Von Wölfen und Menschen von Watanabe999 ================================================================================ Kapitel 11: Keine Atempause --------------------------- 6. Oktober 2015, ca. 22:00 Uhr, am Rande von Tokyo-3 In der aufziehenden Dunkelheit waren die Umrisse der nicht eingefahrenen Wolkenkratzer nur vage zu erkennen. Shinji, Asuka und Rei hatten am Hang auf einer Wiese Platz genommen und schauten in die Nacht und den Sternenhimmel. Sie hatten die Plugsuits bis jetzt noch nicht abgelegt. Shinji lag auf dem Rücken und schaute nach oben. „Ob die Engel von außerhalb stammen? Von anderen Planeten, meine ich…“ Asuka schüttelte den Kopf. Sie hatte sich ebenfalls flach hingelegt, aber ihre Beine überschlagen. Sie wippte leicht mit dem Fuß. „Also ich finde, dass es keine Rolle spielt, wo die Viecher herkommen. Sie sind uns feindlich gesinnt. Also müssen sie weg.“ „Ich weiß nicht. Irgendwie verstehe ich das alles nicht. Vielleicht sollen wir das auch gar nicht herausfinden. Und einfach nur unseren Job machen.“ Shinji drehte sich auf den Bauch. „Glaubst du, die verheimlichen uns etwas?“ Asuka schien die Idee nicht ganz abwegig zu finden. „Trotzdem bleiben die Dinger böse. Und daher müssen wir sie bekämpfen.“ Der Junge schien nicht stillliegen zu können. Er drehte sich wieder zurück auf den Rücken und betrachtete die Sterne. „Der Himmel sieht so viel schöner aus, jetzt, wo die störenden Lichter der Stadt aus sind“, sagte er. „Also ich weiß nicht, so dunkel wirkt die Stadt total langweilig“, antwortete Asuka. Sie verzog das Gesicht. „Es wirkt alles so… tot…“ Rei hatte die Beine wieder an den Körper gezogen und umschlang sie mit ihren Armen. Sie starrte nachdenklich ins Leere. „Nur, weil die Menschen die Dunkelheit so sehr fürchten, waren sie in der Lage, das Feuer zu zähmen.“ „Sieh an, sieh an! Unsere Rei ist ja eine richtige Philosophin!“, kicherte Asuka. Dann weiteten sich ihre Augen. „Seht! Aaaah, schon besser! Der Strom scheint wieder da zu sein!“ Straße um Straße wurden die Lichter in Tokyo-3 wieder angeschaltet. Nacheinander wurden die Gebäude vor dem schwarzen Hintergrund wieder sichtbar. Dann, als alle Lichtquellen wieder eingeschaltet waren, hörten sie es. Ein lautes Alarmsignal ertönte und zerstörte die malerische Ruhe, die bis jetzt an diesem Abend vorgeherrscht hatte. „WAS!?“, keuchte Asuka. „Das kann doch nicht schon wieder ein Engel sein! Der letzte ist noch nicht mal 8 Stunden tot!“ Die Drei sprangen auf und liefen den Hügel hoch. Nach wenigen Augenblicken erschien ein schwarzer Van von NERV und hielt mit quietschenden Reifen vor ihnen. Die Schiebetür flog auf und zwei Sicherheitsleute sprangen heraus. „Piloten, bitte einsteigen! Wir fahren Sie direkt zum Hauptquartier!“, rief der Größere von beiden. „Aber das kann doch nicht wahr sein!“, sprach Shinji, als er auf der Rückbank Platz genommen und sich angeschnallt hatte. Der Van brauste durch die noch menschenleeren Straßen und kam nach kurzer Zeit vor dem großen Eingangstor des Hauptquartieres an. Die Schranken gingen auf und der Wagen wurde direkt auf einen der CAR-Trains geleitet. In wenigen Minuten waren sie wieder in der Geofront. Als sie ausstiegen, kamen ihnen eine mürrisch dreinblickende Misato und eine nahezu panische Ritsuko entgegen. „Da seid ihr ja!“, rief die blonde Frau und winkte sie zu sich. „Ein unbekanntes Objekt ist vor der Küste aufgetaucht und legt gerade die Region um Shizuoka in Schutt und Asche!