Schicksalssterne von _Delacroix_ ================================================================================ Kapitel 1: Capricornus ---------------------- Die Gläser in Mamorus Küchenschrank verabschiedeten Zoisite mit einem leisen Klirren, welches Jedite dazu veranlasste, verächtlich mit den Augen zu rollen. „Kaum hat er wieder einen Körper, missbraucht er ihn auch schon“, kommentierte er gehässig, während er die Teetasse an seine Lippen hob. Er nahm einen tiefen Schluck von seinem Sencha und wartete auf einen spitzen Kommentar seines Gegenübers, doch der blieb überraschenderweise aus. Neflite stocherte einfach weiter in seinem Frühstücksreis herum. Jedite runzelte die Stirn. „Bin ich so eine schlechte Gesellschaft, dass du nicht mal mehr mit mir über Zoisite lästern willst?“, fragte er über den Rand seiner weiß-blauen Porzellantasse hinweg. Neflite schlug die Essstäbchen ein weiteres Mal in sein Frühstück hinein. Einzelne Reiskörner flogen durch die Luft und bleiben einsam und verlassen zwischen ihnen auf der dunkel gemaserten Tischplatte liegen. „Ich verstehe“, murmelte Jedite in seinen Tee, „Der Mond steht scheinbar gerade in einer Linie mit dem Mars, während Uranus ihre gemeinsame Bahn durchkreuzt.“ Endlich hörte Neflite auf, den armen Reis zu foltern. Langsam hob er seinen Blick. „Du redest Unsinn“, stellte er nüchtern fest. „Würde Uranus die Bahn von Mond und Mars durchkreuzen, wäre Zoisite unser allerkleinstes Problem.“ Jedite ließ seine Tasse sinken. „Ich habe nie behauptet, dass ich etwas von Astronomie verstehe“, entgegnete er. „Was ich aber verstehe ist, dass irgendetwas empfindlich deine Laune trübt.“ Betont langsam zog Neflite die Essstäbchen aus dem Reis und legte sie quer über der Schüssel ab. „Vielleicht habe ich auch einfach keinen Hunger“, behauptete er. Seine blauen Augen funkelten angriffslustig. Jedite hob ein weiteres Mal seine Tasse an. Eigentlich lag es ihm fern, Neflite zu reizen, doch wenn sein Freund schon wie ein angriffslustiger Steinbock die Hörner senkte ... „Nicht zu essen wäre gegen deine Natur“, platzte er heraus und pausierte lediglich, um einen wohlbedachten Schluck von seinem Tee zu nehmen. „Menschen handeln nicht entgegen ihrer Natur.“ „Ich bin weder ein Mensch, noch würde ich das so unterschreiben,“ widersprach Neflite, „Außerdem lässt du es so klingen, als würde ich den ganzen Tag lang nur ans Essen denken.“ Jedite blickte ein weiteres Mal über den Rand seiner Tasse hinweg. „Stimmt“, entgegnete er, „das ist übertrieben, du verbringst damit höchstens zwei Drittel des Tages.“ Der Tritt kam schneller, als er ihn erwartet hatte. Dafür tat sein Schienbein danach aber auch doppelt so weh. Unglücklich stellte Jedite die Teetasse wieder ab. „Den hab ich wohl verdient“, murrte er mit zusammengebissenen Zähnen. Einen Moment lang zuckten Neflites Mundwinkel, dann richtete er den Blick wieder auf seine Reisschale. „Hast du“, pflichtete er ihm bei, ohne ein weiteres Mal Anstalten zu machen, nach den Essstäbchen zu greifen. „Aber du hast auch recht. Ich habe wirklich schlechte Laune.“ „Also ist doch irgendein Stern in Schieflage?“, fragte Jedite, während er die Hand unter dem Tisch verschwinden ließ, um sein schmerzendes Schienbein zu reiben. Verdammt, Neflite hatte wirklich gut getroffen. „Es ist weder Mond noch Mars und schon mal gar nicht Uranus“, erklärte sein Gegenüber, „Wenn du es unbedingt wissen willst, Jupiter und Venus bilden derzeit eine recht unglückliche Formation.