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Sturm über Japan

Leg dich nie mit Inu Yasha an
von

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Fürstentod


 

E

ine Gruppe aus zehn Männern ritt schnurstracks nach Süden auf die Kette der Niigata-Vulkane zu. Der Vorreiter mit der kleinen Standarte verriet nur zu deutlich, dass sich in dieser Gruppe kein gewöhnlicher Mann befand, sondern der Herr der Provinz Aio, der Daimyo. Tatsächlich trug der Mann direkt hinter dem Vorreiter eine deutlich kostbarere Rüstung als die anderen Samurai. Sie war aus kleinen Platten geschmiedet, zusammengehalten von den grünen Bändern, die die Farbe der Provinz zeigten, auch sein Helm war entsprechend dekoriert.

Er zügelte etwas den Trab seines Pferdes und seine Männer folgten prompt diesem Beispiel. Er ließ es langsamer gehen, denn hier, im Vorfeld der Berge, wurden die Wege oft steinig und Pferde aus dem angrenzenden dämonischen Fürstentum Ayama von Fürst Naraku zu kaufen oder gar aus der einer der menschlichen Nordprovinzen, war teuer. Hier in Aio war Pferdezucht wie so vieles unmöglich. In Bergen war es zu gefährlich. Pferde waren kostenintensiv und, wenn sie sich ein Bein brachen, mussten sie getötet werden. Fürst Higurashi war klug genug da zu sparen, wo es sinnvoll war.

Er sah etwas empor. Die Vulkane bildeten den äußersten Rand seiner Provinz, die eine der militärisch am wichtigsten des gesamten menschlichen Kaiserreiches war. Nicht verwunderlich, grenzten die meisten der insgesamt neun Provinzen doch nur an ein dämonisches Fürstentum, die das Kaiserreich wie ein Ring umgaben, seines an zwei. Und das mit gewissen Haken. Wandte er den Kopf nach rechts, nordwärts, so konnte er eine breite Ebene erkennen, genannt die Pforte von Ronin. Nach einer Legende über verlorene Krieger. Erst dahinter erstreckten sich wieder die Blauen Berge in Süd-Nord-Richtung, trennten Dämonen und Menschen. Aber das war ein gutes Einfallstor einer dämonischen Armee in das Menschengebiet, freilich auch anders herum. Schon die vorherigen Fürsten hatten deswegen Wachtürme dort drüben aufgebaut.

Sah er nach links, entdeckte er das Gebiet, das der Inu no Taishou kontrollierte, der Herr der Hunde. Der direkte Zugang lief über den Pass Toyama, der nur fünfhundert Meter Höhe hatte und flach verlief, im Unterschied zu den Kalkbergen dahinter. Eigenartig war, das dieses Fürstentum keinen Namen trug, sondern immer nur als der Westen bezeichnet wurde. Obwohl doch mit dem Territorium von Fürst Naraku noch ein Land im Nordwesten lag. Jedenfalls war von da eigentlich weniger zu befürchten. Vor gut zweihundert Jahren, oder mochten es mehr sein, hatte der Inu no Taishou, wie alle Dämonen sehr langlebig, mit dem damaligen Göttlichen Kaiser einen Nichtangriffspakt geschlossen, der darin gipfelte, dass eine menschliche Tochter der kaiserlichen Familie den Dämonenfürsten heiratete, der zweite Sohn des Taishou stammte aus dieser Ehe. Und bislang, das gab Fürst Higurashi zu, hielten sich die Hunde an ihren Vertrag. Nur Händler, die Tee und vorbereitetes Metall brachten, überquerten den Pass, nun, auch Boten an ihn oder den Göttlichen Kaiser, dessen Ur ...-großmutter die Sonnengöttin höchstselbst war.

Allerdings besaß der Daimyo zu gute Späher, um nicht zu wissen, dass seine beiden Nachbarn an der Grenze, eben den Niigata-Vulkanen vor ihm, manchmal schon dezent aneinander geraten waren. Nichts ernstes, nichts, was nicht bestimmt in dem dämonischen Rat der Fürsten, der alle fünfzig Jahre unter dem Vorsitz des Göttlichen Kaiser höchstselbst tagte, bereinigt werden konnte, aber genug Grund auch hier genau hinzugucken.

Das schmale Tal, das sich hier direkt vor ihm und seinen Männern öffnete, führte nicht allzu weit in das vulkanische Gebiet, war jedoch der äußerste Zipfel seines Verantwortungsbereiches. Rechts und links, oberhalb der recht steilen Felswände, geboten bereits die Dämonenfürsten.

Nun, er war für diese Provinz verantwortlich und er wollte sich gegenüber dem Kaiserlichen Rat und dem Kaiser, die ihm diese Position anvertraut hatten, als fähig erweisen, wie stets in den letzten Jahren, ja, fast Jahrzehnten.

Seine Gedanken glitten zurück. Sicher, die Familie Higurashi beherrschte schon lange dieses Gebiet, natürlich als Lehen, mindestens, seit es die Friedensverträge mit den Dämonen gegeben hatte. Vor fast achtzehn Jahren allerdings war die Hauptlinie vollständig erloschen und es hatte nur mehr zwei Männer der Familie gegeben – ihn selbst, den letzten Spross einer Nebenlinie, die in der Residenz seit Jahrzehnten direkt dem Kaiser diente und den hoshi Onkel Higurashi, den letzten männlichen Nachkommen der Seitenlinie, die hier in Aio direkt neben der Burg den geheimnisvollen Schrein hütete. Dieser hatte eine Tochter gehabt und der Befehl hatte schlicht gelautet sie zu heiraten um hier Daimyo zu werden. Natürlich hatte er sich nicht geweigert, nicht weigern können, war allerdings besorgt gewesen, wie die letzte Nachfahrin eines so berühmten Geschlechtes wohl wäre. Immerhin war die letzte Priesterin dieses Familienzweiges, eine gewisse Kikyou, schon vor fünfzig Jahren verstorben. Aber, das gehörte zu dem Familiengeheimnis. Zu seiner Erleichterung hatte sich seine Braut als durchaus hübsch entpuppt, als warmherzig und intelligent, und er gab, wenngleich nur zu sich selbst, zu, dass sie in den letzten Jahren zu Freunden geworden waren. Oft genug holte er sich bei ihr heimlich Trost und Rat, denn das war nichts, was einem Fürsten ziemte, aber sie verstand ihn immer. Außerdem hatte sie ihm schon bald ein gesundes Kind zur Welt gebracht, leider eine Tochter, Kagome, aber er hatte auf ein weiteres gehofft, einen Erben. Als die Jahre verstrichen und sie nichts außer Tot- und Fehlgeburten zustande brachte, war ihm bereits nahe gelegt worden sich eine andere, zusätzliche, Ehefrau zu suchen. Er hatte an ihr festgehalten und tatsächlich war fünf Jahre nach der Tochter auch endlich der ersehnte Erbe geboten worden, Souta.

Seine Kinder, ja. Der Daimyo dachte an seine Familie. Nun hütete sein Schwiegervater, oder, wie er sagte, Vater, den Tempel. Kagome, die eigentlich als zukünftige Wächterin vorgesehen war, zeigte leider gar keine spirituelle Fähigkeit, was durchaus ein gewisses Problem darstellen mochte, glaubte man daran, dass Kikyou wirklich einst das Juwel der vier Seelen, das shikon no tama, so verborgen hatte, dass es nur jemand aus der Familie mit spirituellen Eigenschaften finden konnte. Nun gut, er würde sie verheiraten und hatte sie bereits letzten Winter zu einem Fürstentreffen mitgenommen, wo sich immerhin doch so einige Söhne für sie interessiert hatten, trotz, oder einer sogar, wegen ihres manchmal etwas impulsiven Auftretens. Das ziemte natürlich keiner Fürstentochter, aber es war dann wohl auch Sache des Ehemannes sie zu weiter zu erziehen. Sie war jedenfalls hübsch und gesund, das zählte für die Möglichkeit Nachwuchs zu bekommen. In dieser gesellschaftlichen Position brauchte man seine Ehefrau nicht gerade oft zu Gesicht zu bekommen, wenngleich er seine gern sah.

Souta war wiederum ein anderes Problem. Durch und durch Militär hatte er selbst erwartet dass sein Sohn das auch wäre, aber dieser, obwohl er sich nie den Pflichten entzog. zeigte wenig Neigung dazu. Auch nicht zum Priester. Nun, der Junge wusste, was von ihm eines Tages erwartet werden würde und gab sich entsprechend Mühe.

Für einen Augenblick zuckte in dem Daimyo der Gedanke auf, wie es wäre sich mit dem Herrn der Hunde über die Kinder auszutauschen, der hatte immerhin zwei Söhne. Ob da wohl alles glatt lief? Aber, es schickte sich nicht für einen Fürsten um Rat oder Hilfe zu bitten, nicht einmal verdeckt. Als oberster Lehensherr des Göttlichen Kaisers in einer Provinz hatte man das Recht über Leben und Tod zu entscheiden, eigenmächtig die Miliz im Bedrohungsfall zusätzlich zu dem stehenden Heer zu mobilisieren – da bekam man eine Menge Respekt, hatte dafür allerdings auch jede Menge streng definierte sichtbare und unsichtbare Pflichten.

Sein zweiter Nachbar, Fürst Naraku hatte wohl auch mehrere Söhne, immerhin hatte er einen davon ihm selbst als Ehemann für Kagome angeboten, mit dem Zusatz, der könne gern auch herziehen. Gab es da Geschwisterstreit unter Söhnen? Immerhin war davon auszugehen, dass Hakudoshi nicht der Älteste und damit Erbe war, wenn er ihn so gern ziehen ließ. Oder der Junge hatte sonst einen Makel. Neben natürlich dem, dass er ein Dämon war. Und trotz allem Pflichtbewusstsein – Fürst Higurashi wollte seine Tochter nur an einen würdigen Mann geben, der auch ihm ein guter Schwiegersohn wäre, sie gut behandeln würde. Schlagen, nun ja, das war ein gängiges Erziehungsmittel auch bei Ehefrauen, wenngleich er selbst nie an seine Hand gelegt hatte. Ihr Verständnis und ihre Wärme konnte und wollte er nicht mit roher Gewalt vergelten, darin sah er auch einen Ausdruck von Kriegerehre. Überdies hätte er in den gesamten vergangenen fast achtzehn Jahren ihrer Ehe keinen Moment nennen können, in dem er wirklich zornig auf sie gewesen war. Sie war ein Schatz am Wegrand, den er ohne den kaiserlichen Befehl nie gefunden hätte. Ob das so manchem Ehemann auch so ging? Aber Gefühle ziemten sich nicht für einen Daimyo.

Und er sollte sich besser konzentrieren, erkannte er, denn die Vulkane grollten und die Erde zitterte. Die Pferde scheuten.

Alle Männer waren fähige Reiter und beruhigten die Tiere rasch. Der Vorreiter mit der Standarte sah sich allerdings um, wartete auf einen Befehl.

Der Daimyo dachte kurz nach. „Wir reiten in das Tal, aber nur bis zur Gabelung. Wenn dort alles ruhig ist, kein Zeichen von Dämonen, drehen wir um.“ Ab der Gabelung teilte sich das Tal nach links und rechts. Der südlichere Abzweig war zuerst noch ein Bach, der später, gesättigt von den Gletschern der Vulkane um ihn, zu einem Fluss wurde, der sich schließlich nach Westen den Weg in das Meer suchte. Angeblich, er selbst war dort nie gewesen, konnte man von dort aus an schönen Tagen sogar das Festland entdecken. Der nördlichere Abzweig endete nach fast einer halben Stunde langsamen Ritts vor einer hohen Eiswand. Und in diese Täler kamen gewöhnlich keine Dämonen, da es zu Aoi und damit den Menschen gehörte. So lautete die Regel des Friedensvertrages, der einst geschlossen worden war. Nur als Boten und Händler zogen Dämonen durch das menschliche Kaiserreich, natürlich auch die Fürsten, wenn sie zu ihren Tagungen in die Residenzstadt Heiokyo reisten. Da dies nur alle fünfzig Jahre geschah säumten dann die Bauern und Dörfler die Straßen um einen Blick auf die Fürsten und ihre Entourage zu werfen, Krieger, aber auch Schreiber und Beamte, wie es eigentlich jeder hatte. Der Einzige der Dämonenfürsten, der so nie zu sehen war, war der Drachenkönig Ryujin. Erddrachen lebten im Fürstentum Chiba, drüben im Osten am Pazifik, das sich eng entlang der Küste erstreckte und erst am Reich der Wölfe endete. Die Wasserdrachen, und der Drachenkönig war einer davon, lebten allerdings im Meer. Und der Hauptsitz war Ryuku, das ominöse Schloss am Boden des Ozeans, das noch kein Mensch je gesehen hatte. Deswegen, und wohl auch wegen seiner angeblich imposanten Größe, schickte Ryujin stets nur ein magisches Abbild seiner Selbst direkt in den Tagungsraum. So hatte es jedenfalls in der Residenz geheißen, wo er selbst im Militär ausgebildet worden war.

Irgendetwas stimmte nicht.

Der Fürst warf einen Blick empor. Vorn war bereits die Gabelung zu sehen. Nach Süden stieg die Wand steil auf, schien jedoch alles ruhig. Auch nach Norden war nichts. Was war nur los?

Er erkannte einen Falken über ihnen schweben und nahm ihn als gutes Zeichen. Vögel spürten angeblich Vulkanausbrüche wie alle Tiere und Dämonen viel früher. Dennoch warnte ihn etwas. Sie sollten sich hier nicht zu lange mehr aufhalten, entschied er und rief den Namen des Standartenträgers, der sofort anhielt. „Wir drehen um. Die Berge grollen heute zu sehr,“ befahl der Daimyo. Eine Anweisung musste nicht begründet werden, aber er wollte auch nicht für feig gehalten werden.

Sofort wandte sich der Standartenträger um und passierte seine Kollegen, der Fürst schloss sich ihm an.

 

Im nächsten Moment war weit oberhalb der Reitergruppe am nördlichen Talrand etwas wie ein Blitz zu sehen, ein Grollen ließ die Männer aufschrecken und emporblicken, dann die bereits scheuenden Pferde noch antreiben. Die gesamte Felswand mit einer Höhe von fast einhundert Metern und auf einer Länge von mehreren hundert, stürzte, zunächst seltsam langsam, dann immer rasender ins Tal, gehüllt in eine immer anwachsendere Wolke in grau und braun.

In dem Donnern der Gerölllawine erstarben die Schreie der Männer und Pferde rasch, nur eine riesige Staubwolke verdeckte noch das ganze Tal.

 

Währen diese langsam in sich zusammensank, landete der Falke, den Fürst Higurashi gesehen hatte, am südlichen Talrand, fast hundert Meter über dem Drama, und verwandelte sich rasch in eine sehr menschenähnliche Form, bekleidet mit einer Rüstung und Hosen in weiß. Er trug so sichtbar ein Schwert. Der Falkendämon war ein Grenzposten des Inu no Taishou, der es bevorzugte möglichst viele Nachrichten zu erhalten bevor etwas geschah, das sein Fürstentum betraf. Und, da war der Krieger sicher, das hier würde seinen Herrn sehr interessieren.

Als sich der Staub gesenkt hatte, erkannte der Falke, dass der Talboden über eine lange Fläche hin mit Geröll aufgeschüttet war. Nur die Standarte der Higurashis ragte noch aus den Trümmern, als sei die Familie nicht zu besiegen.

Er spürte mehr als er es hörte, das jemand neben ihm landete und berichtete rasch: „Eine Gerölllawine, Unterführer. Aber, riechst du das auch?“ Die Augen der beiden Falken waren extrem scharf, ihre Nasen dennoch nicht zu vernachlässigen. Und beide nahmen einen seltsamen, feurigen Geruch wahr, der nicht von den Vulkanen stammte, jedoch rasch verblasste.

„Als ich kam,“ berichtete der Erste. „War dieser Geruch noch deutlich vernehmbar, jetzt ist er praktisch weg.“

„Ja, und wir haben ihn alle zwei gerochen,“ bestätigte der Unterführer. Was gut war, denn der Fürst mochte geprüfte Wahrheiten lieber als solche, die nur einer berichtete. „Menschen? Das ist die Standarte von Aoi.“ Er hatte das Donnern gehört und war sofort auf seinem Flug abgedreht in gewisser Sorge um den Krieger. In der letzten Zeit hatte es einige Zwischenfälle gegeben, dabei waren sogar zwei Krieger der Grenzeinheiten gestorben. Fürst Naraku hatte sich angeblich für die Ungeschicklichkeit und den Übereifer seiner Wachen entschuldigt, aber noch ein toter Kämpfer auf der eigenen Seite mehr würde erheblichen Ärger bedeuten. Noch mehr als bisher schon, der Inu no Taishou schätzte es in keinster Weise, wenn ein Narr von Krieger eigenmächtig einen Krieg vom Zaun brach. Denn beim nächsten Zwischenfall würde sich Fürst Naraku sicher kaum mehr entschuldigen, sondern davon ausgehen, dass die Leute des Herrn der Hunde entweder unfähig oder bösartig waren. Nichts, was ein dämonischer Landesherr auf sich sitzen lassen würde. Das war nicht nur allen bewusst, sondern das bewies auch das kürzliche Vorgehen des Hundefürsten.

„Ja, der Daimyo mit Garde auf Patrouille. Ich habe sie von weit oben beobachtet und war mir sicher nicht aufzufallen.“

Der Unterführer dachte nach, ehe er langsam sagte: „Du warst nicht unten?“

Im Menschengebiet? „Das ist verboten.“ Und nur keinen Kriegsvorwand liefern.

Das ließe sich überprüfen und würde sie entlasten. „Gut. Die Menschen von Aoi werden sie suchen und finden, das geht uns nichts an. Ich bin soeben froh, dass Sesshoumaru-sama zur Inspektion gekommen ist.“

Froh? Der Krieger warf einen mehr als zweifelnden Blick auf seinen Anführer. Den Erbprinzen wegen einiger Zwischenfälle zur Inspektion zu bekommen galt für die Allermeisten als eine Art Vorhölle. Manchmal mit tödlichem Ergebnis. Wenn er nur monierte, dass die Schwerter nicht scharf genug geschliffen waren und den örtlichen Schmied zu sich zitierte hatte man das Glückskleeblatt des Jahres gezogen. Nun, besagter Schmied weniger, der alle Schwerter in gesetzter Zeit fegen musste.

Der Unterführer seufzte nur in Gedanken. „Denkst du nur mit den Federn?“ Die Falkenumschreibung für Vollidiot. „Der Daimyo von Aio ist tot, das wird den Herrn interessieren, dazu noch dieser seltsame Geruch. Wir machen rasch und ordnungsgemäß dem Erbprinzen Meldung, dann trägt er die Verantwortung, auch dem Fürsten gegenüber.“ Der Taishou neigte zwar nicht dazu Boten und Nachricht zu verwechseln, aber was Sesshoumaru seinem Vater weitergab und was nicht war dessen Problem. Und, mit ein bisschen Glück, verließ er die Grenze. Der Unterführer hatte selbst gesehen, wie er den Hauptmann, seinen eigenen Befehlshaber, sicher keinen besonders schwachen Hund, einfach an der Kehle gepackt hatte – nur, weil der seine Worte etwas zu lange überlegt hatte.

Nun, so gesehen …Der Krieger verstand. Sie erstatteten so rasch es ging ordnungsgemäß Bericht, waren damit erst einmal aus der Sache draußen, hatten keinen Krieg zwischen zwei dämonischen Fürstentümern oder gar mit dem menschlichen Kaiserreich verursacht – und waren mit ein bisschen Glück den Erbprinzen los. Überdies hatte die Grenzwache dann auch ihre Sorgfalt und Umsicht bewiesen und das mochte bei der Bewertung durchaus eine Rolle spielen. Im gesamten Westen, die Menschen, die hier lebten nicht eingeschlossen, herrschte eine streng militärische Befehlsstruktur. Außer den Wölfen drüben im Osten, in Miyaji, war kein anderes Dämonenvolk dermaßen waffenstarrend. Wohlgemerkt, ohne in den letzten Jahrhunderten auch nur einmal Krieg geführt zu haben.

 

Beide Falken verwandelten sich rasch und flogen auf, ihrem Stützpunkt etwas weiter im Westen zu, von dem aus die gesamte Grenze an den Vulkanen abpatroulliert wurde. Der Tod des menschlichen Daimyo würde rasch die Runde machen. Umso wichtiger, dass der Taishou zuerst davon erfuhr.

 

 
 

Hundetaktik


 

N

ahe des unbefestigten Schlosses im Westen, Nishijo, lag der Trainingsplatz. Kaum einer sah zu, als der schwarzhaarige Waffenmeister seinen noch jugendlich aussehenden Gegner zu Boden schickte. Dessen rote Kleidung war ebenso auffällig wie das lange, dichte, weiße Haar und die Ohren, die anders, als bei den allermeisten Dämonen nicht seitlich am Kopf platziert waren, sondern darauf. Inu Yasha war ein Halbdämon und der zweite Sohn des Hundefürsten, des Inu no Taishou.

Er wusste, was von ihm erwartet wurde und stand auf, sein Übungsschwert auf dem Boden liegen lassend, ehe er sich höflich verneigte, möglichst, ohne seine Verbitterung erkennen zu geben.

 

Sein Lehrer, Waffenmeister Toyomaru, erwiderte die Verneigung. „Euer Unterricht ist für heute beendet, Inu Yasha-sama.“ Er war aus dem Heer in die direkte Schlosswache berufen worden, zuerst wie zuvor als Unterführer, dann als Waffenmeister und damit auch Ausbilder. Und ihm war für die Waffentechnik der Jüngere der beiden Fürstensöhne zugewiesen worden.

Die dunklen Augen des dämonischen Kriegers folgten dem Halbdämon als der wortlos abseits ging, sein dort liegendes eigenes Schwert aufnahm und in den Gürtel schob, ehe er mit weiten Sätzen den Übungsplatz verließ. Toyomaru konnte sich nur zu gut vorstellen warum. Er hatte den Kampf der Halbbrüder vor zwei Tagen gesehen. Inu Yasha hatte verloren, natürlich, aber diesmal war der Erbprinz weiter gegangen als sonst, hatte mit dem Gesicht des Jüngeren buchstäblich den Sand poliert. Dass das jetzt wieder in dem Jungen hochkam, war nur zu klar. Und, das gab der Waffenmeister zu, ihm war nicht so ganz bewusst, warum der Herr immer wieder beide Söhne gegeneinander üben ließ. Wusste der sonst so gut informierte Hundefürst nichts darüber, dass Sesshoumaru den Jüngeren nicht nur nicht leiden konnte, sondern, natürlich stets in Vaters Abwesenheit, teilweise wirklich misshandelte? Nun gut, der Halbdämon war oft vorlaut, impulsiv und da mochte Sesshoumaru-sama meinen in der Erziehung nachhelfen zu sollen, aber … Ja, aber. Toyomaru traf eine Entscheidung.

 

Inu Yasha war weit gelaufen, weg vom Schloss, wo ihn momentan keine Pflichten mehr hielten, und setzte sich auf eine Bergkuppe, an der er gerne verweilte. Von hier aus ging der Blick über die weiten Ebenen und sanften Hügel, die die fruchtbaren Felder gegen Westen von dem Berglanden unterschieden, dort unten, wo Menschen Teefelder und auch Reis anbauten. Weit entfernt war das Meer, noch weiter weg lag das Festland. Manchmal war er schon versucht gewesen dorthin zu gelangen, aber das würde weder gelingen noch zu ihm passen. Er lief doch nicht weg.

Er hörte den leichten Schritt hinter sich und wusste, wer da kam, auch ohne den Kopf zu wenden. „Meine Lehrstunde ist vorbei!“ Das klang bitter, hatte er doch wieder einmal verloren. „Also, verschwinde, Waffenmeister!“

„Nein.“ Toyomaru ließ sich neben seinem Schützling nieder, dessen Rechte unwillkürlich zum Schwertgriff zuckte. Nun, nichts was er wollte. Das, was der Fürstensohn trug, war ein magisches, dämonisches, Schwert, keineswegs zur Übung gedacht und selbst er würde sich dagegen mehr als hart tun. Tessaiga sollte so einige Fähigkeiten haben. Das glaubte er, man musste ja nur den dazu gehörigen Schmied kennen. Toutousai war alt, verrückt – aber seine Fähigkeiten legendär. Und die Anweisung zu verschwinden war eindeutig gewesen. Hier waren sie nicht mehr Schüler und Lehrer, sondern Fürstensohn und Waffenmeister – unmissverständlich in der Rangstellung. „Inu Yasha-sama, hört mich an. Danach mögt Ihr mich selbst bestrafen, den Fürsten darum bitten, ich werde kein Wort verlieren. Aber hört mich bis zum Ende an.“

Der Halbdämon sah geradeaus. Er war ein wenig, nun, mehr als ein wenig, ärgerlich an seinem Rückzugsort gefunden und belästigt zu werden. So viele hatte er nicht. Aber der Waffenmeister klang so eigen, nun ja, für einen Dämon fast … mit Gefühl? „Rede.“

„Danke, Inu Yasha-sama.“ Das wurde jetzt heikel, aber irgendwie musste er den schwierigen Jungen doch einfangen. Nicht auszudenken, was geschehen mochte, wenn die Brüder aneinandergerieten, ernsthaft, viel später, nach des Herrn Tod. Sie würden beide verlieren, das Fürstentum, alles. „Ich denke, Ihr wisst nicht, dass ich der Jüngste von vier Brüdern war. Als ich geboren wurde, war der Älteste bereits erwachsen, die Anderen nun ja, mehr oder weniger Jugendliche. Als ich in das Alter kam, in dem man trainiert, lernte ich natürlich ebenso den Waffengang. Auch, gegen meine Brüder. Ich verlor. Immer wieder, jedes Mal. Wieder und wieder. Ich konnte tun, was immer ich wollte.“ Er sah, wie die Ohren des Halbdämons zuckten und beeilte sich weiter zu sprechen. „Es war nicht einfach, wie Ihr Euch vorstellen könnt. Doch eines Tages war auch ich erwachsen. Und von uns allen wurde ich der einzige Offizier, bin nun der einzige anerkannte Waffenmeister. Ich war nie schwächer als sie, nie weniger wert – nur noch nicht erwachsen.“

Inu Yasha konnte nicht verhindern, dass er rot um die Nase wurde. Er wusste, warum Toyomaru ihm das erzählte. Der Waffenmeister hatte vorgestern zugesehen, als ihn sein Bruder, als ihn dieser verdammte Sesshoumaru so gedemütigt hatte! Der Mistkerl war immer gemein zu ihm, anders kannte er es gar nicht, manchmal sogar … grausam? Nur, um sich, sobald Vater den Raum betrat, in einen schwanzwedelnden, höflichen, netten Welpen zu verwandeln! Heuchler! Aber er sagte: „Klar, ich werde eines Tages erwachsen sein, bald sogar. Wenn ich das erlebe.“ Nach menschlichen Maßstäben wäre er bereits achtzehn Jahre geworden, alt genug um ihn für volljährig zu erklären.

Der Hundedämon nickte ein wenig, froh, dass er doch Gehör fand. „Euch zu töten wäre Hochverrat, aber das wisst Ihr. - Meine Brüder waren nicht nett zu mir als Jüngstem, aber das ist in jedem dämonischen Wurf so. Das Verhältnis von Sesshoumaru-sama zu Euch ist allerdings vermutlich noch etwas schwieriger.“

Wollte der Waffenmeister ihm etwa erzählen, dass das unter Dämonen üblich war? Den Jüngeren zu scheuchen, zu misshandeln? Moment. Was war das jetzt? Diese letzte Bemerkung? Inu Yasha sah geradeaus. Er hatte gesagt, er höre zu, aber mehr musste er ja nicht machen.

„Ich kann mir denken, gerade aus der dämonischen Sicht der Dinge, die Euch mit etwas ruhiger Überlegung klar sein dürfte, dass das Verhältnis eines Erbprinzen zum jüngeren Bruder oder Halbbruder immer sehr angespannt ist. Ich stelle es mir recht … ungemütlich vor an seiner Seite jemanden zu wissen, der sein Lebensziel nur durch den eigenen Tod erreichen kann.“

„Keh! Als ob ich Fürst werden will.“ Nun ja, er hatte noch nie darüber nachgedacht, was er eigentlich wollte. Er war eher der aufbrausende als der nachdenkliche Typ, das wusste er sehr gut. Wäre es möglich, dass Toyomaru recht hatte? Sesshoumaru sei mehr oder weniger besorgt – im Zusammenhang mit dem ein unmögliches Wort – dass er ihn eines Tages ausstechen würde? Gar umbringen würde, um selbst Fürst zu werden? So doof konnte der doch gar nicht sein. Oder? War das Ganze nur eine Demonstration: du bist die Nummer Zwei, ich die Eins? Nein, der Halbbruder verabscheute Menschen – und Mutter war nun einmal ein Mensch gewesen. Es ging um Mama. Er warf einen Blick zum Himmel und erkannte einen großen, weißen Hund, der gerade tiefer ging, seine Pranken kurz vor dem Schloss in den Boden schlug. „Na, jedenfalls, wenn man den Dämon an die Wand malt...“ Er hätte gedacht, Sesshoumaru solle an der Nordgrenze mal die Wachen kontrollieren. Da schien wohl etwas vorgefallen zu sein. Naja, nichts, was man ihm erzählen würde, vermutlich. Für Vater war er eben immer noch der Kleine. Und für Sesshoumaru? Sollte der Waffenmeister recht haben und der sah ihn als Konkurrenz? Das wäre ja glatt schmeichelhaft. Aber dann sollte er mal wirklich richtig nachdenken. Vor allem, wie er Vater dazu bekommen konnte ihm Aufgaben zu geben, an denen sich der Bruder, Halbbruder, nicht stören würde, dem aber klar machten, dass er nützlich war. Und etwas wert! Wertloser Bastard hatte er ihm oft genug um die Ohren gehauen.

Toyomaru neigte den Kopf, ehe er sich erhob. Er hatte alles gesagt, was er glaubte sagen zu dürfen, als Lehrer.

Inu Yasha sah zu ihm, als er ebenfalls aufstand. Er sollte wohl Richtung Schloss, wenn da was los war. Manchmal, nun, immer öfter, bezog ihn Vater ein.

„Meine Strafe?“ erkundigte sich der Waffenmeister prompt mit einer Verbeugung.

„Keh. Ich habe dich immer für einen meiner besten Lehrer gehalten,“ sagte der Halbdämon leise, zumindest hatte dieser Ausbilder nie die Vollblut-Halbblutsache auch nur erwähnt, geschweige denn heraushängen lassen. „Gerade hast du es mir bewiesen.“

Toyomaru verneigte sich noch einmal tiefer. Das hätte der Fürstensohn nicht sagen müssen, sich bedanken. Der Verzicht auf Strafe war in der strikten Hierarchie hier in Nishi schon genug.

 

Diese rigide Rangordnung kannte auch der Erbprinz seit seiner Geburt und auch wenn Sesshoumaru sie meist als Nummer Zwei durchaus positiv fand, auch, dass er unverzüglich zum Arbeitszimmer des Fürsten durchgelassen wurde, nur Sekunden warten musste, ehe Vater den jetzigen Besucher herausschickte und er hinein durfte - er kannte seinen Platz. Der Hundefürst saß auf einem niedrigen Hocker auf einem Podest, auf dem rechts und links seitlich Kissen lagen, die Plätze der Söhne. Sesshoumaru hütete sich dorthin zu gehen. Er war in militärischem Auftrag weggeschickt worden und nun eigenmächtig hier – das erforderte auch militärischen Bericht. So kniete er vor dem Podest nieder und senkte den Kopf. Seine beiden Schwerter hatte er selbstverständlich, wie es üblich war, in den Schwertständer direkt vor der Tür gesteckt. Niemand ging bewaffnet zu einem Fürsten.

Die goldfarbenen Augen des Inu no Taishou musterten seinen Ältesten ebenso ruhig wie seine Stimme klang. „Es scheint an der Nordgrenze Wichtiges geschehen zu sein, dass du bereits wieder hier bist.“

Ein neutraler Satz, noch keine Wertung, aber der Erbprinz wollte sich nicht zu sicher fühlen. Sicher war er nie, solange es den zweiten Sohn, wenngleich Bastard, gab. „Ja, chichi-ue.“

„Bericht.“

„Daimyo Higurashi von Aoi starb vor wenigen Stunden.“ Sesshoumaru berichtete knapp. „Ich kam unverzüglich her, um Euch es zu ermöglichen Menschen und Dämonen vorzugreifen. Es wird dauern, ehe die Menschen ihren Daimyo suchen.“ Und gar finden würden.

„Die Falken berichteten dir unverzüglich. Beide konnten diese seltsame Feuerwitterung nicht einordnen.“ Und Sesshoumaru hatte es sich gespart ebenfalls dorthin zu gehen, da die Spur schon verflogen war.

„Nein, chichi-ue. Es sei jedenfalls nicht das gewöhnliche Vulkanfeuer gewesen.“

„Hole deinen Bruder und kommt in das Kartenzimmer. Bis dahin zu niemandem ein Wort.“

 

Der Erbprinz verneigte sich wortlos, ehe er aufstand. Als ob er mit irgendwelchen niederrangigen Hunden einen Plausch hielt. Immerhin schien seine Nachricht wichtig genug gewesen zu sein, da noch kein Tadel gekommen war. Warum allerdings sollte ausgerechnet der Bastard … Nun ja. Er war eben auch Vaters Sohn und irgendwie wollte der den immer mehr mitspielen lassen. Vielleicht eine gewisse Ablenkung auch, bis der endlich verstand, dass er nie der Herr der Hunde werden konnte. Nun, nicht, ohne zuvor ihn, Sesshoumaru, zu töten. Undenkbar folglich, schlicht.

Im Vorzimmer wollte er schon einen Beamten um den zweiten Fürstensohn schicken, als ihm klar wurde, dass der Befehl des verehrten Vaters eindeutig gewesen war. Hole Inu Yasha. Sollte er diese lästige Aufgabe nicht wirklich selbst übernehmen, gäbe es Ärger. Leider. Aber, nun gut. Das Kartenzimmer. Hm. Dort befand sich nicht nur ein fast hüfthoher Tisch, auf dem sich eine ausführliche Karte ganz Japans zeigte, sondern es lag auch noch hinter Vaters Arbeitszimmer und war damit selbst für Dämonenohren nicht abhörbar. Dort tagte eigentlich nur der Fürst mit seinen Beratern, wenn es um sehr geheime Dinge ging, aber von denen war nicht die Rede gewesen.

Wo steckte denn jetzt nur der Bengel? Sollte er etwa Diener befragen?

 

Sesshoumaru hätte durch nichts seine Erleichterung gezeigt, als er die rot-weiße Gestalt über den Schlossvorhof schlendern sah. Mit einem Satz stand er vor ihm und bemerkte zufrieden ein gewisses Zusammenzucken. „Komm mit, unser Herr und Vater möchte uns im Kartenzimmer sprechen.“

Der Jüngere glaubte zwar fast sich verhört zu haben, wartete aber nur bis der Halbbruder sich umdrehte um an dessen Seite weiterzugehen. Da war was passiert, eindeutig, denn das klang nach Taktikbesprechung und da durfte er selbst nur in den wenigsten Fällen teilnehmen. Überdies: dass sich der hochwohlgeborene Herr Erbprinz dazu herabließ eigenpfötig den Boten zu machen, war sicher auf Vaters Anweisung zurückzuführen. Strafe für den oder Geheimhaltung? Am besten sollte er erst einmal den Mund halten, nicht, dass er sich Ärger einhandelte, ohne zu wissen warum, wenigstens.

 

So lehnte der jüngere Fürstensohn sein Schwert neben die Klingen des Halbbruders, vor dem bereits die Tür zum fürstlichen Arbeitszimmer bereits wieder hastig aufgeschoben wurde – sicheres Zeichen, dass es einen Befehl gab. Auch die Menge der Besucher schien deutlich geschmolzen. Bittsteller müssten sich wohl auf morgen vertrösten. Immerhin gab Vater fast drei Tage in der Woche Audienzen sogar für die Menschen in seinem Fürstentum. Auch die seitliche Tür im hinteren Arbeitszimmer stand offen. Die Bemalung der Papierbespannung verriet, wohin sie führte: hier allerdings nur eine Karte des Fürstentums.

 

Der Inu no Taishou stand vor der hüfthohen Platte, auf der Seite, die nach Westen zeigte und betrachtete sein Fürstentum ebenfalls. Da Inu Yasha ohne Aufforderung die Tür hinter sich zuzog, um dann neben den Halbbruder auf die andere Seite des Tisches zu treten, blickte er auf. Er hatte durchaus von dem Zwischenfall vor zwei Tagen gehört und sich fest vorgenommen einzuschreiten: Brüder zankten sich manchmal und rivalisierten – das war in Ordnung, nur so konnte sich das ganze Volk weiter entwickeln. Er hatte allerdings nicht die Absicht nach seinem Tod sein gesamtes Fürstentum in Schutt und Asche liegen zu haben, dazu beide Söhne auf dem Scheiterhaufen gemeinsam bei Leichenbegängnis verbrannt. Nein, soweit sollte es nie kommen.

Sesshoumaru beachtete den Jüngeren nicht, sondern musterte angelegentlich die Karte, zu streng erzogen seinem Vater und Fürsten in das Gesicht zu sehen. Er hatte ihn mit Absicht so strikt erzogen und gehalten – unter Dämonen war eine Herausforderung zu einem Duell um die Herrschaft auch zwischen Vater und Sohn nicht unmöglich und er wollte das hinausschieben bis sein Ältester reif genug wäre.

Inu Yasha riskierte natürlich einen Blick in sein Gesicht, ehe er dem Beispiel folgte. Auch die strengste dämonische Erziehung vermochte manche menschliche Eigenheiten nicht auszutreiben und er selbst hatte lernen müssen, dass sein zweiter Sohn eben kein Dämon war, aber auch kein Mensch. Und, dass er sogar hier, unter seiner schützenden Pfote, ein durchaus hartes Leben führte. Sesshoumaru war nicht der Einzige, der das Halbblut nicht für voll nahm. Und doch standen die Beiden jetzt nebeneinander vor ihm und nicht einmal der sonst so impulsive Inu Yasha guckte den Älteren böse an. Der Kleine ….Nein, korrigierte sich der Hundefürst. Das war kein Kind mehr. Nicht nur im Alter, sondern auch im Gesicht. Der Junge war praktisch zum Mann geworden – und er hatte es nicht so richtig bemerkt.

 

Das konnte seiner Idee nur förderlich sein, dachte dann der erfahrene Stratege sachlich und deutete etwas auf die Karte. „Aoi. Sesshoumaru, wiederhole für deinen Bruder die Meldung.“

Der Erbprinz gehorchte, nicht begeistert, aber die Notwendigkeit einsehend.

Der Hundefürst wusste, dass sie nicht reden durften, wenn er nicht fragte. „Eure Meinung dazu? Sesshoumaru?“

„Aoi ist die am stärksten militärisch gesicherte Provinz des menschlichen Kaiserreiches, chichi-ue. Sie grenzt an dieses Fürstentum und das von Ayama, das nun Fürst Naraku untersteht. Zu uns bilden der Pass von Toyama und nach Ayama die Pforte der Ronin Einfallstore, durch das ein menschliches Heer eindringen könnte, natürlich auch andersherum. Der Tod des Daimyo dieser Provinz, so er nicht doch ein Unfall war, spielt jemandem in die Hände. Da ich an Euch keinen Zweifel hege, chichi-ue, könnte es nur Fürst Naraku gewesen sein, der sich solcher Art die Kontrolle über diese Provinz sichern will. Oder jemand anders, der sich diese reiche und strategisch wichtige Provinz als Fürst erobern will. Immerhin liegt nur sie zwischen uns und der neunten Provinz mit der Residenzstadt.“ Heiyokyo.

„Inu Yasha?“

Der Halbdämon war weitaus ungeübter in solchen Fragen, aber er meinte: „Dass Aoi wichtig ist, weiß ich auch, aber der Daimyo hat doch einen Erben? Wieso sollte jemand den Vater umbringen, nur um einen anderen Menschen hinzusetzen?“

„Der Erbe des Daimyo ist kaum zwölf Jahre alt und kann nicht regieren,“ antwortete der Taishou prompt. „Seine Schwester, eine gewisse Kagome, ist allerdings im heiratsfähigen Alter. Es ist davon auszugehen, dass der Kaiserliche Rat einen Vormund für Souta schicken wird und dieser zumindest bis zur Volljährigkeit als Daimyo agiert. Immerhin sind alle menschlichen Daimyos nicht Regenten aus eigenem Recht, sondern Lehensmänner des Kaisers.“ Er sah zu seinen Söhnen, die noch immer auf die Landkarte starrten. „Allerdings müsste ich mich sehr in Menschen irren, wenn der Vormund nicht früher oder später Kagome heiratet und Souta, nun, krank wird oder einen Unfall hat. Eine andere, durchaus wahrscheinliche, Möglichkeit ist es, dass der Kaiserliche Rat Souta in die Residenzstadt beruft um ihn dort auszubilden und ihn in die militärischen Ämter einzusetzen, die sein Vater wahrnahm, ehe er Daimyo wurde. Dann wird ein neuer Fürst ernannt, der dann auch sicher Kagome heiraten wird.“

„Verzeiht, chichi-ue,“ meinte Inu Yasha unbehaglich. „Das hört sich so an, als ob diese Kagome alles heiratet, was nicht bei drei auf dem Baum ist, ich meine… verzeiht.“

„Sie hat keine Wahl.“ Damit war für Sesshoumaru die Sache erledigt.

Der gemeinsame Vater war so angetan über diese schlicht sachliche Zwischenbemerkung, dass er den Tadel für beide Söhne strich. „Menschenmädchen und -frauen haben ebenso wie die unseren keine Wahl. Sie werden nicht gefragt mit wem sie ihr Leben teilen wollen. Und schon gar nicht die Tochter eines Fürsten oder Daimyo. Und auch nicht eine junge Dame aus dem Kaiserhaus.“

Inu Yasha wusste, dass Vater auf Mutter anspielte. Ja. Die hätte sich bestimmt auch etwas anderes, jemand anderen, gewünscht als einen Dämonenfürsten nehmen zu müssen. Zunächst zumindest, denn diese Ehe war, soweit er seinen Kindheitserinnerungen trauen durfte, doch recht angenehm für beide verlaufen.

Der Hundefürst fuhr fort: „In jedem Fall haben wir einen neuen Nachbarn. Und zwar jemanden, den entweder der Kaiserliche Rat oder sogar Fürst Naraku ausgesucht hat, denn ich gehe nicht davon aus, dass diese Gerölllawine ein Zufall war. Diese Witterung, so rasch verblasst… jemand steckt dahinter. Umso wichtiger ist es den Geschehnissen zuvor zu kommen und sie in meinem Sinn zu beeinflussen. Ein Bote soll nach Burg Higurashi fliegen und dort von der Steinlawine berichten. Natürlich nur so, dass man etwas hörte, besorgt ist, dass noch etwas vorkommt, die Berge unruhig sind. Dann werden die Menschen schon suchen und rascher finden, als es manchem lieb ist. Ein zweiter Bote geht zum Göttlichen Kaiser höchstselbst. Ich biete ihm, zusätzlich zu dem mit seinen Vorfahren seit Jahrhunderten bestehenden Nichtangriffspakt, einen gegenseitigen Bündnis- und Beistandspakt an. Wer auch immer hinter dem Tod des Daimyo steckt hat damit kaum gerechnet. Dazu biete ich ihm an, als, sagen wir Zusicherung meines Friedenswillens, soll Inu Yasha Aoi als Daimyo übernehmen.“

Der Halbdämon wurde blass. „Was….?“ krächzte er wenig protokollgerecht , sicher, sich irgendwie gerade verhört zu haben.

Der Taishou fuhr gelassen fort. „Damit ist sichergestellt, dass diese Provinz von jemandem beherrscht wird, der eine entsprechende Ausbildung erhalten hat, mir gegenüber verpflichtet ist, und auch militärisch mit einigen Dämonen mithalten kann. Du hast Tessaiga, mein Sohn.“ Das klang beruhigend, war ihm doch nicht entgangen welchen Schreck sein Junge bekommen hatte.

„Ja, aber, ich müsste dem Kaiser doch Treue schwören, oder?“ war alles, was der schockierte Inu Yasha herausbrachte.

Ah, er sah den potentiellen Zwiespalt. „Ja. Aber, das macht nichts, ich denke nicht, in Anbetracht unserer Verträge, dass der Kaiser dir befiehlt mich anzugreifen.“

„Und … und diese Kagome als Dreingabe?“ Irgendwie suchte sein Gehirn nach einem Halt, ohne ihn zu finden.

„Ja, diese Heirat wird die Basis für das Bündnis bilden. Übrigens, überseht ihr beide noch einen Punkt. Jahrhundertelang hütete die Familie Higurashi das so genannte Juwel der vier Seelen, das shikon no tama. Ein sehr mächtiges, magisches, Juwel. Die letzte Hüterin verbarg es kurz vor ihrem Tod und angeblich soll es nur jemand aus dem Higurashi-Clan wieder beschaffen können. Momentan gibt es wohl niemanden mehr in der Familie mit spirituellen Eigenschaften, aber womöglich dein Kind, Inu Yasha.“

„Ähm…“ Was sagte man dazu? Wie lehnte man den klaren Befehl eines Fürsten ab ohne dafür postwendend den Kopf von den Schultern getrennt zu bekommen? Inu Yasha konnte sich in diesem Moment vorstellen, wie sehr sich diese Kagome dann über den Befehl freuen musste. Das war ja toll. Sein Leben lang, oder korrekter, ihr Leben lang, wenn sie ein Mensch war, gebunden an eine Frau, die ihn hasste? Sicher, mit Mama war es gut gegangen, aber musste Vater gleich derart optimistisch sein?

 

Sesshoumaru dagegen fand diese Idee brillant. Neben allen strategischen Erwägungen, die chichi-ue bereits getroffen hatte, bedeutete der Plan auch, dass er selbst den Bastard los war. Und das Ganze auch noch ehrenvoll für die Familie, denn es wäre sicher keine Schande, wenn der jüngere Sohn Daimyo würde. Das klang doch gut. Vater dachte an alles. Er sollte ihm wirklich noch mehr zuhören und von ihm lernen.

 

„Dann dürft ihr gehen. Ich brauche zwei Boten. Inu Yasha, geh in dein Zimmer. Ich werde dir Myouga schicken, damit du noch einiges über die Verwaltung lernst.“

„Äh, mit Verlaub, aber der Kaiser …“ Irgendeinen Grund, bitte, irgendeine Entschuldigung!

„Ich glaube nicht, dass mein Angebot abgelehnt wird.“

Da hatte er vermutlich recht, dachte sein kompletter Nachwuchs, angetan der Eine, resignierend der Andere.
 

Vatergespräch


 

D

ie Sonne senkte sich schon dem Chinesischen Meer zu als der Herr der Hunde lautlos die zweihundert Meter die Kalkklippen hinab auf den Sandstrand sprang. Sein getreuer Myouga hatte ihm berichtet, dass er Inu Yasha die Unterschiede in der Verwaltung eines Fürstentums und einer kaiserlichen Provinz erklärt habe, aber die Öhrchen auf dem Kopf des Jungen noch immer ziemliche Knicke aufwiesen. Als Vater kannte der Fürst seinen Jüngsten trotz aller Pflichten gut genug um zu wissen, dass das stets ein Zeichen zumindest von erheblichen negativen Gefühlen oder auch Unsicherheit war. Womöglich war der doch eben noch nicht ganz erwachsen und er hatte ihn mit seinem Plan bezüglich Aoi schlicht überfordert. Andererseits musste man auch und gerade als Anführer eines ganzen Fürstentums und der entsprechenden Verantwortung für alle Gefolgsleute auf etwas wie den Tod eines Daimyo auch prompt reagieren, ehe es womöglich der Verursacher tat. Denn dieser Tod passte in ein Schema.

 

Ja. Das hatte er vermutet. Inu Yasha stand am Meer und guckte nach Westen. Hier hatte er ihn auch damals oft gefunden als Izayoi gestorben war. Tagelang hatten sich da die Öhrchen nicht aufgerichtet. Erst, als er selbst ihn einmal, abseits aller, in die Arme genommen hatte, weil er endlich begriffen hatte, dass der menschliche Anteil um seine Mutter trauerte, und sich Inu Yasha so ausweinen musste und konnte. Er hatte ihn dann noch tagelang hier aufgesucht, ohne zu reden ihn einfach in die Arme genommen. Er hätte auch nicht gewusst, was er sagen sollte. Bei Dämonen sah das doch deutlich anders aus, da wurden schlicht Fakten akzeptiert. Er vermutete weder seine dämonische Gemahlin noch Sesshoumaru würden nach seinem Tod noch groß an ihn denken, bei allem schuldigen Gehorsam solange er lebte. Inu Yasha? Ob er auch um ihn so trauern würde wie um seine Mutter? Vermutlich nicht, dazu hatte er ihn doch wohl zu selten gesehen, kein so enges Verhältnis mit ihm. Nicht nur seine Pflichten, auch die Tatsache, dass er sich mit Gefühlen dämonenmäßig kaum auskannte, waren da ein Hindernis gewesen. Obwohl er sich in seinen Augen, zumal nach Izayois Tod, schon Mühe gegeben hatte.

Tja, wie sollte er jetzt anfangen? Er wollte ja auch nicht beleidigend sein. Offenkundig jedoch hatte ihn der Junge noch immer nicht bemerkt, war tief in Gedanken. „Bist du unglücklich, Inu Yasha, weil du das Fürstentum oder mich verlassen sollst…“ Er hoffte auf letzteres, ertappte sich der Taishou. Wurde er weich? „Oder unsicher in Bezug auf die anstehenden Aufgaben als Daimyo?“

 

Der Fürstensohn fuhr herum. „Vater! Chichi-ue,“ korrigierte sich der Halbdämon hastig, der eigentlich wirklich nicht damit gerechnet hatte, dass der ihn hier aufsuchte, noch dazu allein. Ja, wie sollte er das sagen ohne den Eindruck zu erwecken sich einem Befehl widersetzen zu wollen? Oder sich gar wieder als der Jüngere, der dämliche kleine Bruder, darzustellen? „Ja, ich bin natürlich etwas unsicher, ich meine, hier kenne ich alles und da war ich noch nie. Und,“ gab er dann offen zu: „Hier könnte ich Euch um Rat fragen, da nicht.“

Wie traf man eine Balance zwischen rationalem Fürsten und menschlichem Vater, wenn man nicht einmal ein Mitglied dieser Art war? Die Frage der letzten einhundertfünfzig Jahre seit Izayois Tod. „Das ist richtig und sogar wichtig nicht zu fragen. Als Daimyo bist du allein verantwortlich und dann dem Kaiser. - Mir kannst du gern Boten schicken, aber sie sollten nur Briefe mitnehmen, die nichts von Politik beinhalten, zumindest für Außenstehende.“

„Ich verstehe.“ Aber immerhin durfte er schreiben. „Warum schickt Ihr eigentlich mich und nicht Sesshoumaru? Er ist älter, würde sich sicher durchsetzen …“ Er brach ab, da der Fürst die Hand gehoben hatte. „Oh, ja, er ist Euer Erbe.“ Der reinblütige Erbe. Inu Yasha konnte die Bitterkeit nicht ganz aus der Stimme verdrängen.

Es wurde wirklich Zeit die Zwei zu trennen, da schien ja noch einiges mehr schief zu laufen als er schon gedacht hatte. „Das auch. - Hast du dir je überlegt, was du mit deinem Leben anfangen willst, wenn du älter wirst? Hier? Und gar nach meinem Tod?“

Das klang mulmig und der Halbdämon rieb unwillkürlich ein Ohr. „Nun ja, ich dachte, Ihr seht für mich etwas im Militär vor, und dass ich dann da auch bleiben kann, wenn Sesshoumaru….“ Immerhin hatte er ja Kampf und Strategie lernen sollen.

„Aber du wärst immer von uns abhängig, dein ganzes Leben lang. So kannst du Daimyo werden, Herr einer ganzen Provinz, deren militärischer Anführer und nur dem Kaiser verantwortlich.“

Ein Aufblitzen in den bernsteinfarbenen Augen, die denen des Fürsten mehr als ähnlich waren. „Ihr seht es als Chance für mich, chichi-ue.“ Für den eigentlich unnützen Zweitgeborenen. Vater hatte an ihn gedacht und das verursachte so ein warmes Gefühl im Herzen.

Gut, das hatte er begriffen. Nein, töricht war Inu Yasha nicht, nur unerfahren. „Und zum Zweiten: es ist eine Provinz der Menschen. Ein vollblütiger Dämon wie Sesshoumaru würde kaum auf Gegenliebe stoßen, zumal mit der strikten Hierarchie eines solchen.“ Der Taishou sagte nicht mehr, er wollte, dass sein Sohn selbst darauf kam.

„Und ich bin ein halber Dämon und ein halber Mensch, ja. Aber meint Ihr wirklich, dass ich viel besser ankomme? Ich bin immer noch Euer Sohn.“

Unerfahren. „Ja. Und das liegt natürlich bei dir, wie du ankommst. Aber du bist über deine Mutter auch und eben mit dem Kaiserhaus verwandt, was übrigens kein anderer Daimyo ist, und auch der Grund ist, warum ich vermute, dass deine Ernennung problemlos durchgeht. Überdies bist du mit Sicherheit eher in der Lage menschliche Gefühle zu verstehen. Lass den Menschen ihre religiösen Feiertage, kümmere dich um sie und sie werden in dir eher den kaiserlichen Abkömmling sehen als den dämonischen. Natürlich musst du auch mal durchgreifen, aber mit zu großer Härte erreicht man bei Menschen nichts. Tote zahlen überdies keine Steuern.“ Bei seinem Ältesten dachte er manchmal, dass der den Grundsatz viel hilft viel auch bei Strafen anwandte. Das musste er dem noch austreiben. „Gleiches gilt übrigens auch für deine Ehefrau. Ich wusste, und auch meine beiden Ehefrauen wussten es immer, dass ich der Herr bin, sie in jeder Form bestrafen darf, schlagen, was auch immer. Ich habe es nie getan und gerade darum auch loyale Gefährtinnen besessen. Wenn du Kagome schon nicht lieben kannst und sie dich – und, dazu weiß ich zu wenig über menschliche Gefühle, aber ich denke nicht – so könntet ihr euch doch anfreunden. Aber das liegt nicht zuletzt an dir. Sei behutsam zu deiner sicher verschreckten Braut, gerade in der Hochzeitsnacht.“

Inu Yasha versuchte sich zu erinnern, wann sein Vater das letzte Mal so viel mit ihm geredet hatte. Offenbar wollte er ihm doch noch irgendwie möglichst viel beibringen, ihn nicht nur einfach abschieben. „Was soll ich noch beachten?“ fragte er daher nur mit gewissem Seufzer.

„Fürst Naraku. Ich bin ein wenig misstrauisch ihm gegenüber.“

Politik? Da war er bislang kaum einbezogen worden. Nun ja, einiges hatte er doch mitbekommen. „Wegen der Zwischenfälle an der Nordgrenze? Er hat sich doch entschuldigt.“

Der Dämonenfürst war zufrieden und blieb objektiv. „Ja. Soweit korrekt, er sandte auch einen Boten mit seiner Meldung, dass er nun der neue Fürst ist. Und doch. Ich kannte den alten Katzenfürsten, seinen Sohn, seine Tochter. Dann stirbt der Sohn und die Tochter heiratet Naraku. Sie wird erfreulicherweise schnell mit einem Sohn schwanger und stirbt bei der Geburt. Alles soweit möglich, denkbar. Dann stirbt der Fürst, aus Trauer um die Tochter. Für einen Dämonenfürsten ungewöhnlich, aber denkbar. Und Naraku wird Regent für den kleinen Akago, der nur wenige Monate alt wird. Nun ist er Fürst.“

„Ihr meint, alles möglich, aber eine seltsame Häufung? Naja, wer will nicht Fürst werden, wenn er nicht weiß, was das für ein Scheißjob… Verzeihung, ich meine, wie viel Arbeit das ist.“

Der Inu no Taishou sah heute entgegenkommend über die manchmal alles andere als höfische Ausdrucksweise hinweg, von wem auch immer der Junge diese hatte, zumal er zufrieden bemerkte, dass die Ohren wieder spitz auf dem Kopf seines Jüngsten standen. Dafür allein hatte sich das Gespräch gelohnt. „Er wird auch dich als Daimyo von Aoi beschäftigen sollen. Die Pforte von Ronin.“

„Das wäre ein Einfallstor, ja. Aber, mit Verlaub, chichi-ue, wäre er dann nicht ziemlich dämlich, ich meine, leichtsinnig? Fällt er in Aoi ein, hat er nicht nur mit mir ziemlichen Ärger, sondern Krieg mit dem gesamten menschlichen Kaiserreich. Und, wenn Ihr dann auch noch diesen Beistandpakt mit dem Kaiser habt …“

„Ja.“ Den Ohren des Taishou war der Satzteil „dann hat er mit mir ziemlichen Ärger“ nicht entgangen. Inu Yasha bereitete sich innerlich auf das Leben als Daimyo vor. Sehr gut. „Aber mein Spion in Burg Higurashi teilte mir vor Monaten mit, dass er für seinen Sohn Hakudoshi, vermutlich aus erster Ehe, um Kagome angehalten hat. Er hat Aoi im Auge.“

„Ihr habt da einen Spion.“ Aber Inu Yasha grinste, fühlte sich irgendwie nicht mehr so allein. Vater würde erfahren wie es ihm ginge. Nun ja, auch, welche Fehler er machte. „Ihr werdet mir seinen Namen nicht verraten.“

Der Taishou nickte etwas, durchaus froh, dass er den doch schwierigen Sohn beruhigt und an seine Pflichten erinnert hatte ohne zu einer Strafe greifen zu müssen. Was auch immer für Gerüchte über Halbdämonen umgingen – ja, der seinige war für einen vollblütigen Dämonen schwer zu lesen, noch schwerer zu behandeln, aber, wenn es funktionierte, wirklich ein dankbares Kind. Vielleicht hätte er sich nach dem Tod von dessen Mutter trotz aller Pflichten doch noch mehr um ihn kümmern sollen, aber das lag nun in der Vergangenheit und war nicht mehr zu ändern. „Geh jetzt zurück und überlege was du mitnehmen möchtest. Wenn Antwort des Kaisers kommt und die Nachricht aus Aoi, dass der Damyo verstarb, sollten wir bereit sein rasch aufzubrechen.“

„Ja, mein Herr und Vater.“ Inu Yasha war in wenigen Sätzen die steile Klippe empor, weitaus leichter im Herzen als noch vor einer Stunde.

 

Der private Raum des Schlossherrn wurde von einem warmen Kohlefeuerbecken erhellt. Nicht, dass der Fürst von Ayama dies zwingend benötigt hätte, er sah auch gut im Dunkel, aber es erinnerte ihn ein wenig an vergangene Zeiten. Er lehnte in einem blauen Kimono nachlässig auf einer Matte unter dem nun herabgeklappten Fenstergitter und sah in die Kohlen. Tagsüber bot sich hier ein Blick über die weite Ebene von Ayama, in der ideale Bedingungen für Pferdezucht und Weizen bestanden, die das dämonische Fürstentum seit Jahrhunderten von Menschen anbauen ließ und es in das Kaiserreich weiter verkaufte. Gerade Pferde boten Gewinn. Dieser Reichtum war es auch gewesen, die ihn nach diesem friedlichen Fürstentum hatte greifen lassen. Drüben, die Wölfe in Miyaj, da war der Fürst alt, uralt, besaß aber Sohn und Enkel, und das Volk war ähnlich übermilitarisiert wie nebenan der Taishou mit seinen Hundekriegern. Überdies hatte der liebe Nachbar auch zwei Söhne. Was da drüben, im Süden, ihn interessierte, waren weniger die Teefelder am Meer als die Minen in den Kalkbergen. Die Schmiede von Nishi waren berühmt für ihren Stahl, den sie barrenweise quer durch Japan verkauften, die Klingen blieben dem Taishou und seinen Kriegern vorbehalten. Da sollten sich ganz wunderbare Spezialanfertigungen darunter befinden, wenngleich das berühmteste Schwert dieses Fürstentums von keiner Menschen- oder Dämonenhand gefertigt worden war: So´unga, die Höllenklinge. Die der Hundefürst trug und nur angeblich er meistern konnte. Nun gut. Man erzählte es sich. Er, Naraku, hatte gleich nach seinem Amtsantritt Geologen aus dem Kaiserreich kommen lassen, die die Blauen Berge, die Ayama ebenso vom Kaiserreich trennten wie die Kalkberge den Westen, nach Erzen absuchen zu lassen. Obwohl diese Menschen angeblich die besten Spezialisten in ganz Japan waren, hatten sie nichts gefunden. Kein Kupfer, kein Eisen, nicht einmal Gold. Kurz, er brauchte den Westen noch zusätzlich.

Stimmen vor der Tür. Der Fürst sah auf. „Was gibt es?“

Der wachhabende Dämon schob etwas die Tür beiseite. „Eure Tochter Kagura bittet um Gehör.“

„Lasst sie ein. Und ihr könnt dann gehen.“

 

Kurz darauf trat eine Frau ein, die fast das Alter des jungen Schlossherrn zu haben schien, die dunklen Haare aufgetürmt, die Ohrringe in der roten Farbe ihrer Augen. Heute trug sie einen stahlblauen Kimono, der sichtlich unberührt war, sicheres Zeichen, dass sie nach Erledigung ihrer Aufgaben sich noch für diese Visite umgezogen hatte. Sie klappte eilig ihren Fächer zusammen. „Verehrter Vater …“ sagte sie für die Wachen draußen, ehe sie sich ohne Umstände neben der Tür niederließ und ihren Fächer an die Lippen legte. Falls Naraku ihre Botschaft nicht gefiel, würde er sie bestrafen. Davon konnte Hakudoshi ein Lied singen, der seit Wochen im Keller angekettet war.

Der nur scheinbare Endzwanziger nickte. „Gute Nachrichten also.“ Sonst hätte sie es wohlweislich nicht gewagt sich ungefragt zu setzen.

Ihre Stimme blieb sachlich-neutral. „Der Daimyo von Aio ist mit seiner gesamten Garde bei einem schrecklichen Unglück umgekommen.“

„Wie bedauerlich für den Kaiser einen so treuen Diener zu verlieren.“ Es klang etwas spöttisch, während er schon weiterdachte. „Dann haben sie ihn gefunden? Kam die Nachricht von Burg Higurashi?“

„Nein, die Hölleninsekten brachten mir die Bilder. Die Nachricht wird wohl morgen oder übermorgen eintreffen, je nachdem, wie die Lage in Aoi ist. Sie müssen sicher auch den Kaiser informieren.“

„Wer fand ihn? Hundekrieger oder Menschen?“

„Menschen in den Farben von Aoi. Grüne Hosen. Ich dachte, das Tal gehört auch zum Menschengebiet?“ erkundigte sie sich erstaunt.

