Wasserschlacht von irish_shamrock ================================================================================ Kapitel 1: Wasserschlacht ------------------------- WASSERSCHLACHT Es gab Geräusche, an die hatte sie sich längst gewöhnt. Sei es der Verkehr, der auf der Lexington Avenue dahinbrauste oder das lautstarke Räuspern vom alten Mr. Waddle, immer dann, wenn er zum Briefkasten schlich und sich dadurch verriet, dass er den Tod in weite Ferne wünschte. Stimmengewirr auf der Straße, das Zwitschern der Vögel. Ein stetiges Tropfen gehörte in den seltensten Fällen in dieses Haus. Kaputte Regenrinnen schloss Kate aus, da diese erst im vergangenen Jahr erneuert worden waren. Um sicherzugehen, dass sie sich nicht irrte, öffnete Kate die Fenster und verrenkte sich beinahe den Hals, als ihr Blick nach oben ging. »Huch, Kate! Hörst du das?« Erstaunt, dass ihre Nachbarin, Mrs. McClusky, ebenso ihre Neugierde nicht hatte zügeln wollen, zuckte Kate beim Klang der Stimme, die so plötzlich über ihr ertönte. »Kommt das von oben?«, fragte sie, doch die Dame schüttelte den Kopf. Ilana McClusky, ein paar Jahre jünger als Irmaline, färbte sich das Haar feuerrot. Und wie ein Leuchtsignal ragte ihr Schopf über das Fenstersims, als auch sie nach dem Urheber des stetigen Platschens suchte. Kate vernahm murrende Laute auf dem Flur. »Ilana, ich glaube, dass wir nicht die Einzigen sind, denen das auffällt.« Als Kate den Kopf wieder zurückzog, tat Mrs. McClusky es ihr gleich. Sie tapste zur Tür und erschrak, da sich andere Nachbarn auf ihrer Etage versammelten. Kate öffnete die Tür und das Stimmengewirr endete abrupt, doch die Ruhe währte nur kurz. Vor wenigen Wochen erst war ihre direkte Nachbarin, die alte Miss Carlson – nie verheiratet, immer schon ledig – ins Mount Sinai Hospital eingewiesen worden und nicht mehr nach Hause gekommen. Da keinerlei Verwandte ausfindig gemacht werden konnten, bis auf eine Großnichte unten in Lubbock, Texas, sah sich der Vermieter gezwungen, selbst die Wohnung auszuräumen, die restliche Habe der rüstigen Dame nach Süden zu schicken und sich der Renovierung anzunehmen. Bohrer röhrten bis in die Abendstunden, Hammerschläge hatten gewaltig an Kates Nerven gezerrt. Zu ihrem Glück war sie morgens unterwegs und kam erst am späten Nachmittag in ihre vier Wände zurück. Dennoch hallten die lauten, tiefen Stimmen der Bauarbeiter durch das Haus. Der Boden wurde runderneuert, da Miss Carlson über dreißig Jahre in der Wohnung lebte. Die Wände wurden neu verputzt, tapeziert und mit einem frischen Anstrich versehen. Fliesen wurden aufgestemmt, neu verlegt, ebenso wie ein Laminatfußboden und das Apartment für das Doppelte auf dem Markt angeboten, als jeder Mieter in diesem Haus zu zahlen hatte. »Eine Frechheit!«, hatte sich Mr. Wilbur »Willy« Shafer empört und ließ sich nur minder durch das sanfte Streicheln seiner Gattin Angela beruhigen. »Für diese Summe werden sie die Wohnung nie los!« Sein Blick ruhte auf Kate, als sei sie dafür verantwortlich, dass die alte Dame in einem Pflegeheim in New Jersey versauerte und Baumaßnahmen den Frieden zunichtemachten. »Vielleicht haben sie nur vergessen, den Wasserhahn zuzudrehen?«, hob Elmer Crandall an und alle Blicke huschten zu Ignaz Minkle, der die Bleibe unter der Rentnerin bewohnte. Der junge Polizist, und Vater einer drei Monate alten Tochter, schüttelte den Kopf. »Bei uns ist nichts durchgekommen.« Cecilia Minkle wippte ihr kleines Mädchen auf den Armen. »Erst der ganze Krach und jetzt das!« Ächzende Laute klangen das Treppenhaus hinauf. Mr. Waddle hatte sich die Stufen hinaufgequält und warf den Anwesenden einen fragend-mürrischen Blick zu. »Was soll dieser Auflauf? Gibt es etwas zu feiern oder ist das eine Privatparty?«, krächzte der alte Herr. »Es tropft«, sagte Mr. Crandall wahrheitsgemäß. »Und das nehmen Sie zum Anlass, hier einen Massenandrang zu verantworten?«, schnarrte Mr. Waddle. Die Mieter sahen einander an. »Ist einem von euch in den Sinn gekommen, dem Geizkragen Hettfield Bescheid zu geben?« Elmer Crandall gebot den Leidensgenossen, Ruhe zu bewahren. Er schob sich an dem alten Hubert Waddle vorbei, um den Vermieter zu informieren. Keine zehn Minuten später stieß er, unter japsenden Lauten, wieder zu ihnen. »Er lässt morgen jemanden kommen, der sich das ansieht. Bis dahin heißt es, abwarten.« Ein unisones Stöhnen erfüllte das Haus. Die Mieter zogen sich in ihre Wohnungen zurück. Doch ein unbehagliches Gefühl nahm ein jeder von ihnen mit sich. Es zeigte sich, dass nicht nur die Wasserleitung in Miss Carlsons Bleibe beschädigt war. Ein Rohrbruch im Keller gab Anlass, dass den Bewohnern ans Herz gelegt wurde, sich für die Dauer der Bauarbeiten ein neues Domizil zu suchen. Empörung brach unter den Mietern aus, und diejenigen, die blieben, sahen sich mit Baulärm und dem stetigen Röhren der Bautrockner konfrontiert. Mister Shafers Einwand, dass es nicht jedem vergönnt sei, eine vergleichbare Unterkunft zu finden, quittierte der Hausverwalter mit einem Zucken der Schultern. Ihm waren die Hände gebunden. Ein Kompromiss schien in weite Ferne gerückt und die Wohlfühlatmosphäre mit jedem Hammerschlag zerstört. Es dauerte drei Tage, bis der Wohnungsvermittler den Bewohnern mit einem Vorschlag entgegenkam. Er sagte den Mietern, für die Dauer von vier Monaten, eine Mietminderung zu. Eine durchaus nette Aussicht auf Erfolg wären die daraus resultierenden Ersparnisse nicht durch teure Unterbringungsmöglichkeiten bis zur Gänze aufgefressen. »Wir gehen mit einer Null-Nummer aus diesem Dilemma heraus, wenn wir Glück haben«, keuchte Ilana McClusky und wuchtete ihren schweren Trolley die Treppe hinab. »Und wo kommst du unter, Katy?« Kate zuckte die Schultern. Die Nachricht, dass sie ihre Wohnungen für die Dauer von bis zu fünf Wochen nicht mehr betreten dürfe, hatte sie eiskalt erwischt. Doch mit all dem Krach, der verhangenen Fassade und der Möglichkeit beraubt, Ruhe zu finden, hatte sie sich nicht arrangieren wollen. »Ich habe meine Arbeitskolleginnen abgeklappert«, erwiderte Kate kläglich lächelnd. Als ihnen die Hiobsbotschaft unterbreitet wurde, telefonierte sie sich die Finger wund. Irmaline zeigte sich zurecht erbost und klagte und fluchte in den Hörer, ihr Kind solle nach Hause kommen. Doch Kate wiegelte ab. Urlaub könne sie sich nicht leisten und von Dayton aus ihre Arbeit verrichten käme für sie nicht infrage. Ihre erste Anlaufstelle war Corinne, die ihr das Katzenzimmer anbot. Schwer schluckend nahm Kate den Vorschlag an. In weniger als einer Stunde würde sie sich nach Hells Kitchen begeben. Von dem aufdringlichen Geruch abgesehen, graute ihr davor, mit den possierlichen Tierchen um das Revier eines alten Sofas zu streiten. Auch ihr stand das Hieven und Schleppen der Koffer bevor. Sie verabschiedete sich von ihrer Nachbarin und hoffte auf Corinnes Wohlwollen, was das Waschen ihrer Wäsche betraf, denn Kates Auswahl an Kleidung und das Repertoire an Unterwäsche waren für solch einen Umstand nicht ausgelegt. Obendrein sprachen die Meteorologen von einem überaus heißen Sommer, wenngleich die Temperaturen für Mitte Juni noch erträglich waren. Das Taxi hielt vor der genannten Adresse. Corinne stand, die Hände in die Hüften gestemmt, auf dem Gehweg, als der Fahrer die schweren Koffer aus dem Wagen zerrte. Eine knappe Umarmung zur Begrüßung genügte ihr, ehe sie Kates Hab und Gut kritisch beäugte. »Los, schaffen wir dich ins Haus!«, orderte Corinne seufzend. »Danke, dass ich bei dir unterkommen darf«, murmelte Kate und zottelte den ersten der beiden größeren Koffer die Treppe hinauf. Die anderen Gepäckstücke hatten sie sorgsam im Hausflur verstaut. Zu Kates Glück wohnte Corinne auf der zweiten Etage des zehnstöckigen Gebäudes. Viel zu tragen gab es nicht, doch Kate hatte nicht mit diesen unüberwindbaren Stufen gerechnet. Corinne hatte die kleine Reisetasche geschultert und lotste den Gast in ihr Heim. Eine orangegetigerte Katze wartete im Flur auf sie. »Husch, Mister Kittels«, fauchte Corinne und stupste den Kater mit dem Fuße beiseite. Kate schluckte. Sie mochte Katzen, doch orangefarbene Exemplare waren ihr ein Dorn im Auge. Der Kater ließ sich nicht beirren und hielt geradewegs auf den Besuch zu. Akribisch wurde der Neuzugang gemustert, bis Mister Kittels entschied, ihr um die Beine zu streichen. Ein Fellball kroch ihr die Kehle hinauf. Kate stellte den Koffer ab und bedeutete Corinne, wieder nach unten zu gehen, um den Rest hochzuschaffen. Statt des angedrohten Katzenzimmers hatte Corinne ihr einen Teil der großzügigen Couch bezogen. Die Bettwäsche duftete frisch und noch vermochte Kate kein Katzenhaar darauf erkennen. Obschon genug Kratzbäume für alle Bewohner vorhanden waren, gab es immer wieder mahnende Worte der Hausherrin, wenn eines der Tierchen seine Krallen am Stoff wetzte. »Pass auf Pinkle auf!«, gebot Corinne ihr, als der Nachmittag schnell verlebt und der Abend Einzug hielt. »Eigentlich heiß sie Pinky, doch sie pinkelt alles an, was ihr neu und dir teuer ist.« Einige der Mitbewohner ignorierten Kate ganz, doch als sie sich den Fauxpas erlaubte, die Küche zu betreten und den Katzen etwas Trockenfutter in die Schalen zu schütten, rief Corinne sie zur Räson. »Wir haben hier eine Rangordnung, und wenn du es dir nicht mit der Chefin verscherzen willst, lass dich lieber nicht von ihr dabei erwischen, wie du andere bevorzugst.