFT] [LEFT]Ohne es zu sehen, spürte sie, wie jemand sie anstarrte. Konnte ihr Wunsch so schnell erfüllt worden sein?[/LEFT] [LEFT]Sie öffnete ihre Augen und drehte den Kopf. Neben ihr saß ein Hornliu – und dessen Blick war überraschend finster. Hornliu zischte angriffslustig. Erschrocken fuhr Julie in eine aufrechte Position und kroch rückwärts davon.[/LEFT] [LEFT]»Gutes Hornliu, braves Hornliu.« Beschwörend sprach sie auf das Pokémon ein, hoffend, dass es sich davon beeinflussen ließ, aber sein düsterer Blick erhellte sich nicht.[/LEFT] [LEFT]Hornlius sahen harmlos aus, aber sie wusste, dass die Stacheln auf ihren Köpfen giftig waren und sie diese bei Gefahr auch rücksichtslos einsetzten. Warum sah es sie aber als Gefahr an?[/LEFT] [LEFT]Darauf erhielt sie keine Antwort, während das Hornliu die entstandene Distanz wieder ausglich.[/LEFT] [LEFT]»Bitte tu mir nichts«, murmelte sie schließlich. »Ich wollte doch gar nicht hier sein ...«[/LEFT] [LEFT]Sie sollte einfach aufstehen und weglaufen, aber ihre Beine weigerten sich, diesem Befehl Folge zu leisten. Das sollte sie wieder ärgerlich stimmen, aber stattdessen erfüllte es sie nur mit Verzweiflung. Ihre Trainerreise würde enden, noch bevor sie begonnen hatte. Bestimmt hatte der Professor das auch vorhergesehen und sie deswegen abgelehnt. Wer schenkte einem Kind, das sich so leicht vergiften ließ, schon ein Pokémon? Professor Platan hatte die ganze Zeit recht gehabt ...[/LEFT] [LEFT]Gerade als Hornliu zu einem Angriff ansetzte und Julie ihren Arm hochriss, um sich doch noch irgendwie zu schützen, schoss plötzlich etwas aus einem Baum heraus. Ein lautes Zwitschern ertönte, dann erhellte ein Feuerball die Nacht. Hornliu wurde getroffen und zurückgeschleudert. Es rappelte sich sofort wieder auf, schüttelte den Kopf und verschwand nach einem letzten wütenden Blick auf Julie im hohen Gras.[/LEFT] [LEFT]Julies Herz schlug so heftig, dass es regelrecht schmerzte. Aber sie erlaubte sich nicht, sich zu entspannen. Was auch immer sie gerettet hatte, war wahrscheinlich nur selbst daran interessiert, ihr etwas zu tun. Sie müsste ihr Schicksal nur noch akzeptieren, deswegen schloss sie die Augen, entschuldigte sich innerlich bei ihrer Mutter, dass sie nicht mehr nach Hause käme, bei ihrer kleinen Schwester, die sie niemals richtig kennenlernen würde, und bei Snubbull, der nun auch keinen Snack mehr von ihr bekäme. Ihrem Vater wäre es bestimmt egal, wenn sie nicht zurückkäme, also entschuldigte sie sich nicht einmal in diesem Moment.[/LEFT] [LEFT]Etwas Leichtes setzte sich auf ihren immer noch erhobenen Arm, wieder dieses Zwitschern, diesmal sanft und beruhigend. Es fühlte sich nicht an, als wäre sie in Gefahr.[/LEFT] [LEFT]Zögerlich öffnete Julie ihre Augen. Auf ihrem Arm saß ein kleines Vogel-Pokémon, das sie aufmerksam mit seinen schwarzen Knopfaugen ansah, ein wenig als wolle es sie fragen, ob es ihr gut ging. Vielleicht stellte sie sich das aber auch nur vor, weil sie gerade wirklich gern jemanden hätte, der sie das fragte.[/LEFT] [LEFT]»Ein Dartiri«, stellte sie murmelnd fest, als ihr der orange-farbene Kopf auffiel, genau wie der graue Körper und die schwarzen Schwanzfedern.[/LEFT] [LEFT]Das Pokémon zwitscherte zuversichtlich, dann neigte es den Kopf.[/LEFT] [LEFT]»M-mir geht es gut, danke.« Sie atmete durch. »Du hast mich gerettet.«[/LEFT] [LEFT]Dartiri streckte stolz zirpend die Brust raus. Dann sah er sie geradezu erwartungsvoll an. Aber sie konnte seinen Blick nur verständnislos erwidern. »Was willst du?«[/LEFT] [LEFT]Ihre Verwirrung veranlasste ihn dazu, ihr etwas vorzusingen. Der Klang war beruhigend, aber als sie ihn dann immer noch nicht verstand, flatterte er von ihrem Arm auf den Boden hinunter und hüpfte dort zu einem der Pokébälle, die noch immer von ihren Fangversuchen bei Pikachu herumlagen. Er zwitscherte etwas, stieß den Ball an, dann sah er Julie wieder erwartungsvoll an.[/LEFT] [LEFT]»Du willst … mit mir kommen?«[/LEFT] [LEFT]Ein zustimmendes Zirpen.[/LEFT] [LEFT]Warum?[/LEFT] [LEFT]Hatte Dartiri etwa Mitleid mit ihr? Machte er sich vielleicht Sorgen, dass sie nicht nach Hause käme, wenn er nicht mit ihr ging? Nein, es musste irgendeinen anderen Grund geben, den sie nur nicht erahnen konnte.