Monogatari von Harulein (Eine Geschichte der Uchiha-Familie) ================================================================================ Kapitel 15: [Madara] Wunderkinder --------------------------------- 1991 Anfang des Jahres 1991 schlich sich in Madaras Gedanken ein Gefühl von Bestimmung. Er konnte nicht genau erklären, worum es dabei ging, doch er hatte dieses bestimmte Gefühl, dass sich gerade eine schicksalhafte Kette bildete, in der er seine Rolle spielen sollte. Besonders stark wurde dieses Gefühl an einem Vollmondabend im dritten Monat, als er wieder in dem Tal in den Bergen trainierte und fast aus dem Nichts ein Bild des Fuchsgeistes in seinen Gedanken erschien, eine kleine Sequenz dessen, wie es gewesen sein musste, als der Hokage der Ersten Generation sich mit dem Fuchsgeist auseinandersetzte und ihm das Land abkaufte, auf dem heute Konoha stand. Madara sah diese Szene innerlich sehr klar vor sich, und sie prägte sich tief ein. Ihm kam der Gedanke, dass er hier gerade erfuhr, wie er es anstellen sollte, Kurama anzusprechen, ohne sofort angegriffen und besiegt zu werden. Sicher erinnerte sich der Fuchsgeist noch an Hashirama. „Und wenn ich mich kurz verwandle?“, dachte Madara bei sich. „Der Fuchs wäre sicherlich überrascht, Hashirama wieder zu sehen … Wenn ich diesen Moment nutze, und dann mein Jutsu anwende, habe ich vielleicht eine gute Chance.“ Auf dieser Idee begann er, seine Strategie aufzubauen. Ein Verwandlungsjutsu, ein großes Genjutsu, Amaterasu als Schutz und den wahren Namen des Fuchsgeistes als Ass im Ärmel, und er hatte noch ein paar Monate Zeit, das Ganze fertig zu stellen. Denn inzwischen war erkennbar, dass sich der Fuchsgeist gegen Ende des Jahres tatsächlich wieder in der Dimension der Menschen zeigen würde. Madara hatte mehrere Visionen diesbezüglich gehabt und das geheimnisvolle Buch, welches sich ihm im Mondlicht offenbarte, sagte dasselbe. Madara verbrachte den gesamten vierten Monat mit täglichem Training. Und wenn er nicht gerade selbst trainierte, bildete er Konan weiter aus, sowohl in der Theorie, als auch in Teilen der Praxis. Sasori beteiligte sich daran ebenfalls, Konan auf ihre Zeit an der Akademie von Kumo Gakure vorzubereiten, und so beherrschte das kleine Mädchen bald nicht nur ihr eigenes Kekkei Genkai, sondern auch die Marionettenkunst von Suna Gakure und einzelne Aspekte von Madaras Genjutsu. Es stellte sich außerdem heraus, dass sie das Wind-Element hatte. Im Mai kam dann der Brief aus Kumo Gakure, der Konans Aufnahme an der Akademie bestätigte. Sie sollte im August dort ihre Ausbildung beginnen. In dieser Zeit versuchte Madara, auch wieder mehr an Nagato heran zu kommen. Dass der Junge sich immer mehr an Kakuzus und Kisames Aufgaben und offenbar, wie Sasori gesagt hatte, auch an ihren Plänen beteiligte, machte Madara natürlich Sorgen, und so versuchte er, seinem Ziehsohn wieder näher zu kommen. An einem Abend waren sie beide nach dem Abendessen übrig geblieben, Konan hatte sich schon in ihr Zimmer zurückgezogen und das Feuer im Herd war noch nicht ganz herunter gebrannt. Nagato saß nur still da, und Madara beschloss, hier und jetzt mit ihn darüber zu sprechen. „Nagato, ich muss dich das wirklich mal fragen: Was machst du, wenn du mit Kakuzu und Kisame Zeit verbringst? Was genau trainiert ihr?“ Nagato antwortete nicht, starrte nur in das Herdfeuer. „Was ist los mit dir? Sag schon!“ Nagato sah kurz auf, dann wieder ins Feuer, dann sagte er: „Mein Rinnegan.“ „Mehr nicht?“ „Ist dir das nicht genug?