Frozen Lake von Phoenix-of-Darkness ================================================================================ Kapitel 1: Frozen Lake ---------------------- Ein eisiger Wind zerrte an Kais Körper, wirbelte den frisch gefallenen Schnee auf und ließ die kleinen Flocken erneut durch die Luft tanzen. Sie funkelten in den dünnen Lichtstrahlen der Sonne, ehe sie wieder auf den zugefrorenen Baikalsee rieselten. Der Baikalsee… Kais Atem ging stockend. Eigentlich hatte er an diesen See keine guten Erinnerungen und dennoch war er hier. Hier, in dieser Kälte, in diesem Land, in diesem Team. In Momenten wie diesen - wenn er alleine war - fragte er sich oft, warum er ins russische Team gewechselt war. Ok, er kannte die Antwort darauf sehr gut. Er wollte Takao besiegen und endlich seinen Weltmeistertitel zurück. Doch wieso er ausgerechnet in der Eiswüste, bei den Neo Borgs trainieren musste, war ihm nicht ganz klar. Er hätte doch auch in Japan weiter trainieren können und sich dann vor Ort mit den anderen treffen können. Doch stattdessen war er vor ein paar Wochen zu Yuriy aufs Schiff gestiegen und einfach so mir nichts, dir nichts nach Russland geschippert. Rückblickend betrachtet, war dies ein Fehler. Das musste selbst Kai sich eingestehen. Nicht nur, dass er den eisigen russischen Winter nicht bedacht hatte – nein – er hatte auch nicht bedacht, dass er sich mit Yuriy, Sergej, Ivan und Boris ein Apartment teilen musste. Wobei die ersten drei nicht das Problem waren, im Gegenteil. Ivan tüftelte oft an ihren Blades und dessen Fähigkeiten anerkennend, hatte Kai sich von dem Kleinsten im Team sogar einen neuen Balance Ring für Dranzer einbauen lassen. Seitdem machten selbst massive Unebenheiten im Boden Dranzer keinerlei Schwierigkeiten mehr. Nun und Sergej war der perfekte Trainingspartner für ihn. Denn dadurch, dass sein eigenes BitBeast das Element Feuer besaß und Seaborg mit dem gegensätzlichen Element Wasser angriff, konnte Kai Trainingsmatches gegen Drazil simulieren. Des Weiteren sorgte der Hüne, und das überraschte ihn anfangs, für ihr leibliches Wohl indem er protein- und vitaminreiche Mahlzeiten für sie alle zubereitete. Yuriy hingegen entband Kai von seinen Pflichten als Leader, da er diesen Posten im Team übernahm, was dem Jüngeren sogar ganz Recht war. Denn so kümmerte sich Yuriy um den organisatorischen Papierkram. Außerdem verbrachten sie jede freie Minute zusammen um sich weiter zu verbessern. Sie analysierten ihre Kampfstile, besprachen sich und merzten Fehler aus. Es entstand sogar eine Art Freundschaft zwischen ihnen. Doch Boris… Boris war und blieb ein Arsch. Zwar hatten sie sich zu Abtei – Zeiten schon nicht sonderlich verstanden, doch da saßen sie dennoch irgendwie im selben Boot und bei der ersten Meisterschaft… Kai seufzte. Er dachte nicht gern daran zurück. Immerhin hatte er die Bladebreakers damals verraten und die Art und Weise wie er das getan hatte, darauf war er nicht stolz. Vielleicht wollte Boris ihn deshalb nicht im Team haben? Befürchtete dieser etwa, dass er Yuriy und die Neo Borgs verraten könnte? Sollte er Boris so viel Verstand zutrauen? Er schnaubte und sein Atem bildete eine kleine neblige Wolke. Sollte der andere so viel Grips haben, dann waren Boris Zweifel und das etwaige Misstrauen nicht ganz abwegig und sogar irgendwo nachvollziehbar. Immerhin hatte er Takao erneut sitzen gelassen, doch dieses Mal