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Von Wölfen und Menschen

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Schlicktown

07. August 2015, Marinestützpunkt Heppenser Groden, Wilhelmshaven, Deutschland

 

Bei strahlendem Sonnenschein hielt der kleine Bus am ersten Checkpoint. Der wachhabende Soldat ließ sich die Ausweispapiere zeigen und öffnete sodann die Schranke, sodass die Fahrt weitergehen konnte.

 

„Mit den richtigen Papieren von NERV hat man tatsächlich Zugang zu so ziemlich jeder Militäranlage“, schmunzelte Thaddäus, der auf dem Fahrersitz saß. Er trug eine schwarze Basecap und hatte zur Abwechslung mal keinen Laborkittel übergeworfen.

 

Er steuerte den kleinen Bus durch das offene Tor des roten Backsteinhauses, welches die äußere Grenze des Marinestützpunktes bildete. Als Hafen an der Küste Europas hatte die Basis in Wilhelmshaven den Second Impact gut überstanden. Keine Schäden durch Tsunamis, relativ wenig Meeresspiegelanstieg und keinerlei Kriegshandlungen in Zentraleuropa hatten dazu beigetragen, dass in Deutschlands wichtigstem Militärhafen auch weiterhin alles seinen gewohnten Gang ging. Wenn man mal von der riesigen Flotte absah, die jetzt im und vor dem Hafen vor Anker lag. Als die Gruppe am Kai aus dem Bus stieg, konnten sie am Horizont die Over the Rainbow entdecken, das Flaggschiff der Pazifikflotte. Der Geruch von Salzwasser und Seetang drang in ihre Nasen.

 

„Hui, na das ist ja mal ein Aufmarsch“, entglitt es Janko, der an den Pier herantrat. „Das müssen gut zwei Dutzend Schiffe sein, die diesen Frachter beschützen sollen.“

 

„Wozu eigentlich dieser Aufwand? Die hätten Einheit 02 doch auch unter eine dieser großen Transportmaschinen packen können…“, fragte Ben und musterte die Umgebung. Das Kreischen der Möwen über ihnen schwoll langsam an. „Und warum holt man die Pazifikflotte hier hin? Hätten’s nicht auch die Schiffe der UN im Atlantik getan?“

 

„Das sind wohl nicht genug. SEELE will anscheinend absolut sichergehen, dass ihre wertvolle Fracht unbeschadet in Japan ankommt.“, antwortete Phil. Trotz des sonnigen Wetters wehte ein schneidender Wind über die Hafenanlage. Er zog seinen olivgrünen Parka fester um sich und blickte grantig in die Ferne. „Ich versteh’s nicht. Abgelehnt, einfach abgelehnt! Ich meine, das muss man sich mal vorstellen! So ein Riesenaufwand hier für eine EVA-Einheit! Und dann bietet NERV-04 ihnen drei komplett einsatzbereite Evangelions an, samt Piloten und technischem Personal, und die lehnen ab! Keine Freigabe! Kein Bedarf!“ Er wedelte schon wieder mit dem Bündel Dokumente herum, das er fast die gesamte Fahrt über wütend angestarrt hatte.

 

Thaddäus schloss den Wagen ab und folgte ihnen an den Kai. „Hast du wirklich geglaubt, SEELE und NERV würden uns mit Applaus in Japan empfangen? Ich verrat‘ dir jetzt mal was: Es war nie wirklich geplant, dass NERV-04 brauchbare Resultate erzielt. Wir waren ein Feigenblatt für das SEELE-Komitee! Es sollte so aussehen, als ob wirklich weltweit an ganz verschiedenen Stützpunkten emsig am Projekt E gearbeitet wird. Dabei war der Weg der Entwicklung in Japan schon lange vorgezeichnet. Die alten Herren von SEELE glauben tatsächlich, sie könnten unbeirrt ihre Pläne umsetzen. Selbst wenn man ihnen die Wahrheit um die Ohren haut. So ist das anscheinend mit religiösen Fanatikern…“

 

„Aber wir haben ihnen unsere Berechnungen mitgeschickt! Wir können das Anwachsen der seismischen Spannung entlang des pazifischen Feuerrings nachweisen! AARGH!“ Phil nahm einen herumliegenden Stein vom Boden und warf ihn mit aller Kraft ins Wasser. Eine kleine Fontäne scheuchte ein paar dahinschippernde Seevögel auf, die mit großem Gezeter über sie hinwegflogen.

 

„Für das Komitee steht in den Schriftrollen nichts von dem Riss und den Kaijus. Also existiert es für sie auch nicht. Ich habe nicht ernsthaft mit einer Freigabe gerechnet.“ Thaddäus hielt sich die Hand über die Augen und schaute den Pier entlang. In der Ferne erkannte er eine Person, die auf sie zuschritt. „Ah, der wahre Grund für diese überdimensionierte Flotte trifft gerade ein.“

 

David hatte ein Sixpack Bier in der Hand und irgendwo mittlerweile sogar ein Tablett mit Fischbrötchen aufgetrieben. Er trat an Phil heran. „So, und jetzt beruhigen wir uns mal wieder und gönnen uns eine kleine Pause. Man ist schließlich nicht alle Tage am Meer. Greif zu.“

 

