Das Leben danach von Futuhiro (Magister Magicae 12) ================================================================================ Kapitel 9: Der billige Beweis ----------------------------- Als sie wieder nach Hause in ihre WG-Wohnung kamen, war Serhii weg. Das wunderte Waleri nicht. Wie er inzwischen wusste, war Serhii ein Echtzeit-Hellseher. Er konnte nicht die Zukunft sehen, aber die Gegenwart von weit entfernten Orten und Personen. Wie eine Überwachungskamera verfolgte er, was andere Leute in eben diesem Augenblick gerade trieben. Sicher hatte er den Kampf aus der Ferne mitverfolgt und war getürmt, als er gesehen hatte, dass Waleri mit Olha auf dem Heimweg war. Waleri duldete, dass Olha sich kommentarlos in ihrem Zimmer verschanzte, und kümmerte sich erstmal um sich selbst. Er fühlte sich immer noch, als wäre er von einer Abrissbirne getroffen worden. Aber er hatte im Laufe seines Lebens ein paar Möglichkeiten erlernt, seinen Körper schneller wieder auf die Beine zu kriegen, wenn er seine schmerzhafte Zeitpuffer-Fähigkeit überstrapaziert hatte. Eine kochend heiße Dusche und Stützbandagen an allen erdenklichen Gelenken wirkten da schon viel. Hatte er das nicht zur Hand, mussten es im Notfall erstmal Schmerztabletten tun. Auch Koffein hatte sich als erstaunlich hilfreich herauskristallisiert. Nach einer Weile steckte er vorsichtig den Kopf wieder durch Olhas Tür herein. Als Olha diesmal nur mit bösen Blicken statt mit handfesten Gegenständen warf, traute er sich, ganz in ihr Zimmer einzutreten. "Bist du okay?", wollte er wissen. Sie hatte auf der ganzen Heimfahrt an seinem Arm geklammert, so dass er kaum die Gangschaltung hatte bedienen können. Aber gesagt hatte sie kein Wort. Schnaubend sah sie weg. "Hör mal, können wir jetzt vielleicht wieder normal miteinander reden? Über deinen komischen Wahn zum Beispiel?" "Ich hasse dich!" Waleri rollte mit den Augen. Er war dieser Anfeindungen langsam echt überdrüssig. "Jetzt sei doch mal vernünftig, Mann. Wie kommst du drauf, dass ich dir untreu gewesen bin? Wer redet dir sowas ein?" "Na, willst du´s etwa abstreiten?" Waleri hob ratlos die Schultern. "Ja!?" "Dann bin ich echt gespannt, wie du mir das hier erklären willst!", giftete Olha ihn an, griff nach der Fernbedienung und drückte ein paar Knöpfe. Auf dem Fernseher sprang surrend ein Videoband an. Waleri blieb mit einem würgenden Laut die Luft weg. Er musste sich den Handrücken auf den Mund pressen, weil er das Gefühl hatte, ein Schlag in den Magen würde ihm gleich das letzte Essen wieder hochkommen lassen. Er sah sich selbst auf einem fremden Mädchen liegen und hatte gut erkennbar hemmungslosen Verkehr mit ihr. Das Ambiente war eindeutig das eines Bordells. "Was ... !?", wollte er erschüttert wissen. "Ist das ne Überwachungskamera in einem Puff?" "Nutten zählen bei dir wohl nicht unter Fremdgehen, was?", gab Olha nur beißend zynisch zurück und ließ das Video gnadenlos weiterlaufen. "Olha ...", machte Waleri kurzatmig, geradezu hilflos, aber in einem um Vernunft bittenden Tonfall. Er versuchte, das Video irgendwie in seinem Gedächtnis einzuordnen. "Das da ist mindestens 5 Jahre her. Da kannte ich dich noch nichtmal!" Mit vorsichtiger Verwunderung und arger Skepsis wandte sich die junge Frau wieder dem Fernseher zu und sah sich das Tape unter diesem Gesichtspunkt nochmal genauer an. "Komm schon, schalt das aus", flehte Waleri und drehte sich pikiert weg, als er auf dem Bildschirm genau in diesem Moment zum Höhepunkt kamen. Das verfluchte Teil hatte sogar Ton, so dass man es nicht nur sah, sondern auch sehr gut hörte. Kopfschüttelnd - und erst Sekunden später - hob sie die Fernbedienung und stellte das peinliche Video endlich ab. Waleri hatte sich abgewandt, hatte sich die linke Hand