Heartbeat von stardustrose ================================================================================ Kapitel 1: Ablenkung -------------------- Der Bass vibrierte durch meinen gesamten Körper, während in der Luft ein Geruch von Bier, Schweiß und billigem Aftershave lag. Das Licht flimmerte im Takt zur Musik, nicht wirklich meine Richtung, aber ich hatte mir ohnehin vorgenommen, etwas Neues auszuprobieren. Wobei vorgenommen zu viel gesagt war. Crow hatte mich fast schon genötigt mit ihm und Sherry in diesen Club zu gehen. Wieder ließ ich meinen Blick über die Tanzfläche schweifen, doch in der Masse konnte ich keinen der beiden ausmachen. An der Bar, an der ich stand, hatte man einen guten Ausblick auf den Eingang. Minütlich wanderte mein Blick dort hin, dann wieder auf mein Handy. Wo stecken die Beiden? Wir wollten uns vor gut einer halben Stunde hier treffen, und noch immer hatte ich keine Nachricht bekommen. Plötzlich ploppte eine Benachrichtigung auf. Crow. Hey, man. Tut mir Leid, wir wurden aufgehalten. Kann noch ein bisschen dauern. Wir beeilen uns! Seufzend steckte ich mein Handy weg. Jetzt drehte ich mich doch um und versuchte den Barkeeper auf mich aufmerksam zu machen. „Neu in der Stadt?“ Mein Kopf schnellte zur Seite, ich lehnte mich etwas weg. Der Typ, der mir die Frage gestellt hatte, war mir unheimlich nah. Ein belustigtes Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Sorry, wollte dich nicht erschrecken. Ich hab dich hier nur noch nie gesehen. Ich bin Nico, mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Yusei“ antwortete ich zögerlich, schielte noch einmal zu dem Barkeeper, der alle Hände voll zu tun hatte. „Bist du allein hier?“ Ich hatte Mühe, ihn durch die laute Musik zu verstehen. Wieder sah ich zu dem Kerl. Der Muskelprotz war sicher einen Kopf größer als ich, mit dunklen, kurzen Haaren. „Nein, ich warte auf meine Freunde.“ Endlich bemerkte mich der Barkeeper und ich bestellte ein Bier. Dieser Nico machte zwei draus und bezahlte. Irritiert bedankte ich mich, doch er winkte ab. „Schon gut. Willst du tanzen?“ Missmutig sah ich zur Tanzfläche. Dicht an dicht drängten sich die Partygänger und bewegten sich unkoordiniert in der Masse. Früher war ich schon nicht gern in solchen Clubs, warum hatte mich Crow dazu breitschlagen wollen? Ich sah wieder zu dem Typen. „Nein, Danke. Ich warte lieber.“ „Ach komm schon. Hier allein zu sitzen, ist doch langweilig. Amüsieren wir uns lieber!“ Mit jedem seiner Worte kam er mir schon wieder so unheimlich nah, dass ich seinen Alkoholatem riechen konnte. Was will der Kerl? Macht er mir etwa Avancen? „Danke, aber nein“ hielt ich dagegen. Versuchte noch einen Schritt zurückzusetzen, spürte aber einen Barhocker in meinem Rücken. Plötzlich legte ein zweiter Typ Nico einen Arm über die Schultern, zog ihn so ein wenig von mir weg. „Hey, wo bleibst du denn so lange?“ „Ich bin beschäftigt!“ entgegnete er genervt. Der Typ musterte mich einen Augenblick, dann drehte er sich zu seinem Freund. „Das seh ich, aber Frischfleisch kannst du dir später angeln. Danny will mit dir reden!