« Corinnes Erklärung resultierte in einem Murren, das von einem unfeinen Fauchen begleitet wurde. Kate wandte sich um und blickte in die gelblichen Augen einer grauen Katze, die einem aufgeplatzten Sofakissen nicht unähnlich war. Die Chefin. Just hatte Kate Bekanntschaft mit der Anführerin gemacht, die sie böse anfunkelte. Das Katzenzimmer hielt, was die Beschreibung versprach. Wie Corinne ihr erzählte, glich es einer Meisterleistung, alle Stubentiger am Abend in deren Reich zu bugsieren. Kate griff ihr helfend unter die Arme und hatte alsbald ihren Favoriten auserkoren. Pumper, ein dicklicher Kater, der alle Gemütlichkeit der Welt für sich gepachtet hatte, saß dösend neben ihr und ließ sich hinter dem weißgefleckten Ohr kraueln. Widerwillig nahm sich Kate ihrem neugewonnenen Freund an und hievte ihn von einem Zimmer ins nächste. Auch wenn Corinne ihr weiszumachen versuchte, sie würde sich an den Geruch gewöhnen, wollte Kate nicht daran glauben. Immer wieder schnüffelte sie an ihrer Bluse, die sie am Morgen aus dem Koffer gezogen hatte. Sie war nicht empfindlich, doch musste sie sich tatsächlich das eine oder andere widerborstige Haar von der Kleidung zupfen. Für Kate, die es nicht mehr gewohnt war, ihre Bleibe zu teilen, entschied am dritten Abend für sich, dass sie es mit all den Tierchen nicht länger aushielt. Corinne, erst pikiert die Nase rümpfend, zeigte Verständnis für Kates Nöte und ihre Bitte, sich eine andere Unterkunft zu suchen. Acht Stubentiger waren eine Herausforderung, deren Bewältigung sich Kate nicht länger im Stande sah. Sie setzte ihre Wanderschaft fort und fand bei Alice und Branda Unterschlupf. Wie Corinne boten auch die Schwestern ihr das Sofa an. Eine alte Klappcouch, doch Kate klagte nicht. Es war faszinierend für sie zu sehen, wie die Geschwister miteinander umgingen. Bertram und sie trennten so viele Jahr, dass es zwischen ihnen nie zu Streitigkeiten gekommen war, wer wann welche Badzeiten einzuhalten hatte. In den Genuss eines Frauenhaushalts kam Kate endgültig, als Brenda am zweiten Morgen unangemeldet in der kleinen Nasszelle stand und sich nicht in ihrer morgendlichen Routine stören ließ. »Entschuldige«, bat sie, machte jedoch keinerlei Anstalten, das Zimmerchen zu verlassen, »ich habe vergessen, dass wir jetzt zu dritt sind.« Auch wenn Kate ihr keine böswillige Absicht unterstellen wollte, so spürte sie, dass das fünfte Rad am Wagen zu sein, kein angenehmer Spaß war. Zum Ende ihrer Arbeitswoche hin, stand für Kate fest, weiterzuziehen. Ihr bliebe immer noch Mellory, die ihr aushelfen wollte und um Alice und Branda nicht zu kränken, hatte Kate zum Abschied eine Flasche Wein organisiert. Mellory bewohnte ein Zwei-Zimmer-Apartment in Lincoln Square, auf der West End Avenue. Weil das eigentliche Schlafzimmer zu einer Art Museum umfunktioniert worden war, da unzählige Nagellack- und Parfumfläschen in Plexiglasbehältern den Raum säumten, musste Kate sich das Bett mit Mellory teilen. Es war ihr kaum begreiflich, welche Odyssee sie in einer Woche hinter sich gebracht hatte und vielleicht gelang es ihr, in der Zeit des langersehnten Wochenendes, ein wenig Ruhe zu finden. Zu ihrem Leidwesen hörte sie Mellory im großzügigen Badezimmer telefonieren. Und da diese sich seit einem halben Jahr in einer festen Beziehung befand, kam Kate ihrer Zweisamkeit gefährlich nahe. Ihre Kollegin in der Wohnung allein lassen wollte Mellory nicht, doch das bebende Verlangen nach Mikele war ihr zu groß, dass Kate, als Störfaktor, eiligst ihre Koffer packte. Das herzzerreißende Sehnen machte ihr bewusst, wie schmerzlich sie Nick vermisste. Der kleine Teufelsbraten fehlte ihr, auch wenn sich Kate dagegen sträubte, diese Tatsache zu akzeptieren. Am Sonntagnachmittag scrollte sie sich durch die B&Bs der Stadt. Verblüffend leicht war eine Bleibe gefunden, die sich in der Nähe zu ihrer Arbeit befand und sich zudem erschwinglich zeigte. So zockelte sie gegen den frühen Abend in Richtung Upper West Side und entging garstigen Katzen, wütenden Spitzen und schmachtenden Liebenden. Die Betreiber des Bed and Breakfast waren zwei nette Niederländer, deren jüngstes Küken in den Staaten studiert hatte. Ihrem Kind zuliebe waren sie nach New York City übergesiedelt. Die Tochter hatte es längst wieder nach Europa gezogen, doch sie waren im Big Apple hängengeblieben. »Warum sollten wir das, was wir uns mühsam aufgebaut haben, mit dem Hintern wieder einreißen?«, trällerte Cees van de Brink. Der breite niederländische Akzent des Herren ließ ihr die Ohren klingeln. Kate bedankte sich für die Aufnahme und hievte ihre Habseligkeiten, mit Hilfe des Lebenspartners Mister van de Brinks, die Treppe hinauf. Frans Verbeek kam die kleine Auszeit, einmal aus den Gefilden der Küche hinauszukommen, gelegen. Unter schillernden Worten beschrieb er ihr, welche Schwierigkeiten sie in dieser Stadt erwartet hatten, doch am Ende bereuten beide die Entscheidung nicht, ihre Zelte im Big Apple neu aufgeschlagen zu haben. Das B&B hatte seine vortrefflichen Bewertungen zurecht erhalten. Und jedes Zimmer verfügte, zu ihrer Erleichterung, über ein eigenes Bad. Eiligst verstaute Kate den Inhalt ihrer Koffer in dem kleinen Kleiderschrank, ehe sie entschied, sich auf die Suche nach einem verfrühten Abendessen zu begeben. Lange würde sie nicht mehr im Luxus des täglichen Auswärtsessens schwelgen können, dafür waren ihr die Ausgaben zu immens. Die nächsten Tage zogen sich ihr wie zäher, widerspenstiger Kaugummi. Das Zimmerchen war nett, doch nicht ihr Zuhause. Kate tat sich schwer, dem Fremden freundlich und wohlgesonnen zu begegnen. Nicht einmal Corinnes begeisterter Aufruf, dass es Fensterputzer-Montag sei, vermochte es, Kates Stimmung zu heben. Ganz im Gegensatz zu Corinne, Mellory und den anderen, wilden Frauen ihrer Abteilung, die es sich nicht nehmen ließen, von Fenster zu Fenster zu ziehen, um den Männern beim Säubern der Glasfront zuzusehen. Den steigenden Temperaturen sei dank, wurde die Arbeitskleidung der netten Jungs knapper und die Seufzer umso lauter. Am Dienstag fand Kate langsam zu einer gewissen Routine zurück. Als sie am Mittwoch den Heimweg antrat, wurde ihr unwohl zumute. Da sie in Corinnes Parzelle noch Licht hatte brennen sehen, fischte sie in ihrer Tasche nach ihrem Smartphone und läutet bei ihrer Kollegin an. »Kate? Ist alles okay?« Corinnes Worte wusste Kate mit einem erleichterten Seufzen zu begegnen, als diese endlich dem nervigen Läuten Einhalt gebot. »Ja, ich ... ich weiß, es klingt seltsam, aber ...« Kate warf im Gehen immer wieder verstohlene Blicke hinter sich. Der frühe Abend zeigte sich warm und hell und die Straßen quollen über vor Menschen. »Was?« Kate vernahm, wie Corinne auf ihrem Schreibtisch umherwühlte. »Ich fühle mich beobachtet«, flüsterte Kate ins Telefon. Erst war es still am anderen Ende, dann brach Corinne in schallendes Lachen aus. »Süße, wirst du jetzt paranoid?« »Arbeitet Corey noch?«, fragte Kate vorsichtig, hielt vor einem Schaufenster und tat, als galt ihr Interesse der dort ausgestellten Kaffeemaschine. Corinne stutzte, schlich auf den Gang und warf einen Blick in Richtung Nachbarbüro. »Ja, und es sieht so aus, als macht er heute Überstunden. So wie ich.« Die Anspannung wich ihr aus den Schultern. Abermals vernahm Corinne ein erleichtertes Seufzen. »Kate, du machst dir doch wohl keine Gedanken über das, was heute Morgen passiert ist, oder? Corey ist ein großer Junge. Er versteht das. Na ja, das hoffe ich.« Ungern entsann sich Kate ihrer allmorgendlichen Begegnung mit Corey Cooligan. Ihrem Kollegen war nicht entgangen, in welch misslicher Lage sich sie befand. Er folgte Corinne auf dem Fuße und ließ sich nicht von ihrer erhobenen Augenbraue in seiner Neugierde bremsen. »Was, Kate? Habe ich das richtig mitbekommen? Du kampierst auf den Sofas deiner Freundinnen? Was ist passiert?« Hörbar sog Kate die Luft in ihre Lunge und zwang die Lippen zu einem Lächeln empor, nur um den armen, unwissenden Corey nicht anzufahren. »Es gab einen Wasserschaden in ihrer Wohnung«, fuhr Corinne dazwischen, Kates warnenden Blick ignorierend. »Mehr in der Wohnung meiner alten Nachbarin. Aber eigentlich dann doch im ganzen Haus«, korrigierte Kate wahrheitsgemäß. Corey neigte den Kopf. Seine unschuldige Art ließ für Außenstehende nicht die Spur böser Absicht erkennen. Sorge zierte sein Gesicht. Corinne, die neben ihm stand, sah die Zahnrädchen förmlich rattern. »Und deshalb musstest du ausziehen? Ist das ein Dauerzustand? Wo bist du untergekommen?« »In einem B&B die Straße rauf«, murmelte Kate verlegen. »Du kannst mit zu mir kommen, wenn du möchtest.« Ein kurzes Glitzern flackerte in seinen Augen auf. Kate schluckte kaum merklich. Dass Corey ihr, zu allem Unglück, unter die Arme greifen wollte, behagte ihr nicht. »Das ist furchtbar lieb von dir, aber ich habe mir ein Zimmer gesucht«, hob Kate an, »ich bin schon den Mädels auf die Nerven gefallen, da will ich dir nicht dasselbe zumuten.« »Ach, das ist doch Unsinn!«, winkte Corey ab. »Das macht mir nichts. Überhaupt nicht. Ich nehme die Couch.« Hilfesuchend blickte Kate zu ihren Kolleginnen im Wechsel, die keinerlei Anstalten machten, ihr aus der Patsche zu helfen. »Corey, ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber das Zimmer wieder zu stornieren, um ... Wo wohnst du noch gleich?« Corey schnaubte. »Manhattan Valley. Ist gar nicht so weit weg. Überleg es dir und gib mir heute Nachmittag Bescheid, ja?« Ihr schlug das Herz gefährlich im Hals. Der Puls raste ihr in den Ohren, jedoch nicht auf die wohlwollende, angenehme Art. »Danke Corey, das ist nett, aber ich will dir nicht zur Last fallen. Ich bleibe im B&B.« Corey hob die Hände. »Hey, das ist nur ein Angebot.« Sowie er das Trio verließ, stieß Corinne ein undamenhaftes Grunzen aus. »Das ist ganz und gar nicht lieb. Das ist furchtbar! Was denkt der sich?« Kate zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Er möchte nur nett sein.« »Nett?«, platzte es aus Corinne heraus. Vor Schreck gluckste Mellory in ihren Cappuccino. Kate stieß sie ein frustriertes Wimmern aus. »Ich glaube, ich habe ihn gekränkt.« Corinne verdrehte die Augen. »Wen, Cooligan? Und wenn schon! Hör auf, dir das einzureden. Er ist ein großer Junge, der mit einer Abfuhr sicherlich umzugehen gelernt hat.« Kate ließ den Kopf hängen. »Ich bin wirklich gut darin, Männern einen Korb zu geben.« »Ja, und weil du dabei auch noch furchtbar lieb bist, bist du diejenige mit dem schlechten Gewissen«, zischte Corinne. »Corey wird drüber hinwegkommen.« »Und wenn nicht?