Staub und andere Überraschungen von KiraNear ================================================================================ Kapitel 3: Drei Stunden später ------------------------------ Das Erste, was er spürte, war ein kalter, nasser Gegenstand auf seiner Stirn. Iruka tastete vorsichtig danach. Seine Finger berührten ein Taschentuch, welches sorgsam gefaltet auf seiner oberen Kopfhälfte lag. Behutsam nahm er das Taschentuch herunter und öffnete seine Augen. In seinem Mund hatte sich ein Geschmack ausgebreitet, den er nicht zuordnen konnte. Seine Brust fühlte sich so schwer an, als wäre er einen Marathon gelaufen. Wenige Sekunden später bemerkte er einen Schmerz am Hinterkopf. „Ah, bist du wieder wach. Wie fühlst du dich?“, erklang Kakashis Stimme, als dieser langsam näherkam. Iruka blinzelte ihn verwirrt an, setzte sich langsam auf und sah sich um. Sie waren nicht mehr im Gebäude, sondern befanden sich direkt davor. Doch Iruka konnte sich nicht daran erinnern, das Krankenhaus wieder verlassen zu haben. Das Licht des Sonnenuntergangs verriet ihm, dass er mehrere Stunden lang ohnmächtig gewesen sein musste. Während er darüber nachdachte, was wohl mit ihm passiert war, spürte er, wie der Schmerz sich in seinem Hinterkopf immer weiter ausbreitete. Das Gesicht verzerrt, begann Iruka an der betroffenen Stelle zu tasten und spürte unter einer dünnen Verbandsschicht eine schmerzhafte Beule. Sofort zog er seine Hand zurück und sah, wie ihm Kakashi eine Tablette zusammen mit seinem Trinkbehälter anbot. „Hier. Das ist leider das Einzige, was ich für dich in diesem Augenblick tun kann.“ Dankbar nahm Iruka das Schmerzmittel an. Mit einem großen Schluck Wasser spülte er die Tablette herunter, bevor er Kakashi seinen Becher wiedergab. „Was ist passiert?“, wollte er von seinem Kollegen wissen, doch dieser hielt sich nicht mit derartigen Fragen auf. Stattdessen näherte er sich Irukas Gesicht, bis sie nur noch wenige Zentimeter trennten. Mit seinem freien Auge starrte Kakashi abwechselnd in die von Iruka, dann legte er seine Hand auf dessen Stirn. „Ist dir schlecht, schwindelig oder hast du andere Beschwerden? Ich bin zwar kein Iroyounin, aber erste Hilfe kann ich allemal leisten“, sagte Kakashi, während er sich noch einmal Irukas Pupillen vornahm. „Danke, aber nein. Mir geht es gut, keine Sorge. Danke auch, dass du dich um mich gekümmert hast“, sagte Iruka und tastete noch einmal vorsichtig nach der Beule. „Die hier werde ich aber trotzdem in Konoha ansehen lassen müssen…“ Kakashi nickte ihm zu. „Ja, das solltest du, das wäre besser. Nun gut, um deine Frage von vorhin zu beantworten …“ Mit einem Blick zur Seite, begann Kakashi durch seine Maske hindurch zu pfeifen. Wieder konnte Iruka hören, wie sich ihm etwas näherte. Dieses Mal jedoch hörte es sich natürlicher und weniger bedrohlicher an. Dann sah er, wie sich ihm mehrere wilde Hunde näherten, die ihn mit einem treuherzigem Blick und wedelnden Schwänzen begrüßten. Iruka konnte ihr dunkles, schmutziges Fell gut erkennen. Keiner der Hunde schien ein Halsband zu tragen oder eine andere Markierung eines möglichen Besitzers. „Wilde Hunde? Ich verstehe nicht?“, sagte Iruka und blickte Kakashi fragend an. Dieser schien gute Laune zu haben, das konnte er ihm trotz Maske und Stirnband sehr deutlich am Gesicht ablesen. „Die wilden Jungs hier haben dich unten im Keller gefunden. Leider waren sie dabei ein wenig zu stürmisch, weil sie schon lange keine Menschen mehr gesehen haben. Sie wollten dir nichts Böses, aber du bist unglücklich gestürzt, als dich einer von ihnen angesprungen hat.