Monogatari von Harulein (Eine Geschichte der Uchiha-Familie) ================================================================================ Kapitel 6: [Madara] Sonnenlicht ------------------------------- 1985 Je weiter sie sich von Ame Gakure entfernten, desto weniger regnete es. Madara schien genau zu wissen, wohin er wollte, und spät abends hielt er vor einer kleinen Hütte am Waldrand an. Es regnete immer noch, wenn auch weniger als in Ame, und Nagato musste zugeben, dass er wirklich müde war. „Hier übernachten wir und hier bleiben wir auch ein paar Tage“, sagte Madara und öffnete die Tür der kleinen, unscheinbaren Hütte. Vorsichtig hob er die längst schlafende Konan von seinen Schultern. Die wachte davon auf. „Dara, wasnlos? Wosinwi?“ murmelte sie mit halb geöffneten Augen. „Wir haben Ame Gakure verlassen, Konanchen. Bald siehst du die Sonne und vielleicht gibt es morgen was zum Essen“, antwortete Nagato und stellte die schweren Taschen ab. „Sonne? Essen? Echt?“, fragte Konan. „Nagato, du bist lieb!“ Und schon war sie wieder eingeschlafen. Sie war einfach zu müde. Nagato legte sie vorsichtig auf das größte Kissen, das sie besaßen. „Und wie lange bleiben wir hier?“, fragte er Madara. „Ein paar Wochen vielleicht. Bis ich ein richtiges Haus gefunden habe, wo wir alle zusammen bleiben können“, antwortete der. „Heißt das, dass du bei uns bleibst, Madara?“ Nagato konnte es kaum glauben. „Ja. Aber ich möchte natürlich zuerst mal wissen, wie ihr zwei eigentlich richtig heißt.“ sagte Madara und lächelte wieder. „Ich heiße Nagato Amekawa. Und die Kleine heißt Konan. Wir haben Glück, dass ich meinen Namen und ihren kenne. Ihren Nachnamen weiß ich aber nicht. Konan ist ungefähr zwei und ich bin sieben. Aber ich weiß nur meinen Geburtstag“, sagte Nagato. Madara schrieb die Namen kurz auf und sagte dann: „Ich bleibe bei euch. Nach Konoha kann ich jetzt nicht mehr zurück. Ihr könnt gut einen Beschützer gebrauchen und die kleine Konan kannst du nicht allein großziehen.“ Dann begann Madara, die Taschen auszupacken und ein Nachtlager herzurichten. Mitten in der Nacht wachte Konan auf. Sie wusste nicht, wo sie war und das ständige leise Rauschen des Regens war verstummt. Irgendwann vor Stunden war Konan auf Madaras Rücken eingeschlafen und als sie in der Hütte kurz aufgewacht war, hatte sie ihr neues Zuhause auf Zeit noch nicht wirklich wahrgenommen. Es war dunkel, draußen verhüllten Wolken die Sterne, obwohl es vor einer Weile wohl aufgehört hatte zu regnen. Das kleine bisschen Licht, das von irgendwo draußen kam, ließ Nagatos oranges Haar schwach leuchten. Konan blinzelte zu ihm hinüber. Dann merkte sie, wie hungrig sie war und dass sie das ziemlich aufregte. Und das einzige, was der Zweijährigen einfiel, war Schreien. „Waaaah! Ich hab Hu-hu-hu-huuuungeeeer!!! Will was eeeesseeen!“ Sie schrie, obwohl sie zum ersten Mal im Leben ohne das Geräusch des immerwährenden Ame Gakure-Regens in den Ohren aufgewacht war. Oft hatte sie sich gewünscht, dass dieses Regenrauschen aufhörte. Aber jetzt hatte sie Hunger. Madara wachte von ihrem Geschrei auf. Schon im Halbschlaf hatte er Konans Schreien gehört und sie tat ihm leid. Was mussten so ein Krieg und ein Wohnungswechsel für so ein kleines Mädchen wie Konan bedeuten? Sie war bestimmt völlig durcheinander. „Konanchen …“ Madara übernahm wie selbstverständlich die von Nagato verwendete Kinderform des Namens, „Warum weinst du denn?“ „Dara! Ich will was essen! Ha-ha-hab Huuuuunger!“ „Du musst ja schrecklichen Hunger haben, wenn du so schreist. Kannst du gar nicht mehr schlafen vor Hunger?