8 1/2 Wochen von Crazypark ================================================================================ Kapitel 1: ----------- “Wie lange willst du dir den Eyeliner nachziehen? Bis er leer ist? Hier müssen auch andere Leute ins Bad!” Ich klopfte energisch gegen die Tür, hinter der sich mein bester Kumpel und Mitbewohner Kouyou verschanzt hatte. Seit gefühlten Stunden versuchte er, sein Make-Up für den heutigen Abend zu perfektionieren. “Sag den anderen Leuten, dass sie sich gedulden müssen, Takanori”, ertönte die spöttische Antwort gedämpft. Ich zeigte der Tür den Mittelfinger und verzog mich fluchend ins Wohnzimmer. Genervt schmiss ich mich auf unsere durchgesessene Couch, die wir aus zweiter Hand von einem Kumpel zu einem Spottpreis bekommen hatten. Ihre besten Tage hatte sie lange hinter sich gebracht. Das ungleichmäßige Muster an Flecken auf dem verschlissenen Polster war ein stummer Zeuge wilder Studentenpartys. Ich wollte lieber nicht so genau wissen, was oder wer sich darüber alles ergossen hatte. Deswegen hatte ich gleich nach dem Kauf eine Decke über dem Elend ausgebreitet. Was ich nicht sah, konnte mich nicht stören. Im Gegensatz zu meinem Kumpel hielt ich mich von Saufgelagen fern, was vorrangig daran lag, dass ich keinen Alkohol vertrug. Als einziger Nüchterner bei solchen Orgien anwesend zu sein, war wahrlich kein Spaß. Heute hatte ich mich allerdings dazu breitschlagen lassen, meine Bohnenstange von Mitbewohner zur diesjährigen Halloween-Party zu begleiten. Ich hatte zugestimmt, weil er zur Veranstaltung auf der Kreuzung in Shibuya gehen wollte und ich dadurch die Gelegenheit hatte, mich jederzeit zu verziehen. Ich hoffte nur, dass Kouyou sich nicht restlos zulöten würde und ich dessen versoffenen Hintern nach Hause schleppen musste, weil mich mein schlechtes Gewissen andernfalls drangsalieren würde. Besagter Mensch trat soeben kostümiert als Nonne aus unserem Bad. Ich hatte bis jetzt nicht verstanden, wie er auf diesen beknackten Einfall gekommen war. Zumal er keine gewöhnliche Flügelmutter darstellen wollte, sondern eine zombifizierte, wie er mir stolz erzählt hatte, da es schließlich furchterregend wirken musste. Ich fand, dass er auch ohne die dunkel geschminkten Panda-Augen gruselig aussah. So machte er eher den Eindruck, als hätte er im Boxring verloren. Seine lange, lila Perücke verfing sich unentwegt in seinem Mundwinkel, was mir immerhin einen Lachanfall beschert hatte. Genauso wenig verstand ich mich selbst, dass ich mich überreden lassen hatte, mich als Rotkäppchen zu verkleiden und mir für den Zinnober sogar die Beine zu rasieren. Noch schlimmer war jedoch, dass ich verdammt überzeugend aussah. Mein Spiegelbild zeigte mir ein süßes, blondes Mädchen mit Zöpfen. Würde ich mich nicht kennen, hätte ich mich für eine Frau gehalten. Ich schnappte mir die bereitgestellte Schminke und trug roten Lippenstift auf meinem vollen Kussmund auf. Meine Augen hatte ich bereits schwarz umrandet und mit dichten, falschen Wimpern verziert, bevor mich Klosterfrau Melissengeist rabiat aus dem Badezimmer verdrängt hatte. Meine samtene, rote Kapuze setzte ich über die Perücke und mit einem letzten, zufriedenen Blick in den Spiegel trat ich aus dem Bad. “Bist du endlich fertig, Taka?”, fragte Kouyou, als er seinen klimpernden Rucksack schulterte, worauf ich mit einem Augenrollen reagierte. Dem Klang nach zu urteilen, befanden sich diverse Alkoholika darin. Das konnte ein entzückender Abend werden. An der Metrostation herrschte das Chaos schlechthin. Hunderte von Menschen bevölkerten den Untergrund. Viele davon waren gut angeheitert, manche von ihnen waren sogar völlig hinüber. Ich fürchtete, dass ich dem schwachen Magen von einem der Kandidaten zum Opfer fallen könnte, während wir uns durch die brodelnde Masse schoben. Kouyou unterrichtete mich bestens gelaunt über seinen Schlachtplan für das heutige Event. Sein Ziel war es, mit dem mitgebrachten Schnaps jemanden aufzureißen und gefügig zu machen, sodass er diese Person dann in seine Matratze rammeln konnte. Auch dieses Polster hatte mehr Flüssigkeiten gesehen, als gesellschaftlich akzeptabel war. Manch einer würde behaupten, dass ich einfach nur prüde war, doch dem war nicht so. Ich bevorzugte es lediglich, dass ich meine Affären länger als fünf Sekunden kannte, bevor ich sie flachlegte. Mit solchen Nebensächlichkeiten wie dem ausführlichen Kennenlernen hielt sich der Größere von uns gar nicht erst auf. Laut eigenen Aussagen lenkte das zu sehr vom Kernthema ab. Dieser Mann hatte in seinem Leben vermutlich mehr HIV-Tests hinter sich gebracht, als ich Kondome benutzt hatte. Als wir endlich die Oberfläche erreichten und ich meine Lungen mit Frischluft versorgen konnte, seufzte ich erleichtert. Ich war kein Freund von Menschenaufläufen in geschlossenen Räumen. Fahrten zu Stoßzeiten mit der Blechbüchse, die sich