“ Shinji keuchte vor Entsetzen. „WAS?! Ein weiterer Engel? Kommt er hierher?“ Sie geleiteten die drei Piloten in die Kommandozentrale. Überall herrschte helle Aufregung. Techniker hetzten von Raum zu Raum, Analysen huschten über die Bildschirme. Wer keinen Platz an einem Schreibtisch ergattert hatte, war dabei, die Spuren des Stromausfalls zu beseitigen. Die beim Kappen der Leitungen ausgelaufene Hydraulikflüssigkeit sonderte einen eigenartigen Gestank ab, der bis in die Kommandozentrale zog. Die Stromversorgung war wieder aktiv, sodass alle einen Blick auf die holografischen Projektionen werfen konnten. Die drei Piloten konnten Hyugas Stimme hören, als sie eintraten. „Wir haben Videoaufzeichnungen! Ich lege sie auf den Hauptschirm!“, rief er. Und dann sahen sie es. Inmitten brennender Gebäude der Großstadt stand die seltsame, grau-bläuliche Kreatur. Ein gigantischer Fächer wuchs aus der Mitte des Kopfes des Monsters und zog sich den Hals hinunter bis über den Rücken, hin zum Schwanz. Seine glühenden Augen durchdrangen die Nacht. Als es schrie, beleuchteten blau fluoreszierende Adern im Maul des Wesens seine riesigen Zähne. Es besaß zwei kleine Arme am Körper, die an einen Tyrannosaurus Rex erinnerten. Die riesigen, muskulösen Beine zerstampften gerade ein weiteres Hochhaus. Allen Anwesenden lief es kalt den Rücken herunter. „Was… was ist das?“, hörten die Piloten den Vizecommander fragen, der eine Etage weiter oben neben Gendo Ikari stand. „Datenanalyse abgeschlossen!“, rief Maya Ibuki. „Höhe knapp über 60 Meter! Gewicht über 1.700 Tonnen! Wellenmuster… Violett!?“ Sie schüttelte den Kopf. „Sir, die MAGI stufen das Wesen nicht als Engel ein!“ Commander Ikari stand auf. Seine Stimme klang ruhig. Nur Ritsuko und Fuyutsuki konnten ein ganz leichtes Zittern heraushören. „Es spielt keine Rolle, als was die MAGI dieses Ding einstufen. Es wird über kurz oder lang nach Tokyo-3 kommen. Somit stellt es eine Gefahr für uns dar. Gibt es Informationen bezüglich eines AT-Feldes?“ „Negativ, Sir!“, antwortete Maya. „Wir konnten bis jetzt keines feststellen. Dennoch hat das Militär nicht den Hauch einer Chance. Ihre konventionellen Waffen richten bei der dicken Haut des Wesens keinerlei Schaden an!“ Misato wandte sich an die Brückenoffiziere: „Warum setzen die keine N² ein?“ „Wurde von der Regierung abgelehnt, Captain“, gab Aoba zurück. „Die Stadt wurde nicht evakuiert, der Angriff erfolgte zu plötzlich. Es befinden sich noch mehr als eine halbe Million Menschen dort!“ Gendo drehte sich um und blickte nach unten, direkt zu den Piloten. „Dann müssen wir die Evangelions erneut einsetzen. Glücklicherweise sind die Schäden vom Kampf gegen den neunten Engel nur minimal und alle drei Einheiten somit noch kampffähig. Captain Katsuragi, machen Sie alle Evangelions kampfbereit und postieren Sie sie am südlichsten Punkt von Tokyo-3. Sobald das Wesen sich gen Norden bewegt, greifen wir an.“ Er machte Anstalten, die Kommandoplattform zu verlassen. Dann drehte sich Gendo jedoch noch einmal zu Fuyutsuki um. „Ich werde eine Notfallsitzung mit dem Komitee anberaumen. Ich hoffe, dass die mehr Antworten haben. Sie müssen hier für mich übernehmen.“ Fuyutsuki wandte sich an den Rest der Crew. „Sie haben den Commander gehört! Auf Ihre Posten. Alle EVAs einsatzbereit machen. Die Piloten sollen sich zu den Entry-Plugs begeben!