Another Side von Flordelis (Another World, another Wesker 1.5) ================================================================================ Kapitel 2: Hast du noch eine letzte Frage? ------------------------------------------ [LEFT]Wie er gehofft hatte, war seine Nacht ruhig verlaufen. So konnte er am nächsten Morgen früher ins Büro kommen, um dort noch einiges aufzuräumen, was einfach liegengeblieben war, bevor sie zu ihrer Mission aufgebrochen waren. Auch im RPD wollte niemand etwas von ihm, damit schaffte er es problemlos in sein Büro, wo er von einem Fax erwartet wurde, das ihn nur noch einmal darauf hinwies, dass sowohl das FBI als auch die Innere Abteilung Ermittlungen gegen S.T.A.R.S. anstrengte. Er widerstand der Versuchung, das Fax einfach wegzuwerfen und heftete es stattdessen in den zuständigen Ordner. Dann räumte er die Akten wieder weg, die er extra für die FBI-Agenten herausgesucht hatte. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass darin irgendetwas Interessantes für sie gewesen war, lediglich der Hinweis, dass Chris über Barry zu S.T.A.R.S. gekommen war und er Forest Speyer bereits im Vorfeld gekannt hatte. Da Forest als Zeuge wegfiel, war vielleicht Barry noch in den Genuss einer Befragung gekommen. Es war natürlich weiterhin lächerlich, aber im Endeffekt machten die Agenten auch nur ihren Job.[/LEFT] [LEFT]Kurz vor 9 öffnete sich die Tür zum Büro. Doch die Begrüßung, die er einem seiner Kollegen vorbringen wollte, blieb in seiner Kehle stecken. Wieder waren es zwei Männer in Anzügen, die vor ihm standen, diesmal aber schon älter, mit verbitterten Gesichtern und grauen Haaren, einer von ihnen trug sogar eine Sonnenbrille. Noch bevor sie sich auswiesen, wusste Albert, dass sie von der Inneren Abteilung waren. Ihm blieb auch gar nichts erspart.[/LEFT] [LEFT]»Albert Wesker?«, fragte der Mann mit Sonnenbrille. »Detective Munch und Detective Briscoe, wir haben ein paar Fragen an Sie.«[/LEFT] [LEFT]Ihm blieb nichts anderes übrig als die beiden in sein Büro zu bitten. Im Gegensatz zu den Agenten vom Vortag, sahen die Detectives ihn finster an; er war sich nicht sicher, ob ihm das lieber war, aber immerhin konnte er so die Blicke einfach genauso finster erwidern.[/LEFT] [LEFT]»Wir haben gehört, Sie haben gestern mit dem FBI geredet«, sagte Briscoe, ohne Sonnenbrille, dafür mit sorgsam zurückgekämmten Haar. »Also haben wir bis heute gewartet.«[/LEFT] [LEFT]»Das ist sehr freundlich«, sagte Albert trocken.[/LEFT] [LEFT]Keiner der beiden störte sich an seinem Tonfall. Munch richtete seine Sonnenbrille, durch die seine Augen nicht zu erkennen waren. »Ich gehe davon aus, dass Sie wissen, warum wir hier sind.«[/LEFT] [LEFT]»Ich gehe davon aus, dass es wieder um Chris Redfield geht.«[/LEFT] [LEFT]Mehr wollte man von ihm aktuell ja nicht. Nur Gespräche über Chris. Warum er ein Terrorist geworden war. Ob er sich vorstellen könnte, dass er so etwas tat. Er war selbst erstaunt, dass er gestern bei den Agenten ruhig geblieben war, obwohl er es nicht leiden konnte, dass sie so über ihn sprachen. Vielleicht lag das an dem Lächeln der beiden. Bei diesen Detectives fehlte das nämlich, und es machte ihn deswegen jetzt schon wütend.[/LEFT] [LEFT]»Richtig«, sagte Munch. »Uns interessiert aber weniger, was er jetzt macht oder wie es dazu kommen konnte. Wir wollen herausfinden, wer bei den S.T.A.R.S. noch damit zu tun hat.«[/LEFT] [LEFT]Albert erstarrte. »Sie denken, jemand von uns arbeitet mit ihm zusammen?«[/LEFT] [LEFT]»Aus den Unterlagen geht hervor, dass Redfield zwei der Mitglieder bereits vor seiner Zeit bei den S.T.A.R.S. kannte.