Zwiespalt von Elefantastisch ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die Eiswürfel in seinem Whiskyglas klimperten leise, als Scorp es abstellt, ansonsten herrschte Totenstille im Raum. Die Runen auf dem Pergament vor ihm verschwammen bereits und er rieb sich die müden Augen. Er kam einfach nicht dahinter, was ihn massiv wurmte - in den letzten Tage hatte er vermutlich mehr Zeit in der Bücherei von Hogwarts verbracht als während seiner gesamten Schulzeit zusammen. Seit Scorp letztes Jahr zufällig durch eine verhexten Armbanduhr, die einem Muggel den Verstand gekostet hatte, in den Schottischen Highlands über eine magisch versteckte und gut gesicherte Tür mitten im Moor gestolpert war, war die Aurorenzentrale auf Dauerfeuer - und er zum Bücherwurm avanciert. Klarerweise hatten die Gründer von Hogwarts neben der Schule auch andere Wohnorte gehabt (oder habt ihr tatsächlich geglaubt, die vier hätten in Hogwarts gewohnt? Sogar in den Sommerferien?), aber das war Jahrtausende her und viele der Orte waren mittlerweile verfallen oder ohnehin nur eine Legende. Rowena Ravenclaw hatte so angeblich ein Sommerhaus in Südengland mit einem hammermäßigen Grundstück und Strandzugang besessen. Im Garten waren angeblich die seltensten Zaubertrankpflanzen am gesamten europäischen Kontinent zu finden gewesen und die Bibliothek soll so umfangreich gewesen sein, dass ein eigener Hauself dafür zuständig gewesen sein soll. So viele Gerüchte, aber so wenig Beweise, die das hätten bestätigen können. Was Salazar betraf, war ein Beweis aber eben letztes Jahr gefunden worden. Die kaputte Armbanduhr war so verzaubert gewesen, dass sie ihrem Muggel-Besitzer immer eine Richtung wies, sobald aber jemand anderes darauf schaute, zeigte sie die normale Uhrzeit. Der Gute verstand die Welt nicht mehr und wurde daraufhin in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert: mit dem Verdacht auf eine akute Psychose. Einer der dortigen Pfleger war ein eingeschleuster Ministeriumsmitarbeiter - nachdem ja schließlich immer wieder vermeintliche Verrückte dort landeten, die in Wirklichkeit nur Opfer eines schwarzmagischen Juxes geworden sind - der daraufhin pflichtbewusst die Aurorenabteilung alarmiert hatte. Und für solche Kleinigkeiten wurden eben gerne mal Auszubildende ausgesendet. Also, die normalsterblichen Auszubildenden jedenfalls - Sankt Potter, der Sohn von dem, der überlebte, durfte natürlich schon mit den Großen mitspielen. Der übrige Rest seines Jahrgangs - das Fußvolk - war hingegen dazu berufen, sich mit solchen Kleinigkeiten die Ausbildungsjahre zu vertreiben. Und Scorp wurde ganz besonders gerne für solche Dinge ausgewählt, einfach weil er ein Malfoy war - ein Schema, das sich durch Scorps gesamtes Leben zog. Als Einzelkind war Scorp eigentlich ziemlich isoliert in Malfoy Manor groß geworden. Nachdem seine Eltern vor allem deswegen ein Kind bekommen hatten, weil die Etikette vorsah, dass ein Erbe gezeugt wurde (und nicht etwa wegen so etwas Banalem wie dem Wunsch, tatsächlich ein Kind zu haben), hatte er schon früh gelernt, sich selbst zu beschäftigen. Er hatte die Ländereien durchstreift und das Haus durchforstet - und am liebsten hatte er Großvater Lucius gelauscht, wenn er in Geschichten aus den alten Tagen geschwelgt hatte. Die Erzählstunden hatte Draco allerdings jedes Mal rüde unterbrochen, wenn er es mitbekomme hatte, egal wie sehr Scorpius auch gebettelt, gefleht, gedroht oder gebrüllt hatte. Über die Malfoysche Familiengeschichte wurde nicht geredet und über die Dunklen Künste schon gar nicht. Erst in der Schulzeit hatte Scorp aus dritter Hand erfahren, was in den Jahren von seiner Geburt passiert war und hatte damit auch begonnen, die Abneigung seines Vaters gegen die dunklen Künste zu verstehen, immerhin hatten sie ihm beinahe das Leben gekostet. Scorpius hatte aber auch schnell lernen müssen, dass nicht nur seine Familie von den damaligen Ereignissen betroffen war: die meisten anderen Kinder mieden ihn. Nicht, weil er so ein unangenehmer Zeitgenosse war (vielleicht sozial ein wenig unbeholfen durch die fehlenden Kindheitsfreunde), sondern einfach und allein wegen der Tatsache, dass er ein Malfoy war. Gerade alle rund um den Potter-Weasley-Dunstkreis traten ihm mit einem grundsätzlichen Misstrauen entgegen, weil man einem Malfoy nun mal einfach nicht trauen konnte. Seine Großeltern und sein Vater hatten so viel Schaden angerichtet, da musste Scorp einfach auch verkorkst und den Dunklen Künsten verfallen sein. Tja und alle anderen, die selbst den Kult des