“ „Nein. Weil ich mir sicher bin, dass ihr noch mehr macht als nur dein Kekkei Genkai zu stärken.“ „Und wenn? Kann dir das nicht egal sein?“ „Nein, kann es nicht! Nagato, ich mache mir Sorgen.“ „Worum?“ „Darum, dass du dich in Dinge begibst, die nicht gut sind. Ich bin nicht blind, Junge, ich sehe doch, was hier abgeht. Aber Kakuzu wird dein Trauma nicht heilen.“ „Als wenn ich das will …“ Nagatos Stimme klang kalt und tonlos. „Was willst du denn? Du hast gesagt, du willst kämpfen, aber statt das von mir zu lernen, wie Konan auch, hängst du dich an Kakuzu?“ „Kakuzu hat mir mehr zu bieten.“ „Was genau?“ „Mehr eben.“ „Verbotene Jutsus, oder was?!“ Madara wurde langsam ungeduldig und laut. Nagato war jetzt noch verschlossener als damals, als er ihn und Konan in Ame Gakure aufgesammelt hatte. Er hatte das Gefühl, dass der Junge ihm entglitten war, und das hier war einer der Momente, in denen sich Madara über seine eigene Naivität ärgerte. Die meiste Zeit über war er stolz, ein solcher Idealist zu sein, immer auf dem Weg des Guten, aber anscheinend war ihm Nagato genau dadurch entglitten und er hatte es viel zu spät bemerkt. „Und wenn schon“, sagte Nagato. „Bei ihm darf ich wenigstens wirklich stark werden.“ Mit diesen Worten stand der Junge auf, ging zur Haustür und nach draußen. Madara blieb ein wenig perplex zurück. Er erinnerte sich, dass er Kakuzu, bevor dieser von selbst aufgetaucht war, eigentlich schon aus seinen Plänen gestrichen hatte, eigentlich war es ihm ja damals um Izuna gegangen. Den hatte er auch immer noch nicht gefunden. Aber Izuna wollte ja sowieso nicht gefunden werden, und Madara hatte inzwischen auch keine Pläne mehr, seinen Halbbruder in Akatsuki einzubinden. Er machte das Feuer aus, ging dann nach oben in sein Zimmer und setzte sich dort auf sein Bett. Es ärgerte ihn, dass er nicht mehr auf Nagato geachtet hatte, sich nicht stärker bemüht hatte, und die einzige Erklärung, die er selbst für sein eigenes Verhalten hatte, war, dass er zu beschäftigt mit dem Aufbau von Akatsuki gewesen war und sich mehr auf Konan konzentriert hatte. Natürlich, denn die war nun mal deutlich einfacher zu trainieren und auch klarer orientiert in ihren Werten. Madara hörte, wie aus Konans Zimmer das Rattern der Nähmaschine vernehmbar war, das kleine Mädchen schlief noch nicht, sie arbeitete. Und so stolz er auf sie war und darauf, wie ähnlich sie ihm war, so sehr ärgerte es ihn, dass er diesen Zugang bei Nagato offenbar verpasst hatte. Vielleicht war dieser Zugang aber auch nie da gewesen, Nagato war vielleicht einfach so verschlossen, ob nun durch das Trauma oder weil er einfach so war. Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, beschloss Madara dann, mit Kakuzu zu reden. Obwohl er ahnte, dass dieser ihm gegenüber sowieso nicht ehrlich war, musste er es wenigstens versucht haben. Als er zu dessen Haus ging, kam ihm Sasori entgegen. „Ist Kakuzu da?“, fragte Madara. „Ja, ich war gerade bei ihm“, antwortete Sasori. „Kisame ist auch da.“ Madara klopfte also an Kakuzus Haustür, und von drinnen war ein „Komm rein“ zu hören. Er betrat das Haus und traf Kakuzu und Kisame beim Frühstück an. „Ich muss mit euch reden“, sagte Madara. „Was gibt’s?“ Kisame grinste. „Es geht um Nagato. Ich will, dass ihr die Finger von ihm lasst.“ Kakuzus Maske, die er immer trug, ließ keinen Einblick in seinen Ausdruck zu, doch man hörte, dass er auflachte. „Ach Madara, seid ihr Uchiha alle so naiv?“, fragte er. „Ihr lasst Nagato in Ruhe, verstanden?“ Kisame lachte ebenfalls. „Er kommt von selbst zu uns.“ „Nagato ist traumatisiert, und ihr nutzt das aus!