« Briscoe blätterte betont durch einen Ordner, den er mitgebracht hatte. »Speyer ist bekanntlich bei dem Arklay-Zwischenfall zu Tode gekommen. Aber Burton lebt noch.«[/LEFT] [LEFT]»Das können Sie nicht ernst meinen. Barry hat zwei Kinder, er würde sich nie auf so etwas einlassen.«[/LEFT] [LEFT]»Ja, das haben wir uns dann auch gedacht«, bestätigte Briscoe.[/LEFT] [LEFT]Was wollten sie dann von ihm? Albert hob seine Hände ein wenig, um zu zeigen, dass er ratlos war. Munch zog einen Mundwinkel nach oben. »Wir haben aber auch herausgefunden, dass Sie und Ms. Valentine eine sehr enge Beziehung mit ihm haben.«[/LEFT] [LEFT]Wieder war da dieses Eiswasser, das sein Inneres füllte. Aber er versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen. »Ist es verboten, sich gut mit seinen Untergebenen zu verstehen?«[/LEFT] [LEFT]»Nein, natürlich nicht. Wir glauben auch nicht, dass Sie damit zu tun haben.«[/LEFT] [LEFT]Damit blieb nur Jill. Sie glaubten wirklich, dass ausgerechnet Jill mit Chris unter einer Decke steckte. Albert wollte dem direkt widersprechen und darauf hinweisen, wie unwahrscheinlich das war. Aber er konnte es nicht. Da war diese kleine unscheinbare Stimme in seinem Inneren, die ihm zuflüsterte, dass es kein Zufall war, dass Jill sich abgesetzt hatte, um allein mit Chris zu sprechen. Und dass sie nicht schlimmer verletzt oder getötet worden war, erklärte sich so ebenfalls.[/LEFT] [LEFT]»Aber was hätten sie von einer Zusammenarbeit?«, fragte Albert, um seinen eigenen Zweifel zu überspielen.[/LEFT] [LEFT]Briscoe zog seine buschigen Brauen zusammen. »Sie müssen sich nicht dumm stellen, Mr. Wesker. Ein Kontakt zur Polizei, speziell zu einer Eliteeinheit, ist für einen Terroristen sehr wertvoll.[/LEFT] [LEFT]»Und«, ergänzte Munch, »wir gehen davon aus, dass der Kontakt erst vor zwei Tagen hergestellt wurde, als Sie diese Mission durchgeführt haben.«[/LEFT] [LEFT]Hinter Alberts Stirn arbeitete es. Wenn er das alles richtig interpretierte, glaubten die beiden Detectives, dass Chris die anonyme Mail selbst geschickt hatte, um unauffällig mit Jill in Kontakt zu treten, möglicherweise im festen Wissen, dass sie sich von allen anderen absetzen würde. Das ergab für seinen Geschmack viel zu viel Sinn. Konnte er Jill unter diesen Voraussetzungen vertrauen? Sollte er sie einfach direkt darauf ansprechen?[/LEFT] [LEFT]Wieder mischte sich diese kleine Stimme ein, die ihm einflüsterte, dass es nur natürlich war, wenn andere Menschen ihn verrieten. Sogar seine eigene Schwester hatte ihr Versprechen gebrochen und ihn für ihre neue Familie verlassen und vergessen. Was sollte Chris oder Jill bei ihm halten?[/LEFT] [LEFT]»Uns ist bewusst, dass Sie vermutlich noch nichts dazu sagen können«, bemerkte Briscoe, als das Schweigen zu lange anhielt. »Wir wollen nur, dass Sie uns mitteilen, sobald Ihnen etwas auffällt oder Sie gar Beweise dafür finden, dass es einen Kontakt zwischen Mitgliedern Ihres Teams und Chris Redfield gibt.«[/LEFT] [LEFT]»Oder mit anderen Terroristen«, fügte Munch noch hinzu.[/LEFT] [LEFT]Albert nickte schweigend. Er wollte weiterhin nicht glauben, dass Jill ihn derart betrog, aber er durfte es nicht ausschließen. Enrico würde ihm das auch bestätigen: Er war ihr Vorgesetzter, er musste Strenge walten und sich nicht blenden lassen. Selbst wenn das bedeutete, dass er sie verdächtigen musste. Wenn er sie nachher im Krankenhaus besuchte, würde er versuchen, mehr aus ihr herauszubekommen, in der Hoffnung, dass sich alle irrten, auch er selbst.[/LEFT] [LEFT]Es darf einfach nicht wahr sein. Aber falls doch, muss ich das Richtige tun.[/LEFT] [LEFT]Auch wenn er sich noch nicht sicher war, was das Richtige in diesem Fall wäre.