würde er nicht so weit gehen und von Verrat sprechen. Nichtsdestotrotz rechtfertigte das nicht Boris Verhalten. Denn dieser provozierte Kai tagtäglich - mehrfach, bedachte ihn mit abwertenden Spitznamen und verhöhnte ihn wo er nur konnte. Zuerst ignorierte Kai dessen doch recht wortgewandte Spitzen. Aber mit der Zeit reagierte er immer dünnhäutiger darauf, sodass sich die letzten Tage hitzige Wortgefechte daraus entwickelten. Hinter sich hörte Kai den Schnee knarzen. Schwere Schritte näherten sich und er atmete dankbar aus. Dankbar, dass er nicht länger über den Russen mit den grünen Augen nachdenken musste. Endlich war Sergej an ihrem vereinbarten Treffpunkt angekommen und endlich konnten sie ein weiteres Trainingsmatch starten. Es würde ihn technisch und taktisch einiges abverlangen, denn aufgrund der Witterung und Seaborgs Attacken war er definitiv im Nachteil. Doch allein bei den Aussichten auf einen schwierigen Kampf begann Suzakus Feuer in ihm zu lodern. Kai drehte sich zu seinem Gegner um und was bzw. wen er da sah, verschlug ihm die Sprache. Es war als würde der eisige Windhauch augenblicklich an Intensität zu nehmen und die kleine Flamme in seinem Inneren erlosch. Fröstelnd rieben seine Hände über seine, in einem dicken Mantel steckenden Oberarme. Sein Gegenüber registrierte diese unbedachte Geste und ein überhebliches Grinsen schlich sich auf dessen Lippen. „Friert unsere kleine Prinzessin?“ Kai schallte sich gedanklich dafür, dass er seinem Bedürfnis nach Wärme nachgegeben und Schwäche gezeigt hatte. „Was.machst.du.hier?“ Die roten Augen Kais wurden zu Schlitzen und durchbohrten sein Gegenüber. „Keine Ahnung, was du hier machst, Hiwatari. Ich, für meinen Teil, warte auf Sergej.“ „Aha.“ Kai klang desinteressiert, doch: Moment! Er stutzte und sah zu Boris auf. Warum wartete dieser ebenfalls auf Sergej!? Der andere registrierte die fragend nach oben gewanderte Augenbraue und beantwortete die unausgesprochene Frage. „Sergej und ich wollten hier am See trainieren. Zwar sind Yuriy und du die Hauptblader, aber vielleicht bricht dir ja ein Fingernagel ab und dann kann ich die Gegner vernichten.“ Boris ließ seine rechte Faust in seine linke Handfläche schlagen. Ein euphorisches Grinsen zierte seine Gesichtszüge bei dem Gedanken gegen jemand anderen zu kämpfen. Anscheinend gab es da wohl doch eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen. Sofort schüttelte Kai den Kopf. Gemeinsamkeiten? Boris und er!? – Niemals. „Hey, Hiwatari!“ „Was denn!?“ genervt sah er auf. „Wieso bist du eigentlich hier draußen?“ Kai war irritiert. Da war kein bissiger Nebensatz, keine Anfeindung - nix. Der Ältere klang sogar aufrichtig interessiert. Lag das an der Kälte? Es musste daran liegen. Sie sprachen sonst nie miteinander ohne gratis Beleidigung. Oder war es, weil sie das erste Mal miteinander allein waren? „Ich warte ebenfalls auf Sergej. Seltsam, dass er sich mit dir verabredet hat…“ Seufzte Kai und steckte seine kalten Finger in die Manteltaschen. „… obwohl er eigentlich mit mir hier trainieren wollte.“ „Interessant…“ murmelte Boris grüblerisch und ging an Kai vorbei zum See. „Ach ja?“ Der Jüngere wand sich um und sah dem Größeren nach. „Ja!