„Ja. Hunde dort unten wäre ein Verstoß gegen das Friedensabkommen. Man muss leider sagen, dass der Taishou seine Leute wirklich an der Kandare hat.“ Er dachte kurz nach. „Sie haben ihn schnell gefunden.“

Kagura zuckte ein wenig die schmalen Schultern. „Er wurde wohl bald vermisst. Sie haben nur einen Daimyo, sein Fehlen fällt doch auf, und vermutlich war seine übliche Runde nicht nur dir bekannt.“

Sie war seine beste Spionin, zumal als Winddämonin schnell, und er sah ihr daher oft genug ihren Vorlaut nach. Zumal sie häufig Dinge von einer Seite betrachtete, die er womöglich übersehen hätte. Unwahrscheinlich, aber bei seinen Plänen sollten keine offensichtlichen Fehler enthalten sein. „Da hast du recht.“

„Wie lange willst du Hakudoshi eigentlich noch da unten lassen? Er kann doch nichts dafür, wenn ihm der Higurashi diese Kagome nicht gibt.“

Er wusste, dass sie durchaus um sich selbst besorgt war, für den Fall, dass er auf einmal unmotiviert Strafen verhängte. So strich er nur sein langes, schwarzes Haar zurück, als Mahnung, nicht zu frech zu werden. Für sie gab es andere, durchaus sehr schmerzhafte, Strafen. „Deswegen doch nicht, Kagura. Er sollte sich danach an Kagome heran machen. Sagen wir, es ist ihm dermaßen absolut nicht gelungen, dass er eben unten sitzt.“

Sie nickte eifrig, froh, dass das die einzige Reaktion blieb und bemüht abzulenken. „Ja, du wolltest nach dem bekannten Weg vorgehen, nur, diesmal mit Hakudoshi, Tochter heiraten, Sohn tot, Vater tot …. Aber, weißt du, was ich nicht verstehe? Das ist doch eine Menschenprovinz, nicht einmal Metalle, soweit ich weiß. Wieso also ist diese Kagome so wichtig?“

„Hast du wirklich schon ihre Großtante Kikyou vergessen samt dem shikon no tama?“

„Oh.“ Natürlich nicht. Naraku war damals sehr nahe dran gewesen sich das magische Juwel einverleiben zu können, als diese dumme Priesterin das gründlich versteckt hatte. Sein Ärger war leider für sie selbst deutlich zu spüren gewesen. „Aber ich dachte, keiner der noch lebenden Higurashis, auch nicht Kagome, verfügt über magische Kräfte in irgendeiner Form.“

„Möglich. Oder sie sind noch nicht geweckt worden. Wir werden es ja sehen.“ Er wollte das Juwel der vier Seelen, ja, benötigte es für seine weitergehenden Pläne. Immerhin trug der gute alte Taishou So´unga spazieren und verfügte über eine stattliche Anzahl Krieger. Man musste folglich das Höllenschwert ausschalten, möglichst den alten Hund und seine Söhne binden, dann war der Westen sein. Aber gegen So´ unga half nur eine mindestens ebenso große magische Macht, eben das shikon no tama. Und das befand sich in Aoi, das er folglich zuerst in seinen Besitz bringen musste um in Ruhe suchen zu können. Und natürlich diese kleine Kagome besser zu überwachen.

„Was hast du nun vor?“ erkundigte sich Kagura in so ehrlichem Interesse, dass der Fürst antwortete.

„Du wirst neugierig. - Es gibt nun mehrere Möglichkeiten. Entweder, der Kaiser schickt für den kleinen Erben, wie heißt er doch, einen Vormund. Dann müsste es leicht sein, bei einem kleinen, harmlosen Grenztreffen sich gegenseitig vorzustellen, dabei den Vormund zu überzeugen mir zu glauben.“ Nun, zu dienen, aber wozu das so schroff aussprechen.

Sie nickte, wusste sie doch, dass er eine gefährliche Gedankenmanipulation beherrschte – gefährlich für sein Gegenüber. Bei ihr würde er zwar scheitern, aber da besaß er andere Mittel.

„Der Vormund sorgt dafür, dass Souta, ja, so heißt der Bengel, stirbt, heiratet Kagome und ich habe damit indirekt Aoi. Falls der Kaiser entscheidet einen neuen Fürsten einzusetzen, wird Souta in die Residenzstadt beordert, der neue Daimyo heiratet Kagome und …“

„Und du lässt entweder Vormund oder neuen Fürsten gemeinsam mit Kagome nach dem shikon no tama suchen. Und dir bringen.“

Naraku lächelte versonnen. „Dann kann man wunderbar, mit der Genehmigung des Daimyo natürlich, von der Pforte aus durch Aoi ziehen, das erspart mir Ärger mit dem Kaiser und dessen Militär, und den Toyama-Pass nehmen. Natürlich wird der Taishou samt seinen Leuten kommen, aber, wie ich hoffe, dann doch ohne Höllenschwert. Das muss zuerst gebunden sein. Und dafür werde ich zuallererst sorgen, sobald ich das Juwel habe.“ Immer eins nach dem anderen.

„Du planst so viele Eventualitäten ein.“

„Liebe Kagura, wenn man nicht sorgfältig alle Züge im Voraus plant, gewinnt man das Spiel nie. Du kannst gehen. Oh, und lass Hakudoshi raus.“

 

Als er allein war, lehnte sich Naraku erneut an die Wand. Er hatte noch andere Pläne bereit, die er Kagura sicher nicht sagen würde. Einer beinhaltete durchaus den Taishou nicht nur über sein Schwert anzugreifen, sondern auch Sesshoumarus Tod. Kagura hatte den in ihrem Bericht als gut aussehend bezeichnet und er schätzte keine Loyalitätskonflikte. Überdies brauchten seine so genannten Kinder, sie ebenso wenig wie Hakudoshi, wissen, dass ihr Tod bereits beschlossene Sache war. Möglichst alles allein machen und keine Zeugen hinterlassen, dass hatte ihn vor Jahren schon ein übler … Zwischenfall gelehrt.

Nun gut, ehe die Todesnachricht eintraf wäre es unvernünftig etwas zu unternehmen und würde nur Verdacht auf ihn lenken. Womöglich konnte er in diesem Brief auch gleich erfahren was der Kaiser, oder eigentlich der Kaiserliche Rat für Souta geplant hatte. Das mochte Tage oder auch eine Woche dauern, den die Menschen verfügten nur über berittene Boten, nicht über geflügelte. In dieser Zeit sollte er einmal herausbringen, was er in seiner Bibliothek so alles über das Höllenschwert in Erfahrung bringen konnte. Und, ja, auch Pläne für die beiden Hundesöhne machen. Inu Yasha war nur ein Halbdämon, aber er persönlich wäre der Letzte einen solchen zu unterschätzen. Sesshoumaru war stark und gefährlich, also musste der als erstes weg. Schnell und gründlich. Ja, die Pläne könnten amüsant werden. Allerdings sollte Kagura, wie bereits erwähnt, nichts davon erfahren. Den Kleinen könnte man vielleicht herbringen, in den eigenen Kerker und mal sehen, wie sich ein geborener Halbdämon wehrte. Der sollte ja noch ein halbes Kind sein. Wie lange würde der wohl zum sterben brauchen?

Das klang nach amüsanten Tagen, ehe die herrlich schlechten Neuigkeiten eintrafen.

 
 

Familientrauer


 

I

m nur vom matten Licht einer einzigen Feuerschale erleuchteten Aufenthaltsraum des Frauentraktes der Burg Higurashi herrschte Schweigen. Die Türen selbst zum Gang in Richtung Garten waren zugeschoben, selbst die vertrautesten Dienerinnen weggeschickt worden. Die Fürstin saß mit ihren Kindern mehr als besorgt auf Kissen an einer Wand, beide neben sich, alle drei sichtlich bedrückt. Sie hatten gewusst, dass der Ehemann und Vater, der Daimyo, gestern Abend nicht wie geplant nach Hause gekommen war, aber doch geglaubt, gehofft, wie sie zugeben mussten, dass er nur irgendeinen Aufenthalt in einem Dorf gewählt hatte, irgendeine Rechtsstreitigkeit klären wollte.

Aber dann war heute Morgen der dämonische Bote gekommen und hatte den Vater und Großvater zu sprechen verlangt, den ältesten Mann der Familie und damit augenblicklichen Hausherrn, um ihm von einem großen Bergrutsch in den Niigata-Vulkanen zu berichten. Der alte hoshi hatte unverzüglich eine Suchmannschaft losgeschickt, wohlweislich, ohne dem Boten zu sagen, dass der Daimyo vermisst wurde. Das ging die benachbarten Dämonen nichts an, wenngleich es natürlich freundlich vom Inu no Taishou gewesen war, auf die unruhigen Berge hinzuweisen. Aber in dieses Tal gingen dessen Krieger nicht, da dies Menschengebiet war. Nun ja, der Herr von Nishi, der Herr des Westens, war bekanntermaßen kein Dämon, der Menschen verabscheute. Immerhin hatte er ja mal sogar eine Menschenfrau geheiratet. Um korrekt zu sein, eine Tochter des Göttlichen Kaisers. Des damaligen.

 

Souta, der zwölfjährige Sohn und Erbe, sah zu seiner Mutter, fragend, aber er wusste, dass auch sie keine Antwort hatte. Sie konnten nur abwarten. Und ihm war ebenso bewusst, dass er minderjährig war. Falls Vater … bitte nicht… etwas zugestoßen wäre, würde nur Großvater noch die Familie nach außen vertreten können. Und allein der Kaiser oder der kaiserliche Rat über ihr zukünftiges Schicksal entscheiden. Wäre er doch wenigstens älter, volljährig, könnte mitreden, aber ..

 

Ja, aber, dachte auch seine Schwester. Kagome hatte ähnliche Gedanken. Sie wusste nur zu gut, dass ihr sehnlichster Wunsch in dieser Burg bleiben zu können, sei es auch als Schreinjungfrau, kaum in Erfüllung gehen würde. Vater hatte sie ja schon zu diesen langweiligen Treffen mitgeschleift um sie förmlich zu präsentieren. Leider war sie als Tochter eines Daimyo für die Söhne eben solcher so etwas wie heiß begehrte Ware und obwohl sie sich redlich bemüht hatte abschreckend zu wirken, natürlich ohne Vater zu blamieren, hatte es bereits einige Interessenten gegeben. Falls Vater tatsächlich etwas passiert wäre ….

Ihr war nur zu bewusst, dass der Kaiser einen Vormund für Souta schicken würde. Der dann auch für sie Vaterstelle vertreten würde – und damit die absolute Verfügungsgewalt über sie hätte. Frauen hatten nun einmal keinerlei Rechte, sei es was Verträge oder Geld anging, sei es gerade auch Macht. Sie war ein Mädchen. Ach, wäre sie nur ein Junge, dann könnte man sie für volljährig erklären, sie war es ja schon. Mädchen wurden früher volljährig als Jungen, schon, um sie rasch verheiraten zu können. Sie zwang sich zur Ruhe. Mama wirkte sowieso so schrecklich unglücklich. Und vielleicht war auch gar nichts passiert. In den Bergen gab es manchmal Lawinen, das wusste auch sie. Und womöglich hatte sich Vater, der Daimyo, wirklich nur ….Aber irgendwie wich der dunkle Gedanke nicht von ihr. „Es wird alles gut, Mama,“ flüsterte sie dennoch und schmiegte sich enger an ihre Mutter.

 

Das bedrückte Schweigen wurde erst aufgelöst, als die Eingangstür beiseite geschoben wurde und der Großvater eintrat. Ein Blick in das Gesicht des hoshi zeigte seiner Familie, dass es zu spät war etwas zu hoffen.

Kagome spürte, wie ihre Mutter sie kurz fester an sich drückte – und vermutlich Souta auch.

Der Großvater ließ sich nieder. Schon auf dem Weg hierher hatte er überlegt, wie er die Botschaft, die ihm als derzeitigem Hausherrn gebracht worden war, weitergeben sollte. „Es gab wohl einen Unfall ….“ begann er vorsichtig. „Einen Bergrutsch, an der Westgrenze, in einem schmalen Tal. Das Tal ist meterhoch zugeschüttet.“

„Dann kann man gar nicht sicher sein….“ flüsterte seine Tochter.

Er schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, Kind. Die Standarte von Aoi war dort. Sie versuchen die Männer herauszuholen, aber ….“ Ja, aber. Nach dem Bericht, den er erhalten hatte, wäre es schwer bis unmöglich diese Felsen abzutransportieren und für eine ordnungsgemäße Verbrennung der Leichen zu sorgen, zumal wohl auch die Pferde mit dort drunter lagen. Er sah mitleidig, wie stumme Tränen über das Gesicht seiner Tochter liefen, die Kinder ihn nur geschockt anblickten. Er wusste, dass diese arrangierte Ehe für sein Mädchen recht gut verlaufen war und er selbst hätte sich auch nie über das Benehmen der fremden Daimyo, auch, wenn er ja ein Higurashi war, beschweren können. Jetzt ruhte die gesamte Familie, ein jahrhundertealter, stolzer Clan, nur noch auf diesen beiden Fast-Kindern. Er nahm sich zusammen. Er musste noch etwas stark sein, bis er allein wäre, nur noch wenige Stunden. „Ich werde eine Gedenkfeier vorbereiten, unten im Schrein. Dann können wir alle für seine Seele und die der Männer beten. Und natürlich muss ich unverzüglich einen Boten an den Kaiserlichen Rat nach Heiokyo senden. Dort wird entschieden, was jetzt passieren soll.“

Souta räusperte sich, ehe er fragte: „Opa, du kannst doch mein Vormund werden? Bis ich alt genug bin um Daimyo zu werden? Es sind doch nur noch sechs Jahre.“

„Ich fürchte nein, Souta.“ Der alte Mann zog an seinem schütteren Bart. Er wirkte noch älter und zerbrechlicher als gewöhnlich. „Ich stamme, wie du weißt, aus dem Zweig der Higurashis, der Priester hervorbrachte, nie Militär. Ich denke nicht, dass der Göttliche Kaiser, oder eher der Rat, denn er erledigt die Tagesgeschäfte, eine derartig wichtige Provinz einem Priester anvertraut, der noch nie ein Schwert in der Hand hatte.“

„Tagesgeschäft?“ Kagome fauchte es fast. „Wir sind doch kein Geschäft ….“ Sie brach ab. Denn ihre Mutter drückte sie, diesmal mahnend. Ja, sie waren ein Geschäft, alles war ein Geschäft, Heiraten, Tode … alles. So bemühte sie sich Mama nicht noch mehr Sorgen zu bereiten. „Ich werde zu dir in den Schrein gehen und Priesterin werden,“ meinte sie entschlossen. „Da kann niemand etwas sagen und ich kann dir helfen und Mama eine Stütze sein.“

„Das entscheidet der Kaiser,“ erwiderte ihr Großvater müde. „Ebenso, ob er einen Vormund einsetzt für Souta oder dem die, durchaus ehrenvollen, Aufgaben überträgt, die euer Vater hatte, und hier einen neuen Daimyo einsetzt.“

„Aber, wo sollen wir dann hin?“ Die Fürstentochter bewies damit, dass sie mit ihren Gedanken doch nicht ganz bei der Sache war, auch, wenn ihr die Tränen nur in den Augen standen.

„Ich kann sicher im Schrein bleiben, über Souta entscheidet der Kaiser. Und über dich eben auch.“ Sein Blick glitt zu seiner Tochter. „Über uns alle. Wir müssen warten. Jetzt fasst euch etwas. Ich werde in zwei Stunden euch im Schrein erwarten. Der Brief an den Kaiser hat Vorrang.“

Und das war kein Schreiben, auf das er sich freute. Die Folgen mochten vernichtend für die Familie sein. Er konnte sich nur mit dem Gedanken trösten, dass das Unheil wenigstens noch zu seinen Lebzeiten geschehen war, er somit die Familie noch vertreten konnte. Wer hätte sonst sich um die Witwe und die Halbwaisen gekümmert, ihre Interessen auch nur einigermaßen verfechten können? Es gab sicher auch unter den Beratern und Militärs in dieser Burg den Einen oder Anderen, der sich in diesem Fall Kagome genommen hätte, an den armen Souta wollte er in dieser Konstellation nicht einmal denken, um selbst den ersten Anspruch auf den Titel zu erhalten. Auch so war seine Enkeltochter in jedem Fall der Preis. Er schüttelte etwas den Kopf, als er müde den Weg zu dem fürstlichen Arbeitszimmer ging.

Natürlich setzte er sich nicht auf den Hocker des Daimyo, das stand ihm nicht zu, aber er war der derzeitige Hausherr und so nahm er auf einem Kissen davor Platz, ehe er einen Diener um einen Boten schickte und selbst zu Feder und Papier griff. In seinem Zweig konnten alle lesen und schreiben und er hatte auch bei seiner Tochter dafür gesorgt, diese wiederum bei ihren beiden Kindern. Das war durchaus nicht üblich. Ach, er war zu alt, dachte er, als er bemerkte, dass seine einst so feine Schrift zittrig ausfiel, aber in Anbetracht der Lage war dass auch vermutlich verständlich. Als sein Cousin, der letzte Daimyo der Hauptlinie, ohne Ehefrau und Kinder vor knapp achtzehn Jahren verstorben war, hatte er einen ähnlichen Brief geschrieben, mit ähnlichen Sorgen. Damals war es gut gegangen, aber womöglich war genau das die Ursache für seine Befürchtungen jetzt. Zwei mal Glück hatte man nie. Das Schicksal forderte immer Tribut.

 

Erst, als der Brief abgegangen war, fiel dem alten Mann ein, dass er auch die Familien der verstorbenen Krieger informieren lassen müsste. So schickte er einen zweiten Boten, hinaus in den zweiten Mauerring, der die Burg umgab, wo sich die Unterkünfte der Samurai, Vorratslager und auch der Schrein befanden. Er würde auch für diese Familien wohl eine Totenfeier gestalten müssen, dachte er, als er aufstand. So viel zu tun … so wichtig alles, und er fühlte sich so erschöpft. Nun, immerhin musste er sich nicht auch noch um die Familien kümmern, das Finanzielle würde der zuständige fürstliche Berater erledigen – wenn es denn wieder einen Daimyo oder Vormund gab. Gute Güte, ja! Er drehte ab, da er den obersten Militär gesehen hatte, der sicher bereits Bescheid wusste.

„Hauptmann, ich weiß, ich habe nichts zu befehlen, aber ich glaube, es wäre ratsam die Grenzen zu den dämonischen Fürstentümern zu sichern, bis der neue Daimyo feststeht.“

Dieser neigte etwas den Kopf, durchaus ein wenig erleichtert. „So sind wir uns einig, hoshi. Ein Machtvakuum mag immer anlocken. Der Eilbote in die Residenz ist bereits abgereist. Ich werde mich darum kümmern.“ Und hoffen, dass der neue Herr oder der Vormund Soutas diese Notwendigkeit ebenso einsehen würde.

 

Im Aufenthaltsraum im Frauentrakt gab die Mutter nur zögernd ihre Kinder frei, ehe sie langsam sagte: „Geht in eure Zimmer. Da muss jeder für sich durch. Wir treffen uns hier wieder in knapp zwei Stunden. Und zieht euch um.“

Kagome warf ihrer Mutter einen fragenden Blick zu, stand aber gehorsam auf. Es gefiel ihr gar nicht ihre Mama so weinen zu sehen, stumm, mühsam beherrscht. Aber vielleicht wollte sie auch genau darum allein sein, ohne Beobachter. Mama war doch immer so ruhig, so ausgeglichen, so …. Vielleicht war es zum ersten Mal, dass das Mädchen begriff, dass mehr als nur Befehl und Gehorsam zwischen ihren Eltern gelegen hatte. Ging das, wenn man in eine Heirat befohlen wurde? Nun, für sie selbst war klar, wenn es irgendeine Möglichkeit gab einer Ehe auszuweichen würde sie sie wahr nehmen. Und sei es, irgendwo in einem Dorf als Priesterin zu arbeiten. Immerhin bildete Opa sie seit Jahren in den Riten aus! Auch, wenn sie leider so ganz und gar keine spirituellen Fähigkeiten besaß. Er war wohl der letzte Higurashi. Und an Großtante Kikyou, die ja angeblich eine geradezu Wunderpriesterin gewesen war, reichte sie selbst natürlich überhaupt nicht heran. Immerhin konnte sie einigermaßen, mit Pfeil und Bogen umgehen. Formell war das, um einfache Dämonen läutern zu können, so hatte es Opa ihrem Vater erklärt, aber ihr war klar gewesen, dass selbst der dümmste Wurmdämon nicht vor ihr erschrecken würde. Ach ja. Priesterin in einem Dorf, allein, ohne Ehemann, der sie tyrannisierte und schlagen durfte, ohne… Ja, ohne Kinder. Sie musste nur an ihre Kinderfreundin Ayumi denken, die als Spielgefährtin der Fürstentochter jahrelang, ebenso wie Eri, mit ihr gelebt hatte. Vor gut einem Jahr war Ayumi verheiratet worden, jetzt war sie tot, gestorben kurz nach der Geburt des ersten Kindes. Ein nur zu häufiges Schicksal, was in Kagomes Augen nur noch mehr eine Ablehnung der Ehe berechtigte. Hoffentlich würde dieser Vormund das auch einsehen und sie irgendwohin schicken. Selbst einfach gehen wäre mehr als gefährlich gewesen. Sich dem Befehl eines Daimyo oder gar des Kaisers zu widersetzen kostete den Kopf.

 

In ihrem Zimmer sprang Eri auf. „Kagome….Es ist wahr?“

Woher auch immer das Eri schon wieder wusste. Aber ihre Freundin war in aller Regel gut informiert, schließlich war ihre Mutter die Leiterin des Frauentraktes. Ihr Vater war Militär und lebte in der Residenzstadt.

Auch ein Arrangement, dachte die Fürstentochter unwillkürlich noch, ehe sie sich einfach in die Arme ihrer Kindheitsfreundin fallen ließ und endlich zu weinen begann.

Eri hielt sie einfach fest, ehe sie leise meinte: „Mutter sagte, es seien Boten zu deinem Großvater gekommen und andere von ihm weggeschickt worden, das sei ein schlechtes Zeichen, deswegen kam ich her. Was passiert jetzt?“

„Großvater schickte einen Boten zum Kaiser, der … entscheidet.“ Kagome schluckte, nahm aber das angebotene Taschentuch. „Und jetzt, ist dann eine Andachtsfeier im Schrein für … für….“

Eri war nüchtern und pragmatisch veranlagt und bewies das soeben. „Dann solltest du dich umziehen und das Gesicht waschen, neu pudern. Es werden wohl doch einige Leute eurem Weg zusehen wollen.“

Ja, die fürstliche Familie stand immer unter Beobachtung, das war Kagome seit ihrer Geburt klar. Nur im eigensten, privaten, Zimmer hatte man etwas Luft. So resignierte sie. „Was soll ich denn anziehen?“

„Auf jeden Fall etwas offizielles, nicht diesen Yukata! Ich hole dir Kimonos und Kissen und deine Haare….“

„Nein, die lass offen. Ich bin ein Mädchen und das will ich zeigen.“ Nur nicht sich als Heiratskandidatin zeigen! Egal wem gegenüber. Außerdem hielten Nadeln in ihren Haaren sowieso nicht gut. Sie waren ein wenig zu widerspenstig und nur bei Schnitt auf Schulterlänge zu bändigen.

 

Die folgende Stunde wurde für die Angehörigen zur Qual. Am liebsten wären sie alle drei aus dem Schrein geflohen, auch, wenn jedem klar war, das das mehr als unschicklich gewesen wäre. Der einzige Halt in dem seltsamen Kreisel der Gedanken, der Trauer und Angst vor der Zukunft, bildete der Großvater, der in jahrzehntelanger Gewohnheit die Räucherstäbchen anzündete, Gebete sprach, die richtigen Verneigungen zur richtigen Zeit machte und, falls Tochter oder Enkelkinder zögerten, mit dezenten Handbewegungen nachhalf. Nicht, das er nicht geschockt gewesen wäre, aber seine Routine half ihm, hinzu das Wissen, dass man nichts ändern konnte. Es geschah, wie es geschehen sollte. So war das Leben nun einmal. Er hatte früh seine Frau verloren, zwei Kinder sterben sehen, aus dem Hauptzweig der Familie genug Tote. Tod und Leben gehörten zusammen.

Auch an den folgenden Tagen würde er die Zeremonien begehen, mit der Familie, um den Toten auf dem Weg in das Jenseits zu geleiten. Und er wünschte seinem Schwiegersohn aufrichtig das Beste. Überdies, auch das wusste er aus Erfahrung, linderten die Riten die Trauer der Hinterbliebenen.

 

Die tägliche Routine auf der Burg lief in den nächsten Tagen weiter, allerdings sammelten sich in den Arbeitszimmern der fürstlichen Berater immer mehr Papiere, Angelegenheiten die nur der Daimyo entscheiden sollte. Keiner dieser Männer war zu seinen Aufgaben gekommen, weil er töricht gewesen war, und es wäre mehr als töricht gewesen dem neuen Herrn vorzugreifen. Berater konnten leicht ersetzt werden, sei es, dass sie schlicht entlassen wurden, sei es, dass sie wegen Unfähigkeit oder Bestechlichkeit oder sonstigen Verfehlungen hingerichtet wurden. Wozu das Risiko eingehen, ehe man mehr wusste – und den neuen Gebieter abschätzen konnte. Gewiss würde der Kaiserliche Rat rasch entscheiden, denn in einer solch strategischen Provinz durfte es kein Machtvakuum geben.

 

Tatsächlich waren kaum zehn Tage nach dem Tod Fürst Higurashis vergangen, als sich ein Bote mit der Uniform der kaiserlichen Garden ebenso abgehetzt wie sein Pferd, im inneren Burghof melden ließ.

Hoshi Higurashi empfing ihn, wie nun immer vor dem Platz des Daimyo sitzend, seine Stellung als Familienoberhaupt zeigend, aber ebenso, dass er hier nichts zu sagen hatte.

Der Bote nahm es zur Kenntnis, als er sich höflich niederkniete. „Botschaft des Göttlichen Kaisers!“ meldete er.

Der besorgte Großvater schaffte es nur mit Mühe ein regungsloses Gesicht zu wahren. Vermutlich hatte sich der Mann vertan und die Nachricht kam vom Kaiserlichen Rat. Jeder wusste doch, dass der Göttliche Kaiser zumeist mit wichtigen Ritualen dafür sorgte, dass die himmlischen Mächte Japan gewogen blieben und dafür die meiste Zeit aufwendete. Nur in Fragen von Krieg und Frieden mischte dieser sich in aller Regel in die tägliche Politik ein. So streckte er die doch etwas zitternde Hand aus und nahm die Schriftrolle. Ein Blick auf das Siegel genügt um ihn erstarren zu lassen. Das war in der Tat das kaiserliche Siegel, nicht das des Rates! „Danke, lass dir ein Zimmer geben und ruhe dich aus. Du musst diese Strecke in kürzester Zeit geritten sein.“

„Danke.“ Der Bote hielt es nicht für notwendig ihm zu sagen, dass das zwei Pferden bestimmt und einem dritten vielleicht das Leben gekostet hatte.

 

Erst allein öffnete der alte Mann den Brief, behutsam und ehrfurchtsvoll. Einen Brief des Nachkommen der Sonnengöttin hatte er noch nie in den Händen gehalten. Darin lagen zwei Papierstücke. Einer betraf Souta, er entdeckte auf Anhieb den Namen, einer den … den neuen Daimyo. Also durfte der arme Junge nicht hier bleiben. So nahm er zuerst diesen Text.

Ja, wie befürchtet. Souta sollte nach Heiyokyo, um dort weiter ausgebildet zu werden, die Ämter seines Vaters zu übernehmen. Sicher sehr ehrenvoll, aber damit wäre die Provinz, die jahrhundertelang im Lehen der Familie Higurashi gewesen war, endgültig für den Clan verloren. Hoffentlich würde sein Enkel einsehen, dass das eine ehrenhafte, sinnvolle, Aufgabe war. Widerspruch war sowieso unmöglich.

Aber, ein neuer Daimyo bedeutet wohl auch, dass Kagome… Er begann zu lesen. Ja, der neue Fürst sollte es erst nach der Heirat mit seiner Enkeltochter werden. Und zwar handelte es sich um …

Nein! Wie kam der Göttliche Kaiser denn auf diesen Unsinn! Das war ….gegen jede Natur und …. Aber er las weiter und atmete tief durch, als er die Worte entzifferte: mein geliebter Cousin.

Ja, da hatte es doch diese sagenhafte Ehe … Aber das war doch bestimmt zweihundert Jahre her!

Der hoshi seufzte. Nun, wenn er schon so reagierte, konnte er sich lebhaft vorstellen, was seine temperamentvolle Enkeltochter dazu sagen würde. Aber es war gleich. Das hier war ein Befehl, zu allem Überfluss mit dem Ende versehen, dass kein Mitglied der Familie Higurashi Selbstmord begehen dürfe. Damit war jeder Ausweg versperrt, sollte nicht auch die gesamte restliche Familie wegen Hochverrates sterben.

Wie nur sollte er das den Anderen mitteilen?

Das Leben als Familienoberhaupt war wahrlich nicht einfach, dachte er, als er sorgfältig den Brief zusammenlegte und mühsam aufstand. Dem Diener vor der Tür befahl er nur, der solle Souta in den Frauentrakt schicken, was dieser mit dem Satz beantwortete, dort sei der junge Herr bereits.

Also schön, dachte der Großvater. Es hätte vermutlich schlimmer kommen können, das würde er seinen Enkelkindern sagen. Und hoffen, dass keiner der Zwei nachfragte, wie.

 
 

Zukunftssorge


 

L

iang-Si stand am Hafen und sah nach seinem Schiff, aber er wusste inzwischen nur zu gut, dass jeder Versuch es auch nur zu Testzwecken zu besteigen von den dämonischen Kriegern Fürst Narakus höflich, aber bestimmt, unterbrochen wurde. Er saß hier in Japan fest. Der Blick des Händlers glitt hinaus auf das Meer. Dort, hinter dem Horizont lag seine Heimat und da wollte er eigentlich auch wieder hin. Sicher, der Fürst hatte ihn wirklich gut für seine Ware bezahlt, zunächst für den kleinen Test, dann für die große Ladung, die er ihm vor einigen Wochen übergeben hatte. Warum nur ließ er ihn nicht zurück fahren? Zuerst hatte er ja geglaubt der Fürst plane etwas und wolle ihn als Zeugen umbringen, aber nun lebten er und die Mannschaft des Schiffes schon seit Wochen hier in Ayama, auf dessen Kosten. Was auch immer der vorhatte war folglich nicht ihn umzubringen, was Liang-Si doch etwas beruhigte.

„Händler, Fürst Naraku will dich sehen.“

Der so Angesprochene fuhr herum und starrte den Dämonenkrieger an. Durfte er etwa heim? Aber es gab nur eine Antwort. „Ja, natürlich.“

 

So kniete er eine halbe Stunde später in dem privaten Arbeitszimmer des Fürsten in dessen Stadtschloss, allein mit diesem. Liang-Si hätte nur sich selbst zugegeben, und das ungern, dass der Dämonenfürst auf ihn irgendwie unheimlich wirkte. Das war überaus unprofessionell für einen international erfahrenen Händler und so ermahnte er sich lieber nicht auf die langen Finger des Mannes vor ihm zu sehen, die seltsam spinnenartig sich über dessen Oberschenkel bewegten.

„Ich bin sehr zufrieden, mein lieber Liang-Si. Das schwarze Pulver, das du mir verkauft hast, war überaus wirksam und hat wirklich einen gut Teil eines Berges einreißen können.“

Ach, der hatte es, wie er es auch aus der Heimat kannte, für Bergwerks- oder Straßenarbeiten benötigt. Ja, selbst hier von der Küste aus sah man nach Süden hin Vulkanberge und nach Osten hin steile Bergketten. Sehr bergig, dieses Japan, obwohl gerade in Ayama zwischen Meer und Bergen hier auch eine große Ebene lag, wie er inzwischen gesehen hatte, in der Reis angebaut wurde und wohl auch die Pferde gezüchtet wurden, die einmal im Monat durch die Hauptstadt getrieben wurden, um weiter im Osten verkauft zu werden. Gut. Der Händler war mit japanischen Sitten gut genug vertraut um nicht nur die Sprache einigermaßen zu beherrschen, sondern sich nun auch nur stumm zu verneigen.

„Du darfst daher ablegen. Du hast hier doch keine Angelegenheiten mehr?“

„Nein, nachdem Ihr sowohl die Seide als auch das Pulver komplett abgenommen hattet. Und selbstverständlich gut bezahlt habt.“ Nur jetzt keinen Fehler mehr begehen. Die Fürsten, gleich ob Mensch oder Dämon, zuhause oder hier, waren immer schrecklich leicht zu reizen.

„Gut. Ich möchte dir noch einen Brief auf das Festland mitgeben, natürlich gegen Bezahlung. Es ist dir sicher möglich ihn selbst zuzustellen oder zustellen zu lassen. An einen Dämonenfürsten.“

Lieber verneigen. „Ich gebe zu, Fürst Naraku, dass ich mich mit den dämonischen Herren zuhause nicht so auskenne, sie meiden Menschen in aller Regel.“ Oder fressen sie, aber das wollte er nicht aussprechen. „Aber natürlich würde ich mein Bestes tun einem werten Kunden behilflich zu sein. An wen soll es gehen? Habe ich womöglich bereits von ihm gehört?“

„Ich vermute es, denn er ist eine Legende. Hyouga.“ Naraku sah sehr wohl, dass der Mensch blass wurde. „Ah, du hast von ihm gehört. Dem entnehme ich, dass du den Brief nicht selbst überbringen willst?“

Man lehnte keine Anweisung eines Fürsten ab ohne mit dem Leben zu bezahlen. Aber: „Das … das ist ein Selbstmordkommando.“

„Möglich. Ich möchte Kontakt, der Brief sollte ihn daher nicht beleidigen. Aber gut. Ich verdoppele die Summe und es wird dir gewiss nicht schwer fallen einen när ...einen tapferen Mann zu finden, der diese Botschaft überbringt. Hier.“ Naraku überreichte den Brief. Es handelte sich in der Tat nur um eine höfliche Anfrage, ob der mächtige Hyouga an einem kleinen Geschenk seinerseits interessiert wäre und dessen Beschreibung. „Du kannst gehen. Du hast sicher noch viel bis zur Abfahrt zu erledigen. Oh, meine Tochter wird dir das zusätzliche Gold draußen übergeben.“ Man sollte nichts verkaufen, was man noch nicht besaß, aber ein guter Kontakt schadete nie, zumal nicht, wenn es gegen den alten Hund und sein Höllenschwert ging. Und das menschliche Schiff würde fast zwei Wochen benötigen, um drüben anzukommen, zumindest in der deutlich weiter nördlich gelegenen Heimat dieses Händlers, geschweige denn, bis dieser Brief angekommen war. Dieser Kaufmann war sein einziger Kontakt zum Festland und würde auch kaum mehr herkommen, nichts ausplaudern können. Ein Grund, warum er ihn wochenlang hier festhalten ließ. Nun auch, um ihn bestrafen zu können, wenn die Explosion in den Niigata-Vulkanen erfolglos blieb. Derartiges explosives Pulver kannte man hierzulande nicht.

Aus Aoi waren noch immer keine Nachrichten gekommen. Eigenartig. Was dauerte so lange? Dass der Daimyo tot war sollte klar sein, und der Kaiserliche Rat war informiert worden, das hatte Kaguras Spion in der Burg bestätigt. Konnte sich der Rat einfach nicht auf einen neuen Daimyo einigen? In diesem Fall … nein, Hakudoshi hatte bereits einmal versagt. Warum sollte er nicht selbst die kleine Kagome heiraten? Der Weg zur Herrschaft über Aoi führte durch ihren Schoss. Natürlich, wenn er das shikon no tama mit ihrer Hilfe gefunden hatte, wäre ihr nur noch ein kurzes Leben beschieden, aber junge Frauen starben nun einmal leicht. Sollte dann doch Aoi nehmen, wer immer wollte. Er würde ihn sich so oder so zu eigen machen können. Das Juwel war wichtiger. Das Problem war nur, dass ein neuer Daimyo genau sie heiraten wollte. Aber, das wäre nicht die erste Ehe, die nach Entführung der Erbin einer Provinz zustande käme. Menschen bewiesen da manchmal eine wirklich entzückende Skrupellosigkeit. Hakudoshi könnte sich auch mal nützlich machen.

 

Mutter und Kinder Higurashi sahen auf, als der Großvater mit Briefen in der Hand in den Aufenthaltsraum des Frauentraktes kam.

„Nachricht vom Kaiserlichen Rat?“ fragte Souta sofort. „Sie haben dich doch als Vormund eingesetzt?“ Dann wäre doch fast alles so wie immer.

„Die Briefe stammen vom Göttlichen Kaiser höchstselbst.“ Der alte hoshi ließ sich nieder. „Natürlich nicht persönlich geschrieben, aber sein Siegel. Und sind klare Anweisungen. Souta, du sollst in die Residenzstadt, lernen und später die Aufgaben, die dein Vater dort hatte, übernehmen. Das ist sehr ehrenvoll, zumal du wohl als Mündel des Rates oder gar des Kaisers selbst eingestuft wirst.“

„Militär?“ Aber der Junge klang resigniert. Er wäre lieber hier geblieben, wo er alles kannte, bei Mama und Schwester und natürlich Opa. Allerdings hätte er auch freiwillig nie Daimyo sein wollen. Er mochte es lieber ohne Schwert, mit der Feder schreiben, lernen. Als einziger Sohn kannte er jedoch die Regeln zu gut.

„Ich weiß, dass du es nicht magst,“ meinte seine Mutter sofort. „Aber einem solchen Befehl kann man nicht widersprechen. Was ist noch, Vater?“

„Nun ja, Souta wird abgeholt. Er soll mit dem General und seinen Kriegern zurück reisen. Der General kann dir sicher viel mehr über die Residenzstadt und deine Zukunft erzählen, Junge.“

„Was soll denn ein kaiserlicher General hier und Krieger?“ erkundigte sich Kagome prompt. „Bringen sie etwa den neuen Daimyo….“ Sie brach ab, da ihr die Konsequenz für sich selbst klar wurde. „Ich soll heiraten?“

„Ja. Und der General mit seinen Männern bringt die Geschenke für die Familie des Bräutigams. Daraus kannst du schon schließen, wie wichtig diese Ehe ist, wenn der Kaiser selbst diese Geschenke stellt.“ Der Großvater war gerade stolz auf sich, das so verpackt zu haben. Immerhin hatte Souta die kaiserliche Entscheidung pflichtgemäß akzeptiert.

Kagome dachte mit. „Ich soll doch hoffentlich nicht den General heiraten? Der ist sicher alt!“

Umschreiben, dachte der alte Mann, der bereits die Funken in den Augen seiner eigentlich wohlerzogenen Enkeltochter entdeckte. Leider neigte sie manchmal zu gewissen Temperamentsausbrüchen und er dachte durchaus besorgt an eine entsprechende Reaktion ihres Ehemanns. „Äh, nein. Du sollst den geliebten Cousin des Kaisers heiraten.“

„Einen kaiserlichen Prinzen?“ Die Mutter war gerade stolz, auf ihre Tochter, aber vor allem ihre Familie. „Kagome, das ist wunderbar, das erklärt auch das persönliche Interesse an der Sache. Und natürlich, so ein Mann wurde ausgebildet und wird sicher ein guter Daimyo sein.“

„Äh, kein kaiserlicher Prinz,“ korrigierte der Großvater, wenngleich mit innerem Bedauern. „Ein Fürstensohn, dessen Großvater allerdings ein Kaiser war.“

„Hojo?“ fragte Kagome mit gewisser Hoffnung, denn dieser Fürstensohn hatte ihr bei der Reise mit ihrem Vater ….Sie schluckte unwillkürlich….doch deutlich zu erkennen gegeben, dass sie ihm gefalle. Und er war nett gewesen.

Augen zu und durch, dachte der hoshi. „Nein. Sein Name ist Inu Yasha, der Sohn des Inu no Taishou.“

Für einen langen Moment herrschte Schweigen, dann platzte es aus dem Mädchen raus. „Einen Dämon? Ist der Kaiser verrückt? Niemals heirate ich einen Dämon! Eher bringe ich mich um!“

„Selbstmord wurde jedem von uns verboten,“ erklärte der Großvater. „Und du weißt, was die Konsequenz wäre.“

Ja, das war allen klar. Die gesamte Familie würde in Schande fallen, als unehrenhaft gelten und noch dazu gegen einen Befehl des Göttlichen Kaisers verstoßen haben. Das bedeutete für sie alle vier die Todesstrafe. Und kein Grab.

Souta blickte zu seiner großen Schwester. „Du kannst dann doch hier bleiben und ich muss weg.“

Das stimmte zwar, aber… „Mama!“ Kagome wandte sich hilfesuchend nach rechts, zwischen Wut, Angst und Trauer schwankend. „Mama, du hast doch selbst schon mit mir die Boten gesehen, die manchmal kommen. Sie haben rote Augen, Fangzähne und solche Krallen!“

„Ja, aber….“ Die Mutter dachte kurz nach, ehe sie, froh, dass hier doch innerhalb der familiären Räume die Etikette locker gesehen wurde, fragte: „Vater, hast du da nicht etwas durcheinander gebracht? Du hast gesagt, der Cousin des Kaisers – das kann dann doch kein Dämon sein.“

Der hoshi nickte. „Ist er ja auch nicht. Er ist der Sohn des Inu no Taishou und einer kaiserlichen Prinzessin, ein Halbdämon.“

„Danke, das macht es viel besser!“ zischte Kagome. „Wirklich, Großvater, meine Magenschmerzen lassen schon nach! Sind denn alle hier verrückt geworden? Ein Halbdämon als Daimyo? Und der soll in mein Bett?“

„Du in seins,“ korrigierte der Großvater mehr ehrlich als taktisch wertvoll. „Er wird der Daimyo.“

„Mama! Das … das kann ich nicht….“

„Vater, geh jetzt mal. Souta, ich glaube, du redest noch ein wenig mit Opa über deine Zukunft.“ Als die beiden Frauen allein waren und sich Kagome tränenüberströmt an ihre Mutter schmiegte, strich die durch das schwarze Haar. „Ich verstehe dich ja. Ich habe damals auch so geweint, als ich die Nachricht bekam, dass ich den neuen Daimyo heiraten soll. Aber sieh, es ist doch gut gegangen, dein Vater war ein sehr ehrenwerter Mann und…“

„Mein Vater war kein Monster! Kein Dämon!“

„Deswegen hätte er mich auch schlagen dürfen oder sonst etwas und es nie getan. Wir hatten uns wirklich angefreundet. Es wird auch bei dir liegen deinen Ehemann friedlich zu stimmen. Und deine Wutausbrüche sind da …. nicht unbedingt der richtige Weg. Du musst bedenken, dass er der Herr hier wird. Er darf auch mich oder Opa wegschicken.“

„Was … ja, ich weiß ja…..wenn ich mich weigere, werden wir alle hingerichtet.“

„Du weißt es doch. Ich dachte, du kennst die Stellung einer Frau. Ich meine mich des Öfteren mit dir unterhalten zu haben.“ Aber sie zog die Tochter wieder an sich. „Und ich hoffe doch, er ist nicht so … wild. Der Inu no Taishou gilt als menschenfreundlich, immerhin hat er ja die menschliche Prinzessin geheiratet und es leben auch Menschen im Fürstentum des Westens. Dieser Inu Yasha hat sicher Erfahrung, wie er mit Menschen umgehen soll, denk an seine Mutter. - Überdies, Kagome, du hast doch immer gesagt, dass du nicht weg von hier willst, was du sicher müsstest, wäre Souta hier Daimyo, denn dann würdest du nach auswärts verheiratet werden. Und so kannst du hier bleiben, bei mir. Sonst wäre ich doch auch ganz allein.“

„Ich … Mama, wie soll ich denn zu einem Dämon, na schön, Halbdämon, sehen ohne mich zu gruseln?“ Ja, wie ihre Abscheu verbergen, um ihn nicht zu beleidigen?

Ihr Mutter seufzte. „Alles, was mir noch einfällt, wäre, dass ich Großvater bitte, dass er den Kaiser bittet, dass du noch zu jung für eine Ehe wärst und der neue Daimyo mich nehmen soll.“

Kagome setzte sich erschrocken auf. „Das… das ist nicht dein Ernst!“

„Wenn diese befohlene Ehe nicht zustande kommt, werden wir alle hingerichtet. Ich fürchte nur der Kaiser wird auf das Angebot nicht eingehen und auch der Inu no Taishou nicht. Ich bin zu alt für Nachwuchs.“

„Hör auf, Mama, das … Ich schaffe das schon, sicher.“ Und wenn dieser Mistkerl von Inu Yasha hier war, würde sie schon irgendwie zusehen, dass sie ihm das Leben zur Hölle machte! Der wollte doch bloß Daimyo werden, sie war ihm doch vollkommen gleich! Er war schuld. Und dafür würde er bezahlen. Natürlich, ohne dass Mama oder Opa darunter leiden mussten.

Ihre Mutter kannte sie. „Bitte, Kagome, denke immer daran, dass er der Herr ist, deiner, unserer, als Ehemann und Daimyo. Und, dass er noch dazu der Cousin des Kaisers und der Sohn eines Dämonenfürsten ist. Wie man es auch dreht – er ist in der besseren Position.“

„Ja, ich weiß!“ Und genau darum würde sie ihm die Augen auskratzen oder sonst etwas, würde… Ja, und würde vermutlich feststellen, wie sich mindestens eine Ohrfeige mit bekrallten Händen anfühlte. Ach, es war zum Verzweifeln.

 

Inu Yasha musterte den Aufbau im Hof des Schlosses mit einem gewissen Gruseln. Hier wurden buchstäblich hundert oder mehr Barren aus Erz gestapelt, die, neben wirklich schönem Schmuck als sein Geschenk, nun ja, Geschenk seiner Familie, an die der Braut gelten würden. Ein Stück entfernt auf Wiesen war eine provisorische Weide errichtet worden, wo die Esel warteten, die diesen Lasten nach Aoi schleppen sollten. Vater hatte ihm gesagt, dass im Austausch dazu der Kaiser ihm wertvolle Waren schicken würde. Natürlich wollten sich da beide Seiten nicht lumpen lassen, aber es machte ihm langsam klar, wie wichtig politisch diese Hochzeit eingestuft wurde – und welche Verantwortung er als Daimyo da aufgehalst bekommen hatte.

Alles, was er noch tun konnte, war, noch einmal mit allen Lehrern zu reden, einiges durchzugehen, aber ein dämonisches Fürstentum wurde eben anders regiert als eine kaiserliche Provinz. Allein die Steuern - einen Teil konnte man behalten, einen Teil bekam der Kaiser, während Zölle wiederum in der Provinz blieben, weil sie für Wegebau und Sicherheit des Handels zweckentsprechend verwendet werden mussten. Vater bekam immer alles und verteilte es nach Notwendigkeiten, das war schon … naja, freier.

Aber er konnte und durfte sich nicht beschweren. Vater hatte an ihn gedacht, ihm ein eigenständiges Leben ermöglichen wollen. Und er würde allen zeigen, was er drauf hatte. Seine Ausbildung hatte durchaus neben Schwertraining und Strategie auch Verwaltungslehre, ja, sogar menschliche Riten in Schreinen beinhaltet, er hatte das auch schon das eine oder andere Mal in Vaters Vertretung üben können. Das würde schon alles gut gehen. Er musste nur immer an seinen Pflichten denken, und das war als Fürst eine Menge, und an die Ehre eines dämonischen Kriegers. Dann würde alles gut werden.

Nun ja. Der Daimyo-Teil. Leider gab es da noch ein kleines Problem namens Kagome. Er hatte, um ehrlich zu sein, nicht die mindeste Ahnung wie er mit einer Ehefrau umgehen sollte. Ja, er war der Herr und durfte befehlen, aber selbst Vater, der nun wirklich sehr dominant war, war zu Mama immer sehr rücksichtsvoll gewesen, hatte ihre Wünsche erfüllt. Und, was er so hörte, auch, wenn Sesshoumarus Mutter in einem anderen Schloss lebte, so war sie dort die Herrin, leitete in Vaters Auftrag die Verwaltung und wohl nicht schlecht. Allerdings hatten seine wenigen Zusammentreffen mit ihr ihm nicht nur klar gemacht, warum Vater sie lieber drei Tagesreisen von sich weg wusste, sondern auch, warum Sesshoumaru sie selten besuchte. Tja. Preisfrage. War diese Kagome mehr wie Mama oder mehr wie seine Stiefmutter? Aber sie war ein Mensch, also vielleicht doch eher wie Mama? Sanft und liebevoll? Tröstend?

 

„Ungeduldig auf deine Hochzeit.“

Diese sachliche Feststellung ließ den Fürstensohn den Kopf etwas drehen. Mit nichts weniger als großer Begeisterung stellte er fest, dass sein großer Bruder neben ihm stand. Gedankenverloren hatte er nichts mitbekommen. Wirklich peinlich. Nur, was wollte der hier? Egal. Zumindest verbal konnte er ihm Paroli bieten – und hier im Schlosshof würde der auch nicht zuschlagen. Da war abzuwarten wann der Erste das Vater erzählen würde. „Für den Fall, dass du mal wieder nichts mitbekommen hast: diese Heirat ist politisch ziemlich wichtig. Und da soll nichts schief gehen.“

„Chichi-ue organisiert es.“ Natürlich ging da nichts schief. Wie kam der Bastard nur auf diese törichte Idee. Auch später noch hätte er niemandem erklären können, warum er in diesem Moment noch dem Jüngeren ein letztes Mal deutlich klar machen wollte, dass der nicht vollwertig war, es nie werden würde, Daimyo hin oder her. „Und du bekommst endlich eine Frau ins Bett, die sich nicht gegen dich wehren darf.“

Das war doch….! Inu Yasha zwang sich zur Ruhe. „Das würde ich dir auch empfehlen. Heirat. Dann würde dir dieses dämliche Grinsen vergehen.“

Sesshoumaru hob eine Braue. „Ich könnte jederzeit heiraten.“

 

„Eine ausgezeichnete Idee.“

Beide Fürstensöhne fuhren herum. Der Inu no Taishou sah seinen Ältesten an, mit jenem Blick, der den vermuten ließ in Hundeform würde er bereits seine eigene Schnauze in Vaters finden, um sehr schmerzhaft einmal wieder zu lernen, dass er maximal die Nummer Zwei war und seine Befugnisse überschritten hatte. Was hatte der gehört? Lieber etwas den Kopf neigen. Die guten Ohren des Dämonenfürsten waren eine Tatsache.

Der Herr des Westens sah zu seinem Jüngeren. „Es kam Nachricht. Der Tross aus Heiyokyo ist unterwegs. Wir brechen ebenfalls in einer Stunde auf. Hole deine Sachen.“

Inu Yasha rannte davon, mit gewissem Bedauern das Folgende nicht hören zu dürfen. Gut, dass er selbst sich zurückgehalten hatte. Denn da kam etwas für den ach so lieben großen Bruder.

 

Das war auch Sesshoumaru bewusst und er fand es momentan erklärlich besser den seidenen Obi um Vaters Taille zu bewundern.

Der Fürst blieb sachlich. „Ich bin erfreut, dass du dich auch dieser Pflicht eines Erben annehmen willst, mein Sohn. Während ich mit deinem Bruder die Hochzeitsreise absolviere, wirst du dich zu deiner Mutter begeben und ihr ausrichten, sie möge in meinem Auftrag meine fünf mächtigsten Vasallen mit ihren Familien einladen, zu einem informellen, kleinen, Fest. Du wirst ohne Zweifel dabei eine passende Braut finden.“

Der Erbprinz presste die Fangzähne zusammen. Dass er selbst die BRAUTSCHAU bei seiner MUTTER bestellen sollte, war ganz klar als Strafe für seine, wahrlich überflüssige, Bemerkung dem Bastard gegenüber gedacht. Die Sache mit der Heirat, um die er sich geraume Zeit hatte drücken können, stand offenkundig an. Und das Ärgste an der ganzen Sache war, dass er sich diese Schlinge auch noch zuvor selbst um den Hals gelegt hatte. Er sollte wirklich zukünftig besser schweigen.

 
 

Abschiedszeit


 

I

nu Yasha stand vor dem heimatlichen Schloss und sah wortlos zu, wie die Lasttiere beladen wurden, doch einen seltsamen Kloß in der Kehle. Das war der Abschied, wohl für immer oder zumindest eine sehr lange Zeit, denn Daimyo verließen ihre Provinz nur um in die Residenzstadt zu reisen, ebenso, wie Dämonenfürsten, eigentlich. Heiraten war natürlich etwas anderes und immerhin würde Vater ihn noch auf diesem Weg begleiten.

Oh nein, nicht schon wieder Sesshoumaru. Dessen Beleidigungen und Bemerkungen reichten ihm eigentlich. Aber, na schön, es wäre wohl das letzte Mal. Die höfliche Anrede als „mein älterer Bruder“ sparte er sich jedoch und flüchtete in Ironie. „Bruderherz?“

„Mach uns keine Schande.“ Der Erbprinz schritt davon und überließ es dem Jüngeren ihm nachzustarren.

Das war ja, verglich man ihr sonstigen Verhältnis, fast eine nette Bemerkung zum Abschied gewesen. Fast ein „mach´s gut“. Hatte Toyomaru wirklich recht gehabt und Sesshoumaru sorgte sich um ihn als Konkurrenten? Und war jetzt froh, dass er ohne Kampf, ohne Ärger, verschwand? Auch noch in Ehren für die Familie? Mit dem Kerl konnte sich doch keiner auskennen! Naja, Vater vielleicht. Moment, Vater. Er verneigte sich eilig.

„Inu Yasha.“ Der Hundefürst machte eine kleine Handbewegung zu den Kriegern, die sich soeben um die fertige Karawane sammelten. „Mit Einverständnis des Kaisers werden fünfzig meiner Krieger bei dir in Aoi bleiben, unter deinem Befehl. Eine Art Vorschuss für meine Bündnistreue.“

„Und ein Schutz gegen Naraku?“ entfuhr es dem Halbdämon.

„Du hast verstanden. Aber außer dir sollte es niemand erfahren, auch nicht der Leiter dieser Einheit, schon gar kein Mensch. - Kommandeur dieser Einheit wird Waffenmeister Toyomaru sein.“

Das war mehr als überraschend. „Benötigt Ihr ihn hier nicht?“

„Er bat mich selbst um seine Abkommandierung.“ Der Taishou musterten seinen sichtlich verdutzten Jüngsten. Nein, das war nicht abgesprochen gewesen. Gut. Allerdings sollte Inu Yasha künftig sein Gesicht besser unter Kontrolle halten. Oder, vielleicht konnte auch nur er es lesen und Menschen, die den Jungen nicht kannten, nicht.

Das war schön, wenigstens einen Berater von zuhause dabei zu haben, wobei, nein. Beraten lassen durfte sich ein Daimyo sicher nur von Menschen. Aber immerhin jemanden zum Üben dabei zu haben und in dem Zusammenhang vielleicht etwas bereden zu können. Irgendwie schien sein Leben kompliziert zu werden. Apropos kompliziert. „Ich dachte, Sesshoumaru….“

Der Jüngere dachte an den Älteren? Vielleicht war da doch noch nicht alles verloren. So erklärte der besorgte Vater doch erfreut: „Der wird nur noch gegen mich üben. Und er wird mehr Verwaltung übernehmen.“

Na, da würde sich der aber freuen. Kampf war dessen Element. Wobei, chichi-ue dachte an alles. Womöglich war das Training mit dem Stärksten aller Dämonen die Belohnung für die Verwaltungsarbeit. Und letzteres würde Vater entlasten.

„Als Berater habe ich ihm Jaken zugewiesen. Was bist du so erstaunt? Ein König der Kappa ist ein guter Verwalter.“

„Ja, natürlich, bitte, verzeiht, chichi-ue. Ich bin nur ein wenig …. die Abreise macht mir doch ein wenig zu schaffen.“ Das war keine ganze Lüge, denn die würde Vater mitbekommen, aber … Du liebe Zeit, dieser Grünling dauernd in Sesshoumarus Nähe? Sollte das für den Strafe sein? Die Vorhölle? Oder hatte Vater wirklich nur die fachlichen Eigenschaften dieses Froschkönigs gesehen und nicht, dass dem förmlich Herzchen in den Augen standen, wenn der seinen Bruder auch nur erblickte? Nun, das ging ihn nichts an, aber, wenn er die Wahl zwischen Jaken und Vaters Berater Myouga bekommen hätte, hätte er immer den kleinen Flohgeist gewählt. Hatte er aber nicht. „Wann brechen wir auf?“

„In einer Stunde.“

 
 

Kagome stand am holzvergitterten Fenster, das so zum einen Schatten bot, zum anderen einen weiten Blick bis hin zu dem großen Fluss, der Aoi in fast zwei gleiche Hälften teilte, am Horizont gewährte. Sie hatte die Fäuste geballt. Heute morgen hatte sie mitbekommen, dass der Trakt des Hausherrn ausgeräumt wurde, Vaters Sachen… einfach weg! Souta hatte auch schon ausziehen müssen, zu Großvater. Jetzt waren Handwerker drüben malten, brachten neue Wandschirme, neue Matten, neues Schreibpult ….und das alles nur für diesen dämlichen Inu Yasha! Mama hatte es auch gesehen und sich dann zurückgezogen, sicher, um zu weinen. Oh, sie konnte gar nicht sagen, wie sehr sie diesen Dämon jetzt schon hasste! Zum Glück war es ihr zuvor gelungen, bei einer Übung Bogenschießen, die sie begeisterter denn je betrieb, etwas aus Opas Vorrat mitzunehmen. Eine Kette, die einst Großtante Kikyou gefertigt hatte, eine Halskette aus schwarzen Perlen und weißen Fangzähnen. Angeblich, so hatte es Großvater mal erzählt, sei sie dazu einen Dämon zu Boden zu zwingen. Kikyou sollte ja eine wirklich tolle Priesterin gewesen sein, erst die Zweite mit dieser Macht in der Familie, und so hoffte Kagome, dass auch diese Kette ihr irgendwie Schutz geben würde, oder genauer, Rache! Sie würde diesem Mistkerl schon zeigen, dass er nicht so einfach herkommen konnte, ihrem Bruder, ihrer Familie, die Provinz klauen und sie selbst … Nun ja.

„Kagome?“

Sie fuhr herum. „Eri? Was ist denn los?“ Denn ihre langjährigen Freundin kam mit einem Gesicht herein, das mit sieben Tage Regenwetter noch untertrieben war. „Noch eine schlechte Nachricht, außer, dass ich in wenigen Tagen einen Dämon heiraten muss?“ fauchte sie förmlich.

„Ja.“ Eri ließ sich von der Stimmung nicht täuschen. Sie kannte die Fürstentochter lange genug und wusste, dass die eher am Verzweifeln war. „Allerdings betrifft es mich.“

Kagome hatte sich sofort gefangen. „Was? Setz doch doch. Was ist passiert?“

Als die beiden Mädchen nebeneinander saßen, meinte Eri: „Es kam mit dem kaiserlichen Boten auch ein Brief meines Vaters an meine Mutter. Wir sollen packen und dann, mit dem Geleitzug, der deinen Brautschatz herbringt, wieder zurück nach Heiyokyo.“

Gab es denn nur schlechte Nachrichten noch? „Du, ihr sollt weg? Aber, warum denn das? Er hat euch all die Jahre hier gelassen, hier ist doch eure Heimat!“

„Er schrieb, er hat einen Mann für mich.“

„Aber, deswegen kann er euch doch nicht…“ Doch, konnte er.

Eri lächelte auch nur ein wenig. „Ja, mein Vater ist kein Daimyo und nicht der Kaiser, er kann mir nicht den Kopf abschlagen lassen – aber er kann mich verstoßen und wo sollte ich dann hin? Außerdem sind wir jetzt nun einmal in einem Alter, in dem Mädchen verheiratet werden. Es wird schon gut gehen, ich muss mich eben anpassen.“

„Ist er… jung?“ erkundigte sich die Fürstentochter zögernd.

Eri zuckte die Schultern. „Vater schrieb, dass es sich um einen ranghohen Hofbeamten handelt. Er wird also genug Geld haben, aber mehr weiß ich nicht. Es ist ja auch gleich, oder? Vater bekommt sicher Vorteile, ich werde versorgt. Was will man mehr.“

Kagome hätte eine Menge dazu sagen wollen, aber ihr war bewusst, dass Eri recht hatte. „Ich will doch hier nicht allein sitzen.“ Und das klang selbst in ihren Ohren eher wie ein Hilferuf.

„Du kannst deine Mutter ja fragen, aber soweit ich weiß ist eine Fürstin nie allein. Deine Mutter muss doch auch immer alle Frauen wegschicken. Außer Mitsu natürlich.“

Ja, Mitsu war die vertrauteste Dienerin der Fürstin … Mamas, und eigentlich so etwas wie eine Freundin, auch, wenn das natürlich nie in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt wurde. Ebenso, dachte Kagome plötzlich, wie Mamas gutes Verhältnis zu Vater. In allen Fällen blieb das in den privaten Räumen. Ja, das Gesicht wahren, das war wichtig. Würde sich dieser Inu Yasha vielleicht von ihr scheiden lassen, wenn sie ihn öffentlich blamierte? Oder eher hinrichten? Er hatte dann ja den Titel, den er wollte. Egal, sie sollte sich um ihre Freundin kümmern. „Wann musst du weg?“

„Wie gesagt, wenn die Eskorte da ist. Es kann sich nur um Tage handeln. Meine Mutter hat bei deiner bereits angegeben ihren Posten aufgeben zu müssen.“

„Dann muss Mama jemand anders suchen.“ Und da sie ihre Freundin offensichtlich mehr als erstaunt ansah: „Naja, man braucht doch eine Verwalterin für den Frauentrakt.“

„Kagome, hast du es noch immer nicht verstanden? Du heiratest den neuen Daimyo. Damit bist DU dann die Fürstin.“

Ganz gut, sie würde auch noch ihrer Mutter den Rang wegnehmen. „Nein, das werde ich sicher nicht,“ sagte sie mehr auf ihre Gedanken als auf das tatsächlich gesagte. „Meine Mutter ist meine Mutter!“

„Ja, das dachte sie sich schon,“ seufzte Eri. „Als ich mit Mutter bei ihr war, meinte sie, ich solle dich dann mal zu ihr schicken. Der Schneider muss übrigens auch kommen und dir die neuen Kimono anpassen, die einer Fürstin ziemen. Und dein shiromuko für die Hochzeitszeremonie, du weißt schon, das weiße Brautkleid?“

Kagome suchte nach Worten, aber, nachdem sie ihre Lage und die ihrer Freundin abgeschätzt hatte, stand sie mit einem Seufzen auf. „Keine Wahl, oder?“

„So ist es gut.“ Eri folgte ihr. „Immer schön ruhig bleiben, das macht das Leben einfacher.“ Aber das riet sie der Fürstentochter seit mehr als zehn Jahren.