“ fragte Madara. „H-hm!“ Konan hörte auf zu schreien und sah Madara mit großen, nassen Augen an. „Ich seh mal nach, ob ich vielleicht noch was zu essen habe.“ Madara begann, seinen Rucksack nach etwas Essbarem zu durchsuchen. Er fand ein paar Scheiben dunkles Brot, mehr nicht. Morgen würde er losziehen müssen, um im nächsten Ort Essen zu besorgen. „Hier, Kleine, iss!“, forderte Madara das kleine Mädchen lächelnd auf. Konan strahlte ihn an. Ihre kleinen, weißen Hände griffen nach dem trockenen Brot. Seit eineinhalb Tagen hatte sie kein größeres Stück Brot, Reis oder etwas anderes zu essen gesehen. Gierig biss sie hinein. Es war ihr egal, wie es schmeckte. „Dankche, Dara“, sagte sie kauend und strahlte. Madara hätte nie gedacht, dass ihn das dankbare Leuchten in den Augen eines kleinen Mädchens so glücklich machen würde. Aber so, wie Konanchen ihn jetzt mit vollen Backen anstrahlte, das machte ihn wirklich glücklich. Madara wusste jetzt, dass es sich gelohnt hatte, Konan und Nagato zu retten. „Mmmmmh!“, seufzte Konan schließlich, „Jetzt nich mehr Hunger. Jetzt satt.“ Und ein voller Magen machte müde. Konan streckte sich und gähnte. „Darf ich auf dein´ Futon mit schlafen?“ fragte sie und kuschelte sich an Madaras dichtes Haar. „Sie ist jetzt mein Kind“, dachte er und ließ zu, dass sie unter seine Decke kroch und sich an ihn schmiegte. Fühlte es sich so an, eigene Kinder zu haben? Madara wusste es nicht genau. Er war schließlich erst fünfundzwanzig Jahre alt. Doch er musste an seinen Patensohn. Itachi war fünf, also jünger als Nagato, und hatte schon längst mit dem Ninja-Training begonnen. Nagato hatte ganz offenbar noch nie sein Chakra trainiert. Und während Madara seinen Blick von Konans lila Lockenköpfchen zu Nagatos orangenem Haarschopf wandern ließ, nahm er sich vor, den beiden alles beizubringen, was sie brauchten. Er wäre in Konoha Sensei geworden, wenn der Krieg nicht gekommen wäre. Jetzt würde er Lehrer für Nagato werden und dann für Konan. Die beiden waren offensichtlich mit recht vielversprechenden Talenten gesegnet. Konan war für eine Zweijährige bemerkenswert selbstständig und sprach schon ziemlich deutlich aus, was sie meinte. Und Nagatos Augen waren außergewöhnlich, das hatte Madara sofort erkannt. Am nächsten Morgen zog Madara schon früh los, um sich nach einer besseren Behausung umzusehen. Die kleine Hütte war zwar besser als die Ruine, in der er die Kinder gefunden hatte, aber Madara wollte Nagato und Konan ein wirklich schönes Zuhause bieten. Er wurde richtig euphorisch beim Gedanken daran, mit den Kindern zusammen in einem kleinen Haus zu leben und ihnen alles beizubringen. Nagato versprach, den ganzen Tag mit Konan im Haus zu bleiben. Noch war der Krieg nicht zu Ende, in vielen Orten um Ame Gakure herum wurde noch gekämpft. Deshalb war es sicherer für die Kinder, wenn sie im Haus blieben, bis Madara wieder da war. Als Konan aufwachte, schien die Sonne durch das kleine Fenster über Madaras Reisefuton. „Nagato? Wo ist Dara?