“ Kakashi streckte den Arm aus und einer der größeren Hund nahm die Einladung zum Kraulen sofort an. „Du hast dir den Kopf an einem dieser Untersuchungstische angehauen. Zum Glück wurde das Empfangsgerät dabei nicht beschädigt. Und die Hunde haben einen ziemlichen Aufruhr gemacht, so konnte ich dich recht schnell finden.“ „Verstehe, dann waren es die Hunde, die ich dort unten gehört habe. Durch den Hall haben sie sich dann viel unheimlicher angehört, als sie eigentlich sind“, sagte Iruka. Kakashi wandte seine Aufmerksamkeit wieder zu Iruka und schien ihn anzulächeln. „Dann habe ich dich rausgetragen, mich um dich gekümmert und gewartet, bis du wieder wach wurdest. Nun gut, in der Zwischenzeit habe ich unsere Mission beendet. Ich habe nichts gefunden. Das ist schade, aber es war nicht anders zu erwarten.“   Iruka seufzte, auch wenn er sich ebenfalls keinen anderen Ausgang der Mission hatte vorstellen können. Als er sich sicher fühlte, wollte er die Gelegenheit nutzen und sich vom Boden erheben. Doch Iruka kam nicht weit, denn Kakashis Hand hielt ihn mit sanftem Druck an Ort und Stelle. Mit hochgezogenen Schultern sah Kakashi ihn noch genauer unter die Lupe. „Überstürze es nicht, immerhin hast du dir eine Kopfverletzung zugezogen. Wenn du jetzt zu schnell aufstehst, könnte dir schwindelig oder gar schlecht werden.“ Überrascht sah Iruka Kakashi an, so angespannt hatte er den Kopierninja schon lange nicht mehr erlebt. Machte er sich tatsächlich Sorgen um ihn? Irukas Wangen färbten sich rosa und hoffte, dass Kakashi das großzügig übersehen würde. Schließlich ließ Kakashi seine Schultern sinken, seine Gesichtsmuskel lockerten sich und seine Stimme nahm wieder den lockeren Ton von zuvor an. „Wenn ich dich aber so sehe, scheint bei dir alles in Ordnung zu sein. Du klingst auch nicht desorientiert oder als würde es dir schlecht gehen. Das ist gut, das ist es wirklich.“ Iruka glaubte, unter Kakashis Maske ein Lächeln zu sehen. „Um ehrlich zu sein, als ich dich in diesem Untersuchungszimmer am Boden gefunden habe, dachte ich zuerst, dir wäre etwas viel Schlimmeres zugestoßen. Dass ich kein Blut gefunden hatte, war schon ein ziemlich gutes Zeichen. Dennoch, ich kenne mich mit derartigen Dingen nicht so gut aus, möglicherweise sollte mir Sakura eine Nachhilfestunde geben. Damit ich meine Grundkenntnisse erweitern kann..“ Nun war es Kakashi, der sich nervös am Hinterkopf kratzte, bevor er wieder das Wort ergriff. „Leider habe ich es mit meiner Fürsorge ein wenig übertrieben. Genauer gesagt, ich habe dir nicht nur den Verband umgebunden, sondern wollte auch eine Reanimationsmaßnahme einleiten. Glücklicherweise fiel mir recht schnell auf, dass du doch keine Atemnot hattest. Am Ende hätte ich dir vielleicht sogar aus Übereifer eine oder zwei Rippen gebrochen, das wäre mir wirklich unangenehm gewesen.“   Iruka, der es für einen kurzen Moment mit der Angst zu tun bekam, ging noch einmal gedanklich durch, was alles zu einer Herzdruckmassage gehörte. Nun hatte er eine Erklärung für das Druckgefühl in seiner Brust, nahm es seinem Kollegen jedoch nicht übel. Dann erinnerte er sich an den fremden Geschmack auf seiner Zunge und sein Kopf nahm die Farbe einer überreifen Tomate an. „Soll… soll das bedeuten, du hast … also ich meine, du, ich, wir, unsere …“, stammelte Iruka vor sich hin. Seine Gedanken fuhren Achterbahn und sein Herz hatte sich in einen Presslufthammer verwandelt. „Ach was, mach dir keine Gedanken, auf einer Mission kann es jedem Ninja passieren, dass er sich eine Verletzung zuzieht und medizinisch versorgt