Metro schimpfte, waren für mich eine einzige Qual. Die Kreuzung selbst quoll über vor kostümierten, feierwütigen Gestalten. Die Straßen waren für mehrere Stunden weiträumig abgesperrt worden, sodass man sich als Fußgänger frei bewegen konnte, ohne Gefahr zu laufen, von Autos über den Haufen gefahren zu werden. “Möchtest du etwas trinken, Ruki?”, fragte mich Kouyou, während er in seinem Rucksack kramte. Wir benutzten Pseudonyme immer, wenn wir unterwegs waren. Das lag weniger daran, dass wir paranoid waren, sondern vielmehr daran, dass ich in der Vergangenheit einen Stalker gehabt hatte. Zu viele Informationen waren in den falschen Händen extrem gefährlich. Seitdem war ich auf der Hut, wie viel Persönliches ich Unbekannten bei der ersten Begegnung anvertraute. Ich fühlte mich ganz einfach sicherer, wenn wir nicht unsere echten Namen verwendeten. Natürlich hatte ich immer ein ungutes Gefühl, wenn Kouyou wildfremde Menschen in unsere Wohnung schleppte, aber ich konnte es ihm nicht verbieten. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass sie wegen meines Mitbewohners da waren und nicht meinetwegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kouyous Beute nach einer Nacht mit ihm mich stalken würde, war äußerst gering. Der Größere zog eine Bierdose hervor und wollte sie mir reichen, doch ich lehnte dankend ab. Ich hatte keine Lust auf Alkohol. “Ruki, ganz im Ernst, du musst dich dringend entspannen. Vielleicht solltest du deinen Stock im Arsch gegen einen Schwanz eintauschen, damit du wieder locker durch die Hose atmen kannst.” Kouyous liebenswerte Worte stießen bei mir auf taube Ohren. “Danke, Uruha. Ich bin völlig entspannt, auch ohne Nervengift." Mein Mitbewohner schnaubte humorlos und nahm einen Schluck von seinem geliebten Alkohol. “Mag sein, aber ohne Sex? Im Leben nicht. Du brauchst dringend einen bösen Wolf, der dich ordentlich rannimmt.” Ich musste bei seiner Anspielung auf das Märchen, dessen weiblichen Hauptpart ich verkörperte, lachen. "Aber wie ich dich kenne, suchst du dir lieber das nächste naive Mädel, dass dir dann die Ohren vollheult, weil du sie zu grob fickst.” Kouyou hatte leider recht mit dem, was er sagte. Die wenigstens Mädchen konnten mit meiner Vorliebe für harten Sex umgehen. Ich wusste, dass mich mein Mitbewohner provozieren wollte, damit ich endlich mein traumatisches Erlebnis überwand. Aber so einfach funktionierte die Bewältigung nicht. Außerdem wusste er ganz genau, dass ich lieber die Zügel in der Hand hielt. Das war bereits vor meinem Stalker der Fall gewesen. Doch seit dieser Sache vor knapp einem Jahr hatte ich keinen Mann mehr in mein Bett gelassen. “Männer sind zu anstrengend. Frauen sind viel angenehmer”, redete ich mich aus Gewohnheit heraus. “Ich glaube, jeder Heterokerl würde dir widersprechen.” Ich zog es vor, das Thema nicht zu vertiefen und fragte stattdessen: “Wie finden wir nun deine neue Bekanntschaft?” Kouyou hatte vor zwei Tagen einen Typen auf einer Studentenparty kennengelernt und wollte sich hier mit ihm treffen. Angeblich war er extrem gutaussehend, wortgewandt, witzig und stellte allein mit dieser knappen Beschreibung alles in den Schatten, was mein Mitbewohner mir sonst über seine Liebschaften erzählte. Lag vielleicht daran, dass er ihn noch nicht geknallt hatte und fickrig war. Die anfängliche Begeisterung würde sich vermutlich legen, sobald er ihn gehabt hatte. Trotzdem war ich gespannt, zu erfahren, wer meinem Mitbewohner den Kopf verdreht hatte. “Er hatte vorgeschlagen, dass wir uns beim Shibuya 109 treffen.” Keine dumme Idee. Die Umsetzung würde jedoch interessant werden. Scheinbar hatte sich die Anzahl an Menschen innerhalb der letzten zehn Minuten verdoppelt, denn wir brauchten eine halbe Ewigkeit, uns zwischen Batmans, Haien, Zombies und Pikachus durchzukämpfen, um zum berühmten Einkaufszentrum zu gelangen. Als wir endlich den Treffpunkt erreichten, war ich komplett fertig. Ich holte aus meinem kleinen Picknickkorb eine Flasche Calpis Soda und löschte damit meinen Durst. “Du hast mir nicht erzählt, dass du so eine niedliche Freundin mitbringst, Uruha”, ertönte plötzlich links von uns eine männliche Stimme und ich drehte mich zur besagten Person. Beinahe hätte ich dem Typen mein Joghurtgetränk ins Gesicht gespuckt oder zumindest auf den Teil, der nicht von seiner schwarzen Gasmaske verdeckt war, aus der mittig ein dicker Schlauch hing. Sein Outfit hatte das Potential, mir in der Nacht im Traum einzukommen und das wäre keiner von der guten Sorte. Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, betrachtete ich ihn genauer. Seine dunkel umrandeten Augen mit den langen, künstlichen Wimpern konnten meinen Konkurrenz machen und die eisblauen Kontaktlinsen verliehen ihm etwas Dämonisches. Aber wirklich krass war diese Maske. Erst danach bemerkte ich den schwarzen Glitzerfummel, den er sich angescheußelt hatte. Von welchem Grabbeltisch bekam man solche Jacketts? “Ruki ist das niedlichste Rotkäppchen weit und breit”, grinste Kouyou und schien nicht gewillt, den Typen über mein Geschlecht aufzuklären. “Ruki, das ist Yuu, von dem ich dir erzählt habe. Yuu, das ist Ruki”, stellte er uns vor. Dieser Yuu schwenkte eine behandschuhte Hand vor sich hin und her, an der vier scharf aussehende, lange Klauen befestigt waren. Dass er damit überhaupt auf die Menschheit losgehen durfte. Ich machte vorsichtshalber einen Schritt zurück. Nicht, dass er mich mit den Krallen versehentlich zerfetzte. “Hallo Ruki, schön, dich kennenzulernen”, begrüßte mich der Schwarzhaarige. “Hallo Yuu und gleichfalls”, ließ ich meine tiefe Stimme erklingen, bei der ihm sofort klar sein dürfte, dass er mit seiner ersten Annahme daneben lag. Erwartungsgemäß wurden seine Augen groß und vermutlich öffnete sich sein Mund erstaunt unter der Maske. Allerdings hatte er so viel Anstand, sich direkt für seine Fehleinschätzung zu entschuldigen. Ich winkte nur ab. “Mich freut es, wenn mein Kostüm überzeugend ist.” Mir waren die gierigen Blicke der Männer nicht entgangen, als wir an ihnen vorbeigelaufen waren. Von einigen waren sogar anzügliche Bemerkungen ertönt. Wenn die wüssten, dass unter dem Röckchen ein Schwanz auf sie wartete, hätten sich wohl die meisten gleich den Mund mit Gallseife ausgewaschen und die nächsten Wochen keinen mehr hochbekommen. “Bist du allein hier?”, säuselte Kouyou in seiner typischen Aufreißertonlage. Es war eindeutig für mich, dass er auf Flirtkurs war. “Ich bin mit meinem Bruder und seiner Verlobten hier. Aber die beiden suchen gerade eine sanitäre Einrichtung. Nachher wollte sich noch ein Freund von mir zu uns gesellen”, klärte uns Yuu auf und ich wünschte dem Paar gedanklich maximale Erfolge. Bei den Massen ein Klo zu finden, was nicht zwei Stunden Wartezeit versprach, könnte spaßig werden. Im Anschluss an die Erklärung fühlte ich mich wie das fünfte Rad am Wagen. Kouyou war munter dabei, den etwas kleineren Mann nach allen Regeln der Kunst zu verführen und blendete meine Anwesenheit dabei effektiv aus. Arschkeks. Ich fragte mich, wozu er mich mitgeschleppt hatte, wenn er den Abend lieber mit Yuu verbringen wollte. Meinen Blick ließ ich über die Anwesenden schweifen und war von einigen Verkleidungen schwer beeindruckt. Manche hatten sich extrem ins Zeug gelegt. Nicht, dass meine Imitation von Rotkäppchen schlecht wäre, aber gegen das eine Aschenputtel in ihrem wallenden Kleid stank ich mächtig ab. “Uruha?”, fragte ich und drehte mich wieder zu dem Größeren, da ich fand, dass ich seine Aufmerksamkeit einfordern durfte. Doch von meinem Mitbewohner fehlte jede Spur. Gerade eben hatte ich ihn noch aus den Augenwinkeln erspähen können, wie er sich mit dem Schlauchmonster unterhalten hatte und im nächsten Moment war er zwischen Mario und Luigi verschollen gegangen. Ich ging in die Richtung, in der ich ihn zuletzt gesehen hatte und quetschte mich zwischen den Leuten hindurch. Allerdings konnte ich ihn nirgendwo entdecken. Seufzend kramte ich mein Handy hervor und versuchte, meinen Mitbewohner zu erreichen, doch ich bekam kein Signal. Es waren schlicht und ergreifend zu viele Menschen auf einem Fleck. Dasselbe Phänomen kannte ich schon von Silvester. Ich unterdrückte die Schimpfwörter, die mir auf der Zunge lagen und beschloss, zum nahegelegenen Family Mart zu gehen. Ich brauchte dringend etwas Neues zu trinken. An dem Konbini gab es erwartungsgemäß eine lange Schlange und ich reihte mich mit meiner Laune am Tiefpunkt ein. Kouyou konnte was erleben, sobald ich ihn in die Finger bekam. Der Kerl wusste ganz genau, dass ich es hasste, ohne Verabschiedung stehengelassen zu werden. Wie schwer konnte es sein, mich zu informieren, wenn er sein Loch mit einem Schwanz statt mit Flüssignahrung stopfen wollte? Ich verschränkte meine kurzen Arme vor der Brust und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf ihnen herum, um mich irgendwie zu beschäftigen. Vor mir stand ein Kerl, der in ein aufwändiges Steampunk-Outfit gekleidet war. Er war größer als ich, was gemessen an meinem geringen Wuchs bei den meisten Leuten der Fall war. Sein bordeauxfarbenes Rüschenhemd spannte merklich über seinem Rücken. Nicht etwa, weil es zu eng war, sondern weil er durchtrainiert war. Ich ließ meinen Blick weiter nach unten gleiten und blieb an dem in engen, schwarzen Lederhosen verpackten Arsch kleben. Nicht übel. Irrte ich mich oder baumelten zwei Quasten zwischen seinen Beinen? Von welcher Gardine er die wohl geklaut hatte? Weiterhin trug er einen Gürtel, durch dessen Löcher eine schwere, goldfarbene Kette in Schlaufen befestigt war, die bei jeder Bewegung klirrte. Und das tat sie oft, da der Kerl nicht stillstehen konnte. Genauso wenig wie die gackernden Mädels hinter mir, von denen mich eine