“ Kai sah zu wie Boris sein Bein ausstreckte und augenscheinlich testete, ob der zugefrorene See sein Gewicht trug. Er wartete, dass der Ältere weiter sprach, doch dieser schien sich auszuschweigen. Viel mehr galt dessen Aufmerksamkeit der Eisfläche. Was also fand Boris interessant!? Kai grübelte. Ja, sich mit Boris und ihm gleichzeitig zum Training zu verabreden und dann nicht aufzutauchen, das passte nicht zu Sergej, aber es als interessant zu bezeichnen... Boris sah wieder zu Kai. Er sah, dass der Jüngere nach wie vor fror, registrierte das minimale Zittern. Allerdings er sah auch wie es hinter Kais Stirn arbeitete, wie er noch immer über Boris Worte nachdachte und dabei grübelnd auf seiner Unterlippe kaute. Wenn Kai wüsste, wie niedlich er diese Eigenart fand. Diese und auch die Geste mit dem Hochziehen der Augenbrauen, wenn der Jüngere etwas in Frage stellte. Ja, er kannte den Jüngeren mittlerweile ziemlich gut. Immerhin hatte er ihn doch so oft in letzter Zeit beobachtet und er war sich sicher – nein, er wusste, dass Kai sich bei ihnen verloren fühlte. Aber obgleich er dies wusste, konnte er nicht anders als ihn tagein und tagaus zu triezen. Dabei wollte Boris eigentlich nur erreichen, dass Kai sich zuhause fühlte. Immerhin zoffte der Jüngere sich früher doch auch ständig mit dem Cappy Träger. Aber sein Plan schien nicht zu funktionieren. Denn ihre „Diskussionen“ gingen immer mehr unter die Gürtellinie – es war frustrierend. Aber apropos Gürtellinie – ungeniert glitt sein Blick zu dieser. Doch Kais Mantel bedeckte diese komplett. Schade eigentlich, dachte sich Boris und schnalzte mit der Zunge. Denn der Jüngere hatte einen ziemlich knackigen Hintern. „Also was ist nun so interessant daran!?“ „…einfach geformt wie ein knackiger Apfel...“ murmelte der Ältere noch abwesend. „Was!?“ verwirrt sah Kai den Älteren an. Hatte dieser einen Schlaganfall oder warum murmelte der so zusammenhangloses Zeug? „Was?“ Boris schreckte auf. Was hatte er da eben gesagt!? Oh, er hoffte, dass der Jüngere seinen Gedankengang nicht nachvollziehen konnte. Daher ließ er sich Kais vorherige Frage nochmal Revue passieren und besann sich auf ihr vorheriges Gespräch. „Na überleg doch mal, Hiwatari… Du bist hier und ich bin hier.“ „Ja, das sehe ich. Und weiter?“ „Aber die Person, die sich mit uns verabredet hat nicht…“ Langsam dämmerte es Kai worauf Boris hinaus wollte. „Willst du damit sagen, dass es eine Finte von ihm war, damit wir beide aus dem Haus sind?!“ Zur Bestätigung nickte der Ältere. Kai stöhnte entnervt. Dieses verdammte Land, das Team, die Kälte… Wenn er wieder in ihrer Unterkunft war, würde er Sergej gehörig den Marsch blasen. Immerhin fror er sich hier eine halbe Ewigkeit den Arsch ab und statt, dass der Hüne auftauchte und sie trainieren konnten, war Boris bei ihm! Boris… der gerade eben aufs Eis… „Was zur Hölle tust du!?“ entfuhr es Kai erschrocken. „Nach was sieht es denn aus?“ Boris befand sich auf dem zugefrorenen See und schlitterte etwas hin und her. „Es sieht so aus, als wärst du lebensmüde!!“ „Ach, komm! Das Eis ist einige Zentimeter dick.“ Zur Bestätigung stampfte er zwei- dreimal auf die gefrorene Fläche. Kai zog hörbar die Luft ein. „Kein Grund darauf herum zu turnen. Komm da gefälligst wieder runter!“ „Na sowas, machst du dir etwa Sorgen um mich!?“ „Wa-!?“ Boris grinste süffisant. Dabei wollte er gar nicht überheblich wirken. Doch genauso kam es bei seinem Gegenüber an. „Hmpf!“ Kai verschränkte die Arme. „Erwarte keine Hilfe, wenn du einbrichst.