werden muss. Immerhin war es dunkel und du warst schon lange nicht mehr außerhalb der Akademie tätig. Zumal du auch kein Aufklärungs-Ninja bist und nicht über eine dementsprechende Ausbildung verfügst“, entgegnete Kakashi freundlich. „Ja … ja sicher“, sagte Iruka, doch weder sein Herz noch seine Seele wollten sich beruhigen. Unbewusst berührte er seine Lippen mit den Fingerspitzen, ganz so, als könnte er ertasten, was während seiner Ohnmacht passiert war. Dass Kakashi begann, ihn mit einem verschmitztem Gesichtsausdruck anzusehen, machte es für sein Nervenkostüm nicht viel einfacher. „Oh, darum geht es dir … nun, ich muss zugeben, ich habe zuerst gehandelt und dann nachgedacht. Wie gesagt, zum Glück ist mir mein Irrtum schnell bewusst geworden. Das ist aber auch kein Grund, rot zu werden“, sagte Kakashi amüsiert. Sein Ton klang lange nicht mehr so ernst wie noch vor wenigen Minuten. Viel mehr hatte er eine sehr neckische Note angenommen. „Ja, das stimmt, ich meine, wir sind zwei erwachsene Männer und du hast dir nur Sorgen um einen Kameraden gemacht, da ist ja nichts dabei!“, sagte Iruka und versuchte, auf die Beine zu kommen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Genauso wenig, wie sein Herz oder sein Blut es taten. Als Kakashi sich zu ihm hinunter beugte und sein Gesicht immer näherkam, noch immer mit diesem seltsamen Ausdruck in den Augen, begann Irukas Haut zu glühen. Sein Körper wurde unbeweglich, wie der einer Marmorstatue. „Erinnerst du dich noch an deine Frage von heute Mittag? Die, auf die ich dir keine Antwort gegeben habe? Das werde ich nun ändern.“ Iruka zwang seinen Blick zurück zu seinen Kollegen, auch wenn es sich für ihn anfühlte, als würde er direkt in die Sonne sehen. Seine Ohren begannen zu rauschen und er fragte sich, ob er diesen Augenblick überleben würde. Er wollte am liebsten flüchten, doch sein Körper hatte sich vollkommen seiner Kontrolle entzogen. Unter Kakashis Maske zeichnete sich ein Lächeln ab, soviel konnte Iruka erkennen. Er spürte, wie Kakashi eine Hand unter sein Kinn legte. „Ich schätze, ich sollte dir einen wahren Grund zum Rotwerden geben“, sagte Kakashi und griff mit der anderen Hand an seine Maske. Iruka schluckte schwer, seine Gedanken rasten immer schneller umher und er glaubte, sich in einem Traum zu befinden. Oder war es gar ein Gen-Jutsu? Ganz egal, was es war, er konnte den nächsten Schritt kaum abwarten. Und auch wenn Kakashi üblicherweise jemand war, der andere auf sich warten ließ, so gab er Iruka diesmal keine Zeit zum Nachdenken. Kaum hatte Kakashi seine Maske heruntergezogen, spürte Iruka, wie sein Kinn sanft angehoben wurde. Weiche Lippen berührten die seinen, mit einem festen und doch angenehmen Druck. Irukas Gedanken wurden weggeschwemmt, weit weg an einen Ort außerhalb seiner Reichweite. Überrascht öffnete er seine Lippen, nur ein kleines Stück. Eine unausgesprochene Einladung und zugleich Sehnsucht nach mehr. Sein Gegenüber verstand ihn sofort. Mit der Zungenspitze tastete er Irukas Lippen ab, wie um sich eine Bestätigung zu holen und Iruka ließ ihn sofort gewähren. Er öffnete seinen Mund weiter, bis Kakashis Zunge die seine berührte. Sein ganzer Körper erbebte, als ein Feuerwerk der Gefühle in ihm explodierte. Er widerstand nur mit Mühe dem Verlangen, Kakashi an sich zu ziehen. Stattdessen ließ er sich von dem Kuss treiben, wie auch von den Gefühlen, die ihm überschwemmten. Iruka hatte das Gefühl, dass er Kakashi damit das Innerste seiner Seele präsentiert hatte. Mit bebenden Händen griff er nach Kakashis Jacke und hielt sich wie ein Ertrinkender an ihm fest. Er wusste, es musste sich nur um Sekunden handeln, und doch kam ihm diese Berührung wie eine Ewigkeit vor.   