“ „Wofür sollten wir ihn ausnutzen?“, fragte Kakuzu. „Sein Rinnegan ist für euch sicher sehr praktisch.“ Am liebsten hätte Madara den beiden alles an den Kopf geknallt, was er von Sasori wusste, doch um diesen nicht zu verraten, musste er darüber schweigen. Sasori war wenigstens halbwegs loyal, Kakuzu und Kisame offensichtlich gar nicht. Kakuzu lachte wieder. „Schon, ja. Es ist eine interessante Fähigkeit. Vielleicht sogar interessanter als dein Sharingan, Madara Uchiha.“ Madara dachte an seine eigenen Pläne, an den Fuchsgeist, die Verbindung nach Konoha, das, was er mit Akatsuki eigentlich vorhatte. Kakuzu und Kisame standen dem jetzt vollkommen im Weg, vor allem, wenn sie wirklich Kontakt zu Orochimaru hatten. „Wisst ihr was?“, begann er, und aktivierte dabei seine Sharingan. „Ihr könnt auch gerne gehen, wenn ihr hierauf sowieso keine Lust habt. Ich werde demnächst Kontakt zu Konoha aufnehmen, und dann seid ihr hier raus, verstanden?“ „Konoha?“, fragte Kisame. „Ist das ne Drohung?“ „Falls ihr es vergessen habt, das hier ist kein kriminelles Untergrundunternehmen. Ich will ein neues Dorf gründen, und das im Kontakt mit Konoha.“ „Die werden dich nicht wieder aufnehmen“, sagte Kakuzu. „Das werden wir ja sehen“, erwiderte Madara. „Jedenfalls lasst ihr Nagato in Ruhe. Ab sofort.“ Mit diesen Worten wandte er sich um, verließ das Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Als er wieder am Stammhaus ankam, saß Konan vorne vor dem Haus zwischen den Hortensien, sie hatte ein Buch dabei und lernte. Sie bemerkte ihn und blickte auf. „Ich hab das Buch fast durch“, sagte sie. „Hast du noch eins?“ Madara fiel das Buch aus Konoha wieder ein, das er vor einer Weile gekauft hatte. Er hatte noch nicht den Zeitpunkt gefunden, es Konan zu geben, weil es alte Lehrmethoden aus Konoha enthielt und er sie nicht, wenn sie in Kumo Gakure lernen würde, damit verwirren hatte wollen. „Ja, ich hab noch ein Buch. Ein Lehrbuch von der Akademie in Konoha“, sagte er. „Ich geh es holen.“ Er ging ins Haus, die Treppe rauf in sein Zimmer, und suchte das Buch heraus. Als er wieder aus seinem Zimmer kam, hörte er ein seltsames Geräusch aus Nagatos Zimmer. Kurzentschlossen klopfte er an dessen Tür. „Nagato? Alles in Ordnung?“ „Geh weg, Madara.“ „Was machst du denn?“ „Geht dich nichts an.“ In dem Moment kam Konan die Treppe hoch. Sie verstand die Situation sichtlich besser als Madara und flüsterte: „Nagato sticht sich wieder Piercings.“ „Noch mehr?“, fragte Madara leise zurück. Konan nickte. „Er hat mir heute Morgen versprochen, dass ich auch noch eins kriege.“ Sie gingen zusammen die Treppe wieder runter und Madara gab Konan das Buch. „Das sieht aber alt aus“, sagte das kleine Mädchen. „Es ist ein altes Lehrbuch von der Konoha-Akademie, noch aus den Zeiten der ersten beiden Hokage.“ „Wo hast du das denn her?“ „Von einem ehemaligen Mönch aus dem Feuertempel.“ „Steht da dann noch was vom Ersten Hokage drin?“, fragte Konan. „Ja, manches hat er selbst verfasst. Ich kenne das Buch in- und auswendig, und du wirst damit gut lernen können.