anrempelte, sodass ich gegen Mr. Steampunk strauchelte. Die Damen entschuldigten sich lauthals und ich erkannte an ihren lallenden Worten direkt deren Alkoholpegel. Die hatten zweifelsfrei zu viel getankt. Der Typ vor mir drehte sich zu mir um und fragte, ob ich mir wehgetan hätte. Ich richtete meinen verrutschten Umhang und schüttelte den Kopf. Mir hatte es bei seinem hübschen Gesicht die Sprache verschlagen. Zwar bedeckte er wie Yuu sein Gesicht zum Teil, aber dieses charmante Lächeln haute mich von den Socken. “Ganz schön was los hier”, merkte der Größere an und scannte mit seinen eisblauen, schwarz geschminkten Augen die Umgebung. Gab’s die Kontaktlinsen irgendwo im Sonderangebot oder warum trug sie jeder Zweite? Seine Nase hatte er mit einem weißen Stoffband verdeckt und seine brünetten, gestylten Haare, die der Schwerkraft widerstehen zu schienen, verdeckten sein linkes Auge. Alles in allem war er ein hübsch anzusehender Kerl, den ich nicht von der Bettkante geschubst hätte. Doch ich hatte zu viel Zeit mit Starren verbracht und meine Chance auf eine Unterhaltung verspielt, als die Schlange sich in Bewegung setzte und Mr. Steampunk mit einem letzten Lächeln im Laden verschwand. Verflixt. Als ich endlich den kleinen Family Mart betreten konnte, war er bereits am Bezahlen. Schnellstens lief ich zu den Kühlschränken und fischte das erstbeste nichtalkoholische Getränk heraus, um damit zur Kasse zu eilen. Natürlich hatte er den Konbini schon verlassen, bis ich mich ausgekekst hatte. Der Abend war doch einfach nur zum Kotzen. Und für die verpasste Gelegenheit konnte ich niemand anderen als mich selbst verantwortlich machen. Es war lange her, dass jemand mein Interesse geweckt hatte und ich Idiot war zu geschockt von diesem Jahrhundertereignis gewesen, um angemessen zu reagieren. Wenigstens lächeln hätte ich können, dann hätte er vielleicht auf mich gewartet. Aber es brachte nichts, sich darüber zu ärgern. Erneut holte ich mein Handy hervor und entdeckte, dass ich fünf Anrufe in Abwesenheit von Kouyou hatte. Ab und an sollte ich mein Smartphone wohl auf laut stellen. Ich konnte mir seine unbändige Freude lebhaft vorstellen, als ich versuchte, ihn zu erreichen. Diesmal hatte ich Glück und der Anruf wurde durchgestellt. “RUKI! Wo zur Hölle steckst du?”, plärrte Kouyou aufgebracht, was zum Teil an der Geräuschkulisse im Hintergrund lag und zum Teil daran, dass er sich um mich sorgte. “Ich bin noch ganz in der Nähe vom 109 und du?” “Ich stehe rechts vom Eingang an den Treppen!” Todesmutig kämpfte ich mich durch den Strom an Menschen, der nicht abzuebben und stattdessen reißerischer zu werden schien. Soeben hatte mir ein Pirat unter den Rock gucken wollen, was er mit einem kräftigen Hieb mit meinem Körbchen bezahlte. Möge das Flechtmuster ihm ein bleibendes Souvenir auf seinem Gesicht hinterlassen. Rotkäppchen hatte es mit einem verfressenen Wolf aufgenommen, da würde ich diesen notgeilen Bock locker in die Schranken weisen können und ihm bestenfalls einen dauerhaften Denkzettel verpassen. Meine Aggression erreichte ein neues Level, als mir eine Ausländerin mit ihren Pfennigabsätzen auf die Füße stieg und mich im Anschluss ankeifte, dass ich ihr im Weg gestanden hätte für einen Schnappschuss. Zwar verstand ich kaum ein Wort, aber die Ausdrücke ‘fuck you’ und ‘photo’ waren mir dann doch geläufig. Das Irrenhaus hatte heute anscheinend Wandertag. Ich atmete erleichtert auf, als ich meinen Mitbewohner erspähte. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so froh gewesen war, sein Gesicht zu sehen. “Ruki, mein Gott, dir geht’s gut. Ich war ganz krank vor Sorge”, brabbelte Kouyou und zog mich in eine Umarmung. Was sollte das denn werden? Wollte er Eindruck bei Yuu schinden oder was? Sonst konnte ich von dieser Fürsorge nur träumen. Als mich der Größere aus seinen Tentakeln entließ, klappte mir die Kinnlade nach unten. Neben Yuu und Kouyou standen nicht bloß das erwähnte Pärchen, sondern auch Mr. Steampunk. Da brat mir einer einen Storch! War Karma doch keine Bitch? Der hübsche Kerl schenkte mir ein erfreutes Lächeln und ich schaffte es endlich, es zu erwidern. Ich wollte zu ihm hingehen und mich vernünftig vorstellen, als das einzige echte Mädel in der Runde meine Aufmerksamkeit einforderte. “Hi, ich bin Manami!” Und eine sexy Krankenschwester, wie ich nach einem eingehenden Blick feststellte. Ihr Rock war um einiges kürzer als meiner und brachte ihre schlanken Beine zum Vorschein. “Du kannst mich aber Manya nennen, das machen alle Freunde von mir.” Sie war hinreißend. Ihr pink geschminkter Mund war zu einem gewinnenden Lächeln geformt und ihre Mandelaugen strahlten echte Freude aus. “Sie ist übrigens mit mir verlobt!” Besagter Verlobter hatte sich als verrückter Professor gekleidet und seine schwarzen Augen funkelten mich herausfordernd an. Wenn ich mich nicht benahm, würde er