“ „Nun, du könntest ja gehen. Dann siehst du nicht ob ich einbreche…“ zischte er. Da war es schon wieder – der Beginn eines Streites. Boris könnte sich ohrfeigen, allerdings würde dies auch nichts ändern. Stattdessen atmete er nochmal durch und ruderte verbal zurück. „… oder du kommst zu mir aufs Eis und wir fahren ‚Schlittschuh‘. Sergej wird sowieso nicht auftauchen und wenn wir beide jetzt nochmal gegeneinander bladen, während er und Yuriy nicht vor Ort sind um den Feuersturm zu bändigen...“ „Nein, lass gut sein.“ Unterbrach Kai ihn. Er konnte sich noch bildhaft an ihren letzten Fight erinnern, an die senkende Hitze. Niemand von ihnen hatte erwartet, dass Dranzers und Falborgs Attacken fusionieren würden anstatt sich zu neutralisieren. Daher hatte auch niemand diesen gewaltigen Feuersturm vorhergesehen. Es war das erste Mal gewesen, dass Suzakus Feuer ihn verbrannte und obgleich der Feuervogel sich schlecht gefühlt und sich zurück gezogen hatte, hatte Kai ein paar Tage gebraucht ehe er sein BitBeast wieder beim Kampf um Hilfe bat. Daher konnte er auf jene Katastrophe verzichten. Aber auch auf ein anderes Fiasko konnte er gut und gern verzichten. Dennoch sah er weiterhin zu wie der Ältere auf dem See herum schlitterte. Innerlich betete er dafür, dass das Eis Boris weiterhin tragen würde. Allein bei dem Gedanken, dass es nachgeben könnte, schwappte sein eigenes ‚Baikalsee-Trauma‘ an die Oberfläche und er hatte Mühe die aufsteigende Angst wieder hinter seinen Mauern zu verbergen. Wenn dieser grünäugige Idiot doch nur endlich wieder auf festen – zwar mit Schnee bedeckt – aber ebenerdigen Boden stehen würde. Vielleicht sollte er sich einfach umdrehen und wirklich gehen. Er ging zum Rand des Sees. „Boris ich verschwinde jetzt!“ rief er. Jedoch bekam er keine Antwort. „Boris?“ erneut rief er ihn beim Namen, doch der Ältere stand wie angewurzelt auf dem Eis und rührte sich nicht. Kai rollte mit den Augen und wollte sich schon zum Gehen abwenden, als er eine Bewegung aus den Augenwinkeln heraus bemerkte. Sein Blick folgte der Bewegung und er erschrak. Zuerst wollte er seinen Augen nicht trauen, doch das Geschöpf kam näher – schwarze Nase, braunes Fell – gefolgt von einem Jungtier. Kai schluckte, nicht fähig sich zu bewegen und nun verstand er weshalb auch Boris nicht auf sein Rufen reagiert hatte. Man sollte sich ruhig verhalten, hatte er mal gelesen. Am besten auch nicht bewegen, aber es waren nur schätzungsweise 10 Meter die das Muttertier und Boris trennten. Diese Distanz war viel zu gering. Immerhin konnten Braunbären eine Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h erreichen. Verdammt – er kaute auf seiner Unterlippe herum. Was tun!? Kai überlegte fieberhaft. Er sah sich verzweifelt um und seine Finger umklammerten seinen Blade in der Manteltasche so stark, dass er sich am Angriffsring schnitt. Er zuckte, zog den blauen Blade aus seiner Tasche und betrachtete Dranzer. Er überlegte, wog seine Möglichkeiten ab und fasste schließlich einen Entschluss. Kai betrat mit festen Schritten das Eis. Sein Blick war ungetrübt und auf Boris gerichtet, welcher die Hände erhoben hatte um Größer zu wirken. Augenscheinlich versuchte er beruhigend auf das Tier einzureden. Doch dies schien nicht zu funktionieren. Selbst auf die knappen 100m Entfernung, welche Kai zu dem Szenario hatte, hörte er die drohenden Laute, die die Bärin von sich gab. Sein Mund wurde schlagartig trocken, als er mit ansehen musste, wie sich das Muttertier