“ Frischfleisch? Wo bin ich hier gelandet? Nico rollte mit den Augen und beugte sich, aber nicht ohne mir zuzuzwinkern, ehe er verschwand. Was zum Teufel ist gerade passiert? Ich atmete erleichtert auf, als die beiden in der Masse untergingen und fischte mein Handy aus der Tasche. Ich gebe euch 30 Minuten, dann bin ich hier weg. Genervt ließ ich das Gerät wieder in der Tasche verschwinden, schnappte mir mein Getränk und zog mich in den hinteren Teil des Clubs zurück. Dort war der Bass nicht ganz so allgegenwärtig. Ich setzte mich an einen der kleinen Tische und beobachtete das bunte Treiben. Die meisten Kerle auf der Tanzfläche sahen weit jünger aus als ich. Zwanzig, wenn es hoch kam. Moment mal… Ich suchte die komplette Tanzfläche ab, die Bar, die restlichen Tische. Ich sah tatsächlich keine einzige Frau. Statistisch äußerst unwahrscheinlich, es sei denn… Ich holte mein Handy wieder raus und tippte den Namen des Clubs in die Suchmaschine ein. Ein unwilliges Brummen entkam mir. Crow hatte mich tatsächlich in einen Schwulenclub geschickt. Das erklärte auch, warum dieser Nico von meiner sexuellen Orientierung wusste. Ich ließ das Handy liegen und schnappte mir die Flasche, die vor mir stand. Seit Monaten lag mir Crow in den Ohren, dass ich doch mal wieder rausgehen sollte, um neue Leute kennenzulernen. Heute hatte er es anscheinend selbst in die Hand genommen und mich ohne mein Wissen in diesen einschlägigen Club gelockt. Dabei hatte ich nur zugestimmt, damit er und Sherry endlich Ruhe gaben. „Ist hier noch frei?“ Ich sah auf. Der Kerl war in etwa mein Alter, mit schulterlangem, blondem Haar. Mit einer Handgeste bedeutete ich ihm, dass er sich setzen konnte. „Danke“ sagte er mit einem freundlichen Lächeln und ließ sich seufzend auf den Stuhl mir gegenüber sinken. „Ist echt voll hier, hätte ich nicht erwartet. Was führt dich eigentlich hier her?“ „Ich warte auf jemanden“ antwortete ich bewusst vage. Auf so eine Unterhaltung wie eben konnte ich gut und gern verzichten. Er zuckte mit den Schultern und war mit seiner Aufmerksamkeit wieder auf der Tanzfläche. Kurz sah ich auf mein Handy, aber ich hatte keine neue Nachricht erhalten. Sollte Crow in den nächsten 25 Minuten hier auftauchen, werde ich ihn ordentlich zusammenfalten. Was denkt er sich dabei? Ja, die ganze Sache war schon zwei Jahre her, aber konnte er nicht einsehen, dass es mich immer noch mitnahm? Wieder drifteten meine Gedanken zu den grauen Augen, die mich so warm anstrahlten. Seinem liebevollen Lächeln. Jedem noch so blöden Witz, über den er herzhaft lachen konnte. Unsere Hochzeit… „Geschieden?“ riss mich eine Stimme aus meinen Erinnerungen. Irritiert sah ich auf. Der blonde Kerl sah mich abwartend an, deutete auf mich. „Der Phantomring.“ Langsam wanderte mein Blick auf den Tisch. Ich spielte schon wieder mit meinem Finger. An der Stelle, an der bis vor kurzem noch mein Ehering steckte. Schnell zog ich die Flasche an mich, puhlte stattdessen an dem Etikett. „Hatte ich auch ne Weile“ meinte er und setzte seine eigene Flasche an. „Aber das vergeht irgendwann. Wie lange warst du verheiratet?“ „Fast vier Jahre“ antwortete ich geknickt. Betrachtete das beschädigte Etikett, ohne es eigentlich zu sehen. Eine Hand legte sich auf meine, zwang meinen Blick wieder nach oben. Der Mann lächelte aufmunternd. „Fühlt sich jetzt vielleicht nicht danach an, aber das vergeht wieder. Sich abzulenken tut manchmal ganz gut, aber gib dir die Zeit, die du brauchst.“ Ein kleines Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen. „Danke.“ Kurz stutzte ich. Hat er mir seinen Namen schon verraten? Sein Lächeln wuchs zu einem fröhlichen Grinsen, seine Hand entfernte sich wieder. „Breo.“ „Danke, Breo. Ich bin Yusei.“ „Freut mich. Was machst du eigentlich hier? Du siehst aus, als hätte man dich hier her gezwungen.“ Ich schnaufte belustigt. „Kann man so sagen, ja. Was ist mit dir?