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Der Rest des Tages verlief ohne größere Zwischenfälle. Genau wie die anderen beendete er seinen Bericht zu der misslungenen Mission, um es bei Irons einzureichen. Während Barry sich um die Waffen kümmerte – auch die von Chris und den Verstorbenen –, Brad den Helicopter wartete und Kevin sich mit früheren Kollegen traf, beschloss Albert, es für den Tag gut sein zu lassen und ins Krankenhaus zu fahren. Seine Gedanken drehten sich ohnehin nur darum, ob und was Jill mit Chris zu tun hatte. Vielleicht standen sie sich auch näher, als er bislang geahnt hatte, dann wäre es doch erst recht verständlich, wenn sie nun zusammen arbeiteten. Aber allein der Gedanke sorgte bei Albert für ein weiteres Zähneknirschen.[/LEFT] [LEFT]Im Krankenhaus waren die Gedanken aber auch sofort weggewischt, da er schon beim Betreten der Station erfuhr, dass Jill vorhatte, nach Hause zu gehen. Natürlich nutzte er diese Gelegenheit und bestand darauf, sie selbst zu fahren. Sie wehrte sich nicht dagegen, sondern ließ es zu und so saßen sie kurz darauf schon zusammen in seinem Wagen. Jill wirkte müde und abgekämpft. Lag das daran, weil sie nicht wusste, ob und wie sie mit ihrer Doppelrolle umgehen sollte?[/LEFT] [LEFT]An der ersten Ampel, an der er halten musste, musterte er sie so eingehend, dass sie endlich die Augen öffnete und ihn ansah, wieder mit diesem misstrauischen, fast feindseligen Blick. Hatte Chris ihr irgendwas erzählt? Oder lag das immer noch an seinem Verhalten von diesem einen Abend? Wie gern hätte er sie einfach gefragt.[/LEFT] [LEFT]»Es ist wirklich alles okay«, sagte sie. »Du hast es doch selbst gehört, es sind keine Schäden sichtbar und ich bin auch nicht mehr bewusstlos geworden. Außerdem habe ich gute Schmerztabletten für zu Hause bekommen.«[/LEFT] [LEFT]Er beteuerte, dass er sich nur Sorgen machte und Vorwürfe, worauf sie ihm erwiderte, dass sie sich so oder so abgesetzt hätte, um Chris zu stellen, egal, was er getan hätte.[/LEFT] [LEFT]Albert lachte unwillkürlich. »Du hast recht. Du wärst in dem Moment weg gewesen, in dem ich das erste Mal woanders hinsehe. Alles nur, um zu Chris zu kommen.«[/LEFT] [LEFT]Warum? Warum lag ihr so viel daran, ihn selbst zu stellen? Die Frage brannte so sehr in seinem Inneren, dass es sich anfühlte, als würde ein Loch in seinem Inneren entstehen.[/LEFT] [LEFT]Sie sagte nichts dazu, sondern versank in eigene Gedanken, über die er gern mehr gewusst hätte. Ihre blauen Augen wanderten in die Entfernung und weckten in seinem Inneren die Sehnsucht, dass sie ihn ansehen würde, nur ihn, für immer. Er wollte nicht glauben, dass sie mit Chris zusammenarbeitete oder sogar in ihn verliebt wäre. Und wenn sie ihn nur mit diesen blauen Augen ansehen und ihm sagen würde, dass sie nichts mit alledem zu tun hatte, hätte er ihr geglaubt.[/LEFT] [LEFT]Innerlich grummelnd stellte er fest, dass Enrico wieder mal recht hatte. Er war zu emotional bei ihr.[/LEFT] [LEFT]»Wie sieht es eigentlich mit deinen Gedächtnislücken aus?«, fragte er, um sich von seinen eigenen Gedanken abzulenken und vielleicht mehr zu erfahren.[/LEFT] [LEFT]Sie zögerte einen kurzen Moment. »Im Großen und Ganzen geht es wieder. Aber ein paar Sachen sind noch schwammig.«[/LEFT] [LEFT]»Falls ich dir helfen kann, frag mich einfach.«[/LEFT] [LEFT]Zu seiner Überraschung fragte sie ihn tatsächlich nach Rebecca. Ihm war nicht mal bewusst gewesen, dass Jill viel von ihrem Neuling mitbekommen hatte. Aber er erzählte ihr bereitwillig, wo Rebecca gerade war, und wie es dazu gekommen war, dass sie nun mit Enrico vor dem Verteidigungsministerium über Billy Coens Fall debattieren mussten. Jill lauschte interessiert, stellte sogar Fragen, die er ihr beantwortete und er erwähnte auch, dass er eine Empfehlung für Billy geschrieben hatte. Er ließ aber aus, dass er dafür eine Nacht nicht geschlafen hatte.