 
 

Der Hundefürst hob die Hand und blieb stehen, als der Tross die Höhe des Toyama-Passes erreicht hatte. Hier befand sich nicht nur eine ausgedehntere Fläche mit einer Quelle, sondern auch die Grenze zwischen seinem Fürstentum und dem menschlichen Kaiserreich. „Lasst die Tiere ruhen,“ befahl er. Die Lastesel, die den gut sechshundert Meter über dem Meer liegenden Pass emporgekommen waren, brauchten etwas Pause. Schon in der vergangenen Nacht hatten sie rasten müssen. Er hörte, wie seine Krieger gehorchten und auch sich bereit machten Wasser zu schöpfen, und schritt voran, bis dorthin, wo die Handelsstraße wieder hinunterlief. Hier war die Grenze, wie die bei Friedensschluss gesetzten Steinplatten rechts und links verrieten. Und von hier aus hatte man einen schönen Blick über einen guten Teil von Aoi.

Hier, auf diesem Pass, hatte er Izayoi das erste Mal gesehen. Hier war die Übergabe der kaiserlichen Prinzessin aus der Obhut ihres Onkels an ihn erfolgt. Während sie beide die Verträge unterschrieben hatten, hatte die Braut in der Reisekutsche warten müssen, um dann in eine Sänfte umzusteigen, nur mehr von Dämonen umgeben. Natürlich war sie gut erzogen genug gewesen auszusteigen und sich auf den Wink ihres Onkel vor ihrem nunmehrigen Ehemann niederzuknien, aber ihm war schnell bewusst geworden, dass das bebende Bündel in kostbarer Kleidung vor ihm nicht aus Kälte zitterte. Sie hatte förmlich Todesangst. So hatte er versucht sie zu beruhigen, in seinem Fürstentum willkommen zu heißen, sie auch als „meine Fürstin“ angesprochen. Mit gewissem Befremden war ihm aufgefallen, dass eine ältere menschliche Frau hinter ihr kniete, sie sogar anstupste, um die Braut darauf aufmerksam zu machen, dass er die Hand ausstreckte. Noch immer zitternd und mit eiskalten Fingern war Izayoi der Einladung endlich gefolgt, gerade noch rechtzeitig, um ihn nicht vor den eigenen und den menschlichen Kriegern zu beschämen. Dafür hätte er sie disziplinieren müssen um sein eigenes Gesicht zu wahren – und seinem Naturell entsprach es nicht, Wesen, die vor ihm sowieso bereits in vollkommener Panik auf dem Boden lagen dafür auch noch zu strafen.

Später hatte Izayoi ihm erzählt, dass ihre Amme die einzige Hofdame gewesen war, die bereit gewesen war ihr in das Unbekannte zu folgen. Alle anderen hatten wohl lieber geheiratet oder sich die phantasievollsten Erkrankungen zugelegt, um dem Befehl auszuweichen. Und er hatte diese alte Frau zu ihrer Hofmeisterin ernannt – damit auch gegenüber den Dämoninnen einen Status bei Hofe setzend. Arme Izayoi. Sie hatte wirklich nicht gewusst, ob er sie nur pro forma heiratete um sie auffressen zu können, in Stücke schneiden und grillen zu können oder was auch immer. Als sie den Befehl zu dieser Heirat bekommen hatte, hatten Schwestern und Cousinen, vermutlich aus Neid, ihr weidliche Horrorgeschichten über Dämonen erzählt. Er hatte sich geduldig alles von seiner Braut angehört, versucht sie zu beruhigen, um es ihr zu ermöglichen sich an ihn und ihre neue Lage zu gewöhnen – und war mit wahrlich bedingungsloser Liebe belohnt worden, soweit er das als Dämon abschätzen konnte. Und einem Sohn.

Er sah seitwärts. Inu Yasha war ihm nicht hierher gefolgt, sondern stand weiter hinten. Der Junge wollte wohl noch einmal den Westen sehen, sich durchaus im Klaren, dass er hier nicht mehr so einfach herkommen könnte. Intelligent war er, eindeutig. Er sagte den Namen.

Sofort drehte sich der Halbdämon gehorsam um und kam heran.

So nickte er hinunter. „Hier sieht man am besten Aoi. Du erkennst die Straße, die den Pass hinabführt zum Fluss, dann diesen entlang nach Osten. Wir stehen hier auf eine der großen Ost-West-Verbindungen im Kaiserreich. Dort, wo man die große Ortschaft am Fluss erkennt, kreuzt diese Route die westliche Nord-Süd-Magistrale, die vom Land der Schneefrauen im Norden bis zu dem Fürstentum der Füchse im Süden reicht. Die zweite Magistrale führt im Osten an den Gebieten der Wölfe und der Drachen entlang. Aber diese Kreuzungen machen den Handel einfacher – und auch Aoi reich als Handelsknoten und Zollstation.“

Inu Yasha war etwas irritiert über diese Geografiestunde, immerhin kannte er Aoi von Landkarten her, aber ja, das war natürlich doch etwas anderes das hier so zu sehen. Unwillkürlich glitt sein Blick nach links, wo die Niigata-Vulkane die Grenze zwischen dem Westen und Ayama bildeten. Dahinter, von hier nicht zu sehen, erstreckte sich die Kette der Blauen Berge in den Norden. Dazwischen lag allerdings die berühmte Pforte von Ronin. Tja. Und da irgendwo unten lag auch die Burg der Higurashis, seine künftiges Zuhause.

Der Junge war aufgeregt, er sollte ihn wohl beruhigen, nach Menschenart. Nur, wie? „Suchst du die Burg? Sie kann man von hier aus nicht sehen. Ich war schon dort und kann dir versichern, dass sie recht beeindruckend ist, für eine Menschenburg.“

Ja, natürlich. Einem Dämonenfürsten, noch dazu mit dem Höllenschwert, samt Heer würde sie kaum standhalten, dachte Inu Yasha, aber er wurde neugierig. Wann fand Vater schon etwas beeindruckend und sprach das auch noch aus. „Wir werden heute Abend da sein, chichi-ue?“

„Ja. Sobald die Tiere sich erholt haben, gehen wir weiter. Die nächste Pause ist dann erst in der Burg.“

„Wie Ihr wünscht, chichi-ue.“ Dann würde er wohl noch einmal zurückgehen können und sich den Westen ansehen, seinen eigenen Abschied nehmen. Gestern morgen war er auch noch einmal bei Mutter, nun ja, ihrem Gedenkstein, gewesen und hatte Blumen niedergelegt, froh, dass er das allein tun konnte und kein Dämon die Tränen sah.

 

Naraku sah auf, als sich Hakudoshi bei ihm melden ließ, ein wenig irritiert, dass es der ein wenig verlorene Sohn so rasch geschafft haben sollte Kagome zu entführen. Nun, der sah auch nicht gerade glücklich aus, als er sich verneigte. Was hatte der denn jetzt schon wieder nicht geschafft? Ein Menschenmädchen aus einer Menschenburg zu entführen sollte eigentlich machbar sein. Vielleicht mit Todesopfern, aber das war Hakudoshi doch sonst auch gleich. „Was ist passiert?“ Ein Wink bedeutete direkt vor dem Fürsten niederzuknien.

Der Sohn gehorchte. „Ich konnte Euren Auftrag nicht ausführen.“ Und das bedeutete sicher noch mal Wochen im Kerker, Minimum. Narakus Strafen waren oft phantasiereich, aber immer schmerzhaft. Aber der weißhaarige Junge wusste, dass er weiterreden musste. Nur seine rasche Handbewegung, eine halblange Strähne zurückzustreifen verriet seine Nervosität. Da allerdings keine weitere Bemerkung kam, musste er sprechen. „Wie befohlen bin ich zur Burg Higurashi geflogen. Um die Lage zu sondieren, habe ich mich in dem Wäldchen abseits der Burg verborgen. Zu meinem und natürlich Eurem Glück, denn ich bemerkte so, dass im äußeren, dem dritten, Mauerring Militär lagerte. Ich … ich traf ein etwas naives Menschenmädchen, das aus der Burg kam und nach Beeren suchte. Sie erzählte mir, dass es sich um etwa hundert Krieger des Kaisers handelte, die die Eskorte eines Schatzes gebildet hatten, der für die bevorstehende Heirat geliefert würde. Sie würden auch Souta mit in die Residenz nehmen.“

„Hundert Krieger des Kaisers.“ Naraku dachte rasch nach. Ja, da war es vernünftiger ihm das zu berichten als das Augenmerk des Kaisers – und leider damit auch das aller anderen Dämonenfürsten – auf ihn zu lenken. Er brauchte nicht zu fragen ob das Mädchen von dem Zusammentreffen erzählen konnte. Hakudoshi mochte eine Menge Fehler haben, aber er war diesbezüglich gründlich. „Der neue Daimyo scheint wichtig zu sein. Konntest du herausfinden, um wen es sich handelt?“

„Das Mädchen sagte mir, dass die Zimmer des Daimyo mit anderen Bildern an den Wandschirmen versehen und neu hergerichtet würden. Und, dass es sich um einen Cousin des Kaisers handeln solle.“ Hakudoshi atmete etwas auf, da er noch immer reden durfte. Vater war nicht sehr geduldig bei Fehlern und schien aber nun seine Vorsicht zu verstehen. „Ich versuchte dann weitere Auskünfte zu erhalten und sandte das Hölleninsekt, dass Ihr mir gegeben hattet, aus. Natürlich nicht in die Burg, das war ja verboten,“ beteuerte er hastig. „Aber Richtung der Hauptstraße, durch diesen Ort, diesen Markt, die weiter in Richtung Toyama-Pass und dann in den Westen führt. Es brachte mir die Information, dass sich über den Pass ein größerer Trupp Dämonenkrieger bewegt, mit Lasttieren dabei. Sicher ebenfalls eine Schatzkarawane. Ich kam unverzüglich her, aber ich denke, sie werden die Burg heute noch erreichen wollen.“

Dieser alte raffinierte Hund von Taishou. Wie auch immer der den Kaiser dazu bekommen hatte. „Geh.“

Allein gelassen lehnte sich Naraku zurück und lächelte ein wenig. Zumindest seine Kinder hätten ein Frösteln bekommen, denn dieses Lächeln erreichte nie seine Augen. Jetzt war alles klar. Kagome sollte einen Sohn des Taishou heiraten und der der neue Daimyo werden. Cousin des Kaisers, dabei konnte es sich nur um den Jüngeren handeln. Der sollte zwar noch ein Kind sein, war aber wohl gerade alt genug geworden um verheiratet zu werden. Und so seinem Papa die Provinz Aoi zu sichern. Gut gedacht und gut gemacht. Der Kerl war nicht umsonst Heerführer und Fürst geworden. Fast amüsant einmal auf einen fast gleichwertigen Gegner zu treffen. So machte das Spiel doch mehr Spaß. Kagome war damit einstweilen aus seiner Reichweite, zumindest, solange da Heere aus zwei Ländern vor der Burg lagerten. Aber, das würde nicht lange dauern. Mal sehen, wie sich der gute … wie hieß der kleine Halbhund nur… ah, Inu Yasha… dann zu einem nachbarschaftlichen Treffen stellte. Der Plan musste ja nicht geändert werden. Eher im Gegenteil. Saß er im Kopf des Sohnes würde er auch den Taishou besser kennen lernen. Und eben mit dem Jungen und Kagome das Juwel der vier Seelen suchen. Für den Notfall hatte er sowieso den Kontakt mit Hyouga auf dem Festlands gesucht und im Rahmen seines bisherigen Plans auch einen Boten, in sehr höflicher Absicht, nach Süden an die Vogelfürstin Tekkein geschickt. Diese unterstand zwar offiziell dem Fuchsherrn, aber die Vogeldamen sahen das schon immer etwas großzügiger. Nein, er musste nichts modifizieren. Der Zug des Hundefürsten war überraschend, aber würde nichts am Ergebnis ändern. Sein Plan war absolut sicher, dämonen- und menschensicher.

 
 

Zwangsheirat Teil 1


 

K

agome stutzte etwas, als sie an diesem Morgen zugegeben verspätet den Aufenthaltsraum betrat. Mutter saß da, das Frühstück hatte Mitsu gebracht, aber Mama gegenüber saß eine Frau, die sie noch nie gesehen hatte. Schwarzhaarig, keine zwanzig, hätte sie geschätzt und keine ... nun ja, keine Kleidung, die einer Dame würdig war. Da war nichts großzügig verhüllt. Ihr schwarzer Anzug lag eng an, allerdings auch am Hals und den Handgelenken, und verfügte über rote Taschen, Klappen oder was auch immer. Und sie trug einen Schwertgürtel, war hier jedoch unbewaffnet. Ein rascher Blick auf Ohren und Hände bewies ihr, dass es sich nicht um eine Dämonin handelte, und so ließ sie sich doch erleichtert neben ihrer Mutter nieder.

„Guten Morgen“ sagte sie höflich. „Souta ist nicht hier?“

„Er geht mit Großvater noch die Listen durch was er mitnehmen möchte, um sie dem General zu geben,“ erklärte ihre Mutter.

Kagome schluckte. Nicht nur den Tee. „Der kaiserliche Tross ist schon da?“ So schnell hatte sie das eigentlich nicht erwartet, doch noch einige Tage Frist erhofft.

„Ja. Das ist Sango, sie ist die Tochter des Anführers der Dämonenjäger und wurde vom kaiserlichen Rat mitgeschickt, um hier ein wenig …“ Ein warmes Lächeln: „Wir sind hier unter uns, höfisches Benehmen zu lernen.“

„Oh, danke, Sango, willkommen auf Burg Higurashi,“ erwiderte die Fürstentochter automatisch. War das öfter so oder sollte diese junge Frau in ihrem Alter ihr einen Schutz gegen das Monster bieten, mit dem sie verheiratet werden sollte? Dazu gab es eine harmlose Frage. „Mama, ist Sango dir oder mir zugeteilt?“

Ihre Mutter lächelte. „Du hast viel um die Ohren, aber natürlich dir. Du bist heute nach der Heirat und morgen früh vor allem die Gemahlin des Daimyo, die Fürstin. Da stehen dir Hofdamen und alles zu.“

„Moment!“ keuchte Kagome entsetzt. „Heute!“

„Ja, Mitsu lässt gerade dein shiromuko aufbügeln und ich habe dir auch schon das feine weiße Tuch aus Seide gesucht, das ich zu meiner Hochzeit vom Kaiser geschenkt erhielt. Das Auge der Kaiser ruht schon so lange wohlwollend auf unserer Familie. Das Tuch ist sehr wertvoll, angeblich sogar vom Festland, und so sollst du es über dem Kopf tragen. Für mich.“

Schiere Panik. „Aber heute schon Hochzeit? Sind die Dämonen etwa auch schon da?“

„Vermutlich“ erwiderte Sango, der nicht entging, dass sich die Braut alles andere als freute, aber da musste jede Frau durch. „Sie werden nur dem kaiserlichen Tross den Vortritt gelassen haben, ist dies doch das menschliche Kaiserreich.“

Nüchtern bleiben, nicht sich auf Argumente mit der Tochter einlassen, das brachte nichts. Kagome wusste, dass sie sich fügen musste. „Großvater wird uns Nachricht schicken, wenn die Zeremonie im Schrein losgehen soll, dann müssen wir uns in die offiziellen Gewänder werfen. Mitsu hilft mir. Sango, kannst du Kagome mit dem Brautkleid helfen?“

„Ja.“ Die Jägerin schien amüsiert. „Ich habe das schon öfter getan. Auch mein Volk heiratet.“

„Gut. Und vergiss nicht, Kagome, dass du dich nach der Trauung wieder her begeben musst um das shiromuko wieder auszuziehen und ein Kleid in den Farben deiner neuen Familie anzuziehen, Soweit ich weiß hat der Westen rot und weiß.“

Stolz bäumte sich auf. „Oh nein, Aois Farbe ist grün! Da werde ich ganz und gar nicht darauf verzichten.“

Die arme Mutter seufzte. „Kind, jemand wird dir dieses Gewand als persönliches Geschenk des Bräutigams geben – es wäre extrem beleidigend für den Fürsten des Westens und auch seinen Sohn, würdest du dich weigern ihre Farben zu tragen.“

Oh ja, bitte, sollten sie doch beleidigt nach Hause abreisen, dann würde wenigstens die Hochzeit nie stattfinden. Ja. Und dann würden sie ihre Krieger aufrufen und in das Kaiserreich einfallen und der Kaiserliche Rat hätte ebenso wie der Göttliche Kaiser höchstselbst nur eine Schuldige an dem ersten Krieg seit zweihundert Jahren zu benennen.

Ihre Mutter lächelte begütigend. „Übrigens irrst du dich: grün ist nur deswegen die Farbe von Aoi, weil unsere Familie es so lange als Provinz beherrscht. Grün ist die Farbe des Higurashi-Clans. Und du bist dann kein Mitglied dieser Familie mehr. “

Trotz aller emotionalen Aufgewühltheit zog die widerwillige Braut einen unangenehmen, aber logischen, Schluss. „Das heißt, auch die Farben des Militärs, die Standarten, werden geändert?“

„Ja, ich denke, das wird notwendig werden. - Jetzt geht ihr beiden, damit wir alle fertig sind, wenn wir gerufen werden. Die Trauung findet im Schrein statt.“

 

In ihrem Zimmer ging Kagome ruhelos eine Weile auf und ab, bis ihr auffiel, dass die Dämonenjägerin schlicht da stand, ruhig, gelassen und schweigsam. Sollte sie … Nun, was sollte es. Im ärgsten Fall würde sie sich blamieren, und das immer noch der Aufregung vor der Hochzeit zuschreiben können, im besten Fall bekam sie eine Erklärung. „Wie lautet deine Anweisung? Sollst du mich etwa vor dem Halbdämon beschützen?“

Sango schien mehr als erstaunt, sagte dann aber: „Oh, du meinst, weil Dämonenjäger oder so?“ Und da Kagome nickte. „Du weißt wenig über Dämonen, oder? Wir jagen Wurmdämonen, dumme, aber verfressene, Geschöpfe, die sich an Menschen vergreifen. Daimyo oder auch der Kaiserliche Rat setzen uns dafür ein. Ein Dämonenfürst oder auch dessen Familie – das ist eine ganz andere Liga, Kagome, Kagome-sama.“ Trotz aller Freundlichkeit, das war immer noch eine Fürstentochter, morgen die Gemahlin eines Daimyo. „Das ist ein größerer Unterschied als, naja, einem Wurmdämon und einem Regenwurm. Und der Inu no Taishou gilt als einer der mächtigsten Dämonenherren. Darum waren ja wohl damals auch alle erstaunt, dass er, um den Nichtangriffspakt mit dem Kaiserreich zu bestätigen, eine kaiserliche Prinzessin geheiratet hat. Das ist dann wohl Inu Yashas Mutter gewesen?“

„Du weißt viel. Naja, Fürstentöchter sollen ja nichts wissen.“ Zum Glück sahen das Großvater und Mama anders. „Inu Yashas Mutter ….“ Seltsam, wie das klang, aber sie hatte den Namen eigentlich noch nie ausgesprochen. „Ist sie schon lange tot?“

„Vermutlich. Ich meine, es ist zweihundert Jahre her, solange lebt doch kein Mensch.“

Kagomes Mund war trocken. „Ich soll einen zweihundertjährigen Mann heiraten?“ Was konnte denn noch schlimmer werden?

„Dämonen, zumal dieser Klasse, altern anders. Wie das bei Halbdämonen ist, weiß ich nicht.“

„Entschuldige, Sango, setz dich doch. Und lass bitte, dieses – sama.“ Eri würde sie dann morgen auch verlassen. Ja, die Freundin war heute auch nicht erschienen, packte wohl mit ihrer Mutter ihre Habseligkeiten zusammen. Vielleicht fand sie hier, wennschon keinen Ersatz, so doch Trost?

Da sie so freundschaftlich behandelt wurde, schaltete die Dämonenjägerin in den ihr vertrauten Wortlaut von daheim. „Nein, wir müssen dich umziehen. Sobald draußen die Geschenke der Familien ausgetauscht sind, wirst du in den Schrein gerufen. Also, zieh dich aus und um.“

„Wirst du nach dem Tod deines Vaters die Leiterin der Dämonenjäger?“ Aber Kagome begann ihren Gürtel zu lösen, von ihren Kindheitsfreundinnen durchaus gewohnt daran, dass sie ihre Pflichten gern vergaß und erinnert werden musste.

„Nein, Kohaku, mein kleiner Bruder. Ich werde heiraten, vermutlich einen Dämonenjäger.“

„Und, warum dann die Ausbildung?“

„Jeder unseres Volkes lernt kämpfen. Und ich bin eine der Besten.“ Die einzige Frau unter den Männern.

 

Inu Yasha, der, natürlich den höfischen Schritt zurück, neben seinem Vater ging, betrachtete neugierig Aoi, die Provinz, die er von nun an führen, ja, regieren und verteidigen sollte. Nun, korrekt erst nach der Heirat, aber das war Formsache. Kagome hatte da sicher ebenso wenig zu sagen wie er selbst, eher noch weniger, war sie doch ein Mädchen. Und er hatte noch immer keine Ahnung, wie er sie beruhigen sollte in der Hochzeitsnacht, wie Vater das gesagt hatte. Nun ja, hoffentlich wäre sie wenigstens hübsch und so sanft wie Mama.

Da vorne lag die große Kreuzung, die man bereits oben von der Passhöhe aus gesehen hatte, kurz dahinter eine, ja, Stadt. Im Westen gab es nur Dörfer, aber das war eindeutig größer. Noch weiter im Hintergrund erhoben sich die dicht bewaldeten grünen Wälder, die erklärten, warum die Haupteinnahmen in Aoi aus dem Zwischenhandel und dem Holzverkauf stammten. An der Kreuzung befand sich ein größeres, ummauertes Geviert, aus dem ein hölzerner Turm aufragte. Er wollte schon fragen, was das sei, als eine Handbewegung des Hundefürsten einen Boten von hinten heraneilen ließ

„Sage den Zollwächtern, dass es sich um mich und den künftigen Daimyo handeln, mit Geschenken für den Göttlichen Kaiser und die Familie Higurashi.“ Da der Dämon sofort voranlief, sah der Taishou zu seinem Sohn. „Die wichtigste Zollstation der ganzen Provinz. Natürlich bezahlst du keinen.“

Wieder etwas gelernt, dachte Inu Yasha, um festzustellen, dass sich Neuigkeiten offenbar wie ein Lauffeuer herumsprachen. Aus der Kleinstadt drängten sich Menschen, die sich eilig aufbauten, in ihre Richtung starrten. Nun ja, der Tross war seit der Passhöhe ja wohl deutlich zu sehen gewesen. „Sie wissen es schon?“ Er hätte doch gedacht, dass die Hochzeit noch mehr oder weniger geheim wäre.

Der Herr des Westens erlaubte sich ein Zucken eines Mundwinkels. „Sie wissen nicht, dass du der neue Daimyo sein wirst, der Zollwächter wird es ihnen dann schon verraten. Aber sie sehen zweihundert bewaffnete Dämonen selten. Neugier ist bei Menschen immer da. Zumal sie davon ausgehen, dass es keinen Überfall auf ihre Stadt geben wird.“ Vor dreihundert Jahren wären die Menschen seit der ersten Sichtung panisch schreiend in die dichten Wälder geflohen.

„Ihr habt ja diesen Nichtangriffspakt seit zweihundert Jahren.“ Ja, natürlich. Seit zweihundert Jahren herrschte hier Frieden und obwohl zweihundert Dämonenkrieger durchaus für unbewaffnete Menschen eine reale Gefahr darstellten, er brauchte sich nicht umdrehen um zu wissen wie bedrohlich so ein kleines Heer aussehen konnte, so vertrauten sie doch offenkundig Vaters Wort.

„Dort vorn biegen wir auf die Magistrale ab. Nach einer Stunde wirst du die Burg Higurashi sehen.“ Der Taishou schwieg von nun an, wie jeder Dämon, der nichts sachlich Neues mehr zu sagen hatte.

 

Nach einer Stunde entdeckte Inu Yasha links von der Magistrale die Burg und er verstand, warum Vater sie beeindruckend genannt hatte. Das hatte nichts mit den gemalten Bildern zu tun, die er in Schulstunden von Menschenburgen gesehen hatte – das war eine ganze Anlage.

Offenbar war der Hauptbau, der mit seinen geschwungenen Dächern alles überragte, auf eine Anhöhe gesetzt worden, die einzeln aus der Ebene aufstrebte. Um diesen und wohl die eigentliche, innere, Burg, zog sich ein Mauerring. Darunter, ungefähr auf der halben Höhe des Hügels lag allerdings ein zweiter Mauerring, hinter dem man Dächer kleinerer, verborgener Gebäude erkennen konnte, anscheinend bewohnt. Unten, der Fuß des Hügels, war noch einmal von einer weiten, dritten Befestigung umfasst, die aus einer Mauer und einem davor gelagerten Graben bestand. Dieser war zusätzlich mit angespitzten Holzstämmen nach außen gegen Angriffe gesichert. „Ihr hattet recht, chichi-ue, das ist beeindruckend. Sind viele Menschenburgen so gebaut?“

„Die einzige. Wir werden sicher einen Platz unten, im dritten Ring, zugewiesen bekommen. Dort befindet sich freie Fläche und Wasserbrunnen und ich müsste mich sehr irren, wenn sich dort nicht auch schon die kaiserlichen Krieger aufhalten sollten. Er war früher, in Kriegszeiten, als Fluchtburg für die umliegenden Menschen und ihr Vieh gedacht. Von dort aus führt ein Weg nach oben, zum Tor des zweiten Mauerrings. In diesem sind Vorratslager, Unterkünfte der Samurai und Werkstätten untergebracht. Und der Schrein, in dem bis vor fünfzig Jahren das shikon no tama gehütet wurde, immer von den Higurashis.“ Und warum auch immer diese Kikyou es so sorgfältig verborgen hatte. Sie musste sich etwas dabei gedacht und viel Mühe darauf verwendet haben. „Dann kommt man empor zum letzten Tor, das führt in die so genannte innere Burg, die eigentliche Burg mit dem Sitz des Daimyo und der Familie, Empfangshalle und so weiter.“

„Für Menschen sicher schwer zu erobern.“

„Diese Burg wurde nie erobert. Noch nie.“ Da er den etwas fragenden Blick seines Jüngsten durchaus richtig deutete: „Nun, ich habe es nie versucht. Es war nicht notwendig.“

Ja, klar. Der Halbdämon sah zu der Burg, die von der Straße durch eine breite Wiese getrennt wurde, sicher, um im Angriffsfall hier bereits Gegner abfangen zu können. Allerdings erschienen nun am äußersten Burgtor zwei Männer, beides Menschen, einer kahlköpfig in Rüstung. Sie waren natürlich bemerkt worden. Die ganze Burg war ja praktisch wie ein Aussichtspunkt. „Der eine ist der kaiserliche General,“ meinte er daher, durchaus etwas fragend. Er würde sich in diesen Tagen jede Menge Gesichter und Namen einprägen müssen, um einen guten ersten Eindruck zu machen und erst gar keine Zweifel aufkommen zu lassen, das hatte ihm Myouga, Vaters alter Berater, ja immer wieder gepredigt. Sonst würde er Vater das Gesicht verlieren lassen vor allen Menschen in Aoi und dem Kaiser. Unnötig auch nur zu denken, dass er das nicht wollte.

„Kasumi. Das andere ist der momentane Hausherr, Higurashi, der hoshi, der eigentlich den Schrein hütet.“

„Wäre es nicht höflich Gäste auch im Empfangsaal zu empfangen?“

„Gäste, schon, aber du bist der künftige Daimyo und Herr. Und so ziemt es sich dich auch entsprechend zu empfangen.“ Überdies, aber das wollte er dem sowieso schon recht nervösen Jungen nicht sagen, wollten bei beiden Menschenmänner wohl verhindern, dass Dämonenkrieger weiter als bis zum dritten Ring in die Burg vordrangen und sie höflich eben in den dritten platzieren.

 

Kasumi und Großvater Higurashi erwarteten den Tross nebeneinander. Leise meinte der alte Mann: „Das ist eine ganze Armee. Gewiss an die zweihundert Krieger.“

„Durchaus nicht alles, was dem Herrn des Westens zur Verfügung steht,“ erwiderte der General sachlich. „Meine einhundertfünfzig Krieger sind ja auch nicht alles, was der Göttliche Kaiser selbst ohne die Truppen der Daimyo aufbieten könnte.“ Jeder Daimyo verfügte über dreihundert berufsmäßige Krieger und durfte im Notfall die Bevölkerung als Miliz aufrufen. Entsprechend standen dem Kaiser allein aus der ihm zustehenden Provinz der Residenz dreihundert Männer zu, plus Miliz plus die dreihundert Krieger der Palastgarde, auch diese ausgebildete Leute.

„Der Vorderste ist wohl der Inu no Taishou. Und das daneben dann sein Sohn, der Bräutigam.“ Nun, als Großvater war er zuerst einmal erleichtert, dass es sich um kein offensichtliches Monster handelte. Das war ein junger, recht junger, Mann sogar, nach dem Äußeren, vielleicht in Kagomes Alter, wenngleich wie der Vater mit schneeweißen Haaren. Aber bei Dämonen mochte das täuschen.

„Der künftige Daimyo. Falls es nicht noch Schwierigkeiten gibt.“

„Sicher nicht,“ erwiderte Opa Higurashi eilig, der befürchtete, dem hohen Gast seien bereits Probleme mit Kagomes Temperament zugetragen worden. „Der Befehl des Göttlichen Kaisers war ja eindeutig. Ihr habt doch auch bereits mit Souta gesprochen?“

„Ja. Er wird morgen Mittag mit uns abreisen.“ Aus dem intelligenten Jungen wurde sicher etwas werden.

Morgen mittags schon. „Dann sollte er sich heute noch rasch von Mutter und Schwester verabschieden können. Das ist doch gewiss möglich.“

„Ihr kennt die Regeln einer solchen Heirat.“

„Ja, ich sagte ja auch nur kurz.“ Eine gewisse Verabschiedung hatte es ja schon gegeben.

 

Die Dämonen waren inzwischen auf knapp hundert Meter heran, als eine Handbewegung des Taishou seine Männer samt den Lasttieren stoppte und er mit seinem Sohn weiterging.

General und hoshi verneigten sich eilig tief vor dem Fürsten, etwas weniger vor dessen Sohn. Noch war er kein Daimyo, stand im Rang niedriger.

„Willkommen auf Burg Higurashi, edler Fürst,“ grüßte der hoshi, wenngleich mit etwas zittriger Stimme. Solch ranghohen Besuch hatte diese Burg schon lange nicht mehr gesehen, denn ein selbstständiger Dämonenfürst lag über einem besuchenden Daimyo einer anderen Provinz. Nur dem Kaiser selbst standen mehr Rechte und Ehren zu.

Kasumi richtete sich etwas auf, da ihm die unwillkürliche entsprechende Handbewegung des Dämonenfürsten nicht entging, schwieg jedoch. Noch war er nicht angesprochen worden. Und das Allerletzte, was er wollte, wäre, dass sich der Taishou oder der „geliebte Cousin“ bei dem Kaiser selbst über ungeschickte oder gar unhöfliche Unterhändler beschwerten. Oder im schlimmsten Fall die Heirat für hinfällig erklärten, dann könnte er von Glück sagen würde ihm ein ehrenhafter Selbstmord erlaubt.

Der Herr der Hunde nickte leicht. „Danke für den freundlichen Empfang, hoshi Higurashi. Kasumi, ich hörte viel von Euren Fähigkeiten. - Die Lasttiere sind erschöpft. Wo können wir sie abladen?“

„Hier unten gleich, edler Fürst,“ erwiderte der hoshi eilig. Das war ein freundlicher Anfang, wirklich. „Nach dem Tor links. Dort werden auch Eure Krieger Wasser und Feuerstellen finden. Rechts neben dem Tor lagert die kaiserliche Garde.“

„Natürlich. Kasumi, wie stellt sich der Göttliche Kaiser den Ablauf vor?“

Der General neigte kurz den Kopf. „Nun, selbstverständlich können Eure Tiere und Männer erst zur Ruhe finden, aber dann sollte der Austausch der Geschenke stattfinden, danach soll die Heirat durch den hoshi Higurashi als Oberhaupt der Familie vollzogen werden. Danach gibt es eine kleinen … intimen Empfang zum Abendessen in der Halle, ehe der Bräutigam, Inu Yasha-sama, in seine neuen Räume geleitet wird. Kurz danach wird dort auch die Braut eintreffen. Wenn am folgenden Morgen alles ….nun, in Ordnung ist, werde ich für meinen Göttlichen Gebieter und Ihr den Bündnisvertrag unterschrieben und der neue Daimyo den Treueschwur leisten.“

 

Moment, Moment, was? Es war nur die harte dämonische Schule, die Inu Yasha davon abhielt damit herauszuplatzen. Da musste er bei Vater doch wirklich noch einmal nachfragen, was damit gemeint war. Doch nicht das, was er glaubte, das damit gesagt sei? Und, bitte nicht rot werden. Letzterer Wunsch blieb ungehört.

Allerdings achtete auch niemand auf ihn, da sein Vater antwortete: „Damit wäre ich einverstanden, nur, gibt es einen Raum, in dem sich Inu Yasha entsprechend den Sitten zur Trauung umziehen kann?“

„Oh, ja, natürlich.“ Das momentane Oberhaupt der Familie Higurashi war froh, dass sich die Dämonen an die menschlichen Sitten halten wollten. „Wenn ich Euch zwei dann, nach dem Austausch der Geschenke weiter empor bitten darf….“

 
 

Zwangsheirat Teil 2


 

K

agome schluckte, als sie an sich herabsah. Das weiße Brautkleid, das demonstrieren sollte, dass sie augenblicklich weder ihrer Herkunftsfamilie noch der neuen zugehörig war, war schon schlimm genug. Jetzt aber brachte Mitsu auch noch ein eingewickeltes Päckchen.

„Das wurde abgegeben, das Geschenk des Bräutigams.“

„Mama,“ brachte die mehr als unwillige Braut heraus.

Fürstin Higurashi nahm es. „Es ist schon in Seide gewickelt, oh, natürlich. Im Westen gibt es dämonische Spinnen, die Seide produzieren. Und nur dort. Das muss unglaublich wertvoll sein. Ja, wie ich es mir dachte. Ein zweilagiger Kimono, der untere ganz in rot, der obere in weiß, an den Ärmeln und dem Kragen bestickt in rot. Das müssen die Hausfarben sein. Und alles aus Spinnenseide. Sieh nur….“

„Ich kann diese Begeisterung nicht ganz nachvollziehen,“ murmelte Kagome. Sie hätte das alles schrecklich gern abgegeben, an jemanden, der verrückt genug wäre sich diese Nacht in das Bett eines Dämons zu legen!

Sango strich behutsam darüber. „Unglaublich feiner Stoff. Und ich hörte, dass diese Seide auch eine besondere Fähigkeit habe – sie könne sich sozusagen selbst reparieren. Davon gibt es außerhalb des Westens sicher kaum etwas, womöglich am Kaiserhof.“

„Verzeihung,“ drängte Mitsu, die sich das als Freundin der nun ehemaligen Hausherrin doch erlaubte. „Hier, legt das weiße Tuch über den Kopf. Die Herren gehen bereits empor zum Schrein. Wir müssen los.“

Kagome überlief ein Zittern, aber ihr war klar, dass sie keine Wahl hatte. So ließ sie sich das Tuch auflegen, bat jedoch: „Mama, Sango, nehmt ihr meine Hände?“ Das letzte, karge, Stückchen Trost, das ihr momentan noch blieb.

 

Natürlich kannte sie den Weg durch das Tor hinunter zum Schrein, aber sie konnte sich nicht entsinnen, dass ihr je so viele Menschen dabei zugesehen hatten. Die halbe Burg war ja da, oder eher noch mehr, und als sie vorsichtig einmal aufschielte erkannte sie auch dämonische Krieger. Nichts, was ihre Angst gemildert hätte.

Erst, als sie die Ebene des zweiten Vorhofes erreichten, sah sie doch neugierig einmal auf. Vier Männer standen vor dem Schrein, Opa, natürlich, ein glatzköpfiger Mann in Rüstung, sicher der kaiserliche General, ein anderer Mann in Rüstung mit weißen Haaren und seltsamen Fellen über den Schultern - und ihr Bräutigam. Sie starrte eilig wieder zu Boden. Er trug schwarz, wie es nun einmal die Kleidung eines Bräutigams war, und er schien nicht so alt auszusehen. Immerhin etwas. Aber er hatte ebenso lange, weiße Haare wie der Kerl neben ihm. Oh, das musste dann der Vater sein, der Dämonenfürst des Westens. Als sie näher geführt wurde und noch immer fast verbissen den Sand vor sich anstarrte, kamen ihr die Füße der vor ihr Stehenden in das Blickfeld. Drei mal schwarze Schuhe, einmal, unter den langen schwarzen Hosen, bloße Füße mit Krallen…

Krallen.

Sie schluckte, wollte zurückweichen und fühlte sich prompt vorwärts gezogen. Mama und Sango ließen ihr keine Flucht. Nun ja, wohin hätte sie auch lebendig fliehen können? Und, ohne ihre Liebsten mit in den Tod zu reißen? Krallen an den Füßen! Fast vorsichtig hob sie etwas den Blick. Ja, auch Krallen an den Händen. Oh, warum nur, warum, durfte sie nicht in Ohnmacht fallen?

 

Inu Yasha hatte die wie üblich komplett weiß gewandete Braut neugierig angeguckt, aber sie starrte ja nur zu Boden. War das höflich? Vermutlich. Aber er war doch mehr als neugierig. Vorhin hatte sie kurz aufgesehen und er glaubte, dass sie hübsch aussah und dunkle Augen hatte, aber das war ja nicht alles. Unter dieser Kleidung konnte er auch ihre Figur nicht ahnen. Und, war sie so sanft wie Mama? Ihre Witterung verriet jedenfalls Angst, eher Panik. Aber gewisse Furcht ziemte natürlich jeder Braut. Dennoch… Panik? Aber Vater hatte ja gesagt er solle seine verschreckte Braut beruhigen, also war das wohl einfach eben so bei diesen jungen Frauen. Nur, und diese Frage stellte sich ihm immer drängender, WIE sollte er sie beruhigen? Sekunde mal. Das Eine neben ihr war gewiss die Mutter, der Kleidung nach. Und das Andere ….das war doch eine Dämonenjägerin? Was machte die denn hier in Aoi? Die lebten doch gewöhnlich weiter im Norden in … ach, momentan fiel es ihm nicht ein, und er erkannte, dass er vermutlich ebenso aufgeregt war wie diese Kagome. Man heiratete ja auch nicht jeden Tag, band sich für Jahre, Jahrzehnte, an eine andere Person. Und, das war ihm auch klar, dass er innerhalb dieser Ehe wohl den besseren Part gezogen hatte. Er wurde Daimyo – sie musste ihm gehorchen. Und das, wo ihr Vater ja erst gestorben war, ihr Bruder weg sollte. Nun gut, er würde seinen Bruder auch nicht mehr sehen, was er persönlich durchaus als positiv empfand, aber eben auch Vater nicht, nicht den Ort, wo er aufgewachsen war, nicht Mutters Grab.

 

Noch lief alles gut, dachte der alte hoshi. „Wir gehen jetzt in den Schrein, das junge Brautpaar kann sich dann mir gegenüber setzen.“ Nebeneinander. „Das hier ist übrigens Miroku.“ Er deutete auf einen jungen Mönch, der im Schrein gewartet hatte und sich nun höflich vor den hohen Gästen verneigte. „Der Göttliche Kaiser sandte ihn zu meiner Hilfe für die Zukunft.“ Das war sehr großzügig, zumal der junge hoshi anscheinend eine ausgezeichnete Ausbildung genossen hatte – und offen zugegeben hatte, er solle lernen das shikon no tama zu bewachen, falls es je wieder auftauchen sollte. Nun ja, dachte das älteste Familienmitglied der Higurashi – er selbst würde sich das Juwel nie zutrauen, aber womöglich war diese junge Mann deutlich fähiger als er. Jedenfalls war er sehr nett und qualifiziert.

 

Inu Yasha ließ sich auf dem angedeuteten Platz auf der Matte nieder, doch den Mund trocken vor Aufregung. Hoffentlich machte er jetzt nichts falsch. Da war dieser kaiserliche General, die ranghöchsten Burgbewohner und natürlich Vater. So atmete er einmal tief durch und legte die Hände auf die Oberschenkel.

Kagome konnte nicht anders als da drauf zu starren, als sie ihre Mutter zu ihrem Platz führte und sie behutsam nach unten, neben den Halbdämon drückte. Krallen an den Händen, an den Füßen! Und, wie sah er wohl unter dem Gewand aus? Auch Fell überall? Unwillkürlich warf sie doch einen Blick seitwärts, soweit es das Seidentuch zuließ, als sie niederkniete. Und sie wäre fast zusammengezuckt. Aus den dichten weißen Haaren, die natürlich unmöglich einem Menschen gehören konnten, ragten zwei spitze Öhrchen. Spitz, tütenförmig, und sie ertappte sich dabei wie sich die wohl anfühlen würden. Nun ja genau so lange, bis ihr Blick leider nicht nur auf die Matte vor ihr fiel, sondern auch auf die bekrallte Klaue auf dem Oberschenkel neben sich. Ohren, ja, nett. Aber der Rest – grauenerregend. Ihr eigener Großvater verheiratete sie gerade mit einem Monster! Sie wusste ja, er hatte keine andere Wahl, aber sie war froh darum diese ominöse Kette aus dem Schrein… nun ja, mitgenommen zu haben. Vielleicht konnte die ihr heute Nacht einen Schutz bieten?

Dem Brautpaar entging es, alle Menschen und auch der Herr der Hunde, der schon einmal die Zeremonie über sich hatte ergehen lassen, bemerkten durchaus, dass sie geändert worden war. Auf Läuterung der Dämonen wurde ebenso verzichtet wie auf das Segnen des Tees, den die zwei Neuvermählten demnächst trinken sollten. Dafür nahm hoshi Higurashi ein langes rotes, Seidenband. „Streckt eure Hände aus.“

Kagome gehorchte ihrem Großvater, ehe sie begriff, dass das auch für den Halbdämon neben ihr gegolten hatte, und Opa beginnen wollte das Band um ihrer beiden Handgelenke zu schlingen. Instinktiv zuckte sie zurück, wollte zurück zucken, korrekterweise, denn plötzlich fand sie ihre Finger von einer Klaue umschlossen. Sie erstarrte. Es tat nicht weh, stellte sie dann mit einem gewissen doch erleichterten Seufzen fest, er hielt sie warm, fest, zu fest, um auch nur die Illusion aufkommen zu lassen sie könne sich entwinden, aber immerhin schmerzfrei …. um es Opa zu ermöglichen das Band zu legen und zu segnen.

Dieser Inu Yasha berührte sie. Nun ja, jetzt nur ihre Hand, später würde es viel näher sein, er durfte ja alles, das war ihr oft genug erklärt worden, auch, wenn sie keine Ahnung hatte, wie oder was, aber ….sie brauchte diese Kette, unbedingt, wenn er jetzt schon so unverschämt war! Sie musste sich doch schützen!

 

Der Bräutigam atmete hoffentlich unauffällig erleichtert auf. Sie hatte ihre Hand zurückziehen wollen, wahrscheinlich rein instinktiv aus Sorge vor einer Berührung – und vermutlich nicht im Mindesten geahnt, dass sie damit im wahrsten Sinn des Wortes eine Katastrophe auslösen könnte. Das wäre praktisch ihr Rücktritt von der ausgehandelten Hochzeit – eine unglaubliche Beleidigung für Vater und natürlich ihn – und der General hatte in diesem Fall sicher alle Vollmachten zu handeln. Das würde leicht nicht nur das Ende der Familie Higurashi bedeuten, sondern auch aller Menschen hier in der Burg, des Clans. Immerhin hielt sie jetzt still. Er gab sich ja auch Mühe nicht zu fest zuzudrücken, ihr nicht weh zu tun. Unter ihrer Panik lag jedenfalls ein sehr angenehmer Duft. Riechen tat sie gut. Wenn er sie nur mal richtig angucken könnte, aber, das würde vermutlich erst später gehen. Immerhin war die Witterung schon einmal positiv, bis auf ihre Angst, aber, die würde schon verschwinden. Schließlich hatte er ja nicht gerade die Absicht ihr weh zu tun.

 

Den Brautleuten wurde das Seidenband wieder abgenommen und der Halbdämon ließ Kagome auch prompt los, sicher, dass das nicht mehr nötig war. Sie war dankbar darum. Nur keine Berührung. Die hatte sie Zeit ihres Lebens außer von Mama nur von ihren Spielgefährtinnen gekannt und früher auch von Souta, inzwischen natürlich auch von ihm schon seit Jahren nicht mehr. Männer machten so etwas nicht. Warum also der Ehemann? Nun ja, weil das wohl irgendwie nötig war um den Erben zu bekommen. Irgendwie. Auf ihre Frage erst vorgestern noch, warum man Mädchen darüber nichts sage, hatte ihre Mutter gemeint, um nicht die Phantasie anzuregen. Junge Bräute sollten sich auf ihren Ehemann einstellen und fertig. Galt das auch für Ehemänner, die Monster waren? Sie sollte tun, was er wollte, aber wenn sie an die Krallen dachte, an die Fangzähne, die sich jetzt zeigten, als er den Tee aus der Schale trank, ehe er sie ihr reichte…. Die Bannkette. Sie war ihr einziger Schutz gegen das Kratzen und Beißen, da war sie sicher. Immerhin, und das rechnete sie ihm doch an, bemühte er sich deutlich, dass er ihre Finger nicht mehr berührte, als er ihr die Schale reichte. Sie trank und besiegelte damit ihr Schicksal, wie sie es empfand. Damit war hier alles abgeschlossen und sie würde sich nun umziehen müssen, in dem geschenkten Kimono mit den neuen Hausfarben beim Empfang erscheinen müssen, sich dann umziehen müssen….müssen, müssen…. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen, aber da gerade der Fürst des Westens und der General auf sie zukamen um ihr, oder eher, ihrem Ehemann zu gratulieren, blieb ihr nur eine hastige, höfliche Verneigung.

 

Als Mutter und Sango Kagome beim Umziehen halfen, meinte die Dämonenjägerin: „Inu Yasha scheint mitzudenken.“

„Was?“ entfuhr es der unwilligen Braut, die außer den netten Öhrchen wirklich nichts Positives an dem Monster erkennen konnte, mit dem sie nun verheiratet war.

„Ich hoffe, es ist niemandem aufgefallen,“ erklärte ihre Mutter. „Sango und ich haben dich natürlich im Auge behalten. Du wolltest, als Großvater das Band um euch schlingen wollte, deine Hand zurückziehen.“

Ja, das hatte sie gewollt. „Und er hat mich festgehalten!“ fauchte Kagome.

„Den Göttern sei Dank. Verstehst du immer noch nicht? Du bist wohl viel zu aufgeregt. Hättest du die Hand zurückgezogen, hättest du diese Heirat verneint und damit aufgehoben. Was das dann bedeutet hätte, sollte dir klar sein.“ Ihre Mutter klang allerdings wie immer verständnisvoll. „Das wolltest du natürlich nicht, aber er hat das sehr unauffällig, hoffe ich, gelöst.“

„Er will ja Daimyo werden,“ erklärte Kagome bitter.

Sango band den Obi fest. „Das könnte er auch, wenn der General und der Herr des Westens wegen Beleidigung des Göttlichen Kaisers und des Fürsten hier ein Massaker veranstaltet hätten.“

„Ihr meint wirklich, ich soll ihm auch noch dankbar dafür sein, dass er mich angefasst hat …“ Kagome brach ab. Ja, das sollte sie wohl. Immerhin hatte er ein Massaker, wie es die Dämonenjägerin so nüchtern sagte, verhindert. Und, dessen musste sie sich bewusst sein, er würde sie heute noch mehr als nur an der Hand berühren. Sie sah an sich herab. Rot und weiß hatte sie nie zuvor getragen und diese Spinnenseide schien recht leicht zu sein. Sehr fein und, vermutlich hatte Mama recht, kostbar. „Was passiert jetzt? Dieser Empfang?“

„Ja, du sitzt natürlich neben deinem Ehemann, ich sitze gleich neben dir,“ meinte ihre Mutter. „Rechts sitzen die Männer nach der Rangfolge, das heißt vermutlich doch der Fürst neben dem Daimyo, links wir dann….“

„Ich habe keinen Hunger.“

„Natürlich. Aber du solltest etwas trinken oder so. Das ist nur höflich. Du bist die Gastgeberin.“

„Ach, Mama...das ist doch deine Stellung.“

„Das war sie, Liebes. Und jetzt lächle dann. Du solltest weder deinen Ehemann noch deinen Rang bloß stellen.“

 

So fand sich Kagome nur Minuten später in der großen Halle an der Seite ihres Bräutigams wieder. Immerhin war Mama neben ihr, das bot Trost, als sie erneut die Klauen betrachtete, die er so absichtslos, ja, harmlos, auf seine Oberschenkel gelegt hatte. Er musterte sie, sah dann aber wieder nach rechts zu seinem Vater und dem General, der ihm wohl eben eine Frage gestellt hatte. Sie war nur froh, dass sie nicht mehr diesen gelben Augen ausgesetzt war und atmete etwas auf, ehe sie zu ihrer Mutter blickte, dann die Gäste betrachtete. Es gab reichlich zu essen und zu trinken. Opa hatte vermutlich Küche und Keller angewiesen alles aufzutragen was es gab. In der Praxis wollte sich die Familie nicht blamieren. Ihre ehemalige Familie. Das tat so weh. Aber natürlich war es besser hier bleiben zu können, bei Mama und Opa, als in irgendeine andere Provinz verheiratet zu werden. Nur, der Preis war eben, dass sie dieses Monster da dulden musste, dem gehorsam sein musste. Irgendwie bedauerte sie es gerade aufrichtig, dass sie bei der Reise mit ihrem Vater versucht hatte interessierte Fürstensöhne abzuschrecken.

 

Inu Yasha sah zu seiner neu angetrauten Ehefrau. Sie war hübsch, fand er, und sie roch wirklich gut. Ihre schwarzen Haare waren recht kurz geschnitten und wirkten ein wenig widerspenstig – jedenfalls hatte sie keine Nadeln drin stecken. Sie war noch immer sehr aufgeregt, ja, ängstlich. Vermutlich sollte er sie jetzt beruhigen, wie es Vater gemeint hatte? „Kagome.“

Sie zuckte zusammen. Es war das erste Mal, dass ihr Ehemann sie ansprach und sie musste sich zwingen zu ihm zu gucken. Immerhin klang die Stimme … ja, menschlich. Ach ja, seine Mutter war ja ein Mensch gewesen. Sein weißes Haar hing ihm dicht über die Stirn, bis zu den dunklen, auffälligen Augenbrauen, die sich über diese gelben Augen wölbten… Sie blickte hastig auf ihren Schoß. „Ja?“ zwang sie sich zu sagen. Wie sollte sie ihn eigentlich anreden?

„Möchtest du nichts trinken oder essen?“

„Äh, nein, danke.“ Das war vermutlich nett gemeint, dachte sie. Oder eher, er wollte sie für was auch immer in guter Verfassung haben. Ja, natürlich, das musste es sein. Er war doch ein Monster! Sie musste höflich bleiben. „Ihr ...Ihr nehmt ja auch nichts zu Euch.“

Oh, dachte Inu Yasha. War das etwa unter Menschen so, dass die Ehefrau nichts trinken durfte, wenn der Mann nicht auch …? Er hatte ja relativ wenig Ahnung von menschlichen Sitten diesbezüglich. Vater nahm nie Menschennahrung zu sich und hatte das logischerweise auch nie bei Mutter getan, obwohl er manchmal sichtlich entspannt zugesehen hatte wie Mama Tee zubereitete. Aber den hatten dann nur sie und eben er selbst als Sohn bekommen. Nicht, dass es ihm geschmeckt hätte, aber Mama hatte sich solche Mühe gegeben. „Kein Problem.“ Es war die lebenslange Übung eines Fürstensohnes, der beiläufige Wink, der gleich zwei Diener heraneilen ließ. „Wasser für mich,“ befahl er. „Und, Kagome?“

„Auch.“ Kaum mehr als ein Flüstern.

„Wie freundlich, Inu Yasha-sama,“ warf ihre Mutter von ihrer linken Seite ein, damit ihrer sichtlich aufgeregten Tochter auch die Anrede signalisierend.

Ja, dachte Kagome sarkastisch, wie überaus freundlich über die Vorräte ihrer Familie zu bestimmen. Die ja nicht mehr die ihre war, und es waren jetzt SEINE Vorräte. Nur, für was wollte er sie so vorbereiten? Diese Bannkette. Hoffentlich kam sie noch einmal in ihr Zimmer und konnte ihre einzige Sicherung unauffällig mit sich nehmen.

 

Der Inu no Taishou hatte den Dialog mitbekommen Ja, die Braut war aufgeregt, aber sein Junge gab sich Mühe sie zu beruhigen. Das würde schon eine gute Ehe werden, sobald das Mädchen, oder eher die junge Frau, festgestellt hatte, dass sie es deutlich schlimmer hätte treffen können, selbst mit einem Menschen. Und dann wäre auch sein Sohn zufrieden. Wichtig war nur, dass der geplante, zeremonielle Ablauf ohne Irritationen stattfinden konnte, er selbst und auch der General spätestens zu Mittag mit ihren Kriegern abreisen konnten. An die Alternative dachte er nur sehr ungern.

 

Ein Mann mit Brustpanzer, aber natürlich hier unbewaffnet, verneigte sich höflich vor dem neuen Daimyo, dem Fürsten des Westens und dem General, eher er sich niederkniete und rasch zu dem bisherigen Hausherrn sah. Hoshi Higurashi begriff. „Das ist Burgvogt Kagawa, Inu Yasha-sama.“

Und als solcher zuständig für die komplette Organisation der Burg, inklusive derer Verteidigung. Der Halbdämon seufzte unhörbar. Ging das jetzt schon los mit der Pflicht? Aber er winkte. „Rede, Kagawa.“ Kagome schien sehr erstaunt.

„Wärt Ihr so freundlich morgen Eure Berater und meine Wenigkeit bereits zu empfangen?“ Dann müssten sich besagte Berater, die hier als höchste Beamte mit in der Runde saßen, noch die halbe Nacht um die Ohren schlagen um alles vorzubereiten.

Inu Yasha hätte zwar liebend gern aufgejault, verbot sich das aber unter den Augen seiner neuen Frau, seiner neuen Untertanen und vor allem Vaters Ohren. Chichi-ue hatte ihm das hier zugetraut, jetzt musste er sich beweisen. Denn, da irrte er sich sicher nicht, das war ein kleiner Test. Nur, wenn er eines in den letzten Jahrhunderten von seinem Vater gelernt hatte, war es dessen Fähigkeit zur Organisation. „In der Tat. Sobald morgen unsere Gäste abgereist sind, wirst du mir die Burg zeigen. Danach Empfang für alle Berater zur Vorstellung, danach jeder einzeln eine Stunde mit den wichtigsten aufgelaufenen Themen.“ Hoffentlich hatte Fürst Higurashi nicht zwanzig Berater gehabt, sonst würde das ein langer Tag werden – und er würde zusehen müssen, dass er die Hälfte mindestens los wurde. Vater hatte nur Myouga – und natürlich Hauptleute für das Militär und einen Schlossverwalter.

Der Burgvogt verneigte sich. „Es sind mit meiner Wenigkeit fünf Berater.“ Da die Gäste gegen Mittag abreisen sollten, wäre mit der Burgbesichtigung und den fünf Stunden der Tag schon einmal gut ausgefüllt. Und, dass der neue Daimyo jeden Berater einzeln sprechen wollte und nur eine Stunde war mit Sicherheit ein kleiner Test, wie fähig sie waren – und welche Prioritäten sie setzen konnten. „Inu Yasha-dono.“

Der so Angesprochene war für einen Moment irritiert, ehe er sich daran erinnerte, dass -sama eine sehr, sehr höfliche Anrede war, -dono jedoch eine sehr höfliche Respektsanrede für Ranghöhere, die ihm jetzt hier wohl zustand, außerhalb der Familie, anscheinend. Wieder was gelernt. Vater wurde zuhause anders angesprochen, aber es gab eben einen Unterschied zwischen einem selbstständigen Dämonenfürsten und einem menschlichen Daimyo. „Du darfst gehen. Du hast sicher noch einige Verpflichtungen.“

Kagawa neigte sich noch einmal, ehe er aufstand. Ja, das hatten sich alle Berater hier fast schon gedacht – das war ein Fürstensohn und ausgebildet. Mal sehen, wie der sich morgen schlug, aber grundsätzlich, Halbdämon hin oder her, war es besser jemanden zugeteilt bekommen zu haben, der Ahnung von Verwaltung und sicher auch Militär hatte, das bewies ja schon der Trupp aus fünfzig Dämonenkriegern, die ihm mitgegeben worden waren. Hauptmann Nimaki hatte mit dem Anführer bereits gesprochen, Waffenmeister Toyomaru, oder so, und gemeint, diese Krieger seien mit Zustimmung des Göttlichen Kaisers seinem „geliebten Cousin“ zugeteilt worden, um den Bündnisvertrag zwischen dem Westen und dem Kaiserreich zu dokumentieren. Nun, dazu müsste der Vertrag morgen nur noch unterschrieben werden. Und Inu Yasha machte zugegeben nicht den Eindruck bei der wichtigsten Qualifikation eines Ehemannes zu versagen.
 

Hochzeitsnacht


 

Z

urück im Frauentrakt stellte Kagome fest, dass dort Souta und Eri warteten, zum allerletzten Mal. Sie konnte beide umarmen, ehe Mama sagte: „Du musst dich umziehen, Kind, komm. Sie werden Inu Yasha-sama schon in seine neuen Räume führen.“

„Eri, Souta….“ flüsterte die unglückliche Braut. „Ich wünsche euch beiden von Herzen eine gute Reise und viel Glück in Heiyokyo.“

„Dir auch, Schwester.“ Souta ließ sich nur unwillig an sie drücken, aber es war das letzte Mal und sie weinte. „Der General sagte mir, dass mich der Kaiserliche Rat sehen wolle und danach einteilen werde, in welchem Bereich ich lernen solle. Ich werde schon gut behandelt werden.“ Und keine Verantwortung tragen müssen wie ein Daimyo oder Militär. Er lernte gerne, aber er hatte in seinem Leben als Thronfolger schon festgestellt, dass es sich in der zweiten Reihe der Politik deutlich ruhiger lebte.

„Das wird schon,“ behauptete Eri zuversichtlich. „Ich weiß ja, ich muss mich an meinen Ehemann anpassen, dann wird alles gut. Solltest du übrigens auch versuchen, Kagome.“ Sie lächelte etwas.

 

Keine zwei Minuten später stand Kagome mit ihrer Mutter und Sango allein in ihrem Zimmer und weinte. „Sie sind weg …“

„Ja.“ Die Dämonenjägerin sah das nüchterner, als sie das Kissen des Kimono abband. „Aber, stell dir vor, du wärst in eine andere Provinz gegangen, dann würdest du sie auch nie wiedersehen. Und wärst ganz allein unter Fremden. Jetzt ist doch deine Mutter, dein Opa, hier.“

Das mochte ja alles stimmen, aber … Mit neuem Schrecken erkannte Kagome, was ihre Mutter da in weiß in der Hand hielt. „Das ist nicht dein Ernst! Mama, ich gehe doch nicht in einem einfachen Yukata da rüber!“

Der Frauentrakt und der Trakt des Hausherrn wurden nur durch einen Absatz des Treppenhauses getrennt, in dem vor jedem Trakt zwei Wachen standen, die neugierige oder verirrte Besucher, rasch wieder hinunter in die offiziellen Räume schickten.

„Kniekurz und so ….einfach.“

„Und leicht zu ausziehen,“ erklärte Frau Higurashi milde. „Du wirst das nach einem so langen Tag kaum allein hinbekommen wollen und du kannst nicht erwarten, dass dein Ehemann dir beim Auskleiden hilft. Nadeln oder so hast du ja sowieso nicht stecken. Aber du siehst verweint aus. Sango, hole doch feuchte Tücher und einen Kamm. Sie soll doch hübsch sein.“

Sie WAR hübsch, dachte Kagome wütend, die ihren Plan gerade scheitern sah. In einem Kimono hätte sie die Bannkette in die Ärmeltasche schieben können, aber ein einfaches Baumwollgewand besaß keine. Erst, als sie den Yukata umgebunden hatte, erkannte sie eine Chance und zwang sich zur Ruhe. „Sango, hole mir doch bitte noch einmal feuchte Tücher. Mama, kannst du den Wachen sagen, sie sollen… naja, woanders hingucken?“

Die Dämonenjägerin verschwand prompt und ihre Mutter nickte. „Ich werde es versuchen.“ Immerhin war sie in diesem Schloss geboren und kannte alle hier, auch, wenn sie natürlich keinerlei Befehlsgewalt über die Krieger hatte. „Ich werde dich auch bis zur Tür begleiten. Beruhige dich.“

Kaum, dass Kagome allein war, lief sie zu ihrem Bett, wo sie unter ihrer Decke die Bannkette verborgen hatte und schob sie eilig tief in ihren Ausschnitt. Hoffentlich würde die nicht durchrutschen, das gäbe doch wohl Nachfragen. Immerhin hatte sie sie ohne Erlaubnis aus dem Schrein genommen, das war etwas, was Großvater nun gar nicht leiden mochte.

 

Inu Yasha stand in seinem neuen Zimmer. Er hatte es rasch vorgeführt bekommen, aber jetzt war er allein, zumindest vorerst, und atmete tief durch. Den gesamten Tag war er unter Beobachtung gestanden, jede Geste, jedes Wort hatte er auf die Goldwaage legen müssen – hoffentlich wurde das besser, wenn erst einmal Vater und dieser General weg waren und er tatsächlich der Hausherr. Er sah sich noch einmal um. Da drüben war ein winziges abgetrenntes Kabinett, das nicht nur einen privaten Abort, sondern auch einen größeren Trog mit Wasser und daneben Handtüchern enthielt. Neugierig hatte er hinab gesehen und bemerkt, dass es dort tief hinunter ging, außerhalb der Burg. Wer auch immer die gebaut hatte, hatte sich etwas dabei gedacht. Sein eigentliches Zimmer war zumindest für diese Burg wohl recht groß und nur von einer Pfanne mit Kohlenfeuer erhellt. Der Boden war aus Stein, vermutlich wie hier fast alle, die er bislang gesehen hatte, um die Brandgefahr zu mindern, der viele Schlösser unterlagen, wie viel mehr eine Burg, die belagert werden konnte. Auf einer Seite stand ein sehr neu aussehendes Schreibpult mit Kissen, Tinte, Feder und Papier, etwas abgeschirmt durch eine Stellwand auf Papier, die Kraniche zeigte, auf der anderen Seite war auf einem Rechteck von Tatamimatten eine große Decke und tatsächlich auch Kissen hingelegt worden. Das sollte wohl die Ruhestatt sein. Er musste ja selten schlafen, aber ihm war klar, was von ihm jetzt erwartet wurde.