Reinen Blutes und die Dunklen Künste verehrten, sahen die Malfoys als Verräter des Dunklen Lords an, denen nicht zu trauen war. Und Scorpius wurde als Abkömmling dieser abtrünnigen Brut ebenso ausgeschlossen. Es hatte immer wieder einzelne freundliche Gesichter gegeben, aber die Gruppendynamik der beiden Lager hatte es kaum zugelassen, eine Freundschaft mit Scorp zu knüpfen, wenn man nicht selbst zum Außenseiter werden wollte. Und so war er alleine geblieben. Ausgeschlossen wegen Vorkommnissen, die lange vor seiner Geburt passiert waren und für eine Entscheidung, die er nicht getroffen hatte, nämlich ob er jetzt eigentlich für oder gegen die Dunklen Künste war. Er strich sich das weißblonde Haar nach hinten. Das war doch sinnlos. Er wälzte jetzt schon - wie lange? - diese Bücher und das nicht zum ersten Mal. Der Mechanismus der Uhr war immer noch nicht restlos geklärt worden, feststand nur, dass sie früher mal eine Taschenuhr gewesen sein musste. Sicher war auch, dass ein starkes Stück Magie darin steckte, aber eingangs war die allgemeine Idee gewesen, dass es sich nur um eine gut gemachte Hexerei handelte, um Muggel zu ärgern. Da hatte es sich doch prima gefügt, dass die Zeiger ausgerechnet bei der Dienstblondine Scorpius statt der Uhrzeit eine Richtung angezeigt hatten und er der ehrenvollen Aufgabe nachkommen durfte, sich um den Übeltäter dahinter zu kümmern. Hinter hervor gehaltener Hand hatte man im Ministerium gemunkelt, dass die Zeiger nur bei unehrlichen Menschen die Uhrzeit nicht zeigten, immerhin war der Muggel ja auch gerade aus der Haft entlassen worden, eh er die Uhr mit diversen anderen Wertgegenständen geklaut hatte und Scorp passte da ja auch wunderbar rein. Erneut war die Frage laut geworden, warum jemand wie Scorp eigentlich die Aurorenausbildung machen durfte und man war zum Entschluss gekommen, dass es nur daher kam, dass Harry zu großherzig war. Der Blonde hatte sich redlich bemüht, das Gerade zu überhören. So war er also losgezogen und war den Zeigern tief in die Highlands gefolgt. Irgendwo im Nirgendwo war der Grad magischer Energie in der Luft immer höher geworden und die Tiere in der Umgebung immer weniger. Scorps Nackenhaare hatten sich aufgestellt. Magie hinterließ immer Spuren und hier war ganz offensichtlich jede Menge Magie gewirkt worden. Schwarze Magie. Gerade während seiner pubertären Rebellion gegen sein Eltenerhaus hatte Scorp sich intensiv mit den Dunklen Künsten befasst, natürlich nur, um seinen Vater zu ärgern. Naja. Und vielleicht auch, weil sie ihn ein klein wenig faszinierten. Aber nur ein kleines bisschen. Er beschäftigte sich immer wieder mit der Frage, was denn eigentlich Schwarze Magie ausmachte. Konnte ein Zauberspruch per se eigentlich böse sein? Oder wurde er erst böse durch die Absichten des Anwenders? Die Muggel hatten ja auch teilweise eine Todesstrafe bei schlimmen Vergehen - war es dann schwarze Magie, wenn ein Todesfluch gegen einen Mörder gewirkt wurde? Nachdem Scorp kaum Freunde gehabt hatte in der Schulzeit, hatte er in Hogwarts viiiiiiiiel Zeit gehabt, um über solche Fragen nachzudenken. Aber frühkindliche Prägungen wirkten nun mal stark und seine Scheue vor den Dunklen Künsten, die ihn sein Vater von Klein auf gelehrt hatte, ließ sich nicht einfach ablegen. In der Ausbildung zum Auror hatte er schließlich eine Möglichkeit gefunden, sich mit den Dunklen Künsten zu beschäftigen, ohne sich mit ihnen zu beschäftigen. Völlig legal und ohne schlechtes Gewissen. Außerdem hatte er für sich die Idee gehabt, damit der Welt zu zeigen, auf welcher Seite er stand. Und damit endlich mal wo dazu zu gehören. Anschluss zu finden. Das hätte vielleicht auch irgendwie klappen können, wenn nicht ausgerechnet im selben Jahr James Potter von seiner abenteuerlichen Weltreise zurück gekehrt wäre und endlich der Erfüllung seines Schicksals entgegen getreten wäre, nämlich wie von aller Welt erwartet Auror zu werden. Man musste James zu Gute halten, dass er sich redlich Mühe gab, Scorp nicht aktiv auszugrenzen und die Vermutung lag nahe, dass auch Harry seinen Sohn dazu anhielt, wie er es bei seinen Kindern und Neffen und Nichten auch schon in der Schulzeit getan hatte. Keines der Potter-Weasley-Kinder hatte ihn jemals aktiv schikaniert oder beleidigt, sie hatten ihn immer gegrüßt und in den Klassen mit ihm zusammen gearbeitet, wenn es notwendig gewesen war. Aber mehr war es eben auch nie gewesen und der Sankt-Potter-Clan konnte ja im Grunde nichts für den Hype, den um ihre Person gemacht wurde oder für das, was die Welt nun