[/LEFT] [LEFT]Dann fragte sie nach Chris' Tätigkeiten im Anwesen. Albert hatte Chris' Bericht so oft gelesen, um auch nur den Hauch einer Spur für den kommenden Verrat zu finden, dass er ihr sofort von dem Wohnheim mit den mutierten Spinnen und einer mörderischen Pflanze erzählen konnte. Offenbar erinnerte sie sich, denn sie nickte, als bestätigte sie seine Geschichte.[/LEFT] [LEFT]In diesem Bericht hatte Albert keinen Hinweis gefunden. In jedem einzelnen Satz war Chris' Entsetzen über das Gesehene zu lesen gewesen, sein Unverständnis, warum jemand Dinge erforschen sollte, die eine derartige Gefahr waren, sogar für die Forschenden selbst. Er konnte einfach kein Verräter und vor allem kein Terrorist sein. Egal, wie sehr er bei ihnen streng sein wollte, das konnte er sich einfach nicht vorstellen.[/LEFT] [LEFT]»Ich glaube ihm«, sagte Albert unvermittelt. »Weil ich Chris glauben will. Deswegen will ich auch herausfinden, was bei der Beweissicherung geschehen ist. Ob er uns wirklich verraten hat.«[/LEFT] [LEFT]Er würde es erst glauben, wenn Chris ihm in die Augen sah und es ihm mit seinen eigenen Worten bestätigte. Davor war er einfach unschuldig.[/LEFT] [LEFT]»Ich will es auch herausfinden«, sagte Jill leise.[/LEFT] [LEFT]»Dann lass uns das zusammen machen«, entfuhr es ihm begeistert. »Gemeinsam kann uns Chris nicht mehr entkommen.«[/LEFT] [LEFT]»Aber du hast gesagt, wir sollen ihn als Feind betrachten«, wandte sie ein.[/LEFT] [LEFT]Dass sie sich an etwas erinnerte, das er ihr gesagt hatte, machte ihn seltsam glücklich. »Während einer Mission sollten wir ihn auch als Feind betrachten. So schwer es uns fällt, wir dürfen ihn nicht unterschätzen.« Er griff das Lenkrad so fest, dass seine Handknöchel weiß hervortraten. »Du bist noch einmal glimpflich davongekommen, aber wer weiß, wie es das nächste Mal ausgehen wird. Daran möchte ich nicht einmal denken.«[/LEFT] [LEFT]Allein die Vorstellung, dass Jill sterben könnte, dass sie nie wieder wach wurde, schmerzte so sehr in seiner Brust, dass ihm sogar das Atmen schwerfiel. Wenn sie starb – vor allem durch seine Schuld oder seine Nachlässigkeit – könnte er nicht mehr mit sich leben. Wozu dann auch noch?[/LEFT] [LEFT]Den Rest des Weges fuhren sie schweigend. Ihm war die Lust vergangen, sie auf die Sache mit Chris anzusprechen, sie selbst schien gerade wohl nichts sagen zu wollen.[/LEFT] [LEFT]Erst als er vor ihrem Apartmentgebäude in eine Parkbucht einbog, wurde ihm bewusst, dass es möglicherweise seine letzte Gelegenheit für dieses Gespräch war. Also gab er sich Mühe, möglichst ungezwungen zu wirken, als er sie ansah. »Hast du noch eine letzte Frage?«[/LEFT] [LEFT]Tatsächlich hatte sie noch eine – aber damit hatte er nicht gerechnet: »Sind wir beide eigentlich ein Paar?«[/LEFT] [LEFT]Sein Inneres gefror sofort. Unwillkürlich wich er von ihr zurück. Sie erinnerte sich nicht einmal an so etwas? War ihr Gehirn doch mehr geschädigt, als Dr. Hamilton gesagt oder gedacht hatte? Oder war sein Verhalten zu aufdringlich?[/LEFT] [LEFT]Für einen kurzen Moment liebäugelte er mit dem Gedanken, das einfach zu bejahen und eine falsche Beziehung mit ihr zu führen, herauszufinden, wie weit er gehen könnte und wie lange es dauerte, bis sie sich wieder erinnerte. Aber zum einen wäre das natürlich falsch, zum anderen würde das nachvollziehbare Wut mit sich bringen. Und eine solche Beziehung wollte er mit ihr nicht führen. Selbst der Kuss nach der Mission, der von ihr unerwidert blieb, für den er sich entschuldigt hatte, wurde von ihm bereut. Erinnerte sie sich auch daran nicht mehr? Das wäre zumindest eine gute Sache.