Und, das konnte wirklich peinlich werden. Vater hatte gesagt, er solle seine aufgeregte Braut beruhigen. Aufgeregt war sie, fast panisch, nur hatte er nicht die mindeste Ahnung wie er eine Menschenfrau diesbezüglich beruhigen sollte. Wesen dieser Art hatte er seit dem Tod seiner Mutter zwar gesehen, aber weder mit den Putzfrauen im Schloss noch mit den Teepflückerinnen großartige Gespräche geführt, geschweige denn sie angefasst. Er wusste ja nicht einmal, ob sich diese Kagome vor ihm als Ehemann fürchtete, sich also bei einem menschlichen Mann auch so benommen hätte, oder auch einem ganzen Dämon, oder sich also gruselte, weil er eben kein Mensch und auch kein Dämon war, sondern etwas Halbes …. Und wie sollte er …. Ihm wurde heiß und er trat ans Fenster, sah durch das Holzgitter in das dunkle Land. Unbewusst zerrte er sein Oberteil aus dem Gürtel und ließ es offen hängen. Etwas kühler. Verdammt, war er aufgeregt. Lieber einen Schwertkampf, selbst gegen Sesshoumaru, als dieses Warten ohne Ahnung was zu tun sei.

Vielleicht sollte er ihr einfach sagen, dass er ihr nicht wehtun wolle? Schon, aber, wenn er dann das rein aus Versehen machte, wäre das auch nicht so toll. Warum nur hatte sie solche Angst? Sie konnte hier bleiben, in der Burg, in der sie aufgewachsen war, bei ihrer Mutter, bei ihrem Großvater. Er hatte das alles aufgeben müssen. Er hätte es noch eher verstanden, wenn sie sich so benommen hätte, wäre sie in den Westen gekommen, wie Mama einst. Aber die hatte ihm erzählt, wie freundlich Vater sie begrüßt hatte, wie er versucht hatte sie in ihre neue Stellung einzuführen. Ja, und das brauchte er selber doch nicht, oder? Kagome dürfte doch bei ihrer Mutter gesehen haben, wie es eine Fürstin, also, die Ehefrau eines Daimyo, so trieb.

Seine Ohren zuckten, als er die äußere Tür zu seinem Trakt beiseite geschoben hörte. Was es etwa soweit und er hatte noch immer nicht die mindeste Ahnung wie er das mit dem „beruhigen“ machen sollte?

Na, was sollte es. Planen war noch nie seine starke Seite gewesen. Also, einfach drauf. Und ehrlich bleiben, das würde schon gut ankommen.

 

Die Zimmertür wurde beiseite geschoben, so wandte er sich um und erkannte ein wenig befremdet, dass seine neue Ehefrau nicht allein war, sondern sich gemeinsam mit ihrer Mutter vor seiner Tür verneigte. Und das deutlich kaum, die ehemalige Fürstin korrekter.

„Vergebt, Inu Yasha-sama, ich erlaube mir Euch Eure Braut zuzuführen.“

„Danke,“ sagte der wohlerzogene Fürstensohn ohne nachzudenken. „Guten Abend, Kagome.“ So zitternd und zögernd hatte er eigentlich nur einmal eine Person gehen sehen – und da wartete auf der anderen Seite ein Block und der Henker. Ach herrje.

Immerhin wurde die Tür zugeschoben und er hörte die leisen Schritte sich entfernen. Was sollte er jetzt nur sagen. Sie starrte zu Boden, angespannt.

 

Kagome hatte bemerkt, dass er noch das Gewand des Bräutigams anhatte, aber als er sich umdrehte auch gesehen, dass er unkorrekt das Oberteil offen trug. Nun ja, es war sein Schlafzimmer, sein privatester Raum, da konnte man ihn kaum tadeln, aber…. Sie atmete tief durch. Selbst mit einem flüchtigen Blick hatte sie seine bloße Brust gesehen. Natürlich wusste sie, wie Männer so weit aussahen, sie hatte einen jüngeren Bruder und auch die Krieger trainierten oft oben ohne, aber immerhin hatte er kein Fell. Er sah fast menschlich aus, zumindest da, bis auf die Ohren und die Krallen und die Fangzähne und….was noch?

 

„Äh, magst du dich nicht setzen?“ Unwillkürlich deutete er auf die Decken und die Kissen, das war doch bestimmt bequemer als die schlichte Matte.

 

Unglücklicherweise löste das bei Kagome den nächsten Schub aus. Glaubte der Mistkerl, er könnte sie einfach mit einem Befehl und einer Handbewegung in sein Bett scheuchen? Sie musste ihm die Kette überwerfen, das musste sie, ja. Er würde sie kratzen, denn sie hatte allein bei dieser Handbewegung wieder die Krallen gesehen, beim Reden Fangzähne. Kratzen, beißen, zerreißen…. Nein, das würde sie nicht zulassen!

Sie hätte niemandem sagen können, woher sie die Nerven fand sich scheinbar gehorsam abzuwenden um neben das Bett zu treten. In der Zeit wandte sie ihm die Rücken zu und zog die Bannkette heraus. Hoffentlich funktionierte das. Noch im Umdrehen schleuderte sie und legte eilig die Hände aneinander betete, so, wie es Opa ihr gezeigt hatte.

Inu Yasha erkannte etwas verwirrt, wie einzelne Teile auf ihn zuschossen, ja, eine magische Welle auf ihn zurollte. Magie? Die Higurashis hatten doch gar keine ….Was sollte das denn? Instinktiv fasste er nach der Kette, die plötzlich auf Nacken und Brust lag.

„Mach Platz!“ zischte Kagome, erleichtert, dass das geklappt hatte.

 

Der verwirrte Halbdämon fühlte sich nur mehr zu Boden gezogen und prallte hart auf den Steinboden.

 

Ja, dachte sie. Es klappte. „Mach Platz! Nein, du wirst mich nicht beißen, du wirst mich nicht zerkratzen! Mach Platz!“ Sie schrie immer lauter den Befehl, verloren in ihrer Panik. Immer heftiger prallte Inu Yasha auf den Steinboden – bis ihre Stimme versagte und sie langsam wieder zu Bewusstsein kam.

Vorsichtig sah sie zu dem Monster – und ihr Jähzorn wich aus ihr, als sei sie ein voller Wassersack in den jemand ein Messer hineingestoßen hätte. Blut. Er lag auf dem Boden, das Gesicht nach unten und unter seinen weißen Haaren rann Blut auf die polierten Steine.

Sie konnte spüren, wie sich ihr Hals zuschnürte. Ihre Knie brachen unter ihr und sie war plötzlich froh um das Kissen hinter sich. Ihr war klar, was sie gerade getan hatte. Selbstschutz hin oder her. Sie hatte ihren Ehemann verletzt, ihm weh getan, allein dafür durfte er sie schlagen, alle kaum erdenklichen Strafen verhängen. Zu allem Überfluss war er aber auch noch der Daimyo und ein Attentat auf ihn wurde mit dem Tod bestraft. Mama, Opa, was hatte sie nur ihnen angetan, und sich selbst?

Zumal da unten immerhin noch sein Vater, also der Dämonenfürst des Westens, saß und der General seines Cousins, deren Krieger vor der Burg lagerten! Und sie konnte sich nicht mehr gegen ihn wehren, Monster hin oder her. Ihre Stimme versagte, und, er richtete sich auf…..!

Sie erstarrte. Er blutete aus der Nase und warf ihr einen sehr langen Blick zu. Sie streckte unwillkürlich abwehrend die Arme aus, als würde das ihn aufhalten, wenn sie den Befehl nicht mehr sagen konnte. Und selbst das würde sie nicht retten. Irgendwann war sie zu heiser, irgendwann würde er sie erwürgen…

 

Inu Yasha wischte sich mit dem Ärmel das Blut von der Nase. Das hatte durchaus weh getan, aber davon würde er sich rasch erholen. Aber, was hatte das denn gesollt? Kein Higurashi verfügte mehr über Magie?

Na, was war das denn gewesen? Vater hatte das nicht gewusst, ein Dämonenfürst log nie.

Jetzt starrte sie ihn an, ihr Herz raste. Ihre Panik, die sie zuvor gehabt hatte, war umgeschlagen in schiere Todesangst, das sagten ihm seine Augen, noch ehe die langsam frei werdenden Nase es anzeigte.

Beruhigen, hatte Vater geraten – aber, wie sollte er diese Irre beruhigen, die zwischen Angst, Wut und mächtiger Magie anscheinend hin und her schwankte ohne einmal nachzudenken? Gegen die war er ja ein Ausbund von Selbstbeherrschung und Vernunft.

Da sie anscheinend fast einen Herzinfarkt bekam, jedenfalls stolperte ihr Herz verdächtig, als er sich aufsetzte, stand er erst einmal nicht auf, sondern ließ sich auf die Fersen nieder und zog sein Oberteil aus. Nichts, was sie sonderlich beruhigte, stellte er gleich darauf fest, aber er wischte noch einmal sein Gesicht sauber, ehe er das schwarze Kleidungsstück nachlässig beiseite warf.

Tja, und jetzt? Erst einmal musste er irgendwie herausbekommen, was hier los war. Was hatte sie gemeint? Kratzen, beißen? Du liebe Güte, was dachte sie denn….? Beruhigen. Nur, wie?

 

Kagome erkannte etwas erleichtert, dass er nicht aufstand, sich nicht auf sie stürzte, sondern eher nach hinten fallen ließ, buchstäblich auf dem Hinterteil zurückrutschte zur Wand, unter dem Fenster sitzen blieb, die Beine verschränkte, die Hände locker auf die Knie gelegt. Und er sah sie nur an.

„Bitte, tu mir nicht weh!“ flüsterte sie. „Ich… ich wollte das nicht so… Bitte…“

„Ich wollte und werde dir nicht weh tun,“ sagte er prompt. „Aber, was, um aller Himmel willen, haben sie dir denn erzählt?“

Sie schluckte. Meinte er das ernst? Vermutlich, denn sonst hätte er doch schon…. Sie ließ die Hände sinken und brachte hervor: „Gar nichts, aber du hast Krallen und Fangzähne und….“

„Du hast keine Ahnung über das, was jetzt von uns erwartet wird?“ vergewisserte er sich. Da sie den Kopf schüttelte: „Na, Klasse.“

„Du bist doch ein Dämon, ein Monster….“

Er stellte sich gerade das Gesicht seines Herrn Halbbruders vor, würde den seine Braut in der Hochzeitsnacht zu Boden schicken und ihn Monster titulieren. Nun ja, das gäbe eine tote Braut, einen beleidigten Vasallen und einen netten Skandal. Bei ihm selbst gäbe es bei seinem Glück vermutlich auch noch einen japanweiten Krieg. „Auch Dämonen sind keine Monster, mal so nebenbei. Und ich bin ein Halbdämon. Meine Mutter war ein Mensch.“

Ja, und eine Kaisertochter noch dazu. Kagome kam sich immer törichter vor. Er saß da, mit bloßem Oberkörper, die Bannkette um den Hals, und unterhielt sich mit ihr, als habe er nicht das Recht ihr Ohrfeigen zu verpassen, ja, sie hinrichten zu lassen. Und er sah nur so alt aus wie sie. „Ich hatte solche Angst,“ gestand sie.

„Das war kaum zu überriechen.“ Ihr fragender Blick ließ ihn auf seine Nase tippen. „Ich bin ein halber Hundedämon.“ Oh. Moment. Gewohnt daran, dass er durchaus in einem dämonischen Fürstentum immer wieder als minderwertig angesehen wurde, weil er ein halber Mensch war, war er keineswegs auf die Idee gekommen, dass er unter Menschen praktisch als voller Dämon gewertet wurde. War das der Grund gewesen, dass Vater so auf dem Kaiser als Cousin herumgeritten war? Chichi-ue war ein brillanter Stratege, der machte bei so was keine Fehler. Er sollte das für die nächste Zeit beachten. Und erst einmal jetzt gegenüber seiner eigenen Ehefrau, die sich offensichtlich langsam beruhigte. Sie hatte noch Angst, aber ihr Herz schlug nicht mehr derart hektisch, sie zitterte nicht mehr derartig.

Sie erkannte gerade noch, dass zu gestehen, dass genau das ein Grund für ihre Panik gewesen war, einer weiteren Beleidigung gleich käme. „Ich… ich kenne dich ja nicht,“ murmelte sie.

„Ich dich ja auch nicht.“

Das stimmte natürlich, aber sie hatte gedacht, dass es ihm ziemlich gleich wäre wer da in sein Bett gelegt wurde, würde er nur Daimyo. War das etwa so, dass er sie auch forschend gemustert hatte, ob sie hübsch sei, ihm gefallen könnte? Dann könnte sie ihn vielleicht einfach mit Worten davon abhalten sie jetzt … Sie atmete tief durch um sich zu beruhigen, ehe sie allen Mut zusammennahm und versuchte in die Augen zu sehen, die ihr nachmittags so gelb erschienen waren, jetzt im Halbdunkel des Kohlefeuers golden. „Ja, ich meine, wäre es möglich, dass wir uns besser kennenlernen? Zumindest einige Zeit, ehe wir….ich meine, ehe du mich….“ Wie sollte sie das Unbekannte aussprechen. Er starrte sie förmlich an.

„Ach herrje,“ entfuhr es dem jungen Ehemann, als er begriff. Und, was jetzt? Er sah auf seine Klauen, die er noch immer auf den Oberschenkeln hatte, und umfasste seine Knie, als könnte er so Halt finden. Was jetzt? Er hatte ja bereits vermutet, dass sein Leben als Daimyo kompliziert wurde, aber schon der Beginn war eine glatte Katastrophe.

„Bitte, ich wäre wirklich, wirklich glücklich….“ Als ob einen Ehemann das Glück oder Unglück seiner Frau interessieren musste. Aber sie sagte doch: „Bitte, Inu Yasha.“

Ehrlich bleiben, dachte der so Angesprochene, der diese Anrede durchaus nett fand. Das hatte er sich doch vorgenommen. Mal sehen, ob sie gleich wieder in die Luft ging, aber Vater hatte ja gemeint, sie könnten sich anfreunden. Da gehörte Ehrlichkeit doch wohl dazu? Er selbst hatte nie einen Freund besessen. Fürstensöhne konnten sich das ebenso wenig leisten wie der Fürst selbst. Ehefrauen waren da wohl doch etwas anderes. „Das ist jetzt etwas schwierig, ich meine, ich hätte durchaus nichts dagegen, dass wir uns etwas besser kennenlernen, uns anfreunden…“ Wie sie aufatmete, nur kam jetzt das große, fatale ABER: „Sie haben dir nicht einmal das gesagt?“ Nun ja, ihm Vater auch erst auf die Nachfrage, was dieser seltsame Satz des menschlichen Generals bedeutet habe. Anscheinend waren alle davon ausgegangen, dass man das eben wusste.

Kagome starrte ihn an. Was meinte er? „Mama hat mich sicher nicht angelogen! Sie sagte mir, sie würde mir nichts über die Hochzeitsnacht erzählen, weil sich eine junge Frau immer dem eigenen Ehemann anpassen solle.“ Sie sah sein tatsächlich heiteres Grinsen. Nun ja, genau das hatte sie definitiv nicht getan. Immerhin schien er es ihr nicht nachzutragen und das war mehr, als sie noch heute Nachmittag von dem Monster erwartet hätte.

„Darum geht es ja auch nicht.“ Puh, das wurde schwierig. Immerhin redete sie jetzt mit ihm. „Aber du weißt, warum diese Heirat erfolgt ist?“

„Damit du Daimyo wirst.“

„Das ist der Nebeneffekt.“ Das also hatte sie geglaubt? Er kam, nahm ihrem Bruder den Titel und ihrer Familie die Provinz? Langsam wurde ihm klar, warum sie dermaßen sauer gewesen war. „Da gibt es den Beistandspakt zwischen meinem verehrten Vater und dem Kaiser, der dadurch besiegelt wird.“

Kagome schob sich etwas überfragt das Haar aus der Stirn. „Ja, doch. Fürstentöchtern wird wenig über Politik erzählt.“

„Dieser Pakt wird morgen früh unterschrieben. Soll er werden, sobald diese Ehe gültig ist.“ Er atmete tief durch, ehe er sich zwang sie anzusehen. Sie starrte ihn an, als ob sie beileibe nicht wusste, woraus er hinaus wollte. Dieser alte Narr von Großvater hätte es ihr wirklich sagen können! Musste er denn alles machen? „Kagome, im Morgengrauen werden mein Vater und der General in dieses Zimmer kommen. Wenn wir … wenn wir nicht unsere Pflicht getan haben, weißt du, was dann passiert?“

„Der Pakt wird nicht unterschrieben?“

Immerhin, sie war intelligent. „Sie würden den Pakt in der Luft zerreißen, ja. Und dann würde mich mein verehrter Vater fragen, ob es meine Schuld war, dass es nicht geklappt hat. Sage ich ja, wird er mir eigenhändig da unten im Hof den Kopf abschlagen, weil ich ihn vor dem Kaiser und allen Menschen sein Gesicht verlieren ließ.“

„Dein eigener Vater….?“ Aber Kagome wusste, dass das üblich war. Bei so etwas verstand kein Regent Spaß. Da hing die eigene Macht dran. Das Leben im ersten Rang bot Vorteile – aber auch immer das tödliche Risiko.

„Und, Kagome, weißt du auch, was der General dann mit dir und deiner Familie macht? - Wenn wir das nicht durchziehen, heute, stirbt morgen mindestens einer von uns.“ Er atmete erneut durch. „Wenn wir unter uns sind, lernen wir uns besser kennen, ja?“

„Du meinst, wir müssen heute… hier und jetzt?“ Sie brauchte sein Nicken gar nicht abzuwarten. Und nein, das war kein Umweg sie ins Bett zu bekommen. Er hätte nur aufstehen müssen und zu ihr gehen. „Und dann, wenn sie weg sind ….nicht mehr? Versprichst du mir das, dass wir uns besser kennen lernen? Ich meine, ich weiß ja nicht einmal, was ich machen soll. Klar, du bis ein Junge, ein Mann, du wirst das schon oft durchgezogen haben, aber… ich habe da einfach Angst.“ Sie brach ab, da sie trotz des herrschenden Halbdunkels sehen konnte, dass der Halbdämon feuerrot geworden war.

Die Erklärung folgte ein wenig schüchtern. „Das ist ja durchaus ein Problem. Ich meine, ich habe noch nie….“

„Was?“ entfuhr es ihr. „Wir haben beide keine Ahnung, aber sollen…“ Na, toll. Ging das etwa allen Ehepaaren so und deswegen wollte da niemand drüber reden?

Inu Yasha schluckte. „Naja, ich meine, ich weiß es immerhin in der Theorie.“ Und er vermutete schwer er würde sich schrecklich blamieren. Beim ersten Mal machte man doch in allen Disziplinen Fehler.

 

Kagome begriff plötzlich ihren ganzen, fatalen, Irrtum. Das da war ein Junge, umgerechnet so alt wie sie, der sie auf Befehl hatte heiraten müssen. Ebenso wenig wie sie war er gefragt worden, er hatte Vater, Bruder, ja, seine Heimat verlassen müssen, was ihr umgedreht soweit erspart geblieben war. Vermutlich hatte er ebenso wenig eine Ahnung was er als Daimyo machen sollte. Nun gut, er war immerhin ein Fürstensohn. Aber da lauerte auf sie beide buchstäblich das Schwert am Morgen, wenn sie das nicht hinbekamen. Inu Yasha war ebenso das Opfer wie sie selbst und ihr angeborener Gerechtigkeitssinn trieb sie zu einer gewissen Wiedergutmachung trotz der einen Angst. „Dann müssen wir das wohl so machen,“ brachte sie hervor. „Was müssen wir als erstes tun?“

„Äh, naja, man zieht sich aus.“

Ja, das hatte Mama ja auch gemeint, deswegen den Yukata. Aber sie bat doch: „Kannst du wenigstens die Feuerschale ausmachen?“ Sie sah erstaunt, dass er aufstand, jedoch nicht zu ihr kam, sondern von weiter hinten etwas Rotes aufnahm und über die Schale warf. Es wurde sofort dunkel. Normalerweise brannte Kleidung doch? „Was ist das?“ fragte sie.

„Kleidung aus dem Haar von Feuerratten. Mein Vater jagte sie einst.“

„Feuerratten? Davon hörte ich nie. Sie scheinen wirklich feuerfest zu sein…“ Reden, beschwor sie sich, als sie mit zitternder Hand ihren Gürtel löste, dann nach der Decke tastete, um sie sich um zu schlingen und dann erst den Yukata auszuziehen.

Inu Yasha konnte sie auch in diesem vagen Licht sehen, aber er hütete sich ihr das zu sagen. Nicht, dass sie wieder nicht mehr mitspielte. Er ließ seine Hose fallen, ehe er sagte: „Erschrick nicht, ich komme jetzt mal zu dir. Kein…“

„Mach Platz?“ Sie hörte das prompte Aufknallen. „Oh, du liebe Güte! Entschuldige! Ich darf wohl nicht mehr Mach Platz sagen… oh, ihr Götter….“ Sie hörte wie er keuchte:

„Sag mal, du dämliche Ziege, wir hatten uns doch geeinigt, dass wir das durchziehen müssen?“

Wie hatte er sie gerade genannt? Ihr lag das Zauberwort bereits wieder auf der Zunge, als ihr bewusst wurde, dass sie mit ihrer beider Leben gerade spielte. „Nenn mich nicht so. Es war eben ein Reflex. Ich pass schon auf.“ Sie wickelte sich eng ein. „Und, was jetzt?“ Sie spürte im Dunkeln, dass er sich neben sie kniete, hinlegte.

„Äh, naja. Jetzt solltest du mich unter die Decke lassen, denke ich. Und dann ….dann brauche ich deine Hilfe.“

Kagome war im Grunde ihres Herzens ein großmütiges Mädchen. Und, wenn sie einem nicht widerstehen konnte dann der Bitte um Hilfe. So hob sie die Decke trotz ihrer Verlegenheit. „Was soll ich machen?“

„Kannst du mich anfassen?“

„Deine Ohren?“

Das hatte er zwar nicht gemeint, aber als sie sie kraulte, dahinter, war er es zufrieden. „Gut. Dann sage ich dir jetzt mal den Plan.“

 

 
 

Morgengrauen


 

D

er Inu no Taishou gab sich zu noch nie so unruhig auf einen Sonnenaufgang gewartet zu haben, nicht einmal zu jener Zeit, wenn eine Schlacht gegen einen überlegenen Gegner auf ihn gewartet hatte. Da kannte er Ort, Zeit, den Feind und sich. Nein.

Immerhin war der kaiserliche General irgendwann verschwunden um noch einige Stunden Schlaf zu finden. Er selbst benötigte keinen, aber er gab zu, dass selbst dann der Schlaf ihn wohl geflohen hätte. Er hatte das Gefühl einen der größten Fehler seines Lebens begangen zu haben.

Soweit er sich entsinnen konnte hatte er keinem seiner beiden Söhne selbst erklärt, was man so alles mit einer Ehefrau anstellen konnte, sollte sogar, wollte man einen Erben. Er hatte sich immer darauf verlassen, dass irgendein Lehrer … Ja. Und jetzt hatte er seinen jüngsten, wirklich kaum erwachsenen, Sohn in das Abenteuer einer politischen Ehe gestürzt. Versagte der Junge heute Nacht müsste er ihn eigenhändig umbringen. Und alles, was er selbst ihm dazu an die Hand gegeben hatte, war, dass der seine Braut beruhigen sollte. Was, wenn der genau das tat, sie umarmte, sie friedlich neben sich schlafen ließ? Inu Yasha war, auch, wenn es kaum jemand glaubte, ein sehr vertrauensseliger Junge, wenn er einmal Vertrauen gefasst hatte – und, wem vertraute er mehr als seinem eigenen Vater?

Der Herr des Westens starrte aus dem Fenster. Der erste Schein der Dämmerung. Bald würde der General kommen und sie müssten, wie es ausgemacht war, nachsehen, ob das junge Ehepaar auch wirklich eines war. Und unter Umständen müsste er seinen eigenen Sohn umbringen, weil der gehorsam genau das getan hatte, was Papa gesagt hatte … sie beruhigen.

Nun, gleich, wie das ausging, er müsste vor dessen Heirat dringend selbst mit Sesshoumaru sprechen, dem etwas an die Hand geben. Wieso nur war er so leichtfertig davon ausgegangen, dass seine Söhne schon Bescheid wüssten, irgendein Lehrer ihnen das erklärte? Myouga? Der alte Floh war um Inu Yasha bemüht, ja, aber von Paarungssitten der Menschen verstand der sicher nichts. Jaken etwa Sesshoumaru aufklären? Du liebe Güte. Nein.

Kurz, wenn das hier heute Nacht schief gegangen war, konnte er eigentlich niemandem die Schuld geben als sich selbst.

Er war ein schlechter Vater, das stand fest.

 

Schritte vor dem Gang. War es schon soweit? Ja, das war Kasumi. Hoffentlich war alles gut gegangen, hoffentlich hatte Inu Yasha verstanden, was er tun sollte….

Der Fürst wandte sich um. „Öffne.“

Der Krieger, der draußen vor der Tür kniete, gehorchte, nicht überrascht, dass der Inu no Taishou den Besucher erkannt hatte.

Der kaiserliche General verneigte sich tief, ohne ein Wort zu verlieren. Instinktiv wollte er auf die Knie fallen, so, wie ihn der Hundedämon ansah, aber dann entsann er sich, dass er in Vertretung seines Herrn, des Göttlichen Kaisers, hier stand.

„Gehen wir, Kasumi.“

Nüchtern und sachlich, ja, so kannte man Dämonen, zumindest seit dem Friedensschluss vor fast dreihundert Jahren, diesen hier sogar mit einem Nichtangriffspakt vor zweihundert Jahren. Und jetzt bot er einen Beistandspakt. Während der General sich dem dämonischen Heerführer anschloss, dachte er, dass der eigentlich im Laufe seines offensichtlich sehr langen Lebens immer menschenfreundlicher geworden war.

 

Während der Inu no Taishou scheinbar ungerührt den Weg empor in den Privattrakt nahm, höflich gefolgt von dem kaiserlichen General, verriet nichts die Sorge, die in ihm lag und immer heftiger wurde. Was, wenn der Junge sich wirklich nur an seine Anweisung gehalten hatte? Was, wenn er so komplett als Vater versagt hatte? Was wäre nicht nur mit den Verträgen, was wäre mit der Politik, was wäre … Ja. Und was wäre mit seinem Schuldbewusstsein. Er wusste, er hatte im Laufe seines langen Lebens zuerst als Krieger, dann als Heerführer, eine Menge Tote verschuldet, aber er würde immer schwören niemals aus Eigennutz. Und jetzt müsste er womöglich in wenigen Minuten den eigenen Sohn umbringen, weil er selbst, das war so zu sagen, zu dumm gewesen war den aufzuklären. Zu dumm und zu feige.

 

Die Wachen vor der Tür fielen auf die Knie, verneigten sich, ehe sie die Tür in den privaten Trakt des Hausherrn öffneten. Der Taishou versuchte instinktiv eine Witterung zu bekommen, aber da war nichts, außer einem erstickten Feuer. Was war nur geschehen? Was hatte sein Junge getan?

Gleich. Er hatte als Fürst eine Pflicht zu erfüllen, und so ging er voran, schob die Tür zum Schlafzimmer beiseite. Und atmete tief durch.

Inu Yasha lag auf seinem Bett, die linke Hand hinter dem Kopf, zuckte allerdings sofort damit heraus und wurde rot. Verständlicherweise. Was den Vater dann doch interessierte war der rechte Arm, der sich um die Braut geschlungen hatte, die offensichtlich aus tiefem Schlaf auffuhr, mindestens ebenso rot anlief wie der Halbdämon, der die Decke hastig enger um sie zog. Und, Kagome duckte sich darunter, versteckte sich unter dem Stoff, jedoch enger an ihren Ehemann. Der Herr der Hunde atmete tief durch. Er konnte menschliches Blut in dem Raum wittern und anderes ….und sein Junge schien auch nicht so roh oder vielmehr ungeschickt gewesen zu sein, dass seine Ehefrau Panik hatte. Im Gegenteil, so, wie sie sich an ihn schmiegte, die Decke über den Kopf zog… Er sah, dass Kamuri ihn anblickte und nickte knapp.

So sagte der kaiserliche General sicher, dass ein Dämonenfürst nie lügen würde: „Ich würde Euch, Inu Yasha-sama. bitten, demnächst in den unteren Hof zu gehen, damit Ihr noch den Schwur an den Göttlichen Kaiser ablegen könnte.“

 

Inu Yasha wagte erst aufzuatmen, als die Tür sich wieder geschlossen hatte.

Kagome flüsterte: „Ist es vorbei?“

„Ja. Du kannst rauskommen. Und gehen.“ Immerhin hatte er chichi-ue nicht direkt anlügen müssen – nun, das war kaum möglich.

„Äh, ja.“ Sie rutschte eilig empor und weg von ihm. „Ich meine, machst du die Augen zu?“

Diese Bitte fand er ein wenig eigen, bei einem Mädchen, nun, seiner Frau, die immerhin Haut an Haut in seinem Arm geschlafen hatte, aber er drehte sich und sah empor, ehe er die Augen schloss.

„Was passiert jetzt?“ erkundigte sie sich, während sie aus der Decke schlüpfte und nach dem Yukata griff. Ein rascher Blick zurück zeigte ihr, dass er tatsächlich nicht guckte. Er war ehrlich. „Was muss ich noch machen?“

„Keine Ahnung,“ erwiderte der Halbdämon. „Ich denke, du gehst zu deiner Mutter und vielleicht baden? Ich muss mich anziehen und dann runter, den Eid auf den Kaiser ablegen. Dann werden unsere Gäste abreisen.“

„Und Souta und Eri, ja. Kann ich… kann ich mit dabei sein?“

„Klar.“ Er dachte daran, dass er seinen Vater womöglich nie wieder sehen würde. „Dein Bruder und wer ist Eri?“

„Eine Spielgefährtin. Ihr Vater befahl sie in die Residenz um sie zu verheiraten.“ Sie schloss den Gürtel und atmete durch.

„Zieh dir aber nicht gerade zwölf Lagen an. Das ist keine Staatsaffäre.“

Ihr wurde bewusst, dass sie jetzt als Fürstin galt und tatsächlich das die wichtigste, offizielle, Kleidungsvorschrift war. „Ja. Es ist ja nur ….“ Ja, er würde seinen Vater auch abreisen sehen und wäre dann hier ganz allein. Das musste sie auch bedenken. Er war fair. Und er hielt die Augen noch immer geschlossen.

Die er allerdings nun öffnete, da er gehört hatte, dass sie angezogen war. „Kagome, übrigens, du bist noch Jungfrau.“

Das war ihr doch ein scheues Lächeln wert. „Ja, das dachte ich mir.“ Trotz ihrer Ahnungslosigkeit hatte sie sich gedacht, dass man allein vom Ohren kraulen sicher keine Kinder bekam. Und da war auch der Kratzer an der Hüfte, den er ihr zugefügt hatte, um, wie er gesagt hatte, menschliches Blut als Beweis zu liefern. Es hatte für einen Moment weh getan. Aber das war es auch gewesen. Und sie war überzeugt, dass er in irgendeiner Weise, die sie nicht genau benennen konnte, gut zu ihr gewesen war. Er war kein Monster. „Ich bin mir sicher, wenn wir uns besser kennen lernen, dass ich dann, ich meine, dass wir dann…“

„Keh. Geh jetzt, wenn du beim Abschied dabei sein willst.“ Inu Yasha hätte nie zugegeben, dass er sich verdammt mies fühlte. Er würde sie jetzt schon vermissen, ihren Geruch, ihre Wärme …. aber sie hatten sich ja geeinigt, dass sie sich erst kennen lernen sollten. Und zu seinem Wort musste man stehen, das verlangte die Kriegerehre. Aber sie lächelte, keine Witterung von Angst lag mehr in der Luft, und das war schon einiges wert.

„Ja, natürlich. Äh, soll ich die Bannkette nicht lieber wieder mitnehmen?“

„Wieso? Du hast sie mir doch geschenkt.“ Immerhin etwas, was er von ihr hatte.

Kagome war sprachlos. Das war das Mittel ihn zu Boden zu bringen, ihn im Endeffekt unter ihren Willen zu bekommen – und er wollte es behalten? Wen hatte sie da nur für ein Ungeheuer gehalten? Sie sollte das wieder gut machen. Irgendwie, irgendwann. So lächelte sie erneut, ehrlich und warm. „Ich freue mich …“ Sie zögerte bei der Anrede.

„Wenn wir unter uns sind kannst du gern Inu Yasha und du sagen,“ erklärte er. „Aber vor anderen Leuten ….“

Ja, da müsste er sie strafen, das war der gut erzogenen Fürstentochter klar. „Inu Yasha-sama.“ Ihre etwas spöttische Verneigung zeigte deutlich, dass sie keine Furcht mehr hatte.

Das freute ihn. „Dann, bis später.“ Die letzte Nacht war irgendwie das größte Abenteuer seines bisherigen Lebens gewesen.

 

Kagome sah sich im Frauentrakt sofort ihrer Mutter gegenüber. Deren blasses Gesicht verriet, dass auch sie in der Nacht kaum Schlaf gefunden hatte.

„Wie geht es dir, Kind?“

„Gut,“ versicherte Kagome prompt. „Ich …“ Ja, wie sagte sie das am Besten. „Ich habe mich umsonst gefürchtet. Er ist kein Monster.“ Was genau passiert, oder eher nicht, war, sollte auch Mama nicht wissen. Das war ihrer beider Geheimnis. Ein lebensgefährliches Geheimnis. „Ich würde nur gern baden. Und später dann, wenn die… naja, wenn alle abreisen, unten sein.“

„Hast du den Daimyo gefragt?“

Daimyo. Kagome hatte wirklich ein Problem das mit dem verlegenen Jungen letzte Nacht in Verbindung zu bringen, aber es stimmte natürlich. Und sie sollte es nicht vergessen. „Ja, er sagte, ich brauche keine zwölf Lagen.“

„Nein, es ist ja kein Staatsempfang. Nun, gehen wir baden. Das Wasser sollte angeheizt sein.“

„Du wusstest….?“

„Kagome, natürlich.“ Das Lächeln der ehemaligen Fürstin war mild. „Ich war doch fast zwanzig Jahre verheiratet.“

 

Natürlich entging dem wachsamen Mutterblick nicht der lange Kratzer an der Hüfte der Tochter und sie suchte nach weiteren Verletzungen.

Kagome legte rot werdend die Hand darauf. „Es war ….Er wollte mich führen und hatte wohl ein wenig seine Kraft unterschätzt. Er kommt ja aus einem Fürstentum in dem hauptsächlich Dämonen leben.“ Keine Lüge, dachte sie. Inu Yasha hatte sie geführt, bis zu einem Punkt, den sie nicht verstanden hatte, aber er hatte nur gemeint, dass er sich jetzt schon um den anderen Beweis kümmern werde, sie sollte nur einschlafen. Sie war nach dem langen Tag voller Emotionen auch so erschöpft gewesen, dass sie tatsächlich in seinem Arm eingeschlafen war. Und sie gab zu, so sicher hatte sie sich bisher nur bei Mama gefühlt.

„Dann nahm er sich zurück?“ Ja, es gab keine weiteren Verletzungen, keine blauen Flecken, keine Spuren an den Handgelenken und Kagome wirkte deutlich entspannter als gestern. Was auch immer der junge Daimyo getan hatte, neben seiner Pflicht, hatte ihr Mädchen nicht verschreckt. Und da hatte sie von anderen Bräuten gehört, die Menschen geheiratet hatten. Aber, es gab ja sogar die Legende, dass die Ehe des Hundefürsten mit der kaiserlichen Prinzessin so romantisch gewesen sei wie in einem Märchen. Womöglich hatte sich beider Sohn da etwas abgeguckt.

 

Inu Yasha zog sich nach einer – bei chichi-ues Nase notwendigen - Wäsche mit gewissem Seufzen sein rotes Feuerrattengewand an. Ja, die Pflicht wartete, und, mal abgesehen davon, dass er einfach noch lieber viel länger neben Kagome gelegen hätte – da wartete auch der Abschied von Vater. Auch etwas, was er eigentlich nicht so gern hatte. Mit geübtem Griff nahm er sein Schwert und schob es in den Gürtel, nicht überrascht, dass prompt die Türen des Traktes vor ihm aufgerissen wurden. Ja, er war der Hausherr. Und eine der ersten Sachen, die er machen würde, wäre diese Wachen vor seinem Räumen verbieten. Wer auch immer da rein wollte, mit dem würde er doch fertig werden. Naja. Auch bei Vater hockten Krieger. Das war wohl einfach dem Status geschuldet. Und da war auch schon der Burgvogt. Wie hieß der nur? Nicht blamieren, Inu Yasha! „Kagawa.“

Der verneigte sich eilig. „Guten Morgen, Inu Yasha-dono. Ich erlaube mir zu bemerken, dass sich die Herren bereits unten vor dem zweiten Tor befinden und ihren Kriegern Befehl zur Vorbereitung des Aufbruchs gegeben haben.“

„Fehlt nur noch meine Unterschrift, ja. Gehen wir.“

„Äh, werter Daimyo, bei allem Respekt, findet Ihr es wirklich passend hier mit einem Schwert ….Vergebt. Das mag bei Dämonen anders sein.“ Da war etwas in den goldenen Augen des jungen Herrn aufgeblitzt, das ihm gar nicht gefiel. Eis.

Aber der Halbdämon nahm sich zusammen. Woher sollten es die Menschen auch wissen. „Es handelt sich um eine dämonische Klinge. Und glaube mir, du willst nicht sehen, was passiert, wenn wir voneinander getrennt sind.“ Das war doppelsinnig, gab er gerne zu, aber ihm war beigebracht worden, sehr nachdrücklich, von seinem Vater, diesen, seinen, Schwachpunkt niemandem zu sagen. Niemals.

Der Burgvogt verneigte sich lieber nochmals ehe er die Treppe hinunterstieg. Dämonische Schwerter, ja, die mächtigen unter ihnen besaßen ihren eigenen Willen, hieß es. Sie suchten sich auch ihren Herrn selbst und würden ihn nie im Stich lassen solange er lebte. Und im Westen gab es nun einmal die besten dämonischen Schmiede. Nun ja, es war wohl besser, wenn das Schwert bei seinem Herrn blieb.

„Da du nicht fragen willst, Kagawa. Es hat einen Namen. Tessaiga.“

„Danke, Inu Yasha-dono.“ Und nur die wirklich besten Klingen erhielten einen eigenen Namen, eben die mit eigenem Willen und angeblich ungeheuerlichen Fähigkeiten. Er sollte einmal unauffällig mit diesem dämonischen Waffenmeister sprechen. Der kannte sich doch sicher mit derartiger Schmiedekunst aus.

 

Als sie den Burgberg hinabstiegen, erkannte der Halbdämon, dass sich in der Tat bereits draußen auf der Ebene die Krieger und Lasttiere positionierten, einige Sänften waren bei den kaiserlichen Gardisten dazu gekommen, sicher für Souta und diese Freundin von Kagome samt Mutter. Ja, auch sie verlor heute einige ihrer Angehörigen. Wenn man es genau nahm hatte sie zwar noch ihre Mutter und den Opa, aber im Endeffekt hatten sie sich nur noch beide. Ob sie das auch so sehen konnte? War es das, was man mit anfreunden meinte?

General Kasumi verneigte sich, wie es einem Daimyo zustand – deutlich tiefer als gestern dem Fürstensohn. Und Inu Yasha sah zum ersten Mal, wie sein eigener Vater, der Fürst des Westens, grüßend den Kopf ein wenig beiseite legte. Natürlich sich nicht verneigte, aber auch das war ein Anerkennen seines neuen Rangs. Oh. Wie grüßte ein Daimyo denn nun einen selbstständigen Fürsten? Er neigte etwas den Kopf. Immerhin war das sein Vater. „Chichi-ue…. - General, es ist wohl alles vorbereitet?“

„Ja, Inu Yasha-sama.“ Kasumi winkte und ein Krieger eilte mit einem Schreibpult heran, das er vor den Halbdämon absetzte, der sich davor kniete, nur kurz aufschielte. Doch, wenn er sich nicht sehr täuschte war Vater stolz auf ihn. Er schien alles richtig gemacht zu haben. Die anderen beiden Herren nahmen höflich ebenfalls Platz. Da die eidesstattliche Erklärung ihm vorgelegt wurde, Feder gereicht wurde, unterschrieb er seine Verpflichtung stets dem Kaiser treu zu sein und, den Passus hatte gewiss der Herr des Westens einbauen lassen, dem gegenseitigen Bündnisvertrag treu. Er musste dreimal unterschrieben, denn es gab drei Kopien. Nun ja, auch hier in der Burg würde eine bleiben. So stand er auf und nahm das Papier, das ihm gereicht wurde, gab es ohne weiter zurück zu gucken an den Burgvogt.

Kasumi und der Inu no Taishou handhabten das sehr ähnlich, ehe sich der kaiserliche General noch kurz verneigte. „Ich darf mich verabschieden, es liegt noch ein langer Weg bis zu meinem Göttlichen Gebieter vor mir.“

„Gute Reise, Kasumi,“ sagte der Hundefürst, durchaus angetan, dass der das Feingefühl besaß sich ihn noch von seinem Sohn verabschieden zu lassen. Oh, und da unter dem Tor stand ja auch seine neue Schwiegertochter, relativ informell im zweilagigen Kimono, aber, mehr war hier auch nicht nötig. Sie hatte gebadet, das verriet ihr noch etwas feuchtes Haar, aber ihr rascher Blick glitt zu Inu Yasha, ehe sie sich höflich verneigte. Doch, diese Ehe würde schon gut gehen, irgendwie. Sie waren gleich alt, nun ja umgerechnet. Dann sah sie allerdings zu der menschlichen Karawane. Ach ja, ihr Bruder.

„Gute Reise, General,“ meinte auch der Halbdämon. Ach ja. Am liebsten hätte er sich Vater in die Arme geworfen, sich nicht gerade an die Rüstung aber an solch ein Fellteil gekuschelt, wie es dessen Rücken ja hinabhing, wie er es manchmal als Welpe gedurft hatte. Aber das war jetzt unmöglich. Er war erwachsen, ein Daimyo und verheiratet. Da war es aus. Ihm blieb nur sich zu verneigen. „Ich wünsche Euch gute Heimkehr, chichi-ue. Falls mein älterer Bruder ebenfalls verheiratet ist, wärt Ihr so freundlich mir mitzuteilen, mit wem?“

Sein älterer Bruder? Wann hatte er denn Sesshoumaru derartig angesprochen? Aber gut, hier hörten eine Menge Leute zu. Der Taishou war allerdings angetan, dass sein Jüngster die Vorsicht, die einem Fürsten ziemte, auch tatsächlich zumindest in der Öffentlichkeit wahren wollte. „Natürlich.“ Er blickte zu Kagome, die das anscheinend nicht einmal mitbekam. Das passierte ihm auch selten. Zumal Menschen fühlten sich leicht als Beute. „Ich wäre ebenso angetan, wenn ich familiäre Neuigkeiten von dir erhalten würde.“

Hm? Wo guckte Vater denn hin? Kagome. Inu Yasha begriff, was gemeint war. „Selbstverständlich würde ich Euch in Kenntnis setzen, chichi-ue.“ Nun ja, über Politik sollte er ja nichts schreiben, aber dazu wusste er wirklich auch noch zu wenig von Aoi. Tja. Jetzt drehte sich Vater um und der dämonische Tross zog ab. Und er stand hier, sollte jetzt, wie angekündigt, auch mit dem Burgvogt sich mal alles angucken, dann die Runde mit den Beratern reden … Nun, er wusste nur zu gut, dass ein Fürst herzlich wenig Freizeit hatte. Für Vater war die Reise hierher vermutlich Erholung gewesen. So drehte er sich nur um. „Kagome.“ Er hatte sie gewittert, auch, dass sie mit Mühe um ihre Fassung kämpfte.

Sie neigte eilig den Kopf. Hatte er etwa bemerkt, dass sie kurz vor dem Weinen war, das schickte sich nicht, ja.

„Du kannst gehen. Für heute hast du keine Termine mehr.“

Sie wollte schon auffahren, dass er sie einfach wegschickte, ehe ihr dämmerte, dass er es wirklich gemerkt haben musste. Vermutlich gerochen oder so. Und nicht wollte, dass sie hier vor allen Leuten losheulte. Das wäre auch sehr unpassend für eine Fürstin. So verneigte sie sich nur und ging fast unschicklich schnell den Burgweg empor, gefolgt von der Dämonenjägerin.

Inu Yasha sah beiseite. „Kagawa, was macht eine Dämonenjägerin eigentlich hier?“

„Ihr Name ist Sango, sie kam mit dem kaiserlichen Tross und wurde der Fürstin zugeteilt. Sie soll wohl höfisches Benehmen lernen. Dämonenjäger leben ja nur in ihren Dörfern im Wald.“

Hm. Gleich. „Dann besichtigen wir die Burg. Und lass die Urkunde in die Kanzlei bringen.“

„Ich werde es Okinajoi geben. Ihr werdet ihn später kennen lernen. Er ist der Vorsteher der Kanzlei.“

Schön, nur noch drei Namen, die er sich zusätzlich merken musste. Jetzt begann die Pflicht. Und er hatte jetzt bereits so etwas von die Schnauze voll davon. Wie konnte er sein Leben angenehmer machen? Verdammt, er war doch hier der Hausherr? Aber, dazu müsste er erst einmal Bescheid wissen.
 

Anfangsschwierigkeiten


 

D

ie besagte Burgbesichtigung begann auch sofort.

Kagawa führte den neuen Daimyo im dritten Mauerkreis an den Überresten des kaiserlichen Lagers vorbei nach Westen, fast dem Eingang gegenüber. Dort lagen Boxen und kleine Koppeln für fast dreißig Pferde.

Inu Yasha konnte nicht reiten, aber er fragte doch: „Pferde und ihr Unterhalt sind teuer. Sie werden alle geritten?“

„Ja, Inu Yasha-dono.“ Der Burgvogt erlaubte sich eine weitere, offenkundig angeforderte, Erklärung. „Bislang war es stets so, dass der Daimyo mit einer Garde aus zehn Männern die Grenzen einmal im Monat abpatrouillierte und für eine Woche weg war. Die übrigen zwanzig Pferde dienen vor allem als Tiere für rasche Boten, aber sind ebenso für den Kampf ausgebildet worden. Natürlich herrscht seit langem Frieden.“

Der neue Herr nickte nur.

Ja, dachte Kagawa. Der Halbdämon stammte aus dem Westen, einem der beiden dämonischen Fürstentümer, neben dem Miyai der Wölfe, in denen die meisten Krieger gehalten wurden. Die genauen Zahlen wusste kein Mensch, aber der Hundefürst hatte mal eben fünfzig Krieger hier gelassen und war mit zweihundert angereist – sicheres Zeichen, dass er zuhause noch mindestens einmal diese Anzahl zur Verfügung hatte.

„Die Tiere werden hier gezogen oder aus Ayama beschafft?“

„Aus Ayama. Die verstorbenen Fürsten, also aus Ayama und Daimyo Higurashi, hatten einen Vertrag geschlossen.“

Inu Yasha nickte nur. Also gut, diese Patrouille würde er ganz sicher nicht so machen wie bisher. Er konnte nicht reiten, und die Vorstellung hinter einem Reiter mit Standarte vor zehn anderen berittenen Samurai zu laufen oder zu rennen … das vertrug sich sicher nicht mit dem Anspruch eines Daimyo. Geschweige denn seinem persönlichen Stolz. Überdies wäre eine Kontrolle der Grenze zum Westen überflüssig. Vater würde hier unter Garantie nicht einfallen. Was man, nach Papas Worten, dem derzeitigen Fürsten von Ayama durchaus zutrauen konnte. Die anderen Grenzen bildeten die zur kaiserlichen Residenzprovinz Heyjo und drei anderen menschlichen Provinzen. Von hier sollte auch eigentlich kein Ärger zu erwarten sein. Nun gut, man sollte vorsichtig sein, aber dennoch … zuerst war diese Pforte von Ronin dran. „Wie viele Männer betreuen die Pferde?“

„Zwei.“

Das erschien Inu Yasha wenig für dreißig Tiere, aber das war ja wohl auch deren Ganztagsbeschäftigung. „Der zweite Mauerring.“

 

Dort angekommen wurde der neue Herr der Burg gleich zwei Mal überrascht. Wohin er auch guckte, jeder hatte sich niedergekniet, die Nacken gebeugt. Wie machte Vater das nur immer? Er winkte etwas, in der Hoffnung eine gute Imitation abzuliefern. Immerhin sollten die Menschen doch ihrer Arbeit nachgehen. Prompt erhoben sich alle und machten sich, wenngleich mit neugierigen Blicken, wieder auf ihre Wege. Zum Zweiten war er verblüfft über die Menge an Leuten, die hier lebten und die durchgeplante Ordnung. Nun ja, in solch einer Burg, gleich, wie groß sie auch sein mochte, war Platz Mangelware.

Rechts und links des Weges lagen immer zehn Häuschen, hätte er fast gesagt, nebeneinander. Immer eine Familie bewohnte dort wohl ein großes Zimmer. Danach kamen jeweils ein zu dieser Gruppe gehöriges Häuschen, und ein großer Bottich mit Wasser, zum Waschen und Wäschewaschen. Die eigentliche Wasserversorgung bildeten zwei Brunnen.

„Wie viele Menschen leben auf dieser Burg?“ erkundigte er sich.

„Fast achthundert. Davon dreihundert Samurai, deren Frauen in der Küche und als Putzkräfte arbeiten. Und deren Kinder. Hinzu kommen noch Verwaltungsbeamte. Die Ehefrauen der höheren sind Gesellschafterinnen der Fürstin oder nun auch der Fürstinmutter. Und natürlich Handwerker.“

„Ein Schmied?“

Ja, der neue Daimyo kam aus dem erzreichen Westen. „Nein, Inu Yasha-dono. Aufgrund der Feuergefahr liegt die Schmiede im Normalfall gut einen Kilometer von hier Richtung der Niigata-Vulkane. Im Kriegsfall kann allerdings eine im unteren Mauerring eröffnet werden, nahe der Pferde.“

Der Halbdämon sah vor sich das Torii, das rote angemalte Tor, das den heiligen Bezirk des Schreins abgrenzte. Er hatte dort gestern geheiratet, aber, aufgeregt, wie er gewesen war, war ihm nicht aufgefallen, dass dieser praktisch quer stand, den Mauerring abschloss. „Man kann hier nicht rundherum?“

„Nein. Hinter dem Schrein befindet sich noch ein kleiner Meditationsgarten, dann eine Mauer. Auf der anderen Seite, falls Ihr Euch mit mir dorthin begeben wollt, liegen die Werkstätten und Wohnungen der Handwerker. Zimmerer, eine Schneiderei. Und die Vorratslager.“

„Gibt es auch in der inneren Burg Brunnen und Vorräte?“

„Ja, Inu Yasha-dono.“ Kagawa war angetan. Ja, der neue Herr hatte eindeutig militärische Ausbildung erhalten.

Der doch unsichere Halbdämon wäre über das Lob erfreut gewesen. Er vermisste die väterliche Pfote jetzt schon. Aber, da musste er jetzt durch. Papa hatte ihm das zugetraut, jetzt musste er bestehen. Und, das gab er zu, es wäre mehr als peinlich mit eingekniffenem Schwanz nach Nishijo zurück zu kehren und zuzugeben, dass man das nicht geschafft hatte. Vater würde vielleicht nichts sagen aber enttäuscht sein – und Sesshoumaru, nein danke. Dem den Beweis zu liefern, dass ein Halbdämon wirklich nur halb war, war definitiv nichts, was er wollte. „Dann zu den Handwerkern, dann die innere Burg.“

 

Die nächste Überraschung erfuhr Inu Yasha im ersten Stock des Haupthauses der inneren Burg. Links lagen seine Räume, die kannte er ja, und rechts der Frauentrakt. Da der Burgvogt daran vorbei ging und die Treppe weiter empor nehmen wollte, meinte er: „Dort?“

„Äh, ja, das ist der Frauentrakt. Ein gemeinsamer Aufenthaltsraum und vier weitere Räume.“ Da Kagawa den etwas irritierten Blick richtig deutete, erklärte er verlegen: „Nun, ich weiß nicht, wie es in einem dämonischen Fürstentum ist, Inu Yasha-dono, aber, ich bitte um Vergebung, wenn es nur Männern, die mit allen dort lebenden Frauen verheiratet oder blutsverwandt sind, erlaubt ist, dorthin zu gehen.“

„Wie hoshi Higurashi?“ fragte der junge Daimyo prompt, ärgerlich, dass man ihm seine Verwunderung angesehen hatte. Das sollte man nie. Vater hatte immer gemeint, dass ein Fürst neutral zu erscheinen habe, egal, was er fühlte.

„Ja, genau, oder wie Souta.“

Irgendwie sah sich Inu Yasha zu einer Erklärung gezwungen. „In meines Vaters Schloss gibt es seit dem Tod meiner Mutter keinen Frauentrakt.“

„Oh, natürlich.“ Hatte es nicht einmal geheißen, dass da noch eine Ehefrau des Taishou existiere? Aber, das würde der junge Herr wohl am Besten wissen. „Im nächsten Stock befinden sich zwei Zimmer, die leer stehen. Sie waren einst, vor dem Friedensschluss, für … besondere Gäste gedacht. Ich lasse sie selbstverständlich reinigen und in Ordnung halten.“

„Geiseln,“ erklärte Inu Yasha deutlich weniger behutsam.

„Äh, ja. - Darüber befindet sich noch eine Wachstube.“

„Dann gehen wir dort hinauf.“ Nun ja, klar. Diese Wachstube war ideal. Der höchste Platz auf einer Burg, von der aus man sowieso weit in das Land blicken konnte. „Wie viele Wachen sind dort?“

„Immer vier Männer, Inu Yasha-dono. Zwei für den Tag, zwei für die Nacht. Nach einer Woche werden sie abgelöst. Sie achten, gerade auch nachts, auf Feuergefahr.“

„Du kontrollierst den Feuerschutz selbst.“ Das war wichtig in einem Gebäude das doch zu einem Gutteil aus Papierwänden und Holz bestand.

„Ja. Einmal die Woche. Und ich schicke immer wieder einen meiner engsten Mitarbeiter unangekündigt gerade durch den zweiten Mauerring. Eimer mit Wasser, mit Sand und Feuerpatschen liegen stets bereit, alle zehn Häuser.“

Ein Burgvogt hatte eindeutig noch mehr zu tun als der Fürst selbst und Inu Yasha beschloss sein Selbstmitleid zu zügeln. „Dann zeige mir das Arbeitszimmer und rufe die Berater zusammen. Fünf.“

„Mit meiner Wenigkeit, ja.“

 

Das Arbeits- und damit kleine Empfangszimmer sah aus, wie es Inu Yasha von zuhause kannte: ein Podest im Hintergrund mit einem Schemel, auf dem der Fürst Platz nahm, daneben lagen keine Kissen, hier gab es ja keine Söhne, davor allerdings im Halbkreis bereits fünf Kissen, sicher für die Berater. Nur – „Ich benötige einen Schwertständer auf dem Podest.“

„Für Tessaiga, natürlich.“ Der Burgvogt vergaß kein dämonisches Schwert in seinen Mauern. „Bitte, nehmt Platz, ich werde die anderen Berater verständigen und den Schwertständer mitbringen.“

 

Der Halbdämon setzte sich, immerhin stünde er sonst wie bestellt und nicht abgeholt herum. Das war das erste Mal, das er auf dem Platz des Hausherrn saß. Eigenartiges Gefühl, wie er zugab. Macht und Verpflichtung, das hatte er zuhause gelernt. Und, die Pflicht wog schwer. Er hatte dem Kaiser sein Wort gegeben für den Aoi zu verwalten, war Vater verpflichtet, aber auch den Menschen hier in der Provinz. Das konnte wirklich schwierig werden. Klappte es nicht, wäre er schuld an was auch immer. Minimum einem Krieg. Immerhin schien Kagome ein kleineres Problem zu sein als er zuerst befürchtet hatte. Leider allerdings auch ein größeres als erhofft, denn so sanft wie Mama war sie definitiv nicht.

Er sah auf, als Kagawa zurückkehrte, mit einem Mann, den er schon gesehen hatte, aber den Namen nicht wusste, der kommandierende Hauptmann aller berufsmäßigen Krieger in Aoi. Und nur ihm als Daimyo untergeordnet. Die anderen drei Männer hinter ihnen waren zwischen Mitte dreißig und Fünfzig, wenn er das recht schätzte, trugen die schwarzen, hohen Kappen wichtiger Beamter und schwere Kimono. Sie waren alle bei dem Hochzeitsempfang gestern dabei gewesen. Allesamt verneigten sich tief vor ihm, ehe der Burgvogt möglichst unauffällig einen Schwertständer auf das Podest stellte, ehe auch er sich auf seinen offensichtlichen Stammplatz kniete und den Kopf neigte.

 

Kagawa konnte etwas, das war schon einmal gut, dachte der Halbdämon, der sich gerade schrecklich allein fühlte, auch, wenn ihn natürlich niemand offen anguckte. Der Hauptmann war sicher wichtig und der Kämmerer, denn, wenn er sich so an die väterliche Verwaltung erinnerte, waren die Finanzen immer letzten Endes ausschlaggebend.

So sah er zu dem obersten Militär von Aoi. „Hauptmann.“

„Mein bescheidener Name ist Nimaki, Inu Yasha-dono. Ja, ich bin verantwortlich für das Militär in Aoi.“

„Auch Rekrutierung und Ausbildung.“

„Ja. Die Rekruten werden mir allerdings von Okinajoi zugewiesen.“

Das war doch der Leiter der Kanzlei? Klar. „Du weißt sicher, dass nun fünfzig Dämonenkrieger hier stationiert sind, um das Bündnis zwischen ….“ Halt! Aufpassen, das waren Menschen! Auf dem Kaiser herumreiten, wie Vater es getan hatte? Warum nicht dem besten Strategen nacheifern? „Zwischen meinem verehrten Cousin, dem Göttlichen Kaiser, und meinem verehrten Vater, dem Fürsten des Westens, zu besiegeln. Dir wird klar sein, dass du dich mit Waffenmeister Toyomaru unterhalten solltest, dem diese Krieger unterstehen.“ Ha, das klang doch schon mal gut, oder? „In einem, hoffentlich undenkbaren, Kriegsfall, müsst Ihr zusammenarbeiten um Aoi und das Kaiserreich zu schützen.“

Der Hauptmann neigte nur den Kopf. Das stimmte alles und er hatte sich bereits mit Toyamaru unterhalten.

Das reichte doch wohl? Später hatte der Typ noch eine Stunde allein mit ihm. Naja. Weiter im Programm. So sah Inu Yasha zu dem ältesten Mann der Runde. Der hatte eine Rolle Papier dabei. Er hätte wetten mögen, dass das der Kämmerer war. Die liebten Zahlen doch so. „Dein Name?“

„Ich bin Tarashi, Euer Kämmerer, zu Diensten.“

„Wir gehen die Finanzen später allein durch.“ Nur das jetzt nicht ausdehnen. Das würden sowieso noch fünf Stunden werden! Weiter. „Dein Name?“

„Fukuwara, mächtiger Daimyo. Mein Aufgabengebiet lag bisher im Handel. Zollstationen, Zölle erheben und überwachen, aber auch Sicherung und Ausbesserung der Wege. Unter Umständen mir erlauben Vorschläge zu machen, was von wo importiert oder auch wohin verkauft wird.“ Und zu letzterem Punkt hatte er bereits zwei Dinge liegen, die er wirklich dringend mit dem Fürsten besprechen musste.

Inu Yasha nickte. Für eine Provinz, deren Reichtum vom Handel herrührte, war das sicher ein wichtiger Posten. „Dann bist du der Leiter der Kanzlei, Okinajoi.“

Der so Angesprochene neigte höflich den Kopf. Da konnte jemand aufpassen. Umso besser. „Ja, Inu Yasha-dono. Darf ich in dieser Eigenschaft auch gleich eine Frage stellen, damit ich, und Fukuwara, natürlich, unverzüglich die entsprechenden Aufträge geben können?“

Der Halbdämon unterdrückte seinen Seufzer, ob das nicht bis nachher Zeit habe, wenn er jeden einzeln da hätte. Hatte es wohl nicht, denn diese Männer erschienen ihm sachliche, durchaus fähige, Beamte. Man konnte über seinen verstorbenen Schwiegervater sicher nicht sagen, dass der untaugliches Personal hatte. „Ich höre.“

„Bislang waren die Standarten und auch die Hosen der Krieger dieser Provinz grün. Grün, wie die Farbe der Familie Higurashi. Nun, mit Euch an der Spitze, sind selbstverständlich Eure Farben notwendig. Allerdings wussten wir nicht, welche Farben. Rot und weiß gehört ja dem Westen.“

Ach herrje. Daran hatte er kein bisschen gedacht und – was war jetzt nur adäquat? Jedenfalls durfte keine Provinz die Farben einer anderen führen oder eines anderen Fürstentums. „Rot wäre schon passend, in Erinnerung an meine väterliche Familie.“

„Mit Verlaub, Inu Yasha-dono,“ warf Fukuwara ein. „Rot und grün sind bereits die Standarten der vierten Provinz, die südlich von uns liegt. Daimyo Kamura.“

 

„Sagte ich etwas von rot und grün?“ knurrte Inu Yasha unverzüglich, ohne zu ahnen, dass er für die erfahrenen Männer vor sich gerade die rote Linie gezogen hatte, ab wann es für Berater unter dem neuen Herrn heikel wurde. Vorlaut war eindeutig unerwünscht.

Ja, nur, welche Farbe dann? Er sah zum Fenster. Nach Westen. Ach, wie gern wäre er jetzt zuhause, sogar ein Duell mit Sesshoumaru wäre netter als das hier…. Nicht im Selbstmitleid versinken, nicht aufgeben, dachte er dann. Er gab nie auf! Die Sonne schien so warm und gelb. „Gelb,“ erklärte er unwillkürlich ohne nachzudenken.

 

Die fünf Berater sahen erst sich, dann den jungen Daimyo etwas mehr als verblüfft an.

„Nun ja, rot-gelb hat keine Provinz und kein Fürstentum,“ erwiderte der Kanzleichef behutsam. „Es ist wohl auch ungewöhnlich…“ Der Göttliche Kaiser hatte Gold in seiner Standarte und bislang hatte es niemand gewagt ihn auch nur andeutungsweise zu imitieren.

