Safe Zone von HalcyTheWolf ================================================================================ Prolog: -------- Das Aufkommen der Mappe auf meinem Schreibtisch konnte meinen lauten Seufzer nicht übertönen. Mein Kollege sah von seinem Laptop auf, Besorgnis in seinem Blick. »Das Übliche, Cap?« Ich ließ mich genervt in den Stuhl fallen: »Ja, schon das dritte Mal diese Woche. Wenn heute noch jemand anruft und sagt, Thawat und seine Idioten haben was angestellt, raste ich aus.« Müde fuhr ich mir mit der Hand durchs Gesicht, versuchte, mich zu beruhigen. Ich durfte der ganzen Sache nicht so viel Raum geben. Es war kurz nach halb vier nachts, noch wenige Stunden, dann war meine Schicht vorbei. Seit einem Monat war ich auf diesem Revier in Bangkok als Polizist eingeteilt, jeden Tag gab es Probleme mit Thawat. Kein Wunder, dass die Kollegen mich nicht um die Versetzung beneidet hatten. Jeder von ihnen hätte ihn gerne hinter Gittern gesehen, aber seine reiche und einflussreiche Familie wusste es geschickt zu verhindern. Ich war hierher versetzt worden, um genau das zu ändern, damit die Leute hier wieder in Ruhe leben konnten. Aber selbst mir war noch kein genialer Plan eingefallen. Ich hielt mich mit Tee wach, beobachtete die Zeiger der Uhr. In der Nachtschicht bewegten sie sich komischerweise immer besonders langsam. Seufzend begann ich, den Fall von eben in den Computer zu tippen. Der Aktenschrank hinter mir war bereits voll, denn Thawat litt unter dem schlimmen Ich-darf-mir-alles-erlauben-weil-meine-Eltern-reich-sind-Syndrom. Ich hatte keine Ahnung, warum er es sich zum Hobby gemacht hatte, die Cops aus dem Viertel zu vertreiben, aber ich mochte die Leute in der Nachbarschaft und das hatten sie nicht verdient. Irgendwas musste ich tun. 4 Uhr. 5 Uhr. 6 Uhr. Ich streckte mich, schaltete den Computer aus und verabschiedete mich in den Feierabend. Glücklicherweise war es den Rest der Schicht ruhig gewesen. Noch in Uniform verließ ich das Büro, doch kaum bog ich um die Ecke, musste ich erst einmal innehalten. Da stand er vor mir, Thawat Saengsuwan, kurz Tii, höchstpersönlich. Er hatte ein Bein an der Mauer angewinkelt und rauchte. Zwischen den schwarzen Haaren blitzten dunkelrote Strähnen hervor, er trug Ohrringe und eine schwarze Lederjacke. Ich konnte mir den Seufzer nicht verkneifen, er hatte sich eindeutig viel zu viel von Gangsterfilmen inspirieren lassen. Thawat grinste mich an: »Na, ruhige Schicht gehabt, Cap?« Ich war stolz auf meinen Titel, aber nur die Kollegen durften ihn abkürzen. Auch wenn es sinnlos war, sagte ich: »Für dich immer noch Captain Niran. Ja, es war ruhig, danke.« Meine Schritte beschleunigten sich, ich musste schnell hier weg. Es reichte schon, wenn ich mich auf der Arbeit mit ihm rumschlagen muss, in meiner knapp bemessenen Freizeit musste das nicht sein. Außerdem war ich müde und freute mich nur auf mein Bett. Doch in diesem Moment blieb es mir nicht erspart, denn plötzlich lief er neben mir. »Der letzte Cap hat nur zwei Wochen geschafft. Ich bin mal gespannt, wie lange wir brauchen, bis du abhaust. Die Wetten laufen schon.« Ich versuchte ihn zunächst zu ignorieren, schlug einen anderen Weg ein, der nicht nach Hause führte. Vielleicht war das meine Chance. Ich würde mich nicht unterkriegen lassen von einem zwanzigjährigen Großmaul, der wohl mal lieber die Uni besuchen sollte. Challenge accepted. »Wie hoch ist der Einsatz?« Thawat blieb stehen, hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich antworten würde. Er hatte einen triumphierenden Blick aufgesetzt: »10.000 Baht (ca. € 271,82), wenn ich es schaffe, dass du nach einem Monat heulend das Revier verlässt.« »Dann wette ich 20.000 Baht (ca. 542,82 €), wenn ich es in einem Monat schaffe, dich für drei Tage in Untersuchungshaft zu stecken«, ich sah ihm in die Augen. Es war mir wichtig, dass sie merkten, dass ich ihre Spielchen nicht ohne Weiteres hinnehmen würde, sondern lieber mitspielte. Thawat war ein bisschen größer als ich, seine Haare waren ordentlich gestylt. Seine braunen Augen blitzten mich überrascht an: »Du traust dich was, Cap. Die Wette gilt.