von seinem Stethoskop Gebrauch machen und mich daran aufknüpfen, so viel war klar. “Ich habe ihnen erzählt, dass du bi bist”, informierte mich Kouyou. Wie schön, dass ich einen besten Freund hatte, auf den ich mich verlassen konnte, vor allem wenn es um seine Verschwiegenheit ging. Ob ich heute nochmal zu Wort kommen würde? Ich öffnete meinen Mund, um den ersten Satz zu sagen, als ich direkt unterbrochen wurde. “Happy Halloween!”, schrie uns eine Gruppe von Knastbrüdern entgegen und hätte mir mit ihrem Selfie-Stick fast ein Loch in die Schläfe geschlagen, wenn mich Mr. Steampunk nicht rechtzeitig beiseite gezogen hätte. “Hey, passt doch bitte besser auf! Ihr hättet ihr das Auge ausstechen können”, maßregelte mein Retter die Truppe angeheiterter Halbwüchsiger, die lachend weiterzog und dem nächsten Kerl nun tatsächlich den Stab auf den Kopf zimmerte. Was für Idioten. “Ihm und danke für den Einsatz”, bedankte ich mich gut erzogen und stellte gleichzeitig die Geschlechtszugehörigkeit klar. “Oh, entschuldige! Du bist echt überzeugend in dem Kostüm”, lächelte Mr. Steampunk und kratzte sich verlegen im Nacken. Ich bekam das Gefühl, dass er mich mit mehr Interesse musterte als vorher. “So soll es sein”, grinste ich. “Wie heißt du eigentlich?” “Akira. Der unhöfliche Kerl dort drüben ist übrigens Yutaka”, stellte mir der Brünette den eifersüchtigen Verlobten vor, der mich nach wie vor abschätzig beobachtete. “Nachdem wir endlich alle Formalitäten geklärt haben”, fing Kouyou an und öffnete seinen Rucksack, um unserem Grüppchen dessen Inhalt zu präsentieren, “wer von euch möchte etwas trinken? Außer Ruki natürlich, die Spaßbremse.” Blödmann. Den Spruch hätte er sich klemmen können. “Da haben sich zwei gefunden. Akira trinkt nämlich auch keinen Alkohol”, eröffnete Yuu die unerwartete Neuigkeit. “Ist das so?”, fragte ich positiv überrascht. Mr. Steampunk nickte eifrig. “Mir geht’s davon am nächsten Tag hundeelend. Außerdem kommt man beim Sport irgendwann an den Punkt, an dem man sich entscheiden muss: Vorankommen oder stagnieren. Alkohol hemmt die Fettverbrennung und macht die Erfolge vom Training direkt wieder zunichte. Nach einem Glas Bier müsste ich eine halbe Stunde laufen gehen, um das auszugleichen.” Ich hörte ihm fasziniert zu. Nicht, dass ich viel Interesse an den biochemischen Prozessen des Körpers hätte. Aber seine Begeisterung für das Thema in Kombination mit seiner wohlklingenden Stimme ließen mich andächtig lauschen. Bitte erzähl einfach weiter, Akira, egal was. Von mir aus auch davon, was du täglich frühstückst. “Was für Sport treibst du?”, fragte ich ihn, was mir ein ungläubiges Schnauben von Kouyou einbrachte. Konnte er sich nicht weiterhin um seinen Fick für die Nacht kümmern? Ich dachte, er wäre damit beschäftigt oder mit dem Verteilen von Alkohol. Mein Mitbewohner wusste selbstverständlich, dass für mich Sport außerhalb des Bettes nicht von Bedeutung war, aber das war völlig nebensächlich, wie ich fand. "Ich gehe ins Fitnessstudio und mache dort vorrangig Zirkeltraining. Aber vor kurzem habe ich mich fürs Boxen angemeldet.” “Boxen?”, fragte ich und hoffte, dass es reichte, ihn zum Weiterreden zu motivieren. “Das klingt gefährlicher, als es ist! Der Trainer legt sehr viel Wert auf Sicherheit.” Logisch. Wer wollte schon Kunden mit Schädel-Hirn-Trauma in seinem Portfolio vorweisen? Machte sich verdammt schlecht in der Vermarktung. “Akira hat einen harten Schädel”, gab Yuu grinsend zum Besten. Inzwischen hatte er die Maske abgenommen, sodass ich einen Blick auf sein symmetrisches Gesicht werfen konnte. Kouyou hatte Geschmack. Diese Lippen waren zum Niederknien schön - voll, perfekt geformt und sicherlich ideal fürs Küssen. “Man könnte auch Dickschädel sagen”, stieg Yutaka darauf ein, was ihm ein empörtes ‘Oi!’ von Akira einbrachte. Ich erkannte ein deutliches Muster, was das Hänseln von Freunden betrifft. Kouyou war kein bisschen netter. Kein Wunder, dass er sich gut mit Yuu verstand. "Besser als eine weiche Birne", kam ich Akira zu Hilfe, der mich dankbar anlächelte. “Ich fürchte, ihr habt ernstzunehmende Konkurrenz bekommen, Jungs”, lachte Manya vergnügt. Die Höflichkeiten wurden noch eine Weile ausgetauscht und ich hatte meinen Spaß dabei, die Anwesenden verbal in ihre Schranken zu verweisen, vor allem weil es jedes Mal für ein Grinsen bei Akira sorgte. Der Größere war kein sonderlich wortgewandter Typ, der sich auf dieser Ebene wehren konnte. Doch je mehr die anderen den Alkohol in sich schütteten, desto mehr wandte sich das Blatt. Das war ein strategisch kluger Schachzug von Mr. Steampunk. Yuu schwankte mittlerweile etwas, was Kouyou direkt ausnutzte, indem er ihm einen stützenden Arm um die Taille legte - aus der reinen Güte seines Herzens natürlich. Yutaka hatte seine Skepsis mir gegenüber abgelegt und kicherte unentwegt über alles, was gesagt wurde, ob das