auf ihre Hinterbeine stellte. Er musste handeln und zwar sofort, denn Boris hatte nicht mehr viel Zeit. Er versuchte einen festen Stand auf dem rutschigen Eis zu finden und befestigte Dranzer in seinem Starter. Lautlos fädelte er die Reißleine ein und hoffte, dass sein Plan auf ging. Boris hingegen war klar, dass er sich in einer äußerst prekären - ja fast aussichtslosen Lage befand. Er wollte dem Jüngeren zu rufen, dass dieser sich in Sicherheit bringen solle, aber dies würde nur die Aufmerksamkeit des Tieres auf Kai ziehen und das wollte er unter keinen Umständen riskieren. Immerhin war er froh, dass das Tier die Rufe des Jüngeren nicht vernommen hatte und er hatte kurz gehofft, dass der andere wirklich Heim ging, doch aus irgendeinem Grund – und Boris wagte gar nicht erst zu hoffen, dass es wegen ihm sei - blieb Kai in der Nähe. Vorsichtig und ganz langsam ließ Boris eine Hand neben seinen Körper sinken und mit kleinen kurzen Bewegungen seines Handgelenkes, ähnlich einem Winken, wollte er Kai zur Flucht auffordern. Doch ein Surren erklang und Boris sah aus den Augenwinkeln etwas Schimmerndes auf sich zu rasen. Er hatte nicht einmal die Zeit sich zu fragen, was das war, da schlug der in Flammen gehüllte Blade vor ihm aufs Eis. Automatisch machte Boris einen Schritt zurück, doch er rutschte auf dem glatten Untergrund aus und landete auf dem Boden. Er fluchte und augenblicklich wurde ihm klar, dass das ein Fehler war. Sofort richtete er seinen Blick wieder auf die Bärin und diese hatte seine unfreiwillig hektische Bewegung registriert. Natürlich wertete sie diese als Angriff auf sich und ihr Junges. Sie ließ sich wieder auf ihre Vorderbeine fallen und preschte ein paar Schritte nach vorn. Doch Kais Blade hatte sich die ganze Zeit weiter gedreht. Dranzer verstärkte die Hitze seines Feuers und raste zwischen die Bärin und Boris. Von den glühenden Funken irritiert stoppte das Muttertier und sah beinahe schon hypnotisiert auf den sich drehenden Kreisel. Dieser begann eine scharfe Linie zwischen dem Russen und ihr zu ziehen, indem er das unter ihm dünner werdende Eis aufbrach. „LAUF, DU IDIOT!!!“ Boris sah zu Kai und anhand dessen Bewegungen erkannte er, dass der Jüngere seinen Blade eine Attacke starten lassen wollte. Daher rappelte er sich auf, wandte sich von dem Tier ab und rannte los. Er vertraute Kai – blind. Er vertraute darauf, dass der Andere verhindern würde, dass die Bärin ihn erwischte, welche gerade vor Schreck zusammen zuckte, sich zu dem Flüchtigen drehte und ihm nach setzte. „Verdammt…“ Kai biss sich auf die Unterlippe. Er sah nur diese eine Chance. „… bitte lass es funktionieren!“ Er straffte die Schultern und atmete durch. Kai hob die Hand, auf seinen Zeige- und Mittelfinger erschien eine Flamme und auf seinem Rücken bildeten sich die Flügel des Phönixes. „DRANZER! BLAZING GIG TEMPEST!!!“ rief er und der Blade fing augenblicklich Feuer. Dranzer folgte dem Befehl seines Besitzers und feuerte brennende Federn ab. Diese schlugen eine nach der anderen neben dem Tier ins Eis, überholten sie und schirmten sie von Boris ab. Die im Eis steckenden Federn glühten, flammten erneut auf und brachen das Eis explosionsartig entzwei. Eine Druckwelle entstand und während das Muttertier wieder in Richtung ihres Junges geschleudert wurde, riss es Boris von den Füßen. Die Wucht hebelte ihn aus und katapultierte ihn in Kais Richtung. Doch