« Kate schluckte. Angst und Anspannung schwangen in ihrer Frage mit. »Dann gibt es so etwas, das nennt sich Einstweilige Verfügung«, sagte Mellory gelassen, dass es Kate wie einen Schauer über den Rücken jagte. »Kate? Kate?« Diese schüttelte das vergangene Wortgefecht ab und konzentrierte sich auf das Gespräch am anderen Ende. »Entschuldige, ich war ...«, haspelte sie und stutzte, denn ihre Schritte hatten sie problemlos vor die Tore des B&B geführt. »Ich bin jetzt zu Hause. Na ja, vor dem, was ich zu Hause nennen muss.« »Trautes Heim, Glück allein«, echote es aus dem Hörer und Kate zuckte zusammen, da Nick ihr solche Phrasen nur allzu gern unter die Nase rieb. »Mach dir keine Sorgen, okay Süße? Ich grüße Pumper von dir. Wir sehen uns morgen!« »Das ist lieb. Knuddel ihn für mich, ja? Bis dann.« Kates Worte verebbten in einem monotonen Tuten. Nur mühsam gelang es ihr, am Donnerstagmorgen aus dem Bett zu kommen. Frans Verbeek stellte die Teller für die Gäste bereit, als Kate im Türrahmen erschien. Er lud sie zum Frühstück ein, doch Kate verneinte dankend und verabschiedete sich auf den Nachmittag. Leichter Regen hatte die Straßen benetzt, größere Schauer waren gemäß den Worten des Wetterfrosches nicht zu erwarten. Seufzend langte Kate nach dem Türöffner, sobald sich der Bürokomplex vor ihr erhob. Sie betrat das marmorne Foyer und reichte dem jungen Kerl von der Security ihren Ausweis, ehe sie die Sicherheitskontrolle passierte. Es folgte ein schwindelerregender Ritt mit dem Fahrstuhl, der sie auf ihre Etage brachte. Ihr knurrender Magen und der improvisierte, verwuschelte Dutt im Nacken zeugten vom Stress und Frust der letzten Woche. Kate sah vom Starten ihres Rechners auf, als Mellory in das kleine Büro einfiel und ihr trällernd einen sonnigen, guten Morgen wünschte. »Morgen«, murmelte Kate und zwang ihre Mundwinkel zu einem Lächeln. Mellory warf ihre Tasche auf den Bürostuhl und unterzog Kate einer akribischen Musterung. »Ist alles okay? Du siehst aus, als hättest du kein Auge zugemacht.« Kate seufzte schwer, zog das mittlere Schubfach ihres Schreibtisches auf und wühlte darin nach ein paar Crackern, die lautlos neben der Tastatur landeten. Sie hob den Kopf und blickte mit entschuldigendem Lächeln über den Bildschirm hinweg zu ihrer Kollegin herüber. »Ich hätte mich euch nicht aufdrängen dürfen. Das war alles so kurzfristig. Mir wäre es auch lieber, wenn ich in meine Wohnung zurückkönnte.« Mellory zuckte die Schultern. »Mach dir keine Gedanken. Du hättest für uns dasselbe getan. Leider waren wir wohl auch nicht die besten Gastgeberinnen.« »Ihr wart toll, wirklich.« Kate versuchte, ihren Worten mit einem erneuten Heben der Mundwinkel Unterstützung zu verleihen. Tumult auf dem Gang unterbrach die knappe Konversation. »Weißt du denn, wie weit sie mit den Baumaßnahmen sind?«, fragte Mellory, ehe der Aufruhr ihr Zimmer erreichte. Kate schüttelte den Kopf. Es pochte ihr gefährlich hinter der Stirn und sie spürte, wie sich erste Unreinheiten durch die Hautschichten emporschoben. »Es wird sich noch um Wochen handeln, schätze ich.« Wie von beiden Frauen befürchtet, steckte Corinne den Kopf ins Büroabteil. »Morgen ihr zwei. Hey Süße, du siehst ja furchtbar aus! Sind das die Nachwehen von gestern Abend?« Mellory schob fragend die Augenbrauen zusammen. »Was ist passiert?« »Nichts«, wiegelte Kate ab. »Mir war nur etwas mulmig zumute.« »Unsere liebe Kate steht nur etwas unter Spannung«, erklärte Corinne. »Spannung?«, spöttelte Mellory leicht nervös. »Ja, Spannung. Du weißt schon: Anspannung, Strom. Sie hat Corey verdächtigt, ihr etwas zuträglicher zu sein«, maßte sich Corinne an. »Corinne!«, warnte Kate unter geschmälertem Blick. »Was denn? Es liegt sicherlich nur daran, dass dich jemand vögelt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Er vögelt dich doch noch, oder Kate?« »Im Moment nicht«, murmelte Kate und wünschte sich, der Boden unter ihren Sandalen bräche auf und die Feuer der Hölle verspeisten sie mit einem Happen. »Apropos: Erinnere mich daran, dass ich dir nachher etwas zeige!«, schaltete sich Mellory in diese Farce und brachte Corinne aus dem Konzept. Dieser Tag schien es wahrlich nicht gut mit ihr zu meinen: Kurz bevor zum Ansturm auf das Mittagsbuffet gerufen wurde, schob der Stromversorger eine Überprüfung der Leitungen vor, die es den fleißigen Arbeitsbienen erschwerte, ihren Tätigkeiten nachzugehen. Nicht nur Kate kämpfte mit Tabellen und Zahlen. Corinne erschien überpünktlich in ihrem Kämmerlein und klagte, unter vor Zorn erblühter Miene und unfeinen Worten, dass ihr die Kalkulation aus drei Wochen Arbeit abhandengekommen war. Ein unisoner Aufschrei der Kollegen und Kolleginnen aus den Nebenräumen verriet, dass man nicht nur ihrem Computer zu Leibe rückte, denn es waren viele, grobe Flüche ringsum zu vernehmen. Das Klackern von Tackern und Lochern, die wutentbrannt durch die kleinen Büros flogen, amüsierten Mellory in höchstem Maße. »Tja, dann muss Mister Hofflinger auf seinen Brief ein bisschen länger warten.« Mehr hatte sie nicht beizutragen. Kate lehnte sich, macht- und tatenlos, in ihrem Stuhl zurück. »Mir qualmt der Kopf.« Corinne seufzte frustriert. »Ist es schon Zeit fürs Mittagsessen, Kate?« »Hey!«, murrte sie und blickte auf ihre Armbanduhr. »In zehn Minuten.« »Zwei Stunden Mittagspause. Ob man uns das vom Lohn abzieht?«, fragte Mellory mit schiefem Grinsen, als das Trio endlich Platz in einem der Fahrstühle fand. »Psst!«, zischte Kate beschwörend. »Bring hier niemanden auf dumme Ideen!« Vor wenigen Minuten erst hatte John Barra der Abteilung erklärt, dass die Technik im Laufe des Nachmittages wieder funktionstüchtig sei. Die Traube, rings um den Haupt-ITler, hatte sich binnen Sekunden aufgelöst. Aufgebrachte Mitarbeiter stapften mit mürrischen Gesichtern zu den Aufzügen. Das Foyer schien von dem kleinen Fauxpas verschont geblieben, denn Alice neigte fragend den Kopf, als der frustrierte Mob in Richtung Kantine ausschwärmte. Sie ließ sich von Corinne ins Bild setzen, während Kate lustlos in ihrem Salat stocherte und das Stimmengewirr um sie herum explodierte. Wieder an ihrem Arbeitsplatz, wühlte Mellory in den Tiefen ihrer Tote Bag umher, ehe sie der verdutzt dreinblickenden Kate ein Modemagazin unter die Nase hielt und zugleich den weitschweifenden Ausführungen Corinnes lauschte, die von ihren letzten Abenteuern berichtete. Seufzend blätterte sich Kate durch das bunte Leben der Reichen und Schönen. Die Models, in teuren Kleidern und aufwendig gestylt, präsentierten den neuesten Sommerlook. In Kates Augen wirkten diese armen Mädchen schrecklich hungrig oder starrten ebenso gelangweilt in die Kamera, wie sie sich fühlte. »Ich habe es nicht vergessen«, sagte Mellory und deutete auf das kleine Post-It, das im Mittelteil des großen Heftes eine Seite markierte und von dem Kate annahm, dass sie sich nur eines der edlen Kleidungsstücke hatte merken wollen. »Ich war mir nicht sicher, ob du es schon gesehen hast, aber ...« Mellory fand sich links neben ihr ein, ehe sie zügig bis zur gekennzeichneten Stelle blätterte. Rasch nahm Corinne den kleinen Akt der Aufregung zum Anlass, ihre Neugierde zu stillen. »So!«, triumphierte Mellory. Sowie sie die gesuchte Werbeanzeige aufschlug, krochen Kate und Corinne über das Papier. Blinzelnd rückte Kate von dem Heft ab. Ein Keuchen entwich ihr. »Wow«, staunte Corinne und klopfte der perplexen Kollegin auf die Schulter. »Wenn das der ist, von dem ich denke, dass er es ist, dann tut L.A. ihm gut. Was auch immer die mit ihm angestellt haben, es wirkt.« Kate rang nach Luft. Auf der Doppelseite sprang ihr ein junger Mann ins Auge, der in einem überaus schicken Anzug über den Sand stolzierte, dabei lässig den strengen Krawattenknoten lockerte und verschmitzt, sein Profil zeigend, in die Kamera grinste. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Blut schoss ihr in die Wangen, der Mund wurde ihr trocken. Corinnes anerkennendes Pfeifen holte Kate aus dem überhitzten Los Angeles ins stickige, kleine Büro nach Manhattan zurück. »Es gibt auch einen Artikel dazu«, erklärte Mellory und blätterte, zu Kates Missfallen, die Seite um. »Darf ich mir die Zeitschrift ausleihen?«, fragte Kate, noch immer wie vom Donner gerührt. »Klar«, gab Mellory mit einem Zucken der schmalen Schultern zurück. »Du kannst sie dir auch kaufen. Ein paar Ausgaben sollte es noch geben.« »Nicht mehr lange«, hob Corinne an, schnalzte die Zunge und schüttelte den Kopf. »Oh, Süße, sie werden ihn dir aus den Fingern reißen.« »Nicht hilfreich!«, zischte Mellory mit bösem Blick auf ihre vorlaute Kollegin. »Und wen meinst du überhaupt mit sie?« Corinne zuckte die Schultern. »Na ja, alle, die nicht Kate sind.« »Corinne!«, knurrte Mellory, »jetzt mach ihr doch keine Angst!« »Ich habe keine Angst!«, unterbrach Kate die wohl gehörten Worte. »Siehst du«, sagte Corinne und deutete auf die Gebeutelte, »Kate macht sich keine Sorgen.« Unter bebenden Knien schob Kate den Stuhl zurück und erhob sich von ihrem Platz. Das düstere Duo, wie Nick sie einst betitelt hatte, stob auseinander. Das Pochen hinter ihrer Stirn schien mit jedem Ticken der Uhr anzuschwellen. Ihr Blick ruhte auf den geschriebenen Worten des Artikels. Statt des zu erwartenden Interviews mit dem neuen Model der Kampagne, hielt der Schreiber am Allgemeinen des Modeschöpfers fest. Dass es Nick in den Mittelteil dieses Hochglanzmagazins schaffte, hatte er ihr zwar nicht verschwiegen, doch klangen seine Beschreibungen bei weitem nicht so aufregend, wie das Resultat wiedergab. Er hatte sie gewarnt, vor Wochen bereits, dass es vielleicht zu einer Begegnung kommen würde. Allerdings hatte Nick mit keinem Wort die Zeitschrift erwähnt, in der sein Abbild erscheinen sollte. »Stell es dir am besten wie eine Schnitzeljagd vor.« Auch jetzt noch konnte sie sich das kecke Grinsen vorstellen, das auf seinem Gesicht erschienen war, sobald er Kate die Neuigkeit mitteilte. »Du willst also, dass ich mir in den nächsten Wochen jedes Klatschblatt zulege?