“ Jedite hielt im Reiben inne. „Jupiter und Venus?“ wiederholte er. Er hatte keine Ahnung, wo genau da der Unterschied zu seiner Mars-Theorie sein sollte, aber er zog es vor, das Neflite lieber nicht zu sagen. Stattdessen legte er das Kinn auf den Rücken seiner freien Hand. „Und was kann man dagegen unternehmen?“, fragte er. Neflites Blick löste sich von der Reisschale und wanderte abschätzig über ihn hinweg. „Gegen den Einfluss der Sterne, kann man nichts unternehmen“, erklärte er ihm. „Sie sind immer da und sie beeinflussen uns zu jeder Zeit. Aber ...“ Jedite runzelte die Stirn. „Aber?“ „Das es unmöglich ist, heißt nicht, dass man es nicht versuchen kann.“ Kapitel 2: Libra ---------------- Hätte er geahnt, dass Neflites kosmischer Widerstand diese Form annehmen würde, er hätte ihn über seiner Reisschale versauern lassen. Stattdessen verstärkte er den Griff um seinen Tennisschläger. „Wenn du jetzt lachst, wird es dir leidtun“, knurrte er ihm entgegen. Neflite ließ die Drohung an sich abperlen, wie er es sonst mit Zoisites Sticheleien zu tun pflegte. „Ich weiß nicht, warum ich lachen sollte“, entgegnete er offensichtlich amüsiert. Langsam ließ er den Blick über Jedites Verkleidung gleiten. „Du siehst doch eigentlich ganz fesch aus.“ „Ich trage Tennis-Shorts.“ „Das tut man nun mal bei diesem Sport. Und jetzt geh da rüber, damit ich meinen Aufschlag üben kann.“ Jedite presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, gehorchte aber. Wenn es etwas gab, was noch peinlicher war, als mit weißen Tennis-Shorts herumzulaufen, dann war es mit Sicherheit mit weißen Tennis-Shorts herumzulaufen, ohne einen guten Grund dafür zu haben. Mit langsamem Schritt marschierte er an den Rand des Platzes, drängt sich an dem tief hängenden Netz vorbei und steuerte dann brav die linke Spielfeldhälfte an.   An den Rändern des Platzes tuschelte es verdächtig. Scheinbar hatte Neflite bereits einen kleinen Fanklub zusammen. Jedite erlaubte es sich, die Mädchen aus den Augenwinkeln zu mustern. Die meisten von ihnen waren jung, in Schuluniform und sahen aus, als würden sie sich noch weniger für Tennis interessieren als er. Was wirklich schwer möglich war. Dennoch schien ihre Anwesenheit Neflites Laune zu heben. Er lächelte sogar, als er seinen Schläger hob, um Jedite den kommenden Aufschlag anzuzeigen. Gerne hätte Jedite weiter darüber nachgedacht, ob es der Sport oder die Mädchen waren, die diese Reaktion bei seinem Freund hervorriefen, doch der warf routiniert den Ball in die Luft, schwang seinen Schläger und nahm ihm damit jedwede Gelegenheit. Das runde Geschoss zischte über das Netz hinweg, knallte unweit von ihm auf den Boden und plötzlich musste Jedite sich beeilen, um das verdammte Ding noch zu erwischen. Sein Ball flog deutlich ungenauer zurück, aber immerhin hatte er ihn überhaupt getroffen. Ein Raunen ging durch das Publikum. An anderen Tagen hätte Jedite sich gefragt, warum, doch heute hatte er keine Zeit dafür. Neflite war schnell. Mit einer Eleganz, die Jedite nur zu gut kannte, sprintete er über das Feld. Das typische „Plopp“ erklang, dann flog der Ball erneut in seine Spielfeldhälfte. Er