[/LEFT] [LEFT]Sie fragte es nicht, denn sie würde die Antwort nicht einmal verstehen. Aber sie könnte ihm erklären, warum das nicht funktionierte. Deprimiert zog sie die Beine an ihren Körper und schlang dann ihre Arme darum.[/LEFT] [LEFT]»Ich kann das nicht. Der Professor hatte recht, ich bin einfach eine Versagerin.« Das hatte er so zwar nie gesagt oder geschrieben, aber bestimmt hatte er es gespürt oder an ihrem Brief ablesen können. »Und dann habe ich mich auch noch selbst in Gefahr gebracht, nur weil ich wütend war. Jemand wie ich kann keine Pokémon-Trainerin sein. Und schon gar kein Champ.«[/LEFT] [LEFT]Die Erkenntnis schmerzte in ihrer Brust, aber irgendwann würde das bestimmt nachlassen.[/LEFT] [LEFT]»Du solltest also lieber auf jemanden warten, der das Zeug dafür hat, ein Champ zu werden.«[/LEFT] [LEFT]Dartiri musterte sie weiterhin, neigte den Kopf von der einen auf die andere Seite. Sie erwiderte seinen Blick bedrückt, in der Erwartung, dass er jeden Moment das Interesse verlieren und davonflattern würde. Doch stattdessen begann er wieder ein beruhigendes Lied zu singen. Vielleicht erklärte er ihr damit gerade seine Beweggründe, die sie nicht verstehen konnte, oder ihm war einfach nur danach. Es klang auf jeden Fall wunderschön, fühlte sich an wie Balsam auf ihrer Seele und sie hätte es gern noch öfter in ihrem Leben gehört.[/LEFT] [LEFT]Zum Schluss des Liedes blickte Dartiri nach oben. Sie folgte seinem Blick, bis sie die Sterne sehen konnte – und da glaubte sie, zu wissen, was er ihr mitteilen wollte: »Du hast gehört, wie ich mir ein Zeichen gewünscht habe?«[/LEFT] [LEFT]Zustimmendes Zwitschern.[/LEFT] [LEFT]»Dann willst du mein Pokémon-Partner sein? Obwohl ich so eine Versagerin bin?«[/LEFT] [LEFT]Dartiri widersprach empört, nur um dann zu nicken. Da sie immer noch zögerte, schob Dartiri den Pokéball in ihre Richtung und trällerte noch einmal. Als sie den Ball in die Hand nahm, hüpfte er ein wenig aufgeregt.[/LEFT] [LEFT]»Du bist dir wirklich sicher? Wenn du mein Pokémon-Partner bist, werden wir auf eine Reise gehen. Wir werden Arenen besuchen und Orden erringen und versuchen, Champ zu werden. Aber wahrscheinlich werde ich auf halbem Weg aufgeben, weil sich mir ein Hindernis auftut. Willst du also wirklich mit mir kommen?«[/LEFT] [LEFT]Dartiri blinzelte noch einmal, während er sich das entweder durch den Kopf gehen ließ – oder er hatte kein Wort verstanden und fragte sich nur, warum sie so zurückhaltend war. Schließlich wog er seinen kleinen Körper hin und her und zwitscherte noch einmal, ehe er mit dem Schnabel gegen den Pokéball stieß. Er hatte sich entschieden. Wie könnte sie ihm da noch widersprechen?[/LEFT] [LEFT]Sanft drückte sie den Pokéball gegen seine kleine Stirn, worauf er sich in ein blau-weißes Licht auflöste und in den Ball hineingezogen wurde. Dieser vibrierte kurz in ihrer Hand, dann zeigte der Knopf an, dass Dartiri sicher eingefangen war.[/LEFT] [LEFT]Ich habe … ein Pokémon gefangen. Das hat wirklich funktioniert![/LEFT] [LEFT]Euphorie durchströmte sie bei dieser Erkenntnis und brachte ihren Beinen auch ihre Stärke zurück. Sie sprang auf und hob den Ball in die Luft. »Ich habe einen Pokémon-Partner!«[/LEFT] [LEFT]Der Wald antwortete ihr darauf mit raschelndem Gebüsch und rauschendem Gras, aber es war nicht mehr weiter unheimlich. Sie hatte einen Partner, der sich ihr sogar freiwillig angeschlossen hatte, als wäre er ihr von der Sternschnuppe selbst geschickt worden. Nun stand ihr wieder alles offen, sie könnte ihre Reise beginnen und vielleicht sogar gegen den Champ kämpfen. Nein, sie könnte der Champ werden! Es würde nur etwas Vertrauen erfordern, das sie allein durch dieses kleine Pokémon schon gewonnen hatte.[/LEFT] [LEFT]Sie drückte den Ball an ihre Brust und atmete tief durch. »Danke, Sternschnuppe. Danke, Dartiri.«[/LEFT] [LEFT]Es kam ihr vor, als vibrierte der Ball ein wenig, fast beruhigend, als würde er noch einmal für sie singen. Sie lächelte glücklich, dann schlug sie den Weg nach Hause ein, wo ihre Mutter sich bestimmt schon wahnsinnige Sorgen um sie machte. Aber in diesem Moment zählte für sie nur, dass sie endlich einen Pokémon-Partner hatte, sie ihre Reise direkt morgen beginnen könnte und sie nicht bis nächstes Jahr warten müsste. Sie war bereit, egal, was Professor Platan geschrieben hatte – und das war im Moment wichtiger für sie als alles andere auf der Welt.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)