[/LEFT] [LEFT]Geduldig wartete sie auf seine Antwort, sah ihn dabei einfach nur an, mit ihren misstrauischen Augen, als wartete sie nur darauf, dass er ihr irgendetwas antat. Das brach ihm fast das Herz.[/LEFT] [LEFT]»Nein, sind wir nicht.« Obwohl er es gern anders hätte. »Warum fragst du?«[/LEFT] [LEFT]»Du weißt genau, wo ich wohne, du warst besorgt, weil ich so distanziert war … Da war ich einfach neugierig.«[/LEFT] [LEFT]»Ich bin eben ein guter Chef?«[/LEFT] [LEFT]Sie erwiderte darauf nichts, so dass sie sich nur schweigend ansahen. Auf diese Art und Weise hatte er das Thema eigentlich nicht noch einmal aufgreifen wollen, schon gar nicht, wenn sie sich nicht einmal an den Kuss und ihre fehlende Reaktion erinnerte. Wenn sie ihn nur aufgehalten hätte, als er nach seiner Entschuldigung gegangen war, wenn sie ihm nur gesagt hätte, dass er sich keine Hoffnungen machen musste. Dann säßen sie nun nicht hier.[/LEFT] [LEFT]Er zuckte seufzend mit den Schultern. »Ich bin wohl nicht sehr gut darin, es herunterzuspielen, hm?«[/LEFT] [LEFT]»Zumindest gestern und heute, ja.«[/LEFT] [LEFT]Also war das bestimmt auch vorher schon gewesen. Wusste oder ahnte sie es schon länger und hatte ihn dennoch derart auflaufen lassen? Wie lange hielt er diese Peinlichkeit schon aufrecht, ohne dass jemand ihn darauf hingewiesen hatte? Konnte man an so viel Scham sterben?[/LEFT] [LEFT]»Mich stört das nicht«, sagte Jill plötzlich. »Ich möchte auch nicht, dass dieses Gespräch jetzt irgendwie negativ auf uns zurückfällt.«[/LEFT] [LEFT]Das … war keine Abfuhr. Keine Zusage (mit der er ohnehin nicht gerechnet hatte), aber eben auch keine vollkommene Zerstörung, die er erwartet hatte. Es erleichterte ihn, immerhin könnten sie auf diese Weise weiter Zeit miteinander verbringen. »Okay, ich versuche, daran zu denken.«[/LEFT] [LEFT]Dann fiel ihm aber noch etwas ein: »Ach ja, so wie ich dich kenne, hast du bestimmt nicht wirklich was zu essen zu Hause. Wie wäre es, wenn ich noch schnell etwas besorge und dann zurückkomme, um mit dir zu Abend zu essen?«[/LEFT] [LEFT]Ihr Blick wurde ein wenig weicher, endlich. So kannte und liebte er sie, selbst wenn sie nicht dasselbe für ihn empfand – und vielleicht mit Chris zusammenarbeitete. Als sie zustimmte, mit ihm essen zu wollen, beschloss er, später noch einmal auf das Thema einzugehen, nur um klarzustellen, dass sie unschuldig war. Innerlich entschuldigte er sich bei Enrico, aber er konnte nicht anders.[/LEFT] [LEFT]Nachdem sie ausgestiegen war, fuhr er erst einmal davon, um das Essen zu besorgen. Glücklicherweise wusste er, was sie gern aß, und er kannte auch ein gutes Restaurant, in dem er das holen könnte, ohne auf Fast Food zurückgreifen zu müssen. Diese Zeit konnte er gebrauchen, um sich wieder zu beruhigen und sich auf das kommende Gespräch vorzubereiten. Und vielleicht – nur vielleicht – gab es am Ende dieser ganzen Sache doch noch ein gutes Ende für sie beide. Hoffen durfte er doch noch.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Nicht lange danach suchte er Jill schließlich mit dem Essen und auch zwei Flaschen alkoholfreien Biers auf. Während sie aßen, kam die Sprache noch einmal auf Chris, was Albert gelegen kam – allerdings fragte sie zu seiner Überraschung nach seiner Schwester Claire. Er erinnerte sich, dass die FBI-Agenten ihm erzählt hatten, dass die Gefahrenabwehr sie befragt hatten, aber sie wusste offenbar auch nichts.[/LEFT] [LEFT]»Warum fragst du eigentlich?«, hakte Albert nach, als Jill nichts dazu sagte.