kam der Seitenlinie verdächtig nahe, doch Jedite kannte seinen Gegenüber gut genug, um zu wissen, dass er nicht ins Aus spielen würde. Neflite hatte die perfekte Kontrolle über den Ball und er würde sie sicher nicht nutzen, um ihm einen Punkt zu schenken. Als sein Schläger auf den Ball traf, fuhr ihm die Berührung durch den ganzen Arm. Nein, Neflite wollte auf keinen Fall ein einfaches Spiel spielen. Leider nützte ihm diese Erkenntnis herzlich wenig. Zwar schaffte er es irgendwie, den Ball wieder in die Mitte zu lenken, doch letztlich tat er damit seinem Gegenüber einen Gefallen. Neflite ließ ihn rennen. Trieb ihn von einer Ecke des Spielfelds in die andere, während er selbst von Jedites kläglichen Versuchen, den Ball vor dem Aus zu bewahren, profitierte. Wer glaubte, dieses Spiel hielte sich die Waage, nur weil bisher noch kein Punkt gefallen war, irrte sich gewaltig.   Frustriert schlug Jedite ein weiteres Mal gegen den Ball. Sein Atem raste, ihm war heiß und würde er nicht dieses dämliche Schweißband tragen, ihm würden vermutlich längst die Haare im Gesicht kleben. Neflite dagegen sah aus wie frisch aus dem Ei gepellt. Seine braunen Haare flatterten im Wind, wann immer er es für nötig hielt, ein paar schnellere Schritte zu machen und Jedite erwischte sich bei dem Gedanken, dass er schon verstehen konnte, warum sie so viele Zuschauerinnen hatten. Wenn Neflite den Schläger schwang, sah dieser Sport so einfach aus. Jede Bewegung hatte ein Ziel. Manchmal war sie unscheinbar, kaum mehr als ein besonders langer Schritt oder eine leicht eingedrehte Hand und dann wieder war sie groß und ausladend und es fiel schwer, ihn dabei nicht einfach anzustarren. Es war auch schon immer so gewesen. Jedite erinnerte sich an ihre endlos langen Übungsstunden mit dem Schwert. Die, bei denen Kunzite effizient, Zoisite gemein und Neflite eindrucksvoll gewesen war. Der einzige Unterschied zu damals war, dass bei diesem Sport ein Netz zwischen ihnen hing. Ein weiteres Ploppen brachte Jedites Gedanken in die Gegenwart zurück. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie der Ball knapp über das Netz hinweg flog. „Scheiße“, ging es ihm durch den Kopf. Dann sprintete er vorwärts. Der Ball prallte kurz hinter dem Netz auf, machte einen kleinen Hüpfer und Jedite warf sich in seine Richtung. Er schlitterte ein Stück über den Boden, doch das übliche Gefühl in seinem Arm blieb aus. Er hatte nicht getroffen. Langsam hob er den Kopf, um zu sehen, wie der Ball seitwärts von dannen rollte. „Verdammt!“ Vertraute Schritte kamen auf ihn zu. „Das war knapp“, urteilte Neflite und lehnte sich über das Netz. „Hast du dir wehgetan?“, fragte er. Einen Moment lang war Jedite versucht einfach „Ja“ zu antworten, und es wäre nicht einmal gelogen gewesen. Seine Haut brannte an den Stellen, an denen sie über den Boden geschrammt war. Sein Arm tat vom Annehmen der Bälle weh, doch gerade noch rechtzeitig erinnerte er sich wieder, warum er den Mist überhaupt machte und schüttelte stur den Kopf. „Geht schon“, murrte er, während er sich langsam wieder aufrappelte. „Aber Jupiter und Venus haben wir es damit hoffentlich gezeigt.