mal aus ihren Gesten und Worten machte. Nicht mit Scorp befreundet zu sein wurde damals schon als Zeichen interpretiert, dass sie ihn nicht mochten. Und jeder, der cool sein wollte, wollte nun mal sein wie jemand aus der Familie vom Jungen, der überlebte. Dämliche Gesellschaftsscheiße. Manchmal schien der Gedanke, Senner mit einer Schafsherde in den Highlands zu werden, doch ganz attraktiv. Schafe waren deutlich weniger urteilende Zeitgenossen. Scorp hatte die gängigsten Gegenzauber und -flüche versucht, hatte einige Tränke aus dem Standartrepertoir ausprobiert, aber es hatte sich nichts getan. Im Normalfall reicht das aus, um zumindest einige der Zauber zu brechen, aber hier tat sich gar nichts - Grund genug, um das in die Zentrale zurück zu melden. Verstärkung wurde geschickt und traf schon kurze Zeit später ein. Und natürlich war es ausgerechnet James Potter. Wenn’s der dumme Malfoy-Junge nicht richten konnte, musste eben der kompetente, hervorragende, beliebte Mr. Potter ran. Noch besser hätten sie ihm nicht zeigen können, was sie von ihm hielten. Es war zum Kotzen. James hielt kurz Rücksprache mit ihm, was er schon alles versucht hatte und es verschaffte Scorp ein kleines bisschen Befriedigung, dass auch James nicht weiter wusste. Er forderte ebenso Verstärkung an und Scorps Befriedigung verflog rasch, nachdem James deutlich ernster genommen wurde. Innerhalb kürzester Zeit wimmelte es vor Fachmännern vor Ort, die versuchten, die magischen Barrieren zu durchbrechen. Es dauerte drei Tage, bis sie so weit waren, dass die verborgene Türe sichtbar wurde und weitere acht, bis sie sie auf bekamen. Das Bild verfolgte Scorp mittlerweile fast jede Nacht in seinen Träumen: öde, schottische Landschaft, weit und breit nichts - außer das Tor vor sich. Der Torbogen war offensichtlich alt und aus Steinen gehauen. Der Steinmetz hatte filigrane Schlangenmuster eingehauen, jede von ihnen hatte kleine, schimmernde Smaragde als Augen. Die Türe selbst war aus schwerem, dunklen Holz und hatte weder Schnalle noch Knauf. In der Mitte prangte das Wappen von Salazar Slytherin. Von vorne herein war die Echtheit des Wappen ausgeschlossen gewesen. Zu gut war die Tür verborgen gewesen, zu viel Dunkle Magie hatte sie schützen sollen, zu authentisch hatte alles gewirkt. In einigen Büchern über die Gründer von Hogwarts war die Rede von einem Anwesen in den Highlands gewesen, das Salazar bewohnt haben soll, aber das waren nur Spekulationen gewesen. Bis jetzt. Beim Öffnen der Tür war einem Wasserfall gleich blau-violette Energie von oben nach unten geflossen. Die Luft hatte geknistert und vage, wie hinter einem Vorhang war ein steinerner Durchgang hinter der Tür zu erahnen gewesen. Probehalber hatten sie einige Sprüche probiert, die allesamt ins Leere gegangen waren. Aus Ratlosigkeit heraus hatten sie schließlich einfach einen Stein genommen und durchgeworfen. Unbeschadet war er auf der anderen Seite wieder heraus gekommen, woraufhin Sankt Potter natürlich seinen Mut unter Beweis stellen musste und sich darum gerissen hatte, als erstes durchzumarschieren. Den Zauberstab auf Anschlag war er durch den Wasserfall getreten und Scorp hatte insgeheim gehofft, dass etwas passieren würde. Nicht, dass er sterben sollte. Aber ein bisschen Schmerzen leiden. Als Huhn wieder auftauchen. Oder gehörnt und mit Ziegenbeinen. Im Nachhinein hatte Scorp ein schlechtes Gewissen gehabt für diesen Anflug an Gehässigkeit und hatte sich dafür getadelt. James kam ganz ohne Fell oder Federn auf der anderen Seite des Energiewasserfalls wieder zum Vorschein, allerdings auch ganz ohne Zauberstab. Die Panik war ihm ins Gesicht geschrieben, ein Anblick, der Scorps Herz vor Schadenfreude frohlocken ließ, woraufhin er sich erneut selbst tadelte. Der junge Potter sprang erneut durch den Torbogen und wirbelte einmal herum, nur um festzustellen, dass sein Zauberstab wieder da war - Erleichterung machte sich sichtlich auf seinem Gesicht breit. Der Versuch, diesen Energiewasserfall zu durchbrechen, war bisher zur Gänze gescheitert. Soweit es die Geheimhaltung zuließ (natürlich lag es im Interesse des Ministeriums, so einen Fund möglichst lange geheim halten) hatte man neben den Mitarbeitern der Aurorenzentrale auch Experten aus anderen Bereichen hinzugezogen: Historiker, Fluchkundler, Fluchbrecher, Gelehrte für die Dunklen Küsten, jede, der auch nur ein bisschen Expertise dazu beisteuern konnte. Aber alles war bisher ohne Erfolg geblieben und jeder, der durch den Energiewasserfall getreten war, war ohne Zauberstab und allgemein