« Wir gaben uns die Hand, um die Wette zu besiegeln. Entweder war es genial, weil sie merkten, dass sich die Polizei nicht nur auf der Nase rumtanzen ließ oder es war extrem dumm, weil er mir die Schichten noch mehr zur Hölle machen würde, als ohnehin schon. Andererseits, wie hieß es noch gleich? Sei deinen Freunden nah, doch deinen Feinden noch näher. Ich ließ ihn stehen und trat den Heimweg an. Zuhause fiel ich nur noch ins Bett, um bis zur nächsten Nachtschicht etwas Schlaf zu bekommen. Kurz nach 23 Uhr war ich wieder auf dem Revier, zusammen mit meinem Kollegen Cho. Ich stellte meinen Tee auf dem Schreibtisch ab, sah ihn fragend an. Er schüttelte zu meiner Erleichterung den Kopf. »Bisher nichts.« Für einen Moment überlegte ich, ob ich ihm von der Wette erzählen sollte, schließlich würde es seine Arbeit auch beeinflussen. Aber dann würde er mich für irre erklären und ich beschloss, es zu lassen. Ich starrte lethargisch das Telefon an, als könnte ich damit die Stille erzwingen. Doch ich saß noch nicht mal, da klingelte es schon. Verdammt. Vielleicht sollte ich lieber mit Cho wetten, ob es um Thawat ging oder nicht, wahrscheinlich würde ich dann reich werden. »Guten Abend, Revier 23, sie sprechen mit Captain Niran. Wie kann ich helfen?« Wir beantworteten meistens Anrufe von Bürgern, aber ab und zu halfen wir auch bei Notfällen oder hörten den Funk mit. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Cho schon den nächsten Anruf annahm. Am anderen Ende der Leitung hörte ich eine ältere Dame sagen: »Captain, ich bin froh, dass ich Sie erreiche. Bei uns wurde eingebrochen.« Ich ließ mir die Adresse geben, schnappte mir Cho und wir machten uns auf den Weg. Den anderen Fall gaben wir an die Zentrale weiter. Ich als Schichtleiter musste alles koordinieren, konnte aber nicht überall sein. Daher war es wichtig, dass ich mein Handy immer aufgeladen und das Funkgerät eingeschaltet hatte. Wahrscheinlich wird es meine Schuld sein, wenn wir das Nachtpersonal aufstocken müssen. Als wir ankamen, kam uns die ältere Dame schon völlig aufgelöst entgegen. »Sehen Sie, Captain Niran, sie haben unser Fenster mit einem Stein eingeschlagen und einiges von meinem Schmuck gestohlen.« Ich bat Cho sie zu beruhigen, damit ich mir den Tatort in Ruhe ansehen konnte. Wir gingen mit ihr zurück ins Haus. Ich sicherte die Spuren, machte Fotos von den durchwühlten Schubladen. »Haben Sie gesehen, wer bei Ihnen eingebrochen ist?«, hörte ich Cho fragen. Das interessierte mich auch brennend. Nur weil Thawat derjenige war, der das Viertel in Angst und Schrecken versetzte, gab es durchaus auch noch Verbrechen an denen er, scheinbar, nicht beteiligt war. »Es tut mir Leid, ich weiß es nicht. Wir sind erst von dem Geräusch wachgeworden, doch als ich nachsehen wollte, war keiner mehr da.« Okay, wir würden schon herausfinden, wer dahintersteckte. Sorgfältig achtete ich darauf, jede mögliche Spur mitzunehmen. Als ich damit fertig war und aus dem Haus trat, rannte ich fast jemandem in die Arme. Der hatte mir gerade noch gefehlt. »Habt viel zu tun, oder?« Das war noch gar nichts. Ich ging an ihm vorbei, tat einfach so, als wäre er unsichtbar. Da ich ihm zu diesem Zeitpunkt nichts nachweisen konnte, hatte es auch keinen Sinn mit ihm zu sprechen. Cho kam auch raus, um mir zu sagen, dass er fertig war und sah mich erstaunt an, als Thawat vor ihm stand. »Komm‘ Cho, wir müssen zurück. Falls du nichts anderes zu tun hast, Thawat, kannst du gerne mitkommen. Wir haben eine sehr gemütliche Zelle auf dem Revier.« Wir stiegen ein. Cho schüttelte den Kopf: »Glaubst du wirklich, du kannst den Saengsuwan einbuchten? Der Vater wird dir was husten.« »Genau dafür bin ich hier. Aber wir werden einen Plan brauchen, denn er hat einige Handlanger. Die Familie von dem kann mir herzlich egal sein. Das Strafrecht gilt für alle und wir sollten denen mal endlich klarmachen, dass sie sich nicht überall rauskaufen können.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)