«, knirschte Kate in den Hörer. »Nein, aber ich bin mir sicher, dass du es trotzdem tust«, war seine Antwort. »Nick«, seufzte Kate und führte ihm nochmals ihre momentane Wohnsituation vor Augen und dass ihr das Geld und der Platz nicht locker saßen. Um sie von ihrem Elend abzulenken, berichtete er ihr von den letzten, durchaus gelungenen Aufnahmen. Wann Kate ihn wieder in New York erwarten durfte, ließ Nick offen. Das Chaos in ihrem Innern, den Erinnerungen an das vergangene Telefonat von Sonntag und nun dem Aufmacher in diesem Blatt geschuldet, ließ sie schwanken, bis ihr der Schwindel den Magen umdrehte. Kate zwang den Kloß in ihrem Hals nieder. Unter zitternden Fingern schlug sie das Magazin zu. Mit glühenden Wangen nahm sich Kate den Seiten an, die Mellory ihr sorgsam aus der Mitte des Hefts heraustrennte, nachdem Corinne wieder in ihre Parzelle zurückgekehrt war. »Sie will dich nur aufziehen, wie immer. Du weißt doch, wie sie ist.« Mellorys Versuche, Kates Bedenken abzumildern, gelangen ihr nur mit mäßigem Erfolg. Kate raffte ihre Sachen zusammen und verabschiedete sich in den Feierabend. Sowie sie einen Fuß vor die Tür setzte, zog es sie die Upper West ein Stück herunter. Kioske ließen sich beinahe an jeder Ecke finden. An dem ersten Stand, der ihr begegnete, hielt sie inne und suchte die Auslage nach dem Magazin ab. Und tatsächlich hatte der kleine Zeitungskiosk ein paar Exemplare vorrätig. Kate sah sich zu allen Seiten um, ehe sie die Finger nach den Heften ausstreckte. Der Besitzer stellte keine Fragen, als sie die vier übrigen Zeitschriften zahlte. »Für meine Kolleginnen«, gab Kate murmelnd zur Antwort. Der Mann mit der Schiebermütze zuckte nur die kräftigen Schultern. Ihm war es gleich, wer für wie viele Zeitungen zahlte, wichtiger war, dass ihm der Kunde Geld in die Kasse spülte. Eiligst verstaute Kate ihren Einkauf in einem Stoffbeutel und marschierte geradewegs die Columbus Avenue hinauf, nicht ohne Ausschau nach weiteren Zeitungsständen zu halten. Sie wurde fündig, doch musste sie sich eingestehen, dass sämtliche Zeitungsläden leer zu kaufen, keine Option war. Sie würde nicht verhindern können, dass Nick Aufmerksamkeit auf sich zog. Erst der Deal mit dem Modehaus, dann hatte sein Manager, Alec Spyer, ihm einen kleinen Auftritt in einem Werbefilm verschafft. Je mehr ihre Gedanken um Nick und dessen Karriere kreisten, desto dumpfer und schwerer wurde ihr der Stein im Magen. Die Tränen, die sie vorhin mit Mühe hatte zurückhalten können, bahnten sich nunmehr ihren Weg. Wut über ihre eigene Dummheit mischte sich unter das Gefühl, verloren zu haben. Sie klammerte sich an den Gedanken, wütend auf Nick zu sein, auf Nick und sich selbst. Wie und wann hatte sie zugelassen, dass er ihr so nahekam? Und nun aalte er sich auf Partys, machte womöglich Bekanntschaft mit hochrangigen Persönlichkeiten, flirtete und ... Bittere Galle stieg ihr die Kehle hinauf. Tief sog Kate die nachmittägliche, warme Luft in ihre Lunge. Sie brauchte einen klaren Kopf. Die Aussicht auf den morgigen Freitag würde sie ablenken, so ihre Hoffnung. Träge schleppte sie sich in den kleinen Eingangsbereich des B&B. Mr. van de Brink war im Gespräch mit einem Gast und bemerkte die kümmerliche Gestalt nur am Rande. Kate winkte ihm kurz und hielt auf die Treppe zu. Dass Mr. van de Brink ihr etwas zurief, registrierte Kate nicht mehr. Mühsam gelang es ihr, die Tür zu ihrem Zimmer zu öffnen. Das Bett war ungemacht, Socken und Sandalen knäulten sich auf dem dunklen Teppich. Kate stupste alles, was ihr auf dem Weg zum Bett entgegenkam, beiseite. Müdigkeit übermannte sie. Gedanken, wild und böse hatten ihr den Nachmittag getrübt. Seufzend warf sie sich auf die Matratze, rollte sich zusammen und versuchte, sich der Ruhe zu ergeben, die ihr jäh versagt wurde. Erst glaubte sie, sich das Klopfen eingebildet zu haben, denn noch immer war ihr der Kopf wie in Watte gepackt. Als das Hämmern energischer wurde, hievte Kate sich, unter murrenden Lauten, aus dem Bett auf. »Ja, einen Moment, bitte«, rief sie dem Störenfried entgegen und entsann sich, dass, wenn es nicht Mr. van de Brink war, sein Lebenspartner sich nach dem Befinden der Gäste erkundigte. Dieses Phänomen war ihr den letzten Tagen vermehrt aufgefallen und zu Beginn war ihr die Art und Weise, was die Sorge um das Wohlwollen der Besucher betraf, befremdlich und doch zeugte es von Gastfreundlichkeit. Heute war Kate gewillt, auf das Betonen ihres Gemütszustandes zu verzichten, denn nichts war an diesem Tag in bester Ordnung. Sie wollte sich verkriechen, duschen und wieder unter die Bettdecke schlüpfen. Nicht einmal Hunger würde sie davon abhalten, diesem Vorhaben zu widerstehen. Unbeholfen stolperte Kate über einen Turnschuh und kickte diesen wütend in die andere Ecke des Zimmers. »Es ist alles in bester Ordnung!« Fluchend langte sie nach dem Türknauf und zog die Tür auf, ohne auf den Ruhestörer zu achten. Zwei Gestalten erhoben vor ihr. Einen von ihnen identifizierte sie als Frans Verbeek, der keuchend nach Atem rang. Er stemmte die Hände in die Seiten und deutete, nach tiefem Luftholen, mit dem Daumen auf den jungen Mann neben sich. »Cees schickt mich. Ich soll ihn im Auge behalten. Er sagt, er kennt dich«, japste der Koch. »Ich bin so schnell hinter ihm her, wie ich konnte.« Verdattert blinzelte Kate gegen die holpernden Worte an. Ihr Blick rutschte von dem Herrn der niederländischen Küche zu dem Neuankömmling, der ihr ein verschmitztes Grinsen schenkte. »Hey, Kitty.« Mehr hatte Nick, in Anbetracht der Tatsache, dass er sie eiskalt erwischte, nicht zu sagen. »Hey?« Wut und Freude ließen ihr die Begrüßung krächzend über die Lippen huschen. »Kate, kennst du diesen jungen Mann?« Frans Verbeek sah, wie sein Gast verstohlen nickte, und warf die Hände in die Luft. »Diese jungen Leute!«, fuhr er in tiefem Niederländisch fort, bedachte den Fremden mit einem seltsamen Blick und ließ die beiden allein zurück. »Verrückt, diese Holländer«, amüsierte sich Nick und sah dem Herren nach, ehe er seinen Fokus auf die fragend dreinblickende Frau richtete. »Ich soll dich daran erinnern, dass das ein Einzelzimmer ist ...« Kate schnaufte entrüstet und versuchte, die wirren Gedanken zu ordnen. Skepsis zierte ihr Gesicht. Sie öffnete die Lippen, nur um sie sofort wieder zu versiegeln. Sie neigte den Kopf und nahm sich Zeit, den Quälgeist vor sich genauer anzusehen. Chucks, Bluejeans, weißes T-Shirt, das unter einer Lederjacke verschwand, Sonnenbrille auf der Nase. »Was zum – ... ich meine, was zum ... Müsstest du nicht auf irgendeiner Party sein?« Es verlangte ihr alle Beherrschung ab, dass ihre Worte nicht in einer Anklage mündeten. »Ja, auf so eine herzliche Begrüßung habe ich gehofft«, seufzte Nick, nahm die Brille von der Nase, nur um sie sich in den V-Ausschnitt des Shirts zu stecken. Kate spürte, wie ihr die Wangen in Flammen standen. Sie trat einen Schritt zurück, um ihn eintreten zu lassen. »Danke«, sagte er und sah sich in dem winzigen Raum um. »Nett hast du‘s hier.« Kate, hinter ihm stehend, warf die Tür mit einem kleinen Tritt ins Schloss. Ihr Blick bohrte ihm bereits Brandlöcher in den Rücken. Mit einer flinken Bewegung wandte er sich zu ihr um. »Ich wollte dich überraschen, also ... Überraschung!« Übereifrig warf er die Hände in die Luft. Kate presste die Lippen aufeinander, ehe sich ihre Zähne in die Unterlippe gruben. Sie musste sich zwingen, nicht abwartend oder tadelnd die Arme zu verschränken. Sie war wütend, denn es war ihm wieder einmal gelungen, ihr einen Schrecken einzujagend. Einen positiven Schrecken, der ihr wie ein Grizzlybär auf der Brust saß. »Ich dachte, du freust dich, mich zu sehen?« Nick schürzte die Lippen. Er war ihr wie ein kleiner Junge, der mit einem Stock in einem Bienennest herumstocherte. Tief sog Kate die stickige Luft durch die Nase ein, schluckte schwer. Die Augen fest geschlossen, mahnte sie sich, nicht diese vorwitzigen Tränen quellen zu lassen. Er hatte ihr gefehlt, wirklich. Sie schämte sich, dass sie sich so schnell auf ihn einließ, dass ihr diese Scham wie zu einem Mantra wurde, das ihr fortwährend Trost und einen geraden Weg aufzeigen sollte. Die Angst, sich fallenzulassen, weil das Fallengelassen-werden allgegenwärtig schien, schnürte ihr das Herz zusammen. Unter bebenden Fingern streckte sie die Hand nach ihm aus. Er hatte in den letzten Monaten dazugelernt. Wortlos kam er ihrer Aufforderung nach und zog sie in eine so feste Umarmung, dass ihr die Luft wegblieb. Tief vergrub Nick seine Nase an ihrem Hals, atmete hörbar ihren Duft ein und entließ die leise Brise mit einem Seufzer. »Endlich normale Menschen«, murmelte er, nicht ohne seine umtriebigen Finger auf Wanderschaft zu schicken. Eine Hand umfasste ihren Hintern, die andere löste ihr den Haarknoten. Halb belustigt, halb verunsichert entwich ihr ein Kichern. »Die Uhren ticken an der Westküste anders.« »Ticken ist das richtige Wort«, schnaubte Nick. Zu ihrem Bedauern rückte er ein wenig von ihr ab. Kates Lippen hoben sich zaghaft. Es war ihr noch immer unbegreiflich, dass Nick ihr gegenüberstand. »Was? Du guckst, als hättest du Angst, dass ich gleich wieder gehe.« Zitternd rang sie nach Atem. Wie sie ihn manchmal dafür verfluchte, dass er ihr ansah, welch emotionale Stürmen in ihr wüteten. »Ist auch so. Also, wann geht dein nächster Flug?« Nick nahm den Blick von ihr und nuschelte: »Nicht so bald.« »Was?« Lauter, als beabsichtigt, wich ihr das Wörtchen von den Lippen. »Sie haben dich gefeuert?« Pikiert verzog Nick das Gesicht. »Was? Nein! Wo denkst du hin?« »Aber -?« Die Verwirrung war ihr anzusehen. Seine Worte ratterten wie Bulldozer durch ihren Kopf. »Ich habe um eine kleine Auszeit gebeten«, gab Nick mit einem Zucken der Schultern zurück. Das Leder seiner Jacke knirschte bei jeder Bewegung. »Du machst Pause?«, hakte Kate nach. »Du glaubst mir nicht, hm?