ohne Magie wieder aufgetaucht, denn auch Zauber ohne Zauberstab zeigten keine Wirkung. Der steinerne Gang hinter der Eingangstür war kurz und kahl. Zu beiden Seiten waren seltsame Schriftzeichen zu sehen, die keiner ihnen bekannten Schrift ähnelten, die sich aber perlweiß von den grauen Steinen dahinter abhoben und die sanft schimmerten und den Gang in seltsames Licht tauchten. Ihr Schimmern war neben dem Licht, das durch die offene Eingangstür fiel, die einzige Lichtquelle gewesen, bis jemand ganz muggelhaft nichtmagische Kerzen und Streichhölzer mitgebracht hatte. Die Flammen der Kerzen beleuchteten nur seit Monaten die dahinter liegende Tür. Schweres Holz, massive Beschläge, keine Schnalle, keine Klinke, rein gar nichts. Nachdem sich wochenlang nichts bewegt hatte, hatten die Auroren sogar versucht, die Tür mit einer Axt einzuschlagen. Wie erwartet hatte es nicht geklappt, die Tür sah aus wie davor. Scorpius war der Einheit zugeteilt worden, die für die Entschlüsselung der Symbole an der Wand zuständig war. Andere versuchten immer noch, den Energiewasserfall zu unterbrechen, um Magie an der nächsten Tür anwenden zu können, wieder andere versuchten einen Weg zu finden, doch durch die Tür zu kommen. Alle waren gleich weit, nämlich noch nicht weiter als vor Monaten, vor der Entdeckung. Die Runen auf seinem Pergament verschwammen vor seinen Augen und wandten sich wie Schlangen. Das Whiskyglas war leer - schon wieder - was vielleicht der Grund für diese visuelle Irritation war, aber Scorp schob es lieber auf die Müdigkeit. Er erhob sich von seinem Stuhl und streckte sich, sein Blick streifte durch den mittlerweile in Kerzenlicht getauchten Raum. Um sich herum schlummerte ein gigantisches Maß an Wissen hinter den unzähligen Buchrücken in der Verbotenen Abteilung der Bibliothek in Hogwarts. Außerhalb des abgegrenzten Bereiches brannten keine Kerzen mehr, die übrige Bücherei - jener Teil mit den langweiligen Werken - lag in völliger Dunkelheit. Wie spät es wohl sein mochte? Die Kerze vor ihm war schon weit herunter gebrannt, ihr Wachs war mittlerweile auf einige Bucheinbände der Bücher getropft, die quer über den Tisch verstreut lagen. Einige Bücher waren noch aufgeschlagen, andere schon wieder geschlossen, aber weder in den einen noch in den anderen hatte er bisher etwas wirklich brauchbares gefunden. Dazwischen lage immer wieder auch Rollen Pergament wie Konfetti, das man achtlos darüber gestreut hatte, über einem davon schwebte noch die Feder, bereit, jegliches Diktat von Scorp entgegen zu nehmen. Das Pergament unter ihr war fast leer bis auf die sonnengelben Tintenkleckse, die durch die Schwerkraft verursacht wurden, die die Tinte von der Feder nach unten zog, wo sie vom Pergament aufgefangen wurden. Rund um den Hauptklecks waren viele kleine weitere Spritzer vom Aufschlag des Tropfens auf dem Untergrund, wie Splitter nach einer Detonation. Fasziniert starrte Scorp auf die Tintenkleckse und auf den kleinen Tropfen, der sich an der Spitze der Feder langsam sammelt. Wie lange es wohl dauern würde, bis der Tropfen so groß war, dass die Erdanziehungskraft siegte? Ob man den Aufprall wohl hörte, wenn man mit dem Ohr ganz nah ran ging? Verdammt, er brauchte noch einen Whisky. Auf ungefähr jedem zweiten Werk vor ihm war irgendwo Slytherins Schlange zu sehen, nachdem Scorp alles zusammen getragen hatte, was von dem Gründer zu finden war. Er wusste, dass seine Kollegen in anderen großen Büchereien in Groß Britannien gerade dasselbe taten. Naja, vielleicht nicht im selben Augenblick, vermutlich war keiner so irre wie er mitten in der Nacht noch Bücher zu wälzen. Aber Scorp konnte sich nicht dazu durchringen, aufzuhören. Er wollte, er musste schneller sein als die anderen, er musste was finden. Das war SEINE Chance! Seine Chance, sich endlich hervor zu tun, sich zu beweisen, sich Bewunderung und Anerkennung zu verdienen und endlich wo anzukommen. Dazuzugehören. Eine kleine, gehässige Stimme in seinem Hinterkopf wisperte, dass er nie dazu gehören würde. Dass er nie Teil der Gesellschaft sein würde, dass die Guten ihn, einen Malfoy, nie akzeptieren würden. Seine einzige Chance war, den Namen Malfoy wieder groß zu machen. Und gefürchtet. Er ertränkte die Stimme in einem großzügigen Schluck Whisky. Die Runen vor seinen Augen tanzten immer noch, verflucht, warum hatte Slytherin nicht einen Waschbären oder so als Wappentier wählen können? Die hätte er wenigstens von den Runen am Pergament unterscheiden können. War das da eine Schlange oder ein Wort? Nein, es war ein