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich dachte es wäre ganz lustig, mal rauszukommen und neue Leute kennenzulernen, aber die Musik ist echt nicht meins. Spaßiger als im Büro ist es aber allemal.“ „Welchen Job hast du denn?“ „Den wahrscheinlich langweiligsten, den du dir vorstellen könntest. Rate mal.“ Einen Augenblick überlegte ich. Langweilige Bürojobs gab es wahrscheinlich wie Sand am Meer. „Bänker?“ riet ich ins Blaue. Er gluckste belustigt. „Nein, vermutlich sogar noch langweiliger. Ich bin Steuerberater.“ „Also den ganzen Tag nur Quittungen durchblättern und Formulare ausfüllen?“ fragte ich zweifelnd. „So ähnlich, aber es zahlt mir die Miete, also kann ich mich nicht beschweren. Was ist mit dir?“ „Ich habe eine kleine Werkstatt. Spezialisiert auf Motorräder.“ „Wie cool! Wo denn genau? Dann komme ich mit meiner Maschine mal rum. Die macht zurzeit nur Ärger.“ „Inwiefern?“ fragte ich interessiert. Ehe er ausholen konnte, gesellte sich plötzlich ein Rotschopf zu uns und wandte sich an Breo. „Hey, bist du soweit? Jean und ich wollen weiterziehen.“ Unschlüssig sah mich der Blonde an. Ich schmunzelte. „Schon okay, meine Freunde sollten sowieso gleich hier auftauchen.“ Er nickte verstehend, kramte nach irgendetwas in seiner Hosentasche und hielt es mir entgegen. „Hier, falls du mal Hilfe bei deiner Steuer brauchst. Oder vielleicht einfach jemanden zum Reden.“ „Schlechtester Anmachspruch der Welt“ feixte seine Begleitung und auch ich musste schmunzeln, nahm die kleine Visitenkarte in seiner Hand entgegen. Er hob die Hand, salutierte locker mit zwei Fingern. „Also, man sieht sich hoffentlich.“ Auch ich hob die Hand kurz zum Abschied. Sah ihm und seinem Freund nach, bis sie von der Masse verschluckt wurden. Mein Blick wanderte zu meinem Handy. Die kleine Nachrichtenleuchte blinkte. Crow hatte mir geschrieben. Sorry, wir schaffen es wohl doch nicht mehr. Aber ich mach es irgendwann wieder gut, versprochen! Abermals seufzte ich und steckte das Handy weg. Zumindest war der Abend keine komplette Zeitverschwendung. Immerhin ein nettes Gespräch kam dabei rum. Nachdem ich mein Getränk geleert hatte, machte ich mich auf den Weg zur Bar, um die Flasche abzugeben. Als ich mich umdrehte, stellte sich mir eine Gestalt entgegen. Ich musste meinen Kopf heben, um dem Kerl ins Gesicht zu sehen. Es war der Typ von vorhin. Wie hieß er gleich? Nico. „Willst du schon gehen?“ fragte er. In jeder Hand hatte er einen kleinen Plastikbecher mit durchsichtigem Inhalt. Vermutlich zwei doppelte Wodka. „Ja, ich bin müde“ versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen. Mein Blick wanderte Richtung Ausgang, doch wieder stellte er sich mir in den Weg. „Der Abend ist doch noch jung. Hier!“ Mit einem schleimigen Lächeln hielt er mir einen der Shots entgegen. „Nein, Danke. Ich würde jetzt wirklich gern gehen.“ „Zier dich nicht so.“ Ich atmete tief durch. Was ist der Typ so aufdringlich? „Ich sagte nein“ entgegnete ich bestimmt. Sein Lächeln erstarb. Angriffslust meinte ich in seinem Blick zu erkennen. Ohne mich aus den Augen zu lassen, führte er den Becher, den er mir entgegenhielt, langsam zu seinen Lippen. Kippte den Inhalt mit einem Zug in seinen Mund. Ob er es jetzt begriffen hat? Ich versuchte mich an ihm vorbei zu winden, doch plötzlich packte er mich im Nacken und zog mich grob zu sich. Drückte mir einen harten Kuss auf die Lippen. Ich keuchte erschrocken, schmeckte im nächsten Moment den harten Alkohol, der in meinen Mund floss. In meinem Rücken war die Bar, wegdrücken konnte ich ihn nicht, dafür war er zu stark. Er gab mich nicht frei, bis ich den Inhalt runterschluckte. Als er sich endlich von mir löste, drehte ich hustend mein Gesicht von ihm weg. „Spinnst du?