nun lustig war oder nicht. Einzig Manya hielt sich mit dem Trinken zurück, weil sie ihren Verlobten sicher nach Hause bringen wollte. Das kam mir dezent bekannt vor. Glücklicherweise schien Kouyou heute ähnliche Ziele zu haben, da er nicht annähernd so betrunken war wie sonst. Leider bedeutete das auch, dass er mit seiner Stichelei nicht aufhörte. An uns lief soeben ein Typ vorbei, der als Jesus verkleidet war und ein mannshohes Kreuz buckelte. “Jesus wurde wenigstens noch anständig genagelt”, kommentierte ich den Aufzug spöttisch. “Das würdest du auch, wenn du deinen Keuschheitsgürtel ablegen würdest.” Jetzt langte es mir. Wenn Kouyou Krieg wollte, konnte er ihn haben: “Das lass ich mir von der Pseudo-Nonne in der Runde nicht erklären. Bei deinem Männerverschleiß hast du definitiv deine Berufung verfehlt.” Unsere Gruppe brach in schallendes Gelächter aus, während Kouyou eine beleidigte Entenschnute zog. Ich war irritiert, dass kein Gegenschlag folgte. Aber als ich sah, dass er unsicher zu Yuu schielte, verstand ich. Mein Mitbewohner hatte eine Schwäche für den Schwarzhaarigen entwickelt. Wer hätte das gedacht? Die Pärchenbildung hatte in den letzten Minuten zugenommen und irgendwann hatten Akira und ich einen Sitzplatz auf den Steinstufen ergattert. “Was machst du beruflich?”, fragte ich ihn, nachdem ich einen Schluck vom grünen Tee genommen hatte. Mittlerweile hatte ich einiges über ihn in Erfahrung gebracht. Unter anderem, dass er fünfundzwanzig war, in Ikebukuro lebte, eine kleine Schwester hatte, die er über alles vergötterte und dass er gerne auf Konzerte ging. Die Art, wie er Rock'n'Roll ausgesprochen hatte, hatte mich giggeln lassen. Das hatte derart niedlich geklungen, dass ich es nicht mit Worten beschreiben konnte. “Ich arbeite als Mechatroniker, hauptsächlich für Sportmotorräder. Deshalb kenne ich Yuu. Er ist nämlich Kunde in der Werkstatt, in der ich arbeite.” “Fährst du selber auch solche Bikes?” “Ja. Ruki, du fragst mich schon den ganzen Abend aus. Nicht, dass ich mich nicht über dein Interesse freue. Aber ich weiß so gut wie gar nichts über dich.” Ich überlegte. Sollte ich ihm Details von mir offenbaren? Akira machte einen aufrichtigen Eindruck auf mich und wirkte nicht wie ein Massenmörder oder Stalker, aber das hatte der Typ damals auch nicht. Ich beschloss, ihm zumindest die Dinge zu erzählen, die er ohnehin von Yuu erfahren konnte, wenn er es darauf anlegte. Ich ging stark davon aus, dass Kouyou seine Beute heute Abend mit nach Hause nahm. “Ich bin einundzwanzig und studiere Kunst an der Tokyo Geidai.” “Cool. Das ist doch die beste Uni dafür, oder? Malst du?” “Ja, ist sie und ja, ich male - unter anderem”, gab ich amüsiert von mir. Die meisten hätten nach dieser Eröffnung das Thema gewechselt. Zum Teufel, nicht mal meine Eltern interessierten sich für das, was ich machte. Nicht so Akira. “Wow, dann musst du richtig gut sein.” Acht Wochen waren seitdem vergangen. Akira und ich trafen uns, wann immer es unsere Terminkalender zuließen. Ich versuchte, so oft wie möglich aus der Wohnung zu fliehen, da sich meine schlaflosen Nächte verdoppelt hatten, seit Yuu bei uns ständig ein und ausging. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber Kouyou schien den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Dass er überhaupt in der Lage war, eine Beziehung zu führen, hatte mich bereits in meinen Grundfesten erschüttert. Eventuell war das der Grund, dass ich Akiras Avancen eine Chance gegeben hatte. Wenn Kouyou in der Lage war, sich zu ändern, dann sollte ich es ebenfalls schaffen, mein Misstrauen abzulegen. Akira hatte eine Engelsgeduld mit mir. Ich wusste, dass ich nicht einfach war. Aber er ertrug mein Einsiedlerkrebs-Verhalten, ohne zu klagen. Er hatte sogar echtes Verständnis dafür, da ihm seiner Schwester ähnliches widerfahren war. Stück für Stück hatte er es geschafft, mich aus meinem Häuschen hervorzulocken, auch wenn es Momente gab, in denen ich mich wieder zurückzog. Akira hatte überzeugende Köder, denn mein Vertrauen ihm gegenüber wuchs kontinuierlich. Die Halloween-Deko in den Geschäften war gegen Weihnachtsschmuck getauscht worden. Zwar hatte Weihnachten in Japan nicht denselben Stellenwert wie in der westlichen Welt, doch die romantische Stimmung kam dennoch auf. Die Lichterketten in den Bäumen trugen einen erheblichen Anteil dazu bei, dass ich nach Akiras Hand griff, als wir die Allee entlangschlenderten. Selbst ich konnte mich deren Wirkung nicht gänzlich entziehen. Der Ältere hatte mich heute ausgeführt. Zuerst waren wir in einem schicken Restaurant Steak essen gewesen - obwohl ich wusste, dass er nicht viel Geld hatte - hatten im Anschluss den Spaziergang mit meiner Händchenhalten-Aktion unternommen und nun standen wir auf dem Dach des 109 Mens, von dem man einen fantastischen Ausblick auf die Kreuzung und auf das Shibuya 109 