“, fragte sie verwirrt. Madara war nicht da, obwohl sie doch auf seinem Haar geschlafen hatte, und die Sonne schien so hell herein, wie sie es noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. „Er ist losgegangen, um etwas zu essen zu holen“, antwortete Nagato und begann, in den Taschen nach Konans wenigen Spielsachen zu suchen. Es war wirklich nicht viel: Ein kleines, knisterndes Kissen, ein Beutel mit großen Glasmurmeln und ein paar bestickte Haarbänder. Aber es musste reichen, um Konan den ganzen Tag zu beschäftigen. Als Nagato sich aber zu Konan umsah, bemerkte er, dass sie längst eine eigene Beschäftigung gefunden hatte: mit hochzufriedenem Gesicht und geschlossenen Augen saß sie unter dem Fenster und ließ sich von der Sonne bescheinen. Für jemanden, der seine ersten Lebensjahre nicht im Regen von Ame Gakure verbracht hatte, wurde so ein einfaches In-der-Sonne-sitzen vielleicht bald langweilig, aber Konan kannte nichts als den Regen und deshalb war das Gefühl von Sonnenstrahlen auf der Haut etwas unbeschreiblich Schönes. „Komm, Nagato! Setz dich auch hin, die Sonne scheint!“, seufzte sie glücklich. Und weil er gerade nichts anderes zu tun hatte, setzte er sich neben sie auf den Holzboden, der von der Sonne schön warm war. Bis kurz vor Mittag schien die Sonne, dann zog eine fluffige, weiße Wolke vor die Sonne. Aber das machte Konan nichts aus. Sie hatte schon so viel vom Sonnenlicht und der Wärme aufgesogen, dass es für die nächsten Tage ausreichen würde, falls dann nicht die Sonne schien. Auf jeden Fall mehr Sonne als in ihrem ganzen, bisherigen Leben. Konan war glücklich. Und die kleine Wolke würde weiterziehen. Außerdem schimmerten Konans Glasmurmeln schön im Licht und warfen runde Regenbögen auf den Holzboden. Wenn die Sonne schien, war sie leicht zu beschäftigen. Madara hatte seinen Rucksack dagelassen. Wahrscheinlich hatte er heute nur eine kleinere Tasche mitgenommen. Nagato sah den Rucksack in einer Ecke stehen und plötzlich wollte er unbedingt wissen, was darin war. Konan sah von ihren Murmeln auf, als Nagato den Rucksack öffnete. „Was machst du da?“ fragte sie. „Ich will wissen, was er da drin hat. Wir wissen ja noch gar nicht, wer er eigentlich ist“, antwortete Nagato. „Er heißt Madara Uchiha, er ist aus Konoha und er ist lieb. Heute Nacht hat er mir was zu essen gegeben“, sagte Konan. „Du musst ihn fragen, bevor du seine Sachen durchwühlst, Nagato. Weißt du noch, wie du dich aufgeregt hast, als Yahiko an deiner Tasche war?“ „Das war was anderes“, erwiderte Nagato. „Yahiko war ein Kind, so wie wir. Aber Madara ist ein Krieger aus einem fremden Land und die Konoha-Ninjas haben Ame zerstört.“ „Yahiko sieht genauso aus wie du. Er hat nur andere Augen. Wo ist er überhaupt hingegangen? Er war auf einmal weg“, sagte Konan. „Ich vermute mal, er ist davongekommen.“ Nagato wollte nicht an diesen Jungen aus Ame Gakure denken, der ihm wirklich wie ein Zwilling ähnelte. Er hatte sich nicht getraut, mit Yahiko richtig Freundschaft zu schließen, aus Angst, dass der Krieg sie wieder trennen und ihm damit noch mehr Schmerz auslösen würde. Er begann, Madaras Rucksack auszuräumen. Einfach so konnte er ihm nicht vertrauen. Auch, wenn Madara gut zu Konanchen war. „Da ist ja überall so ein Fächer drauf“, stellte Konan fest, als Nagato den Inhalt von Madaras Rucksack auf dem Boden der Hütte ausbreitete. Tatsächlich, nahezu jeder Gegenstand war mit einem rotweißen Blattfächer-Symbol verziert. „Das ist wohl das Wappen seiner Familie“, sagte Nagato. Er hatte nicht das kleinste bisschen Schuldgefühle, weil er so in Madaras Sachen wühlte. Er war einfach davon überzeugt, dass es sein Recht war, Madara erst einmal nicht zu vertrauen. Es war ja immer noch Krieg. Da musste man sicher gehen. Neben Kleidung, Essgeschirr und Wurfmessern fand Nagato auch eine Dose mit Halstabletten, zwei Scheiben Brot, ein Paket Reis und eine ganze Reihe Bücher. Außerdem war da eine kleine Flasche aus braunem Glas, die irgendeine flüssige Medizin enthielt. „Von dem Brot hat er mir was abgegeben“, sagte Konan. „Obwohl er nur so wenig davon hat, hat er´s mit mir geteilt.