„Gelb,“ wiederholte Fukuwara, der die Stoffe bestellen sollte. „Warum denn….“

Inu Yasha erkannte gerade noch, dass sein erster Impuls, ein patziges: „warum nicht?“ sicher falsch war, Zweifel an ihm als Daimyo aufkommen lassen würde. Und das Allerletzte, was er brauchte, war, dass ihm nicht nur die eigene Ehefrau zweifelnd gegenüber stand, sondern auch noch seine Berater gegen ihn arbeiteten. Also musste schnell eine Erklärung her, irgendeine, die sie schlucken würden. Nur, was. „Gelb wie die Sonne,“ meinte er langsam, um Zeit zu gewinnen, als ihm eine spontane Idee kam. „Falls ihr es nicht wisst, meine Mutter war eine kaiserliche Prinzessin. Und zu Ehren unserer großen Ahnin, der Sonnengöttin omikami Amaterasu, gelb zu nehmen, erscheint mir passend. Euch nicht?“ Oh. Das war gut gewesen, denn sie klappten förmlich nach vorne, in die Demutshaltung.

„Vergebt, Inu Yasha-dono,“ brachte Okinajoi als ranghöchster Zivilbeamter heraus. Natürlich durfte ein Enkel eines Göttlichen Kaisers auch seiner mächtigen Vorfahrin huldigen. Es handelte sich nur eben um den ersten Daimyo, der das war. Nicht auszudenken, wenn sich Inu Yasha bei seinem „hochverehrten Cousin“ über solch dumme Berater ausließ – oder gar sie alle fünf in sein Nachtgebet an die Sonnengöttin einschloss. „Selbstverständlich ist es eine überaus gute Idee die Farben nach der mächtigen Ahnin Eurer kaiserlichen Mutter und Eurem fürstlichen Vater zu wählen. Wir wollten keineswegs….“

„Schon gut.“ Nur nicht noch mehr Zeit verschwenden. „Kagawa, wir haben heute schon genug geredet. Morgen erstattest du mir Bericht, heute erledige noch deine Aufgaben.“ Der Burgvogt schien erleichtert. Nun ja, er auch, wieder eine Stunde eingespart. „Du kannst gehen. - Nimaki, du kannst hier bleiben, eine Stunde. Dann Fukuwara, Okinajoi und als letzter Tarashi. Geht.“ Puh, das war erst einmal überstanden und mit etwas Glück war er gegen acht Uhr in seinem Zimmer, allein.

 

Kagome hatte im Aufenthaltsraum gesehen, dass ihre Mutter eher traurig wirkte. War es, weil Souta weg war und sie nicht mit unten am Tor gewesen war? Sie schickte die Ehefrauen der Beamten, die ihnen stets als Gesellschafterinnen zur Verfügung standen weg und bat selbst Mitsu, Mamas Freundin, sie allein zu lassen. Sango hatte sich bereits verabschiedet. Sie wollte noch aus dem ihr zugewiesenen Gästehaus ihre Sachen hierher holen, darunter eine winzige Katze, wie sie versprochen hatte. Erst dann rutschte Kagome hinüber. „Er wird es gut haben,“ meinte sie leise und legte den Arm um ihre Mutter. „Ich denke sogar, er ist irgendwie… glücklich…“

„Souta? Ach ja. Er hatte es nie so mit dem Militär,“ gab die ehemalige Fürstin zurück. „Und anscheinend versprach ihm der General, dass er auch weiter lernen könne. Er wird schon seinen Weg machen. - Sehe ich wirklich so traurig aus?“

„Sehr, Mama. Was ist?“

„Eine der Frauen erzählte beiläufig heute, dass morgen in Kosaten ein großes Fest wäre.“

„Kosaten?“ Kagome musste nachdenken. Das war doch der Marktflecken, fast eine Stunde weg, am Großen Fluss? „Willst du etwa dahin? Zu einem Fest?“ Da waren sie noch nie gewesen. Und das, wo Vater jetzt erst gestorben war?

„Kosaten feiert das Totenfest, weißt du? Einmal im Jahr werden Papierschiffchen gebaut und man kann sie kaufen, mit kleinen Lichtern drauf auf den Fluss setzen und der Verstorbenen gedenken.“

„Vater?“ entfuhr es Kagome unwillkürlich. „Ja, das ist doch eine gute Idee. Ich komme mit. Warum so traurig, Mama. In einer Stunde kann man da sein und…“ Sie brach ab. „Mama?“

Denn der standen Tränen in den Augen. „Wir brauchen dazu die Erlaubnis des Daimyo und eine Eskorte, sonst dürfen wir doch die Burg nicht verlassen.“

„Nun, dann fragen wir Inu Yasha eben.“

„Meinst du, ein Halbdämon kann das verstehen?“

„Er war sehr nett zu mir,“ erwiderte die jetzige Fürstin prompt, die durchaus nicht vergessen hatte, dass er sie nicht dafür belangt hatte, dass sie ihn bluten ließ. „Wir müssen ihn fragen, aber… Mama, wann geht das Fest morgen los?“

„Ich denke am späten Nachmittag, warum? Willst du ihn heute Nacht fragen?“

Sicher nicht, dachte Kagome unwillkürlich, die doch schwer hoffte, dass er sich an die Abmachung halten würde sich erst näher kennen zu lernen, und sie nicht würde rufen lassen. „Wir fragen dann jetzt gleich, offiziell. Dann wissen wir Bescheid und, soweit ich weiß, ist er jetzt noch mit irgendeinem Berater in seinem Arbeitszimmer. Dann kann auch in aller Ruhe der Burgvogt die Eskorte, Sänften und Träger, zusammenstellen.“

„Ja, du hast recht. Du meinst, er wird zustimmen?“

Wehe nicht, dachte Kagome, aber dann meinte sie ehrlich: „Wenn wir höflich sind, sicher. Denke ich.“ Mach Platz sollte sie jedenfalls vor den Beratern dringend vermeiden. Bei aller Nachsicht, die ihr Ehemann ihr gegenüber bewiesen hatte – da ging es um seinen persönlichen Ruf und das Amt des Daimyo. Er musste und würde sie hart bestrafen.

 

Der junge Fürst ließ sich mit doch ehrlichem Interesse von Nimaki über die Sicherungen der Provinz berichten, vor allem an der Pforte von Ronin. Der Hauptmann bemerkte durchaus die militärische und strategische Ausbildung und war angetan. Besser einen Halbdämon, zumal auch aus dem Kaiserhaus stammend, mit Fähigkeiten als einen Menschen ohne jede Ahnung.

Als die Tür unerwartet beiseite geschoben wurde, sah Inu Yasha unwillig auf. Das ziemte sich nicht. Der Diener in der Tür wusste das offenbar und warf sich vorsorglich flach zu Boden. „Was gibt es?“ Und Gnade sonst wer dem Idioten, wenn der glaubte hier einfach wie in eine Taverne hereinspazieren zu können.

„Ich bitte um Vergebung, Inu Yasha-dono, Kagome-sama und ihre werte Mutter bitten dringend um die Erlaubnis Euch sprechen zu dürfen.“

Kagome und ihre Mutter? Der Halbdämon hatte keine Ahnung, wie man so etwas auf der Prioritätenliste sah. Seine Mutter war tot, Sesshoumarus Mutter weit. Allerdings wusste er durchaus, dass das ungewöhnlich war – und, dass Vater Mama jeden Wunsch erfüllt hatte. „Nimaki, warte. Hole die Damen herein.“

Der Diener robbte bereits rückwärts aus dem Arbeitszimmer, durchaus erleichtert, dass er keine Prügel erhielt. Natürlich schlug ein Daimyo nicht selbst zu, aber auch Kollegen konnten einem auf Befehl weh tun.

 

Inu Yasha sah überrascht, dass beide Frauen hereinkamen, sich unverzüglich zeremoniell an der Tür verneigten, dann erst auf seinen Wink näher kamen und sich den formellen Meter vor ihm niederknieten, die Nacken beugten. Was war denn jetzt los? Er hätte um ein Haar gesagt: so förmlich, Kagome, aber, da war Nimaki.

 

Kagome ihrerseits hätte niemandem sagen können, warum sie seltsamerweise Schmerz und Freude verspürte. Schmerz, weil da jemand anderer auf dem Platz ihres Vaters saß, Freude, weil … ja, weil es eben Inu Yasha war und der offenkundig wusste, wie sich ein Daimyo verhielt. Das war nicht mehr der verlegene Junge der Hochzeitsnacht, das war der Herr. Irgendwie passte das mehr in ihr anerzogenes Weltbild und so wartete sie auch höflich ohne aufzusehen auf die Ansprache.

Etwas, das ihren Ehemann nur noch mehr alarmierte. „Was ist geschehen?“

„Oh, nichts, Inu Yasha-sama, es ist nur, wir hätten eine wirklich große Bitte.“ Der Wink ließ sie weiterreden. Ja, er wusste, wie es ging. „Morgen findet in Kosaten, dem Markt am Fluss, ein großes Totenfest statt. Man kann da Schiffchen kaufen und mit Lichtern den Fluss hinab senden bis zum Meer, den Seelen gedenken. Mama… und ich….würden wirklich gern….für Papa….“ Sie brach ab. War ein halber Dämon tatsächlich der richtige Ansprechpartner dafür?

„Ein Totenfest?“ Inu Yasha war etwas irritiert, dass beide Frauen vor ihm sehr aufgeregt wirkten. Zumindest Kagome sollte doch wissen ... nein. Sie war es für ihre Mutter. Seine Schwiegermutter wollte dahin um um ihren Ehemann zu trauern. „Wie läuft dieses Fest ab, giri-no-haha-sama?“ fragte er daher. Oh, und wie gut er wusste, wie es war einen Menschen zu vermissen. Ob Mama auch so um Vater getrauert hätte, wäre der vor ihr gestorben?

Die ehemalige Fürstin zuckte bei der Anrede als verehrte Schwiegermutter fast zusammen, neigte sich jedoch höflich. Das war mehr als freundlich und sie verstand, warum ihre Tochter nach der Hochzeitsnacht beruhigter gewesen war. Irgendwie, sehr jung und Halbdämon hin oder her, vermittelte er das Gefühl, das alles in Ordnung käme. „Den ganzen Tag über, Inu Yasha-sama, ist schon ein Fest, wo die Menschen feiern. Gegen Abend wird es leiser und nur noch die Stände mit den Papierschiffchen und den Lichtern haben auf. Das basteln die Menschen das ganze Jahr und verkaufen es dort. Man kauft ein Schiffchen und ein Licht und zündet es an, setzt es auf den großen Fluss. Man hofft, dass das Licht der Seele den Weg zeigt.“

Mama, dachte Inu Yasha nur. Es gab noch einen Weg an sie zu denken außer zu ihrem Gedenkstein zu gehen. Aber er sah zu Nimaki. „Wie groß sollte die Eskorte für die Fürstinnen sein?“

Allen drei Menschen im Raum fiel die überaus höfliche Anrede an die Schwiegermutter auf. Sie war nicht mehr die Fürstin und er hätte sie zu einem Schatten im Frauentrakt machen können.

„Für zwei Sänften, zwanzig Mann, Inu Yasha-dono,“ erwiderte der Hauptmann prompt.

„Gut. Eine Stunde Weg, denke ich. Wir brechen um fünfzehn Uhr auf, zwei Sänften, menschliche Träger. Und zwanzig Mann Eskorte zu Fuß plus Standartenträger. Ich gehe mit.“

Alle Anwesenden verneigten sich eilig, Kagome froh, dass sie sich nicht geirrt hatte, ihre Mutter froh, dass der junge Halbdämon ihre Trauer verstand. Nur, warum wollte der mit?

Da der Hauptmann sich bereits erneut verneigte um die Erlaubnis zum Abschied zu bekommen, sagte Inu Yasha nur noch: „Und, die Leute des Eskorte sollten welche sein, die in diesem Jahr Angehörige verloren haben, Nimaki.“ Diese konnten dann selbst auch noch Lichter kaufen.

„Vielen Dank, mein edler Fürst.“ Das kam von Herzen. „In diesem Fall erlaube ich mir selbst die Eskorte anzuführen. Mein Sohn starb mit seinem Daimyo.“

 
 

Totenfest


 

I

nu Yasha war eigentlich heilfroh als er allein in seinem Zimmer war. So zog er sich aus, wusch sich rasch und blieb am vergitterten Fenster stehen. Es war kühler, nun ja, für Sommer. Eigentlich hatte er sich darauf gefreut allein zu sein, aber jetzt musste er an Vater denken, der inzwischen sicher schon wieder in Nishijo angekommen war, an Kagome, die er gern wieder im Arm hätte. Aber er hatte ihr ja versprochen, dass sie sich besser kennen lernen sollten, und sie würde vermutlich böse werden. Das wollte er auch nicht, hatte er doch das Gefühl, dass sie sich schon angenähert hatten.

Jedenfalls war das schon mal gut, ebenso, dass die Berater, soweit er das seinerseits sagen konnte, wirklich etwas von ihren Angelegenheiten verstanden. Nur Fukuwara hatte er gleich abschlägig bescheiden müssen. Der war ja für den Handel zuständig und hatte ihm vorgeschlagen, den Reis, den Aoi dringend mehr importieren müsste, aus dem Westen zu holen. Nett gedacht, aber unmöglich. Zuhause… nein, in Nishi, wurde nur der Reis angebaut, den die Menschen da benötigten. Allerdings hatte ihm der Berater gesagt, dass das allermeiste Getreide aus Ayama importiert wurde, und Fürst Naraku die Preise erhöht hatte, angeblich wegen einer Missernte. Zu überprüfen sei das nicht gewesen, aber Fukuwara hatte eben gedrängt nach einer anderen Provinz oder einem anderen Fürstentum suchen zu dürfen, das diese Lücke ersetzen konnte. Nun ja, das hatte er selbst genehmigt, nur zu gut verstanden. Wenn Menschen Hunger hatten starben sie leicht.

Was sollte es. Morgen früh hatte er mit allen Beratern gemeinsame Audienz, dann, nach, hoffentlich kurzer Zeit, wollte er mit Hauptmann Nimaki mal die Samurai besichtigen und auch bei Toyomaru vorbeisehen, nachmittags ging es dann zu dem Totenfest. Oh ja, da musste er sich auch noch erkundigen. Seine Schwiegermutter hatte doch gesagt, man kaufe die Papierschiffchen und Kerzen. Er hatte Zeit seines Lebens kein Bargeld besessen. Ein dämonischer Fürstensohn brauchte das nicht. Er vermutete zwar ein Daimyo auch nicht, aber es wäre doch sicher … genau. Kagome und ihre Mutter brauchten das sicher und er sollte dann wohl auch für die Mühe bezahlen. Das musste er in der Morgensitzung wirklich Tarashi fragen. Wozu hatte man einen Kämmerer.

Nun ja. Jetzt sollte er sich einfach hinlegen und ausruhen. Morgen gab es schon wieder viel zu tun, aber er konnte Mamas gedenken. Das war ihm doch unglaublich wichtig.

 

Als Inu Yasha am späten Vormittag den Burgberg hinabging, Hauptmann Nimaki und Burgvogt Kagawa hinter sich, war er sehr zufrieden. Erstens hatte die Sitzung nicht lange gedauert, seine … wie das klang, aber eben seine Berater hatten verstanden, dass er kurz und knapp nach Prioritäten Berichte wollte und auch ebenso kurz entschied. Vater war da doch ein leuchtendes Vorbild, und, das musste er zugeben, dass Sesshoumaru das im Endeffekt ja auch schon so betrieb. Es gab auch ohne Diskussionen genug zu tun. Überdies, und das war ihm nur zu klar – die Verantwortung gegenüber dem Kaiser trug allein er.

So wandte er leicht den Kopf, als sie aus dem Tor des zweiten Rings kamen. „Nimaki, wie viele Männer sind momentan hier stationiert?“

„Zweihundert, Inu Yasha-dono. Fünfzig davon sind dem Burgvogt für die stetige Bewachung der Burg zugeteilt, fünfzig, wie gestern erwähnt, auf den Schutztürmen an den Grenzen.“

Ja, doch, das hätte er sich selbst ausrechnen können. Zufrieden bemerkte der junge Daimyo, wie sich die Samurai, da sie ihn und den Hauptmann bemerkten, militärisch aufstellten. Auf der anderen Seite des Torweges erschien auch Waffenmeister Toyomaru und die fünfzig Dämonenkrieger in Reihen, alle bereit für Befehle. „Ihr werdet zusammen üben.“

„Ja, Inu Yasha-dono. Das hatte ich bereits mit dem Waffenmeister besprochen.“

„Dann lass die Männer hinaus gehen auf die Ebene. Ich möchte sehen, wie menschliche Krieger gegeneinander üben. Toyomaru.“

Der Hundedämon stand mit einem Satz neben ihn und verneigte sich höflich – ein Satz, der die menschlichen Militärs doch leicht schlucken ließ. „Lass die Männer vor dem Tor üben. Ich will auch die dämonischen Krieger sehen.“

Der Waffenmeister hätte einwenden mögen, dass er das oft genug getan hatte, aber er vermutete, dass Inu Yasha intelligent genug war keine der beiden Arten bevorzugen zu wollen. Bislang schien sich der Junge… der junge Herr sowieso nicht schlecht zu halten, wenn er den Gerüchten aus der Burg auch nur einigermaßen trauen durfte. Er schien die ehemalige Herrscherfamilie, gerade die Frauen, freundlich zu behandeln, was ihm schon einmal die Anhänger der Higurashis zumindest nicht feindlich stimmte.

 

Die menschlichen und dämonischen Krieger begannen ihr gewöhnliches Training. Zum Unglück eines Hundedämons hatte Inu Yasha allerdings das gute Gehör seines Vaters geerbt und die Öhrchen auf seinem Kopf hatten tatsächlich die Worte „Arroganter Bastard“ entgegennehmen müssen. Bei so etwas besaß er keinen Geduldsfaden, eher eine Zündschnur. Mit einem Satz stand er vor dem zusammenzuckenden Hund. Seine Rechte lag an Tessaiga und der Daumen schnippte bereits in Kriegermanier die Sicherung zurück.

Toyomaru raste förmlich heran und fiel auf die Knie. „Inu Yasha-sama, bedenkt bitte, dass es sich um einen Krieger Eures verehrten Vaters, unseres mächtigen Fürsten, handelt und er unter seinem Schutz steht!“ Er hatte nie Tessaiga in Aktion gesehen, das hatte wohl nur der Fürst selbst beim Training mit seinem Jüngsten, aber wenn man wusste, wer Toutousai war - und das eine Spezialanfertigung für den zweiten Sohn des Taishou….

Der Halbdämon bedachte das durchaus. Er durfte diesen Kerl nicht umbringen. Ein kurzer Blick herum verriet ihm allerdings, dass alle das Üben aufgehört hatten und hersahen, Nimaki näher rückte, bereit für einen Befehl. Nein, das durfte er diesem Idioten von Hund nicht durchgehen lassen, sonst wäre sein Image hier komplett flöten. Er durfte den vielleicht nicht umbringen, nicht in Einzelteile zerlegen, wie es der große Bruder schon getan hätte, aber…. „Nimaki, wie heißt der Heiler?“

„Kango-sama.“ Das Erstaunen lag in der Stimme.

„Behandelt er auch Leute, die nicht zu der Burg gehören?“ Inu Yasha bemerkte durchaus, dass ihn nun alle verwirrt ansahen, nicht zuletzt der arrogante Hund vor ihm.

„Ja, Inu Yasha-dono,“ erwiderte der Hauptmann jedoch gedrillt. „Er benötigt nur den Namen und eine Rechnungsadresse.“

„Nun, wie ist dein Name, Krieger?“ Der Halbdämon klang gelassen. Oh, es war wahrlich nicht das erste Mal, dass ihm so ein dummer Hund schräg kam, aber das erste Mal, dass es jemand tat, der unter seinem militärischen Kommando stand. Das hätte sich weder bei Papa noch beim Bruder einer getraut. Er musste sich hier durchsetzen und zwar rasch. Und ohne den Idioten umzubringen. Immerhin war der Waffenmeister wieder aufgestanden, vermutlich in der richtigen Ahnung, dass er doch nicht so doof war Vaters Krieger zu meucheln. „Nun, gleich. Die Rechnung geht an mich.“ Er schüttelte ein wenig die rechte Hand. Da vorne war doch dieses Wäldchen, das war schon fast an der Straße, aber dazwischen stand niemand. Er sprang empor und schlug zu, scheinbar ins Nichts.

 

Jeder Dämon, der hier anwesend war, konnte spüren, dass die Energie des jungen Daimyo von nicht weiter bemerkenswert auf – ups, ein vollblütiger Dämon aus gutem Haus – hochschwappte. Und auch die Samurai samt Hauptmann und Burgvogt, die das nicht spüren konnten, vermochten zu sehen, wie noch in knapp einem Kilometer Entfernung fast zehn der alten Bäume in einer Reihe umfielen.

Inu Yasha landete wieder und musterte den Krieger streng, in der Hoffnung ähnlich eisig wie sein Bruder zu gucken. „Bereit für den Heiler?“

Der Hundedämon linste zum Waffenmeister, der unmissverständlich den Zeigefinger zu Boden richtete. So hatte er sich das eigentlich nicht gedacht. Niemand hatte doch je von diesem Halbmenschen….Nun gut. Das war der Sohn des Inu no Taishou und ein Daimyo. Im Vergleich zu Sesshoumaru-sama war der Heiler nach einer Tracht Prügel noch ein wirkliches Angebot und so ließ er sich auf die Knie sinken, legte die Hände auf das dürre Gras und neigte den Kopf bis zum Boden. „Vergebt einem elenden Narren, edler Daimyo.“

„Ich werde meine Klauen nicht an dir schmutzig machen. Aber du bist nutzlos. Toyomaru, leg ihn in Ketten und schicke ihn zum Fürsten des Westens mit der Bitte mir einen anderen Krieger zu senden, der seinen Dienst macht.“ Vater würde diesen, seinen, Krieger bestrafen, die Hierarchie in Nishi war strikt. Training mit Sesshoumaru oder so etwas wartete da sicher. Ihm war gerade noch eingefallen, dass es sich nicht mit seiner neuen fürstlichen Rolle vertragen würde eine Schlägerei anzuzetteln, selbst, wenn er sie gewann.

 

Die Folgen im Westen war allen Dämonen klar und so schwiegen sie auch, selbst der Betroffene, als sich der Daimyo abwandte und wieder zur Burg emporstieg, gefolgt vom Burgvogt. Alle anderen hatten ihre Anweisungen und begannen erneut mit dem Üben, doch überrascht über die unvermuteten Fähigkeiten des neuen Herrn. Und der eine oder andere Mensch beschloss mal bei den dämonischen Kollegen nachzufragen, wie Inu Yasha mit dem Schwert kämpfte. Ein starker Anführer hatte etwas, so sahen das die ausgebildeten Samurai, zumal wenn der, wie sie gehört hatten, auch von Strategie Ahnung hatte. Der würde sie nicht sinnlos in den Tod schicken. Nicht, dass sie Befehlen nicht gehorcht hätten, aber es war angenehmer das zu wissen.

Auch Hauptmann Nimaki war nicht vor dieser Neugier gefeit und meinte leise, als er neben dem Waffenmeister stand: „Ich wusste natürlich, dass Inu Yasha ein halber Dämon ist, aber das so zu sehen… Ich denke nicht, dass das alles war, was er vermag.“

„Er war mein Schüler. Und ich kann Euch nur den Rat geben sich ihm nicht gegenüberzustellen, wenn er ein Schwert in der Hand hat. Vor allem nicht, wenn er SEIN Schwert in der Hand hat. Tessaiga.“

„So vermag er durchaus Aoi zu schützen.“

„Ja,“ lautete die sachliche Antwort des Hundedämons.

 

Als der junge Daimyo samt Burgvogt den zweiten Ring erreichen, zuckten die Ohren des Halbdämons, als er aus dem Schrein fröhliches Gekicher hörte. Was war denn da los? Kagome? Er drehte ab und wurde so schnell, dass Kagawa lieber langsamer hinterherging.

Das Gelächter kam nicht aus dem Schrein, sondern aus dem Garten dahinter. Mit einem weiten Satz stand Inu Yasha dort im Tor. Es war schön, wenn Kagome sich so freute mit der Dämonenjägerin … und…. Er sah gerade noch mehr als verwundert, ja, leicht verärgert, dass Kagome nicht den Kimono trug, den sie zumindest zweilagig in der Burg ihrer Stellung gemäß tragen sollte, sondern das weiß-rote Gewand einer miko. Einer Schreinjungfrau.

War das schon nicht in seinem Sinn, so kam er gerade zurecht um zu sehen, dass Miroku, dieser Mönch, der dem alten hoshi helfen sollte, einen der von ihr verschossenen Pfeile aus einem Dachbalken ziehen wollte. Dabei verlor der Mönch das Gleichgewicht und stürzte nicht nur zu Boden, sondern von dem hölzernen Umgang auf den sandigen Hof. Im verzweifelten Bemühen irgendwo Halt zu finden, ruderte er wild mit den Armen und erwischte das weiße Oberteil. So landete Kagome ebenfalls unten, auf ihm.

Und ihr Ehemann sah durchaus nicht nur, wie erschreckt sie dreinguckte, sondern jäh entsetzt. Und er erkannte den Grund. Dieser Mistkerl von Mönch streichelte ihr Hinterteil. Keine Sekunde später stand Inu Yasha daneben, packte den alles andere als keuschen Gast am rechten Handgelenk und zerrte ihn förmlich unter Kagome weg, die seitlich rollte und sichtlich nichts verstand.

„Noch einmal,“ knirschte der Halbdämon, den die Szene zuvor mit dem Krieger bereits aufgebracht hatte. „Und ich reiße dir den Arm ab.“

Das war keine leere Drohung, dachte Miroku, der halb hängend, scheinbar ohne Mühe am ausgestreckten Arm gehalten wurde. Seine Schulter fühlte sich bereits an als würde der Knochen aus dem Gelenk gerissen. Bei Buddha, war dieser Halbdämon stark. Und auch noch sauer. „Es tut mir Leid, Inu Yasha-dono. Ich … ich wollte sie weder zu Fall bringen noch anfassen. Es ….es ist ein Fluch, dem alle Männer meiner Familie unterliegen. Ich….Es wird sicher nicht wieder vorkommen. Ich schwöre es Euch.“ Die Alternative wäre mindestens mit nur noch einem Arm als Lustmolch, der sich an einer Fürstin vergriffen hatte, zurück in die Residenzstadt geschickt zu werden – und da er dann auch noch seine Strafversetzung mit dem gleichen Tatbestand verwirkt hatte, wartete sicher der Henker auf ihn. Immerhin wurde er losgelassen.

 

Kagome hatte sich unterdessen aufgerappelt. Ihr Götter, war der sauer. Was hatte Inu Yasha denn nur? Weil Miroku sie versehentlich mit umgerissen hatte? Das hatte der junge Mönch doch nicht mit Absicht gemacht. Nun ja, er hatte sie sicher mit Absicht da gestreichelt ... Ach du je. Sie selbst bat ihren eigenen Ehemann Abstand zu halten um sich besser kennen zu lernen und dann musste er so etwas auch noch mitbekommen. War das etwa Eifersucht? Das war doch nachgerade lächerlich, sie wollte doch sicher nichts von diesem Mönch … und… Sie wollte ihm auch schon deutlich sagen, dass er sich wirklich albern benahm, als ihr Blick auf den Burgvogt fiel, der höflich im Tor stehen geblieben war. Das brachte sie zur Vernunft, noch ehe sie den anscheinend verrückten Halbdämon zu Boden schicken konnte. Das war eben der Daimyo. Und, wenn sie sah, wie er die Augenbrauen hochgezogen hatte, die Augen groß und dunkler geworden waren, er noch immer sichtbar die Fangzähne zusammenpresste, ein sehr aufgebrachter Daimyo. Es war wohl besser auf gut Wetter zu machen. So neigte sie lieber den Kopf. War es nur die Szene mit Miroku, die ihn so ärgerte? Oder, weil sie hier Pfeile schoss? Wollte er das nicht? „Ich freue mich Euch zu sehen, Inu Yasha-sama,“ begann sie behutsam. „Ich … habt Ihr etwas dagegen, dass ich hier übe? Mein Großvater lehrte mich in den letzten Jahren allerlei als Priesterin, um das shikon no tama hüten zu können, falls es je wieder auftaucht….“

„In dieser Kleidung!“

Sie verstand absolut nicht und blickte an sich hinunter. „Nun ja, es ist doch die Kleidung einer miko?“

„Eine miko nennt man auch Schreinjungfrau,“ knurrte er und bemerkte, dass sie endlich begriff.

Tatsächlich hatte sie nicht bedacht, dass sie unverheiratet das durchaus tragen konnte, aber verheiratet und Jungfrau eben nicht zusammenpasste. Ach du liebe Güte, dachte er etwa, sie wolle so subtil ihr gemeinsames Geheimnis verraten? Für was hielt er sie? Nun ja. Das sollte sie wirklich gerade biegen, ehe sie tatsächlich noch eine Ohrfeige kassierte. „Ich bitte um Entschuldigung, mein Herr und Ehemann.“ So hatte das Mama bei Papa doch auch immer gesagt. „Ich werde künftig im zweilagigen Kimono üben. Wenn ich Bogen schießen darf?“

„Meinetwegen.“ Inu Yasha hörte durchaus, dass ihre Stimme schwankte und vermutete zurecht zwischen der Erkenntnis der Tatsache, dass sie einen riesigen Fehler begangen hatte hin zu Wut, dass er ihr das zutraute. „Überdies solltest du dich umziehen. Wir wollen doch zu dem Totenfest.“

„Oh, ja, natürlich.“ Kagome sah sich gezwungen daran zu denken, dass er das Mama und ihr immerhin prompt gestattet hatte. Er war wohl wirklich nur wegen Miroku und der falschen Kleidung so ärgerlich gewesen. „Danke für die Mahnung.“

„Ihr dürft alle gehen.“

Kagome presste auf der Stelle die Lippen zusammen, aber natürlich durfte man ohne Erlaubnis nicht einfach einen Fürsten stehen lassen.

Erst draußen, ein gutes Stück schon in der inneren Burg flüsterte Sango: „Er war wirklich wütend. Ich hoffe, dieser Mönch nimmt sich das endlich mal zu Herzen. Du ahnst nicht, wie oft ich ihm allein auf der Anreise schon Ohrfeigen geben musste, weil der Narr nie seine Hand bei sich behalten kann.“

Kagome seufzte etwas. „Ich hatte das Gefühl er war eifersüchtig.“

„Ihr seid immerhin verheiratet,“ gab die Dämonenjägerin zu bedenken. „Und, man sagt, niemand würde einen so guten Schutzinstinkt besitzen wie Hundedämonen.“

 

Als Inu Yasha pünktlich erneut die Burg hinunter ging, erwartete er eigentlich zwei Sänften und zwanzig Mann Eskorte. Statt dessen tummelte sich dahinter allerlei Menschenvolk jeden Alters und Geschlechts. Irritiert wandte er den Kopf zum Burgvogt. „Was ist das denn für einen Völkerwanderung, Kagawa?“

„Es handelt sich um Menschen, die im vergangenen Jahr einen Angehörigen verloren haben, Inu Yasha-dono. Sie baten mich zum Fest gehen zu dürfen, was sie jedes Jahr tun. Nun wollten sie jedoch die Möglichkeit nutzen gemeinsam mit Euch und den Samurai zu wandern. Ab und an kommt es doch im Vorfeld solcher Feste zu Diebstählen oder Überfällen, obwohl Fukuwara und natürlich Nimaki die Wege sichern lassen. Aber die Leute haben eben auch immer Münzen dabei.“

Ja, sogar er, dachte Inu Yasha, der sich vom Kämmerer welche besorgt hatte und sie nun in der Ärmeltasche trug. „Die Funktion und Sicherheit der Burg ist gewährleistet.“ Darin lag keine Frage.

Kagawa verneigte sich auch nur, durchaus zufrieden, das ihm das zugetraut wurde.

Es war das erste Mal, dass der junge Halbdämon direkt hinter dem Standartenträger lief. Gewöhnlich war ja immer Vater der Erste gewesen. Immerhin musste Fukuwara schnell gewesen sein, denn obwohl die Samurai noch die grünen Hosen der Higurashi trugen, wehte der kleine Wimpel vor ihm in rot und gelb, seinen Farben, dachte er stolz. Hinter ihm kamen die beiden Sänften, nach außen begleitet von den Samurai und Sango und Miroku, die tatsächlich recht einträchtig schienen, dann folgten die Zivilisten.

Kosaten, den Marktflecken, kannte er ja nur vom Vorbeigehen, als sie den Pass heruntergekommen waren, aber da waren viele Neugierige aus der Stadt gekommen. Jetzt strömten Menschen hinein. Als Herr der Provinz kam man allerdings glatt durch. Zwei Samurai waren ohne weitere Anweisung zu dem Standartenträger, und damit an ihm vorbei, gerückt, und schrien nun abwechselnd: „Platz für den mächtigen Daimyo! Verneigt euch! Platz für den mächtigen Daimyo, verbeugt euch!“

Die Menschen wichen eilig beiseite, fielen auf die Knie, und ließen die Karawane durch, wobei Inu Yasha durchaus bemerkte, dass die Menschen der Burg sich bereits verstreuten. Und er sah sehr wohl die Menge an neugierigen Blicken, die auf ihm lag. Nun ja, der Zollwächter hatte mir Sicherheit ausgeplaudert, dass der neue Daimyo aus dem Westen käme, ein Dämon sei.

 

Auf einem großen Platz direkt am Fluss waren besonders viele Stände aufgebaut. Der Standartenträger hielt an und blickte sich um. So drehte sich auch der Halbdämon um und ging zu der ersten Sänfte. „Steig aus, Kagome. Geh mit deiner Mutter und Sango.“

Sie wollte schon fragen was er tun wolle, als er zu der zweiten Sänfte ging. „Giri-no-haha-sama, wir sind da. Habt Ihr genug Geld dabei?“

Die ehemalige Fürstin blinzelte etwas, dass er daran dachte, meinte jedoch: „Ja, danke, Inu Yasha-sama. Ich erhielt stets auch einiges in bar von meinem …vom Daimyo.“

„Dann geht mit Kagome und Sango zu Eurem Schutz.“ Er bot ihr die Hand zum Aussteigen. Wie Mama, dachte er, als er das scheue Lächeln seiner Schwiegermutter sah. Ihre Witterung war auch so sanft und mild.

Kagome, die herangekommen war, schwankte zwischen gewisser Freude, dass er so nett zu ihrer Mutter war, und der schlichten Tatsache, dass er diese so höflich anredete, sie selbst duzte und ihr jedenfalls nicht die Hand zum Aussteigen geboten hatte. War das auch Eifersucht? Hatte er so ähnlich empfunden, als Miroku sie... Egal, beschloss sie dann. Ging sie eben mit Mama und dieser halbdämonische Trotzkopf sollte doch machen, was er wollte!

 

Der wandte den Kopf. „Nimaki? Lass die Männer sich zerstreuen. Wir kehren um acht Uhr hierher zurück.“

„Ja, Inu Yasha-dono. Darf ich Euch nur noch rasch Warizan-san vorstellen? Er ist der Ortsvorsteher von Kosaten.“

Der Menschenmann verneigte sich überaus tief. Es war das erste Mal seit Jahren, dass der zuständige Daimyo sich bei diesem großen Fest sehen ließ und noch dazu mit seiner Familie. Das konnte nur gute Werbung sein, denn die Einnahmen durch zum Teil tagelang angereiste Gäste konnte gerade die ärmere Bevölkerung in den Wäldern gut brauchen, die im Winter Papier und diese Schiffchen herstellten, wilden Bienen im Frühling ihren Honig abnahmen und die Kerzen daraus machten. Sonst lebten sie von Jagd und Holzwirtschaft. Hier, Kosaten selbst, hatte natürlich Anteile am Handel, zumal durch die Zollstation und die Marktgebühren.

Inu Yasha sah eine Chance rasch und konzentriert Auskunft über die Stadt und dieses Fest zu bekommen. „Warizan. Begleite mich ein wenig und erzähle mir über den Ort, den Markt, und natürlich die Zollstation.“

Falls sich der Ortsvorsteher kontrolliert fühlte, so zeigte er es wohlweislich nicht.

 

Kagome stand neben ihrer Mutter als die sich neigte und das Schiffchen mit der brennenden Kerze auf den Fluss setzte. Sie sah durchaus, dass Mama weinte, aber sie wollte nichts sagen oder tun, da diese sich so bemühte es zu verbergen. Auch Sango hatte ein Schiffchen ins Wasser gelassen, für ihre Mutter, hatte sie gesagt. Miroku, der mit ihnen gegangen war, für seinen Vater. So viele Menschen vermissten jemanden, wenn sie sich nur umsah. Der ganze Fluss sah fast wie ein Sternenhimmel aus, so viele Schiffchen schwammen hinunter, Richtung Meer. Sie zündete mit dem langen, mitgekauften Streichholz ihre eigene Kerze an und setzte sie in das Papier, ehe sie es vorsichtig abließ. Für Vater. Hoffentlich würde er den Weg finden. Und hoffentlich wäre er auch zufrieden mit seinem Nachfolger. Inu Yasha schien sich wirklich Mühe zu geben, wenn sie bedachte, dass er sogar jetzt noch mit dem Ortsvorsteher geredet hatte, seinen eigenen Samurai erlaubte zu trauern.

Leb wohl, Vater, dachte sie, als sie ihr Schiffchen in der Dunkelheit und den anderen verschwinden sah, als sie plötzlich feststellte, dass sie viel mehr Platz als zuvor hatte. So blickte sie nach links, wo der rot gewandete Grund für den Abstand ebenfalls eine Kerze anzündete und sein eigenes Schiffchen ins Wasser ließ. Sie bemerkte, dass er kurz die Lippen zusammenpresste, dann die Fangzähne so, dass die Muskeln über den Wangenknochen herausstanden, ehe er tief durchatmete. Um wen … Ach, war sie dumm. Er hatte seine Mutter verloren. Aber, das mussten doch schon Jahrzehnte her sein, wenn nicht mehr als hundert Jahren? Und noch immer vermisste er seine Mutter offensichtlich schmerzlich. Er war ein Halbdämon, aber in diesem Moment so menschlich, dass sie es einfach wagte seine Hand zu nehmen.

Inu Yasha fühlte, wie sich zarte Finger um seine Klaue schlangen und sah überrascht beiseite. Es war die erste vollkommen freiwillige Berührung seit sie verheiratet waren. Er schloss die Hand um die ihre. „Es ist sehr schön,“ sagte er leise ohne den Blick von den Lichtern zu nehmen. Und er könnte jedes Jahr herkommen, wenn er schon nicht mehr zu Mamas Gedenkstein gehen konnte.

„Wohin fließt der Fluss eigentlich? Ins Meer? In Nishi?“

„Hm?“ Ach ja, er floss von hier aus Richtung Westen, da kam die Frage natürlich auf. „Er fließt in das Meer, ja, aber er kommt nicht durch die Kalkberge, sondern biegt ab, erst durch die sechste Provinz des Kaiserreiches, die gehört Daimyo Kamura, dann durch Sobo, dem Fürstentum der Füchse. Dann, weit im Süden in das Meer.“

„Inu Yasha? Ich weiß ja, Frauen sollen nichts lernen, aber kannst du mir mal zeigen, wie man so eine Karte liest?“

Der lächelte sie an und da sie das Lächeln zurückgab, hoffte er, dass sie dabei waren sich anzufreunden. „Ja, klar. Vielleicht morgen, da gibt es doch einen Garten? Oh, übrigens, kannst du Tee machen?“

Kagome wurde rot. Für die komplizierte Zeremonie fehlte ihr meist die Geduld. „Nicht so richtig.“

Er hätte ihn auch nur ihr zuliebe getrunken, wenn sie sich auch solche Mühe gegeben hätte wie einst Mama. „Gut, ich mag ihn nicht.“ Ebenso wenig wie jetzt ihre Hand loslassen, vollkommen gleich, ob sich das in der Öffentlichkeit schickte oder nicht.

 

Die Menschen aus Kosaten, der Burg und die angereisten Gäste sahen diese Geste der Higurashi-Tochter und des halbdämonischen Daimyo und wagten zu hoffen, dass eine glückliche Ehe auch für sie etwas Gutes verhieß. Es hatte sich überdies wie ein Lauffeuer herumgesprochen, dass der Daimyo für alles, was er gewollt hatte, auch ordnungsgemäß bezahlt hatte, ebenso wie die Fürstinnen. Niemand hätte ihm etwas verweigert, natürlich, man versagte niemandem etwas, der einem den Kopf abschlagen lassen konnte, aber so war es doch viel besser.

 

 
 

Gartenmomente


 

D

ie Gespräche mit seinen Beratern waren heute erfreulich kurz ausgefallen – die Stoffe für die neue Kleidung der Samurai und auch Kagomes Seide für offizielle Anlässe waren bestellt, zu einem gut Teil sogar aus Aoi, wo es tatsächlich im Norden neben den ganzen waldigen Hügeln eine Ebene gab, in der Reis und Leinen angebaut wurde. Die Schneiderei hier in der Burg hatte seit alters her das Privileg für die Fürstin und den Daimyo zu schneidern, aber auch die Schneider der umliegenden Ortschaften wurden zusammengezogen um hier das für die Krieger möglichst rasch abzumessen und erledigen zu können. Inu Yasha war zufrieden gewesen und hatte die prompte Umsetzung seiner Wünsche auch gelobt. Machte chichi-ue auch immer, wenn jemand mehr als nur seine Pflicht getan hatte. Und, dass Stoffe und Schneider aus Aoi stammten, würde auch bedeuten, dass sie mehr verdienten, mehr ausgaben und letztlich mehr Steuern zahlten, soweit reichte seine kaufmännische Ausbildung.

So saß er am Nachmittag in dem abgetrennten Privatgarten der Familie und betrachtete ihn. Von Mauern umgrenzt. Hier in der inneren Burg war nicht viel Platz, aber er war klein und sehr grün angelegt. In Kirschbäumen hingen Käfige mit Singvögeln, es gab viel Schatten, der jetzt selbst im Spätsommer wirklich willkommen war. Hm. Singvögel und auch sehr kunstvoll angelegte Blumenbeete, sowie einen kleinen Meditationsgarten aus Stein, Sand und einem winzigen Teich geradezu. Allerdings perfekt angelegt. Und das Kissen davor verriet, dass das wohl ein Platz für den Hausherrn war. Die Vögel und die Blumen waren wohl eher für die Frauen der fürstlichen Familie bestimmt, die ja nur den Frauentrakt und diesen Garten benutzen durften, außer, ein Fest stand an, bei dem zumindest die Gegenwart der Fürstin erwünscht war.

Das war eigentlich alles, was ihnen zum Leben zugestanden wurde, und sie mochten sich oft wie die Vögel in den Käfigen fühlen.

Kagome hatte immerhin gebeten er solle ihr doch eine Landkarte erklären und so hatte er eine Rolle mitgebracht, ehe er sie rufen ließ. Sie wollte lernen, sie war ihm auch durchaus trotz allen Temperaments intelligent vorgekommen. Konnte man als Daimyo einen Teil der Arbeit an die Fürstin abtreten? Eher nicht. Aber sich anfreunden konnte man, miteinander reden, das war doch auch etwas. Und immerhin hatten sie ja schon mal angefangen, fand er.

 

Kagome war ein wenig überrascht gewesen, dass sie in den Garten kommen sollte, daraus aber geschlossen, dass ihr Ehemann sie nicht … nun ja, sich an sein Wort halten wollte, und war doch etwas erleichtert hinaus gegangen. Er saß unter einem Baum, schien recht locker und so verneigte sie sich etwas, da die Hofdame, die sie herbegleitet hatte, noch anwesend war. Erst, als sie unter sich waren, ließ sie sich einfach ihm gegenüber fallen. „Es ist wunderschönes Wetter,“ sagte sie mit einem Blick auf die Rolle neben ihm. „Ist das…“

„Eine Landkarte, ja. Ich habe sie dir mitgebracht.“ Inu Yasha freute sich, dass sie sich sichtlich freute. Doch, es war gut auf sie einzugehen, da hatte Vater schon recht gehabt. Er rollte die Karte aus. „Halt mal das Ende da. Das ist die Karte von Aoi.““

Kagome warf einen Blick auf die Zeichnung, während sie sie mit der Linken ebenso festhielt wie er mit der Rechten. „Das ist ja beschriftet,“ stellte sie fest. „Burg Higurashi, die Vulkane von Niigata…..“ Diese Dreiecke mit Wolke drüber bedeutete dann wohl Vulkane.

„Du kannst lesen?“

Sie wurde rot. „Ja. Gefällt dir das nicht?“ Das würde ihr nicht gefallen, denn dann müsste sie sich ihr Leben lang dümmer stellen als sie war. Nun ja, aber allerdings besser als verbannt oder eher weggesperrt zu werden, irgendwohin in ein Dorf oder auch diesen alten Sommerpalast in der Einöde, wo die letzte Fürstin der Hauptlinie nach dem Todes ihres Mannes ihre Tage verbracht hatte, immerhin auf eigenen Wunsch. Das war durchaus das Recht – und die Macht – eines Daimyo als Ehemann.

„Doch, meine Mutter konnte das auch.“ Aber sie war auch eine kaiserliche Prinzessin gewesen und er hatte bislang angenommen, dass das nur in diesem Haus üblich war. Auch viele Dämonen hielten ihre Ehefrauen lieber dumm und damit pflegeleicht. Er fand die Idee sich anzufreunden war bestimmt besser, schließlich hatte er hier ja niemanden sonst. Nun ja, Toyomaru, aber das konnte er sich als Fürst einer Provinz auch nicht leisten. Langsam verstand er, was Vater so an Myouga fand. Der war loyal und wohl das, was am ehesten für chichi-ue als Freund galt – und der Flohgeist zählte für niemanden sonst. Im Gegensatz dazu sehr wohl in einer menschlichen Provinz der dämonische Kommandeur von immerhin fünfzig Hundekriegern.

Sie atmete doch auf, versuchte allerdings in instinktiver Verteidigung eine Erklärung. „Äh, ja, ich weiß, dass Fürstentöchter wenig Wissen haben sollen, aber Mama war ja nur eine Tochter eines Priesters aus der Nebenlinie und so hatte niemand was dagegen, dass Großvater sie lernen ließ. Als dann die Hauptlinie ausstarb … Naja, und Vater erlaubte auch, dass ich mit meinem Bruder lerne.“

„Lesen und Schreiben, aber keine Karten?“ Das war doch irgendwie Blödsinn.

Er klang so verwundert, dass sie erneut errötete. Das war Tadel an ihrem Vater. „Nur das, und Mama brachte mir das bei, was sie noch wusste. Und Großvater dann das mit dem Schrein. Es sollte ja immer jemand da sein, der das Juwel hüten könnte, wenn es je wieder auftaucht.“

„Wieso ist es eigentlich weg?“

„Großtante Kikyou, also Großvaters Schwester, war die letzte Hüterin. Sie versteckte es, nachdem sie von einem Krankenbesuch zurückkehrte, auf dem Weg. Sehr gründlich. Opa erzählte, sie sei sehr blass gewesen und auch bald gestorben. Vermutlich hatte sie sich angesteckt und wollte sicher gehen, dass das shikon no tama nicht in die Hände eines Dämonen … oder überhaupt in falsche Hände fällt,“ korrigierte sie sich eilig.

„Keh. Und jetzt ist es weg. Was kann das tolle Juwel denn?“ Schon Vater war doch darauf dauernd herumgeritten und hatte das mit als Grund genannt, warum er ausgerechnet hier Daimyo werden sollte.

„Das weißt du nicht? Ich dachte, es sei berühmt. Nun ja. Es heißt, sagte mein Großvater, dass ein Dämon dadurch viel stärker wird, mächtiger. Und einem Menschen wird ein Wunsch erfüllt. Allerdings nur einer. Es ist sicher sehr mächtig und wer immer es hütet sollte aufpassen. Nicht nur auf das Juwel, sondern auch auf sich. So genau weiß ich es auch nicht. Kikyou hatte ja eigentlich eine Schülerin nehmen sollen, aber sie fand lange niemanden, und dann war es wohl zu spät. Sie sagte jedenfalls zu Opa, dass nur jemand aus unserer … also, ein Higurashi es finden könne.“ Sie gehörte ja nicht mehr zu ihrer Herkunftsfamilie.

„Es wirkt also auf Menschen und Dämonen?“

„Äh, ja.“ Kagome war leicht erstaunt, dass die Geschichte, die sie seit ihrer Kindheit kannte, jemandem nicht bekannt war. „Vor langer Zeit lebte eine Priesterin in Aoi namens Midoriko. Sie war eine Higurashi. Damals war noch Krieg zwischen Dämonen und Menschen und sie schützte die Menschen, bekämpfte die Dämonen.“

„Das ist also mehr als dreihundert Jahre her.“ Vater und der alte Wolfsfürst hatten dann begonnen mit dem damaligen Kaiser zu verhandeln, der Fuchsherr war dazugestoßen und letztlich auch der Katzenfürst. Gemeinsam hatten sie die jetzige Länderverteilung besprochen und auch den Drachenkönig dazu bewogen mitzuziehen, der sich in seinem Schloss am Meeresgrund sowieso wenig um die Belange an Land scherte.

„Ja. Eines Tages traf sie einen sehr starken Dämon und kämpfte mit ihm. Als sie zu unterliegen drohte, sie wurde müde, opferte sie sich und schloss ihre eigene Seele mit der des Dämonen ein und versiegelte sie. So entstand das shikon no tama. Der Kampf geht angeblich dort drin ewig weiter, deswegen soll der Hüter eben nicht eigensüchtig sein, weil er sonst den Dämon da drin stärkt.“

Die bernsteinfarbenen Augen des Halbdämons zogen sich etwas zusammen. „Du hast doch gerade gesagt, dass es einen Dämon stärker macht?“

„Ja, weil dann der Dämon im Juwel sich mit dem wohl verbindet, oder so.“

Inu Yasha verstand sehr wenig von Magie, aber er fragte: „Und, was würdest du dir wünschen?“

Kagome war überrascht. „Ich? Äh, nichts, denke ich. Ich meine, das ist ein magischer Gegenstand, aber man hat eben nur einen Wunsch frei. Vielleicht gibt es später etwas, was wirklich wichtig wäre und dann hat man ihn verbraucht. Und du? Mehr Macht?“ Das wollte doch angeblich jeder Dämon.

Der junge Daimyo zuckte etwas die Schultern. „Danke, aber mir reicht das hier wirklich schon. Noch mehr Macht bedeutet ja auch noch mehr Arbeit und Pflichten und so.“ Chichi-ue hatte immer gesagt und vorgelebt, dass mit mehr Macht auch mehr Verantwortung und damit Pflichten einhergingen.

Kagome lächelte etwas. Er war zufrieden mit dem, was er hatte, das war doch schon mal gut. Sicher würde er nicht gegen andere Provinzen Krieg führen wollen oder so, wie es einige der Frauen schon geflüstert hatten, durchaus misstrauisch gegenüber dem Dämonensohn. Andere hatten eingewandt, dass er doch immerhin ein Kaiserenkel sei. Die hatten wohl recht. So sah sie wieder auf die Karte und entdeckte einen bekannten Namen. „Mochi.“

Inu Yasha blickte daher suchend ebenfalls hinunter. Das war ein Ort ziemlich nahe an der nördlichen Grenze. „Warst du da schon?“

„Äh, nein, aber ich weiß, dass sie da einen berühmten Tempel zu Ehren Inaris haben und jedes Jahr ein großes Erntefest gefeiert wird. Da gibt es auch ein großes Kloster.“

„Erntefest?“ Ja, da hatte doch Tarashi, der Kämmerer, in der heutigen Besprechung was erwähnt? Genau, eine Spende des Daimyo sei da üblich. Nun ja, es wurde Herbst und die Reisernte war wohl eingebracht. „Reis, oder?“

„Ja, ich denke schon.“ Das hatte ganz sicher nicht zu ihrer Ausbildung gehört, klang jedoch plausibel.

Die einzige Gegend in ganz Aoi, in der Reis angebaut werden konnte. Alles andere war zu hügelig und bewaldet. Man müsste Terrassen anlegen und das war zu aufwendig oder es mangelte an Wasser. Gleich. Es ging jedenfalls nicht. Umso wichtiger war da die gute Ernte. „Das liegt nahe an der nördlichen Grenze“, erklärte er dann doch lieber. „Das hier ist Norden, Süden, Osten, Westen.“

„Das hier ist nur angedeutet …“

„Ja, das sind die dämonischen Fürstentümer, Ayama, das ist hier die Grenze, entlang der Pforte von Ronin bis zu den Vulkanen, und da ist Nishi, der Westen, mein ….woher ich komme.“

Sie sah ihn an. Natürlich. Er vermisste seine Heimat, seine Familie. Einfach war es für ihn bestimmt nicht. So lächelte sie fast entschuldigend. „Aoi ist doch sicher auch schön. Wann wirst du reisen? Ich meine, Vater war auch immer wieder eine Woche weg.“

„Du warst noch nie weg?“

„Nur einmal, da war mein Bruder gerade auf die Welt gekommen und ich noch ganz klein, da reiste mein Vater mit Mama und uns durch das Land um seinen Erben in einigen Tempeln vorzuzeigen. Aber sonst war ich immer hier in der Burg.“

Das klang schrecklich langweilig. Sie hatte ihn jetzt schon ein paar Mal angelächelt und das war so schön, machte irgendwie so warm. Er sollte ihr wirklich einen Gefallen tun. Nur, welchen? Ein sehr spontaner Einfall ließ ihn fragen: „Willst du mit nach Mochi?“

„Nach Mochi?“ echote Kagome verwirrt. „Du meinst, du willst zu dem Erntefest und ich soll mit, so mit Sänfte und Samurai und so?“

Nein, das hatte er eigentlich nicht vorgehabt. „Ohne Sänfte, nur wir zwei, naja, das geht wohl nicht. Frag doch Sango, so als Hofdame mitzukommen,“ entschied er dann, noch immer ohne weiter nachzudenken. „Und dieser Miroku. Ja, genau. Ich gehe sozusagen privat dorthin, als Pilger, und nehme geistliche Berater mit. Wenn wir außerhalb der Burg sind, kannst du ja das miko-Kostüm anziehen, das ist sicher besser für eine Wanderung.“

„Wanderung? Du willst da zu Fuß hin? Inu Yasha, ich bin noch nie weiter als bis nach unten in den dritten Burgring gelaufen!“ Sie war fassungslos.

„Keh! Das geht schon. Und die bekommen für ihr Fest sowieso immer eine Spende vom Daimyo, die bringe ich eben persönlich hin.“ Er sah auf die Karte, immer begeisterter von seiner Idee. „Das ist doch mal was, da kommen wir beide hier raus. Und dann, gehen wir hier lang, ich kontrolliere für alle sozusagen die nördliche Grenze, dann diese Pforte von Ronin und wir kommen gemütlich nach zwei Wochen wieder her.“

„Zwei Wochen in der Wildnis?!“ Sie hatte nicht gewusst, dass man mit derart offen stehendem Mund noch reden konnte.

„Ist nicht so schlimm, ich meine, ich pass schon auf dich auf. Und, wenn du müde wirst, trage ich dich. Wirklich, kein Problem. Du, Kagome, das wird ein nettes kleines Abenteuer.“

Ein sehr großes, so, wie sie das sah. „Ich bin mir nicht sicher, ob man das so darf. Und wirklich, ich bin noch nie draußen gewesen.“

„Keh! Bin ich hier der Daimyo oder nicht? Du redest mit Sango, die soll mit dem Mönch reden. Und ich rede auch brav mit meinen Beratern. Das wird toll.“

Er freute sich so sichtlich, dass Kagome schlicht seufzte. Natürlich durfte er ihr Befehle erteilen und sie war ja auch willens ihre Pflicht als Ehefrau zu erfüllen – aber zwei Wochen außerhalb der Burg, draußen leben und schlafen? Ohne Samurai? Zum nächsten Mal in den wenigen Tagen seit der Hochzeit bekam sie das Gefühl, dass sie sich ein vollkommen falsches Bild von ihrer Ehe gemacht hatte. „Und, wenn uns jemand überfällt?“

„Der hat Pech gehabt.“ Er legte vielsagend die Hand auf die Schwertscheide, die neben ihm im Gras lag, erkannte dann jedoch die Sorge in den braunen Augen. „Keine Angst, das habe ich schon öfter gemacht. Falls es hier in Aoi überhaupt Gefahren gibt. Hauptmann Nimaki hat mir gesagt, dass die Wege alle bewacht werden.“ Falls der gelogen hatte, würde er ihm sonst was erzählen. Straftraining mit Toyomaru?

„Ich dachte auch mehr an … Dämonen.“

„Armseliges Gewürm,“ erklärte der Fürstensohn aus dem Westen prompt. „Die lernen dann mein kaze no kizu kennen. Das ist der Standardangriff mit Tessaiga. Dir passiert sicher nichts, wenn ich dabei bin.“

Mehr als dieses Versprechen konnte sie wohl nicht erwarten. „Wie Ihr wünscht, Inu Yasha-dono,“ sagte sie, da schon wieder ein Diener aufkreuzte. Auch, wenn sie das für eine wirklich dämliche Idee hielt.

 

Zu ihrer gewissen Überraschung freute sich Sango, als sie ihr von diesem Plan erzählte.

„Oh ja, endlich einmal raus!“

„Im Wald übernachten? Und wie bekommen wir zu essen? Und, Sango, ich bin nie weit zu Fuß gegangen.“

„Musst du ja auch nicht.“ Die Dämonenjägerin überreichte ihre winzige Katze, die sich prompt auf dem Schoß der jungen Fürstin zusammenrollte. „Kirara mag dich. Und sie wird dich bestimmt auch mit tragen.“

Mehr als irritiert blickte Kagome auf die Babykatze mit zwei Schwänzen. „Sango ….“

„Du wirst es dann schon sehen. Und in den Norden, ja. Die nächste Provinz da ist meine Heimat, weißt du? Vielleicht treffe ich in Mochi auch jemanden. - Ich lasse Kirara bei dir und informiere mal Miroku.“

Jetzt war Kagome endgültig verwirrt, zumindest, dass da kein Widerwort kam. Sicher, es war der Befehl, aber… „Du hast doch selbst gesagt, dass er dir auf der Reise von Heiyokyo hierher schon lästig fiel.“

„Ja, aber dann muss er auch mit meinen Ohrfeigen leben. Und dich fasst er bestimmt nicht mehr an. Inu Yasha war da doch recht nachdrücklich.“

Nachdrücklich, dachte die bislang behütete Fürstentochter. Nun ja. Er hatte gedroht ihm den Arm abzureißen und konnte das wohl auch durchführen. Ihre neuen Bekannten, inklusive Ehemann, waren wohl ganz anders als ihr bisheriges Leben. Vielleicht wäre es wirklich gut sie genauer kennen zu lernen. Und das, was die als Abenteuer bezeichneten. Vielleicht war das eben auch das richtige Leben? Nicht das einer Fürstentochter oder Fürstin? Sie hatte manchmal durchaus das Gefühl gehabt, dass die Welt außerhalb der Burg eine vollkommen andere war, selbst was so manche Beamtengattinnen erzählten, wenn ein Gespräch aufkam. Aber sie streichelte die kleine Katze. „Ja, mach nur. Das ist immerhin der Befehl das Daimyo.“ Sie hielt sich an ihr anerzogenes Weltbild.

 

Am folgenden Tag ließ Inu Yasha seine Angetraute und Sango erneut in den Garten kommen. Er strahlte, stutzte jedoch, als er die kleine Katze auf dem Arm der Dämonenjägerin entdeckte, die ihrerseits ihn musterte.

„Eine nekomata,“ sagte er überrascht, ehe er in gewisser Höflichkeit den Kopf neigte. „Wie ist dein Name?“

Sango war ein wenig erstaunt, dass er nicht sie fragte, sondern die Katze, meinte jedoch: „Sie kann nicht sprechen. Kirara.“

„Was ist eine nekomata?“ fragte dagegen Kagome prompt. Sie hatte die kleine Katze mit zwei Schwänzen bislang für eine, nun ja, unglücklich geborene Hauskatze gehalten.

Der Halbdämon warf ihr einen raschen Blick zu, erwiderte jedoch: „Eine nekomata ist ein Dämon, der sich entweder aus einer Hauskatze entwickelt, die bei dem Versuch stirbt einen Menschen zu retten, oder auch so in bestimmten Gegenden lebt. Und, ehe du fragst – nein, sie ist deutlich mächtiger und viel ranghöher als ein Wurmdämon.“

Kirara maunzte, was wohl als Bestätigung gelten sollte. Sango meinte: „Ich weiß es nicht so genau. Sie kann sich in eine andere Form verwandeln und ist schon sehr lange bei uns, also, den Dämonenjägern. Ursprünglich soll sie aus Aoi stammen, deswegen bekam ich sie geschenkt, als ich nach Hause schrieb, dass ich hierher gehen soll. Sie soll einst mit Midoriko durch die Lande gezogen sein.“

„Aber, das wäre ja Jahrhunderte her,“ entfuhr es Kagome entgeistert, ehe ihr einfiel, dass Inu Yashas Eltern ja wohl auch vor zweihundert Jahren geheiratet hatten. Nun ja, sie hatte erst gestern gedacht, dass die Welt außerhalb der Burg ganz anders sei. „Eine Dämonenkatze? Aber, Kirara, du bist so niedlich!“

„Nicht, wenn sie kämpft,“ meinte Sango nur. „Da ist sie für sehr viele Dämonen eine tödliche Gefahr. Du wirst ihr anderes Aussehen schon bald sehen, denn sie hat ja zu erkennen gegeben, dass sie dich dann auch tragen würde.“

Schön, dachte die junge Fürstin. Sie würde also wohl ein vollkommen anderes Leben kennen lernen. Womöglich das echte?

„Kommt Miroku auch?“ erkundigte sich Inu Yasha bei der Dämonenjägerin.

„Ich sagte ihm Bescheid, aber der Befehl jetzt erging ja an den Frauentrakt und ich wollte Euch da nicht vorgreifen.“

„Dann geh und hole ihn. Und, Sango, wenn wir nur unter uns sind, kannst du mich duzen.“ Eine nekomata, in dem Alter … Jemand, dem diese dämonische Katze folgte, war etwas besonderes. Und Midoriko hatte Kagome ja auch schon erwähnt. Als die Dämonenjägerin ging, sprang die kleine Katze prompt auf den Schoß seiner Ehefrau. Midoriko war ja auch aus der Familie gewesen, vielleicht deswegen? Aoi und das Juwel. Vater hatte da ja auch schon von geredet. Er sollte wirklich aufmerksam bleiben, was die beiden Frauen und Kirara zusammen bedeuteten. Vielleicht fand er so die Lösung eines Problems, das chichi-ue beschäftigte, konnte sich als guten Sohn und fähig darstellen, beweisen, dass sich Vater nicht geirrt hatte, als er ihm das hier verschaffte. Und, dem arroganten großen Bruder das ebenso beweisen.

Sango lächelte. „Danke, Inu Yasha….“

 

Im Garten des Schlosses im Westen saß Sesshoumaru und versuchte sich nach hartem Training zu entspannen. Nun, um ehrlich zu sein, hatte er das bereits durch die stundenlange Übung, aber noch immer fand er nicht die innere Ruhe zur Meditation. Der Grund für seine Unruhe bog zu seinem Leidwesen soeben durch das hölzerne Tor, das diesen Bereich als fürstlichen Privatgarten abgrenzte. Er neigte notgedrungen den Kopf. „Chichi-ue, ich bin erfreut, dass Ihr bereits wieder zurück seid.“ Und ohne den Bastard, der sich anscheinend ordnungsgemäß benommen hatte, was bei Inu Yasha definitiv Glückssache war. Oder der war tot. Jedenfalls kein Problem mehr.