Umso größer war seine Enttäuschung an, als Kakashi sich von ihm löste und ein Stück zurückwich. „So, mein Lieber, jetzt hast du eine Antwort auf meine Frage erhalten, nicht wahr?“, fragte Kakashi mit einem Lächeln. Doch alles, woran Iruka denken konnte, war die Tatsache, dass er Kakashi zum ersten Mal in seinem Leben ohne seine Maske sah. Gebannt, als wäre es ein Weltwunder, starrte er Kakashis Lippen an. „Ich kann mir vorstellen, dass es dir gefallen hat und du gerne weitergegangen wärst. Aber ich denke, das hier ist ein denkbar schlechter Ort. Außerdem musst du noch zum Arzt oder hast du das etwa vergessen?“ Als wäre nichts weiter passiert, erhob Kakashi sich. Kaum hatte er seine Maske wieder zurechtgerückt, reichte er Iruka eine Hand. Dieser ließ sich nicht zweimal bitten und kaum stand er auf den Beinen, wurde ihm bewusst, was Kakashi ihm soeben vorgeschlagen hatte. Iruka wusste nun, wie sich eine lebendige Kerze anfühlen musste, denn sein Gesicht hatte sich gerade eben in eine verwandelt. Wieder begann Kakashi ihn anzulächeln, das konnte Iruka trotz der Maske gut erkennen. „Um ehrlich zu sein, ich habe mir nie sonderlich viele Gedanken darum gemacht, welche Art von Mensch mir gefällt oder auf welches Geschlecht ich mehr stehe. Ich schätze mal, ich habe da keine festen Vorlieben, sondern finde schlicht den jeweiligen Menschen anziehend. Ergibt das Sinn?“ Iruka nickte, soweit es sein verletzter Kopf erlaubte. Seine Nerven beruhigten sich, solange er nicht versuchte sich auszumalen, was Kakashi mit seinem Vorschlag gemeint haben könnte. „Schätze, wir sind hier fertig. Zeit, aufzubrechen und die Mission offiziell von Tsunade als beendet erklären zu lassen. Die einzigen Bewohner, die dieses Krankenhaus nun hat, sind diese wilden Hunde“, sagte Kakashi. Er war wieder ganz im Arbeitsmodus. Iruka dagegen studierte ihn, suchte nach irgendwelchen Anzeichen, ob und wie Kakashi auf den Kuss reagierte. Dann fiel ihm auf, dass sein Kollege ein wenig schneller als üblich sprach und weniger selbstbewusst als üblich klang, seit er sich von ihm gelöst hatte. Ob es ihn ebenfalls ein wenig nervös gemacht hatte? Waren sie denn weiterhin nur noch Kollegen? Oder war da doch mehr? Iruka konnte es kaum erwarten, eine Antwort auf diese Fragen zu finden. Dieser Gedanke ließ sofort wieder das Blut in seinen Kopf schießen. „Oh, also wirklich, dafür ist das hier definitiv der falsche Ort, findest du nicht?“, konnte er Kakashis Stimme hören und für einen Augenblick wunderte er sich, was dieser damit meinen könnte. Dann sah Iruka an sich herab und wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken. „Schäm dich nicht, irgendwie gefällt mir, dass du so auf mich reagierst. Aber heb dir das lieber für später auf, wenn wir wieder in Konoha sind, und nicht hier vor einem verlassenen Krankenhaus, so kurz vor Einbruch der Dunkelheit.“ Das gab Iruka den Rest, sein Kopf war ein leeres Blatt Papier und er war so damit beschäftigt, seine untere Körperhälfte wieder unter Kontrolle zu bekommen, dass ihm beinahe entging, wie nervös Kakashi selbst geworden war. „Nun, mein … Freund? Lass uns aufbrechen, bevor du mir hier noch umkippst und ich dich noch nach Hause tragen darf“, schlug Kakashi vor. Iruka, dessen Blut nun wieder gleichmäßig durch den gesamten Kreislauf zirkulierte, nickte stumm vor sich hin. „Ja, lass uns nach Hause gehen, geliebter Freund.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)