« Sein Grinsen ließ diese verdammten Grübchen entstehen, die ihr die Knie butterweich machten. »Es lief doch alles so gut.« Verdattert blinzelte sie gegen das Gehörte an. Kate schämte sich ihrer besitzergreifenden Gedanken. Er sollte nicht gehen, doch aufhalten würde sie ihn nicht. »O ja, und es läuft immer noch gut. Na ja, sofern ich das beurteilen kann. Allerdings habe ich darum gebeten, dass Alec mir hier ein paar Jobs besorgt, vorausgesetzt natürlich, das geht für dich in Ordnung.« Nick schälte sich aus der Jacke und schüttelte sich kurz, sobald der Stoff von ihm abließ. Er schätzte die Entfernung zu dem Stuhl vor dem Tischchen zu seiner Rechten ab, warf, und verfehlte das Möbelstück. Kate verdrehte die Augen, doch dann besann sie sich. »Für mich in Ordnung? Nick, es geht um deine Karriere!« Seine Antwort war nur ein lässiges Zucken der Schultern, das Kate mit einem schweren Seufzen quittierte. »Du hast doch gesagt, du willst etwas von der Welt sehen!« »Kate, soll ich hierbleiben, oder nicht?« Die plötzliche Ernsthaftigkeit in seiner Stimme ließ sie zucken. »Dieses ständige Heranziehen und Wegschieben. Ich bin es leid, verstehst du?« »Ich möchte nicht, dass du etwas bereust. Ich will dir nicht im Weg stehen.« Lauter, als sie beabsichtigte, quollen ihr die Worte aus dem Hals. »Psst!«, zischte er und schmälerte den Blick. »Ich glaube, deine holländischen Vermieter warten auf dem Flur.« Schambehaftet biss sich Kate auf die Lippen, ein Glucksen entwich ihr dennoch. Nick hob abwehrend die Hände. »Gut, angenommen, ich würde noch immer diesen vielen, kleinen Jobs nachgehen. Etwas, das ich ohnehin auch weiterhin vorhabe zu tun, waren die Wochen in L.A. einer reichlichen Erfahrung wert.« Langsam und verstehend nickte sie seine Erklärung ab. Sie sollte ihm mehr zutrauen und mehr vertrauen. Dennoch war ihr noch immer unwohl bei dem Gedanken, was ihm in den vergangenen Monaten widerfahren sein mochte. »Klar ist L.A. ein super Sprungbrett, und wenn man erst mal dabei ist, kann es gut laufen, oder auch nicht«, fuhr Nick fort. »Das Gleiche kann mir hier auch passieren.« »Okay«, betroffen senkte Kate den Blick. »Und an Drogen und Alkohol komme ich hier an jeder Ecke. Da hat man es in L.A. ziemlich schwer. Verdammte Gesundheitsfanatiker.« Nick schüttelte sich. »Als ich einen Burger bestellt habe, hat Alec mich angesehen, als hätte ich vor, die Kuh im Ganzen zu verspeisen, und dachte, er schlägt mir das Ding aus den Händen.« Ein leises Lachen ließ Kate die Schultern beben. »Also, Kate. Darf ich bleiben, oder jagst du mich zurück nach Fake-Angeles?« Seine Lippen bogen sich zu einem schiefen Grinsen. »Ja doch, ja«, murrte sie und ließ zu, dass Nick zu ihr aufrückte. »Siehst du. Hey, es ist alles okay.« Er schloss sie in seine Arme. Kraftlos sank Kate gegen ihn. Seine Finger vergruben sich in ihr Haar. Seufzend ergab sie sich dem sanften Kribbeln. »Okay, und jetzt sag es!« Das tiefe Brummen in seiner Brust ließ sie aufsehen. »Was?« Ihre Augenbraue hüpfte fragend herauf. Nick linste zu ihr herab. »Sag es! Sag: Nick, du hast mir gefehlt.« »Weißt du das denn nicht?«, fragte sie und spürte Tränen in sich aufsteigen. »Ich habe es mir gedacht, aber ich würde es gern aus deinem Mund hören, wenn es Euch recht ist, MyLady!« Sein Blick, gespickt mit jenen Worten, brachten ihr das Herz zum Rasen. »Hör auf! Das macht mich wuschig und es beschämt mich«, zischte Kate verlegen. »Das ist alles, was ich will«, wieder zeigte sich das spitzbübische Grinsen auf seinen Lippen, »dich beschämen.« Ein unfeines Grunzen entkam ihr. »Ich würde dich gern noch an anderen Stellen beschämen«, nuschelte er und wandte sich wieder ihrem Hals zu. »Jetzt gleich!« »Nick!«, warnte Kate beschwörend, nicht ohne sich auf die Lippen zu beißen. »Was?«, schnaubte er. »Hey, ich habe so lange auf dich verzichtet!« »Bist du nur aus diesem Grund wieder hier?« Ihr Argwohn ließ ihn lachen. »Ja, und weil ich gern den Ritter und Retter in der Not spiele«, gab er mit gerecktem Kinn zurück. »Wie meinst du das?« Misstrauen glomm in ihren Augen auf. »Da du momentan wohnungslos bist, musste ich deinem Flehen dringlichst Abhilfe schaffen«, sagte Nick, nicht ohne eine Spur gönnerhaft zu klingen. »Du bist so britisch«, schimpfte Kate. »Und verdammt frech!« Tief Atem schöpfend, wappnete er sich für seine nächste Ansprache. »Okay, kurze Rede, langer Schwachsinn: Ich war vorhin in meiner Wohnung, natürlich nur um zusehen, ob die Jungs meine Bude nicht inzwischen untervermietet haben. Und du hast Glück, Kitty.« Sanft schob Kate ihn von sich, öffnete, ungläubig dreinblickend, den Mund und entschied, Nick sprechen zu lassen. »Oh, du lässt mich ausreden?«, plapperte er und wich ihrem Versuch aus, nach ihm zu haschen. »Wie bei euch in den Staaten üblich, haben die Studenten, meinen Informationen nach, Summerbreak, was in deinem Fall, meine hochgeschätzte Kate, ein wahrer Glückstreffer ist, denn: Meine Mitbewohner sind ausgeflogen. Na ja, so gut wie.« Skepsis zierte ihre Miene. »Ist das dein Ernst?« »Klar«, sagte Nick unter lässigem Zucken der Schultern. »Wir haben die gesamte Wohnung für uns.«, »Wirklich?« Noch immer schien Kate seinen Worten nicht zu trauen. »Ja, ich habe das vorab mit Mike, James und Ben besprochen«, erklärte er. »Du weißt schon, ein kurzer Anruf hier, ein knappes Hallo da, eine kleine Beschwerde.« »Das ist dein Ernst!« Kates Stimme schwoll voller Begeisterung an. »Und für wie lange?« Ihre Frage ließ ihn zusammenfahren. »Etwa drei Wochen. Ben ist noch da, aber er will am Samstag zu seinen Eltern nach Oxfort, Mississppi. Mike ist seit gestern in Maryland und James habe ich gerade noch erwischt. Er hat die Biege gemacht und ist zu seiner Schwester nach Naperville geflogen.« »Das klingt alles zu schön um ... nicht abgesprochen zu sein.« Nick schrumpfte unter ihrem Blick. »Du hast mich erwischt«, knirschte er ausweichend und kratzte sich betreten am Hinterkopf. »Um ehrlich zu sein, haben mich die Jungs gebeten, auf die Bude aufzupassen. Es hat sich alles so ergeben, dass es doch irgendwie passt. Du darfst Housesitter spielen.« »Also bist du doch nicht nur wieder in New York, weil dich die Sehnsucht nach mir schier wahnsinnig gemacht hat?«, fragte Kate spitz. Nicks Auflachen stellte sie nicht zufrieden. »Oh Lady, ich werde dich so durch die Wohnung treiben, dass du dir wünschst, ich wäre in L.A. geblieben.« Kate schnaubte entrüstet. »Versprich nichts, was du nicht halten kannst.« Brav verharrte Nick auf dem durchwühlten Bett und beobachtete Kate dabei, wie sie die verstreuten Kleidungsstücke aufklaubte. Sein Blick glitt zu dem Stoffbeutel, der noch immer die Zeitschriften barg. Neugierde überkam ihn und er zottelte die Magazine aus der Baumwolltasche hervor. »Ah, du hast es also herausgefunden? Und gleich vier Exemplare?«, fragte er und wedelte freudig mit dem erstbesten Heft. »Mellory«, gab Kate wahrheitsgemäß zurück. »Sie hat dich gefunden. Glückwunsch Nick, du bist jetzt offiziell das, was die J. Geils Band schon Anfang der 80er besungen hat: Ein Centerfold.« Nick schnaubte lachend und blätterte sich durch die Seiten. »Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich wirklich nicht wusste, für welches Magazin das Shooting war?« »Es fällt mir schwer, aber ich versuche es«, seufzte sie und nestelte am Reißverschluss des Trolleys. »Und es ist echt nicht leicht, für jemanden von meiner Größe und Statur, an so etwas heranzukommen«, erklärte Nick ihr. »An solche Jobs, meine ich.« Kate wandte sich zu ihm um. »Spyer wird schon wissen, was er tut.« »Ah, da fällt mir ein: Die besten Aufnahmen habe ich dir noch gar nicht gezeigt.« Sein Grinsen wollte nicht zu ihrem plötzlich aschfahlen Gesicht passen. »Keine Aktfotos, auch wenn ich dir genau ansehe, dass das durch deinen Kopf geistert. Keine Panik, Kitty, solche Aktionen überlasse ich dir. Hey, die Seiten sind ja gar nicht verklebt.« Kate zuckte zusammen. »Sei still! Corinne wollte mir dasselbe andichten! « »Hätte ich mir denken können«, grunzte Nick lachend. »So viel Zeit zum Verkleben, habe ich noch nicht gefunden. Ich habe sie vorhin erst gekauft und mich dann hierher geschleppt«, knirschte Kate und ließ sich auf den Hintern plumpsen, um ihre Kleidung zu sortieren. In einem der Seitenfächer fiel ihr ein Stift in die Hände. Nick ließ sich auf die Matratze sinken und verschränkte die Arme hinterm Kopf. »Zum Glück darfst du mich in natura bewundern und nach Herzenslust verkleben, wie es dir gefällt.« »Zu gütig«, murmelte Kate und warf ihm den Kugelschreiber zu. »Hey!«, klagte Nick, sowie das Schreibutensil auf ihm landete. Er setzte sich auf, nicht ohne ihr ein feistes Lächeln im Gesicht zu präsentieren. »Ah, verstehe. Du willst ein Autogramm, richtig?« Kate erhob sich und klopfte sich den Staub von der Hose. »Tu, was du nicht lassen kannst, Shootingstar.« »Hey, Kate?«, fragte er, und als er sich ihrer Aufmerksamkeit sicher war, fuhr Nick fort: »Wenn ich das nächste Mal nach L.A. fliege, nehme ich dich mit.« Ihr ungläubiges Schnauben ließen ihm die Mundwinkel absinken. Abwägend nahm er die Frau vor sich in Augenschein. »Das ist mein voller Ernst, Kate. Ich nehme dich mit.« Kate schenkte ihm ein schmallippiges Lächeln. »In Ordnung. Auch wenn ich nicht weiß, wie ich das meinem Chef erkläre.« Sie ließ ihn die restlichen Magazine durchgehen. Kate verschwand im Bad, um sich zu ordnen. Der Anblick im Spiegel war nicht so erbaulich, wie sie erwartet hatte. Die Wangen waren ihr gerötet, ein Umstand, den sie einzig Nick zuschrieb. Er hatte sie überrascht, und noch immer zog sich ihr Magen zusammen, nicht vor Hunger, sondern weil es auf wohlige Weise darin flatterte. Das Herz klopfte ihr laut in den Ohren. Schnaubend wandte sich Kate ab, lugte ins Zimmer, nur, um sich zu vergewissern, dass sie keiner Fata Morgana erlegen war. »Hey, ist alles okay?« Nick sah von seinem Tun, in der Zeitschrift herumzukritzeln, auf. »Ja, ich ...«, murmelte Kate kleinlaut, »ich wollte nur nachsehen, ob ...« »Was?