“ Danach packte Madara Gunbai und ein paar andere Waffen ein und begab sich auf den Weg zu seinem Trainingsort, dem Tal in den Bergen. Und auf dem Weg dahin kam ihm eine Idee, ein Gedanke, der wichtig war, wenn er sich auf die Begegnung mit dem Fuchsgeist vorbereitete: Sollte seine Strategie nicht aufgehen und der Fuchsgeist ihn doch besiegen, dann brauchte es ein Sicherheitsnetz, ein Jutsu, mit dem Madara den Schaden, sollte er in diesem Kampf umkommen, begrenzen würde können. Er dachte an Konan, die sicher sehr, sehr traurig sein würde, wenn er nicht wiederkam. Und so dachte er an diesem Tag vor allem darüber nach, wie sich die Erinnerung an ihn reduzieren ließ, sollte er den Kampf nicht überleben. Er wollte nicht, dass Konan um ihn trauern musste, sie war so ein fröhliches, klares Kind, und er wollte die Bitterkeit, die Nagato hatte erleben müssen, nicht auch Konan zumuten. Er war ihr Papa, und sie würde dann zur trauernden Waise werden, vielleicht genau so krank wie Nagato. Und das musste Madara verhindern. An diesem Tag hielt er sich lange in diesem Tal auf. Er wechselte zwischen Trainingseinheiten und theoretischer Arbeit, probierte verschiedene Arten von Jutsus aus, mit denen sich Erinnerungen löschen oder versiegeln ließen, und kam dabei auch tatsächlich gut voran. Das Jutsu, für das er sich letztendlich entschied, war eines, mit dem man die Erinnerungen an etwas Bestimmtes zwischen den Chakraströmen des Gehirns versiegeln konnte. Es war ein Jutsu, das er vor vielen Jahren von Ikue gelernt hatte, eine medizinisch-psychologische Technik, die Ikue vor allem zur Anästhesie verwendete, und auch wenn Madaras eigenes Sharingan nicht so stark auf medizinische Jutsus ausgerichtet war wie Ikues, es funktionierte dennoch. Als er an diesem Abend wieder nach Hause kam, traf er Konan und Nagato unten in der Küche an. In selten gewordener Nähe saß Konan auf der Arbeitsfläche der Küche, Nagato stand vor ihr und tat etwas in ihrem Gesicht. Als die beiden Madara bemerkten, sagte Nagato „Hallo“. Konan sagte nichts, denn Nagato war gerade dabei, mit einem Wattestäbchen ihre Lippe mit einer Flüssigkeit zu betupfen. „Na, was macht ihr?“, fragte Madara. Nagato trat beiseite, und jetzt war auch zu sehen, was er getan hatte: Konan hatte ein kleines, kugelförmiges Piercing mittig unter der Unterlippe. „Gut, ne?“ Sie grinste. „Jetzt bin ich voll schick!“ Madara lächelte. „Ja, sieht schön aus.“ Er sah Nagato an, der hatte sich auch verändert. Zu den Ohrringen und den beiden Lippenpiercings, die er schon länger hatte, waren drei neue in den Ohren dazu gekommen, und eines durch den Nasenrücken. Das war noch sehr gerötet und vermutlich das, was der Junge sich gestern gestochen hatte, als Madara ihn gehört hatte. Beim gemeinsamen Abendessen setzte sich die Einheit zwischen Konan und Nagato fort, der Junge schien heute offener als sonst. Konan plapperte fröhlich über das, was sie heute alles gemacht und gelernt hatte, und Nagato wandte sich wenigstens nicht ab, wirkte sogar wieder interessierter an dem, was Konan erzählte. Als später auch Sasori dazu kam, schien das Nagato auch weniger zu kümmern als sonst, er wirkte wirklich ruhiger und weniger eifersüchtig, ging dann aber bald schlafen. Konan fragte Sasori, was er gerade arbeitete, und nun war es überraschenderweise er, der sich über die Details seiner Arbeit ausschwieg. Madara wusste, dass Sasori auch an Jutsus arbeitete, die sich an der Grenze der Legalität bewegten oder auch weiter darüber hinausgingen, was erlaubt war. Aber solange Sasori sich loyal verhielt und sich an Konan hielt, sah Madara noch keinen ernsthaften Grund, sich da einzumischen. Die Freundschaft zwischen Konan und Sasori war, so schätzte Madara es ein, stark genug, um Sasoris Experimente und seine grenzwertigen Ideen zu regulieren. Man merkte, dass der Marionettenspieler sich im Klaren darüber war, dass Konan inzwischen stark genug war, ihn in der Luft zu zerreißen, sollte ihr das, was er tat, ernsthaft nicht gefallen. Und ihm schien auch viel an dieser Freundschaft zu liegen, genug, um sie nicht zu riskieren. Konan schien auch zu bemerken, dass Sasori weniger über seine Arbeit sprach als sonst, und direkt und klar, wie das kleine Mädchen eben war, konfrontierte sie ihn umgehend damit: „Baust du an dir selber weiter?