“   *** In seinem Apartment in Tokyo-3 saß Janko Freytag auf seinem Bett und starrte auf die Livebilder, die NERV-04 dankenswerterweise auf seinen Laptop übertrug. Das staatliche Fernsehen war mal wieder abgeschaltet worden, die Nachrichtensperre wurde genau wie beim Auftauchen der Engel angewandt. Er nippte an seiner Tasse Tee und konnte nicht umhin, diesem Wesen eine gewisse Faszination zuzugestehen. Mit Leichtigkeit zerdrückte es geparkte LKWs, riss Brücken ein und zerschmetterte die Fassaden der Bürogebäude, als es sich seinen Weg durch das Zentrum der Großstadt bahnte. Er sah die verzweifelten Bemühungen des japanischen Militärs, dem Kaiju Einhalt zu gebieten. Selbst die in großer Zahl abgeschossen Marschflugkörper der Kreuzer der japanischen Streitkräfte erwiesen sich als wirkungslos. „Es macht mich wahnsinnig, euch allein da rausgehen zu lassen“, dachte er betrübt. Was würde er jetzt dafür geben, schon seinen Evangelion hier zu haben. „Verdammt nochmal, Thaddäus, beeilt euch!“   *** Die Evangelion-Einheiten 00, 01 und 02 hatten am südlichsten Zipfel von Tokyo-3 Stellung bezogen. Ihre Reichweite wurde immer noch von den Umbilical-Kabeln limitiert, sodass sie nicht weiter vorrücken konnten. Von einem Abwurf mit Hilfe der großen Transportmaschinen hatte man abgesehen, da man nicht sicher war, dieses Wesen in fünf Minuten besiegen zu können. Asuka starrte in die dunkle Nacht und hielt ihren riesigen Speer fest umklammert. Sie erblickte mehrere Feuer am Horizont. „Und was, wenn das Biest nicht weiter nach Norden marschiert?“, dachte sie. „Bleiben wir dann hier stehen und sehen zu, wie die Menschen vor uns einfach getötet werden? Blöde, schwache Batterien!“ Einheiten 00 und 01 hatten neben ihr Stellung bezogen. Sie öffnete einen Comm-Kanal zu Rei und Shinji. „Und was jetzt, Leute?“, fragte sie. „Bleiben wir hier und drehen Däumchen?“ „Unsere Befehle lauten, darauf zu warten, dass das Wesen zu uns kommt“, gab Rei ruhig zurück. „Oh, ich vergaß! Bloß nicht vom Protokoll abweichen!“, blaffte Asuka zurück. „Was sollen wir denn sonst tun?“, fragte Shinji. „Wir können das Ding ja schlecht anfüttern…“ Ein Gedanke zuckte durch Asukas Kopf. Sie fing an, breit zu grinsen. „Und ob wir das können, passt mal auf!“, rief sie und sprengte ihr Umbilical-Kabel ab. Der Timer begann, von 5 Minuten an runter zu zählen. „Ihr wartet hier, ich locke das Ding zu euch!“ Mit diesen Worten sprintete Einheit 02 los, den Feuern in der Dunkelheit entgegen. „Asuka, was wird das?“, rief Misato verärgert über Funk. „Du hast den Befehl, zu warten!“ „Vergiss es, Misato! Ich stehe doch hier nicht rum und sehe zu, wie das Ding die Stadt da vorne platt macht!“, gab Asuka zurück. In vollem Lauf sprang der Evangelion über die Stromtrassen und Eisenbahnlinien vor sich. Die Füße des EVAs hinterließen tiefe Furchen auf den angrenzenden Feldern, als er sich dem Zentrum der Kämpfe näherte. Ihre Instrumente meldeten ein riesiges Objekt vor ihr. „Da bist du ja, du hässlicher Drecksack!“, rief sie euphorisch.   *** Zeitgleich, Ehemaliger Tagebau Nochte, Oberlausitz, Deutschland, Kommandoraum „Die Standard-Evas haben Position bezogen“, meldete Helga Martinsen, die die Daten der Überwachungssatelliten beobachtete. „Immer noch kein AT-Feld beim Kaiju messbar…“ Phil verschränkte die Arme und runzelte die Stirn. „Wie wollen die Viecher dann gegen einen Evangelion bestehen?