Der Hundeherr blieb stehen. „Hat dir deine Mutter gesagt, wann die Festivität stattfinden soll?“

Natürlich ging Vater davon aus, dass sein Befehl befolgt worden war. Nun, die Konsequenzen des „Nicht“ waren auch für den Erben mehr als deutlich spürbar. „Sie erwähnte den nächsten Monat, chichi-ue, Vollmond.“ Um die Brautwahl romantischer zu gestalten, wie sie gesagt hatte. Und er hatte wirklich überlegt, ob Vater ihm Muttermord verzeihen würde, sich jedoch zu einem Nein durchgerungen.

„Wir werden beide pünktlich dort sein. Und, Sesshoumaru, meine fünf mächtigsten Vasallen besitzen noch fünf unverheiratete Töchter, die sie gewiss mitbringen.“ Der Taishou konnte den unterdrückten Schwall der Energie spüren und ergänzte: „Ich lasse dir die Wahl, die dein Bruder nicht hatte.“

„Ich bin mir dessen bewusst.“ Ja, und ihm dämmerte auch die Tatsache, dass die anteilige Aufmerksamkeit Vaters, die bislang der Bastard erhalten hatte, nun zusätzlich ihm allein galt. Es half nicht, er würde sich am nächsten Vollmond aus immerhin fünf Hündinnen eine Gefährtin für die nächsten Jahrhunderte aussuchen müssen. Und das bedeutete leider auch, dass er sich zumindest Gedanken machen sollte, WAS und WEN er eigentlich auch nur tolerieren konnte, geschweige denn als Mutter seines Erben wollte.

Der Herr des Westens beschloss seinen Plan ein guter Vater, nun, ein besserer, zu sein auch umzusetzen. „Gehen wir ein wenig in die Berge nach Süden, gemeinsam üben.“

Prompt stand der Jüngere. Das war die Belohnung für seinen Gehorsam, da war er sicher. „Wie Ihr wünscht.“

Sehr schön. Und danach würde er versuchen seinem Ältesten zu erklären, was der mit einer Ehefrau überhaupt anstellen sollte. Es würde ohne Zweifel unangenehm für ihn werden, aber besser, als noch einmal eine solche Nacht der Erkenntnis zu erleben, wie Inu Yashas Hochzeitsnacht.

 

Fürst Naraku blickte etwas irritiert auf, als sich Kagura bei ihm anmelden ließ, obwohl er sie nicht her befohlen hatte. Also gab es Neuigkeiten, dringende Neuigkeiten, aus seinem doch weit geworfenen Netz an Spionen. „Was gibt es denn, meine Tochter,“ sagte er milde für die Wachen, ehe die sich zurückzogen.

Die schwarzhaarige Dämonin zupfte unwillkürlich ihren Kimono zurecht, als sie sich niederkniete. „Eine Krähe brachte Nachricht aus Aoi.“

„Inu Yasha? Gibt es etwa Ehestreit?“ Das wäre zu schön – peinlich für den Inu no Taishou, wenn sein Sohn in aller Öffentlichkeit es nicht schaffte seine neue Ehefrau zu dominieren.

„Eher im Gegenteil. Mein, ich meine, dein Spion dort berichtete, dass der Halbdämon samt Kagome Hand in Hand bei dem Totenfest gesehen wurden.“

Das war unschicklich und deutete auf eine tatsächlich glückliche Ehe hin. Nun, auch gut. Als quasi an den Obi gefesselter Ehemann würde der Halbhund nur umso weniger Widerstand für die Suche mit der kleinen Kagome nach dem shikon no tama leisten. „Noch etwas?“

„Er kam auf die glorreiche Idee persönlich eine Pilgerreise anzutreten zum Tempel des Inari in Mochi.“

Das war irritierend. „Hm. Das ist an seiner nördlichen Grenze. Und östlich von hier. Warum?“

Kagura schluckte unwillkürlich. „Das weiß niemand, anscheinend. Außerdem: er geht nur mit Mönch und Ehefrau, ohne Samurai.“ Sie sah zu ihm, bemüht sich als fähig darzustellen. „Es wäre ein Überfall möglich.“

„Möglich, ja. Kagura, du siehst einfach nie das gesamte Bild. Er ist also willens ohne Samurai die Burg zu verlassen, umso williger wird er auch einem Treffen mit mir, einem höflichen, nachbarlichen Treffen, zustimmen. Ohne Samurai ist er leichter zu … beeinflussen.“ Ein junger Narr, ein verliebter, noch dazu, und ohne Papa offenkundig auch ohne Beratung. „Noch etwas?“

„An der Grenze zu Aoi landete ein Vogel, der Nachricht von Fürstin Teikken und Prinzessin Abi bringen will. Hakudoshi ist bei ihm. Soll er herkommen?“

„Nein.“ Naraku stand auf. Um seinen Mund glitt etwas, das ein Lächeln sein sollte, aber nie seine Augen erreichte. „Es ist besser, wenn niemand ihn sieht.“ Und niemand die Herrinnen der Vögel mit ihm in Verbindung brachte. Immerhin plante er einen Schlag gegen den Hundefürsten, der das sicher nicht ganz kommentarlos über sich ergehen lassen würde. Der Tod des Erben war doch etwas, das traf.
 

Flitterwochen


 

S

o fand sich Kagome nur zwei Tage später in einem zweilagigen Kimono zu Fuß neben Inu Yasha außerhalb der Burg wieder, versehen mit Mamas besten Wünschen und der Bemerkung: „Er scheint dich wirklich zu mögen, wenn er dich dauernd um sich haben möchte.“ Nun ja, das fand sie eher lästig, zumal bereits nach kaum einer Stunde die Füße weh taten, und sich die Samurai höflich verabschiedeten.

Sango war seit Aufbruch in ihrem schwarzen Dämonenjägeranzug und trug auf der rechten Schulter einen riesigen Bumerang, der viel zu schwer für sie schien, auf der anderen ihre winzige Katze. In einer Umhängetasche hatte sie ihre weibliche Kleidung ebenso verstaut wie Kagomes miko-Gewand, das ja niemand sehen sollte.

Neben ihr lief Miroku, der nur zu genau wusste, dass die Dämonenjägerin mit Grund den Bumerang zwischen ihnen hielt. Bereits auf der Anreise hatte sie bewiesen, dass sie mit einem Ende zielsicher seinen Kopf finden konnte, wäre er zu zudringlich. Und vermutlich hatte ein ähnlicher Gedanke Inu Yashas den dazu bewogen, dass er hinter ihm gehen solle.

 

Der junge Daimyo sah sich um. „So, die sind weg. Jetzt kannst du dich umziehen, Kagome. Sango, bleib bei ihr.“ Und, da er den Blick der beiden jungen Frauen auf den Mönch richtig deutete: „Und ich passe auf Miroku auf.“

„Das ist nicht nötig,“ protestierte der matt. Aber, nun ja. Damit war auch die Idee weg, sich mal im Kreis heranzuschleichen und nachzugucken, wie so eine Fürstin denn sich umzog. Mehr natürlich nicht. Aber, da gab es eben auch den Halbdämon, der seine Rolle als Beschützer, als Ehemann, offensichtlich sehr ernst nahm. Und, der auch nicht nur, wie schon angedroht, ihm den Arm abreißen könnte. Tatsächlich würde kein Hahn danach krähen, wenn der ihn einen Kopf kürzer machte und angab, das sei um die Tugend seiner Ehefrau zu schützen. Da verstand schließlich kein Mann Spaß, wie er ja schon in Heiyokyo hatte erfahren müssen. Er hatte die Dame doch wirklich kaum berührt ….nur, leider war deren Gatte im Kaiserlichen Rat. Unter dem Vorwand das Juwel der vier Seelen hüten zu sollen hatte man ihn in die Provinz Aoi geschickt. Verbannt aus der Residenz.

 

„Ich bin jetzt schon müde,“ gestand Kagome leise, als sie sich umzog. „Und die Füße tun weh. Ich bin doch noch nie so weit gelaufen.“

„Klar, aber, wie gesagt, Kirara wird dich mit tragen. Sie kann sich ja jetzt verwandeln, wenn die Samurai weg sind.“

„Wieso eigentlich verwandeln?“

„Weißt du das nicht?“ erkundigte sich die Dämonenjägerin erstaunt und da die junge Fürstin etwas beschämt den Kopf schüttelte: „Alle Dämonen höheren Ranges verfügen über zwei Formen. Mindestens. Ich weiß nicht, ob Inu Yasha das auch tut, aber zumindest sein Vater kann sich als Hundedämon ganz bestimmt in einen Hund verwandeln. Aber sie sind meist lieber in der Menschenform, da kann man reden. Kirara sieht nur so winzig aus, weil sie für eine nekomata noch recht jung ist. In ihrer wahren Form ist sie deutlich größer. Und sie kann uns beide sicher tragen. Überdies kann sie fliegen.“

„Fliegen.“

„Ja, das macht es uns doch viel einfacher. Du steigst hinter mir auf und hältst dich an mir fest.“

Das klang zwar gut, dachte Kagome, immerhin würden ihre Füße geschont, aber … Inu Yasha oder zumindest ihr Schwiegervater konnte sich in einen Hund verwandeln? Das klang vor allem und auch gruselig und weckte alle ihre Ängste wieder. Es wurde auch nicht dadurch besser, dass sich aus der kleinen Katze neben ihr plötzlich ein Schwall an dämonischer Energie über sie ergoss, der sie einen Satz rückwärts machen ließ, ehe sie panisch auf das jetzt pferdegrosse Wesen mit riesigen Zähnen starrte, das nun neben ihr war. Und, dessen Füße buchstäblich brannten. Sie rang nach Atem.

Sango lachte etwas. „So sieht sie schon beeindruckender aus, oder? Na, komm, steigen wir auf.“ Ohne weiteres machte sie den Satz auf den Rücken der Kampfkatze und streckte die Linke aus. „Komm schon, Kagome. Hinter mich, da kannst du dich festhalten.“

 

Leider war das alles nichts, was die so zurückhaltend erzogene und unwissende Fürstin schätzen konnte. So wich sie weiter zurück. „Oh nein….nein!“

„Dann gehen wir zu Inu Yasha, der wird dir schon helfen.“

Das war wieder nichts, was Kagome trösten konnte. Er vermochte sich ebenso zu verwandeln? In einen, womöglich riesigen, Hund? Ihre Furcht wurde allerdings zu Panik, als Sango samt Kirara hinter den Büschen verschwand und sie nur zusehen konnte, dass sie nachkam, wollte sie nicht alleine in der Wildnis sitzen. Alle fanden das so normal… Nun, alle ihrer neuen Bekannten. Auch ihr Ehemann grinste nur, als er die Riesenkatze sah. „Kirara. Oh, Kagome. Alles klar?“

Immerhin kam sie schon gleich nach einer Dämonenkatze, dachte sie wütend. „Ja, alles klar. Ich fürchte mich nur zu Tode vor diesem Monster, alle finden das normal, dass man mal eben tagelang durch die Wälder rennt ….Nein, entschuldige. Ich mache natürlich mit.“ Er war der Daimyo und er durfte sie bestrafen.

„Es macht wirklich Spaß,“ erklärte er. „Du wirst es schon sehen. Und ja, Kirara ist so ziemlich groß, aber meine Bedenken gelten Miroku, ob der wirklich so trainiert ist, wie er behauptet.“ Ohne sich weiter Gedanken zumachen, fasste er seine Ehefrau um die Taille und setzte sie hinter Sango.

Kagome packte instinktiv nach der Hüfte der Dämonenjägerin. „Nein…“ keuchte sie.

„Alles gut,“ meinte Sango. „Wir beide passen auf dich auf.“

Und Kagome hatte nicht die mindeste Ahnung, ob das „wir beide“ auf Sango und Kirara gemünzt war oder auf Sango und ihren Ehemann.

 

Keine Stunde später dachte sie nur noch an ihre schmerzende Oberschenkel. Sie war noch nie geritten, geschweige denn auf einer Riesenkatze. Allerdings war fliegen auch nett, zumal, wenn sie unter sich Inu Yasha und Miroku laufen sah. Irgendwie beruhigte es sie, dass der Mönch mit ihrem Ehemann mithalten konnte. Vielleicht war der Halbdämon doch halb ein Mensch und der Mönch so geübt?

Auch die Händler, die ihnen entgegenkamen, schienen sich kein bisschen darüber zu wundern, dass da zwei Männer rannten und über ihnen eine Katze flog. Vermutlich waren wirklich alle Dämonen weitaus mehr gewohnt als sie?

Die Sonne hatte schon ihren Höhepunkt überschritten, als Inu Yasha an einem See anhielt und sich etwas abseits der Straße einen Fleck suchte. Kirara landete prompt und Kagome seufzte erleichtert auf.

„Endlich Schluss?“

„Mittagessen!“ verkündete Sango, war auch hilfsbereit genug, die erschöpfte junge Frau von ihrer Kampfkatze zu ziehen, die sich unverzüglich wieder in ihre winzige Form verwandelte.

„Mittagessen?“ echote Kagome, die sich mehr oder weniger unter einen Baum fallen ließ, müde und mit Muskelkater, wie noch nie in ihrem Leben.

„Im See gibt es Fisch,“ sagte Inu Yasha leicht erstaunt. „Wir grillen sie am Feuer.“

Keine Diener, also musste man sich selbst behelfen,dachte sie, ja. Aber … „Ich kann nicht mehr.“

Das war kaum zu überriechen. Hatte er sie überfordert? Im Westen waren auch die Frauen durchtrainiert. Nun ja, Dämoninnen. „Erhole dich mal. Sango holt Holz und Miroku fischt.“

Der Mönch nickte nur und fasste den Stab fester, den er schon den ganzen Tag in der Hand hielt. Erst jetzt entdeckte Kagome, dass der oben angespitzt war, oberhalb des so deutlich sichtbaren Kreises. Sie lehnte sich erschöpft an den Baum, ein wenig erstaunt, dass sie fast sofort bedeckt wurde. Verblüfft stellte sie fest, dass ihr ihr Ehemann sein rotes Oberteil über gelegt hatte. Ja, sie war abgehetzt, zitterte – das war wirklich eine nette Geste. Dennoch sah sie ihn forschend an. „Danke,“ murmelte sie dann, da er sich neben ihr niederließ. „Darf ich dich etwas fragen?“

„Klar.“

„Sango meinte, dein Vater habe wie Kirara auch zwei Gestalten?“ Sie wollte nicht so direkt nach ihm fragen.

„Ja.“

Einfach so. Sie schluckte. „Hast du ihn schon gesehen? So? Und deine Mutter?“

„Äh, ja.“ Hilfsbereit und guten Willens glaubte er das Problem zu erkennen. „Ich habe ihn schon so gesehen, er ist dann wirklich groß. Mein Bruder übrigens auch. Und Mama durfte sogar mal auf ihm reiten, als einzige je. Aber, ich meine, sicher nicht im Schlafzimmer, wenn du das denkst. Das würde kaum gehen.“

„Und… und du?“ würgte sie hervor.

„Nein, das kann ich nicht,“ erklärte er unbefangen. „Dazu muss man eben ein echter Dämon sein.“

Kagome atmete unwillkürlich auf – und schämte sich zugleich dafür. Inu Yashas Mutter hatte gewusst, dass sie eigentlich mit einem riesigen Hund verheiratet war, aber das anscheinend hingenommen. Und sie schob Panik, nur, weil sie deren Sohn … Vermutlich würde ihre Schwiegermutter lächeln. Oder war man das als kaiserliche Prinzessin gewohnt? Mit Monstern verheiratet zu werden? Aber, Inu Yasha war ihr Sohn. Sie war so müde … Sie merkte nicht mehr, dass ihr Kopf seitwärts fiel, gegen die Schulter des Halbdämons, der behutsam den Arm um sie legte und sich nicht mehr rühren wollte.

Sie freundeten sich an, dachte er, wenn sie ihm schon solche Fragen stellte. Aber, er sollte wirklich Rücksicht nehmen und die Reise abkürzen. Sie war ja jetzt schon völlig fertig. Sango hielt da mehr aus, und auch Miroku schien gut im Training zu sein, jedenfalls hatte der Mönch mit seinem lockeren Trab mithalten können.

 

Als Kagome erwachte fiel ihr Blick als erstes auf ein Feuer vor ihr. Fische steckten auf Holzspießen und wurden gegrillt, Sango und Miroku saßen ihr gegenüber und Inu Yasha nahm gerade tatsächlich den Arm von ihr, damit sie sich aufrichten konnte. Sie hatte die ganze Zeit an ihn gelehnt geschlafen! Und sie wurde etwas rot, als sie daran dachte, wie ihre beiden Begleiter das wohl interpretiert hatten. Andererseits – sie waren nun einmal verheiratet.

„Geht es dir besser?“ erkundigte sich Sango. „Die Fische sind fast fertig.“

„Durst,“ brachte Kagome nur heraus.

„Da ist der See,“ erklärte Inu Yasha etwas verständnislos, ehe er begriff, dass sie kaum mehr auch nur aufstehen und dorthin konnte. So sprang er auf und hob sie ohne weiteres hoch. „Du bist wirklich fertig. Wir werden den Weg nach Mochi abkürzen,“ verkündete er, als er sie zum Ufer trug.

Während die junge Fürstin mühselig trank – sie war das Wasser schöpfen mit den Händen nicht gewohnt - tauschten die beiden Begleiter einen Blick.

„Abkürzen?“ wiederholte Sango. „Das hier ist doch die Straße nach Mochi?“

„Ich kenne mich nicht so aus,“ gab Miroku zu. „Aber ich vermute schwer, der will von der Straße weg. Die diretissima.“

„In den Wäldern hier werden auch Wurmdämonen leben.“

„Sehe ich auch so. Aber womöglich wagen sie sich nicht an uns heran.“

„An Inu Yasha, ja. Aber Kagome kann sich kaum schützen.“

„Das ist dann wohl unsere Sache.“ Der junge Mönch zuckte die Schultern. „Obwohl ich mir nicht sicher bin. Sie stammt von den Higurashis, unter ihren Vorfahren waren Leute wie Midoriko und Kikyou. Vielleicht wurde ihr Talent auch nur nie geweckt.“

„Keine Ahnung, das kann ich nicht spüren.“

Aber beide wussten, dass sie mit diesem, sehr professionellen, Gespräch auch einen Grundstein zur Anerkennung des jeweils anderen gelegt hatten, Ausrutscher hin oder her.

 

So meinte Miroku, als sie alle Vier um das Feuer saßen und an den Fischen knabberten: „Wir sollten in Mochi vielleicht Pfeil und Bogen für Kagome besorgen, das hatte ich beim Aufbruch ganz vergessen.“

„Ja, damit du dich schützen kannst.“ Inu Yasha ärgerte sich nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein. „Ich meine, ich werde dich natürlich beschützen, aber …“

„Wenn ich darf?“ Kagome war gerade alles recht, wenn sie nur nicht mehr reiten musste.

„Klar, nur eben nicht in der Burg. Hier weiß ja niemand, dass du die Fürstin bist.“

Ja, der gute Ruf und so, das war ihr doch klar. Sie zwang sich etwas zu essen. Mehr um sich abzulenken fragte sie: „Miroku, ich sehe gerade, dass du deine Gebetskette so um die Hand hast … Opa hat das nie. Ist das deine Schule?“ Es gab immerhin viele verschieden Strömungen selbst innerhalb der Jünger Buddhas.

„Nein.“ Der junge Mönch betrachtete ein wenig mit zusammengezogenen Brauen seine Hand, die er mit einem Tuch verhüllte und darüber sorgfältig gewunden die Kette trug. „Das hält den Fluch zurück.“

„Du bist verflucht?“ fragte sie etwas entsetzt zurück. Immerhin hatte Opa doch erzählt, dass sein neuer Stellvertreter beachtliche spirituelle Fähigkeiten besaß. Und sie dabei auch ziemlich getadelt, dass sie seine Kette aus dem Schrein genommen hatte und sie Inu Yasha umgehängt hatte. Nur ihre Versicherung, der Daimyo trug sie freiwillig, hatte ihn beruhigt.

„Ja. Nun ja, wir machen ja noch länger Pause, da kann ich das erzählen. Eigentlich passierte das sowieso hier in Aoi. Mein Großvater war ein Mönch, der herumwanderte. Auf Anforderung der Dörfler vertrieb er Wurmdämonen oder reinigte besessene Häuser. So kam er eines Tages auch ...ja, es muss fast an der Grenze zu Ayama gewesen sein. Jedenfalls war er ziemlich berühmt und wurde da angefordert. Er stellte rasch fest, dass die Wurmdämonen sehr zielgesteuert wurden und vermutete einen Krugdämon, der sie gezielt aussetzte und wieder in seinem magischen Krug einfangen konnte.“ Miroku sah in das Feuer. „So suchte er die Quelle und traf einen Dämon, allerdings eher in Menschenform, jedoch Gesicht und Oberkörper unter einer Affenmaske samt Fell verborgen. Um es kurz zu machen, der verhöhnte ihn ob seiner Fähigkeiten und als Großvater ihn läutern wollte, spürte er einen rasenden Schmerz in seiner rechten Hand, ein Wirbelsturm entstand. Der Unbekannte verschwand, nicht, ohne zu sagen, dass dies ein schwarzes Loch sei und Großvater sich selbst einsaugen würde.“

„Das war ja gemein!“ erklärte Kagome in ehrlichem Mitgefühl. „Aber …“

„Wie gesagt, mein Großvater war sehr fähig und es gelang ihm unter Aufbietung aller Magie das schwarze Loch soweit zu versiegeln, dass es nichts mehr einsaugte. Allerdings war ihm klar, dass das Siegel verstärkt werden musste und so begann er nach einer solchen Stärkung zu suchen.“

„Nicht nach dem Verursacher?“ erkundigte sich Inu Yasha prompt, wie immer schlicht interessiert an einer schnellen Problemlösung. „Flüche enden ja auch gern mit dem Tod des Verursachers.“

„Das stimmt, aber wichtiger war zunächst das Siegel. Überdies – wie sollte er jemanden finden, der sich maskiert hatte. Ihm war ja auch immer klar, dass seine Lebenszeit nun sehr begrenzt war. Miyatsu, so hieß mein Großvater, suchte daher sich auch eine Frau und bekam einen Sohn, meinen Vater. Zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass auch bei diesem dieses schwarze Loch erschien. Er konnte es versiegeln, aber nun war ihm klar, dass der Fluch nicht auf ihn begrenzt war, sondern auf alle Nachkommen. Nun, um es kurz zu machen, als mein Vater noch recht jung war, und er erhielt da schon eine sehr gute magische Ausbildung, wie ihr euch vorstellen könnt, ging Großvater eines Tages nach draußen, nachdem er sich verabschiedet hatte. Man fand nur noch ein großes Loch und er selbst war verschwunden. Auch mein Vater suchte nach Möglichkeiten das Loch zu schließen, den Verursacher zu finden. Er erlitt das gleiche Schicksal, als ich noch sehr klein war. Da meine Mutter bei der Geburt gestorben war, zog mich ein Freund meines Vaters auf, ein Mönch, dem es auch gelang mir zu zeigen, wie man das Loch heilen kann, wenn es einreißt. Es ist natürlich eine Hilfe im Kampf gegen Wurmdämonen, aber dabei kann es auch größer werden. Und wenn es eine gewisse Größe übersteigt, wird es auch mich verschlingen.“ Er klang fatalistisch.

„Das ist so gemein!“ Kagome spürte, wie ihre Lippen zitterten. „Nicht nur deinen Großvater so zu verfluchen, sondern auch noch alle Kinder und so weiter. Das war ja ein Mistkerl! Niemand weiß, wer das war?“

„Glaub mir, Kagome-sama, dann wäre ich schon neben dem.“ Miroku seufzte etwas.

„Früher scheint hier in Aoi ja so einiges los gewesen zu sein.“ Inu Yasha war in Gedanken bei der Provinz, die er nun beschützen sollte. „Dein Großvater wurde von einem offensichtlichen sehr fähigen Dämon verflucht, Kagome, die Schwester deines Großvaters versteckt das Juwel … irgendetwas muss hier in Sachen Magie ziemlich harmlos geworden sein.“ Gut für ihn, denn mit Magie hatte er es wirklich nicht, wenn es sich nicht um eigene, angeborene handelte. Und da war er eben auch nur ein halber Dämon, was Energie betraf. Aber, das genügte ihm ja eigentlich auch – wenn er nicht gerade seinem Halbbruder gegenüberstand samt dessen Gemeinheiten. Irgendwo vermisste er den Kerl tatsächlich ein wenig, naja, fast gar nicht.

„Das stimmt, wenn man das so zusammen sieht,“ meinte Sango. „Wie lange ist es her, seit das shikon no tama verschwand, Kagome?“

Die so Angesprochene dachte trotz ihrer Müdigkeit nach. „Öh, so an die fünfzig Jahre. Kikyou, also, die Priesterin, die es vor ihrem Tod versteckte, war Großvaters Schwester.“

„Vielleicht verschwand damit auch die Anziehungskraft?“ fragte Miroku nach. „Sango, du meinst, der Dämon, der damals meine Familie verfluchte, könnte auf der Suche nach dem Juwel gewesen sein? Möglich. Es waren wohl alle dahinter her. Und als es weg war, zog er sich zurück, vermutlich in ein dämonisches Fürstentum, wo er nicht weiter auffiel.“

„Keh,“ machte Inu Yasha prompt. „Ein Typ mit solchen Fähigkeiten fällt doch auf! Ich denke nicht, dass der als Krieger ein normales Leben führen will oder kann.“

„Möglich,“ gab der Mönch zu, der noch nie in einem dämonischen Fürstentum gewesen war. „Aber er ist ja auch zuvor niemandem aufgefallen. Und er ging ja wohl auch davon aus, dass Großvater das nicht lange überleben würde. Womöglich hat er so schon öfter Leute umgebracht.“

„Also, dann ist er garantiert nicht im Westen,“ verkündete der dortige Fürstensohn. „Vater kennt alle seine Leute und wenn da jemand die reihenweise umbringen würde, hätte er ganz schnell ihn samt So´unga auf der Matte.“

„Ayama?“ warf Sango nachdenklich ein. „Der dortige Fürst ist es doch noch nicht so lange, oder?“

„Naraku? Nach dämonischen Maßstäben nein. Vielleicht zehn Jahre oder ein bisschen.“ Inu Yasha zuckte die Schultern, sich durchaus bewusst, dass sein Vater diesen Nachbarn im Auge hatte. „Der Kerl heiratete die dortige Fürstentochter und als deren Bruder starb und sie ein Kind bekamen, wurde er zum Vater des Thronfolgers. Schwiegervater und Baby starben dann auch und er wurde Fürst.“

„Wie passend,“ spottete Sango. „Das fiel niemandem auf?“

„Auch Dämonen sterben,“ erwiderte Inu Yasha, in der jähen Sorge zu viel verraten zu haben. Er sollte doch niemandem etwas von Papas Bedenken sagen. „Selbst dämonische Frauen im Kindbett.“

„Ja, schon klar,“ beteuerte die Dämonenjägerin eilig, der bewusst war, dass sie gerade einem Daimyo des Kaisers nahe gelegt hatte, sein dämonischer Nachbar sei ein möglicher Mörder. Bei Inu Yashas bislang gezeigtem Temperament konnte man mit so etwas einen Krieg vom Zaun brechen. „Ich meinte nur, dann kennt er seine Leute sicher nicht so gut wie dein Vater die seinen. Und einer, der nach einem Unterschlupf sucht, wäre da sicherer.“

„Ich kann kaum nach Ayama gehen,“ meinte Miroku. „Menschen leben dort zwar, aber ich würde doch auffallen.“

„Außerdem hat dich der Kaiserliche Rat zu mir abkommandiert,“ ergänzte Inu Yasha. „Also bin ich auch für dich verantwortlich. Solange wir nicht sicher wissen, wer das war und wo der steckt, musst du schon da bleiben. Aber, man kann sich ja mal umhören. Nicht zuletzt in Mochi.“

„Ja, das Kloster dort.“ Der Mönch nickte. „Die meisten Klöster haben untereinander ein recht gutes Informationssystem. Sie tauschen Schriften aus und Mönche, leiten Neuigkeiten weiter. Ja, eine gute Idee, Inu Yasha.“

Der sah beiseite, weil er merkte, dass Kagome schwankte. So legte er den Arm um sie. „Du bist echt müde, oder? Pass auf, wir machen das so. Ich nehme dich auf den Rücken und trage dich, dann kannst du auch beruhigt schlafen. Und wir nehmen die Abkürzung nach Moshi, durch die Wälder.“

Kagome nickte nur, erschöpft wie noch nie in ihrem Leben hatte sie nur verstanden, dass sie schlafen könnte.

Dämonenjägerin und Mönch tauschten einen Blick, ehe Sango meinte: „Dir ist hoffentlich bewusst, dass da Wurmdämonen und solche Viecher leben? Von anderen Raubtieren mal ganz zu schweigen?“

„Keh! Vergiss bitte nicht, dass ich über gewisse Dämonenenergie verfüge. Die halten mich kaum für einen Appetithappen.“

Das mochte stimmen. Überdies war es die Entscheidung des Daimyo.

 
 

Reiskuchen


 

K

agome war so erschöpft, dass sie sich willenlos auf Inu Yashas Rücken schwingen ließ, und, sobald sie fühlte, dass er sich sicher tragen konnte und tatsächlich in den Wald lief, auch den Kopf an seine Schulter legte und einschlief.

Er spürte es und freute sich an ihrer Wärme und Nähe. Sie wurden doch langsam Freunde, glaubte er. Aber er sollte wirklich besser abschätzen, wann ihr etwas zu viel wurde. Sie war ein Mensch. Noch dazu eine Fürstentochter und nicht so durchtrainiert wie eine Dämonenjägerin oder eben auch Miroku. Aber selbst der hatte gefragt, ob er mit auf Kirara dürfe, was Sango nach gewisser Überlegung genehmigt hatte. Allerdings mit dem Zusatz er solle sich vor sie setzen. Aber selbst der war müde. Hm, beschloss der Halbdämon, er sollte wohl besser bei Kagome daran denken, was seine Mutter körperlich so getan hatte – und das war wirklich wenig gewesen. Selbst, wenn er im Garten gespielt hatte, war sie nur dabei gesessen. Sie hatte nie mit ihm Ball gespielt. Nun ja, auch sonst niemand, wenn er es sich recht überlegte. Ein Dämonenkrieger spielte eben nicht Ball. Ihm hatte es Spaß gemacht und Mamas alte Hofdame hatte sich manchmal breit schlagen lassen ihm den Ball zuzuwerfen. Vermutlich weil er nach solchen Tagen auch als Kleinkind müde genug war um wirklich zu schlafen. Er benötigte weniger Schlaf. Immerhin konnte Kagome mit Pfeil und Bogen schießen, das war doch auch eine körperliche Betätigung? Mit dem Schwert würde sie nicht umgehen können – und das war unter Menschen wohl auch für Frauen absolut nicht üblich. Selbst die allermeisten Dämoninnen waren nicht gerade angetan. Einige Hundekriegerinnen gab es, aber das war auch alles, was er kannte. Bei den Wölfen und vor allem Füchsen sollte es einige mehr geben, aber in den jeweiligen Fürstentümern war er ja nie gewesen und würde da auch als Daimyo nicht mehr hinkommen.

 

Er blieb auf einem Berg halten, da sich vor ihm der Wald lichtete und er die weite Ebene erkannte. Menschendörfer lagen dort, umgeben von ihren Feldern. Kirara landete neben ihm und er spürte, dass Kagome aufwachte.

„Sind wir da?“ fragte sie, ehe sie sich etwas aufrichtete. „Lass mich runter.“ Ihr tat noch immer alles weh, auch, wenn sie zugab, dass er sie offensichtlich ein gutes Stück getragen hatte. Dieser dämliche Ausflug war ja immerhin auch seine Idee gewesen, da konnte er das schon machen. Ja, sie war ungerecht, das wusste sie selbst, aber Müdigkeit und Schmerzen taten das ihre. „Da sind Dörfer. Was ist denn jetzt Mochi? Und die sind ja immer noch schrecklich weit weg. Kommen wir überhaupt dahin, bevor es dunkel wird?“

„Nein.“ Inu Yashas ehrliche Antwort hatte zur Folge, dass seine Ehefrau mit dem Tempo einer ausgehungerten Kobra zu ihm herumfuhr.

Ihr Zischen klang auch ähnlich. „Bist du vollkommen verrückt? In der Nacht kommen Monster aus ihren Verstecken, zumal hier, im Wald und den Bergen!“

„Ich halte Wache. Ich brauche noch keinen Schlaf,“ bot er an, da er durchaus mitbekam, dass sie böse war. „Mochi ist das da hinten am Horizont, zumindest sieht das nach einer Stadt aus. Da könnten wir morgen Mittag sein, das passt gut, so wegen Essen und so.“

„Essen,“ murrte sie. „Wo willst du denn hier etwas her bekommen? Hier ist nicht einmal ein See.“

„Nein, aber weiter unten gibt es einen. Ich kann ihn schon riechen. Dann gibt es noch einmal Fische und morgen dann Reiskuchen, die gibt es da sicher, mochi in Mochi.“ Wenn der Ort schon wie ein Essen hieß...

„Nichts Vernünftiges zu essen, keinen Tee, keine Decke, die Nacht kalt im Wald und möglichst noch Dämonen!...Mach Platz! Das war die blödsinnigste Idee, die du nur haben konntest!“

Zum gewissen Entsetzen der zwei Begleiter leuchtete die Bannkette um den Hals des jungen Daimyo auf und Magie, die zumindest Miroku spüren konnte, ließ den zu Boden knallen.

Kagome hatte vor gewisser Wut, die Angst und Enttäuschung entsprang, Tränen in den Augen. „Wenn das dein Schutz ist, kann der mir gestohlen bleiben! Mach Platz!“ Sie spürte eine Hand auf der Schulter und fuhr herum.

Sango sah sie besorgt an. „Kagome? Kagome? Hörst du mich?“

Diese atmete entsetzt durch. Sie hatte ihm versprochen das Zauberwort nicht mehr zu sagen – und ihn jetzt auch noch vor Zeugen zu Boden zu schicken war nicht sonderlich klug. Als Daimyo musste er reagieren, als Ehemann dazu.

Inu Yasha raffte sich etwas auf. „Sag mal, du dumme Ziege, wir hatten was ausgemacht!“

Ja, gab sie zu. Und leider hielt er sich wirklich an sein Versprechen sie nicht anzurühren, bis sie sich besser kennengelernt hatten – sie hatte beileibe kein Recht so auf ihn loszugehen, nicht als Untertan, nicht als Ehefrau. „Es tut mir Leid,“ murmelte sie. Es klang dumm genug. „Ich bin nur so müde und so etwas habe ich doch noch nie gemacht…..“

Die Dämonenjägerin sah beiseite. „Dann komm zu mir auf Kirara, wir fliegen zu dem See, wenn du zustimmst, Inu Yasha-sama.“ Denn der rappelte sich wieder auf und Sango war nicht sicher, welche Reaktion er jetzt für passend hielt. Das lag allein bei ihm, ob er ihnen allen Dreien jetzt die Köpfe zu Füßen legte, nur seine Ehefrau hinrichtete und ihnen beiden die Zungen herausschneiden ließ, oder irgendeine andere Sache befahl, die sie sich nicht einmal vorstellen wollte.

Miroku war von ähnlichen Empfindungen bewegt. Da waren alle Zwei wohl recht ungestüm und handelten erst, ehe sie nachdachten. Nur, leider hatte Kagome gerade auch sie als Zeugen mit hinein gezogen. „Wo wünscht Ihr zu übernachten, mächtiger Daimyo,“ versuchte auch er die Wogen zu glätten.

Kagome hörte es und es überkam sie ein schlechtes Gewissen. Ja, sie hatte die Zwei auch noch in Gefahr gebracht, Menschen, die ihr nichts weiter getan hatten außer nett zu ihr zu sein, ihr Sachen zu erklären, ihr in dem ungewohnten Terrain zu helfen. Und auch, wenn sie die Anrede ihres Ehemanns als dumme Ziege alles andere als nett fand – das dachten vermutlich Sango und Miroku gerade ebenfalls über sie. Sie versuchte sich an einer neuen Entschuldigung, was sie schwer fand, denn immerhin tat ihr ja nun mal alles weh und die Aussicht auf eine Nacht im Wald war eher der Schrecken pur. „Es tut mir wirklich Leid, Inu Yasha, ich war nur so … so wütend. Und, das kann dir jeder auf der Burg bestätigen, wenn mir da so heiß wird, denke ich an nichts anderes mehr.“

Der Halbdämon hatte durchaus schon dezente Andeutung, selbst von ihrem Großvater gehört, dass ihr Temperament erwähnenswert war und keine Erziehung dagegen etwas machen konnte. Wobei er das bei Vater oder Sesshoumaru vor allem mal gern gesehen hätte. Die konnten Leute so anstarren, dass die in vollkommene Panik verfielen. Und er musste daran denken, wie sie in der Hochzeitsnacht so friedlich in seinem Arm geschlafen hatte. Ihr Geruch war meist so sanft und ….ja, er wollte wirklich nicht, dass sie auf ihn so böse war. Dazu hoffte er viel zu sehr auf Freundschaft und anderes. So wandte er sich nur etwas ab und beantwortete lieber die Frage des Mönchs. „Dort unten ist ein See, da sind wir noch vor der Dämmerung. Du fängst Fische, Sango sucht Holz, und ich suche die Gegend ab, ob es da lebensmüdes Gewürm gibt.“

 

Sobald die Dämonenjägerin davon ausgehen konnte, dass selbst ein halber Hundedämon ihr auf der fliegenden Kirara nicht mehr so zuhören konnte, zumal der unten durch den Wald brach, wandte sie den Kopf. „Kagome, ich weiß nicht, wie er ist, wenn ihr allein seid – aber er ist und bleibt der Daimyo von Aoi, Sohn des Dämonenfürsten des Westens. Und der Cousin des Göttlichen Kaisers.“

„Ich weiß ja,“ seufzte die junge Fürstin. „Aber er ist auch nur so alt wie ich und er bringt mich manchmal wirklich auf die Barrikaden mit diesen ...Sonderwünschen.“

„Du solltest seine Nachsicht mit dir nicht mit Schwäche verwechseln.“

„Was meinst du?“ Irgendwie klang das nicht so gut.

„Als er aufstand, habe ich seine Augen gesehen. Die waren viel dunkler als sonst. Dahinter schimmerte das dämonische Rot. Ich bin sicher, wenn sein Vater in seiner Hundegestalt ist, sieht man es. Das passiert aber zumeist nur, wenn sie wirklich wütend sind – kurz, kein gutes Zeichen für das Gegenüber. Inu Yasha hat sich zusammen genommen, vermutlich, weil du ihn im Bett zufrieden stellst ...“

Kagome wurde glühend rot, wollte dazu aber nichts sagen. Das war ihr gemeinsames Geheimnis. Sich drei Mal am gleichen Tag beim Ehemann und Fürsten in die Nesseln zu setzen wäre wohl etwas viel.

Sango fuhr daher nur fort: „Du solltest ihm diese Bannkette abnehmen.“

„Wollte ich ja schon,“ verteidigte sich die junge Dame prompt. „Aber er wollte sie behalten.“

„Unter der Bedingung, dass du ihn nicht zu Boden schickst. Er sagte was von ausgemacht….“

„Ja, schon. Aber, wie anders soll ich …. Ja, schon gut. Er hat das Recht und ich muss gehorchen.“

„Klingt nach einer besseren Entscheidung als Selbstmord begehen zu wollen und uns andere gleich noch mit hineinzuziehen. Kagome, du bist eine Fürstentochter. Du solltest viel besser als ich wissen, über welche Macht ein Daimyo verfügt!“

„Das ist mir klar, es ist ja nur … ich sehe ihn nicht als Daimyo, eher, so ähnlich wie dich.“ Und nicht einmal vor Hojo hatte sie weniger Angst oder Respekt gehabt. Jedenfalls nicht, solange nicht die militärischen Befehlshaber hinter Inu Yasha sie daran erinnerten, welche Rechte er besaß.

„Na, dann solltest du mal an deiner Einstellung arbeiten. Ich sah mich schon einen Kopf kürzer.“

„Er ist nett.“

„Er ist ein Fürstensohn und sicher auch dazu erzogen. Noch dazu dämonische Erziehung. Nett bedeutet nur, dass er momentan mehr an dir interessiert ist als an seinem Ruf – und ziemlich sicher ist, dass Miroku und ich den Mund halten werden.“

„Du sollst ja recht haben.“

„Ich habe recht. Kirara, geh runter.“ Denn da war ein kleiner Weiher aufgetaucht an dessen Rand Miroku eben stehen blieb. Da er allein war, sah sich die Jägerin im Absteigen um. „Wo ist er?“

„Patrouille. Und ich wäre ungern der Dämon, der ihm jetzt begegnet,“ erwiderte der Mönch und sah zu Kagome.

Die hob eilig die Hände. „Ja, Sango hat es mir bereits gesagt. Ich wollte euch da auch nicht mit hinein ziehen. - Ist er wirklich noch so sauer?“

„Seine dämonische Energie war noch immer deutlich fühlbar. Also, ja. Übrigens ist er zu allem Überfluss ein Ururenkel der Sonnengöttin. Und da möchte ich sicher nicht zum grillen bei Oma eingeladen werden. - Jetzt hole ich mal Fische.“

 

So saßen die Drei in der hereinbrechenden Dämmerung bald friedlich um das Feuer und grillten Fische, ohne dass sich der Halbdämon blicken ließ. Kagome fühlte sich zwar unwohl mit dem Rücken zu See, aber sie schätzte durchaus, dass ihre Begleiter ja immerhin mit dem Rücken zu Wald saßen, sie so abschirmten. Und es war auch beruhigend, dass sich Kirara in ihrer kleinen Form auf ihren Schoß gelegt hatte. Anscheinend konnte selbst die Monsterkatze keine Gefahr wahrnehmen.

 

Die Fische waren schon fast fertig und das Gespräch drehte sich um Reis, der dort in der Ebene angebaut wurde und Reiskuchen, als der Mönch plötzlich aufsah. „Da kommt etwas. Dämonische Energie.“

„Ja, aber womöglich Inu Yasha. Es ist recht laut für einen Angreifer. Komm, Kirara.“ Sango stand mit ihrem Bumerang auf, während ihre nekomata schon auf Kampfgröße wuchs, und sie ohne Verzögerung aufspringen konnte.

„Was…?“ brachte Kagome hervor.

„Jemand mit dämonischer Energie nähert sich uns recht unvorsichtig. Vielleicht Inu Yasha. Bleibe hinter mir, Kagome-sama.“ Er wollte dem Daimyo ungern erklären, warum seiner Ehefrau etwas zugestoßen war. Da sie ängstlich sofort gehorchte, blieb er vor ihr stehen, seinen Mönchsstab quer in beiden Händen haltend, ehe er sah, was da kam und sich sichtlich entspannte.

„Eine dumme Kleinigkeit,“ diagnostizierte auch Sango, ehe sie den Wurmdämon mit ihrem Bumerang bewarf. Die Waffe trennte den Körper ohne Probleme in zwei Hälften und die Jägerin fing ihn geübt wieder auf. „Ein ziemlich kleiner noch.“

„Nicht schlecht,“ lobte der Mönch, der die Jägerin zum ersten Mal in ihrer Profession gesehen hatte. „Dann setzen wir uns wieder, wäre schade um die schönen Fische.“

Als Kagome saß, atmete sie tief durch, erneut die kleine Katze bei sich, was sie doch beruhigte. „Das machen Dämonenjäger?“

„Ja. Meist sind es viel mehr, wenn sie ein Dorf angreifen. Fragt sich, warum das Junge hier allein war.“

„Weil es nicht allein war.“ Miroku stand langsam wieder auf. „Das hier ist entweder die Mutter oder der nun trauernde Gefährte.“ Denn der Wurm, der aus dem Wald kam, maß gewiss über zwei Meter.

Allerdings griff er nicht an, sondern starrte die seltsame Gruppe nur an, die sich erneut in die Kampfposition begeben hatte.

„Der ist so groß,“ flüsterte Kagome. „Und, wieso starrt der mich so an?“

Sango wollte schon sagen, dass der sie alle anguckte, aber es stimmte. Der Blick des großen Wurmes lag nicht auf ihr oder ihrer Katze, sondern auf der Fürstengefährtin. Sie fasste daher ihren Bumerang fest, als sich der Wurm zu bewegen begann. Allerdings näherte er sich nicht. Es war eher ein Hin- und Herschwingen, dumpfe Laute kamen aus dem zahnbewehrten Maul.

Mirou war der Erste, der begriff. „Ach herrje. Das ist eine Verwechslung. Der Wurm, Sango, den du zuvor getötet hast, war offenbar ein Weibchen und der Kerl hier ist in absoluter Brunststimmung. Aus irgendeinem Grund kapriziert er sich auf Kagome-sama, mit der er sich paaren will. Vielleicht riechst du für die Nase von Würmern am Besten.“

„Na, danke,“ fauchte sie, starrte jedoch zu dem noch immer tanzenden Wurm. „Der will mich heiraten?“ Irritiert und mit gewisser Angst bemerkte sie, dass der Mönch ebenso seinen Stab sinken ließ wie die Jägerin den Bumerang. Wollten sie etwa verhandeln?

Dann erst erkannte sie die rot-weiße Gestalt, die zwischen ihnen landete, die rechte Hand erhoben. „Sankontessu!“

Mit entsetztem Würgen sah sie, dass nicht nur ihr Ehemann aufgetaucht war, sondern auch den Wurm getötet hatte – mit bloßen Händen, ohne zum Schwert zu greifen, und dennoch aus der Distanz. Sie sollte sich wohl bedanken, aber sie wandte sich keuchend ab. Es war das erste Mal, dass sie ihn als Halbdämon gesehen hatte, ebenso das erste Mal, wie bei Sango, dass sie getötet hatten. Und jetzt fiel es ihr deutlich einfacher die Warnungen vor dämonischem Blut und Daimyo ernster zu nehmen. Inu Yasha war sicher viel gefährlicher als Hojo, nun, vermutlich mehr als ihr Vater.

 

Inu Yasha kam heran. „Was war denn hier los? Schlaft ihr?“

„Den ersten habe ich erledigt,“ meldete Sango sachlich, die die Kritik durchaus nachvollziehen konnte. „Es handelte sich um ein Weibchen und sie waren wohl im Paarungsspiel, nicht auf der Jagd. Das hier war das Männchen und wollte offenkundig als Ersatz… äh, Kagome haben.“

„Keh, niemand will meine Frau ohne es mit mir zu tun zu bekommen. - He, Kagome, jetzt ist alles in Ordnung, ich bin da und passe auf dich auf.“

Sie nickte nur. Ihr war schlecht und aus dem überstandenen Adrenalinschock klapperten ihr die Zähne. Fast sofort spürte sie wieder sein Oberteil um ihre Schultern, noch warm von seinem Körper. „Danke,“ war sicher höflich, während sie in die Ärmel schlüpfte. „Frierst du nicht?“ Zu ihr war er so rücksichtsvoll… Nur, weil sie verheiratet waren? Oder mochte er sie irgendwie auch? Er hatte da was von anfreunden gesagt.

„Nein.“ Er ließ sich nieder. „Ich bin weiter unten gewesen, da kommt die Straße wieder. Es dürfte besser sein, wenn Kirara klein bleibt und wir ganz brav zu Fuß weiter gehen. Bis nach Mochi selbst ist es nicht mehr weit, ich konnte die Stadttore schon sehen. Jede Menge Menschen, die dahin gingen, vermutlich, um noch vor Einbruch der Nacht da zu sein.“ Er sah beiseite und Kagome erkannte, dass seine Augen wieder wie Bernstein funkelten. Er war wohl nicht mehr böse auf sie. „Du schläfst in meinem Arm, das ist wärmer, und ich halte Wache. Morgen trage ich dich bis zur Straße, den Rest schaffst du bestimmt.“

Da hatte sie zwar ihre Zweifel, aber sie nickte nur. Nur keine Stimmung gegen sich mehr machen, nur nicht zeigen, wie viel schwächer sie war als er, nur ein Mensch. Er wollte ihr ja helfen und er meinte es gut. Er war kein Monster, nur ein halber Dämon. Und zu irgendeinem unbekannten Anteil sogar göttlich.

 

Der Weg nach Mochi war in der Tat gut besucht. Eine Priesterin oder ein Mönch fielen nicht auf und selbst Dämonenjäger kamen oft genug aus der benachbarten Provinz, dass Sangos Uniform kein Misstrauen auslöste. Fall sich irgendwer über den bewaffneten, jungen Mann mit langen weißen Haaren wunderte oder dessen Ohren auf dem Kopf, so war diese vertraute Begleitung dazu geeignet ihn harmlos wirken zu lassen. Selbst die Posten, die die Besucher kontrollierten, verlangten nur den üblichen Wegezoll, den Inu Yasha auch ohne Murren für sich und seine, wie er langsam hoffte, Freunde bezahlte. Er wusste aus den Berichten seiner Berater, dass die Gegend um Mochi die einzige Ebene war, in der Reis und Leinen angebaut werden konnte, enorm wichtig für die Versorgung der Bevölkerung. Gab es hier eine Missernte, wie vergangenes Jahr, so waren die Menschen der Provinz darauf angewiesen, dass der Daimyo aus anderen Provinzen Reis und Getreide einkaufte. Und der liebe Nachbar aus Ayama, Naraku, hatte seinen Preis nach der Missernte ja wohl auch postwendend hoch gesetzt. Nicht unüblich, klar, aber irgendwie hatte der Halbdämon das Gefühl gewonnen, den nicht leiden zu können.

Jedenfalls war es so kein Wunder, dass so viele Menschen zum Tempel des Inari strömten, für die gute Ernte dieses Jahr danken und die möglichst noch bessere nächstes Jahr bitten wollten. Der hochgelegene Haupttempel war zwischen den kleinen Häusern kaum zu übersehen, ebenso wie das Kloster zu den sieben Monden, das auf dem zweiten Hügel der Stadt errichtet war.

 

Sie folgten zu viert dem Weg der Pilger und waren mehr als überrascht, dass ein Mann mit einigen Stadtwachen sie abtrennte und stoppte. Die Amtskette verriet, dass der Anführer ein Beamter war, sicher der Stadtverwalter. Drei der Gruppe sahen zum vierten, ausgerechnet zu dem Verdächtigsten und Makoto beschloss, dass sein Argwohn richtig gewesen war. „Diese Sorte mögen wir hier nicht. Verschwinde.“

„Priester? Miko? Dämonenjäger?“ Inu Yasha wollte nicht verstehen.

„Dämonen! Was bildest du dir denn ein hier einfach zu einem Götterfest gehen zu können, ja, womöglich gar in den Tempel und Inari beleidigen? Wir litten genug unter den letzten Missernten! Verschwinde oder muss ich dich erst aus der Stadt jagen lassen?“

„Keh. Das kannst du gern probieren. Mein Name ist Inu Yasha. Ich bin der Daimyo von Aoi. Und ja, ich habe nicht nur das Recht eine Spende zu dem Fest zu geben, sondern daran teilzunehmen!“

Makoto lachte auf, was seine Wachen dazu bewog das Gleiche zu tun. „Klar. Der Daimyo. Junge, ein Daimyo reist immer mit Standarte und Samurai. Ich sehe hier weder noch, also, was soll der Blödsinn.“

Langsam reichte es dem Halbdämon. „Deine schlechten Informationen sind mir einerlei.“ Er zog die Augen zusammen, ehe er hoffte wie sein Halbbruder zu klingen. „Aber gut. Ich gehe und komme mit Samurai zurück. Dreihundert Samurai und fünfzig dämonische Krieger. Danach wird von Mochi außer dem Tempel und dem Kloster nur noch rauchende Trümmer zu sehen sein, darauf gebe ich dir mein Wort.“

Makoto wollte schon wieder auflachen, aber irgendetwas in diesem Satz war kalt wie Eis gewesen. Eine eindeutige Drohung, ohne, dass der Junge auch nur an sein Schwert gefasst hätte.

„Makoto, was ist denn….“ Ein groß gewachsener, in gelb-orange gekleideter Mann kam heran, sichtlich ein Mönch, anhand der Ketten wohl der Abt des Klosters, dessen Blick etwas alarmiert an den Ohren dieses Besuchers hängen blieb. Er war gewohnt das Leben mit buddhistischem Gleichmut anzunehmen und so gab es kaum eine Sache, die ihn eigentlich dazu bewegen konnte, fast ruckartig zu dem Ortsvorsteher zu gucken.

„Dieser Dämon wagt es unser Fest stören zu wollen, verehrter Abt, und gibt sich auch noch als Daimyo aus.“

Der Blick des Abtes glitt erneut zu dem sichtlich verärgerten Halbdämon, zu dessen Begleitung, doch jetzt etwas aus der Fassung gebracht.

„Aha,“ machte Inu Yasha angesäuert. „Du bist hier wohl der Oberbonze. Sag diesem Vollpfosten von Stadtvorsteher, dass es euch allen hier schlecht bekommen würde mich nicht zuzulassen, angefangen von der jährlichen Spende. Und, wenn ich beschließe am Erntefest persönlich teilzunehmen, nicht mit Samurai um das Fest nicht zu stören, sondern mit meinen geistlichen Beratern, hat jemand wie der da dafür zu sorgen, dass mir nicht einmal eine Maus in die Quere kommt.“ Und, mit einer Eingebung ergänzte er: „Sonst vergesse ich nicht meine göttliche Verwandtschaft - aber mich.“

„Inu Yasha-dono…“ Der Abt verneigte sich eilig tiefer als es seine Stellung notwendig machte. „Ich bitte das voreilige Verhalten Makotos großmütig zu verzeihen. Selbstverständlich ist Eure Rücksichtnahme mehr als gnädig und ich muss zugeben - mein bescheidener Name ist Harumaru, wie Euch selbstverständlich bekannt ist - Ihr würdet uns allen eine große Freude machen, wenn Ihr Eure Pilgerreise im Tempel des Inari abschließen wollt. Über Nacht seid Ihr und Eure geistlichen Berater freudig gern im Kloster zu den sieben Monden als Gäste gesehen.“

Das verabschiedende Nicken und der nun unbesorgte Weitergang verriet einen ausgebildeten Fürstensohn.

Harumaru sah zu Makoto. „Was sollte das denn?“ Das „du verdammter Narr“ sparte er sich nur in gewisser Aussicht, dass das gut für sein Karma wäre.

„Woher sollte ich denn wissen, dass dieser Dämon der neue Daimyo ist?“ Sicher, es war ein Bote gekommen, dass man die Namensstempel, die mit dem Namen des bisherigen Fürsten gekennzeichnet waren, nicht mehr verwenden durfte, sondern mit dem Inu Yashas, der ein Halbdämon sei, aber…

Manchmal fragte sich der Abt wirklich wie Makoto zum Ortsvorsteher werden konnte. „Weil er ein HALBdämon ist! Und seine Mutter war eine kaiserliche Prinzessin, in ihm fließt das Blut der Sonnengöttin. Kein Dämon ginge doch freiwillig in einen Tempel um für die Ernte zu danken! Was hast du denn in deinem Kopf? Wenn er dich um einen kürzer gemacht hätte, wie es sein Recht bei so einem Empfang gewesen wäre, würde man keinen Unterschied bemerken. So ist es allerdings für uns alle besser – wenn ER um die nächste Ernte bei Inari bittet, nun, viel mehr göttliche Hilfe könnten wir nur erhalten, wenn der Kaiser höchstpersönlich hier auftauchen würde und nicht nur sein Cousin.“

 
 

Nebenwirkungen


 

N

ach dem Besuch im Tempel des Inari bummelten die vier Besucher noch vorbei an diversen Marktständen, ehe Inu Yasha fast losrannte, sich gerade noch auf die Würde eines Daimyo besann. Er hatte gefunden, was er suchte – einen Stand mit Waffen. Miroku hatte ja vorgeschlagen, dass Kagome sich auch bewaffnen sollte – und er fand es gut, einer Frau, seiner Frau, etwas zu schenken. Das würde bestimmt beim Anfreunden helfen, wobei er doch annahm, dass sie auf gutem Weg waren, auch mit den anderen Beiden. Streitigkeiten waren wohl unter Menschen an der Tagesordnung, wenn er bedachte, wie sich auch die Dämonenjägerin und der Mönch aneinander rieben, was manchmal mit einer Ohrfeige seitens Sangos endete. Er war die strikte Hierarchie im Westen gewohnt, aber das waren ja auch hauptsächlich Dämonen. Sicher, mit den Menschen hatte er auch zu tun gehabt, Vater hatte ihn, als er langsam erwachsen wurde, ja immer wieder da hin geschickt, für Rituale zum Erntefest oder auch andere Dinge. Zunächst hatte er geglaubt, das sei nur wieder eine Zurücksetzung, weil er eben nicht der reinblütige Sohn war. Jedenfalls hatte das Sesshoumaru angedeutet, aber inzwischen vermutete er, dass chichi-ue da bereits an einen Posten als Daimyo gedacht hatte und ihn so vorbereiten wollte. Immerhin schien er die Rituale hier in Mochi gut beherrscht zu haben. Natürlich war er unsicher gewesen, aber er hatte einfach alles ebenso gemacht wie bei dem Erntefest des Inari im Westen. Und das schien geklappt zu haben.

 

Kagome war tatsächlich erfreut, einen neuen Bogen und Pfeile zu erhalten, nicht nur den geerbten von Großtante Kikyou, wie in der Burg. Als sie abends in dem Gästezimmer, das den beiden jungen Frauen zugewiesen worden war, im Außenbezirk des Klosters, saß, betrachtete sie noch einmal ihre Neuerwerbung. „Der ist sehr schön,“ sagte sie zu Sango. „Und lässt sich gut spannen.“

„Ja, ich denke wirklich, dass Inu Yasha recht großzügig ist.“

Das war ein Thema, dass Kagome lieber vermied. Ja, das war er, das wusste sie selbst und ihr war auch klar, was ein anderer Ehemann mit ihr angestellt hätte, würde sie ihn vor Zeugen oder überhaupt zu Boden befördern. „Jedenfalls hat er sich im Tempel für einen Dämon überraschend gut angestellt.“

Die Jägerin sah sie etwas irritiert an. „Natürlich. In Nishi leben doch auch Menschen und ich kann mir vorstellen, dass der Herr der Hunde lieber seinen halbmenschlichen Sohn da hin schickte um das Erntefest zu feiern, als selbst dahin zu gehen. Ich glaube, sie haben an den Reisfelder auch einen Inaritempel.“

„So sollte ich ihn vielleicht sehen, ja. Nicht als halben Dämon, sondern als halben Menschen.“ Und, wenn sein Vater ein Dämonenfürst war, so war die Mutter eben doch ein Mensch gewesen, wenngleich aus dem Kaiserhaus.

„Und als Daimyo. - Hat er was gesagt, wohin er jetzt will?“

„Richtung Westen, da dann die Grenze entlang und dann an der Pforte von Ronin vorbei wieder nach Hause. Ich verstehe das nicht ganz. Vater ist immer mit Samurai geritten, nach einer Woche war er wieder da. Und wir laufen hier mehr oder weniger halb Aoi ab.“

„Ich denke, dass er seine neue Provinz so besser kennen lernen will. Keine ganz schlechte Idee. Aoi grenzt im Norden an meine Heimatprovinz, Aomori.“ Und vielleicht würde sie jemanden treffen, den sie kannte. Sango hatte auch heute sich auf dem Markt und am Tempel nach der ihr so vertrauten Uniform umgesehen, aber nichts entdeckt.

 

Inu Yasha saß allein in seinem Zimmer. Miroku, der mit ihm den Gästeraum teilte, hatte den Abt Harumaru gebeten die berühmte Bibliothek des Klosters auf der Suche nach einer Lösung des Fluchs angucken zu dürfen. Dieser war entsetzt, sowohl über das Schwarze Loch, als auch über die Tatsache, dass der Fluch nun schon in der dritten Generation wirksam war und hatte einen der ältesten Mönche gebeten sich mit Miroku einige Rollen anzusehen.

Der jungen Daimyo wäre es weitaus lieber gewesen, wenn er mit Kagome und auch Sango zusammen sitzen hätte können, aber dann hätte er erklären müssen, warum er seine Ehefrau als Schreinjungfrau herumlaufen ließ – nichts, was er brauchte. Früher oder später würde das Vater zu Ohren kommen. Peinlich, vor allem würde der kleine Schwindel aus der Hochzeitsnacht auffliegen. Immerhin hatte sie sich sehr über den Bogen gefreut und ihn angelächelt, das war doch schon auch mal etwas. Ob sie sich über ein Schwert auch freuen würde?

Er sah aus seinen Gedanken erst auf, als der Vorhang beiseite geschoben wurde und Miroku eintrat. Draußen war es dunkel geworden, die Geräusche des Klosters, aber auch unten aus der Stadt waren verstummt. Er brauchte nur einen Blick in das Gesicht des Mönchs zu werfen. „Nichts?“

 

„Nichts. Niemand hat anscheinend je von solch einem Fluch gehört oder von einem Verursacher.“ Miroku ließ sich nieder, müde, aber nicht enttäuscht. Großvater und Vater hatten Jahre damit verbracht zu suchen, da wäre es des Glücks zu viel, wenn er Erfolg hätte. „Es ist nur eines klar – der Fluch wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch an meine Kinder vererbt. Es sei denn, es gelingt mir den Verursacher zu finden.“

„Und ihn umzubringen,“ erklärte der dämonisch erzogene Daimyo prompt.

„Ja, aber ich will mich da auch nicht irren und einen Unschuldigen umbringen. Der Mönch, der mit mir in der Bibliothek war, meinte, es müsse sich um einen Einzelgänger handeln, niemanden, der einem Fürsten untersteht. Aber wo in ganz Japan soll der zu finden sein?“

„Das hattest du ja auch schon gemeint. Und ich kann dir sagen, wenn jemand solche Flüche aussprechen kann, so wirksame, wird er das auch nutzen. Und Dämonenfürsten, aber auch die Daimyo, sehen es nicht gerne, wenn da jemand rumläuft und mordet. Naja, morgen früh brechen wir nach Westen auf, die Grenze zu Aomori entlang bis zu den Blauen Bergen und der Pforte von Ronin. Hoffentlich geht es Kagome besser. Sie ist so etwas ja gar nicht gewohnt.“

„Menschen gewöhnen sich relativ schnell an neue Dinge,“ meinte Miroku und streckte sich aus, seinen Stab neben sich ablegend. „Aber du solltest vielleicht noch ein paar Tage Rücksicht nehmen.“

„Ja, klar.“

 

So fand sich Kagome, als sie außer Sicht der Stadt und des Klosters waren, erneut auf dem Rücken ihres Ehemannes wieder. Sie wusste vom letzten Tag, dass er sie scheinbar mühelos und sicher tragen konnte – und sie so das Vorankommen nicht störte. Immerhin war es fast bequemer als auf Kirara, die wieder ihre große Form angenommen hatte und nun neben Sango auch Miroku trug.