“ Sasori schien wenig überrascht, dass Konan ihn so fragte. Er kannte sie immerhin. „Ja“, sagte er. „Und an ein paar anderen … Marionetten.“ Konan sagte erst nichts darauf, aber ihr Blick sprach Bände. Sie sah Sasori mit einer Strenge an, die man einem Mädchen von acht Jahren nicht unbedingt zutraute. Sasori seufzte. „Vor dir kann man aber auch nichts geheim halten, Konanchen …“ „Nee“, antwortete sie. „Kann man nicht, und du am wenigsten, Sasori.“ „Also gut …“, lenkte der Marionettenspieler schließlich ein. „Ich habe ein paar Marionetten, die nicht einfach nur … aus Holz sind. Und an denen arbeite ich, bringe ihnen neue Jutsus bei.“ „Wie bringt man denn einer Marionette ein Jutsu bei?!“, fragte Konan. Madara konnte es sich schon denken. Auch wenn er Sasori vor ihrer ersten Begegnung nicht direkt gekannt hatte, er hatte dennoch gewusst, dass es in Suna Gakure dunkle, verbotene Techniken gab, mit denen man Marionetten nicht nur aus Holz, sondern auch aus Menschen herstellen konnte. Und diese Menschenmarionetten verfügten dann über abgewandelte Formen der Jutsus, die sie als lebender Mensch beherrscht hatten. Dass Sasori das auch tat, wunderte Madara auch nicht, denn immerhin war der Junge auch imstande, sich selbst in eine Marionette zu verwandeln. „Wenn man einen Gegner im Kampf besiegt hat, kann man ihn, wenn man weiß, wie es geht, in eine Marionette verwandeln und mitnehmen“, sagte Sasori. „Ich mache das eigentlich jedes Mal, wenn ich jemanden besiege. Es wäre doch schade, einen starken Gegner dann einfach liegen zu lassen.“ Konan zog die Brauen zusammen. „Du spinnst doch!“, sagte sie. „Das ist Kunst. Kunst ist nicht immer moralisch korrekt.“ „Du machst tote Leute zu Marionetten. Wo ist das Kunst?!“ „Wie gesagt, es wäre doch schade und Verschwendung, wenn ich gegen jemanden kämpfe, der stark ist und tolle Jutsus kann, ihn besiege, und ihn dann nach dem Kampf einfach herumliegen lasse, bis die Natur ihn zerfrisst. Ich nehme ihn lieber mit und mache ihn zu einer Marionette, dann bleibt seine Kraft der Welt erhalten.“ „Hm …“, machte Konan und sah Sasori nachdenklich an, als versuchte sie, doch zu verstehen, was er meinte. „Ist schon … sehr verrückt. Aber irgendwie macht es auch ein bisschen Sinn.“ „Wenn ich mich selbst zu einer Marionette machen kann, dann natürlich auch andere. Es ist dieselbe Technik.“ „Und wie viele hast du?“, fragte Konan. „Bis jetzt sind es 40 Stück“, sagte Sasori. „Aber es werden immer mehr. Ich werde demnächst eine Reise unternehmen, da werden einige dazukommen.“ „Wo willst du hin?“, wollte Konan wissen. Sasori lächelte geheimnisvoll. Und Konan sah ihn wieder mit diesem strikten Blick an. „Ins Wind-Reich …“, gab Sasori schließlich zu. „Nach Suna Gakure.“ „Schmeißen die dich nicht einfach wieder raus, wenn sie dich da sehen?“ „Ich weiß, wie ich mich tarnen kann.“ „Und was willst du da?“ Sasori lächelte wieder. „Ich will wissen, was meine Großmutter so macht. Und ich brauche Informationen über ein paar Dinge.“ „Wann gehst du los?“ „Sobald du in Kumo Gakure bist, Konan. Dann hab ich immerhin Zeit.