“ Kapitel 3: Scorpio ------------------ Neflite schenkte ihm ein dünnes Lächeln. „Du hast wirklich keine Ahnung, wie das mit den Sternen funktioniert“, stellte er fest. Jedite öffnete den Mund, bereit zuzugeben, dass das sogar der Wahrheit entsprach, doch er kam nicht dazu. Ein leises Hüsteln lenkte Neflites Aufmerksamkeit von ihm ab. Neugierig schielte Jedite an seinem Freund vorbei und entdeckte ein Mädchen, das sich zu ihnen auf den Platz gewagt hatte. Sie war brünett und trug einen hellen Blazer, auf dessen Brusttasche ein stilisierter Skorpion prangte. Vermutlich war es das Wappen irgendeiner Privatschule. „Tolles Spiel“, lobte sie und stemmte die Hände in die Hüften, fast so, als spräche sie jeden Tag fremde Männer auf irgendwelchen Tennisplätzen an. Das verhaltene Kichern ihrer Mitschülerinnen strafte den Eindruck lügen. Vermutlich hatten die Mädchen sich gegenseitig aufgeputscht und nun war sie es, die das Ganze ausbaden musste. An anderen Tagen hätte sie ihm deshalb leidgetan, doch heute stellte sich das vertraute Gefühl nicht ein. „Ihre Rückhand ist wirklich eindrucksvoll“, redete sie weiter und Jedite stellte spontan fest, dass es daran lag, dass er sie nicht mochte. Neflite seinerseits wandte sich ihr jetzt ganz zu. „Danke“, entgegnete er freundlicher als alles, was Jedite hätte hervorwürgen können. Andererseits ignorierte das Mädchen ihn ohnehin. Es strahlte viel lieber Neflite an. „Ich hatte gehofft“, begann die Kleine und hob eine Hand, um sich damit „unschuldig“ durch die Haare zu fahren, „Sie könnten mir erklären, wie man so eine präzise Rückhand spielt.“ Langsam, aber sicher wickelte sich eine dicke Haarsträhne um ihre Fingerspitzen. Neben ihm holte Neflite tief Luft. „Ich bin Tennistrainer“, log er und fiel damit komplett in seine liebste Scheinidentität, „Du kannst gerne eine Stunde buchen. Oder zwei.“ Das Mädchen entließ die Haarsträhne mit einem breiten Lächeln. „Das wäre wundervoll“, gurrte es. „Was meinen Sie, wollen wir die Details im Café besprechen? Hier um die Ecke gibt es eines, das macht einen wirklich ausgezeichneten Schokoladeneisbecher.“   Neben ihm hielt Neflite plötzlich den Atem an. Das Energiemuster, das er aussandte, veränderte sich und der Art nach zu schließen, wie er sich verspannte, war seine Laune gerade wieder in den Keller gesunken. Jedite machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne. Er wusste nicht, was diese Reaktion bei Neflite ausgelöst hatte, aber er wusste, er musste es beenden. – Am besten sofort! „Ich fürchte, das wird nichts werden“, ergriff er das Wort und wurde dafür mit einem mehr als giftigen Blick belohnt. „Und du bist?“, fragte das Mädchen, was seinen ersten Eindruck gleich noch einmal verstärkte. Nein, er mochte sie wirklich nicht. Neben ihm atmete Neflite hörbar aus. „Er ist mein Freund“, erklärte er ein paar Nuancen schärfer als nötig, „Und er hat recht. Wir sind durchgeschwitzt und wir stinken. Bevor wir nicht unter der Dusche waren, gehen wir besser nirgendwo hin.“ Das Mädchen öffnete den Mund. Zweifelsohne um zu erklären, dass sie auf Jedite gut und gerne würde verzichten können, doch Neflite griff bereits etwas unwirsch nach seinem Arm. „Wir machen das ein anderes Mal“, bestimmte er und zog ihn nicht gerade sanft von dannen.   Kaum das die Tür zur Männerumkleide hinter ihnen zugefallen war, lösten sich Neflites Finger um sein Handgelenk. Jedite atmete auf. Er hatte sich die letzten Minuten ein wenig wie in einem Schraubstock gefühlt. Unzufrieden rieb er über seinen schmerzenden Arm. „Ich weiß nicht, was dich gestochen hat, aber schönen Dank auch“, murrte er. „Dir ist schon klar, dass ich nur stinke, weil du es so wolltest, ja?