“ Sie war voll davon überzeugt, dass Madara absolut vertrauenswürdig war. Er hatte sein Essen mit ihr geteilt, sie auf seinem Futon und in seinem Haar schlafen lassen und ihr sein Taschentuch geschenkt. Konan zog das Tuch aus der Tasche ihres Kleides. Es zeigte denselben rotweißen Blattfächer wie alle Sachen, die Madara gehörten. Nagato blätterte in einem der Bücher. Es war ein Buch über die Behandlung von Augenverletzungen, die durch Kekkei Genkai verursacht wurden, das war dem Bild auf dem Titelbild zu entnehmen. Nagato konnte kaum lesen und schreiben. Bevor er das Buch zuschlagen konnte, wurde die Tür der Hütte geöffnet. Nagato schrak zusammen. „Ich bin es, Kinder“, kam Madaras Stimme von draußen, dann öffnete er die Tür und kam herein. Seine Taschen waren voll mit Essen und Kinderkleidung. Er stellte die Taschen ab und entdeckte erst jetzt das Chaos auf dem Hüttenboden. „Gefallen euch meine Sachen?“, fragte er lächelnd, obwohl er eindeutig wusste, dass Nagato die Sachen durchsucht hatte. Jetzt bekam Nagato doch Gewissensbisse. Madara war den ganzen Tag unterwegs gewesen, um Essen und Kleider für sie zu besorgen, und er misstraute ihm immer noch? „Ich hab´s dir doch gesagt.“ Konan strahlte, als sie eine Schachtel mit Reisbällchen aus Madaras Tasche herausschauen sah. „Ich wollte nur wissen …“, begann Nagato verlegen, senkte den Kopf und fuhr sich nervös durch das leuchtend orangene Haar. „… ob du mir vertrauen kannst?“, fragte Madara. „Ja. Das kannst du.“ „Er hat nur für uns was gekauft!“, strahlte Konan. „Nur für uns!“ Nagato konnte Madara immer noch nicht ganz vertrauen. Der Krieg hatte ihn misstrauisch und vorsichtig gemacht. Und Madara trug auch immer noch das Stirnband mit dem Zeichen von Konoha Gakure. Er sah noch aus wie ein Feind. „Ich will was essen! Konanchen hat einen Riesenhunger!“, kreischte Konan ungeduldig. „Du bekommst ja schon was.“ Madara nahm die ziemlich große Reisbällchen-Schachtel und hielt sie Konan entgegen. Das kleine Mädchen riss die Schachtel auf, griff sich ein Reisbällchen und hatte es innerhalb weniger Augenblicke aufgegessen und sich noch eines genommen. Sie war kaum noch zu halten. „Nimm ausch einch! Chmeckt gut!“, forderte sie Nagato kauend auf. Aber Nagato traute sich nicht so recht. „Du hast doch auch Hunger“, sagte Madara. „Komm schon, iss!“ Als Nagato sich nach zehn Minuten (in denen Konan dreiviertel des Schachtelinhaltes aufaß) immer noch nichts genommen hatte, wusste Madara, wie er das Vertrauen des Jungen gewinnen würde. Es fiel ihm schwer, innerlich, denn er liebte sein Stirnband. Aber dennoch … Er griff unter sein Haar, löste den Knoten des Stirnbands und nahm es ab. Dann zog er ein Kunai hervor und fuhr kratzend über das Symbol, bis es drei nicht sehr tiefe, aber doch deutlich sichtbare Kratzer hatte, die das Laubblatt durchstrichen. „Ich werde das Stirnband nicht mehr tragen. Du kannst mir vertrauen, Nagato. Ab jetzt bin ich nur für euch beide da“, versprach Madara. „Du … du gibst deine … Heimat für uns auf?“, stotterte Nagato ungläubig. „Ich gehöre jetzt nicht mehr zu Konoha Gakure. Ich gehöre zu euch.