S. S…c…h…r..e…ck…e…n…s. Ah ja, genau. Das hatte ihm sein Großvater ja mal erzählt, es war eine von Scorps Lieblingsgeschichten, vor allem weil er sich immer wieder gefragt hatte, wie man eigentlich so dumm sein konnte, seinen eigenen Hauselfen versehentlich freizulassen. Zu Dracos Schulzeiten hatte Lucius ein verwunschenes Tagebuch oder so vom Dunklen Lord höchstpersönlich einem der Weasley-Kinder untergeschoben, woraufhin ein Basilisk aus der Kammer des Schreckens gekrochen war und Schüler fast umgebracht hätte. Eigentlich schade, dass während seine eigenen Schulzeit nie sowas aufregendes passiert war. Der Zugang zu dieser Kammer war scheinbar im Klo der Maulende Myrte und führte zu einem geheimen Dungeon, den Salazar Slytherin konstruiert hatte, um irgendwann mal die Muggelstämmigen aus Hogwarts tilgen zu können. Wie dieser Basilisk wohl so lange in der Kammer überlebt hatte? Slytherin war immerhin schon seit tausenden Jahren tot. Das waren wohl ziemlich magere Zeiten für den Basilisken gewesen. Und auch später dann, als erst der Dunkle Lord, dann Ginny Weasley den Basilisken rausgelassen hatten, hatte der arme Teufel ja nichts zwischen die Beißer bekommen. Vermutlich hatte ihn Harry Potter nur deshalb so leicht überwältigen können. In Wirklichkeit war das gar keine epische Heldengeschichte gewesen, sondern nur ein Halbwüchsiger, der eine halbverhungerte Schlange erschlagen hatte. Salazar hätte sich vermutlich im Grab umgedreht, wenn er gewusst hätte, was aus seinem tollen Plan zur Säuberung der Schule geworden war. Mooooooooooment. Langsam aber sicher drang der Gehalt der eben verarbeiteten Informationen durch den Whiskynebel zu ihm durch. Salazar Slytherin. Eine versteckte Kammer in Hogwarts. Welchen besseren Ort gebe es, um seine Geheimnisse zum Zugang zu seinem Haus zu verbergen?! Und im Buch „Eine Geschichte von Hogwarts“ hatte Scorp gelesen, dass Salazar kurz vor seinem Tod nochmal in Hogwarts gewesen war - offiziell, um sich mit den anderen Gründern auszusöhnen, aber nach allem, was Scorp mittlerweile über den Gründer wusste, glaubte er eigentlich nicht daran. Er schielte auf die Feder. Die sonnengelbe Tinte war so verzaubert, dass alles, was er diktierte, direkt auf ein Pergament im Ministerium übertragen wurde, wo es dann von Mitarbeitern im Innendienst kategorisiert und auf Pinnwände übertragen wurde, um ein riesiges Netz an potentiell wichtigen Informationen zu erstellen.Scorp schwang seinen Zauberstab und die Bücher ordneten sich wieder in die Regale ein, das Pergament faltete sich und die Feder verschwand - ohne ein Wort geschrieben zu haben. Das würde seine Chance sein. „Myrte?“ Die Tür zum versperrten Waschraum im zweiten Stock fiel mit einem leisen Knall hinter ihm ins Schloss. „Wer stört meinen Schönenheitsschlaf?“ Der Geist des ewig pubertierenden Mädchens schob sich aus einer der hinteren Kabinen und Scorp verkniff sich ein spöttisches Lächeln. Als sie ihn erkannt, weiteten sich ihre Augen hinter der dicken Brille. „Oooooohhhhhhh, Scorpius.“ „Ich bin dienstlich in Hogwarts.“ Er zuckte ein Achseln. „Und dachte, ich schau mal vorbei bei dir.“ „Mitten in der Nacht?“, fragte sie skeptisch. „Du willst mich doch bestimmt veräppeln!“ Bevor er sie sich wieder in eine der Klomuscheln stürzen konnte, hob Scorp schnell beschwichtigend die Hände. „Ich kann auch wieder gehen, wenn du willst.“ Er lächelte schief, eine Geste, die nur selten seine Wirkung auf Frauen (zumindest jene, die nicht einem der Anti-Malfoy-Lagern angehörten) verfehlte. „Aber ich würde lieber bleiben.“ Wenn ein Geist rot werden könnte, hätte Myrte vermutlich die Farbe einer Tomate angenommen. So klimperte sie lediglich mit den Wimpern, vermutlich war das ein Versuch, sich keck zu zeigen. Falls es so war, misslang es. Gründlich. „Du kannst bleiben.“ Sie seufzte. „Seit du nicht mehr in der Schule bist, war niemand mehr hier, dem ich mich so“ - sie machte eine Kunstpause - „ähnlich gefühlt habe. Wir sind wirklich Seelenverwandte.“ Bittere Galle stieg in ihm auf. Sie hatte nicht mal so unrecht: sie waren beide schikaniert und ausgegrenzt worden und hatten sich immer wieder stille Ecken zur Flucht vor den Mitschülern suchen müssen. Nur dass sich Myrtes Probleme irgendwann ausgewachsen hätten, Brille und Pickel waren nichts, was sich in einer magischen Welt nicht beheben lassen könnten - dummerweise war ihr nur der Tod dazwischen gekommen. Bei Scorp lag die Sache schon anderes, sein Nachname wuchs sich nicht mehr aus. Er schluckte die Bitterkeit runter und fokussierte sich wieder auf seine Aufgabe. „Na und hoffentlich warst du auch keinem anderen vor mir so“ - er spiegelte ihre Redeweise wieder und machte ebenfalls eine Kunstpause - „verbunden“. Er zwinkerte ihr schelmisch zu und ließ nicht durchblicken, dass er sehr wohl wusste, was vor seiner Schulzeit hier schon abgegangen war. „Naja“, druckste Myrte verlegen herum, als hätte er sie bei etwas Verbotenem ertappt. „Dein Vater war auch einige Mal hier. Und Harry Potter!