“ keuchte ich, versuchte noch immer zu Atem zu kommen. Er setzte den zweiten Becher an. Ich hatte schon Angst, dass er das Selbe noch einmal versuchen würde, doch den Inhalt schluckte er dieses Mal selbst. Wieder legte sich ein Grinsen auf seine Lippen. „Entspann dich.“ Ich geb dir gleich entspannen! Mein Herz raste, endlich tat sich eine Lücke auf, durch die ich hindurchschlüpfen konnte und stolperte Richtung Ausgang. Auf dem Flur sah ich mich kurz um und hastete auf die Toilette. Spülte mir am Waschbecken den Mund aus, um diesen seltsam seifigen Geschmack loszuwerden. Mit beiden Händen stützte ich mich am Rand des Beckens ab, um mein Herz und meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen. Mir war schlagartig heiß. Ein seltsamer Schwindel vernebelte meine Gedanken. „Brauchst du Hilfe?“ Ich riss die Augen auf. Zitterte. Der Atem in meinem Nacken stellte mir die feinen Härchen dort auf. Mehr schlecht als recht stolperte ich auf die Tür zu, riss sie auf und rannte an den Garderoben vorbei auf die Straße. Der kalte Märzregen ergoss sich erbarmungslos auf die Straßen. Die Kälte fraß sich durch meine Kleidung, konnte den Nebel in meinem Kopf und die Hitze in meinem Körper aber nicht vertreiben. Dabei hatte ich kaum etwas getrunken. Was ist nur los? Wieder ergriff ein starker Schwindel von mir Besitz. Ich stützte mich an der Wand ab, versuchte so irgendwie zur nächsten Haltestelle zu kommen. Plötzlich zerrte irgendjemand an meinem Arm, bugsierte mich in die nahegelegene Gasse und drückte mich gegen die Wand. Nico hatte sich vor mir aufgebaut, lächelte verschlagen. Ich versuchte ihn wegzudrücken, aber meine Gegenwehr kam mir lächerlich schwach vor. „Verschwinde“ versuchte ich ihn anzuschreien, doch war es nur ein kraftloser Versuch. Ich konnte seine Hand an meinem Hintern fühlen, versuchte noch einmal vergeblich ihn wegzudrücken. „Pfoten weg!“ keuchte ich. Im nächsten Moment spürte ich seine Lippen auf meinen. Die Hand an meinem Hals machte es mir unmöglich, meinen Kopf wegzudrehen. Fordernd drückte er mich weiter an die Wand. Als er mir in den Hintern kniff, keuchte ich erschrocken. Diesen Moment nutzte er, um mir seine Zunge in den Hals zu schieben. Seine Hand wanderte von meinem Hintern über meine Hüfte. Schob sich unter den dünnen Stoff meines Pullovers. Sie war rau, verschaffte mir eine Gänsehaut, wie sie über die Haut an meinem Bauch fuhr. Ich versuchte weiter mich zu wehren, erfolglos. Als seine Hand über meinen Schritt fuhr, wurde mein Stöhnen von seinem fordernden Kuss verschluckt. Mein Körper reagierte wie von selbst auf seine Berührungen und ich verstand beim besten Willen nicht warum. „Lass ihn los!“ erklang eine mir bekannte Stimme. Es war, als käme sie direkt aus der Vergangenheit. Endlich löste er den Kuss und ich schnappte verzweifelt nach Luft, versuchte irgendwie zu Atem zu kommen. „Was willst du? Verzieh dich!“ keifte Nico. Langsam öffnete ich meine Augen, erkannte verschwommen eine Gestalt. Der blonde Mann hielt einen Regenschirm in der Hand, stand wenige Schritte von uns entfernt. „Ich hab gesagt, lass ihn los!“ Ich musste mehrmals blinzeln, erkannte ihn. „Jack?“ murmelte ich. Doch dann verschwamm meine Welt gänzlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)