verkrampft unter den rechten Ellenbogen geklemmt und die Knöchel der rechten Hand an den Lippen, um seine Beherrschung zu behalten. Er war erstmal hellauf damit beschäftigt, einfach nur weiterzuatmen. Ihm war schlecht. Er fühlte sich furchtbar vorgeführt und ungerecht behandelt, sowas auf Kassette gebannt und in Olhas Besitz zu sehen. Er brauchte noch einige Augenblicke, bevor er Olha wieder in die Augen sehen konnte. "Wo ist das gewesen?", wollte Olha wissen. Sie klang jetzt sehr viel ruhiger als zuvor, nicht mehr so hysterisch und wütend. Waleri ließ die Hand aus seinem Gesicht kraftlos fallen und seufzte. "Im 'Love Devil'. Das ist ein Bordell, drüben im Stadtteil Twerskoi", gab er geschlagen aber ehrlich zu. "Das Mädchen da ...", er deutete auf den Fernseher, "hieß Yelizaweta. Und ja, ich war häufiger bei ihr", gestand er unverwunden. Was hätte er es auch abstreiten sollen? "Aber wie gesagt, das ist Jahre her. Wäre mein Schützling auf dem Band mit drauf gewesen, hättest du das selber gemerkt. Aber der war mit seinen Mädels immer im Nachbarzimmer, um ungestört zu sein. Er wollte nicht, dass ich ihm dabei zusehe." Mit einem leisen Durchatmen kam Olha näher, schlang ihre Arme um Waleris Mitte und schmiegte sich fest an seine breite Brust. "Tut mir leid", meinte sie leise, da sie seine Ausführungen glaubhaft fand. "Wenn ich dir Unrecht getan habe, entschuldige ich mich dafür." Waleri fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase, dann erwiderte er die Umarmung doch noch. Eine ziemliche Spannung fiel von ihm ab. So peinlich das ganze Ding auch sein mochte, war er froh, dass sich endlich alles aufgeklärt hatte. "Wo hast du dieses Tape überhaupt her, sag mal?" "Von Katerina." Waleri stöhnte unwillig auf, als ihm hundert Lichter aufgingen. "Wo sie es her hatte, weiß ich allerdings nicht." "Ich schon", meinte er trocken. Sie musste es vom 'Hammerhai' zugespielt bekommen haben. Der kriminelle, kleine Gauner hatte zu vielen Puff-Besitzern in ganz Moskau Kontakte. Und übrigens nicht nur zu denen. "Hör zu, Olha ..." Das Mädchen löste ihr Gesicht von seiner Brust und schaute ihm niedergeschlagen von unten herauf in die Augen. Wartete, dass er weitersprach. "Ich liebe dich, Kleine", fuhr er ernst fort. "Sei ehrlich. Liebst du mich auch?" Sie nickte. "Ja." "Wirklich?" "Dieses Video da hat mir das Herz zerrissen. Du machst dir keine Vorstellung, wie sehr ich gelitten habe, weil ich dich so liebe und das da nicht ertragen konnte. Ich liebe dich wirklich, glaub mir das." "Dann geh mit mir von hier weg. Diese 'Herde' hier hat eine giftige Atmosphäre. Serhii und Katerina sind durchtrieben. Auch wenn das Kapitel mit dem 'Hammerhai' jetzt erstmal abgeschlossen ist, und selbst wenn ich den beiden jetzt noch trauen würde, werden die hier nie Ruhe reinkommen lassen. Lassen wir das hinter uns und bauen uns irgendwo anders ein gemeinsames Leben auf." Olha kratzte sich verlegen am Kopf. "Planst du immer noch eine Familie?" "Wenn du das auch möchtest!?" "Ich muss dir was sagen ... Ich bin schwanger gewesen." "Was!?", machte Waleri perplex und schob sie auf Armlänge von sich, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. "Von dir!" "Ja, das ... Also ..." Er war kurz völlig überfordert. "Das hätte ich jetzt auch vermutet, dass es von mir ist. Aber ... wieso sagst du 'gewesen'?" "Ich habe es leider verloren. Es kann sich zwar gerademal um die dritte, vierte Schwangerschaftswoche gehandelt haben, aber dieser ganze Psycho-Terror um das Videoband war wohl zuviel körperlicher und seelischer Stress." Seufzend schloss Waleri das Mädchen wieder in die Arme und legte seine Wange oben auf ihrem Kopf ab. "Machst du mir ein neues?", wollte Olha neckisch wissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)