« Sein Lachen erfüllte das Zimmer. »Ob ich noch da bin?« Sie nickte zerknirscht. »Kate, ich gehe nicht weg«, versicherte er ihr. »Wir sollten besprechen, wann ich die holde Maid aus ihrem Turm befreie.« »Quatschkopf«, murrte sie amüsiert, trat auf Nick zu und stupste ihn mit dem Finger an. Als sie auf Gegenwehr stieß, entließ Kate erleichtert die angehaltene Luft. »Du hast mir gefehlt.« Nick öffnete die Lippen und es dauerte für sie eine gefühlte Ewigkeit, bis er mit einer Antwort herausrückte. »Wow, und ich dachte, du hebst dir das für die intimen Momente auf. Wenn wir Pizza essen, oder so?« »Du bist unmöglich!«, zischte Kate. »Du wolltest doch, dass ich dir sage, dass du mir fehlst.« Ein schiefes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Nick langte nach ihr und zog Kate kurzerhand zu sich. Ihren Protest überging er. »Nick, die Zeitschriften!«, klagte Kate und wurde just von ihm von einer Seite auf die andere gerollt. Die Magazine warf er ohne Zögern aus dem Bett. »Hey, die waren nicht billig.« Nick zollte ihrem Aufruf zur Beschwerde nur mäßiges Interesse. Eine Hand machte Kate in ihrem Rücken aus, die andere hatte er ihr in den Nacken gelegt. Ein Knie verweilte zwischen ihren Beinen, während er versuchte, an Stabilität zu gewinnen. »Ich habe dir etwas aus L.A. mitgebracht«, murmelte er an ihren Lippen. »Was? Syphilis, Herpes?« Kate rückte von ihm ab. »Gonorrhoe?« »Gonorr-? Was?«, entgeistert verzog Nick das Gesicht. Kate verdrehte die Augen. »Tripper?« »Kate, hörst du bitte auf!«, warnte Nick. »Bleib ernst!« »Schon gut, okay«, nuschelte sie ergeben. »Und, was ist es?« »Damit laufe ich schon seit drei Stunden herum«, erklärte er triumphierend. Kate schmälerte den Blick. »Etwa ... eine Erektion? Oh, wie erfreulich, wie wunderbar.« »Ding, Ding, Ding«, knurrte Nick belustigt. »Ja, nein. Warte ... doch ja. Allerdings ist die nur ein Teil meines Koffers voller Souvenirs.« Kate zog die Unterlippe zwischen die Zähne. »Ich kann es kaum erwarten, den Rest zu sehen.« Ein überraschtes Keuchen entwich ihm, als sie sich an seiner Hose zu schaffen machte. Umständlich nestelte sie ihm an Knopf und Reißverschluss herum. Nick rang um Fassung. »Hey, wow, hey, Kate. Langsam. Willst du mich umbringen?« »Davon haben wir beide nichts, oder?«, murrte sie, ließ von seiner Hose ab und zerrte an seinem Shirt. »He, was zum -?« Hatte ihm das leichte Gerangel schon zugesetzt, löste ihr erschrockener Ausruf ganze Stürme in ihm aus. Blut kroch ihm vom Hals aufwärts in die Wangen und Nick versuchte, ihr den Zipfel des T-Shirts zu entwenden. »Lass los!«, fauchte sie mit einer Gier, die ihm ganz anders zumute werden ließ. »Hey, was ist das? Nick – wo ist dein Speck hin?« Ergeben seufzend, setzte Nick sich auf und zwang den leichten Stoff nieder. »Die haben mich auf Diät gesetzt, okay?« Ihre Finger fuhren ihm wieder unter das Shirt. Ein Zittern überfiel ihn und er erlag dem Vorhaben, den tastenden, suchenden Händen zu entkommen. »Sieben Mal Training die Woche, nur Gemüse und Wasser. Ich kam mir vor, wie im Knast«, stieß er keuchend hervor. »Aber keine Panik, die Hühnerbrust bleibt.« Leise schnaubend strich Kate, behutsam und vorsichtig, über die stramme Haut. »Hey, wirst du jetzt schüchtern?«, neckte er, langte nach dem Saum und zog sich das Shirt über den Kopf. Kate schluckte, konnte den Blick nicht von ihm nehmen. »Nein. Nein, eher unsicher und ... nervös?« »Ich mache dich nervös? Jetzt erst?« Eine anzügliche Augenbraue hüpfte gen Zimmerdecke. »Hat«, entfloh es ihr brüchig, ehe sich Kate vernehmlich räusperte. »Hat dich jemand so gesehen?« Nick schnaubte feierlich. »Klar, so ziemlich jeder.« Kate wusste kaum, wohin mit ihren Gefühlen. Gier, Eifersucht, verzehrendes Schmachten, Scham. »Aber die ... die Aufnahmen wurden doch im Anzug, am Strand, gemacht?« »Irgendwie mussten sie meine Maße nehmen. Echt ätzend«, knurrte Nick und zuckte die Schultern, dann blickte er auf sie herab. »Was? Hast du Bikini-Fotos erwartet? Dieses Shooting war wahnsinnig anstrengend. Es war heiß und sandig und ständig fummelte jemand an mir herum.« »Und das hat dir nicht gefallen?« Kate linste zu ihm auf. »Doch, klar«, gab er zu und beugte sich zu ihr herunter, »alle waren sehr bemüht um mich und wollten, dass es mir gut geht. Und jetzt sieh mich an. Ich sehe aus wie jeder andere dieser ausgemergelten Typen, nur ohne Alkohol- oder Heroinkonsum.« »Scherst du alle Models über einen Kamm?« Ihrem Schnaufen wirkte er mit dem Betten seiner Lippen an ihrem Hals entgegen. Nick blieb ihr eine Antwort schuldig und schob ihr beide Hände unter die Bluse. Seine Finger glitten über ihre erhitzte Haut und schlüpften unter die Bügel ihres BHs. »Hey, meine Süßen ... habt ihr mich vermisst?«, murmelte er an ihrem Hals. »Ich habe euch vermisst.« »Hey, Nick«, wimmerte Kate halblaut. »He, au, au!« Tief Luft holend, rückte er von ihr ab, behielt die Weichheit ihrer Brüste dennoch in den Händen. »Was?« Kate schnalzte die Zunge. »Ich ... ich kriege meine Periode.« Nun war es an ihm, skeptisch dreinzublicken. »Oh, wann?« »Nächste Woche«, prophezeite ihm Kate unter glühenden Wangen. Knapp zuckte sie, als sich seine kühlen Finger abermals ihrer Erhebungen versicherten. »Meistens werden sie schon ein paar Tage vorher ...« »Größer? Praller? Ja, jetzt wo du es erwähnst?«, sinnierte er. »Empfindlicher«, knirschte Kate beschämt. »Und sie tun weh. Manchmal sogar so sehr, dass ich kaum die Arme ...« Ungelenk versuchte sich Kate an einer physischen Erklärung. »Aber sie sind heiß«, jammerte Nick. »Ich meine, wirklich heiß.« Kate stemmte die Ellenbogen in die Matratze und stützte sich auf. Nick folgte ihr nach und hockte nun seinerseits auf ihren Schenkeln. »Mhm, das liegt an den Hormonen.« Ungern gab er sein Spielzeug her. Nachdenklich leckte er sich die Lippen. »So, wie du mich gerade ansiehst ... ich wage zu behaupten, dass du dich nur an einem Ablenkungsmanöver versuchst, weil du glaubst, wir würden das Zimmerchen auseinandernehmen.« Kate schmälerte den Blick. »Zugegeben, das ist die halbe Wahrheit.« »Was ist mit der anderen Hälfte?«, lockte Nick mit auffordernder Gestik. »Meine Periode bekomme ich trotzdem, ob es uns gefällt, oder nicht«, sagte sie und unterstrich ihre Worte mit einem Schulterzucken. »Nächste Woche hast du gesagt?«, hakte er nach und erntete ein bekümmertes Nicken. »Das heißt, du bist scharf.« Kates Erwiderung entrang sich einem empörten Schnaufen. »Doch, du bist scharf. Du warst auch scharf, als wir dieses kleine Telefonat hatten«, riet Nick unverhohlen. »Sonst hättest du dich nie auf diese kleinen, schmutzigen Wortspiele eingelassen.« Sie rang nach Luft. »Weißt du was? Das ist großartig. Ich kann immer ... na ja, meistens. Und du willst ... immer, na ja, meistens.« Ein freudiges Strahlen trat in seine Augen. »Oh, Kate. Sieh mich nicht so an, als hätte ich zu viel Sonne abgekriegt.« Nick ließ von ihr ab, streifte sich das Shirt über und begutachtete das Interieur. Er setzte sich in Bewegung und wanderte durch das Zimmer. Im Gehen schüttelte er den Kopf. »Das ist irre. Der Wahnsinn.« »Nick«, beschwor ihn Kate mahnend. Er hielt inne und bedeutete ihr mit erhobenem Zeigefinger, kein Wort vorzubringen. »Nein, lass mich ausreden: Wir kriegen dich hier raus. Jetzt.« »Nick, ich ...«, seufzte Kate und schwang sich in den Schneidersitz. »Das Zimmer ist bis Sonntag bezahlt. Vorerst. Eine Verlängerung ist jeder Zeit möglich. Und offensichtlich auch notwendig.« Nick stemmte die Hände in die Hüften und starrte zur Zimmerdecke auf. Dann richtete er seinen Fokus auf Kate. »Notwendig? Nichts da! Meine Jungs sind sonst wo und vielleicht bekomme ich ja Angst, so ganz allein einer menschenleeren Wohnung?« Ein breites Grinsen zierte seine Lippen. Kate schluckte an dem Angstkloß in ihrer Kehle. »Wenn ich deinen Vermietern das so verkaufe, dann können sie gar nicht anders, als dir das Geld für die restlichen zwei Tage zu erstatten.« Schneller, als sie ausmachen konnte, hatte sich Nick seine Jacke geschnappt, zerrte und zupfte an seinen Klamotten herum und rauschte aus dem Zimmer. Mit hochrotem Kopf hatte sich Kate bei Cees van de Brink und Frans Verbeek für Nicks unangebrachtes Verhalten entschuldigt. Diese zeigten sich verwundert und Frans flüsterte seinem Partner etwas auf Niederländisch zu, das Kate nicht verstand und Nick unter geschmälertem Blick für sich zu übersetzen versuchte. Für Kate endete diese Blamage in der Übereinkunft, dass das Zimmer für eine weitere Nacht gemietet wurde und Nick ihr am nächsten Tag beim Auschecken half. Dramatischer, so dachte Kate, könne es nicht werden, doch sie irrte. Manche mochten es dreist nennen, andere sahen darin eine Chance, denn Nick lotete ungeniert ein Jobangebot für sich aus. Er erklärte unter weitschweifenden Worten, welche Erfahrungen er im letzten Jahr in New York hatte sammeln dürfen. Er scheue schwere Arbeit nicht und Kate sah mit banger Miene zu, wie die möglichen Vorbehalte dahinschmolzen. Auch die Werbekampagnen fanden in seinem Monolog Erwähnung. »Ich glaube, diese Community habe ich auf meiner Seite«, frohlockte Nick, als er Kate die letzten Meter bis zu ihrem Zimmer begleitete. »Wenn sie mir wegen deiner Aktion das heiße Wasser abdrehen, dann darfst du gern Ritter und Retter spielen. Und wehe, du ziehst den Schwanz ein!«, schnaufte Kate und blickte, mit zorniger Miene, über die Schulter. »Kate«, seufzte Nick ergeben. »Spar dir deine Anzüglichkeiten bis morgen auf!« Er kam ihr nah, umschlang ihr die Mitte mit beiden Armen und bettete sein Kinn auf ihrer Schulter. Kate fuhr zusammen und versteifte sich augenblicklich. »Hey, vielleicht habe ich dir einen Gefallen getan?«, riet er vorsichtig. »Oder sie stellen mir wirklich das Wasser ab«, murrte sie und ließ ihre abwehrende Haltung sinken. Nick vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken und verteilte flüchtige Küsse auf der blassen Haut. Kate wand sich unter seinen zarten Gesten. Sie zog die Schultern hoch, doch Nick ließ sich nicht beirren. »Hast du mitbekommen, dass beide mir verboten haben, in deinem Zimmer zu bleiben.