hatte. Zumindest, wenn man erstmal die ganzen Leute beiseite geschubst hatte, die Fotos machen wollten. Ein Geheimtipp war dieser Ort jedenfalls nicht. Der Brünette ließ es sich nicht nehmen, von uns ein Selfie zu machen. Wir strapazierten die Nerven der Leute noch etwas, indem wir an der besten Aussichtsstelle stehen blieben und Akira seine Arme von hinten um mich legte. “Schau, dort drüben haben wir uns kennengelernt”, sagte er und deutete mit seinem Zeigefinger auf das Kaufhaus. Er sprach, als wären bereits acht Jahre und nicht Wochen vergangen. Akira gehörte eindeutig zur sentimentalen Sorte, oder es lag daran, dass das Jahr sich zum Ende neigte. Da fingen einige Menschen an, über Vergangenes nachzudenken. “Ich weiß”, antwortete ich schlicht und spürte seine normal proportionierte Nase an meiner Schläfe. Bei der Verkleidung an Halloween hatte ich leichte Bedenken gehabt. Was er mir danach ins Ohr wisperte, durchflutete mich mit Glückseligkeit. “Ich würde mich gern deinen festen Freund nennen dürfen.” Der Kuss, der folgte, war die Kirsche auf der Klischee-Torte. Das war das mit Abstand kitschigste, das ich jemals erlebt hatte. Und ich hatte es in vollen Zügen genossen. Fünf Tage später stand Silvester vor der Tür. Im Gegensatz zu unseren Freunden, die sich auf irgendeiner überteuerten Party die Kante geben wollten, hatten Akira und ich beschlossen, unsere Beziehung auf die nächste Ebene zu heben. Ich hatte ihn zu mir nach Hause eingeladen und wir beide wussten, was das bedeutete. Für mich war es ein großer Schritt, da ich niemand männliches außer Kouyou mehr in mein Zimmer gelassen hatte. Tief durchatmend betrachtete ich mich im Spiegel und brachte meine blondierten Haare etwas in Form. Da Akira meine Perücke an Halloween so gut gefallen hatte, hatte ich beschlossen, zum Friseur zu gehen und mich färben zu lassen. Trotzdem kamen lange Haare mit Zöpfchen nicht für mich in die Tüte. Als es klingelte, war ich ausgesprochen nervös. Es wurde auch nicht besser, als ich feststellte, dass Akira zum Anbeißen aussah. “Komm rein.” Ich gestikulierte ihm, einzutreten und zeigte ihm, wo Jacke und Schuhe hingehören, nur um irgendwie meine zittrigen Hände zu beschäftigen. “Du siehst gut aus”, merkte Akira an, bevor er mich in seine Arme schloss und mich küsste. “Gleichfalls”, murmelte ich mit geschlossenen Augen gegen seine weichen Lippen. Ich spürte, wie er mit seiner großen Hand meine Wange umschloss und lehnte mich in seine Berührung. Akira vertiefte unseren Kuss, während ich meine Arme um seine Taille legte. Eigentlich hatte ich vorgehabt, mit ihm in aller Ruhe einen Film anzuschauen, italienisches Essen zu bestellen, da wir das beide mochten und danach mein Bett zu erobern. Aber allem Anschein nach würden wir mit dem Endprogramm starten. Das war zumindest eine effektive Methode, meine Aufregung in den Griff zu bekommen. Je mehr wir den Kuss intensivierten, desto ungeduldiger wurden wir. Die Klamotten verloren wir bereits unterwegs zu meinem Zimmer. Als der Brünette unter mir und ich zwischen seinen einladend geöffneten Beinen lag, merkte ich erst, wie sehr ich das hier vermisst hatte. “Wie hättest du mich am liebsten?”, säuselte mir Akira anrüchig ins Ohr, sodass auch das letzte Blut meines Körpers in meine Lenden floss. “…fuck, Akira…” Wusste er überhaupt, wie scharf er mich mit solchen Worten machte? “Das ist der Plan, oder?“ “Ich glaube, ich verliebe mich gerade in dich”, scherzte ich grinsend. Akira prustete belustigt los. “Aber um deine Frage zu beantworten: Ich mag es härter. Bevorzugte Stellung ist der Doggy Style.” “Ding, Ding, Jackpot. Ich bin auch kein Fan von Blümchensex.” Seine Hände wanderten an meinen Armen nach oben und legten sich an meine Schultern. “Aber da es unser erstes Mal ist, würde ich dich gerne sehen.” Vor allem seine Reaktionen. Wenn ich sein Gesicht vor mir hatte, konnte ich besser abschätzen, was er mochte und was nicht. “Wie romantisch”, spottete der Ältere. Seine Augen glitzerten mich herausfordernd an. “Mach so weiter und ich hole den Knebel raus.” “Verlockend.” Akira war im Bett ganz anders als ich es sonst von ihm gewohnt war. Der zärtliche, rücksichtsvolle Kerl war einem Klugscheißer gewichen, der meinen Jagdtrieb anstachelte und das Bedürfnis in mir weckte, ihn mit meinem Schwanz zum Schweigen zu bringen. Er schaffte es sogar, dominant zu wirken, als ich ihn in meine Hand nahm und bearbeitete. Ich konnte mir vorstellen, in naher Zukunft auch für ihn die Beine breit zu machen. Sein Keuchen hörte sich genauso gut an wie seine gesprochene Stimme. Ich wollte mehr dieser melodischen Laute herauskitzeln. Erst als er kurz davor war, zu kommen, stellte ich meine Bemühungen ein, was ihn frustriert schnaufen ließ. Immerhin hielt er seine vorlaute Klappe. Aber dieser laszive Ausdruck, den er hatte, ließ meine Erektion erwartungsvoll pochen. Ich konnte