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe vorhin nur an sie denken müssen. Chris hat früher immer viel von ihr erzählt, deswegen …«[/LEFT] [LEFT]Wie viel Privates hatten sie miteinander geteilt? Die Eifersucht stach wieder in seinem Inneren.[/LEFT] [LEFT]Aber während er noch versuchte, sich wieder zu beruhigen, fragte Jill plötzlich nach seiner Familie. Sie entschuldigte sich noch lächelnd, dass sie es möglicherweise wissen müsste, aber ihre Gedächtnislücken machten ihr das nicht einfach.[/LEFT] [LEFT]Albert lächelte ihr beruhigend zu. »Da musst du dir keine Sorgen machen, das habe ich tatsächlich noch nie erzählt. Aber da gibt es ohnehin nicht viel zu sagen, denn ich habe keine Familie. Meine Eltern sind gestorben, als ich noch sehr jung war, ich erinnere mich nicht einmal an sie.«[/LEFT] [LEFT]Das war gelogen. Er erinnerte sich nicht mehr an ihre Gesichter, aber der herbe Duft seines Vaters, sowie die melodiöse Stimme seiner Mutter, waren tief in seinem Gedächtnis verankert. Genau wie das Gefühl der Sicherheit, wann immer er bei ihnen gewesen war.[/LEFT] [LEFT]Vor allem erinnerte er sich aber an das Blut auf den Wänden des Schlafzimmers, an den metallischen Geruch, gepaart mit dem Schwarzpulver und das Loch in der Stirn seines Vaters. Selbst nach bald zwanzig Jahren wollte diese Erinnerung ihn nicht mehr loslassen.[/LEFT] [LEFT]»Andere Verwandte hatte ich sonst nicht. Also bin ich hier im Waisenhaus von Raccoon City aufgewachsen.«[/LEFT] [LEFT]Alex erwähnte er nicht. Sie war adoptiert worden und nie zurückgekehrt, hatte sich auch nie bei ihm gemeldet, trotz aller Versprechen. Er konnte sie nicht mehr als seine Familie bezeichnen, denn ganz offensichtlich hatte sie sich für eine andere entschieden.[/LEFT] [LEFT]Jill legte eine Hand auf seine. »Es ist wirklich nicht weiter schlimm. Die Leute dort waren nett zu uns, wir hatten immer genug zu essen und man hatte einen guten Blick auf das RPD. Wahrscheinlich wollte ich deswegen immer dort arbeiten.« Er lachte kurz auf. »Ohne die Unterstützung von Umbrella wäre das vermutlich nicht möglich gewesen.«[/LEFT] [LEFT]Das Unternehmen hatte das Waisenhaus nicht nur gesponsert, damit es ihnen an nichts mangelte, er erinnerte sich sogar an Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke, die von Umbrella geschickt worden waren.[/LEFT] [LEFT]Jills Stimmung schwang sofort um, nachdem er Umbrella erwähnte. Er seufzte innerlich, denn er wusste, dass sie nicht gut auf die Firma zu sprechen war, Kevin hatte ihm ja sogar gesagt, dass Jill gefragt hatte, ob sie gegen Umbrella ermittelten. Eigentlich war Albert davon ausgegangen, dass Chris' Paranoia inzwischen kein Thema mehr wäre. Aber offensichtlich glaubte sie immer noch, dass Umbrella für die Forschung im Arklay-Anwesen verantwortlich war, egal wie sehr das Unternehmen beteuerte, dass es abtrünnige Wissenschaftler waren, die für Terroristen gearbeitet hatten. War ihr Beharren auf Umbrellas Schuld ein Zeichen dafür, dass sie mit Chris zusammenarbeitete? Oder interpretierte er hier zu viel hinein?[/LEFT] [LEFT]»Ich denke, Umbrella ist wohl kein gutes Tischthema«, versuchte er schließlich, das Thema abzuschließen. »Tut mir leid, dass ich sie wieder erwähnt habe.«[/LEFT] [LEFT]»Nein, ich wollte ja, dass du mir mehr über dich erzählst. Ich hätte nicht so reagieren dürfen.«[/LEFT] [LEFT]»Okay, dann ignorieren wir dieses Thema fortan einfach, wenn wir so zusammensitzen. Wir können uns im Büro streiten, sobald du wieder fit bist.«[/LEFT] [LEFT]Er zwinkerte ihr zu, was die Stimmung sofort wieder entspannte. Sie lächelte ihm dankbar zu.