“ Ihre Stimme triefte vor Sensationslust, dann besann sie sich wieder. „Aber natürlich mag ich dich am liebsten!“ „Du flunkerst doch!“ „Nein! Ehrlich!“ „Na gut, ich glaube dir. Aber - was wollten die zwei denn hier?“ Damit hatte er wahrlich eine Flut losgetreten. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren fühlte sich Myrte wohl wieder wichtig, denn sie wusste etwas, das er nicht wusste. Und noch wichtiger: sie hatte dabei immer wieder eine zentrale Rolle gespielt. Sie plusterte sich auf und erzählte jede Kleinigkeit. „Und dann waren nochmal Hermine und Ron hier“ - sie nannte die beiden beim Vornamen, als wären sie gute alte Freunde, nur weil sie mal hier einen Vielsafttrank gebraut hatten mit Harry - „um noch einmal in die Kammer zu gehen.“ Bevor sie weiterreden konnte (er fürchtete, dass ihre Redeflut sonst gar nicht mehr abreißen würde) machte er hier die Biege, um zu dem Thema zu kommen, dass ihn eigentlich interessierte. „Wie? Ich dachte, dafür muss man Parsel können?“ „Ron hat das irgendwie nachgemacht.“ „Echt? Das geht?“ „Ja! Ich zeig es dir.“ JA! Er hatte sie da, wo er sie wollte. Aufmerksam hörte er zu, während sie unterschiedliche Zischlaute von sich gab. Erst tat sich gar nichts, doch nach einigen Anläufen schob sich mit einem Ruck eines der Waschbecken zur Seite, auf dessen Wasserhahn eine Schlange eingraviert war. Im Geiste machte er sich eine Notiz mit der Abfolge der Zischlaute. „Und hier geht es zur Kammer des Schreckens?“ Scorp spähte in die Dunkelheit des Durchgangs. Am liebsten wäre er gleich losgestürmt, aber wer wusste schon, ob er Myrte nicht nochmal irgendwann brauchen würde, also nahm er sich noch einige Augenblicke Zeit und wandte sich zu ihr um. „Ich muss mir das mal ansehen!“ „Kommst du dann wieder?“ „Natürlich!“ Schließlich musste er hier ja auch wieder raus. „Bis später.“ Mit einem gemurmelten „Lumos“ wandte er sich ab und machte sich auf den Weg in die Kammer des Schreckens. Ein dickes Abflussrohr führte in unzähligen Windungen nach unten, so dass das Licht an seiner Zauberstabspitze nie besonders weit nach vorne leuchtete. Unzählige Spinnen wurden ihrer Behausung beraubt, bis Scorp schließlich am unteren Ende des Rohres in einen hohen Tunnel heraus purzelte. Seine wöchentlichen MMA-Einheiten zahlten sich aus, denn er rollte sich elegant ab und kam in einer fließenden Bewegung wieder auf die Beine. Und das alles ohne seinen Zauberstab zu verlieren. Wo waren eigentlich die Fernsehkameras, wenn man sie brauchte? Der Tunnel führte eine geführte Ewigkeit durch die steinernen Eingeweide der Schule, bis die Wände zunehmend feuchter wurden und sich der Stein unter seinen Schuhen nass und rutschig anfühlten. Scheinbar war er unter dem See angekommen. Der Tunnel endete an einem weiteren Portal, das von zwei - welche Überraschung - steinernen Schlangen bewacht wurde. Er versuchte erst einige Zauber, nachdem das Tor sich aber nicht bewegte, griff er auf den schon bekannten Machanimus zurück und versuchte, Myrtes Zischlaute nachzuahmen. Und tatsächlich: der Eingang zur Kammer des Schreckens tat sich auf. Natürlich. Warum hätte Slytherin hier auch eine andere Methode zum Verschließen der Tür wählen sollen als oben? Never change a running system. Ganz der Auror, der er mittlerweile war, hob er den Zauberstab auf Augenhöhe und schob sich vorsichtig in den Raum. Wer wusste schon, was hier unten passiert war, seit das letzte Mal vor vielen Jahrzehnten jemand hier gewesen war. Seine Muskeln waren gespannt, bereit, jeglichem feindlichen Zauber zu entgegnen. Scorp war nie ein besonders begabter Zauberer gewesen, aber in vielen Fächern, vor allem denen in der Aurorenausbildung, hatte er sich eben durch besondere Mühe hervorgetan. Wenn er ganz besonders fleißig gewesen war, hatte er Anerkennung erhalten und danach hatte er sich immer gesehnt, auch wenn es ihm zum Hals raus hing, dass er sich den Arsch aufreißen musste für Dinge, die andere einfach so in den Arsch geschoben bekamen. Manchmal wollte er morgens am liebsten einfach im Bett liegen bleiben, wenn er daran dachte, wie anstrengend sein Leben bisher