“ Am nächsten Morgen kam Konan mit einem anderen Kleid als sonst zum Frühstück: Es war ein zweigeteiltes Teil aus einem kurzen Wickelrock mit längs gestreiften Bahnen und einem dunkelgrünen Kimono-Oberteil, darunter das übliche Netz, das zu jedem Shinobi-Outfit gehörte. Ihre kurzen Sandalen hatte sie mit mehrlagigem Stoff in eine Art Stiefel verwandelt, und am Rock war eine lederne Tasche befestigt, aus der ihre Papierwaffen heraus schauten. Und auf ihrem lilablauen Haar saß die papierne Blüte, die auch als Waffe dienen konnte. „Wow, ist das neu?“, fragte Madara. „Hab ich heute Nacht genäht.“ Konan strahlte. „Ich konnte nicht schlafen.“ „Bist du aufgeregt wegen Kumo Gakure?“ „Ja … Also hab ich mir gleich Kleider genäht, die ich dort anziehen kann.“ Madara lachte. „Das ist gut, du weißt dir zu helfen.“ Konan holte ein kleines Heft aus ihrer Tasche. „Ich hab auch gezeichnet, alles, was ich schon nähen kann und noch nähen will.“ Sie klappte das Heft auf und hielt es ihm hin. Madara blätterte durch die Seiten, die aussahen wie die Entwürfe eines Modelabels. Woher Konan sich diese Zeichenfähigkeiten angeeignet hatte, wusste er nicht, das musste so nebenbei zu ihrem Können dazugekommen sein. Besonders fiel ihm ein langer, schwarzer Mantel auf, mit einem hohen, weiten Stehkragen, auf dem als großes Muster der Vollmond mit den roten Wolken, den Madara als persönliches Siegel verwendete, zu erkennen war. Daneben war ein runder, spitzer Bambus-Hut zu sehen und ein Paar Schuhe, die wie eine Mischung aus Ninja-Stiefeln und Gamaschenschuhen aussahen. „Was ist das denn?“, fragte er und deutete auf die Zeichnung. „Das ist für Regenwetter. Damit man den Regen nicht so merkt, wenn es mal regnet. Ich mag das ja nicht, also hab ich was gezeichnet, was vielleicht hilft“, erklärte Konan. Madara lächelte. „Du bist ein wirklich sehr patentes kleines Mädchen.“ Und Konan grinste zurück. „Hab ich doch von dir, Dara!“ „Sollen wir deine neuen Kleider gleich mal ausprobieren?“, fragte Madara. „Wir könnten heute zusammen trainieren.“ „Au ja!“ Nach dem Frühstück kam Nagato mit dem Pflegefläschchen an, versorgte Konans Piercing und verschwand dann wieder, und Konan und Madara machten sich auf den Weg. Madara wollte Konan endlich mal seinen neuen Trainingsort zeigen, er hatte sie bisher noch nicht dorthin mitgenommen. Konan hatte sonst ihren eigenen Übungsplatz hinterm Haus. Auf dem Weg in die Berge plapperte Konan fast ununterbrochen, sie hatte heute fast noch mehr Energie als sonst, denn die Sonne schien, der Himmel war klar, und obwohl sie, wie sie sagte, kaum geschlafen hatte, war sie sehr aufmerksam und wach. Als sie das Tal erreicht hatten, staunte das kleine Mädchen nicht schlecht über das, was Madara hier alles eingebaut und errichtet hatte. Die Statue des Ersten Hokage war natürlich das Auffälligste, doch auch die riesigen Bäume und der genau nach den Mondphasen ausgerichtete Turm beeindruckten sie. Madaras neueste Errungenschaft waren zwei riesige steinerne Hände links und rechts dieses Turms, jeder Finger mit einem anderen Symbol, einem eigenen Schriftzeichen. „Was ist das denn?“, fragte Konan. „Die Hände?“ „Ja. Was bedeuten die?“ „Das ist eine alte Überlieferung. Jeder Finger steht für einen Bijuu, und jedes Zeichen hat mit einer Geschichte zu tun, die mit jedem einzelnen verbunden ist. Das rote Zeichen zum Beispiel steht für den Fuchsgeist, aber es bedeutet „Phönix“, weil es da eine alte Geschichte gibt, dass sich der Phönix und der Fuchsgeist einmal begegnet sind und zusammen gearbeitet haben.“ „Und das weiße Zeichen?“, fragte Konan. „Das weiße Zeichen steht für eine starke, gute Fee, die vor vielen hundert Jahren den Jubi für sich genutzt hat und damit alle anderen Bijuu für eine Zeit vereinen und zur Freundlichkeit zähmen konnte.