[/LEFT] [LEFT]Das danach eintretende kurze Schweigen wurde von seinem Pieper unterbrochen. Albert entschuldigte sich bei ihr und ging zu ihrem Telefon. Da er bereits schon öfter in dieser Wohnung gewesen war – meistens aber in Verbindung mit Chris –, wusste er, wo es sich befand. Er wählte die Nummer der Buchhalterin des RPD und musste glücklicherweise nicht lange warten, bis sie das Gespräch annahm.[/LEFT] [LEFT]»Gut, dass Sie zurückrufen«, sagte sie. »Ich habe heute auf Sie gewartet.«[/LEFT] [LEFT]Da fiel ihm auch siedendheiß wieder ein, dass Kevin ihm während des Gesprächs mit Briscoe und Munch einen Zettel übergeben hatte, der auf diesen Termin hinwies, weil die Buchhalterin über Jills Krankenversicherung sprechen wollte. Nach der Unterhaltung mit der Inneren Abteilung war ihm das aber vollkommen entfallen. Das wollte er aber nicht so offen zugeben.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe mich doch um alles gekümmert«, erwiderte er. »Ryman hätte das gar nicht berichten müssen.«[/LEFT] [LEFT]»Sobald ein Beamter im RPD im Zuge seines Diensts einen Arzttermin benötigt, muss die Buchhaltung davon erfahren. Immerhin müssen wir das mit der Versicherung regeln.«[/LEFT] [LEFT]»Ja, das ist mir klar. Aber sie war nicht dienstlich da, deswegen …«[/LEFT] [LEFT]»Solche Dinge können wir in einem Gespräch unter vier Augen klären«, erwiderte sie spitz. »Also ist es absolut unabdinglich, dass Sie persönlich hierher kommen!«[/LEFT] [LEFT]Großartig, noch mehr Termine, auf die er keine Lust hatte.[/LEFT] [LEFT]»In Ordnung«, gab Albert schließlich nach. »Morgen um 9 im Büro der Buchhaltung. Ist sonst noch etwas?«[/LEFT] [LEFT]Er hoffte, dass sie ablehnte – aber stattdessen gab sie zu seinem Horror den Hörer an eine Person weiter, die wohl gerade mit ihr im Büro war. Und es wurde noch schlimmer, als er die Stimme von Agent Morgan erkannte: »Mr. Wesker, wussten Sie, dass Ms. Valentine sich heute mit Claire Redfield getroffen hat?«[/LEFT] [LEFT]Heiße und kalte Schauer liefen über seinen Rücken. Warum hatte Jill das nicht erwähnt? Unter Garantie wussten die Agenten, dass er gerade bei ihr war – und wenn die Innere Abteilung auch noch davon erfuhr, wäre das Chaos perfekt. Er sah bereits alles zwischen seinen Fingern verrinnen, wie Sand, nein, eigentlich eher wie Wasser, das sich nicht einmal mit viel Mühe davon abhalten ließ, einfach zu versickern und zu verschwinden.[/LEFT] [LEFT]»Nein, das wusste ich nicht. Aber ich kümmere mich darum. Bis dann.«[/LEFT] [LEFT]Er legte den Hörer auf und seufzte schwer. Dabei fiel sein Blick auf einen Schlüssel und einen Zettel, die direkt neben dem Telefon lagen. Besonderes letzteres versetzte ihm einen schweren Stich. Er kannte das Motel, dessen Adresse darauf vermerkt war, nur flüchtig, aber nach dem, was er gerade erfahren hatte, konnte er sofort schließen, dass Claire dort untergekommen sein musste. Sie war hier gewesen, hatte Jill diesen Schlüssel und die Adresse übergeben – aber wozu?[/LEFT] [LEFT]Es gab nur eine Person, die ihm das beantworten konnte. Deswegen schnappte er sich beides und kehrte in die Küche zurück, wo Jill unschuldig auf ihn wartete.[/LEFT] [LEFT]»Was ist das hier?«, fragte er ernst.[/LEFT] [LEFT]Sie zuckte zusammen, weswegen es ihm fast schon wieder leid tat, aber er musste hart bleiben. Dass sie wirkte, als wäre sie bereit, aufzuspringen und wegzurennen, ließ ihn nur noch mehr glauben, dass er hier einer Sache auf der Spur wäre. Sie wurde blass, als er ihr Zettel und Schlüssel vor das Gesicht hielt.[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß nicht, was du meinst«, erwiderte sie, wenig überzeugend.