nicht länger warten. “Arsch nach oben!”, wies ich ihn an und legte im Anschluss ein Kissen mit einem Handtuch darunter. “Wozu das Handtuch?” “Falls du mir ausläuft”, grinste ich ihn fies an. “Ist einfach Routine. Ich hatte zuletzt nur Weiber im Bett und die haben mir des Öfteren alles eingesaut.” Ich spreizte seine Beine breiter und leckte mir unruhig über die Lippen. “Deswegen dachte ich, es wäre klüger, erst Sex zu haben und dann zu essen.” “Oh mein Gott, du bist ein Genie.” Der Ältere lachte laut auf bei meinen Worten. “Können wir jetzt bitte endlich vögeln?” Wir konnten, Akira. Der Ältere erfüllte all meine Kriterien eines perfekten Partners. Ich wusste nicht, wie er es schaffte. Aber er war zugleich dominant und unterwürfig, hart und biegsam, rau und sanft. Ich war völlig hin und weg. Egal mit wie viel Kraft ich mein Becken bewegte, es brachte ihn nur noch mehr zum Stöhnen. Spätestens als ich meine Schultern unter seine Knie schob und ihn beinahe in zwei Hälften bog, hätten sich die Mädels beklagt. Doch Akira zog mich an meinem Nacken zu einem Kuss nach unten. Danach gab es für mich kein Halten mehr. Ich fickte ihn so hart in die Matratze, dass der Lattenrost gefährlich knarzte und ich glaubte, irgendetwas splittern zu hören. Aber in diesem Moment war mir das alles egal. Akira hielt sich für bessere Stabilität an der Metallstange des Kopfteils fest und stöhnte mit zusammengekniffenen Augen hemmungslos seine Lust heraus. Diesen sinnlichen Anblick würde ich meinen Lebtag nicht mehr vergessen. Mit einer Hand hielt ich ihn an seiner Hüfte an Ort und Stelle und legte nochmals etwas an Geschwindigkeit zu, was Akira dazu brachte, sich zwischen uns zu ergießen. Seine zuckenden Analwände gaben mir den Rest und ich folgte ihm mit einem dunklen Grollen. Sexuell gesättigt lagen wir uns in den Armen und streichelten uns gegenseitig erschöpft. Ich hatte meinen Kopf auf seiner Schulter gebettet und küsste diese in unregelmäßigen Abständen. “Daran könnte ich mich gewöhnen”, murmelte Akira. “Das war für mich keine einmalige Sache”, erwiderte ich, während ich mich auf den Ellbogen stützte, um ihn ansehen zu können. Der Größere schenkte mir sein bezauberndes Lächeln und seine wilde Ader war gänzlich verschwunden. Als würde er im Bett zu einer anderen Person werden - faszinierend. “Weiß ich doch.” “Beim nächsten Mal könnte ich unten liegen, was meinst du?” Ich wollte es so beiläufig wie möglich erwähnen, aber selbst ich merkte, dass meine Stimme nicht sonderlich stabil klang. “Nur wenn du es wirklich willst, Taka. Ich habe kein Problem mit dieser Rollenverteilung. Vor allem nicht, seit ich weiß, wie gut du darin bist.” Den letzten Part schnurrte er in mein Ohr. Dieser Mann wusste, welche Knöpfe er bei mir zu drücken hatte. Drei Wochen nachdem ich ihn kennengelernt hatte, hatte ich meine wahre Identität verraten, worauf er mit einem Schmunzeln reagiert hatte. Seitdem wusste ich, dass ich auf sein Verständnis zählen konnte, selbst wenn es nicht immer einfach für mich war. Ein schlechtes Erlebnis im Leben prägte einen manchmal länger, als man es wahrhaben wollte. Doch Akira hatte es geschafft, mich wieder vertrauen zu lassen. Nach unser Bettaktivität duschten wir und bestellten wie geplant beim Italiener. Ich hatte für den heutigen Abend sogar eine Flasche Sekt zum Anstoßen gekauft. Auch wenn mir klar war, dass der meiste Inhalt von Kouyou vernichtet werden musste. Der Actionfilm, der auf dem Fernseher flimmerte, interessierte uns kein bisschen. Viel zu sehr waren wir mit uns beschäftigt. Wir streichelten und küssten uns und genossen einfach nur unsere Zweisamkeit. Irgendwann gestand mir Akira, dass er mich wahnsinnig gernhatte und sich darauf freute, mit mir das nächste Jahr als mein Freund verbringen zu können. Ich musste mich stark zurückhalten, vor Freude nicht zu flennen. Kurz vor null Uhr köpften wir die Flasche und stellten uns mit den Gläsern auf den Balkon. Das Apartment lag in Sumida und von hier oben hatte man einen recht guten Blick auf das baldige Feuerwerk. “Bevor ich's vergesse: Yutaka hat uns zu seiner Hochzeit eingeladen.” “Wow, wann findet sie statt?” Akira legte einen Arm um meine Schulter und schaute lächelnd auf mein Gesicht herunter. “Schon nächsten Monat.” Eine Winterhochzeit also. Akira erklärte mir, dass Manya gesagt hatte, dass das romantisch wäre. Keine Ahnung, was romantisch daran sein sollte, sich die Zehen auf einer Hochzeit abzufrieren. Aber ich hatte kein Recht, zu widersprechen. Akira fragte mich, ob ich ihn begleiten würde, was ich selbstverständlich bejahte. In diesem Moment glaubte ich, dass ich ihm auch ans Ende der Welt folgen würde. Als das Feuerwerk den nächtlichen Himmel erleuchtete, wir uns küssten und uns ein frohes neues Jahr wünschten, wusste ich, dass ich ihn nicht mehr hergeben würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)