Inu Yasha hielt erst an, als es Mittag wurde und er einen Teich witterte. Wie schon gestern suchte er sich den Weg durch die Wälder, mied die Straßen. Nur manchmal verriet das entfernte Hacken die Anwesenheit von Holzfällern. Die Wälder der Provinz wurden zum Einschlag von Bauholz genutzt, vor allem die Zedern, die lange und hohe Hallen, sei es Paläste oder Tempel stützen konnten und lange haltbar waren. Neben dem Handel eine der Haupteinnahmequellen von Aoi.

„Wir können Fische fangen,“ schlug der Mönch vor, der von der Kampfkatze glitt. „Und die Reiskuchen haben wir auch noch.“

„Wir sind gut vorangekommen,“ erklärte Sango und wartete, bis ihre Katze in der winzigen Form in ihren Arm sprang. „Ich glaube, ich konnte am Horizont schon eine hohe Bergkette erkennen, das müssten dann die Blauen Berge sein.“

„Könnte passen.“ Inu Yasha ließ Kagome absteigen. „Geht es bei dir?“

„Ja, danke.“ Es wäre sehr unhöflich gewesen nicht dafür dankbar zu sein, nicht laufen zu müssen, noch dazu querfeldein.

 

Während die Fische vor sich hin grillten, berichtete Miroku, dass er in der Bibliothek nichts über die Lösung des Fluchs in Erfahrung hatte bringen können.

Kagome meinte ehrlich betroffen: „Das tut mir so Leid. Zu schade, dass Großtante Kikyou das shikon no tama so gut versteckt hat. Vielleicht könnte das dir helfen. Ich meine, es heißt, man hat einen Wunsch frei.“

„Nun ja, aber magische Gegenstände haben manchmal auch andere Nebenwirkungen. Warum hat sie es eigentlich so gut versteckt? Dein Großvater meinte ja, sie sei krank gewesen, aber dann sagte er was von einer Reise.“

„Ja, das hat er mir auch erzählt. Kikyou war wohl zu einem Krankenbesuch gerufen worden, sie nahm das Juwel mit, da sie es nie aus den Augen lassen wollte. Sie war ja die Hüterin. Als sie von der Reise zurückkam, trug sie es nicht mehr und war sehr schwach. Sie berichtete Großvater und dem damaligen Daimyo noch, dass sie es gut verborgen habe und nur ein Familienmitglied, also, jemand mit dem Blut der Higurashi, es wieder finden könnte. Sie starb wohl nur ein oder zwei Tage später.“

Sango blickte zu ihrer Katze. „Wohin war sie denn gegangen? Doch innerhalb der Provinz? Sie wollte jedoch, dass es gefunden wird, wenn die Familie wieder eine mächtige Priesterin hervorbringt.“

Kagome seufzte. „Ich habe in den letzten Tagen zum ersten Mal gesehen, wie unendlich die Wälder von Aoi sind. Wo willst du da mit der Suche anfangen?

„War sie so fähig wie Midoriko?“

„Ich glaube nicht, aber wohl sehr stark.“

„Dann werden wir es kaum finden können.“

„Keh,“ machte Inu Yasha leise, aber er schwieg zu der Diskussion, in Gedanken eher dabei sich ein Geschenk für seine Ehefrau zu überlegen, damit sie sich weiter anfreunden könnten. Ihr Gewicht machte ihm nichts aus, aber ihre Wärme stundenlang so eng an sich zu spüren, weckte in ihm ganz andere Gefühle – von denen sie allerdings einstweilen wohl besser nichts erfahren sollte. Sie hatten eine Vereinbarung.

 

Die friedliche Runde wurde erst aufgeschreckt, als Kirara fauchte und sich jäh vergrößerte. Bis auf Kagome sprangen alle auf und sahen sich suchend um.

„Da!“ Miroku deutete zum Himmel wo ein Falke fast über ihnen kreiste – zu groß für einen Vogel. „Ein Falkendämon.“

„Einer von Vaters Kriegern,“ meinte Inu Yasha mehr aus Überzeugung, denn weil er den Vogeldämon kannte. Er winkte ihm und prompt stürzte sich der nur scheinbare Vogel aus der Höhe hinab, um sich kurz vor dem Boden in seine Menschenform zu verwandeln und vor dem Daimyo niederzuknien. „Inu Yasha-sama.“ Er legte grüßend die Rechte an die Brust.

Kagome war ebenfalls aufgestanden, wenn gleich langsamer, ließ aber nun Bogen und Pfeilköcher wieder fallen.

Inu Yashas Ohren zuckten. „Nachricht vom Herrn des Westens?“ Das wäre leider nicht gut. Vater würde ihm nur Nachricht geben, wenn er selbst in Problemen steckte – oder sein jüngerer Sohn dabei war ihn zu blamieren. Bitte nicht.

„Nur indirekt.“

„Bericht.“

„Der Herr sandte mich mit der Nachricht, dass Ihr der Daimyo von Aoi seid und er selbst ein Bündnis mit dem Göttlichen Kaiser abgeschlossen hat, an Fürst Naraku nach Ayama. Da die Niigata-Vulkane unruhig sind, flog ich nicht den direkten Weg über diese, sondern nahm den Weg über die Pforte von Ronin. Fürst Naraku erkundigte sich nach meinem Weg und bat mich Euch eine Nachricht zu überbringen, ehe ich in den Westen zurückkehre.“

Wie kam der Kerl denn dazu Vaters Boten ….Na schön, war ja kein Umweg. „Also, was will er?“

„Fürst Naraku wünscht sich ein nachbarschaftliches Treffen zum Kennenlernen. Dabei sollen natürlich die Regeln des Friedensvertrages beachtet werden, jeder Fürst auf seiner Seite der Grenze. Falls es Euch möglich ist, bittet er um ein Treffen in den nächsten Tagen, denn dann sei er sowieso in der Nähe der Pforte. Ich rechnete mit Euch in der Burg Higurashi, aber dann sah ich Euch hier.“

„Danke, du kannst zurück in den Westens, mit meinen Grüßen an meinen ….“ Nein, Herr und Vater stimmte ja nicht mehr. „Meinen verehrten Vater.“

Der Dämon erhob sich mit einer Verneigung und schien in die Luft zu springen – tatsächlich verwandelte er sich bereits wieder und jagte mit wenigen Flügelschlägen empor in den Himmel, Richtung Südwest.

„Du willst Naraku treffen?“ fragte Sango, die sich wieder niederließ und die Fische drehte.

Inu Yasha setzte sich und griff zu einem Reiskuchen. „Ja, warum nicht? Kann man den mal kennen lernen. Und wir sind sowieso nahe an der Pforte. Jeder bleibt auf seiner Seite. Die dämonischen Fürstentümer und das menschliche Kaiserreich sind von magischen Grenzen getrennt, die ein Daimyo oder Dämonenfürst jeweils nur mit Genehmigung des Kaisers überschreiten kann. So wurde damals der Krieg beendet. Ich meine, der Kerl wird mich ja kaum entführen wollen oder umbringen. Geschweige denn können.“ Aber es wäre mal ganz interessant sich den Dämon anzugucken, der Vater immerhin auf sich aufmerksam gemacht hatte.

„Vermutlich nicht,“ warf Kagome ein. „Und es ist immer besser miteinander zu reden als sich zu streiten. Immerhin ist er der direkte Nachbar.“

 

Naraku hatte in der Tat Wichtiges in der Gegend der Pforte zu erledigen. Kagura hatte ihm gemeldet, dass ein Bote der Vogelfürstinnen eingetroffen sei und mit Hakudoshi auf ihn wartete. Da Narakus Plan bei der Ermordung Sesshoumarus auch die Vögel der Damen beinhaltete, sollte er sich von seiner netten Seite zeigen.

So grüßte er den dunkelhaarigen Mann in menschlicher Form höflich, nachdem er seinen Sohn mit einer Handbewegung fortgeschickt hatte. „Ich hoffe, die Herrinnen befinden sich wohl?“

„Nun, genau darum geht es.“ Er war einer der Anführer der Blutvögel. Nur die wenigsten dieser Art vermochten es sich in Menschenform zu verwandeln – die stärksten. „Prinzessin Abi fand Euer Angebot bedenkenswert, sie möchte allerdings direkt mit Euch verhandeln. Wie Ihr wisst, ist es ihnen jedoch verboten, Sobo, das Fürstentum der Füchse, ohne Genehmigung des Fuchsherrn zu verlassen. Meine Herrinnen erwarten, dass Ihr für dieses Problem eine Lösung findet, da sonst keine Verhandlungen möglich sind.“

Das war wahr. Ein einzelner Blutvogel mochte über das Kaiserreich fliegen können ohne Alarm auszulösen. Nicht jedoch die Herrinnen der Vögel, zumal Fürstin Teikken sich nur mehr mit Hilfe gleich einiger Paradiesvögel in die Luft erheben konnte. Ihre Krankheit war ja auch ein Grund, warum er den Damen das Juwel der vier Seelen, nun, einen Splitter davon, angeboten hatte. Immerhin waren sie interessiert genug daran. Sie würden allerdings unter Garantie auffallen. Und damit nicht nur alle Daimyo und den Kaiser selbst dazu zu bewegen ihre Samurai und Milizen aufzubieten, sondern nun auch leider den Inu no Taishou samt Kriegern auf den Plan rufen. Zum Glück plante er stets im Voraus, denn auch der Herr der Füchse verstand keinen Spaß wenn gegen die Grundregeln des alten Friedensvertrages verstoßen wurde, zumal von den Frauen, die mehr oder weniger seiner Aufsicht unterstellt waren. „Das ist kein größeres Problem, wenn ihr den Damen etwas von mir überreicht.“

Der Blutvogel streckte die Hand aus und betrachtete für einen Moment sichtlich überrascht das seltsame Gebilde aus Ästen und Schnüren, das er hineingelegt bekam. Dann begriff er. „Das ist Magie.“

„In der Tat. Wenn die Herrinnen diese Puppe zu Boden legen, wird der Zauber aktiviert und ich kann mit ihnen sprechen als ob ich selbst anwesend bin.“

„Ihr scheint ein weit vorausdenkender Mann zu sein, Fürst Naraku.“

„Fürstin Teikken und Prinzessin Abi können sich auf mich verlassen.“

„Tatsächlich hat Prinzessin Abi noch eine Frage. Befindet sich das angebotene Objekt bereits in Eurem Besitz?“

„Noch ehe wir verhandeln.“ Es war nicht notwendig zu erwähnen, dass er dazu ein Treffen mit dem halbdämonischen Daimyo von Aoi planen musste. Hatte er diesen Halbhund, konnte er auch Kagome herumschicken und nach dem mächtigen Juwel suchen lassen. Er war damals so nahe dran gewesen, oh, so nahe – und Kikyou war es tatsächlich gelungen es vor ihm zu verstecken. Schön, diesen Aufwand an Magie hatte sie mit dem Leben bezahlt. Nun gab es Kagome, und irgendwie musste doch ihre läuternde Kraft zu erwecken sein. Oder sie zumindest ihrem Ehemann Rat geben können, wo man zu suchen hatte. Der alte Priester, ihr Großvater, war vergesslich geworden, aber dessen Zauberkraft war auch eher gegen Null tendierend. Der würde vermutlich das shikon no tama nicht einmal sehen, wenn er direkt davor stünde. Nein, Kagome war der Schlüssel. Und dazu brauchte er diesen törichten Sohn des Taishou. Nun ja, beide Söhne waren töricht, jeder auf seine Art. Ganz der Papa eben. „Dann wünsche ich Euch guten Flug. Oder habt Ihr noch Fragen?“

„Nein.“ Der Bote schob die kleine Puppe in seine Kleidung. „Ich werde dieses Stück übergeben.“

„Sehr schön. Ich bin sicher, Eure Herrinnen werden mit Euch zufrieden sein.“ Und er gleich mit, wenn dieses Bündnis zustande kam. Der alte Hundeheerführer mochte schlau sein, aber er würde nicht bei einem Hilfegesuch an einen Mordanschlag auf seinen Ältesten denken. Und ihm persönlich würde es Vergnügen bereiten dem arroganten Hund seinen Erben in Einzelteilen vorzuführen. Paradiesvögel waren nicht dafür bekannt zimperlich zu sein, wenn man sie, wie die beiden Damen, richtig einzusetzen wusste.

 

Sesshoumaru ließ sich erschöpft auf einem Stein nieder, so dass seine Schwerter neben ihm hingen. Freilich war es eine angenehme Erschöpfung. Solche Übungen mit chichi-ue waren stets lehrreich und zeigten ihm, an welchen Schwachstellen er noch arbeiten musste, um eines Tages selbst der Anführer der Hunde zu werden. Natürlich hatte Vater nicht mit So´unga gekämpft, das lag im Schloss unter starken Bannkreisen verborgen. Selbst in der Scheide wohnte ein kleiner Geist, der nur den Auftrag hatte dafür zu sorgen, dass sich Scheide und Klinge nicht selbstständig trennten.

Der Taishou blieb stehen. Tja. Soweit so gut. Wie führte man jetzt so ein Gespräch über die Pflichten eines Ehemannes und was der tun musste, wollte er einen Erben? „Ich habe die Zusagen meiner Vasallen erhalten. Es werden insgesamt fünf junge Damen mit anreisen, zwei davon Zwillinge. Das andere sind Schwestern und eine einzelne Tochter, Kenmarus Tochter und Schwester.“

Das war keineswegs so eigen wie sich das anhörte, dachte Sesshoumaru. Alle männlichen Familienmitglieder trugen diesen Namen. Kenmaru, der Vater, war einer der wichtigsten Hauptleute und bildete auch neue dämonische Krieger aus. Kenmaru, der Sohn, war auf dem besten Weg seinem Vater nachzufolgen. Er hatte selbst schon gegen ihn trainiert und vermutete, dass der einer der wenigen wäre, bei denen er sich, neben chichi-ue natürlich, wirklich anstrengen müsste um in einem ernsten Kampf Sieger zu sein. Er sollte wohl irgendetwas sagen, denn Vater sah ihn so eigen an. „Zwillinge?“

„Eineiige, wurde mir gesagt, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Allerdings möchte Kenmoto sie nur gemeinsam weggeben. Nun, zwei Bräute zum Preis von einer, zweifache Aussicht auf einen Erben...“

„Ich werde mir die Damen ansehen,“ versprach der Sohn wohlerzogen. Aber er wunderte sich. Warum war Vater so ….angespannt? Hatte er sich etwa im Duell so gut gehalten, dass selbst der Hundefürst beeindruckt war? Nein, es ging sicher um diese Hochzeitsgeschichte. „Ich werde mich Eurem Willen fügen.“

„Ich sagte dir zu, dass du frei wählen kannst. Ich stehe zu meinem Wort.“

„Vergebt.“ Da kam doch noch etwas?

„Ich vermute, dir ist bewusst, dass es unerwünscht wäre sollte deine Braut in der Hochzeitsnacht das Weite suchen und zu ihrer Familie zurück kehren, nur, weil du ...ungestüm warst.“

Inu Yasha, dachte der große Bruder prompt. Hatte dieser Narr es etwa um ein Haar geschafft selbst seine Hochzeitsnacht zu ruinieren? Vollständig wohl nicht, sonst wäre der nicht mehr Daimyo. Aber chichi-ue wollte vermutlich vorsorgen. „Ja.“

„Du solltest sie, gleich, wer es wird, beruhigen, ehe du sie auf dein Lager nimmst.“ Ja, und jetzt? „In deine Arme nimmst und dann...“

Sesshoumaru dämmerte, was los war. Wie gegen den eigenen Willen versuchte sein Vater ihm gerade zu erklären wie eine Hochzeitsnacht ablief. Inu Yasha! Das verdankte er nur dem Bastard. Aber er sagte seltsam hölzern: „Ich weiß, chichi-ue.“

„Was weißt du?“

Der Fürstensohn fühlte sich wie bei einem Verhör, zumal ungewohnte Hitze der Verlegenheit in ihm aufstieg. Und das passierte ihm wahrlich selten. Gewöhnlich nur bei seiner Mutter. Ein guter Grund sie selten zu besuchen. „Wie es geht.“ Wenn er diesen Halbhund in die Finger bekam!

Der Taishou wollte schon aufatmen, ehe er doch fragte: „Wie man einen Erben zeugt?“

„Ja,“ war herausgepresst.

„Etwa von deiner Mutter?“ Das konnte sich der Herr der Hunde doch nicht vorstellen.

Sesshoumaru schüttelte eilig den Kopf, starrte jedoch lieber zu Boden. War das unangenehm! Aber, wenn er sich jetzt nicht als nüchtern erwies, fachkundig, geradezu, würde ihm Vater unter Umständen doch eine Braut anraten. Und die Ratschläge des Fürsten waren auch und gerade für seinen Erben bindend. „Ich habe Erfahrung.“

„Keine Dauerbeziehung!“ Das klang scharf.

„Nein, chichi-ue. Ich kenne meine Pflichten.“ Hoffentlich war jetzt Schluss, ehe er noch irgendetwas sagte, das gegen ihn verwendet werden könnte.

„Gut. Wenn du dich erholt hast werden wir in unserer wahren Form gegeneinander kämpfen.“

Das Verhör war zu Ende und das war die Belohnung! Sesshoumaru stand eilig auf, ehe noch eine unangenehme Frage kam, womöglich eine Namensliste verlangt wurde. Es gab genügend ältere Hundedamen, die von einer Nacht mit ihm beglückt waren – und die die Regeln kannten, nicht erwarteten, dass es mehr als eine Nacht wurde.

 

 
 

Nachbarschaftstreffen


 

A

m Abend dieses Tages war Kagome, obwohl Inu Yasha sie getragen hatte, erneut so müde, dass der junge Daimyo beschloss das nächste Dorf anzusteuern und um Unterkunft zu bitten. Das entpuppte sich tatsächlich als Glücksgriff, denn Miroku wurde als Mönch freudig willkommen geheißen – und eben seine Begleiter auch. Wurmdämonen lauerten in dem nahegelegenen Wald und hatten bereits Menschen getötet.

Nachdem der Ortsvorsteher der kleinen Holzfällersiedlung die sichtlich erschöpfte junge Frau in der miko-Kleidung freundlich aufgenommen hatte, machten sich die anderen Drei auf die Jagd.

Trotz der Müdigkeit und der freundlichen Aufnahme war Kagome inzwischen vorsichtig genug geworden, um nichts von wegen Daimyo oder Fürstin zu erwähnen. Sie bat nur nach dem Abendessen um einen Schlafplatz und war auch prompt müde genug selbst hier einzuschlafen. Sie machte erst die Augen auf, als Stimmen laut wurden und sie erkannte, dass ihr Ehemann samt Begleitern zurück gekehrt waren und berichten konnten, dass sie die Wurmdämonen vertrieben oder getötet hatten. Der Dorfvorsteher war heilfroh und versprach ihnen morgen auch noch Essen mitzugeben. Für die Fürstentochter, die so gut wie nie die sichere heimische Burg verlassen hatte, war das das erste Mal, dass sie erkannte, wie wichtig die Arbeit von Dämonenjägern und Menschen mit spirituellen Fähigkeiten war. Bislang war das, was ihr Großvater sie im Schrein gelehrt hatte, immer nur Theorie gewesen und läutern, töten, eines Dämons eher erschreckend. Aber die anderen Menschen hier draußen waren auf solche Hilfe angewiesen. Und womöglich war Inu Yasha schon deswegen ein guter Daimyo für Aoi, hatte er doch erwähnt, dass er mit solchem „armseligen Gewürm“ locker zurande käme. Und sie entdeckte in sich ein Pflänzchen aus Respekt – nicht nur gegenüber Miroku und Sango, die offensichtlich diesem Kampf und Beschützen ihre Leben verschrieben hatten, sondern auch gegenüber ihrem Ehemann.

 

So war das Quartett am folgenden Morgen frohen Mutes wieder auf dem Weg durch die Waldlandschaft Aois, die sich hier langsam ausdünnte. Vor ihnen erschienen die schroffen Gipfel der Blauen Berge, die sich, soweit das Auge reichte, nach Norden erstreckten. Nach Süden hingegen bot sich eine Ebene an, die an den dampfenden Vulkanen des Niigata endete – die Pforte von Ronin.

Inu Yasha blieb stehen. „Steig ab, Kagome.“

Sie gehorchte eilig, wirklich froh, dass er sie erneut trug. „Das da ist sicher die Pforte.“

„Ja, denke ich auch. - Und da, am Fuß der Berge, sollte sich der Wachturm befinden.“ Er versuchte ihn zu entdecken. „Ja, da ist er auch. - Gehen wir noch etwas näher, dann wartet ihr auf mich und ich gehe allein hin.“ Immerhin war ihm gesagt worden, das hier und am anderen Ende der Pforte Samurai stationiert waren, die ständig die Grenze abpatroullierten. Er wusste von seinem Vater, dass der die Grenzwachen auch regelmäßig prüfte – oder mittlerweile von Sesshoumaru prüfen ließ. Unangekündigt. Unwillkürlich musste er daran denken, dass Kagomes Vater bei einem solchen Kontrollritt samt seiner Garde gestorben war. Zufall? Es hatte doch geheißen, dass er immer eine Woche weg war. Ritt er da immer den gleichen Weg und wusste das jeder, der interessiert war? Dann konnten sich die Wächter in den Türmen auch darauf einstellen? Na, dann würden die jetzt ziemlich überrascht sein.

 

Im Näherkommen entdeckten auch die drei Menschen den Wachturm am Fuß der Blauen Berge, deren steiler Abhang südwärts in der Pforte endete. Warum der da stand, war rasch klar, ein Bach kam aus den Bergen und floss in einen See, der den Turm nach Süden hin schützte und zugleich diesen versorgen konnte. Das Gebäude selbst bestand aus einem steinernen Erdgeschoss und dem eigentlichen Turm, der zwei hölzerne Stockwerke besaß.

Inu Yasha sah sich um: „Dort hinten liegt wohl ein Teich oder so etwas. Da könnt ihr Pause machen. Ich finde euch dann schon.“ Und mit weiten, eindeutig über-menschlichen, Sprüngen machte er sich auf den Weg.

„Pause, ja.“ Kagome seufzte möglichst unhörbar. Sie hatte nicht laufen müssen, war getragen worden, aber langsam war sie schon wieder müde. Der ungewohnte Muskelkater ließ sie sich für fast bewegungsunfähig halten. Aber sie wollte auch nicht, dass ihr Ehemann sie für schwächer als Sango hielt. Nun ja, gab sie zu, als sie neben der Dämonenjägerin ging, sie konnte deren Bumerang nicht einmal aufheben, geschweige denn tragen oder gar werfen. Sie WAR schwächer, ungeübter. Aber sie war bestimmt auch fähig und das sollte sie ihm beweisen! Das Wie war nur die große Frage, denn sie hatte langsam das Gefühl, dass er auf sie aufpassen musste, sie ähnlich sah, wie sie Kirara, ehe sie die Kampfkatze in ihr erblicken konnte: nett zum anschauen und streicheln, ganz süß, aber zu nichts zu gebrauchen. Keine Rolle, die ihr für die nächsten Jahrzehnte zusagte.

 

Tatsächlich fanden sie in der Richtung, die der Halbdämon angegeben hatte, einen Weiher am Waldrand, der offenbar aus Grundwasserquellen gespeist wurde, denn er besaß weder einen Zu- noch einen Abfluss. Die erleichterten Dorfbewohner hatten ihnen aus Dankbarkeit Brot und Zwiebeln mitgegeben, dazu Pilze, und Kagome sah zum ersten Mal, dass man auch diese Gemüse auf Spieße stecken und über einem Feuer braten konnte. Sie hatte viel zu lernen, gab sie sich erneut zu. Und das würde sie auch!

Das Essen war gerade fertig als Inu Yasha auftauchte. Und keiner der Drei musste Gedanken lesen können, um zu sehen, dass etwas schief gelaufen war.

„Haben sie dich etwa auch nicht erkannt?“ fragte seine Ehefrau, die sich nur zu gut an die Szene in Mochi erinnerte.

„Keh! Die waren bei unserer Hochzeit dabei!“ Er setzte sich. „Aber eine tolle Arbeitsmoral.“ Er würde Hauptmann Nimaki was erzählen! Aber er sah zu Sango, die am ehesten das militärische Problem verstehen konnte. „Passt auf. Rechts und links von dieser Pforte von Ronin gibt es je einen Wachturm. Die Leute sind zu acht und für jeweils eine Woche da, dann werden sie abgelöst. Gedacht ist das so, dass immer die Hälfte schlafen kann, vier auf Wache sind. Davon zwei im Turm und zwei unterwegs.“

„Doppelwache auf Patrouille,“ meinte Sango prompt. „Zur Sicherheit. Und das ist nicht so?“

„Einer marschiert los, trifft den vom anderen Turm in der Mitte und dreht dann um.“ Er bemerkte, dass Kagome verständnislos guckte. „Doppelwache und auch zwei Mann auf Beobachtung sind zur Sicherheit. Falls was passiert, kann vielleicht einer die Information weiter geben.“ Und den Daimyo samt den in der Burg stationierten Samurai benachrichtigen, der dann gegebenenfalls auch die Miliz aufrufen konnte und in jedem Fall den Kaiser informieren.

„Und wenn es nur ist, dass er ungeschickt stürzt,“ erklärte die Jägerin, da Kagome offensichtlich erschreckt war. „Wer sollte ihm dann helfen, bis sein Fehlen auffällt und er gesucht wird vergehen Stunden. Immerhin war wenigstens einer unterwegs, Inu Yasha?“

„Ja, vier schliefen und die anderen drei waren damit beschäftigt sich ein Gläschen Reiswein zu genehmigen.“ Die Flasche Sake war prompt umgefallen, als sie erkannten, wer da in den Hof des Wachturms kam und sie sich kaum eilig genug zu Boden warfen. „Sag mal, Kagome, weißt du, ob dein Vater seine Kontrollen jedes Mal ankündigte oder nach dem gleichen Schema machte? Du hast gesagt, er war immer eine Woche unterwegs.“

Die junge Fürstin zuckte etwas überfragt die Schultern. „Das wird Mama eher wissen, aber ich denke, dass er immer eine gewisse Runde einhielt, schon, um überall in Aoi auch aufzutauchen und Fragen der Dörfler zu entscheiden und so.“

„Es wusste also jeder, wann der Daimyo wieder aufkreuzen würde,“ schloss Miroku und nahm sich noch ein Stück Brot, ehe der Halbdämon alles erwischte. „Und dann waren sie natürlich alle eifrig bei der Arbeit. Nun ja. Diese acht Männer werden das herumerzählen. Sie leben doch noch?“

„Genau aus diesem Grund,“ murrte Inu Yasha, der sich gerade noch daran erinnert hatte, dass es sich nicht um Dämonenkrieger, sondern menschliche Samurai handelte – und dass die Vorgehensweise seines älteren Bruders bei Fehlern nicht einmal Vater ganz gefiel. So erklärte er: „Ich weiß nur, zuhause, also, im Westen, werden die Wachen immer unangekündigt überprüft.“

Zuhause, dachte Kagome. Ja, auch so ein Punkt, den sie nicht vergessen sollte. Er war allein in fremden Gebiet, dafür dem Göttlichen Kaiser allein verantwortlich. Das war sicher eine Belastung, dafür erzogen hin oder her. Das ließ er sie nicht spüren, auch zu Mama war er wirklich freundlich. Und sie jammerte, dabei konnte sie in der vertrauten Umgebung, bei ihrer Mutter bleiben. Sie sollte ihm wirklich zeigen, dass sie etwas konnte. Nur, was und wie?

 

Nach dem Essen gingen alle Vier in Richtung auf die unsichtbare Grenze der Pforte von Ronin. Inu Yasha hatte seine Absicht auf Narakus Einladung einzugehen nicht vergessen und steuerte geradewegs auf die steil abfallende Kante der Blauen Berge zu, sichtlich entschlossen, die Ebene entlang der Grenze selbst zu gehen. Als er näher kam, vermochte er auch die magische Linie zu spüren – und das, obwohl er es mit der Zauberkunst wirklich nicht so hatte. Für Dämonen war hier eine scharfe Linie, wenngleich natürlich Händler oder auch Boten sie überqueren konnten und durften. Nur den dämonischen Fürsten und den menschlichen Daimyo war dies ohne Zustimmung des Kaisers durch den Frieden vor dreihundert Jahren verboten. Unwillkürlich fragte er sich, woran eigentlich Menschen diese Grenze bemerkten, aber sie mieden sie wohl einfach. Jedenfalls, als er seine „geistlichen Berater“ fragte, meinte auch Miroku er spüre nur eine gewisse Magie, die ihn aber nicht abwehre oder aufhalten würde.

 

Um demonstrativ zu zeigen, dass er friedliche Absichten hatte, blieb Inu Yasha mit seiner Gruppe fast dreihundert Meter vor der Grenze, die sie langsam nach Süden abwanderten. Diesmal trug er Kagome nicht, was seine Ehefrau auch verstehen konnte. Bei einem Fürstentreffen wollte und sollte der Daimyo von Aoi auch seinem Stand entsprechend auftreten. Wenn schon ohne Standarte und Samurai, so doch wenigstens nicht als Lastesel der Fürstin. Überdies, so stellte sie fest, hatte ihr die Pause gut getan. Und, sie gewöhnte sich daran derart unterwegs zu sein. Nicht, dass es ihr gefiel, aber der Muskelkater ließ nach. Wie es Souta wohl in der Hauptstadt ergehen mochte? Und Eri in ihrer Ehe? Sie waren jetzt eine Woche doch sicher schon in Heiyokyo, da konnte schon viel geschehen sein. Ob sie Inu Yasha bitten sollte, Briefe an sie schreiben zu dürfen? Natürlich war nur der Herr befugt Boten abgehen zu lassen. Doch, das sollte sie. Und, wenn sie zeigte, dass sie sich hier seinen Wünschen fügte, dann würde er das auch genehmigen, da hatte sie mittlerweile keine Zweifel.

Sie schrak förmlich aus ihren Gedanken auf, als Inu Yasha neben ihr so abrupt stehen blieb, dass sie an ihm vorbei lief. Schrecklich unhöflich gegenüber einem Daimyo! Bevor sie allerdings dazu kam sich panisch zu entschuldigen, nickte der und sah sich fragend zu Miroku und Sango um.

„Ein Dämon.“ Der Mönch spürte die Energie. „Der Wächter vom anderen Turm?“

Der junge Daimyo schüttelte etwas den Kopf. Nein, die fünfzig Hundekrieger waren in der Burg stationiert. Aber ja, das war kaum die Energie eines Fürsten. Obwohl – Vater zeigte die seine ja auch selten offen. Als Fürst brauchte man nicht mehr angeben. Ihn irritierte nur die Witterung. Irgendwie hatte es doch immer geheißen, Ayama sei von Katzenfürsten beherrscht und so war er doch davon ausgegangen, dass auch Naraku aus dieser Familie sei. Aber das war irgendwie ...anders. Jetzt erkannte er auch die schwarzhaarige Gestalt im blauen Kimono, die sich langsam näherte, offenkundig auch ihn bemerkt hatte.

„Naraku?“ Sango klang fragend, als der Fürst von Ayama näher kam und sie ihn alle genauer betrachten konnten. Lange, schwarze Haare, schlank und durchaus gut aussehend – und deutlich jünger als erwartet. Nun ja, dachte dann das Quartett einig, der hatte ja die Fürstentochter geheiratet – logischerweise war er jünger als der Inu no Taishou, schon die nächste Generation an Fürsten.

„Bleibt zurück,“ befahl Inu Yasha und setzte sich bereits in Bewegung.

Die anderen Drei sahen sich an, ehe sie etwas langsamer nachgingen, wohlweislich in Distanz halten bleibend.

 

Naraku blieb auf seiner Seite der Grenze stehen und lächelte gewinnend. „Daimyo Inu Yasha, wie ich annehme? Willkommen, mein neuer Nachbar.“

„Fürst Naraku.“ Inu Yasha bemühte sich um Höflichkeit und neigte etwas den Kopf.

„Ich bin überrascht, Euch in dieser Begleitung zu sehen, so ohne Schutz und Samurai.“

Diplomatisch bleiben und keinen japanweiten Krieg vom Zaun brechen, ermahnte sich Inu Yasha, der den Kerl auch ohne Vaters Warnung jetzt schon nicht ausstehen konnte. So unterdrückte er seine erste Antwort, ob er so aussähe, als ob er menschliche Samurai zu seinem Schutz benötigen würde. „Samurai auf einer Pilgerreise erschienen mir doch … übertrieben. Überdies seid Ihr ganz allein.“

„Das ist wahr. Nun, ein Stück entfernt warten meine Kinder. Es war ein reiner Ausflug im Interesse der Familie.“ Nicht gelogen. Er wusste, dass man Hundedämonen sehr schwer anlügen konnte – und er wollte nicht ausprobieren, wie weit er das bei dem Halbdämonen treiben konnte. Nicht, solange der ihm nicht gehörte. Gut. Diese bunt gemischten Begleiter, darunter ein Mönch und eine miko, und ja, sogar eine Dämonenjägerin, blieben in knapp hundert Schritt Entfernung stehen. Selbst falls jemand von denen etwas bemerken sollte – und das war bei dieser Distanz schwierig – würde ihm der Halbhund schon gehören. Ein geistiger Überfall ging schnell, da sprach er aus Erfahrung. Noch ein wenig ablenken, noch ein wenig Höflichkeit – und in Gedanken seine Kräfte bündeln. „Man darf Euch ja wohl noch zu Eurer Heirat gratulieren? Mir wurde gesagt, die junge Fürstin sei ein bezaubernder Anblick. Natürlich neben der Tatsache, dass diese Ehe sehr wohl politische Gründe hatte und Euch empor hob.“

„Der Göttliche Kaiser stimmte meiner Ernennung zu.“ Verflixt, was wollte der Kerl nur? Ausprobieren, wann er zum Schwert griff? Krieg mit dem Kaiser und damit auch Vater? Dieses Treffen hatte doch irgendeinen anderen Grund als miteinander zu reden, das sagte ihm sein Instinkt, und er sah sich gezwungen sich zum dritten Mal innerhalb weniger Minuten daran zu erinnern, was die Folge wäre, würde er diesem Trottel ein kaze no kizu um die Ohren jagen.

Sehr emotional, dieser Junge. Wunderbar. Das würde einfach werden. Naraku warf noch einen Blick auf die Begleiter, ehe er wie abbittend die Hände hob. „Natürlich. Euer Cousin, wie konnte ich das vergessen …Nun, ich kümmere mich ja nur um dieses Fürstentum und es war sehr freundlich von deinem Vater mir einen Boten …“ Jetzt hatte er ihn. Die plötzlich unhöflicher werdende Anrede ließ unverzüglich die Gefühle aufwallen. So schlug der Fürst von Ayama zu, ließ das in seinem Kopf bereits sorgfältig geknüpfte Netz aus Gedanken fliegen.

 

Was … dachte Inu Yasha noch, dann hatte er das Gefühl eine Fliege zu sein, die unentrinnbar in einem Spinnennetz fest saß und nur zusehen konnte, wie sich die Beine der Spinne um sie legten. Er begriff noch, dass Naraku in seinen Kopf eindringen wollte, in seine Gedanken, dann schien die Welt um ihn zu verschwinden.

Er spürte wie sich fremder Wille seinen Gedanken aufzwingen wollte Die geistigen Fühler waren alles andere als sensibel, drangen mit Gewalt in seinen Verstand ein und er empfand es als schmerzhaft. Sein eigener Wille bäumte sich auf. Glaubte dieser Narr er wäre so einfach …. Ekel und Wut lösten Widerwillen aus, Trotz. Seine Lehrer hatten oft genug sich gefragt, warum der gleiche Junge, der bei seinem Vater so gehorsam sein konnte, sich bei ihnen auflehnte. Das war es: Widerwille und das Bewusstsein sich behaupten zu müssen.

Was war nur los, dachte er noch. Irgendwie wurde sein Gehirn leer. Was von all den Impulsen in ihm war sein eigener Wille, welchen wollte ihm Naraku aufzwingen?

Kopfschmerzen waren plötzlich da, als hämmere ihm jemand glühende Nägel in den Kopf. Es war fast unerträglich, ließ seinen Willen schwinden. Nein, er durfte nicht….

 

„Dieser Naraku hält ja einen förmlichen Monolog,“ meinte Kagome verwundert. „Ich meine, Inu Yasha sagt ja gar nichts und steht nur da.“

Miroku starrte plötzlich alarmiert hin. „Da stimmt etwas nicht! Magie und dämonische Energie in höchstem Maß!“

Das war zu weit für Bannzettel zum werfen, aber er wusste auch nicht, was geschehen würde, näherte er sich. „Verdammt, der macht etwas mit Inu Yasha!“ Und das konnte nichts Gutes sein. „Kagome, schieß!“

Sie war verwundert, aber die Hektik in seiner Stimme ließ sie einen Pfeil aus dem Köcher ziehen, bereits den Bogen von der Schulter gleiten lassend. „Ich kann doch keinen Dämonenfürsten läutern,“ wandte sie noch ein, aber dann begriff sie, dass diese seltsame Starre, die ihr schon aufgefallen war, sicher Magie bedeutete. Und, als sie anlegte und Naraku anvisierte, erkannte sie plötzlich Schlieren zwischen ihm und ihrem Ehemann, nein, schwarze Fäden, die von Kopf zu Kopf liefen. „Die Fäden!“ keuchte sie. Was auch immer dieser Verrückte mit dem armen Halbdämon machte – niemand legte seine Hände an den lieben Inu Yasha, der so freundlich zu ihr war, obwohl sie ihm vermutlich oft genug auf die Nerven ging, obwohl er… Dieser Mistkerl! Es war Sorge und Zorn, die sie den Pfeil von der Sehne schnellen ließen – und ihre angeborene Magie flammte auf. Um das Geschoss bildete sich eine helle Aura, Funken sprühten. Sie starrte keuchend hinterher. Hoffentlich hatte sie jetzt einmal richtig gezielt und erwischte die Fäden. Traf sie den Dämonenfürsten, so wäre das wohl das Ende des jahrhundertelangen Friedens, egal, welchen Grund sie hatte.

Naraku spürte selbst in dieser Konzentration die heran sausende Läuterung und machte einen hastigen Satz zurück. Immerhin brach dieser halsstarrige Halbhund zusammen. Nur noch ein bisschen, dann könnte er ihn übernehmen ….Aber seine magischen Fäden wurden durchtrennt. Was war das denn für eine Priesterin? So was hatte er das letzte Mal bei Kikyou gesehen. Und dieser Mönch hob die Rechte, wickelte sein Tuch hastig ab, die Bannketten. Er begriff. „Der Mönch mit dem Schwarzen Loch!“ Seines Bleibens war nicht länger hier. Mut war eine Frage der Intelligenz. Noch stand nur Aussage gegen Aussage vor den anderen Fürsten und dem Kaiser. Eingesogen zu werden oder geläutert war nicht wieder rückgängig zu machen. So sprang er erneut einen Satz zurück und wählte eine halbe Verwandlung. Als er davon flog, sah er noch, dass Priesterin und Mönch zu diesem Narren rannten – der ganz ohne Samurai trotzdem offenkundig beschützt wurde. Er selbst hatte den unterschätzt. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. Zum Glück hatte er noch andere Pläne.

 

Kagome fiel auf die Knie, ließ den Bogen Bogen sein und zog ihren Ehemann etwas auf, in ihre Arme. „Inu Yasha!“ Es klang fast wie ein Schluchzen. „Was hat der Mistkerl nur mit dir gemacht? Inu Yasha!“

Der Halbdämon hörte seinen Namen, spürte, wie er an etwas Warmes, Weibliches gedrückt wurde. Der Schmerz hatte aufgehört, jetzt fühlte er sich sicher und geborgen. So kuschelte er sich enger an, wie ein müdes Kind. „Mama….“

Kagome hatte ihn unwillkürlich schon wieder weg schubsen wollen, aber diese Anrede erschreckte sie. Wusste er denn nicht mehr, wo er war? Wer sie war? Was war nur passiert? „Inu Yasha ….was hat er nur mit dir gemacht? Ich bin Kagome, hörst du? Ka-go-me!“

Kagome, ja. Aber sie war so warm und roch so gut … Er sah eigentlich keinen Grund sich zu bewegen. Dann fühlte er eine männliche Hand zwischen den Ohren.

„Ich spüre keine Magie mehr, Kagome-sama,“ erklärte Miroku, den dieser Schuss doch beeindruckt hatte. „Du?“

„Nein, aber ..was war das?“

„Ich glaube, er wollte Inu Yasha übernehmen, ihn steuern. Das ging aber wohl langsamer als geplant.“

„Naja, stur ist er schon.“ Aber sie lächelte.

Inu Yasha hörte es und beschloss, dass es zwar sehr schön war so bekuschelt zu werden, aber schlecht für seinen Ruf, würden seine Freunde, ja, Freunde, denken, er wäre von diesem Naraku fertig zu machen. So richtete er sich auf. Kagome gab ihn leider auch eilig frei. Er blieb vor ihr knien. „Es geht schon wieder,“ sagte er. „Ja, der wollte in meinen Kopf. Das tat ziemlich weh. Verschwinden wir hier lieber, ehe der Idiot noch mit Kriegern zurück kommt.“

„Ein seltsamer Fürst.“ Die wachsame Sango hatte Naraku und dessen Flucht nicht aus den Augen gelassen. „Als er wegflog, konnte ich unter seinen Kimono sehen. Nicht, was ihr denkt! Da waren Tentakeln. Was ist das nur für ein Dämon?“

„Gute Frage,“ meinte der junge Daimyo und stand langsam auf. „Ich dachte, er sei ein Katzendämon, aber jetzt bin ich sicher, dass er das nicht ist. Gehen wir. Und machen irgendwo Pause.“

„Ja, klar,“ meinte die Dämonenjägerin. „Er wollte dich übernehmen. Soweit ich weiß, ist das einer der brutalsten und rücksichtslosen Angriffe, die man kennt. Und, das kann nicht gerade jeder.“

„Ich habe mich gewehrt. - Und wieso hat er aufgehört?“

„Kagomes Pfeil und Miroku drohte mit dem Schwarzen Loch,“ erwiderte sie, während Inu Yasha Kagome die Hand bot um ihr beim Aufstehen zu helfen.

Jetzt sah er sie verwundert an. „Dein Pfeil?“

„Da waren so Fäden zwischen euch,“ murmelte sie etwas verlegen. „Auf die habe ich gezielt.“

„Und geläutert,“ ergänzte Miroku. „Und zwar läuternde Energie einer Macht, mit der ich nicht mithalten kann. Wenn deine Magie erwacht, Kagome-sama, dann aber richtig.“

„Gehen wir.“ Aber Inu Yasha griff wortlos erneut nach der Hand seiner Ehefrau. Sie hatte ihm geholfen. Sie waren wohl doch Freunde, wie auch Miroku und Sango. Und das fühlte sich geradezu verboten gut an.

 
 

Kriegsrat


 

H

akudoshi sah zum Himmel auf. „Er hat versagt,“ stellte der weißhaarige junge Mann fest.

Kagura, formell seine Schwester, auch, wenn schon allein ihre schwarzen Haare dagegen sprachen, zuckte nur die Schultern. Davon war auszugehen, wenn Naraku herflog, noch dazu halb in dämonischer Form. Aber es war töricht das zu sagen, wenn man nicht sicher sein konnte, dass er das nicht mitbekam. Hakudoshi sollte genug Strafen abbekommen haben um das zu wissen. Unwillkürlich legte sie die Hand an die Stelle, wo sich ihr Herz befinden sollte. Leider schlug es nicht mehr dort, sondern befand sich in Narakus Hand. Die Schmerzen, die sie erlitt, wenn er es zusammendrückte, die Todesangst – ein guter Grund, den Mund zu halten.

 

Der Fürst von Ayama landete und nahm seine nur scheinbar menschliche Gestalt wieder an. „Nun ja. Der Hundebengel ist raffinierter als man bei dem Papa annehmen sollte. - Hakudoshi, nimm ein Hölleninsekt und gehe zur Grenze, aber ja nicht darüber. Das Saimyosho soll allein fliegen und Inu Yasha samt seiner Begleitung beobachten. Er ist impulsiv und es wäre zu schön, würde er sich wutentbrannt in die Burg begeben, ein Heer aufstellen, um Ayama anzugreifen. Und, versuche herauszufinden, wer diese Begleitung ist. Ein Mönch, eine Dämonenjägerin und eine miko mit überaus interessanten Fähigkeiten. Und, Hakudoshi, du solltest besser nicht versagen, sonst könnte ich mich an deinen letzten Satz erinnern.“

Er hatte es also mitbekommen, dachten seine beiden Kinder und der Sohn hielt es für erklärlich besser den Kopf zu neigen. „Weitere Anweisungen, falls sie in die Burg gehen?“

„Bericht.“

Keine Sekunde später stand Hakudoshi in einer roten, durchscheinenden Kugel, die mit ihm und einer riesigen Wespe, als solche mochte ein Hölleninsekt Menschen erscheinen, abhob.

Kagura riskierte doch den Satz: „Du scheinst nicht enttäuscht.“

„Natürlich nicht. Komplizierte Pläne beinhalten immer auch das Risiko eines teilweisen Scheiterns. Das ist selbstverständlich mit einkalkuliert. Und, liebe Kagura, ich bin niemand, der missratenen Plänen nachtrauert.“

Das stimmte, dachte die Winddämonin. Naraku hielt nie an nutzlos gewordenen Plänen fest, sondern zog den nächsten aus dem Ärmel. „Du glaubst auch nicht, dass er dich angreift?“

„Das wäre zu schön. Ein Daimyo der einen Dämonenfürsten angreift? Das würde ihn bei dem Kaiser und allen anderen Dämonenfürsten unmöglich machen, seinen Vater bis auf die Knochen blamieren – und mich als armes Opfer eines heimtückischen Plans gar des lieben Hundepapas aussehen lassen. Aber ich verkaufe nicht das Fell eines Hundes ehe ich ihn habe. - Setze dich mit dem Spion auf der Burg in Verbindung. Ist er bereit, eine Kleinigkeit, sagen wir, in den Tee zu tun?“

„Wenn die Bezahlung stimmt, sicher. Danach sollte er ...schweigen?“ Kagura wusste, wie Naraku vorzugehen pflegte.

„Wenn er Erfolg hatte. - Nun gut. Geh. Ich erwarte eure Berichte im Schloss. Ich habe ein Rendezvous mit den Herrinnen der Vögel. Und noch eine nette Überraschung vorzubereiten, wenn Inu Yasha schlau genug ist nicht wutentbrannt das Heer aufzurufen.“

Also war ein Giftanschlag nur der übernächste Schritt. Aber sie nickte nur und zog eine Feder aus ihrem Haar, die sich rasch vergrößerte. Mit einem geübten Sprung saß sie elegant darauf und flog ab.

 

Keine drei Stunden später saß Naraku in der tadellosen Kleidung eines Fürsten allein in seinem Arbeitszimmer und wartete gelassen. Seine Geduld – und gewisse Vorsicht – wurde belohnt, als eine Flamme vor ihm aufstieg, die sichtlich magisch war. Ohne zu Zögern griff er in das kalte Feuer, spürte den Zug.

Keine Sekunde später kniete ein Abbild seiner selbst in einer Schlucht vor einem riesigen Berg. Er spürte eine Unmenge an dämonischer Energie und erfasste erst dann, dass es sich um die Fürstin Teikken handeln musste. Vor ihr stand in menschlicher Gestalt eine junge Frau, sicher Prinzessin Abi. Er neigte etwas höflich den Kopf, zu der Fürstin. „Ich grüße die Herrinnen der Vögel. Es freut mich, dass der Kontakt so unauffällig zustande kommen konnte.“

Abi bewies sofort, dass die Damen nicht in der Laune für harmloses Geplauder waren. „Ein Splitter des Juwels der vier Seelen habt Ihr angeboten. Gegen eine gewisse Gegenleistung. Die übrigens weder ungefährlich für uns noch legal ist.“

„Werte Prinzessin, wäre es das nicht, sähe ich mich nicht gezwungen das unglaublich mächtige shikon no tama zu zerlegen.“ Er wusste schließlich nur zu gut, dass Selbstlosigkeit keinem Dämon an der Wiege gesungen wurde.

„Man sagt vom Erbprinzen des Westens, dass er stark ist.“

„Das sagt man doch höflicherweise von jedem Fürsten oder Erbprinzen, nicht wahr? Natürlich ist er nicht ganz einfach. Deswegen dachte ich ja an die Paradiesvögel. Ein Überraschungsangriff durch sie wäre ...nun, schwächend,“

„Euch ist natürlich bewusst, dass es uns durch den Vertrag verboten ist Sobo zu verlassen.“

„Natürlich.“ Naraku warf einen Blick auf die riesige Fürstin. Warum ließ sie ihre Tochter reden? War sie kränker, schwächer, als er schon gehört hatte? Dann versprach dieses Gespräch viel – wenn er behutsam blieb. „Aber ich kann mir vorstellen, dass der Herr der Füchse durchaus Verständnis für eine besorgte Tochter hat, deren Mutter, verzeiht, mächtige Fürstin Teikken, wenn ich das einfach so darstelle, schwer krank ist, ja, dem Tode geweiht. Ihr, teure Prinzessin, bittet nur darum, in den Westen reisen zu dürfen, natürlich mit entsprechender Eskorte, und den Inu no Taishou zu bitten, seine Bibliothek oder auch seine Schmiede um Rat fragen zu dürfen. Es laufen ja Gerüchte, dass die Schmiede im Westen sehr … nennen wir es, umfassendes Wissen haben.“

„Und sowohl ich als auch die Eskorte reisen auf Paradiesvögeln.“ Abi stellte es schlicht fest.

„Das wäre doch eine gute Möglichkeit sie in den Westen zu bringen. Dann, während Ihr mit dem Taishou redet und Eure Krieger mit anderen, entkommen dummerweise die Paradiesvögel und suchen sich aufgeregt und eigenständig etwas zu fressen….“

„Ihr geht davon aus, dass ich sie steuern könnte.“

„Fürstin Teikken und Ihr, Prinzessin Abi, seid ihre Herrinnen.“ Die Intelligenz der Paradiesvögel lag nicht sonderlich weit oben, aber die Damen vermochten sie mit Magie zu lenken, sehr eigener Magie, die er trotz allem nie verstehen hatte können. Natürlich hatte er es versucht, er arbeitete lieber allein. Aber gegen den Taishou, das hatte sich erwiesen, waren Verbündete nicht sinnlos. „Dann fangt Ihr die Vögel wieder ein, entschuldigt Euch tausend Mal beim Taishou und verschwindet, ehe der alles ganz mitbekommen hat. Er kann Euch in Sobo nicht greifen, ohne dass er den Fuchsherrn informiert – und ein bedauerlicher Unfall sollte den zu keinen Maßnahmen gegen Euch treiben. Jeder weiß doch, dass Paradiesvögel wild und verfressen sind – und manchmal sogar für Euch ….schwer zu kontrollieren.“ Das hatte die Fürstin erst neulich in einem Brief an den Fürsten von Sobo angegeben, mit der Bitte sie weiter als nur in Sobo fliegen zu lassen. Der war leider ein Fuchs und hatte schlicht empfohlen sie über das Meer zu lassen statt ins Menschengebiet.

„Gute Spione,“ stellte die Vogelprinzessin nur fest.

„Meine werten Damen.“ Naraku hütete sich die Fürstin außen vor zu lassen, auch, wenn sie nicht redete. „Ich habe vor mich an dem Taishou zu rächen.“ Das stimmte nur, wenn man das sehr weit fasste – der Kerl trug die mächtigste Waffe dieser und anderer Welten spazieren! „Und Rache ist ein Gericht, dass nur kalt genossen schmeckt. Und einer gründlichen Vorbereitung bedarf.“

„Wir werden es bedenken.“ Zum ersten Mal sprach die Herrin der Vögel selbst. Die Luft schien förmlich unter der Tiefe und Lautstärke zu vibrieren.

Naraku war froh, dass er nur als Abbild hier war. Das tat sonst sicher in den Ohren weh. Im nächsten Moment war er doppelt froh, denn ein Schwall dämonischer Energie schoss auf ihn zu. Nun, nicht auf ihn, aber wäre er real da gewesen, hätte es ihn bestimmt verletzt. Ein netter Test, dachte er, als er sich in seinem Arbeitszimmer wieder fand. Sie hatte wissen wollten, wie weit seine Magie reichte. Und, gegebenenfalls ihn ausschalten. Vorsichtig und skrupellos – eigentlich keine Partner, die er im Allgemeinen schätzte, aber in diesem speziellen Fall umso wertvoller. Denn eines war ihm jetzt klar – die Fürstin war kränker als selbst die Gerüchte besagten. Und Abi bei weitem noch nicht so mächtig wie ihre Mutter. Mit ein bisschen Glück war er die Mitwisserinnen schon bald los. Ein kleiner Tipp an den Fuchsherrn würde genügen. Oder noch besser an den Taishou. Sich selbst möglichst weit vom Süden entfernt halten. Gut. Sesshoumarus Tod war schon einmal eingeleitet. Jetzt aber musste dieser Inu Yasha dran glauben. Er stand auf. Im Keller warteten noch zwei Krüge mit sehr speziellem Inhalt. Hakudoshi sollte zurück sein, ehe er diese ausgoss und sein neues Werk betrachtete. Gefahr lauerte darin auch für ihn, da machte er sich keine Illusionen. Aber er kontrollierte, was er erschuf.

 

Inu Yasha hatte sich mit seinen, wie er doch glaubte, Freunden, im Kreis an einem Feuer niedergelassen. Sie hatten im nahegelegenen Bach getrunken, aber keiner verspürte Hunger. Noch immer saß selbst dem Mönch und der Dämonenjägerin der Schreck in den Knochen.

Kagome warf immer wieder einen besorgten Blick auf ihren Halbdämon, was Inu Yasha jedes Mal mit einem raschen Lächeln beantwortete, das sie zurückgab.

Sango brach das Schweigen. „Ihr wart vermutlich alle drei zu beschäftigt, aber wisst ihr, was dieser Naraku sagte, ehe er wegflog?“

„Ehe er abhaute!“ korrigierte der junge Daimyo prompt, der sich gern mit Tessaiga für den Hinterhalt revanchiert hätte.

„Meinetwegen. Er sagte, der Mönch mit dem schwarzen Loch, ohne dass du es doch aufgemacht hattest, Miroku, oder?“

Der Mönch dachte nach. „Ja, stimmt. Ich wollte es öffnen, da sagte er das und flog weg.“

„Hast du ihn schon mal getroffen?“ erkundigte sich die Dämonenjägerin.

„Kaum, ich meine, ich war noch nie in Ayama und er ist doch da der Fürst.“

„Aber noch nicht sehr lange.“ Inu Yasha legte die Hände auf die Oberschenkel. „Wir sind immer davon ausgegangen, dass er aus Ayama ist, weil er da in die Fürstenfamilie eingeheiratet hat, aber vielleicht kommt er von woanders?“

Miroku zuckte die Schultern. „ich kann mich jedenfalls nicht an ihn erinnern. Und ich war auch in meinem Leben noch nicht in Aoi. Vater auch nicht, eben Großvater, als er diesen Fluch aufgehalst bekam….“ Er brach ab.

Kagome zog den gleichen Schluss. „Wenn er das deinem Opa angetan hat?“

Sango schüttelte den Kopf. „Dann müsste er vor fünfzig Jahren in Aoi gewesen sein, wenn ich das richtig verstehe. Aber, natürlich, wieso sollte er sonst einen Mönch mit einem schwarzen Loch erkennen. Und dann ging er nach Ayama und heiratete sich hoch. Nur, wenn er Fürst werden wollte, wieso nicht hier?“

„Daimyo und Dämon!“ Inu Yasha knurrte es. „Nach den Friedensverträgen darf kein Dämon Herr im Menschengebiet sein. Und ich ja auch nur, wegen Mutter.“

„Das stimmt. Aber vielleicht wollte er Midoriko… nein,“ unterbrach sich die Dämonenjägerin. „Sie lebte doch schon vor viel mehr Zeit, dreihundert Jahren oder mehr. Nicht vor fünfzig.“

„Nicht Midoriko,“ erwiderte Miroku und richtete sich mit blitzenden Augen auf, sicher, eine neue Spur endlich gefunden zu haben. „Kikyou! Kikyou hütete doch zu der Zeit das shikon no tama, oder Kagome-sama?“

„Ja, vor fünfzig Jahren,“ antwortete die junge Fürstin, ehe sie begriff. „Du meinst, dein Opa kam ihm in die Quere als er … er wollte das Juwel! Um mächtiger zu werden!“

„Der Kerl scheint ja über Leichen zu gehen.“ Inu Yasha wusste nur zu gut, dass auch sein Vater so einige hinterlassen hatte auf Schlachtfeldern mit Dämonen, aber Menschen mit hineinzuziehen um Fürst zu werden war ja wohl das Letzte!

„Das ist alles nur ein Verdacht,“ beruhigte Sango prompt. „Aber, mal angenommen, es lief so ab…. Hm. Kagome, Kikyou war doch zu einem Krankenbesuch unterwegs und hatte dabei das Juwel bei sich.“

„Ja, glaubst du, er hat krank gespielt?“

„Nein, sie hätte doch sicher Mensch und Dämon unterscheiden können. Aber angenommen, sie pflegt jemand. Auf dem Heimweg ist sie etwas müde, abgespannt und Naraku überfällt sie um das shikon no tama zu bekommen. Sie wehrt sich, kämpft, und, aus Sorge, dass sie es nicht mehr schützen kann, versteckt sie es. Dann geht sie nach Hause und stirbt nicht an einer Krankheit, sondern an den Folgen des Kampfes.“

„Das klingt sehr logisch,“ gab Miroku zu. „Und mein Großvater kam ihm nur in die Quere als er … ja, aber, warum sollte ein Dämon, der ein dämonisches Fürstentum erobern will, ein Menschendorf überfallen mit untergebenen Dämonen?“

„Um die bei Laune zu halten,“ erwiderte der Fürstensohn aus dem Westen sofort. „Wurmdämonen sind verfressen und brauchen dauernd was, wenn du sie kontrollieren willst. Was Sango sagt, klingt schon irgendwie… naja, passend. Aber, jetzt mal eine ganz blöde Frage. Wieso ist der Kerl dauernd in Aoi oder an Aoi interessiert?“

„Er wollte vermutlich das Juwel, um damit Ayama zu bekommen,“ meinte Sango etwas verständnislos.

„Ja, aber jetzt ist er doch der Fürst. Und wieso sollte dann sein Sohn Hakudoshi Kagome heiraten?“

„WAS?“ brachte seine Ehefrau entsetzt heraus. Und sie hatte gedacht, ein Halbdämon wäre gruselig?

„Äh, ja. Wusstest du das nicht?“ Er rieb sich schuldbewusst ein Ohr. Erstens hatte er sie doch nicht erschrecken wollen und zweitens hatte ihm das sein Vater erzählt und eigentlich gesagt, er solle nichts sagen. Naja, es waren doch seine Freunde, da konnte man etwas mehr erzählen, oder? „Es gab einen Brief, dein Vater lehnte ab, und dann bot Naraku ihm sogar an, dass Hakudoshi nach Aoi ziehen solle. Das gab wieder eine Ablehnung.“

Danke, Vater, dachte Kagome unwillkürlich, die annahm, das der jetzige Daimyo das aus der Kanzlei erfahren hatte.

„Das ist dann sogar doppelt eigenartig,“ erklärte Miroku. „Das ist sein Sohn, und nach dem Tod dieses Babys mit der Fürstentochter sogar sein einziger, wenn ich mich recht entsinne. Den gibt man doch nicht ins Ausland!“

„Vielleicht lebte dieses Baby da noch.“ Sango streichelte Kirara gedankenverloren. „Ich meine, da ist der Thronerbe der regierenden Linie geboren, dazu ein anscheinend deutlich älterer Sohn aus erster Ehe – das gäbe doch nur Streit, oder Inu Yasha?“

„Ja.“ Das klang bitterer als gewollt, aber Toyomaru hatte ihm ja gesagt, dass das in allen dämonischen Familien üblich sei. Er hatte wohl recht gehabt, und alles, was ein wohlmeinender Vater tun konnte, war, einen Sohn ins Ausland zu geben in möglichst gute Position. Na, toll. Eigentlich erstaunlich, dass es immer noch Familien mit zwei Söhnen gab. Und auch, oder eigentlich nicht, erstaunlich, dass chichi-ue offensichtlich recht gehabt hatte, dass er sein Augenmerk auf diesen Naraku lenkte. Er bemerkte, dass ihn Kagome wieder besorgt ansah. Unwillkürlich musste er daran denken, wie schön es gewesen war, so in ihren Armen gehalten zu werden, wie gern er da liegen geblieben wäre, sie wieder so eng zu spüren, zu riechen… Nun ja. Sie mussten sich eben noch besser kennen lernen, aber sie waren wohl auf einem guten Weg. Sie sollte sich jedoch keine Sorgen um ihn machen. So entkam ihm ein: „Keh. Mir geht es schon wieder gut. So ein dämlicher Kater ….“ Er brach ab. „Sango, du hast gesagt, er hatte Tentakeln?“

„Ich bin mir sicher,“ erwiderte die Dämonenjägerin. „Also, ein ungewöhnlicher Katzendämon?“

„Sicher nicht. Die Witterung war auch ganz anders. Verflixt, wer oder was ist der Kerl?“

Miroku richtete sich etwas auf. „Genau das werde ich herausfinden. Und, falls er derjenige ist, der diesen Fluch….“ Er hob die Rechte.

Alle verstanden.

 

Erst nach einer Pause murmelte Kagome: „Aber, trotzdem – wenn er Kikyou angegriffen haben sollte, um das Juwel zu bekommen und Fürst von Ayama zu werden, wieso sollte dann ich seinen Sohn heiraten?“

„Sag ich doch,“ triumphierte Inu Yasha. „Und, Naraku kann sein, wer er will, also, als Dämon – aber mehr als Fürst geht doch nicht, da haben die anderen und auch der Drachenkönig schon ein Wörtchen mitzureden. Natürlich auch der Kaiser. Was also will der Kerl von Aoi?“

„Außerdem hat er dir eine nette Falle gestellt, und wenn Kagome-sama nicht dabei gewesen wäre, wäre er praktisch mit deinem Körper auch der Daimyo von Aoi,“ erklärte Miroku langsam. „Naja, Aoi ist eine reiche Provinz und so könnte er die Regeln im Friedensvertrag doch umgehen und sich als Dämon eine Menschenprovinz schnappen.“

„Schon, aber das Risiko ist natürlich groß,“ wandte Sango ein. „Wenn das jemand bemerkt, warum auch immer, ist er fällig. Weder die anderen Dämonenfürsten oder der Drachenkönig würden das hinnehmen, da hat Inu Yasha recht. Das Risiko, nur um ein bisschen mehr Holz und Handel zu bekommen? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das das Ziel eines Dämonenfürsten sein soll, der sich, um das zu werden, sogar das Juwel der vier Seelen beschaffen wollte. Wenn wir mal davon ausgehen, dass unsere Theorie stimmt. Allerdings hat Aoi noch eine andere Seite. Inu Yasha, wenn ich das richtig sehe, ist Aoi doch deswegen strategisch so wichtig, weil der Pass von Toyama einer der wenigen Zugänge ist, die über die Kalkberge in den Westen führen.“

„Ja,“ gab der Halbdämon zu und versuchte nachzudenken, das verrieten die zusammengezoenen schwarzen Augenbrauen. „Die Kalkberge nach Osten, die Vulkane von Niigata nach Norden. das Meer nach Westen und im Süden auch Berge. Nishi hat nur natürliche Grenzen.“ Und Vater hatte gesagt, dass er sich das bewusst so ausgesucht hatte.