die immense Kraft brach auch den gefrorenen See auf. Die Risse rasten auf Boris zu und überholten ihn. Schlitternd kam der Ältere kurz vor dem Rand der Eisscholle zum stehen, dicht gefolgt von Dranzer. Sein Herz schlug schmerzhaft gegen seinen Brustkorb. Keuchend beugte er sich nach vorn, ergriff Kais Blade und steckte diesen in seine Jacke. Boris hob den Kopf und sah sich um. Der Abstand zu der noch mit dem Ufer verbundenen Eisfläche betrug gute vier Meter. Was nun? Ratlos suchte sein Blick den von Kai und er sah in den Rubinen Angst. Angst um ihn? Angst vor dem brechenden Eis? Boris wusste es nicht genau. „Du musst springen!“ rief der Jüngere. Doch Boris rührte sich nicht. Er rang noch immer nach Atem. Er stemmte die Arme in die Seiten und legte den Kopf in den Nacken. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen. Reiß dich zusammen! maßregelte er sich selbst, bevor er wieder nach vorn sah. Boris nahm einige Schritte Anlauf und rannte los. Kai hielt die Luft an. Es gab nichts was er noch tun konnte, außer zuzusehen wie der Andere Anlauf nahm und… Geschafft – erleichtert lief Kai auf den Anderen zu. Doch mit jedem Schritt wandelte sich die Freude darüber, dass sie es geschafft hatten in Wut auf den Anderen. Warum hatte dieser auch solch einen Unsinn veranstalten müssen!? Boris sah zu ihm. „Hey, Hiwatari...“ Etwas beschämt kratzte er sich am Hinterkopf und senkte den Blick. „… ich wollte dir danken, dafür das-“ Ein Klatschen hallte über den See und ein brennender Schmerz zog sich über Boris linke Gesichtshälfte. Irritiert starte er den Kleineren an. „DU VOLLPFOSTEN!!!“ Kai brüllte ihn an. „DU HÄTTEST BEI DER NUMMER STERBEN KÖNNEN! IST DIR DAS EIGENTLICH KLAR!?“ betretendes Schweigen. Natürlich war ihm das bewusst, deshalb wollte er sich schließlich bei dem Jüngeren für dessen Hilfe bedanken. „Hier…“ murmelte Boris kleinlaut und reichte seinem Gegenüber dessen Blade, welcher ihn kommentarlos entgegen nahm und einsteckte. „Ich hoffe du hast was draus gelernt.“ Erwiderte Kai streng – er erhielt ein Nicken zur Antwort. „Gut.“ Damit machte Kai auf dem Absatz kehrt und begab sich zügigen Schrittes Richtung Ufer. Er wollte nur noch in ihr Apartment, runter von diesem elenden See. Die Kälte, die nervenaufreibende Situation mit der Bärin, Dranzers Attacke – all dies hatte an seinen Kräften gezogen, sowohl physisch als auch mental. Kai war dem Ufer nahe, als er plötzlich ein Knirschen vernahm und seine Füße augenblicklich von einer nassen, eisigen Kälte umschlossen wurden. Er hielt inne und sah an sich hinab. Nein…. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Es würde wieder passieren. Er brach ein. Er sank. Er würde in die Tiefe gezogen werden und dieses Mal würden sie ihn nicht retten können. Denn sein altes Team war nicht hier – sein altes Team gab es nicht mehr. Seine Welt wurde schwarz und Kais Augen matt. Die Kälte kroch seinen Körper hinauf und er war nicht fähig sich zu bewegen. Sein damaliges Trauma durchbrach die Mauer, hinter welcher er es all die Jahre verbannt hatte. Er verlor den Halt. „..tari… Hiwatari…“ Kai hörte eine Stimme. Wem gehörte sie? „KAI!