“ Neflite atmete tief durch. „Ich weiß“, entgegnete er, während er seine Spindtür öffnete. „Ich habe das auch nur gesagt, um sie loszuwerden. Wenn ich etwas gar nicht will, dann ist es in irgendeinem Café Eiscreme zu löffeln.“ Jedite legte den Kopf schief. „Warum eigentlich nicht?“ Sein Freund zog zwei Handtücher aus den Untiefen seines Schrankes und hielt sie ihm entgegen. „Lange Geschichte“, murmelte er. Skeptisch nahm Jedite ihm ein Handtuch ab. „Du weißt, ich habe gerade nicht viel zu tun“, behauptete er, doch Neflite schüttelte beinahe augenblicklich den Kopf. „Ich werde dir diese Geschichte sicher nicht unter der Dusche erzählen“, stellte er klar. Jedite seufzte. „Schon gut, schon gut“, lenkte er ein. „Es ist nur, vielleicht würde es dir ganz guttun, mal mit jemandem Eis essen zu gehen.“ „Wegen der Gesellschaft oder der Eiscreme?“, fragte Neflite nach. Jedite zuckte mit den Schultern. „Potenziell wegen beidem“, entgegnete er. „Ich kenne dich, du magst süße Sachen.“ „Vielleicht hat sich mein Geschmack geändert.“ Jedite runzelte die Stirn. „Mach dich nicht lächerlich. Wir wissen beide wie sehr du dich neulich gefreut hast, als Mamoru diesen Kuchen mitgebracht hat.“ „Kuchen ist keine Eiscreme.“ „Aber Beides ist unverschämt süß. Kapitel 4: Cancer ----------------- Heißes Wasser rann an ihm hinab und entspannte seinen schmerzenden Körper. Dampfwolken hingen in der Luft, doch wenn Jedite den Kopf drehte, konnte er dennoch einen guten Blick auf Neflite werfen. Dessen langes Haar hing ungewohnt dunkel und glatt an ihm hinunter und ließ ihn ein bisschen wie einen begossenen Pudel wirken. Einen Pudel, der genau diesen Moment nutzte, um sich seinerseits zu ihm umzudrehen. Einen Augenblick lang sahen sie einander an. „Wenn du das Wasser noch weiter aufdrehst, endest du wie ein Krebs in der Suppe“, stellte Neflite fest. Jedite zuckte mit den Schultern. „Ich mag meine Duschen eben heiß“, entgegnete er. „Ein Wunder, dass sich dir nicht die Haut abschält“, gab Neflite zurück, „Ernsthaft, ich spüre die Hitze bis hierher.“ „Wer weiß, ob die wirklich vom Wasser kommt“, schnappte Jedite zurück und musste zu seiner Überraschung feststellen, dass Neflite sich eilig von ihm abwandte. Mit neuem Interesse verteilte er Duschgel auf seinen Oberarmen. Einen Moment lang sah Jedite ihm dabei zu. Lange Finger, die zuerst seinen Unter- und dann seinen Oberarm hinauf glitten und süßlich duftendes Duschgel auf Muskeln verteilten, die er in der Form definitiv nicht hatte. Der Geruch breitete sich im Raum aus, hüllte ihn für ein paar Atemzüge völlig ein und einen kurzen Augenblick lang fiel es ihm leicht, sich vorzustellen, Neflite hätte das Zeug gerade auf ihm verteilt. Energisch drehte er das Wasser noch ein bisschen höher. Inzwischen brannte die Hitze auf seiner Haut, doch sie war nicht so stark wie die Hitze in seinem Inneren. „Jedite“, versuchte Neflite es noch einmal, doch er beschloss ihn zu ignorieren. Langsam hob er den Kopf, ließ das heiße Wasser durch seine Haare laufen und genoss es für einen Moment voll und ganz im Dampf zu verschwinden. Die Hitze brannte auf seiner Kopfhaut, auf seinen Schultern und auch auf seiner Brust. Eine willkommene Ablenkung von allem, woran er lieber nicht denken wollte. „Jedite!