“ „Gibt’s die wirklich?“ „Man weiß es nicht. Es sind eben Legenden“, sagte Madara. „Aber Legenden haben meistens irgendwo auch eine Wahrheit in sich.“ „Also gut“, sagte Konan und holte eins ihrer Papier-Kunai aus der Tasche an ihrem Rock. „Dann fangen wir an!“ Es wurde eine lange Trainingseinheit. Konan hatte mit Sasori zusammen und auch alleine so fleißig und kontinuierlich trainiert, dass Madara sich mehr als einmal wunderte, wie stark das Mädchen geworden war. Wieder dachte er an die Kinder in Konoha, besonders die im Uchiha-Clan, und war sich inzwischen sicher, dass Konan auch so ein Wunderkind war. Ihre schnelle Auffassungsgabe und ihr klarer, positiver Geist machten sie schon jetzt, vor der eigentlichen Ausbildung, zu einer zwar noch kleinen, aber technisch sehr fähigen Kunoichi. Madara war stolz darauf, denn immerhin war die Förderung und volle Entfaltung dieses Talents sein Verdienst. Ob Konan von Geburt an diese Begabungen hatte oder Madara diese durch seinen eigenen Enthusiasmus und seine Förderung erzielt hatte, war im Grunde auch egal. Was zählte, war, dass das kleine Mädchen im Leben zurechtkam, und das tat sie. In einer kurzen Pause zum Mittagessen dachte Madara darüber nach, was ‚Wunderkind‘ eigentlich bedeutete. Er dachte an Itachi, dessen Fähigkeiten von Geburt an geplant und früh erkennbar gewesen waren, auch weil Ikue und Yoshio ja von Oma Yoneko genau deswegen verheiratet worden waren, um gezielt ein Kind mit solchen Begabungen zu bekommen. Itachi war von seiner Geburt an als Wunderkind bekannt gemacht und dann natürlich sehr früh entsprechend gefördert worden. Da ließ sich kaum mehr unterscheiden, ob er Dinge aus seiner Hochbegabung her konnte oder weil man ihn so früh und intensiv darin bestärkt und gefördert hatte. Bei Konan war es aufgrund ihres unbekannten Hintergrundes gar nicht möglich, ihre Intelligenz einer bestimmten Quelle zuzuordnen. Ihre Fähigkeiten mit dem Papier waren ein Kekkei Genkai, das war deutlich, aber woher sie ihren klaren Geist hatte, ließ sich nicht feststellen. Das konnte sie von Geburt an haben, oder Madara hatte es, weil Förderung begabter Kinder nun mal seine Passion war, so sehr gefördert, dass sie nun genau wusste, wie sie ihren Geist nutzen konnte. Letztendlich war es Madara auch gleich, woher seine Ziehtochter diese Fähigkeiten hatte. Sie war einfach so, und das zählte. Nun ging es darum, dass sie weiter lernte, und das würde sie in Kumo Gakure tun, in der Gemeinschaft mit anderen Kindern, denn das fehlte hier. Nach der Mittagspause setzten sie das Training fort, und Konan überraschte Madara mit einer weiteren Fähigkeit: Sie hatte eine komplette Marionette aus Papier geschaffen, ganz nach dem Vorbild von Sasoris Kampfmarionetten! Das allein wunderte Madara im Grunde nicht, schließlich waren Konan und Sasori Freunde und Partner und da war es logisch, dass sie von ihm lernte. Aber diese Marionette, die sie jetzt verwendete, war schon etwas Besonderes, denn sie beherrschte Konans Origamitechnik selbst, wie ein Avatar, der ebenso papierne Shuriken und Kunai herstellen konnte, so wie Konan selbst. „Du hast mir gar nicht erzählt, dass du so eine tolle Waffe hast!“, sagte Madara. „Ich wollte dich damit überraschen.“ Konan grinste. „Du wirst Sasori ähnlich“, erwiderte Madara. „Klar. Wir sind doch Partner.“ Madara beobachtete Konans Hände, die mit feinen Fäden aus Chakra die Marionette führten, und wie die Bewegungen ihrer Finger dabei auch das Falten des Papiers erkennbar machten. Diese Bewegungen des Papierfaltens waren längst in ihr Muskelgedächtnis eingegangen, sie beherrschte sie wie im Schlaf. „Dann zeig doch mal, was deine Marionette drauf hat!