« »Ja, seltsam, oder? Wo du sie so charmant um den Finger gewickelt hast.« Kates leises Schnauben brachte ihr einen Knuff in die Seite ein. Nick ließ von ihr ab und schob sie langsam mit dem Rücken in Richtung Zimmertür. Gierig schnappte er nach ihren Lippen und die Frau in seinen Händen sank in einen Taumel aufwallender Freuden. Nick hatte ihr zugesagt, sie von der Arbeit abzuholen. Mit diesen Aussichten war es um Kates Konzentration eher spärlich bestellt. Unverblümt stellte Corinne Mutmaßungen an und hielt damit nicht hinterm Berg. »Irgendetwas stimmt nicht mit dir«, sagte sie geradeheraus, während sich ihr Kaffee unter tosendem Trubel in die Tasse ergoss. Ächzend und krächzend verschaffte sich die Maschine Gehör und verlangte nach einer Reinigung. »Auch das noch!« »Haben wir für solche Fälle nicht irgendwo einen Praktikanten?«, fragte Mellory und pustete in ihren Becher. Kräuselnd entfaltete der grüne Tee sein Aroma in der winzigen Küche. Corinne schnaubte auf. »Bis der kleine Kerl sich mit diesem Monstrum auseinandergesetzt hat, habe ich das Ding fünf Mal schneller im Griff.« Fasziniert und amüsiert sahen Kate und Mellory ihrer Kollegin dabei zu, wie diese mit der Anleitung und den Knöpfen kämpfte. Die Schlange an wartenden Kollegen und Kolleginnen, denen es nach einem Koffeinschub dürstete, verscheuchte Corinne mit fauchenden Worten. »Wenn ihr Kaffee wollt, geht nach unten!«, zischte sie und duckte sich rechtzeitig weg, als heißer Wasserdampf aus der Milchschaumdüse hervortrat. »Sonst legt auch niemand von euch Hand an dieses Miststück!« »Sollen wir dich lieber allein lassen?«, fragte Mellory. »Wir lassen dich allein. Komm, Kate!« Kate wünschte ihrer Kollegin alles Glück der Welt, schnappte sich eine Flasche Wasser und zockelte mit Mellory davon. »Ja, ja, lasst mich mit diesem Monster allein«, rief Corinne ihnen nach. »Wir schicken dir Corey vorbei«, trällerte Mellory, doch die Leidgeplagte gab nur ein verzweifeltes Stöhnen von sich. Noch immer war es um die Qualität der Technik mäßig bestellt. Die ITler waren im ständigen Einsatz, wenn Dateien und Dokumente verschwanden oder die Rechner nicht wie gewohnt starteten. »Das war wohl doch nicht nur eine Routinekontrolle«, riet Mellory und sank in ihren Drehstuhl. »Hast du dich gestern noch auf die Suche gemacht?« Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchte Kate aus den Tiefen ihrer Schreibtischschublade auf. »Suche?« Mellory hielt eine Ausgabe der Zeitschrift in die Höhe. »Bist du mir böse? Ich hab sie mir noch mal gekauft.« Kate schüttelte den Kopf und überlegte, ob die Exemplare, die sie sich gestern eingeheimst hatte, die Letzten an dem Zeitungsstand gewesen waren. Wieder kam ihr der Kampf gegen Windmühlen in den Sinn. Den Kampf gegen die Maschinen hatte Corinne eindeutig verloren, denn diese erschien wutschäumend in ihrer Parzelle. »Du bist ja schweißgebadet«, stellte Kate erschrocken fest und bot ihr die Kleenexbox an. »Das. Ist. Kein. Schweiß.« Corinnes Miene erblühte vor Zorn. Mellory verzog angewidert das Gesicht und reichte ihr ein Erfrischungstuch. Sie gaben Corinnes Unmut den Raum, den es brauchte und als die letzten Funken verraucht waren, hellte sich die Stimmung ihrer Kollegin auf. Dass sich Kate in den vergangenen Stunden zusehends der Uhrzeit versicherte, entging der findigen Corinne nicht. »Ich wusste doch, dass hier heute etwas nicht stimmt. Kate, was ist los? Hast du ein Date?« Corinnes aufdringliche Spürnase quittierte jene mit einem verstimmten Brummen. »Ah, geh bloß zur Polizei und lass dich zum Lügendetektor umschulen!«, zischte Kate. Corinne schenkte ihr ein breites Grinsen. »Du hast dich eben ganz von allein verraten, Süße. Mel, du schuldest mir einen Kaffee.« Mellory zuckte mit den schmalen Schultern. »Klar, sobald die Maschine wieder richtig funktioniert.« »Ihr habt gewettet?«, empörte sich Kate. »Natürlich«, sagte Corinne. »Nach meinem Wochenende in Atlantic City werde ich immer besser, was die Geheimnisse meiner Mitmenschen betrifft.« Kate schenkte ihr nur eine emporgezogene Augenbraue. »Glaubst du.« Wieder zierte ein triumphales Lächeln Corinnes Lippen. »Aber eigentlich ist es völlig unerheblich, denn ... ich kann mir denken, wer dafür verantwortlich ist.« Genüsslich weidete sich Corinne an der misslichen Lage, in der sie Kate vermutete, ließ sich gegen die Lehne des dritten Bürostuhls sinken und bemerkte leichte Unruhe auf dem Flur. Die Rollen des Drehstuhls glitten schwerfällig über den Teppich. Corinne streckte sich übertrieben und warf einen Blick hinter sich. »Kate? Komm mal her!«, rief sie, ohne den Tumult aus den Augen zu lassen. »Kate, komm schon. Beweg deinen Hintern hier her.« »Was?«, seufzte diese leidig. »Hat sich Corey entblößt und mit einem Edding bemalt? Ich will das nicht sehen!« Corinne schmälerte Augen. »Jetzt komm, verdammt nochmal, hier her! Oder warte, bleib doch besser sitzen!« Kate verstand nicht eine Silbe. Sie schüttelte den Kopf und erschrak, als ein vertrautes Gesicht im Türrahmen erschien. »Ladys, wie ich sehe, hat Kate es versäumt, mich anzukündigen.« Nicks überpünktliches Erscheinen quittierte Kate mit einem enervierten Schnauben. Er ließ es sich nicht nehmen, ihre verdutzt dreinblickenden Kolleginnen zu begrüßen. Corinne stieß einen leisen Pfiff aus und reckte anerkennend den Daumen in Kates Richtung. Es war das vernehmliche Räuspern der Gepeinigten, das Mellory veranlasste, sich von ihrem Platz zu erheben. »Ich ... Corinne und ich brauchen Kaffee.« »Ach, was? So schnell? Du trinkst doch gar keinen Kaffee«, erwiderte Corinne und machte keinerlei Anstalten, den Platz in der ersten Reihe zu räumen. »Corinne, komm jetzt!« Eiligst drängte Mellory ihre Kollegin aus dem Zimmer. »Glaubst du, sie vögeln gleich auf deinem Schreibtisch?«, hörte Kate Corinne fragen. »Pssst«, zischte Mellory. »Und wenn schon? Dann machen wir umso länger Pause.« »Hier wird niemand gevögelt«, rief Kate ihnen nach und biss sich auf die Zunge. Nick sah dem Gespann hinterher, schlüpfte ins Zimmerchen und schloss die Tür. »Wieso nicht?« »Nick«, seufzte Kate mit verrutschtem Lächeln. »Die Wände sind zwar aus Milchglas, trotzdem hat man einen guten Blick für das, was hier drinnen vor sich geht. Außerdem bist du zu früh.« »Wir beide wissen es besser, hm, Kitty?« Nick trat auf sie zu und stand nunmehr so dicht vor ihr, dass sich der Duft seiner Lederjacke tief in ihrer Lunge festsetzte. »Du bringst meine Kolleginnen durcheinander«, murmelte sie und verfluchte die aufkeimende Röte, die sich auf ihre Wangen schlich. Kate sah zu ihm auf. Sein Outfit bestand, wie gestern, aus den alten Chucks, einer dunklen Jeans und der Jacke, die Nick, gemäß seinen Worten, in der AuH20 Thriftique auf der 84 East Ecke 7th Street erstanden hatte. Nur die Farbe des Shirts hatte von unschuldigem Weiß zu Schwarz gewechselt. Zusätzlich baumelte ein Besucherausweis um seinen Hals. Kate konnte es ihren Kolleginnen nachfühlen. Er schnaufte, halb belustigt, halb gekränkt. »Das ist wirklich nicht meine Absicht.« »Ich weiß. Obwohl ich mir manchmal gar nicht so sicher bin.« Ein Schmunzeln huschte ihr übers Gesicht. Dann haschte Kate nach dem laminierten Kärtchen. »Alice war so freundlich, mir einen zu geben«, erklärte Nick. »Eure Security sind echte Wachhunde.« Die Mundwinkel verunglückten ihr auf halbem Wege, ehe Kate die Augen rollte. »Dann solltest du die Jungs mal morgens erleben.« Er zuckte die Schultern und vergrub die Hände in den Taschen seiner Jacke. »Also, bist du so weit? Können wir los?« Kate warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und zog eine Schnute. »Ein paar Minuten dauert das hier noch.« »Da bin ich ein Mal pünktlich«, seufzte Nick und zog sich den Stuhl heran, auf dem zuvor Corinne gesessen hatte. »Vielleicht sollte ich dich, als kleinen Zeitvertreib, eine Runde über den Schreibtisch legen?« Dass Ungeduld an ihm nagte, entging ihr nicht. Kate ließ die Schultern hängen und langte nach ihrer Stirn. »Ah, ich wusste, dass mir etwas gefehlt hat.« Nick horchte auf. »Ach, ja? Und was hat dir gefehlt?« Kate tat, als suche sie in der Tabelle des mittleren Bildschirms nach einem Fehler. »Dein loses Mundwerk.« »Mehr nicht?«, murrte Nick beleidigt. Abschätzend wog Kate den Kopf. »Na ja, doch. Deine flinke Zunge und was du damit anstellst.« »Lady«, er griff sich pathetisch ans Herz, sodass das Leder der Jacke quietschte. »Ihr bringt mich in Verlegenheit.« »Gestern hast du mich in Verlegenheit gebracht«, schnaubte Kate leise. »Und das mehrmals.« Im Augenwinkel bemerkte sie das anzügliche Grinsen auf seinen Lippen. »Und es hat dir gefallen.« Wieder verdrehte Kate die Augen. »Ja.« »Ja«, stellte Nick zufrieden fest. »Ja, das hat es.« Im Augenwinkel registrierte er zwei Schatten und blickte hinter sich, als die Tür aufgedrückt wurde. »Falscher Alarm«, rief Mellory über ihre Schulter hinweg. »Ihr gönnt uns auch gar nichts«, klagte Corinne und ließ sich, in Ermangelung ihrer Sitzgelegenheit, auf Mellorys Schreibtisch nieder. »Also, Nicky, dann schieß mal los. Wie war es in der Stadt der Engel.« »Teuflisch«, gab Nick, nicht weniger diabolisch grinsend, zurück. Corinne warf die Hände in die Luft. »Hab ich mir gedacht!« »Bevor das hier zu einem Verhör wird«, hob Mellory an. »Ich habe eine Bitte.« Zu Nicks Rechten stieß Kate einen gedehnten Seufzer aus. »Ignorier sie einfach«, sagte Corinne und nickte bekräftigend. Mellory zog die unterste Schublade an ihrem Schreibtisch auf, förderte das Modemagazin zutage und schob ihm die Ausgabe zu. Corinne, die Mellorys Vorhaben verfolgte, sprang vom Tisch und hetzte aus dem Büro. Auch Sie nahm die Ankunft des jungen Briten und neusten Werbegesichts zum Anlass, nach nur wenigen Augenblicken mit einem weiteren Exemplar in der Nachbarparzelle zu erscheinen. »Corinne!«, rief Kate erschöpft. »Was denn?