[/LEFT] [LEFT]Ihre gespielte Ignoranz machte ihn nur wütend. Er knallte den Zettel und den Schlüssel auf den Tisch. »Verkauf mich nicht für blöd! Das ist das Motel, in dem Claire Redfield abgestiegen ist! Und der Agent, der sie beobachtet, sagt, dass sie heute bei dir war!«[/LEFT] [LEFT]Sie begann zu zittern, etwas, das er nie hatte sehen wollen, jedenfalls nicht, weil er dafür verantwortlich war. Deswegen atmete er betont tief durch. »Ist dir eigentlich klar, was das für Probleme für dich geben könnte? Wenn die Regierung denkt, dass du mit Chris unter einer Decke steckst, sperren sie dich bis an dein Lebensende ein!«[/LEFT] [LEFT]Und das fände er sogar schlimmer, als wenn sie plötzlich Terroristin geworden wäre. Sie nie wieder sehen zu können, weil sie im Hochsicherheitsgefängnis war, käme für ihn einer Abkehr von ihm gleich. Genau wie bei Alex. Oder Chris. Warum vertrieb er jeden? Was war falsch an ihm?[/LEFT] [LEFT]»Warum hast du mir das nicht erzählt? Ich dachte, wir wollten zusammenarbeiten.«[/LEFT] [LEFT]Sie erwiderte seinen Blick zerknirscht. »Ich dachte, du würdest mir vielleicht raten, sie zu ignorieren oder es jemandem zu melden.«[/LEFT] [LEFT]»Und das sollte ich auch!« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber ich dachte, du vertraust mir. Du weißt, dass ich Chris genauso sehr helfen will wie du. Wir hätten darüber reden können.«[/LEFT] [LEFT]Auch wenn es seine Pflicht gewesen wäre, es dem FBI und der Inneren Abteilung zu melden, kannte er sich. Er hätte Claire aufgesucht, um auch mit ihr über Chris zu sprechen und weitere Hinweise zu suchen, die dafür sprachen, dass er unschuldig war. Natürlich wäre es falsch, das hätte Enrico ihm auch bestätigt, aber es ging immerhin um Chris, er konnte nicht anders, selbst wenn er eifersüchtig war.[/LEFT] [LEFT]»Es tut mir leid«, sagte sie nur.[/LEFT] [LEFT]Er glaubte, dass in seinem Inneren etwas zerbrach. Kraftlos ließ er die Arme fallen. »Ja, mir tut es auch leid. Ich hätte wissen müssen, dass du Chris immer vorziehen wirst.«[/LEFT] [LEFT]Damit griff er nach seinem Jackett, das er zuvor ausgezogen hatte, und verließ das Apartment ohne jedes weitere Wort. Wieder hielt sie ihn nicht auf, genau wie vor zwei Tagen.[/LEFT] [LEFT]Mit großen Schritten ging er den Gang hinab. Seine Brust brannte und war gleichzeitig eiskalt, so dass ihm das Atmen schwerfiel.[/LEFT] [LEFT]Sie hatte es nicht explizit gesagt, aber es war eindeutig, dass sie Chris vorzog. Natürlich, warum auch nicht? Er war sympathisch, brachte sie zum Lachen und war enthusiastisch genug, um jeden mitzureißen. Jede Frau könnte sich glücklich schätzen, seine Freundin zu sein.[/LEFT] [LEFT]Was konnte Albert schon bieten? Er war überarbeitet, traumatisiert und schaffte es offensichtlich nicht einmal, ein guter Anführer zu sein. Wegen ihm war Jill verletzt worden, und sie redete nicht einmal mit ihm über so wichtige Dinge wie neue Hinweise bezüglich Chris. Sobald Enrico zurück war, sollte er ihm die Einheit einfach überlassen und sich zurückziehen. Wenn sich alle von ihm abwandten, sollte er die Zeichen verstehen und die Leute lieber in Ruhe lassen. Egal, wie schwer es für ihn war.[/LEFT] [LEFT]Die Stimme flüsterte weiter in seinem Inneren, bestärkte ihn darin, dass es besser wäre, einfach zu verschwinden, vielleicht das Auto gegen eine Wand zu setzen oder es seinem Vater gleichzutun und sich die eigene Waffe gegen die Stirn zu richten. Hauptsache, er wäre fort, und alle anderen wären endlich von seiner unerwünschten Anwesenheit befreit.[/LEFT] [LEFT]Mit diesen Gedanken kämpfend fuhr er nach Hause, entschlossen, sich an diesem Abend zu betrinken, egal, wie sehr sich das am nächsten Morgen noch rächen würde.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)