gewesen war und dass sich vermutlich nicht großartig was ändern würde, wenn nicht sowas wie ein Wunder passieren würde und er plötzlich auch mal ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sein dürfte. Erneut dachte er daran, was es für ihn bedeuten würde, wenn er sich hier, bei diesem Auftrag hervor tun würde. Würde man ihn als Held sehen? Als jemand mit hervorragenden Fähigkeiten, der das große Rätsel um Salazar Slytherins Geheimbasis gelöst hatte? Oder, flüsterte eine leise Stimme in seinem Hinterkopf, sie werden dich dafür strafen, dass du es im Alleingang gemacht hast und dich als teamunfähig abstempeln. Sie werden glauben, dass du dich allein an Slytherins Erbe heranmachen wolltest, dass du dir Dunkle Zauber aneignen wolltest, dass du sie hintergangen hast und sie werden dir noch mehr misstrauen, du wirst nie Teil von ihnen sein. Nie. Zum Glück war der Raum vor ihm leer und frei von Gefahren, denn sonst wäre er vermutlich eben gestorben oder gefressen worden oder was auch immer, so abgelenkt war er von der Konversation in seinem Kopf gewesen. Verdammt, er war doch sonst nicht so von der Rolle! Konzentrier dich, Malfoy! Vor ihm erstreckte sich eine lange, hohe Kammer. Ein Weg führte mittig hindurch, der zu beiden Seiten von großen Schlangenköpfen aus Stein gesäumt wurde. Mittlerweile hatte der junge Malfoy wohl genügend Schlangen für den Rest seines Lebens gesehen, aber bis der Auftrag abgeschlossen war, würde er wohl noch mit den Wirbellosen leben müssen. Wasser tropfte zu beiden Seiten von den Wänden und sammelte sich in den seichten Becken neben dem Weg, der gerade nach hinten führte. Von den Wänden kam ein seltsames Schimmern, das er schon irgendwo mal gesehen hatte, aber ansonsten war der Raum stockdunkel. Das Licht seines erleuchteten Zauberstabs blendete richtig, weshalb er die Lichtkegeln von der Stabspitze löste und ein Stück nach oben schicken, wo sie in der Luft hängen blieb. Er verfuhr noch einige Male ähnlich, bis ausreichend Licht von oben kam, um den Raum besser erkennen zu können. Es war ein hohes Gewölbe ohne Seitennischen oder weitere Räume, das ihn irgendwie an den Weinkeller in Malfoy Manor erinnerte. Dort war es allerdings weniger feucht. Und dort, ganz hinten, schimmerte bleich und kalt das Skelett des Basilisken. Scorp hatte nicht großartig viel für Tiere übrig, dennoch war er imponiert von der reinen Größe des Tieres und der Anblick der nackten Knochen stimmte ihn irgendwie melancholisch. Nach den Jahrhunderten des Wartens auf jenen Zeitpunkt, an dem er seiner Bestimmung erfüllen sollte, hatte es der Basilisk nicht verdient, hier vergessen zu vermodern. Was wohl passiert wäre, wenn der Basilisk erfolgreich gewesen wäre? Wenn er sein Ziel, Hogwarts von den Muggelstämmigen zu säubern erfüllt hätte? Wie Scorps Schulzeit dann wohl ausgesehen hätte? Vermutlich nicht viel angenehmer, nachdem seine Familie auch aus den Reihen der Schwarzmagiern verstoßen worden war, nachdem seine Großeltern und sein Vater sich als Feiglinge erwiesen hatten, die außer einem großen Maul und Gehässigkeit nicht viel zu bieten hatten. Nein, sein Leben wäre auch dann nicht viel einfacher gewesen. Seine einzige Chance war es nun mal, sich hervorzutun, sich zu beweisen und sich so einen Namen zu machen. Langsam umkreiste Scorp das Skelett, wachsam, damit ihm kein Detail entging. Der Riesenschlange fehlte ein Zahn, wie auch immer das passiert sein mochte. An der Rückwand des Gewölbes fiel Scorp wieder das besondere Leuchten an den Steinen auf und als ihm klar wurde, woher es ihm bekannt vorkam, schlug sein Herz plötzlich schneller. Er war auf der richtigen Spur! Es war derselbe Perlmutschimmer wie im Gang zur Holztür in den Highlands! Es waren dieselben Zeichen, dasselbe Leuchten! Salazar Slytherins Werk. Vorsichtig berührte Scorp die Steine und seine Finger prickelten: mächtige Magie war hier am Werk. Die Schreibrichtung war von links nach rechts, das war ihnen im Gang schon aufgefallen, also folgte er den Symbolen von einer Seite zur nächsten. Es gab keine erkennbaren Satzenden oder -anfängen, lediglich eine durchgehende Wurst von Symbolen. Scheinbar war an der Rückwand ein eigener Text verfasst und an den Seiten jeweils ebenso. Scorp suchte jeden Zentimeter der Wand ab, um auf einen Hinweis für die Übersetzung zu stoßen, fand jedoch nichts. Sein Herz wurde schwer und er fühlt die Hoffnung sinken. Du wirst niemals etwas Besonders sein. Niemals dazu gehören. „Halt den Mund!