“ In diesem Moment, als Madara das so offen aussprach, wusste er, dass es kein Zurück mehr gab. Vielleicht sah er Yoneko, Yoshio, Ikue und Itachi nie wieder. Der ganze Clan war davon ausgegangen, dass Madara unbesiegbar war und auf jeden Fall heimkommen würde. Und da war noch … Tsunade. Sie war zwar sechs Jahre älter als Madara und richtig verlobt mit einem anderen Ninja namens Dan, aber Madara schwärmte seit seiner Schulzeit für sie. Doch jetzt, wo er abtrünnig war, war es das Beste, wenn er Tsunade endgültig vergaß. Sie war nur die Enkelin des Ersten Hokage und er würde sie nicht bekommen. Es war jetzt wichtiger, die Lehren des Hashirama Senjuu über das Dorf Konoha hinaus in die Welt zu tragen. Was Yoneko betraf, wusste Madara, dass sie immer zu ihm halten würde. Egal, was die beiden Dorfältesten (die den Uchiha-Clan nicht mochten) sagen würden, Yoneko würde ihn verteidigen und vermissen. Yoshio würde vielleicht glauben, Madara sei auf dem Weg zu der Bombenentschärfung zwischen die Fronten geraten. Schließlich kämpften Nibi und Yonbi immer noch um Ame Gakure herum. Egal, wie Madara es drehte und wendete, es gab kein Zurück mehr. Er musste das jetzt durchziehen. Hatte er das nicht gewollt? Diese beiden Kinder großziehen in den Idealen des Ersten Hokage? Nun musste Madara sein Versprechen halten und sich um Konan und Nagato kümmern. Er war nun einzig verantwortlich für die beiden. Und er war vermutlich der Einzige, der sie überhaupt noch kannte. In Ame vermisste die beiden wahrscheinlich niemand, ja, vielleicht wusste niemand überhaupt noch, dass es Konan und Nagato gab. „Was ist denn das?“ fragte Nagato und hielt die kleine, braune Glasflasche in der Hand. „Das sind Augentropfen. Wenn man seine Augen so oft benutzt wie ich, passiert es oft, dass man sie verletzt“, antwortete Madara. „Tatsächlich. Deine Augen sind immer so rot“, stellte Nagato fest. „Weißt du, wie man das nennt?“ „Nein. Aber es macht dich stark, oder?“ „Das sind Sharingan“, sagte Madara. „Aber, sag mal, Nagato, ist das deine natürliche Augenfarbe?“ „Ich glaube schon. Ich hab keinen Spiegel, aber ich glaube, sie verändern sich manchmal irgendwie, fühlt sich so an …“, antwortete Nagato. „Deine Augen sehen aus, als könntest du sie noch für etwas anderes als zum Sehen verwenden. Hast du das schon mal versucht?“ „Nein …“ sagte Nagato. „Sonst hätte ich mich doch immer wehren können.“ „Stimmt. Man muss wissen, wie es funktioniert, sonst geht es nicht“, erklärte Madara. „Ich musste auch erst lernen, wie ich meine Sharingan benutzen kann.“ Nagato dachte einen Moment nach, kam zu dem Schluss, dass Madara Recht haben konnte und dass da wirklich etwas Besonderes an ihm selbst war. Doch er ließ sich die Gedankenbewegung nicht anmerken. Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Madara stand morgens früh auf, ging aus der Hütte und ließ Nagato und Konan den halben Tag über allein. Er suchte in den kleinen Dörfern in der Umgebung nach Essen für die Kinder und sich, was nicht gerade einfach war, denn die meisten Orte waren vom Krieg schwer beschädigt und die Menschen hatten selbst kaum etwas zu essen. Aber die meisten Leute waren bereit, einem Ninja mit Madaras starkem Auftreten doch etwas zu geben. Auf diese Weise kam er an gutes Essen und sogar an Bücher. Die Bücher waren wichtig, denn Madara wollte Nagato Lesen und Schreiben beibringen. Er war jetzt in jeder Hinsicht für Versorgung und Ausbildung von Nagato und Konan verantwortlich und begann, sich an die neue Aufgabe zu gewöhnen. Sie erschien ihm wirklich sinnvoll, jedenfalls sinnvoller als dieser verdammte Krieg. Im Krieg zerstörte man sinnlos unzähliges Leben, während die Versorgung und Ausbildung zweier elternloser Kinder deren Leben und späteres Wirken förderte. Ganz so, wie der Hokage der Ersten Generation das Dorf Konoha gegründet hatte, um jungen Menschen eine sichere Zukunft zu bauen. Als Madara eines Abends von seiner Tour zurück in die Hütte kam, platzte er mitten in einen Streit zwischen Nagato und Konan hinein. „Das ist echt doof!