“, erklang es noch einmal und plötzlich schlug die Temperatur komplett ins Gegenteil um. Eiskaltes Wasser spritzte auf ihn hinab. Jedite stieß einen entsetzten Schrei aus und machte einen Satz zurück, nur um mit dem Rücken gegen einen warmen Körper zu prallen. Überrascht blickte er über die Schulter nach hinten, sah aber nur braune Locken. Eine Hand legte sich an seine Hüfte. „Entschuldige“, murmelte Neflite in sein Ohr „Aber das war jetzt eindeutig zu heiß.“ Jedite blinzelte ihn verständnislos an. „Das Wasser“, präzisierte Neflite und hielt ihm prompt seine freie Hand unter die Nase. „Ich hab nur einmal kurz hinein gefasst und sie ist puterrot. Ich weiß wirklich nicht, wie du das ausgehalten hast.“ Jedite blinzelte mehrfach. „Ich weiß nicht, wieso dich das interessiert“, antwortete er schließlich. Die Hand an seiner Hüfte löste sich, Neflite machte einen knappen Schritt zurück. „Es interessiert mich aus dem gleichen Grund, aus dem du mit mir Tennis spielen gehst“, erklärte er ihm. „Wir kennen uns schon lange. Ich merke es, wenn du nicht richtig bei der Sache bist. So wie du es merkst, wenn mich eine alte Erinnerung quält.“ „Eine Erinnerung?“, wiederholte Jedite langsam, „Dann hat das alles also gar nichts mit irgendwelchen Sternen zu tun?“ Neflite schenkte ihm ein Lächeln. „Es hat immer alles mit irgendwelchen Sternen zu tun“, entgegnete er. „Auf dem Tennisplatz zum Beispiel hattest du eindeutig Jupiter auf deiner Seite.“ „Oder ich spiele einfach gutes Tennis,“ gab Jedite zurück. Neflites Blick wurde milder. Sie wussten beide, dass diese Aussage nicht stimmte. Er war kein guter Tennisspieler. Er hatte sich einfach nur reingehangen und eine Menge Glück gehabt. Und vielleicht auch … Jedite schüttelte den Kopf. An den Einfluss von Sternen glaubte er nicht. Oder vielleicht doch? „Was ist mit Venus?“, entfuhr es ihm, „Hätte die mich nicht auch beeinflussen sollen?“ Das Lächeln auf Neflites Lippen vertiefte sich weiter. „Hat sie das nicht?“, fragte er ihn und der samtige Klang seiner Stimme trieb Jedite die Röte ins Gesicht. Ja. Nein. „Vielleicht“, gab er schließlich zu und beobachtete, wie Neflites Lächeln zu einem handfesten Grinsen wurde. „Siehst du“, erklärte er, „Und da bist du nicht allein. Dieses Mädchen vorhin war eindeutig auch von Venus getrieben.“ „Hast du ihre Avancen deshalb abgewiesen?“ Neflite schüttelte den Kopf. „Ich habe ihre Avancen abgewiesen, weil sie mich an meine Ex-Freundin erinnert hat. Außerdem …“ „Außerdem?“, hakte Jedite nach. „Außerdem war sie nicht besonders nett zu dir.“ Jedite öffnete überrascht den Mund, klappte ihn aber gleich wieder zu. Neflite hatte den seltsamen Abgang hingelegt, weil dieses Mädchen nicht nett zu ihm gewesen war? Ausgerechnet zu ihm?! „Warum? Hätte sie mich auch einladen sollen?“, fragte er schließlich. Neflite zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Ja. Ich weiß es nicht“, gab er zu, „Aber ich weiß, es wäre nicht richtig gewesen, mit ihr in ein Eiscafé zu gehen.“ „Wegen der Sache mit deiner Ex-Freundin und dem Schokoladeneisbecher?“ „Nein, weil ich lieber mit dir Kuchen essen gehen will.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)