“ Sorps Schrei zerriss die Stille und hallte von den Wänden bedrohlich wieder. Er strich sich das blonde Haar verzweifelt nach hinten, verfluch, jetzt drehte er wohl komplett durch, wenn er schon anfing, mit sich selbst zu reden. In seinem Hinterkopf lachte eine leise Stimme gehässig. Sein Blick fiel auf die Schlangenskulpturen zu den Seiten. Er würde sie noch untersuchen und wenn er hier auch nichts fand, würde er die Kammer verlassen und einen Bericht ans Ministerium senden. Wie sehr er sich einen Whisky wünschte. Zwei der Schlangen hatte er bereits erfolglos abgesucht, als er bei der dritten eine Anomalie bemerkte. Irgendetwas war anders, auch wenn er noch nicht ganz festmachen konnte, was es war. Erst eine genaue Betrachtung ließ ihn innehalten: im geöffneten Maul der Schlange schimmerte etwas. Es war derselbe Schimmer wie an den Wänden. Als Scorp an der Skulptur weiter hoch klettern wollte, entdeckte er kleine Unebenheiten und Nischen an ihrer Seite, die dazu gedacht schienen, dass man sie als Steighilfe nutzte. Sie führten geradewegs so weit hoch, dass Scorp in Augenhöhe mit dem Maul der Schlange war. Anders als an den Wänden kam der Schimmer nicht von eingemeißelten Zeichen sondern von einem konzentrierten Punkt auf der Zunge des Tieres. Der Blonde wirkte einige Schutzzauber, eh er es wagte, seine Hand auszustrecken und in das Maul des Tieres zu greifen. Jede einzelne Faser seines Körpers war zum Zerreißen gespannt, bereit, zu fliehen oder zu kämpfen, sollte das eine Falle sein oder sollte das Maul der Schlange zuklappen. Doch es geschah nichts und Scorps Finger schlossen sich um einen glatten, ebenmäßigen Klumpen. Langsam barg er seinen Schatz. Mit einem eleganten Sprung kam er wieder zurück auf den Boden und betrachtete das Gut: es handelte sich um einen glatt geschliffenen, von innen heraus blass leuchtenden Mondstein. Ein magischer Mondstein, denn es war deutlich fühlbar, wie viel Magie aus dem Stein kam. Ratlos betrachte Scorp das Stück. Zweifellos war es wichtig, aber wozu? Seine Glieder schmerzten langsam und er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verstrichen war. Ob über dem See und den Ländereien wohl schon die Sonne aufgegangen war? Hoffentlich hielt Myrte dicht und plauderte nicht aus, dass Scorp in der Kammer war. Aber im Grund war es egal. Im Moment war ihm gerade alles egal. Er war gescheiter. Du hast doch nicht wirklich etwas anderes erwartet, oder? Lass doch einfach Sankt Potter ran, der macht es bestimmte besser. Scorp schluckte. Er war so nah dran. Er war auf die Idee mit der Kammer gekommen. War hergekommen. Hatte die Schriftzeichen gesehen. Hatte den Stein entdeckt. Und jetzt saß er hier seit gefühlten Stunden und war kein Stück weiter gekommen. Der Mondstein war völlig unverändert, die Kammer war völlig unverändert und das obwohl er alles probiert hatte, was ihm eingefallen war. Du bist ein Versager. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als zu gestehen, dass er im Alleingang in die Kammer gegangen war und bewusst Informationen für sich behalten hatte - nur um dann anzustehen. Er sah bereits die hämisch lachenden Gesichter der Kollegen. Scorpius Malfoy war einmal mehr elendig gescheitert und die Meinungen über ihn würden sich nur wieder bestätigen. Ihm war zum Heulen zu Mute. Du wirst niemals dazu gehören. Du wirst nie Teil einer Gruppe sein. Keiner braucht dich. Keiner will dich haben. Du wirst immer allein sein. A L L E I N! „Dann bin ich eben allein!“ Seine Stimme triefte vor scharlachroter Wut, die von den Wänden zurück geworfen wurde und wie Wellen über ihn hereinbrach. Er pfefferte den Mondstein von sich weg und krallte die Finger in die Haare. Seine Chance war dahin. Und er hatte es so unendlich satt, ständig darum zu kämpfen, einen Platz zu finden. In seinem Magen brannte es. Dann würde er eben allein sein. Aber wenn sie ihn schon nicht aufnehmen, anerkennen, lieben wollten, dann würde er sie eben lehren, ihn zu hassen. Alles war besser, als belächelt, verachtet und ausgestoßen zu werden. Erst jetzt bemerkte er, dass das Leuchten um ihn herum sich zu bewegen schien. Er sah auf und bemerkte, dass die Symbole an den Wänden sich veränderten und in diesem Moment kam er zu zwei Erkenntnissen: an der Wand war keine fremde Schrift verzeichnet gewesen, sondern lediglich eine Geheimschrift, die mit dem Mondstein zu normalen Runen entschlüsselt werden konnte, wenn denn nur der Mondstein damit in Berührung kam (zum Beispiel, in dem man ihn an die Wand warf). Und dass das Brennen in seinem Bauch kein Hunger war. Sondern Hass. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)