“, schrie Konan, und Madara wunderte sich wieder dass sie schon so gut sprechen konnte. „Nein, Konan, das verstehst du nicht“, sagte Nagato. „Dafür bist du noch zu klein.“ „BIN ICH GAR NICHT! DU KANNST NICH EINFACH SAGEN, DASS DARA NICH LIEB IS, NUR WEIL ER AUS KONOHA IS!“, kreischte Konan, „DAS IS GEMEIN, NAGATO!“ „Ich bin doch nur misstrauisch, Konanchen“, sagte Nagato. „Schließlich haben die Ninjas aus Konoha Gakure unser Ame zerstört.“ „Aber Dara is doch jetzt für uns da!“ Konan drehte den Kopf und sah Madara in der Tür stehen. Der lächelte freundlich. „Ihr könnt mir wirklich vertrauen“, sagte Madara. „Ich habe die Armee verlassen, um mich um euch zu kümmern.“ Wie oft sollte er das noch sagen? Konan schien ihm zu glauben, aber Nagato war nach wie vor misstrauisch. Madara konnte das nur mit Kriegstrauma erklären. Kinder wie Nagato konnten nur schwer Vertrauen fassen. Konan war zum Glück noch so klein, dass sie nicht hinter jeder Ecke einen Feind sah und sie schien auch ein Mädchen mit bemerkenswert positiver, starker Lebenseinstellung zu sein. „Daaaaraaaa!“, quietschte Konan, sprang auf und rannte auf ihn zu. Er zog seine Schuhe aus, legte Rucksack und Rüstung ab und kniete sich hin, um auf Augenhöhe mit dem kleinen Mädchen zu sein. Konan fiel Madara um den Hals und schmiegte ihr Gesicht in sein langes, dichtes Haar. Sie mochte es, sich in Madaras Haar zu kuscheln, weil es so lang und weich war. Im Gegensatz zu Konan verhielt Nagato sich zurückhaltend. Er saß mit gekreuzten Beinen und verschränkten Armen auf dem Boden und sah Madara mit seinen weißlosen, lila Augen misstrauisch an. „Ich hab dir was mitgebracht, Nagato“, sagte Madara und befreite sich vorsichtig aus Konans Umarmung. Dann zog er ein Buch aus seinem Rucksack. Es war ein Schulbuch für Schreibanfänger. Nagato stand zögernd auf. Madara lächelte. „Nimm schon. Ich will dir Lesen und Schreiben beibringen“, sagte er. „Mir auch, mir auch!“, rief Konan begeistert. „Du kannst gern zusehen“, sagte Madara. „Je früher man sich damit befasst, umso mehr lernt man.“ Nagato streckte langsam seine weiße Hand aus und griff nach dem Buch in Madaras Hand. „Du bist sieben, hast du gesagt?“, fragte Madara. Nagato nickte. „Ich bin zwei!“, quietschte Konan, sie hielt zwei Finger hoch und ihre goldbraunen Augen strahlten. „Du kannst dir ja schon Bilderbücher ansehen, Konanchen“, Madara lächelte. „Au ja!“ Konans Lernbegierde war geweckt. An diesem Abend begann Madara damit, Nagato zu unterrichten. Er begann mit der leicht erlernbaren Sechsundzwanzig-Buchstaben-Schrift und Hiragana. Konan saß daneben und sah aufmerksam zu. Sie schien ebenso schon das eine oder andere aufzunehmen, jedenfalls hatte sie offensichtlich Lust darauf, zu lernen. Und während Madara seine beiden Findelkinder zu unterrichten begann, dachte er natürlich auch immer wieder an seine „alte“ Heimat, an Konoha Gakure … Hiruzen Sarutobi war der Hokage der dritten Generation und eigentlich ein friedlicher Mann, der das Dorf als seine Familie ansah, für die er alles tat. Aber der Ältestenrat, der aus Koharu, Homura und einem weiteren starrsinnigen Alten namens Danzo bestand, entschied vieles über Sarutobis Kopf hinweg, der offene Auseinandersetzungen eher scheute Der Ältestenrat und der Uchiha-Clan hatten gewisse Probleme miteinander, die schon lange bestanden, da Koharu Utatane-Hyuuga und Yoneko Uchiha sich schon seit ihrer Ausbildungszeit