« Jene tat, als sei sie sich keiner Schuld bewusst. »Immerhin haben wir ihn zuerst gesehen. Nicht wahr, junger Freund?« Ihrem anzüglichen Zwinkern kam Nick mit einem verlegenen Kratzen an der Schläfe nach. Bereitwillig erhob sich er von dem Stuhl, fischte nach einem Stift und den Heften und kritzelte munter etwas auf die Doppelseite. »Hör zu«, zischte Corinne ihm wohlgesonnen zu, rückte zu ihm auf, sobald er sein Werk vollendet hatte und legte Nick einen Arm um die Schulter. Dass sie ihn dabei um gut einen halben Kopf überragte, störte sie nicht. »Bring unsere Kate möglichst schnell auf andere Gedanken. Die Gute war in den letzten Wochen kaum noch zu ertragen.« Beschämt senkte Mellory den Kopf. Selten hatte Kate erlebt, dass ihrer Kollegin etwas peinlich wurde. Umso entrüsteter stemmte sich Kate von ihrem Platz auf. »Corinne!« »Ah, ah, Kate«, beschwor Corinne sie mit mahnendem Zeigefinger. »Du darfst mit ihm vögeln, wir wollen lediglich ein Autogramm und eine Widmung.« Mit dem Daumen deutete Kate auf den Jungen neben sich. »Bring ihn nicht auf dumme Ideen.« Nick kam nicht umhin, in sich hinein zu grinsen. Als rissen zwei wuschige Frauen nicht längst an ihrem Nervenkostüm, ließ es sich Corey Cooligan nicht nehmen, den Damen ein angenehmes Wochenende zu wünschen. Irritiert blinzelte er gegen die Szenerie an, die sich ihm bot. Das kleine Büro wirkte überfüllt und er entdeckte einen jungen Mann, der ihm fremd war. Kate stellte die Ohren auf und reckte den Hals, um ihren Kollegen zu verabschieden, doch Corey verharrte weiterhin in der Tür. Mellory drückte Nick kurz an sich und quetschte sich an Corey vorbei auf den Flur. Als Corinne einen letzten Blick in die Parzelle warf, schien der nette Kollege zu bemerken, dass der junge Kerl auf Kate wartete. »Nick, Corey«, machte Kate beide, wenn auch peinlich berührt, einander bekannt. »Corey, Nick.« Da Letzterer nichts von seiner britischen Höflichkeit missen ließ, kam Corey in den Genuss eines freundlichen Händedrucks, den er, ein wenig unbeholfen und mit zögerndem Lächeln, erwiderte. Die Sekunden des Schweigens schwollen zu Minuten an. Und endlich begriff Corey, das Smalltalk in diesem Augenblick nicht erwünscht war. Hastig sammelte er sich und seine Taschen zusammen und begab sich in Richtung Aufzüge. Nick sah ihm mit erhobener Augenbraue nach. »Es ist nicht meine Art, vorschnell zu urteilen, aber ...« Kate sah sich ein letztes Mal in ihrem Büro um, ehe sie an seine Seite trat. »Du meinst Corey?« »Ja?«, riet er und bedachte Kate mit einem flüchtigen Blick. »Halt mich für verrückt, aber die Szene war irgendwie schräg.« Kate schüttelte sich, als sei ihr etwas Unangenehmes über den Rücken gekrochen, dann stieß sie ein leises Schnauben aus. »Erzähl das mal meinen Kolleginnen.« Nick verengte die Augen. »Erinnerst du dich, dass ich dir erzählt habe, ich wäre noch nie eifersüchtig gewesen?« »Das war einer der schockierendsten Momente meines Lebens«, gestand Kate. Ihre Gedanken flatterten zu dem Halloween-Fiasko vom letzten Jahr. Selbst in dieser Situation konnte sie sich nicht vorstellen, dass er die Wahrheit gesagt hatte. »Vielleicht sollte ich damit anfangen?«, murmelte Nick verstimmt. Kates Lachen schallte durch das leere Großraumbüro. »Nick, komm schon! Corey ist nett. Nichts weiter.« »Ich meine es ernst!«, beharrte er. »Ich habe da eine leichte Tendenz gespürt.« Fragend neigte Kate den Kopf zur Seite. »Möglicherweise ... hast du ihn endlich von meiner Spur abgebracht. Sollte Corey mich nach deiner Telefonnummer fragen, sage ich dir Bescheid.« »Kate!«, beschwor Nick sie eindringlich. »Himmel noch eins!«, rief Kate aus und blickte flehend zur Zimmerdecke. »Jahrelang interessiert sich kein Mann für mich und kaum, dass ich nach einer Durststrecke der übelsten Sorte an jemanden gerate, dreht ihr Kerle durch.« Sie marschierte den langen Gang entlang, schlüpfte durch die Glastür, die das große Büro von den Aufzügen trennte, auf den schmalen Flur und drückte auf die Knöpfe, um einen der vier Fahrstühle zu rufen. Mit einem leisen Pling hielt das Gefährt aus der Hölle vor ihnen und öffnete seine Pforten. Kate huschte, mit Nick auf den Fersen, in die Kabine. »Was ist das? Habt ihr Kerle eine Art Radar, der die Single-Mädchen verbirgt und diejenigen rot aufleuchten lässt, die in einer Beziehung stecken, nur damit ihr euer Revier abstecken und dem anderen Typen das Weibchen ausspannen könnt?« »Hast du Beziehung gesagt?« Mit breitem Grinsen auf den Lippen lehnte Nick gegen das kühle Metall der Wand hinter sich. »Nein, Kate, ich glaube, die Wissenschaftler nennen es Pheromone. Entweder sprühst du vor Sexpheromonen und wirkst dadurch frischer und ausgeglichener ...« Kate warf ihm einen Blick über die Schulter zu. »Meine Wohnung säuft ab. Wie soll ich da ausgeglichen sein?« Nick hob abwehrend die Hände. »Keine Ahnung, aber ich habe da eine ganz einfache Methode, wie ich dein aufgewühltes Inneres wieder in Balance bringe.« Nur zu gern hätte Nick seinen Worten Taten folgen lassen, doch zu seinem Missfallen, stiegen auf den vereinzelten Etagen neue Fahrgäste zu, sodass sich Kate gezwungen sah, sich neben ihm einzufinden. Sie haschte nach ihm. Ihre Finger lagen ihm eisigkalt in der Hand. Kate schloss die Augen, ihr Mund war vor Anspannung verzogen. Mit jedem neuen Haltepunkt wurde ihr mulmiger zumute. Endlich leuchtete der Punkt für das Erdgeschoss auf. Unter wackeligen Knien verließ Kate mit ihm den Lift und rang, sich auf den Knien aufstützend, nach Luft. »Das ist das Schlimme an New York – die Fahrstühle«, japste sie und spürte, wie seine Hand behutsam über ihren Rücken strich. Nick gab ihr Zeit, sich zu erholen, und lotste Kate fürsorglich aus der Schusslinie. Die Wachmänner der Security ließen sie nicht aus den Augen. Arglos huschte sein Blick durch das Foyer, mit seinen den hohen Marmorsäulen, den Empfangsbereich, und all den Menschen, die einander auswichen, um unbeschadet ihr Ziel zu erreichen. »Wie in einem Ameisenhaufen«, murmelte er und bemerkte, dass Kate sich aufrichtete. »Und das an fünf Tagen in der Woche«, sagte sie mit mildem Lächeln. »Mir geht es gut. Wir können weiter.« Nick betrachtete sie abwägend. »Wenn du das sagst.« Von Alice war nichts mehr zu erblicken. Sie reichten einer anderen Kollegin die Ausweise über den Empfangsbereich hinweg und hielten auf den Ausgang zu. Nick ließ ihr den Vortritt und sich von Kate in Richtung B&B ziehen. Polternd hievten sie ihre Habseligkeiten die teppichbesetzten Stufen hinab. Frans war ihnen beim Tragen behilflich und als das Trio vor dem Tresen keuchend nach Luft rang, nahm sich Mr. van de Brink der Unterlagen an. Frans schlüpfte hinter seinen Gatten vorbei und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Beide sahen von Kate, die in ihrem Portemonnaie nach ihrer Kreditkarte kramte, zu Nick, der in einem der Plüschsessel versunken war und den Vorraum betrachtete. »Schade, dass du uns schon verlassen musst«, sagte Cees van de Brink, sobald er das kleine Plastikkärtchen zum Glühen brachte. »Du bist hier jeder Zeit willkommen.« »Das sagt er zu allen Gästen«, warf Frans ein. Kate bedankte sich lächelnd und stopfte ihre Geldbörse zurück in die abgewetzte Umhängetasche. »Aber nicht alle Gäste bringen solche nette Bekanntschaften mit. Junger Mann -«, rief Cees Nick zu sich an den Tresen. Ungeniert reichte ihm Mr. van de Brink eine Ausgabe des Modemagazins über das polierte Holz der Empfangstheke. Frans Verbeek zischte mahnend. »Du bist unmöglich.« Nick schnaubte leise. »Das sagt sie auch ständig über mich.« Lässig deutete er dabei auf Kate, die die Augen verdrehte. Es überraschte sie kaum, dass auch der zweite Besitzer des kleinen B&B ein Exemplar zückte, nachdem Nick ihnen den Mund wässrig gemacht hatte. »Wie versprochen.« Nick gab die unterschriebenen Hefte zurück und stutzte, als Cees drei weitere Magazine unter dem Tresen hervorholte. »Für unsere Freunde«, sagte dieser mit Unschuldsmiene, als das verstimmte Brummen seines Gatten an seine Ohren drang. Frans und Kate stießen ein gedehntes Seufzen aus. Nick hatte sich den größeren der beiden Rollkoffer geschnappt und obendrein die kleine Reisetasche geschultert. Brav spazierte er neben ihr her und wich den Passanten aus, die ihnen entgegenkamen. Der Himmel zeigte ein strahlendes Blau. Wattewölkchen zogen über der Upper West Side hinweg. Kate kämpfte mit dem Trolley und das Wackeln des Rucksacks erstarb, als sie anhielt. Japsend rieb sie sich die Stirn. »Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich diese Tortur seit zwei Wochen durchhalte.« »Wärst du lieber bei den Holländern geblieben?«, fragte Nick, rollte den Koffer neben sich und wuchtete die Tasche obenauf. »Auch wenn ich weiß, dass mich bei euch der wirkliche Vorhof zur Hölle erwartet ... nein«, gestand Kate, den Mund zu einem verlegenen Lächeln verzogen. Fußlahm schleppten sich beide zur Haltestelle Lincoln Center und nahmen die Linie 2 in Richtung 59 Street - Columbus Circle. Keuchend hievten sie das Gepäck Treppen hinauf und über Fußwege und Straßen hinweg zur U-Bahnstation 57 Street / 7th Avenue, um sich von der Linie Q ins East Village bringen zu lassen. Der rege Verkehr auf den Straßen schien so weit entfernt. Das Flatrion Building – ein Touristen-Hotspot, rauschte über ihren Köpfen dahin. Nach einer knappen Viertelstunde erreichten sie den Haltepunkt 14 Street – Union Square Station. »Und?« Nick wandte sich nach ihr um, sobald sie den U-Bahnhof verließen und die letzten Stufen erklommen. »Bist du aufgeregt?« Schnaubend schüttelte Kate den Kopf und scheuchte ihn mit auffordernder Gestik ins Tageslicht. »Ich, aufgeregt? Nein. Ich wappne mich innerlich für den Schrecken, der mich erwartet.« Nick zuckte, kaum, dass es ihm möglich war, die Schultern. »Wenn du feuerfeste Klamotten in deinen Koffern hast, bist du bestens gerüstet.« Ein kleines Lachen entfloh ihr, doch Kate schwante, dass er mit seiner Aussage womöglich recht behielt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)