“, fragte er laut. Thaddäus lachte leise auf. „Die brauchen kein eigenes AT-Feld…“ „Was?!“, entgegnete Phil und drehte sich zu ihm um. Thaddäus lehnte sich auf seinem Schreibtischstuhl zurück und versuchte, den Zigarettenstummel in dem völlig überfüllten Aschenbecher auszudrücken. Die Asche fiel daneben, sodass er sie mit einem leichten Pusten vom Pult fegte. „Die Kaijus sind von den gleichen Wesen erschaffen worden, die auch die Lanzen von Longinus gebaut haben. Glaubst du, die juckt ein AT-Feld? Nein, die gehen da einfach durch wie ein Messer durch warme Butter…“ Martinsen und Kocurek entfuhr ein überraschtes Stöhnen. „Und wie besiegt man die dann?“, fragte der Brückenoffizier. Thaddäus setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf. „So, wie man alles andere auch besiegt: Mit roher Gewalt.“   *** 22:48 Uhr Ortszeit, am Rande von Tokyo-3 Das Kaiju hatte Asuka bemerkt und drehte sich zu der ankommenden Einheit 02 um. Es stieß einen markerschütternden Schrei aus. Asuka blickte auf den Timer an ihrem Handgelenk. Die Uhr zeigte noch 3:48 Min Restenergie. Sie bremste ihren EVA und nahm den Speer in die rechte Hand. Wie ein Leichtathlet ging sie in Wurfposition und zielte. „Na dann komm mal schön her“, dachte sie und schleuderte den Speer Richtung Gegner. Die gigantische Eisenstange sauste durch die Luft und traf die rechte Schulter des fremden Wesens. Sie durchbrach die lederne Haut des Kaijus und blieb stecken. Ein kleiner, bläulicher Blutstrom lief an der Eintrittswunde herab. Wütend riss das Kaiju das Maul auf und biss auf den Speer. Mit einem lauten Krachen zerbrach die Waffe und die Einzelteile fielen zu Boden. Dann setze es zum Angriff auf den Evangelion an. „Na dann hab ich jetzt wohl seine Aufmerksamkeit!“, rief das rothaarige Mädchen und machte kehrt. Der Timer tickte weiter runter. Sie stürmte los, dicht gefolgt von dem blaugrauen Wesen, das eine überraschend hohe Geschwindigkeit entwickelte. „Shinji, Rei, nehmt das Ding unter Feuer, sobald es in Reichweite ist! Ich hol mir mein Kabel zurück!“, ergänzte Asuka und nahm wie ein Hürdenläufer die Hindernisse, die vor ihr im Weg standen. Das Kaiju war nicht so höflich. Es durchbrach einfach jeden landschaftlichen Widerstand, der ihm im Weg stand. Die Einheiten 00 und 01 legten ihre Standardgewehre an und zielten. Als die Maximalreichweite unterschritten wurde, erhellten die Blitze des Mündungsfeuers die Nacht. Gewaltige Patronen flogen in Richtung des Kaijus und ließen es aufheulen. Jedoch zeigten nur wenige Treffer tatsächlich Wirkung. Die meisten Kugeln prallten einfach an der organischen Panzerung des Monsters ab. Als beide Magazine leergeschossen waren, öffnete Rei einen Comm-Kanal. „Das funktioniert nicht. Wechsele auf Nahkampf-Bewaffnung“, teilte sie mit. Einheit 00 zückte das Prog-Messer. Einheit 02 stöpselte das Umbilical-Kabel wieder ein und blickte auf das Schlachtfeld. Der Timer an Asukas Handgelenk wurde wieder auf „unendlich“ zurückgesetzt. Der lilafarbene EVA stürmte vor, eine Prog-Axt in den Händen. „Komm her!“, schrie Shinji, als der die Waffe über den Kopf hob und die Restdistanz zum Feind überwinden wollte. Das Kaiju drehte sich jedoch plötzlich um und schleuderte Einheit 01 seinen Schwanz entgegen. Er traf den EVA im Brustbereich und warf ihn zurück. Krachend landete Shinji auf einem großen Parkplatz. Die Autos zerbarsten unter heulendem Geschrei der Alarmanlagen.   *** Janko hatte seinen Laptop mit auf den Balkon genommen und saß auf dem Boden, den Rechner auf dem Schoß. Er sah die Bilder des zurückfliegenden EVAs und schüttelte frustriert den Kopf. Die E-Zigarette blubberte vor sich hin. „Himmel, hat man euch denn gar nichts beigebracht?! So greift man doch nicht an…“, dachte er verärgert. Das Ganze kam ihm so absurd vor. NERV ließ die Piloten unbeobachtet in der Stadt herumlaufen und offensichtlich hatte sie auch niemand in irgendeiner Art von Selbstverteidigung unterrichtet. „Ein Wunder, dass wir alle noch leben!“, sagte er zu sich.   *** Rei hatte gesehen, wie Shinji zurückgeschleudert wurde. Dann ergab sich für sie der passende Moment. Das Kaiju war am Ende seiner Rotation angekommen und hatte ihr den Rücken zugewandt. Nach einem kurzen Sprint setzte Einheit 00 zum Sprung an und landete auf dem Rücken des Kaijus. Sie quetschte sich an dem Fächer vorbei und schob den linken Arm unter dem Hals des Kaijus durch. Die blaue Einheit verschränkte die Beine vor dem Bauch des Monsters, das, einem buckelnden Pferd gleich, versuchte, sie abzuwerfen.  Mit dem Prog-Messer in der rechten Hand begann sie, auf den Gegner einzustechen. Asuka sah, wie sich Einheit 00 festklammerte. Sie lief zu einem der Waffendepots und zog einen weiteren Speer hervor. Mit diesem in der Hand rannte sie auf den immer noch buckelnden Gegner zu. Nachdem Einheit 00 einige blutige Treffer in der Halsgegend setzen konnte, verlor sie jedoch kurzzeitig den Halt. Das Kaiju packte Einheit 00 und schleuderte Reis EVA genau auf die heranstürmende Verbündete, sodass sie beide in einer Wolke aus Schutt und Staub zu Boden gingen. Der Untergrund bebte, als sie beide nebeneinander zum Liegen kamen. Als sich der bräunliche Nebel verzog, erkannten sie Shinjis Einheit, die den Gegner erneut erreicht hatte. Sie schwang wieder die Prog-Axt und traf diesmal das linke Bein des Kaijus. Eine Fontäne aus bläulichem Blut spritzte über den Horizont, als die Klinge der Waffe Muskeln und Sehnen durchtrennte. Die anderen EVAs kamen wieder auf die Beine und setzten zum finalen Stoß an. „Jetzt fahr zur Hölle!“, schrie Asuka und rammte den Speer in den Brustkorb des Kaijus. Es kippte nach hinten und fiel zu Boden. Seine Beine strampelten hilflos in der Luft. „Beenden wir das!“, dachte Rei und sprang an Asukas Einheit vorbei. Mit beiden Händen riss sie das Prog-Messer nach oben und rammte es dem am Boden liegenden Feind in den Kopf. Ein letzter Schrei entwich dem besiegten Gegner, bevor das Kaiju zuckend und blutend verstummte und regungslos liegen blieb. Stille senkte sich über das Schlachtfeld. In der Ferne flackerten noch immer die Brände in der zerstörten Großstadt und tauchten den Horizont in ein tiefes Orange. Durch die geöffneten Comm-Kanäle konnte Rei das schwere Atmen ihrer Kameraden hören. Dann erreichte sie der Jubel aus dem Hauptquartier. „Gute Arbeit, Leute! Keine Lebenszeichen mehr vom Zielobjekt!“, rief Misato. „Kommt nach Hause, Kinder. Ihr habt wahrlich genug für heute geleistet.“ Rei ließ sich nach hinten in ihren Pilotensitz sinken und schloss kurz die Augen. Sie atmete ein paar Mal ein und aus. „Das war also der neue Feind“, dachte sie. „Wo kommt er her? Und was will er?