nicht leiden konnten und Koharu diese Auseinandersetzung oft genug in die Politik einfließen ließ. Homura als ihr loyaler Vasall machte da ebenfalls mit, und Danzo schien ein ganz eigenes Problem mit mehr oder weniger allen drei Clans im Dorf zu haben. Aber gerade wegen dieses andauernden Streits mit Koharu vernachlässigte Yoneko ihre Pflichten als Matriarchin des Uchiha-Clans nicht. Es gab ein vielversprechendes Talent, das es zu fördern galt. Vielleicht konnte irgendwann einer aus dem Uchiha-Clan Hokage werden, dachte Yoneko, dann hätte Koharu nichts mehr zu sagen. Und sowohl Yonekos Lieblingsenkel Madara, als auch das neue Wunderkind Itachi wären dafür sicher geeignet, dessen war sich Yoneko sicher und jeder im Clan wusste, dass sie diese Ansichten hatte. Gleich nach ihrer arrangierten Hochzeit mit ihrem Freund und Cousin Yoshio hatte Ikue Uchiha beschlossen, aus dem großen Residenzschloss des Uchiha-Clans auszuziehen, und mit ihrem Mann ein kleineres Reihenhaus im belebten Ortskern von Konoha bezogen. Sie hatte genug davon gehabt, als „Prinzessin Ikue“ angesprochen zu werden, ständig die Blicke der Leute auf dem Familienwappen zu spüren und vor der Residenz ständig auf Leute zu treffen, die nur mit ihr reden wollten, weil sie Yonekos Stammhalterin war. Kurz nach Hochzeit und dem Umzug war sie schwanger geworden, hatte dem Kampf endgültig abgeschworen und angefangen, nur noch konzentriert als Augenärztin du Neurochirurgin zu arbeiten. Das Kind, ein Junge, wurde am 6. August 1981 geboren und Ikue wusste, dass er ihr ähnlich werden würde. Er wurde Itachi genannt und sein Namen mit den durch ein Orakel genau ausgewählten- Schriftzeichen für „Schmerz“ und „Blut“ geschrieben, woraus sich in der geläufigen Sprache Senningo die Bedeutung „tausendmal Schmerz und Blutstropfen“ ergeben hatte. Es schien ein böses Omen, dass ausgerechnet so ein Name für den Jungen ausgewählt worden war, aber gegen die Namen, die ein Orakel bestimmte, konnte man nichts tun. Und schon kurz nach seiner Geburt hatte sie Itachis ungewöhnlich hohe Sensibilität bemerkt, die sie schon von sich selbst kannte. Jetzt war er fünf Jahre alt und zeigte bereits alle Anzeichen von sehr großem Talent in allem, was man ihm im Rahmen der traditionellen Erziehung der Uchiha beibrachte. Mit zwei Jahren hatte er begonnen, Lesen und Schreiben zu lernen und schrieb jetzt schon fließende Texte. Er stand früh morgens auf und trainierte, beherrschte bereits sämtliche 12 Fingerzeichen und erste Jutsus. Yoshio war sehr stolz auf Itachi, machte sich aber auch Sorgen, da der Junge sich weigerte, Mücken zu erschlagen und kaum freiwillig kämpfte. Er schien bereits früh viele Dinge zu begreifen, die zu erfassen erst von weit älteren Kindern erwartet wurde und hatte offensichtlich die hochsensible Persönlichkeit seiner Mutter vollständig geerbt. Dann war Yoshio zusammen mit Madara und einigen anderen Ninjas an die Front geschickt worden und das war Itachi nicht entgangen. Es schien beinahe unmöglich, etwas vor ihm zu verbergen. In dem Moment, als Madara gerade Nagato die ersten Leseversuche beibrachte, saß in Konoha ein kleiner Junge mit kinnlangen, dunkelgrauen Haaren und großen, schwarzen Augen am Fenster des Hauses, in dem er mit seiner Mutter allein war, und schaute hinaus. Die Stimmung draußen auf der Straße war dunkel und regnerisch und übertrug sich auf den sensiblen Jungen. Sein hübsches Gesicht mit den kleinen Kerben an der Nasenwurzel sah traurig und nachdenklich aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)