“, sagte Madara, hatte schon seine Hand an Gunbais Griff und sprang zwei Schritte rückwärts. Und Konan reagierte sofort, ließ die Marionette fliegen, es gab ein eigenartiges Geräusch, nicht das typisch hölzerne Klappern, sondern eine Art Rascheln, denn die Marionette war aus nichts als Papier gemacht. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus normalem Papier und dem, was Konan selbst aus ihrer Haut gewann, und zweiteres verfügte über eigenes Chakra. Mit einer einzigen Bewegung ihres kleinen Fingers ließ sie die Marionette ein papiernes Kunai in die Hand nehmen, und damit griff sie Gunbai an, das Kunai traf den Kampffächer in der Mitte. „Sehr gut!“, rief Madara ihr zu. Konan grinste, hob die andere Hand, löste den Mechanismus der Blüte in ihrem Haar und ließ die harten, weißen Splitter herausfliegen, sie stoben aus in alle Richtungen und einige bohrten sich in Gunbais Oberfläche. „Komm, Mädchen, greif mich mal richtig an!“ „Du bist doch eh zu stark“, erwiderte Konan. „Ich tu mal so, als wär ich es nicht, okay?“ „Okay!“ Mit einem Satz und einem weiten Schwung ihrer rechten Hand ließ sie die Marionette ausholen, nach einem weiteren Kunai greifen und dieses zielte auf Madaras Arm, mit dem er Gunbais Kette hielt. Das papierne Messer flog durch die Luft, fast als hätte sie es verloren, doch das war ein Trick, denn das Kunai hatte einen eigenen Chakrafaden, und mit einer weiteren Bewegung ihrer Hand kam es hinter Madara zurück und riss im Vorbeifliegen den Ärmel seines Hemdes auf. „Wann hast du das alles gelernt, Konan?!“, rief Madara laut. „Ich war doch jeden Tag bei Sasori!“ „Hat er dich richtig unterrichtet?“ „Ich hab ihm zugesehen.“ „Wunderkind“, schoss es durch Madaras Kopf. Und dieses Wort, dieser Gedanke, erfüllte ihn mit Stolz. Er hatte ein großartiges neues, junges Talent entdeckt und dieses Talent dazu befähigt, selbst zu lernen, und auch wenn es Fähigkeiten eines anderen waren, wie Sasori, die grundlegende Arbeit hatte Madara selbst getan. Er dachte an die Akademie in Konoha, an die vielen jungen Menschen im Dorf, und an die Pädagogik des Ersten Hokage, diesen Idealismus und die Freude am Lehren, die aus den Texten des Hashirama Senjuu sprach. Madara hatte diese Ideale von klein auf verinnerlicht und vollkommen internalisiert, und nun erfüllte sich sein ganz persönlicher Traum, ein solches empfängliches und vielversprechendes Talent selbst entdeckt und gefördert zu haben. Konan war die Verkörperung und der Beweis dessen, dass diese Ideale des Ersten Hokage funktionierten. „Du machst mich echt stolz, Konanchen!“, rief er ihr zu. Konan bewegte ihre Hand, den kleinen Finger rechts und den Zeigefinger links, und rief zurück: „Pass lieber auf, Madara!“ Er sah sich gerade noch rechtzeitig um, da sausten zwei papierne Shuriken von hinten direkt auf ihn zu und er schaffte es nur eben gerade, sie mit Gunbais Sense abzuwehren. „Sehr gut!“, rief er. „Wirklich, sehr gut!“ Konan grinste. „Ich weiß.“ Sie trainierten noch bis Sonnenuntergang, dann machten sie sich auf den Weg zurück nach Hause. Der Mond war heute exakt halb und leuchtete hell, und auf halber Strecke wurde Konan dann so müde, dass Madara sie auf seine Arme nahm und den Weg nach Hause trug. „Du hast heute hart gearbeitet, Konanchen“, sagte er. Konan schlief schon fast, nickte nur. „Ich bin wirklich, wirklich stolz auf dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)