“ Er schreckte auf. Leben kehrte in seine Augen zurück und die Dunkelheit verschwand so schnell wie sie gekommen war. Er blinzelte mehrfach, denn künstlicher Pelz kitzelte ihn. Kai hob den Blick, erkannte die Jacke, erkannte den Besitzer. Boris hielt ihn fest. Er hatte den Jüngeren aus dem Wasser und in seine Arme gezogen – in seine starken und warmen Arme, wie Kai feststellte. Der Ältere strich ihm sanft durchs Haar und versicherte ihm immer wieder, dass alles in Ordnung sei, dass sie auf sicherem Boden waren. Noch nie hatte er Boris Stimme mit so viel Sanftheit vernommen. Noch nie hatte sich die Nähe zu ihm so beruhigend angefühlt. Noch nie hatte er sich so geborgen gefühlt. Kai war verwirrt und doch lehnte sein Körper sich, noch immer leicht zitternd, gegen den des Älteren. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und atmete Boris Geruch ein, eine Mischung aus Sandelholz, Lavendel und Salbei. „Geht’s wieder?“ besorgt sah der Ältere auf den silbernen Haarschopf. „…ja.“ Das klang wenig überzeugend, denn die Stimme des Jüngeren war nur ein Wispern. Boris Hand glitt unter Kais Kinn und hob dessen Gesicht an. Er hielt inne. Die sonst so verschlossenen Rubine spiegelten Kais Gemütszustand wieder und Boris sah den Schrecken Kais, das Trauma, das Leid. „Kai…“ Boris Zeigefinger strich sanft über die Wange des anderen, verwischte versehentlich die scharfen Konturen der blauen Dreiecke. „…es tut mir leid.“ Boris nahm das Gesicht des Jüngeren in beide Hände und beugte sich zu ihm hinunter. Zärtlich berührten seine Lippen die Kais. Die Sekunden verstrichen und Kai hatte das Gefühl sich in dem Kuss zu verlieren. Es war so absurd. Das hier war Boris. Der Boris, mit dem er sich immer stritt. Der Boris, der ein Arsch zu ihm war. Der Boris, dessen raue Lippen die seinen liebkosten. Der Boris, dessen starke Arme ihm halt gaben. Der Boris, den er gerade brauchte… Nach Atem ringend, löste Kai ihren Kuss. Seine Finger hatten sich Halt suchend in Boris Jacke gekrallt. Zaghaft sah er auf. „Wow…“ wisperte Boris bedächtig und blickte in die roten Augen. Was sollte Kai darauf erwidern?! Er war etwas überfordert, wollte er das was soeben zwischen ihnen war – und er war sich nicht sicher was das genau war – doch nicht zerstören. Sanft lösten Boris Finger Kais Griff aus seiner Jacke. Er verschränkte seine Finger mit denen des Jüngeren. „Lass uns Heim gehen…“ Kai stockte und er sah zu Boris auf, welcher ihm ein schiefes Grinsen schenkte. Der Jüngere wusste nicht was es war, aber irgendetwas fühlte sich jetzt anders an. Heim gehen… Kais Lippen umspielten ein sanftes Lächeln bei dem Gedanken. Er hatte ihr Apartment bis jetzt nie als sein Zuhause gesehen, doch vielleicht – vielleicht würde sich dies ändern. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Gähnend betrat Yuriy die Küche. „Morgen…“ murmelte Sergej, welcher am Küchentisch saß, kurz aufsah und sich dann wieder dem Artikel in der Zeitung widmete, neben ihm die noch dampfende Kaffeetasse. „Hmmm…“ Der Leader der Neo Borgs schlurfte an ihm vorbei zum Schrank. Er angelte sich eine Tasse aus diesem und füllte sie mit dem heißen Wachmacher, welchen er so bitter nötig hatte um in die Gänge zu kommen. Seine Lippen nippten an der Tasse und schon wenige Tropfen weckten seine Lebensgeister. Yuriy lehnte sich an die Küchentheke und lauschte. „Verdächtig ruhig, heute. Wo sind die beiden Streithähne?“ „Draußen…“ erwiderte Sergej knapp. „Aha…“ Yuriy nahm noch einen Schluck. „…. Zusammen?“ Ein kurzes Zucken huschte über die Mundwinkel des Hünen, „Quasi…“ ehe er sich selbst einen Schluck aus seiner Tasse genehmigte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)