Missmutig starrte Phil ihn an. Nachdem sein Blick allerdings auf die angebotenen Genussmittel gefallen war, entspannte er sich. Er seufzte. „Vermutlich hast du Recht. K2 hat diese Möglichkeit sicherlich in Betracht gezogen. Bestimmt heckt der alte Mann schon wieder nen Plan B aus.“

 

Auch Janko und Ben hatten sich mittlerweile zu ihnen gesellt. Nach einem herzhaften Bissen und noch mit vollem Mund wandte Ben ein: „Ich bin sicher, dass auch die Absage schon zu K2s Plan gehört hat. Der Typ ist ziemlich clever…“

 

Die Person, die Thaddäus entdeckt hatte, war mittlerweile nähergekommen. Er schien Japaner zu sein und trug einen recht locker sitzenden Anzug, einen nach hinten gebundenen Pferdeschwanz und einen Dreitagebart. Thaddäus begrüßte ihn und schüttelte seine Hand.

 

„Ryoji Kaji, schön, Sie endlich persönlich kennenzulernen, Dr. Weber. Wie ich sehe, haben Sie ihr Team mitgebracht.“, sagte der Mann. Er musterte die anderen Männer mit kritischem, aber freundlichem Blick. In seiner Hand hielt er einen schweren Koffer, den er auch zur Begrüßung nicht abstellte.

 

„Ich hielt es für besser, dass wir uns alle schon einmal getroffen haben, bevor wir uns in Japan begegnen werden.“, antwortete Thaddäus. Er blickte auf den Koffer. „Auch in Zeiten moderner Videotechnik geht doch nichts über ein persönliches Gespräch, da bin ich altmodisch. So wie es aussieht, haben Sie Ihre Fracht auch schon dabei…“

 

Kaji holte geschickt mit der freien Hand eine Zigarette aus ihrer Schachtel und zündete sie sich an. „Ja, mein Botengang ist von höchster Wichtigkeit, wie Sie sich denken können. Ich lasse diese Fracht ungern aus den Augen.“

 

Ein Schiffshorn erklang im Hafen. Langsam kam Bewegung in die Boote, die am Kai festgemacht waren. Marinesoldaten liefen auf und ab, kleine Transporter brachten die letzten Materialen, die noch verladen werden mussten. Es schien, als sei der Bienenstock erwacht.

 

„Das kann ich mir vorstellen. Nicht auszudenken, wenn unser kleiner ‚Freund‘ hier verloren ginge…“, sagte Thaddäus.

 

Kaji lachte leise. „Ja, das wäre meiner Gesundheit nicht gerade zuträglich, denke ich. Es sieht also recht gut für NERV und SEELE aus, jetzt, wo sie diese Fracht und Einheit 02 erhalten. Man könnte meinen, sie wägen sich bald am Ziel…“ Eine Gruppe Seeleute hechtete im schnellen Schritt an ihnen vorbei. Kaji nahm das letzte freie Bier und stieß mit den anderen an. Sie warteten, bis die Seemänner außer Hörweite waren.

 

Ein kaltes Lächeln umspielte Thaddäus Gesichtszüge. „Ja, allerdings gibt’s da ein Problem. GEIST steht nicht in den Schriftrollen von Qumran…“

 

Kaji schaute ihn mit ernstem Blick an. Das leicht spöttische Lächeln, das sonst sein Markenzeichen war, war verschwunden. „Ich hoffe, dass Sie wissen, was Sie tun. Wenn nicht, haben Sie NERV und SEELE schon bald drei weitere Waffen der Vernichtung an die Hand gegeben. Und tun Sie mir einen Gefallen: Passen Sie bitte mit auf Asuka auf. Die Kleine hat in ihrem jungen Leben schon genug durchgemacht. Ein wenig Unterstützung an dieser Front könnte ich gut gebrauchen.“

 

Thaddäus führte Kaji ein wenig weg von den anderen, die immer noch mit ihrer Mahlzeit beschäftigt waren. „Kaji, ich habe mein Leben von dem Moment an, als ich von den Plänen erfahren habe, der Vernichtung von SEELE gewidmet. Ich denke, da sind wir Zwei gar nicht so verschieden.“

 

„Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie sagen. Ich könnte auch ein vier- oder fünffach-Agent sein.“

 

„Wenn Sie das wären, hätte man NERV-04 schon längst dem Erdboden gleichgemacht und es wie einen tragischen Unfall aussehen lassen.“

 

Kaji schmunzelte. „Hmm, ich denke, da haben Sie Recht.“

 

Im Hintergrund kämpften Ben und David mittlerweile um das letzte Fischbrötchen. Thaddäus fuhr fort. „Wir haben diese Piloten aus gutem Grund für unsere EVAs ausgewählt, auch wenn es gerade - wirklich - nicht den Eindruck macht.“ Mit einem leisen „Platsch“ fiel die Brötchenhälfte mitsamt Belag ins Wasser. Lautes Geschimpfe drang herüber. Phil und Janko vergruben das Gesicht lachend in den Händen. „Sie können es schaffen. Und sie sind umsichtiger, als man denken mag. Sie werden gut auf die drei Teenager-Piloten aufpassen.“

 

„Ihr Wort in Gottes Ohr…“

 

„Na, den lassen wir besser mal außen vor. Seine ‚Boten‘ haben uns einen Großteil dieses Schlamassels schließlich eingebrockt.“

 

 



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