“   *** 23:15 Uhr, Dringlichkeitssitzung des Komitees, digitaler Konferenzraum im Büro des Commanders Gendo Ikari hatte die Arme auf seinem Schreibtisch aufgestützt und wartete geduldig, bis sich sämtliche Mitglieder des Komitees von SEELE zugeschaltet hatten. Keel war der Erste, der das Schweigen durchbrach. „Commander Ikari, ein ereignisreicher Tag geht zu Ende. Wir haben soeben die Nachricht vom Sieg der Evangelions gegen den unbekannten Feind erhalten.“ „Das ist korrekt. Der Gegner wurde außerhalb von Tokyo-3 abgefangen und unschädlich gemacht. Alle Einheiten haben nur minimale Schäden erlitten“, antwortete der Befehlshaber von NERV. „Das hätte aber auch ganz anders ausgehen können. Der Stromausfall vom heutigen Tag hat massive Sicherheitslücken in der Geofront offenbart“, mischte sich das britische SEELE-Mitglied ein. „Es sind keine Daten aus der Geofront abgeflossen. Die EVAs konnten ebenso den Engel, der es bis nach Tokyo-3 geschafft hat, zerstören“, gab Gendo zurück. Er hatte sich fest vorgenommen, heute keine Schwächen zu offenbaren. „Allerdings ist immer noch unklar, wer für diesen Stromausfall verantwortlich ist, Ikari“, sprach Keel. Er stützte den rechten Arm auf den Schreibtisch und lehnte sich leicht nach vorn. Sein Visor ließ nicht zu, dass man irgendeine Gefühlsregung in seinem Gesicht erkennen konnte. „In Anbetracht der neuen Ereignisse revidiert das Komitee seine Haltung bezüglich der anderen verfügbaren Evangelion-Einheiten von NERV-04. Wir wollen, dass Sie sie anfordern.“ Gendo runzelte leicht die Stirn. „Meine Crew hat heute bewiesen, dass sie auch mit dem neuen Feind fertig wird. Ich halte das nicht für erforderlich.“ „Das haben Sie nicht zu entscheiden, Ikari“, sprach das amerikanische Mitglied am grünen Projektionstisch. Bedächtig nahm Gendo die Arme runter. Er wusste, dass weitere Diskussionen nur Zeitverschwendung waren. Er nickte langsam. „Aber was ist mit den Schriftrollen? Dort finden diese neuen Wesen keine Erwähnung, geschweige denn dieser ‚Riss‘ im Pazifik.“ Keel übernahm wieder das Wort. „Kümmern Sie sich nicht um die Schriftrollen, sondern um ihren Job. Setzen Sie die neuen EVAs nach deren Ankunft auf diese Bedrohung an, sie sind schlussendlich entbehrlich. Die ursprünglichen EVAs bleiben dem Kampf gegen die Engel vorbehalten. Sie kennen das Szenario und wissen, was sie zu tun haben, Ikari.“ Und mit diesen Worten schaltete sich das Komitee ab. Gendo lehnte sich zurück und blieb schweigend sitzen. Nach einigen Minuten hörte er die Schritte des Vizecommanders, der das Büro betreten hatte und langsam auf ihn zukam. Er blickte über den Rand seiner Brille auf und fixierte Fuyutsuki, der vor seinem Schreibtisch zum Stehen kam. „Also doch“, stellte der grauhaarige Mann fest. „In der Tat. Geben Sie NERV-04 grünes Licht, sie sollen nach Japan kommen.“ Gendo schob die Brille zurecht und faltete seine Hände. „Dass der Chairman die Frage nach den Schriftrollen so abgeblockt hat, ist ärgerlich“, bemerkte Fuyutsuki. Tief in seinem Inneren musste Gendo lächeln. Es war kein freundlicher Gedanke. „Du hast also an der Tür gelauscht, alter Mann“, dachte er im Stillen. Dann antwortete er: „Er hat sie nicht einfach abgeblockt. Er schien vielmehr wütend, keine Antwort auf meine Frage zu haben. Und da ist ihm nichts Besseres eingefallen, als auf der Befehlshierarchie zu bestehen.“ Und DAS beunruhigte Gendo. Irgendetwas lief hier ganz und gar nicht nach Plan. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)