Sango nickte etwas. „Wenn ich also der Fürst von Ayama bin und in den Westen einfallen will, blockieren die immer unruhigen Vulkane meinen Weg nach Süden. Ich muss folglich hier, über die Pforte von Ronin, durch Aoi, um über den Pass von Toyama zu gehen.“

Der Kommentar des jungen Daimyo war vernichtend. „Keh, wenn er Selbstmord begehen will, kann er sich doch von einem Felsen in den Blauen Bergen stürzen. Vater hat So´unga und eine Armee!“ Und, so ungern er es zugab, da war auch noch sein Bruder.

„Außerdem, was will er denn im Westen?“ fragte Miroku. „Ayama ist, wenn ich das richtig mitbekommen habe, eines der größten Fürstentümer, reicht von den Niigata-Vulkanen bis in den Norden zum Land der Schneefrauen. Aber, wenn wir davon ausgehen, dass Naraku wirklich Großvater … ich meine, dass er vor fünfzig Jahren das Juwel haben wollte: vielleicht ging es gar nicht um das Amt des Fürsten von Ayama, das ist nur der Zwischenschritt. Er will das Höllenschwert.“

„Blödsinn!“ sagte Inu Yasha. „Das Höllenschwert kann nur von jemandem beherrscht werden, der aus dieser Blutlinie stammt und das auch lang trainiert hat. Sesshoumaru muss seit Jahren meditieren um das zu können. Sonst übernimmt doch So´unga seinen Träger und mordet alles wahllos. Das wäre das Ende jeden Lebens in ganz Japan!“

Der Mönch schüttelte den Kopf, ehe er fast sanft erwiderte: „Und, wer weiß das?“

„Na, spätestens alle, die damals bei den Kämpfen… Oh.“ Der Halbdämon hatte begriffen. „Da war dieser Naraku nicht dabei, meinst du.“

„Niemand, der nicht in den Kriegen der Dämonen und Menschen vor mehr als dreihundert Jahren dabei war, hat je So´unga in Aktion gesehen.“ Sango nickte. „Warum nicht. Und, da er weiß, dass ihn das Höllenschwert unbesiegbar macht, ja, zu einem der wichtigsten Fürsten, um nicht zu sagen, fast zum Befehlshaber der Dämonen, will er das Juwel. Immerhin wäre er in dem Fall schlau genug um zu wissen, dass, wenn So´unga so mächtig ist, das wohl auch der derzeitige Träger ist. - Und damit hätten wir auch die Frage geklärt, warum du, Kagome, Haukudoshi heiraten solltest. Du wärst deinem Ehemann zu Gehorsam verpflichtet, und, wenn er mit dir das shikon no tama suchen wollte, müsstest du ihm helfen.“

„Schon,“ meinte die junge Fürstin. „Aber … Oh. Du meinst, weil es ja nur ein Higurashi finden könne? Aber, warum nicht Souta?“

„Vielleicht hatte Naraku gerade keine Tochter zur Hand.“ Inu Yasha klang wütend. „Außerdem, wer weiß schon, das diesem Idioten eingefallen wäre, wenn Souta Daimyo geworden wäre. Gegen den Trick mit der Gedankenübernahme hätte der doch bestimmt alt ausgesehen.“

So wie du? Aber Kagome verschluckte den Kommentar. Es wäre ungerecht. Er hatte sich lange genug gewehrt, dass Miroku darauf aufmerksam wurde, dass etwas nicht stimmte. „Ihr meint also, dass dieser Naraku noch immer das Juwel will? Und dazu mich braucht?“

„Keh,“ machte Inu Yasha. „Ich pass auf dich auf.“

„Du wirst sowieso alle Hände voll zu tun bekommen,“ gab Miroku offen zu. „Wenn unsere Vermutungen, und etwas anderes ist es ja nicht, auch, wenn ich zugebe, dass alles so schön passt .. Nun, wenn das stimmt, wird er seinen Plan, den er schon seit fünfzig Jahren oder mehr verfolgt, bestimmt nicht aufgeben. Wir können nur abwarten, was ihm als nächstes einfällt.“

„Im Grunde wissen wir es, oder glauben es zu wissen,“ ergänzte Sango. „Er braucht Kagome lebend für die Suche nach dem shikon no tama und Inu Yasha formell als Daimyo oder tot. Vielleicht klappt die Übernahme des nächsten Fürsten.“

„Vielen Dank!“ war die überraschend einstimmige Meinung des Fürstenpaares, ehe Inu Yasha fortfuhr:

„Kann er ja gern probieren. Tessaiga wartet auf ihn. Und auf mich diese Typen im nächsten Wachturm auf der anderen Seite der Pforte. Mal sehen, ob die aufmerksamer sind.“

 

 
 

Nachdenken

19.Nachdenken

 
 

Hakudoshi hätte nicht zugegeben zitternd zu warten, aber er empfand doch etwas das Angst sehr nahe kam, als das Hölleninsekt, das er auf die Suche nach Inu Yasha und dessen Bande geschickt hatte, Stunde um Stunde nicht zurück kehrte. Versagen durfte er nicht, die Warnung war nur zu deutlich gewesen. Wo steckte dieser dämliche Halbhund nur?

Es dauerte ihm viel zu lange, ehe die nur scheinbare Wespe auftauchte und sich das Saimyosho auf seiner Hand niederließ, ihm gedanklich die Bilder und Wörter übermittelte. Nun ja, das war wohl gut, wenn der Daimyo nicht zur Burg zurückkehrte, stattdessen irgendeinen Wachturm kontrollierte, aber ... Oh. Das würde ihm selbst doch einige Punkte wieder einbringen. Er machte sich keine Illusionen. Vater war streng und der hatte sicher auch schon seinen gewissen Ehrgeiz mitbekommen, so sehr er sich auch bemühte das nicht zu zeigen. Da wäre solch ein Wink, wie nützlich er doch sei, nur gut. Und dass die ominöse miko, die offenbar herausragende Kenntnisse hatte, tatsächlich die Fürstentochter oder eher Fürstin, von Aoi war und er sie wiedererkannte, würde Vater beruhigen. Gab es vielleicht noch mehr solche Überraschungen? Er schickte das Hölleninsekt wieder aus.

 

Kagome ging neben Inu Yasha voran, gefolgt vom Mönch und der Dämonenjägerin. Sie war sehr froh, dass Inu Yasha nichts passiert war – und, dass er eindeutig sie mehr schätzte als noch gestern. Zumindest hatte er sie bei der Pause immer wieder angelächelt, beruhigend, und auch jetzt ließ er sie neben sich gehen. Anfreunden, hatte er gemeint, und so riskierte sie es ihn anzusprechen ohne gefragt worden zu sein, eigentlich unhöflich bis strafbar. „Inu Yasha, wirst du das mit Naraku dem Kaiser mitteilen?“

„Keh!“ machte der nur.

Ehe seine Angetraute dazu kommen konnte eine gewisse Empörung zu empfinden, schließlich machte sie sich nur Sorgen, ergänzte Sango von hinter ihr:

„Was sollte er denn sagen? Es gibt keinen Beweis. Und der Fürst von Ayama ist nun einmal auch nicht irgendwer. Im besten Fall steht es Aussage gegen Aussage. Dafür bricht der Göttliche Kaiser sicher keinen Krieg mit den Dämonen vom Zaun. Bedenke, wenn der Kaiser mit Menschen Ayama angreift, würden sich die anderen Dämonenfürsten genötigt sehen einzugreifen. Und Bündnistreue des Herrn des Westens hin oder her. Für einen so eindeutig anlasslosen Angriff hätte auch er kaum Verständnis.“ Ihr war gerade noch eingefallen, dass es sich immerhin um Inu Yashas Vater handelte, wichtig folglich dem ehrbares Handeln zuzuschreiben.

„Stimmt,“ murmelte der Halbdämon. „Was sollte ich denn sagen? Und der Idiot hat doch sicher dafür gesorgt, dass er offiziell gar nicht da war. Der wird doch seine kleinen Geheimnisse, was er alles so drauf hat, nicht an die große Glocke hängen wollen.“

„Und Mirokus Schwarzes Loch?“ fragte Kagome, deren Gerechtigkeitssinn ansprang.

„Tja,“ meinte der Mönch. „Auch hier – wir vermuten es. Kein Beweis. Überlege mal, was in solch einem japanweiten Krieg alles passieren würde.“

„Es war schwer genug den Frieden vor dreihundert Jahren zu schließen.“ Inu Yasha sah, dass rechts vor ihnen die Pforte von Ronin endete. Ein Wachturm erhob sich deutlich sichtbar aus der Ebene, ehe die Ausläufer der Niigata-Vulkane in die Höhe stiegen. Das Bauwerk war im Prinzip identisch mit dem anderen, stand jedoch auf einem sichtlich aufgeschütteten Hügel mit einer Palisade herum. „Wartet hier. Mal sehen, ob die auch so nachlässig sind.“

 

Die restlichen Drei setzten sich nieder, ohne das große Insekt zu bemerken, dass sich ihnen behutsam näherte, dann dem jungen Daimyo in den Turm hinterher flog, ehe es zu Hakudoshi zurückkehrte. Sein Auftrag lautete an Inu Yasha und so verschwendete das Hölleninsekt keine Zeit damit Menschen zu belauschen.

 

Der Fürstensohn aus Ayama nahm den Bericht zur Kenntnis und überlegte für einen Moment. Sollte er das Insekt weiter an dem dämlichen Halbhund dran lassen, der sich offenbar prächtig mit den Samurai verstand? Jedenfalls ließ er sich die Umgebung und den Wachablauf beschreiben. Nichts, was Naraku nicht sowieso schon wüsste. Auch, dass der erste der Niigata-Berge in Aoi als heiliger Berg bezeichnet wurde. Das war folglich uninteressant. In jedem Fall unwichtiger als die Tatsache, dass die liebe Kagome offensichtlich ihre spirituellen Kräfte ausgepackt hatte. Das würde Vater freuen. Und ihn womöglich auch, denn dann könnte er sie heiraten und selbst Daimyo von Aoi werden. Immerhin, wenn schon nicht Fürst von Ayama. Aber Naraku war momentan zu vorsichtig noch und Hakudoshi legte weder Wert auf weitere Strafen noch gar den Tod. So sprang er wieder in die durchscheinende rote Kugel. Ein genialer Bannkreis, wie er zugeben musste, den ihm sein Vater zur Verfügung gestellt hatte, praktisch undurchdringlich für Waffen aller Art.

 

„Sie sind nicht nachlässig,“ murmelte Miroku nach fast zwei Stunden, in denen sie die letzten getrockneten Reiskuchen aus Mochi verspeist hatten, die am längsten hielten.

Kagome sagte im Umdrehen: „Dann kommt er zurück. Oh.“ Denn da kamen gerade zwei Samurai auf sie zu, die offenbar die Grenze entlang in Richtung Norden abgelaufen waren und denen nun die Fremden aufgefallen waren.

„Lass mich reden, ja,“ bat der Mönch eilig, der inzwischen das Temperament der Gemahlin des Daimyo kannte. „Ich grüße Euch, Wächter der Grenze.“

„Ihr wisst, dass ihr nahe an der Grenze seid,“ stellte einer der gepanzerten Männer fest.

„In der Tat. Wir waren mit dem edlen Daimyo auf dem Fest in Mochi und sind nun auf dem Weg zurück zur Burg. Da der mächtige Daimyo dem Turm eine Visite abstatten wollte, befahl er uns, seinen geistlichen Beratern, hier auf ihn zu warten. Uns liegt das Militärische weniger.“

„Dämonenjägern?“ Der Samurai bewies, dass er Sangos Kampfkleidung erkannt hatte.

Die zuckte daher die Schultern, hütete sich jedoch Kirara, die in ihrer kleinen Form, allerdings mit buschigem Schwanz, auf ihrem Schoss saß, freizugeben. „Man widerspricht keinem Befehl.“

 

Die menschlichen Krieger sahen sich an. Mönch, Priesterin, Dämonenjägerin, die hier friedlich picknickten. Das deutete eigentlich nicht auf Ärger hin. Außerdem dürften alle drei Berufsgruppen die Grenze überschreiten. Die arbeiteten für Menschen und diese gab es auch in Ayama. Nahmen sie überdies das Gefolge des Daimyo fest, wäre das auch nicht so gut. Nur, was machte der neue Herr hier? Der bisherige war stets in der dritten Woche des Monats hier gewesen, zumeist Montag Abend. Der Redner fragte es laut.

 

Sango, die mit dem Gesicht zu dem Wachturm saß, erkannte die mittlerweile vertraute rot-weiße Gestalt, die sich rasch näherte, da der Halbdämon offenbar gesehen hatte, dass da Samurai waren. „Das könnt ihr den mächtigen Daimyo gleich selbst fragen.“

Die Krieger fuhren herum, ließen sich eilig auf ein Knie nieder. Doch, das war unverkennbar der Dämonensohn aus dem Westen und Cousin des Göttlichen Kaisers, der neue Herr von Aoi.

Inu Yasha blieb stehen, beruhigt durch die prompte Höflichkeit. „Schwierigkeiten?“

„Sie taten nur ihre Pflicht und kontrollierten uns Fremde, mächtiger Daimyo,“ sagte Sango eilig, schon, um zu verhindern, dass Kagome ihren Ehemann vor Fremden duzte. Da war eine dezente Warnung sicher angebracht.

„Dann geht zum Turm und erholt euch. Ich hörte, ihr wart zwei Tage unterwegs.“ Da sich das die Krieger nicht zwei Mal sagen ließen, blieb er stehen. „Ausgeruht, Kagome?“

„Es geht schon,“ beteuerte sie, zwar erfreut über die Nachfrage, die ihr Besorgnis zu signalisieren schien, aber doch bemüht sich nicht als unbrauchbar darzustellen. „Die Männer hier bei diesem Turm scheinen wachsamer zu sein als bei dem anderen.“

„Sind sie. Hauptmann Nimaki muss nur einen der Anführer der Acht bestrafen. Die hier machen sogar mehr als sie müssen.“ Er wandte den Kopf, als seine Freunde aufstanden und sich reisefertig machten. „Sie patrouillieren nicht nur die Grenze nach Ayama Richtung Norden bis zur Mitte ab, sondern gehen auch nach Süden bis zu dem ersten Berg da. Sie nannten es den Heiligen Berg, dort sei ein uralter Schrein, sehr verfallen, und früher soll da ein Kloster gewesen sein, vor vielen hundert Jahren. Naja. Für Menschen eine lange Zeit.“

Kagome hätte widersprechen mögen, ehe ihr einfiel, dass seine Eltern ja vor zweihundert Jahren geheiratet hatten, er so alt schon war. Da sahen Jahrzehnte vermutlich ganz anders aus. So formulierte sie lieber anders. „Kann man Dämonenjahre und Menschenjahre irgendwie miteinander vergleichen? Ich meine, du siehst so alt aus wie ich, aber …“

„Keh.“ Aber er freute sich über das Interesse an ihm. Die Menschen kannten ihn zu wenig, sein Vater hätte es an den zuckenden Öhrchen erkannt. „Das mit Halbdämonen ist wohl etwas schwierig, je nachdem, wer die Eltern waren, also wer der Mensch war oder auch wie stark der dämonische Elternteil. Ich bin zuerst schneller gealtert als ein Dämon aber langsamer als ein Mensch. Und seit ich kein Kind mehr bin, noch mal langsamer, eher wie ein Dämon. Aber so… also ein Jahr in einem Dämonenleben dürften so vierzig bis fünfzig Menschenjahre sein, wenn ich das so recht bedenke.“

Sie starrte ihn an. „Aber, dein Vater, er sieht aus wie vierzig, oder so. Dann wäre er ja tausendsechshundert Jahre alt!“

„Neunzehnhundert, so ungefähr. Und mein Bruder dürfte so neunhundert haben.“ Niemand zählte bei Dämonen die Jahre und auch Geburtstagsfeiern gab es nicht. Selbst Mama hatte damit aufgehört, als sie feststellte, dass ihr Sohn anders alterte als sie. Leider. Er hatte einen Tag, an dem sie und ihre Hofdame sich nur um ihn drehten, er keine Lehrer hatte, sehr genossen.

„So alt!“ Kagome war bestürzt.

Sango lächelte und drückte ihr Kirara in die Hände. „Ich sagte dir doch, dass sie hier schon mit Midoriko durch die Lande zog. Das sind auch schon über dreihundert. Und sie ist noch nicht ausgewachsen. Aber solche nekomata leben auch sehr lange.“

„Ja.“ Kagome klammerte sich an die Katze und an die Entscheidung, dass sie ja gedacht hatte, sie würde auf dieser Reise viel lernen. Das tat sie eindeutig.

 

Keine zwei Stunden später erreichte das Quartett den Vorberg der Niigata-Vulkane, den die Samurai als Heiligen Berg bezeichnet hatten. Es handelte sich um einen Kalkfelsen, einen gigantischen Monolithen, der fast wie hingeworfen aus der Ebene aufragte. Die eigentlichen Feuerberge, genauer, deren Ausläufer aus erstarrter Lava und Asche, begannen deutlich erst dahinter.

Miroku sah sich um. „Da ist was….“

„Ja, hier soll doch mal ein Kloster gewesen sein.“ Aber Inu Yasha klang verständnislos. „Wahrscheinlich haben die alten Mönche hier Bannkreise gelegt oder so, die noch existieren.“

„Du merkst nichts?“ Der hoshi schien erstaunt. „Da, in die Richtung.“

„Da ist die Grenze. Na schön, dann sieh nach. Aber bleib vorsichtig. Falls dieser dämliche Naraku in der Gegend ist … Ich darf ja nicht,“ erkannte der Daimyo resignierend.

„Nicht, wenn du nicht den Anlass für einen Großen Krieg liefern willst,“ meinte Sango. „Aber ja, da ist Magie. Guck dir nur Kirara an.“ Denn ihre kleine Katze auf der Schulter sträubte die Haare und schien versucht sich zu verwandeln. „Das ist was Mächtiges.“

„Fremdes,“ ergänzte Miroku und ging Richtung Westen. „Das ist doch weder ein Bannkreis von Menschen noch von Dämonen. Was ist das?“

„Keh, ihr habt Probleme. Das ist ein Heiliger Berg, also wird das schon von Menschen gemacht worden sein. Vielleicht von dieser Morodiko oder so, die soll ja was drauf gehabt haben.“ Aber Inu Yasha schloss sich den Anderen an, nachdem er sich mit einem Blick vergewissert hatte, dass nicht aus anderen Himmelsrichtungen jemand auftauchte. Das war nur zur Sicherung seiner Begleiter tröstete er sich. Solange er nicht über die Grenze ging, war doch alles in Ordnung. Er war schließlich für den Schutz der Provinz verantwortlich.

 

Kurz darauf blieb Miroku stehen. „Da!“

Er deutete auf Ruinen, die sich direkt an dem steil aufragenden Fels befanden. Schräge Säulen, die sich mehr zufällig noch gegenseitig stützten, der Stein, der wohl einst als Dach gedient hatte, war hinabgestürzt. Im Hintergrund allerdings befand sich eine Steinplatte, und nun spürte auch Kagome eine geradezu unheimliche Magie und schlang fröstelnd die Arme um sich.

„Was ist das?“

„Ein Schrein,“ erklärte Sango leise. „Aber eine unglaubliche Magie. Das scheint ein Grab zu sein….Vielleicht von einem Heiligen?“ Der sehr mächtig gewesen sein musste.

„Eher nicht.“ Aber der Halbdämon starrte den verfallenen Schrein an, die Klaue am Schwert.

„Ich gehe mal hin.“ Miroku machte behutsam die Schritte näher, um die Inschrift auf der Platte lesen zu können, die recht verwittert war. „Ja, ein Grab. Hier liegen ...das sind wohl Namen, aber sehr zerstört ….die sieben ronin.“

„Ronin sind herrenlose Samurai, ehrenlos.“ wusste sogar Kagome. „Wer beerdigt sie dann in einem Schrein?“

Der Mönch entzifferte weiter. „Ihre Taten… offenbar wurden sie aufgrund ihrer Taten hingerichtet. Aber wieso dann ein Schrein, wenn sie Verbrecher waren? Und diese Magie….? Kagome-sama, was spürst du?“

„Es ist kalt,“ gab sie zu. „Und unheimlich. Ich glaube, da sollte niemand mehr hingehen.“

„Und der Schrein war eher dazu gedacht sie drin zu halten als zu segnen.“ Sango musterte die Platte. „Ich denke, sie sollten so gebannt werden. Das müssten wirklich Leute gewesen sein, die gefürchtet waren.“

„Wirklich.“ Inu Yashas Wort ließ die Anderen die Köpfe wenden. So fuhr er fort: „Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kenne diese Art Magie… Und ich habe es nicht gerade mit der Zauberkunst. Aber mein Vater trägt ein Schwert der anderen Welt und ich kenne das kalte Gefühl. Das ist Magie des Jenseits.“

„Aber, wer kann denn so etwas?“ flüsterte Kagome in die jähe Stille.

„Naraku?“ schlug Sango vor und sah sich unwillkürlich um.

„Nein.“ Miroku dachte nach. „Ja, natürlich, das Höllenschwert und noch jemand mag Zugriff auf diese Magie haben, auch wenn ich nicht wüsste wer. Aber das hier ist sicher schon Jahrhunderte alt. Jedoch, auch, wenn der Schrein verfallen sein mag – die Magie ist noch wirksam. Sehr wirksam.“

Die Dämonenjägerin atmete durch. „Ja, es ist deutlich zu spüren. Aber, das würde ja bedeuten, dass Midoriko oder auch Kikyou diese Stelle kannten, wenn sie solche mächtigen Priesterinnen waren. Und eigentlich müsste Naraku das auch spüren können.“

Miroku nickte etwas. „Er hätte diese Magie nehmen können, wenn er so magisch fähig wäre, das mit meinem Schwarzen Loch und die Übernahme von Inu Yasha auch nur zu versuchen. Dann ist er doch nicht so mächtig.“ Und war leider die falsche Spur bezüglich seines Fluches.

„Kann er nicht,“ erklärte der Halbdämon prompt. Da ihn alle ansahen, winkte er seitwärts. „Die Grenze ist da drüben, nicht weit weg, aber doch. Spätestens seitdem er Fürst von Ayama ist, darf er nicht mehr in Aoi aufschlagen ohne einen Krieg auszulösen. Und, wenn er ohne Erlaubnis des Kaisers hier drüber geht, passiert das Gleiche wie bei mir und Ayama. Es wird sozusagen Alarm ausgelöst. Ich weiß nicht genau wie, aber es gibt im Kaiserpalast in Heiyokyo einen Raum, in dem sich die Fürsten mit dem Kaiser treffen, wenn es einen neuen gibt. Sehr magisch, wohl. Und darüber läuft dann auch diese Nachricht. Er hätte, fähig hin oder her, das hier nur finden können, solange er kein Fürst war.“

„Ich weiß nicht,“ meinte Kagome. „Das ist Magie des Jenseits, wenn ihr recht habt. Nichts, woran sich ein Lebender auch nur wagen sollte. Naja, dein Vater ausgenommen, Inu Yasha. Könnte es sein, dass er….?“

„Nein. Ich meine, er lässt das Teil meist unter Bannkreisen liegen. Das ist wirklich gefährlich!“ erklärte der Fürstensohn aus dem Westen. „Und es ist eine Waffe, kein Zauberstab.“ Außerdem hätte ihm das Vater doch gesagt, wenn er ihn schon auf Naraku hingewiesen hatte.

„Vielleicht Midoriko,“ dachte Miroku laut nach. „Immerhin war sie so mächtig das shikon no tama zu erschaffen.“

Kirara maunzte und Sango schüttelte den Kopf. „Sie meint wohl nein, nicht Midoriko. Aber, gleich, wer es war, wir sollten das Siegel nicht anrühren. - Aber es muss bekannt gewesen sein, dass diese sieben Krieger hier beerdigt und versiegelt wurden. Es heißt doch die Pforte von Ronin.“

„Es sollte wohl heißen, die Pforte DER Ronin,“ meinte Miroku. „Kagome?“

Die zuckte etwas die Schultern. „Ich habe keine Geografiestunden erhalten. Ich kenne es nur von der Karte, die mir Inu Yasha gab, ehe wir nach Mochi reisten. Und da hieß es die Pforte VON Ronin.“

„Ist doch egal.“ Der Halbdämon zuckte die Schultern, aber stutzte dann. Da war eine Erinnerung. Ja, genau. „Jedenfalls hieß es früher die Pforte der Ronin. Lassen wir sie hier liegen.“ Ihm war eingefallen, dass in dem Gespräch im Kartenzimmer, in dem ihm Vater erklärt hatte, er solle Daimyo von Aoi werden, Sesshoumaru auf die strategische Bedeutung dieser Provinz hingewiesen hatte. Und sein ungeliebter Bruder hatte eindeutig von der Pforte der Ronin gesprochen. Also musste die zumindest vor Jahrhunderten, als der noch Geografiestunden bekam, so geheißen haben. Das war doch allerdings vollkommen egal. „Kommt, gehen wir zur Burg, mit ein bisschen Tempo erreichen wir sie noch heute.“

„Tempo?“ Kagome seufzte.

„Ich trag dich schon.“

„Danke.“ Was sollte sie schon sagen, wenn er so freundlich war auf sie Rücksicht zu nehmen.

„Dann kannst du dich ausruhen. Und in vier Wochen geht es dann nach Süden, über Kosaten und den Fluss,“ verkündete er, während er sie sich auf den Rücken schwang.

„Ich… ich soll mit?“ Sie hörte selbst, dass ihre Stimme überschlug. Sicher nicht die richtige Art auf eine Anweisung eines Fürsten zu reagieren, aber ihre Panik war stärker.

„Klar. Ich habe hier ja gesehen, dass diese Samurai immer genau wussten wann dein Vater kommt und alles hübsch hergerichtet haben. Überraschende Besuche sind besser. Und du kommst auch mal aus der Burg raus.“

Das wollte sie eigentlich nicht, aber … Ja, aber. Er war ihr Ehemann und der Daimyo. Das war alles, was zählte. Es war vermutlich sogar gut überraschend zu kontrollieren, aber wieso nur wollte er sie dabei haben? Sie behinderte ihn doch nur.

„Und ihr zwei kommt auch mit,“ befahl Inu Yasha simpel, froh, dass er seine neuen Freunde um sich haben konnte. Irgendwie war es ihm leichter als bei den Beamten wie Tarashi oder Okinajoi, die so streng wirkten und ihn ein wenig an Lehrer erinnerten. Das hier war schlicht nett – und sie waren alle drei fähig. Das war einfach wunderbar und so lief er los, noch während Sango und Miroku auf die groß gewordene Kirara sprangen. Aufgewachsen in einem dämonischen Militärstaat und in strikter Kommandostruktur verschwendete er keinen Gedanken daran, wie die Betroffenen das sehen würden.

 

Auf Kirara fliegend und wohlweislich hinter dem Mönch, meinte die Dämonenjägerin: „Er nimmt seine Kontrollaufgaben recht genau. Aber wieso muss er die arme Kagome mitschleifen? Uns, nun gut….“

„Ich denke, ihre Fähigkeiten sind nicht so schlecht, wenn es um läutern geht, und sie sah bei Naraku mehr als ich. Schutz für ihn, wenn noch einmal ein magischer Angriff erfolgen sollte. Und wir zwei, meine Liebe, sind auch nicht ganz ungeschickt.“

„Es gäbe auch Dämonenkrieger.“

„Er glaubt wohl, je weniger er sie einsetzt oder auch einsetzen muss, desto besser für die Menschen in Aoi.“

„Das wäre weiser als man bei einem so jungen Halbdämon erwarten sollte.“

„Womöglich wahrlich eine göttliche Eingebung.“ Und Miroku blickte empor zur Sonne.

 

Kaum zehn Minuten später, bat Kagome: Inu Yasha, warte doch, bitte….“

Er stoppte sofort und ließ sie absteigen, wenngleich etwas erstaunt. Sie waren kaum an dem großen Kalkfelsen, nun ja, dem Heiligen Berg, vorbei, eigentlich keine Wegstrecke, wenn man heute noch zur Burg Higurashi zurück wollte. Sein Erstaunen wuchs, als sie sich zu dem Felsen drehte und erneut die Hände an die Oberarme legte. „Was ist?“

„Ich weiß nicht, Magie?“ Sie flüsterte es nur. Das war beunruhigend, ebenso wie dieser zerfallene Schrein mit dem ominösen Siegel auf der anderen Seite.

Kirara landete und verwandelte sich in eine harmlos scheinende Katze zurück, kaum, dass ihre Reite abgestiegen waren.

„Was ist, Kagome-sama?“ Miroku blickte ebenfalls in die Richtung. „Ich kann nichts mehr spüren.“

„Ich weiß nicht. Es ist unheimlich. Ich kann es nicht deuten.“

Sango warf einen Blick auf ihre nekomata, ehe sie pragmatisch meinte: „Kirara spürt auch nichts Feindliches, sonst hätte sie sich nicht verwandelt. Ich merke auch keine dämonische Energie, eigentlich gar nichts. Könnte es sein, dass dieses Grab der Ronin eine tiefe Höhle ist? Es handelt sich doch um einen Kalkfelsen, da gibt es so etwas.“

„Ah.“ Das Gesicht des Mönches hellte sich auf. „Ja, das wäre möglich. Wenn dieses Siegel des Jenseits nicht nur die Platte umfasst, sondern die gesamte Höhle und die tief in den Felsen geht, könntest du es noch spüren, Kagome-sama. Du bist da doch, nach meiner Erfahrung mit Naraku, deutlich sensitiver als ich.“

„Ihr spürt nichts?“ fragte die junge Fürstin kleinlaut, der es ein wenig peinlich war dass niemand außer ihr anscheinend das verspürte, das sie ihre Härchen auf den Unterarmen aufstellen ließ. Auch Kirara kam nur her und schmiegte sich an ihre Beine, weit entfernt von dem Fell sträuben, dass sie bei dem Bann des Jenseits gezeigt hatte. So bückte sie sich und hob die kleine Katze auf. „Ja, schon gut. Ihr habt recht, und ich bin einfach ...unerfahren.“

„Sehr empfänglich für Magie,“ korrigierte Miroku prompt. „Das ist nicht schlecht, aber du solltest das besser mit mir üben.“ Und, da er prompt zusammengezogenen schwarzen Augenbrauen und einem goldenen Blick begegnete, der ihm gar nicht gefiel: „Mit Sango natürlich. Kirara wäre womöglich auch hilfreich. Deine Magie ist eben erst erwacht und du warst dir ihrer ja offenkundig nie bewusst. Das muss man lernen und vom Verstand her steuern. Natürlich auch vom Gefühl her, aber … einordnen.“ Mit einem raschen Blick zu dem Herrn von Aoi: „Wenn du es erlaubst, Inu Yasha, natürlich.“

Kagome wollte und konnte lernen, da wäre sie doch wohl glücklich und würde sich mit ihm noch mehr anfreunden? Aus diesem Gedanken heraus erteilte der Halbdämon prompt seine Genehmigung. „Klar, kommt jetzt. Der Weg dauert doch noch. Und ihr müsst euch rechtzeitig umziehen.“ Das galt vor allem der jungen Frau, die er ohne weiteres wieder auf seinen Rücken schwang.

Ja, das war ihr bewusst, dachte Kagome, als sie sich etwas vor lehnte, um ihr Kinn auf seine Schulter zu legen. In der Burg war sie wieder die Fürstin – und das miko-Gewand nur mehr Verkleidung. Irgendwie bedauerte sie es doch. Aber er hatte ihr ja versprochen, dass sie in vier Wochen wieder mitdürfte. Bis dahin sollte sie mit Sango und Miroku viel lernen.

 

 
 

Brautschau


 

S

esshoumaru, der mächtige Erbprinz des Westens, betrachtete den aufgehenden Vollmond. Es half alles nichts, jetzt musste er von seinem kleinen Spaziergang durch die Wälder zum Schloss seiner Mutter um dort beide Eltern, deren Gäste und sage und schreibe fünf potentielle Bräute zu treffen. Von den Mädchen musste er sich eine Verlobte suchen. Vater hatte gesagt, sonst würde er ihm eine aussuchen. Und leider waren die Worte des Inu no Taishou keine Drohungen, noch dazu leere, sondern Ankündigungen. Das wiederum hatte seinen Ältesten zum ersten Mal bewogen in der Einsamkeit der Wälder an den Grenzen des Kalkgebirges nachzudenken, was er überhaupt als Gefährtin dulden konnte, als Mutter seines Erbens auch nur begrüßenswert fand.

 

Nun, letzteres zuerst. Eigentlich nichts. Oder andersherum, er wollte noch nicht heiraten. Allerdings sahen das in Einigkeit seine beiden Eltern anders und würde er in diesem Fall nicht gehorchen …

Nun ja. Und er hatte geglaubt alle seine Probleme würden in der Beseitigung des Bastards enden? Der schaffte es ja sogar noch aus dem Ausland ihm Kopfschmerzen und Ärger zu bereiten.

 

Er hatte mittlerweile eine gewisse Vorentscheidung getroffen. Seine Braut, Gefährtin, sollte zumindest so ein Anblick sein, dass er ihr nicht ein Tuch über das Gesicht decken musste um seine Pflicht tun zu können. Zweitens: sie sollte ruhig sein, keine Schwätzerin, keine Intrigantin. So. Und als Mutter seines Erben ...tja. Sie sollte nicht dumm sein, sonst erbte der Sohn das womöglich auch. Aber nicht zu viel Bildung, damit sie sich nicht schlau vorkam. Und … nun ja, bitte nicht unbedingt den etwas feinsinnigen Humor seiner eigenen Mutter besitzen, die es einst ein passendes Verlobungsgeschenk fand ihren Zukünftigen buchstäblich in die Hölle zu schicken. Sozusagen als ultimativer Beweis, dass er tatsächlich So´unga trüge. Nun, chichi-ue war in der Unterwelt gewesen und hatte vor dort einen Stein mit sehr eigenen Fähigkeiten mitgebracht. Ein Teil hatte er behalten, einen Teil ihr für ein Medaillon geschenkt, das sie immer trug. Wo Vaters Anteil steckte, wusste Sesshoumaru nicht. Bislang war es ihm auch ziemlich gleich gewesen.

 

Wichtiger war ihm stets gewesen, dass er Vaters Anerkennung erringen konnte. Dass er zur Geburt des zweiten Sohnes dieses Tenseiga erhalten hatte, war ihm wie Hohn vorgekommen. Ein Schwert, das nicht töten konnte – aber einen Konkurrenten. Und, dass dieser Bastard dann auch ein Schwert bekam, das sehr wohl töten konnte, Tessaiga, war ebenso nicht geeignet gewesen ihn zu beruhigen. Beides seien Meisterstücke, hatte Vater erwähnt. Ja, Meisterstücke dieses vertrottelten Schmiedes Toutousai, der außer der Tatsache irgendwie chichi-ues Gunst erworben zu haben, wirklich nichts meisterlich beherrschte. Immerhin hatte er selbst inzwischen eine zweite Klinge erhalten, diesmal nicht von Toutousai, sondern von einem von dessen Schülern hergestellt. Der es prompt geschafft hatte dermaßen zu versagen, dass nur jemand wie Vater den bösen Geist darin bändigen konnte, als die Klinge ihren Schöpfer übernahm. Und er, natürlich.

 

Es half nichts. Dort vorne lagen die Ebenen um Mutters Schloss, das er jetzt bereits spüren konnte. Nicht so deutlich wie sonst, was Sesshoumaru doch verriet, dass für die Gäste der Schutzzauber um das Schwebende Schloss deutlich geschwächt worden war. Normalerweise kam niemand ohne ihre Genehmigung hindurch. Und sie hatte früh deutlich gemacht, dass es auch für ihren einzigen Sohn sehr ratsam wäre höflich zu warten bis er abgeholt würde. Nun, heute war das kaum möglich. Er würde sicher empfangen werden – und musste selbst an dem folgenden Empfang teilnehmen, sich ja ordentlich benehmen und seine Eltern nicht bloß stellen. Das war was zählte. Das „Sonst“ wollte er wirklich nicht kennen lernen. Vermutlich würde er dann selbst in der Unterwelt landen – lebendig. Also, schön, wer waren die Gäste? Er konnte das auf dem restlichen Weg überlegen.

 

Kenmoto, der sich um den Süden und die Grenze zu den Füchsen kümmerte, kam mit zwei Zwillingstöchtern, aber ohne Ehefrau. Die war verstorben. Eine Frau weniger. Gut. Hauptmann Kenmaru kam mit seinem gleichnamigen Sohn. Leider würde er mit dem weder viel sprechen noch gar ein Training absolvieren dürfen, denn da waren Ehefrau und Tochter auch dabei. Gast Nummer drei war Chikara, der die Küste und damit die Hauptwohngebiete der Menschen gegen das Meer schützen und verwalten sollte, mit Frau und drei Söhnen. Angenehm. Auch der vierte Gast, Shinji, war tochterlos, genauer, sie war bereits mit einem von Chikaras Söhnen verheiratet, die ledigen hatte der dabei. Natürlich wurde solch ein Treffen auch immer von den Vätern als Möglichkeit gesehen eine eheliche Verbindung anzusprechen.

Allerdings würden sie schon warten müssen, bis sich chichi-ue entschieden hatte. Oder, da er selbst ja tatsächlich mitreden durfte, er.

Und der Letzte war Hotaru, dessen Hauptaufgabe bei den Minen für Erze in den Kalkbergen lagen. Sein Name deutete nicht darauf hin, dass seine Eltern geahnt hatten, dass er dermaßen groß und breit werden würde. Der kam mit Frau und zwei ledigen Töchtern, wobei die eine gerade so in das heiratsfähige Alter gekommen sein dürfte, bei den letzten derartigen Treffen war sie jedenfalls nicht dabei gewesen. Waren das alle? Das würde eine Tortur werden, dieser Abend und der folgende Tag.

 

Wieder hatte es dieser Inu Yasha geschafft besser weg zu kommen. Der hatte sich nichts überlegen müssen, dem war sein Menschenweib vorgesetzt worden. Und trotz allem, was er dem Halbblut nicht zutraute – der würde doch wohl in der Lage sein eine Menschenfrau zu beherrschen.

 

Tja. Er stand bereits unterhalb des Schwebenden Schlosses, das von uralter Magie in der Luft gehalten wurde. Manchmal fragte er sich doch, was in Mutter so steckte. Aber, nun, gleich. Mit einem Satz war er auf der unteren Stufe der breiten Treppe, die empor auf die Terrasse führte. Gewöhnlich pflegte seine Mutter hier oben zu sitzen und ihr kleines Reich zu betrachten, aber der Sitz war leer, Gäste also bereits anwesend. Ah, der Haushofmeister kam auch bereits herangeeilt.

„Sesshoumaru-sama, Ihr sollt Euch unverzüglich in den Empfangssaal begeben. Ich darf bemerken, dass Ihr der Letzte seid.“

 

Er durfte, jedenfalls wandte sich Sesshoumaru nur ab und ging in das Schloss, in dem er geboren worden war und wirklich jeden Winkel kannte. Als kleiner Welpe war er Mutter – oder eher dem Kindermädchen, wenn diese nicht da war – immer wieder zu Streifzügen entkommen. Zumal er rasch gelernt hatte, dass bei Mutters Rückkehr das Kindermädchen bestraft wurde und nicht er. Heute war er erwachsen genug um sich zu denken, dass diese Hundedämonin mehr als erleichtert gewesen war, als ihn chichi-ue abholte um seinen Erben selbst zu erziehen. Und da war es dann freilich aus mit eigensinnigen Streifzügen gewesen.

Er kannte die von Schnitzereien bedeckten Säulen, die kunstvoll bemalten Papierwände, die jedem Besucher das Alter und die Macht dieser Familie demonstrierten, die Krieger und Hofdamen, die sich eilig vor ihm tief verneigten, ehe sie die Türen vor dem Erben des Hauses beiseite schoben.

In dem kleinen Vorraum vor dem Empfangssaal blieb er stehen. Rechts und links waren Schwertständer bereit gestellt worden und die Gäste hatten abgelegt. Das sollte er auch tun. Vater hatte selbstverständlich So´unga nicht mitgebracht. Das lag woanders besser behütet als hier unter den Augen von Hundekriegern. Er steckte seine beiden Schwertern in den noch freien und wandte sich um.

 

Vor ihm wurden die Türen beiseite geschoben. Für einen Moment blieb er in der Pforte stehen, wartete das unverzügliche Rascheln der Kimono ab, als sich alle Gäste ohne sich umzudrehen zu Boden verneigten, ehe er sich seinerseits vor seinen Eltern neigte, ehe er weiter schritt.

 

Wie gewöhnlich bei solchen Veranstaltungen saß der Fürst auf einem Podest vor den Gästen, die auf Kissen im Halbkreis knieten, seine Gemahlin schräg links hinter sich. Sesshoumaru wusste, dass sein Platz rechts hinter dem Taishou, neben seiner Mutter war und bemühte sich ein wenig schuldbewusst zu gucken, als ihn ein eisiger Blick seines Vaters traf. Ja, er war zu spät. So neigte er lieber noch einmal den Kopf, als er sich niederließ. Ansprechen durfte er ihn nicht, nicht einmal um sich zu entschuldigen, aber das würde noch ein Nachspiel haben. Nun ja. Jetzt würden wieder die gewohnten Redereien über vergangene Schlachten unter den männlichen Gästen losgehen, die doch eigentlich jeder kannte, während Frauen und Töchter anständig schwiegen. Gerade letzteren war bestimmt noch einmal gutes Benehmen eingeschärft worden, um nicht ihre Chance auf eine gute Partie zu ruinieren. Und an jungen Hundedämonen aus gutem Haus war das hier alles, was Japan zu bieten hatte.

 

Ja, erkannte er eine halbe Stunde später. Alle Mädchen knieten sittsam da, blickten den lackierten Boden an, als würden sie ein Buch lesen und bewegten sich nicht, redeten nicht einmal untereinander. Das war unmöglich! Wie sollte er denn da eine Braut aussuchen, wenn er nicht einmal die Gesichter zu sehen bekam? Natürlich waren sie alle ordentlich angezogen, vom Hals bis zu den Füssen verhüllt. Das war ja reine Glückssache. Fast hilfesuchend sah er beiseite – und begegnete nicht nur dem goldenen Blick seiner Mutter, sondern auch einem fast unmerklichen Lächeln.

„Vertrau mir,“ bewegte sie nur lautlos ihre Lippen.

Hoffentlich hatte sie wirklich einen brauchbaren Plan.

 

Den hatte sie, erkannte der Sohn, und Vater war eingeweiht. Denn nach einiger Zeit schlug der Taishou seinen, männlichen, Gästen vor, doch einmal die Waffenkammer zu besuchen, während die Damen den noch recht warmen Herbst in der Dämmerung genießen dürften.

Ja, dachte Sesshoumaru. Da würden sie reden, offener sein dürfen, als wenn die Väter und Brüder anwesend waren, wenngleich unter den bestimmt wachsamen Augen ihrer Mütter. Die Zwillinge wären zwar allein, aber da passte schon seine eigene Mutter auf als Hausherrin. Nur, was sollte ihm das helfen, wenn er in die Waffenkammer gehen sollte?

„Du solltest deine Rüstung ausziehen, Sesshoumaru“, befahl der Herr des Westens, als er sich erhob.

Sesshoumaru erkannte an, dass sich seine Eltern Gedanken gemacht hatten, wie er unauffällig die Mädchen ansehen konnte. Sein eigenes Zimmer lag direkt über dem Garten und er wäre ihm nicht nur möglich zuzuhören, sondern auch durch das enge Gitter hinab zu spähen. Nun, wenn Mutter den richtigen Platz wählte, aber da konnte er ihr wohl tatsächlich vertrauen.

 

Minuten später hatte er nicht nur seine Rüstung abgelegt, sich auch ein anderes Obergewand übergezogen, nicht in seinem bevorzugten Weiß mit roten Stickereien, sondern mit blauen, um dem Fürsten, der stets das trug, auch die Ehre zu erweisen, ehe er bemüht seine Energie unterdrückte und an das Gitterfenster trat. Ja, seine Mutter nahm gerade vor der Brüstung der Terrasse Platz, die den kleinen Garten abschirmte und winkte ihren Gästen sich nieder zu lassen. Es war ihre Pflicht als Gastgeberin nun Konversation mit ihren Gästen zu betreiben und so stellte sie nur scheinbar harmlose Fragen, aus denen sie und der stille Zuhörer oben einige Rückschlüsse ziehen konnten.

 

Sesshoumaru musste sich ein wenig an das Gitter drücken um die Gesichter sehen zu können. Ja, das waren Zwillinge, die absolut identisch aussahen. Sogar die Art, wie sich ihre Fächer an den Mund legten um das Lachen zu verbergen, ihr Kichern – absolut identisch. Ihre Mutter war verstorben, erzählten sie und ihr Vater hätte großen Wert auf ihre gute Erziehung gelegt. Sie könnten mit Laute und Gedichten umgehen, sogar singen. Bara und Banira waren ihre Namen. Der unwillige Anwärter seufzte in Gedanken. Chichi-ue hatte ja gemeint, das wäre doch gut, zwei Bräute zum Preis von einer zu erhalten. Es stand zu erwarten, wenn er sich keine andere fand, würde sein verehrter Vater diese zwei aussuchen. Und er hätte zwei niederkauernde „schöne, stumme Blüten“ am Hals, die seine armen Ohren mit Liedern und Musik malträtieren würden.

 

Wer stand denn noch zur Auswahl? Kenmarus Tochter oder Schwester, je nachdem von welchen der beiden man sprach. Sie war groß gewachsen für eine Hundedämonin und eine sich sehr aufrecht haltende, sicher stolze, Schönheit. Ihr Haar war absolut schwarz wie auch ihre Augen. Und einige Fragen seiner Mutter später, wusste er, dass sie auch Lesen und Schreiben konnte, den Westen gut kannte. Ihre Antworten waren sehr nüchtern und sachlich, erst ein leichter Schlag ihrer Mutter mit dem Fächer erinnerte sie daran, dass sie einer Fürstengemahlin gegenüber kniete und den Kopf bei Antworten senken sollte. Kiyoko hieß sie und Sesshoumaru entsann sich, dass er sie schon bei Waffenübungen gesehen hatte. Eindeutig teilte sie den militärischen Zug ihrer männlichen Familienmitglieder – oder Kenmaru hatte es ihr befohlen.

Dann die letzten beiden. Hotarus Frau samt Töchter. Die Ältere der beiden war … nun, die schönste Hundedämonin, wenn nicht Dämonin, die er je gesehen hatte. Mutter natürlich ausgenommen. Ihr Haar fiel wie ein silbriger Schleier grau in Wellen über ihren Rücken und ihre Augen leuchteten selbst in der beginnenden Dunkelheit in hellem Silber. Tamiko war ihr Name. Eigentlich erstaunlich, dass eine solche Schönheit noch nicht verheiratet war, das Alter hatte sie doch? Aber, als er sie zuletzt vor einigen Jahren bei einem solchen Treffen gesehen hatte, war sie noch nicht so, ja, erwachsen, geworden. Nun, dachte er keine drei Minuten später ein wenig zynisch, dass sie noch keinen gefunden hatte, hatte wohl einen einfachen Grund. Sie war schön – solange sie schwieg. Das tat sie in Vollendung und die Art, wie sie ihren Fächer schwenkte, war fehlerlos. Sicher die perfekteste unter allen Töchtern hier. Aber ähnlich hohl wie ein Bambusrohr.

Ihre Schwester Himiko, die auf der anderen Seite der Mutter saß, fiel dagegen ab. Auch sie hatte die grauen Haare, die anscheinend Hotaru an seine Mädchen weitergegeben hatte, auch ihre Augen waren grau, aber ihr fehlte die warme Lebendigkeit ihrer Schwester. Nun, sie war ja auch deutlich jünger, vielleicht würde das noch kommen. Zu einen Erben zu bekommen, war sie wohl noch zu jung, wenngleich sie hier zu diesem Heiratsmarkt mitreisen durfte. Vermutlich zum ersten Mal.

 

Also, was nun. Er wich vom Fenster zurück. Wenn er niemanden auswählte, würde ihm Vater die Zwillinge antun, da war er sicher. Und die schiere Vorstellung ...nein. Sie hingen sehr aneinander, vervollständigten sogar ihre Sätze. Nein. Sie würden ihm nur auf die Nerven gehen. Natürlich hatte er das Recht zu verbieten, ja, zu strafen, aber was wäre das für ein Hundeleben.

Tamiko war bildschön, aber dumm. Als Mutter für einen künftigen Fürsten absolut ungeeignet.

Blieb also nur Kiyoko.

Er trat wieder ans Gitter.

Mutter sprach nun mit den jeweiligen Müttern, natürlich, sie durfte ihre Pflichten als Gastgeberin nicht verletzen. Kiyoko hielt mittlerweile den Kopf wieder gesenkt, anscheinend hatte die kleine Erinnerung mit dem Fächer genügt. Sie war folglich gut erzogen, gebildet genug und nüchtern. Immerhin, dachte er selbstmitleidig. Sie würde er sich wohl auch noch passend ziehen können.

 

Aber er musste sich jetzt wieder der Männerrunde anschließen, wie es die Pflicht des Sohnes des Hauses war. Und irgendwie brauchte er einen Rat von Mutter, ja, das wäre sicher nicht falsch. Sie mochte ihre Eigenheiten haben, aber sie wäre niemals willens ihren Einzigen in ein offenes Messer laufen zu lassen. Und so, wie sie jedes Mädchen immer wieder gemustert hatte, war er sicher, dass sie ihre Meinung sich zu allen gebildet hatte. Und sich dann natürlich noch Vaters Rat anhören. Der Inu no Taishou hatte ihm zwar zugesagt frei wählen zu können, aber der Wunsch eines Fürsten war nur ein verhüllter Befehl. Hoffentlich empfahl er ihm nicht wirklich diese Zwillinge. Überdies versagte seine eigene Phantasie bei der praktischen Umsetzung einer Ehe zu dritt. Oder genauer zu zweit in drei Körpern, denn diese Mädchen waren ja quasi mit den Köpfen zusammengewachsen.

 

Als er hinunterging, um in die Richtung der Waffenkammer zu gelangen, die sich tatsächlich im tiefsten Teil des Schwebenden Schlosses befand, traf er zu seiner Überraschung eine Hofdame seiner Mutter, die sich ihm mehr oder weniger in den Weg stellte und in die Knie glitt, die Hände vor sich ausgestreckt. Ein sicheres Zeichen, dass sie Nachricht brachte.

„Nun?“

„Ich soll Euch ausrichten, Sesshoumaru-sama: die Analystin.“ In der Stimme der Hofdame schwang nur der Hauch eines Erstaunens, zu sehr daran gewöhnt ihre eigenen Gedanken und Gefühle zu unterdrücken.

Die Überraschung des Erbprinzen erschien ebenfalls nicht auf seinen Zügen, als er nur nickte und wortlos weiterging. Mutter hatte sich also entschieden – nur, für wen? Die Zwillinge waren auszuschließen, das waren zwei, und da Tamiko nicht gerade durch Geistesgaben bestach sicher die auch. Also stimmte sie auch für die nüchterne, ausgebildete Kiyoko. Nun ja, Noch hatte er morgen Zeit die jungen Damen näher in Augenschein zu nehmen, wenn ein gemeinsames Treffen mit Vätern und Brüdern anstand, damit möglichst alle Töchter an den Mann gebracht werden konnten. Solche Gelegenheiten gab es nur alle Jahrzehnte, denn bei einem Treffen im Schloss des Westens, waren die Frauen normalerweise nicht dabei, nicht, solange dort keine Fürstin saß. Und, dass seine Eltern wieder zusammenleben würden, schloss Sesshoumaru doch aus. Dazu waren beide zu zufrieden mit dem Arrangement.

 

Die Herren hatten sich unterdessen in einem kleinen Empfangsraum ein wenig nachlässiger in der strikten Rangordnung niedergelassen, nicht zuletzt, um den Söhnen Gelegenheit zu geben miteinander zu reden. Sesshoumaru wollte schon zu seinem Vater gehen um sich neben den zu setzen. Aber der winkte nur.

„Wir sind, wie morgen auch, informell, mein Sohn.“

So nahm der Erbprinz neben Kenmaru, dem Sohn, Platz, einem jungen Krieger, der auf dem besten Weg stand, seinem Vater als Hauptmann des Westheeres nachzufolgen. Sie hatten bereits miteinander mehrfach geübt und Sesshoumaru gab zu, dass der stark und talentiert war. Natürlich nicht so stark wie er selbst, aber doch bemerkenswert. Nach einer kurzen Konversation über Schmiede, stellte selbst der kühle Fürstensohn fest, dass der Andere etwas auf dem Herzen hatte. Ansprechen war natürlich praktisch verboten. So meinte er nur: „Kenmaru?“ Wollte der seine Fürsprache für eine Beförderung?

So ein Hundedämon rot werden konnte, wurde es der schwarzhaarige Krieger. „Es ist natürlich entsetzlich unhöflich, Sesshoumaru-sama, bitte seht es mir nach, aber meiner Wenigkeit liegt wirklich viel daran. Mein Vater deutete an, dass der Fürst und Ihr auf diesem Treffen ebenfalls nach einer Braut Ausschau haltet…“

Militärische Waschweiber! Sesshoumaru war schon versucht zu leugnen, begegnete aber einem so bettelnden Welpenblick, dass er fragte: „Du auch?“

„Ja, Sesshoumaru-sama. Selbstverständlich steht Eurem mächtigen Vater und Euch die erste Wahl zu, das stelle ich nicht in Frage. Ich möchte nur bitten, falls Ihr Euch entschieden habt, es bald mir anzudeuten. Ich hätte da jemanden, den ich…“

Auch das noch! Wieso rissen sich nur alle so um die Ehe? Er konnte allerdings schlecht sagen, nimm doch, wen du willst. Wenn das chichi-ue zu Ohren kam, und das würde es, würde der das schlicht als Missachtung seines Wunsches deuten und ihm bestenfalls ein Bad in einem Lavastrom der Niigata-Vulkane bescheren. „So hast du die junge Dame schon gesehen.“

„Ja, bei dem letzten Treffen dieser Art, aber da waren sie Kenmoto noch zu jung zum heiraten.“

Kenmoto? Sekunde. „Du redest von den Zwillingen?“

„Äh, ja.“

„Welche? Ich dachte, Kenmoto wolle sie nur zu zweit weggeben.“ Damit wäre doch Vaters Lieblingspärchen praktisch gestorben, oder? Nun, leider nicht, denn, wie richtig erwähnt stand der Wunsch des Fürsten über dem des Hauptmanns. Auch über dem seinen, bedauerlicherweise. Von den Mädchen ganz zu schweigen.

„Ja, so ist es, Sesshoumaru-sama, aber mein Vater sagte mir zu, dass das gehen würde, wenn… Nun, wenn der Herr nicht von seinem Vorrecht Gebrauch macht.“ Kenmaru der Jüngere zögerte. „Es ist allerdings nicht deswegen, wenn ich Euch bitte morgen einmal meine Schwester anzusehen, denn ich vermute, der mächtige Inu no Taishou würde Euch keine Steine in den Weg legen, wenn Ihr eine Neigungsehe einzugehen wünscht. Sie ist ein kluges, nettes, Mädchen, auch, wenn ich das als ihr Bruder sage, und sie sehnt sich nach einer Heirat.“

„Ich sah sie im Waffentraining.“

„Oh, sie ist Euch aufgefallen? Ja, Vater befahl es ihr. Sie liebt aber Bücher mehr und auch Verwaltung, aber das erlaubt ihr Mutter nicht.“

War das das Mädchen, das Mutter als Analystin bezeichnet hatte und ihr Rat war? Er würde sie sich morgen möglichst unauffällig ansehen. In Gegenwart der Eltern war auch informelles Reden möglich, natürlich in geziemenden Bahnen. Jeder wusste ja, wozu diese Treffen veranstaltet wurden: Bräute einzukaufen und künftige Mütter der Erben. Umgedreht waren die Väter der Mädchen auch froh eine nutzlose Esserin teuer weggeben zu können. Schon aus dem Grund würde kein Vater dem Fürsten sein Kind verweigern. Überdies bot die Heirat mit dem Erbprinzen Aussicht auf die höchste Stellung, die einer Hundedame möglich war – Fürstenmutter. Aber Sesshoumaru nickte nur leicht als er aufstand. Es war seine Pflicht auch mit den anderen im Raum zu sprechen, und die sollte er nicht vernachlässigen.

 

Der nächste Morgen begann für den Erbprinzen so unangenehm wie der Abend geendet hatte. Alle trafen sich im Garten, die Familien standen beisammen, bewegten sich in Gruppen von der einen zur anderen. Seine eigenen Eltern spazierten nebeneinander, aber der Befehl des Inu no Taishou hatte unmissverständlich gelautet er solle allein gehen.

Und so stand er in möglichst unauffälligem Blickpunkt aller Anwesenden. Die Väter und Mütter, weil sie sich sein Interesse für ihre Mädchen erhofften, die Söhne, weil sie nicht unbedingt ihm in die Quere kommen wollten. Und die Mädchen versuchten sich demonstrativ gesittet zu benehmen, sobald er auch nur sein Auge auf sie richtete. Moment mal. Da fehlte doch eine? Ja, genau, die Schwester dieser Tamiko. Wie war doch gleich der Name? Himiko. Nun ja, er hatte sie ja auch für recht jung gehalten, womöglich war ihr hier die Anwesenheit verboten worden. Es dauerte tatsächlich mehrere Minuten, ehe er sie entdeckte. Sie kniete neben einem Gebüsch, eindeutig auf Befehl, denn ihre Mutter warf immer wieder einen Blick hinüber, der das Mädchen eilig den Kopf sinken ließ.

Aber, was sie sonst tat, fand Sesshoumaru interessant. Sobald ihre Mutter wegsah, hob sie den Kopf und musterte alle Anwesenden, vor allem seine Mutter. Als ihr Blick dem seinen begegnete, schlug sie freilich eilig die Augen nieder. Sie wusste also, dass das unhöflich war. Nur, was machte sie da und warum saß sie abseits?

Er nickte Kiyoko, mit der er soeben einige Worte über ihr Waffentraining verloren hatte, zu, dann den beiden Kenmarus und deren Ehefrau und Mutter, deren Namen er sich nicht merken konnte, ehe er zu Hotaru, dessen Angetrauter und der zugegeben wirklich bildhübschen Älteren trat. Hastig neigten alle die Köpfe.

„Willkommen zu diesem Empfang,“ sagte er höflich, wie er es gelernt hatte. „Solche Gelegenheiten sind selten.“ Das war nichtssagend, aber, was sollte er auch zu den Mädchen immer sagen. Sie hatten keine Gemeinsamkeiten. „Ich meine mich zu erinnern, dass du das letzte Mal noch ein Kind warst, Tamiko.“

Das Mädchen schlug eilig verlegen den Fächer vor das Gesicht, wie es sich ziemte, wenn man von einem jungen Mann angesprochen wurde, noch dazu dem Thronfolger.

Sein Blick glitt suchend hinter die Mutter. Ja, das saß die kleine Schwester – und achtete nicht mehr auf ihn, sondern wieder auf seine eigene Mutter. Was tat sie nur? Was wollte sie wissen? Oh. Die Analystin, hatte Mutter ihm doch als Rat gegeben. War etwa dieses halbe Kind gemeint? Überdies hätte er angenommen, dass es niemanden außer seiner werten Frau Mama gab, der dermaßen aus den winzigsten Andeutungen die richtigen Schlüsse ziehen konnte – ja, aber Himiko wollte es lernen, war auf dem Weg. Faszinierend.

Hotaru hatte durchaus bemerkt, wohin das Interesse des Erbprinzen ging. „Oh, verzeiht. Himiko ist noch sehr jung … Wünscht Ihr sie zu sprechen, Sesshoumaru-sama?“ Er wartete das knappe Nicken trotz des plötzlich finsteren Blicks seiner Ehefrau nicht ab, sondern nannte schon den Namen seiner Jüngsten, die eilig aufstand und herankam, mit einer Verneigung.

„Himiko.“ Was sollte er zu der jungen Dame auch sagen?

Sie blickte zu Boden. „Danke, dass Ihr Euch meiner Wenigkeit entsinnt, Sesshoumaru-sama.“

Nun ja, gut erzogen, wie alle hier. „Ich bin überzeugt, Hotaru, dass sich für beide Töchter Interessenten finden. Sie sind hübsch wie ihre Mutter und sichtlich gut erzogen.“ Das genügte doch wohl? Als er sich ein wenig suchend umblickte, begegnete er dem Blick seiner Eltern. Und chichi-ues Wink galt eindeutig ihm. So nickte er nur noch einmal der Familie zu, ehe er zu den beiden Hundedämonen ging, die ihm wirklich Anweisungen erteilen konnten. Und das auch taten.

„Dir gefallen die Mädchen?“ erkundigte sich der Taishou. In einer Weise, dass sein Ältester alarmiert wurde. Vater wollte doch nicht sofort…. Sein Gefühl der Besorgnis wuchs, als der Fürst mit einer Handbewegung seine Gemahlin wegschickte und Mutter auch ohne jeden Widerstand auch nur im Blick gehorchte.

„Nun, ich soll mir eine Braut aussuchen,“ erwiderte er jedoch nur.

„Sonst hast du mir nichts zu sagen?“

„Ich bitte um Euren Rat.“

Es war ein etwas schelmisches Lächeln, das um den Mund des Hundefürsten glitt. „Nun, mir würden die Zwillinge gut gefallen.“ Hm. Hätte er nicht gewusst wie kalt sein Sohn war, hätte er fast geglaubt, der würde in Ohnmacht fallen. Er sollte den Scherz nicht zu weit treiben. „Mir. Und ich habe einen erwachsenen Erben. Es wäre ein reines Vergnügen. - Du bist noch nicht reif für eine Heirat, das sehe ich. Aber es gibt eine gute Lösung. Deine Mutter sagte mir, welchen Rat sie dir gab und ich stimme ihr zu. Es ist ziemlich zu warten bis Himiko erwachsener ist, gut hundert Jahre, sicher. In dieser Zeit wirst auch du den Wert einer Gefährtin schätzen lernen, die dich unterstützt, die nach Empfängen sagen kann, wann welcher Gast wie reagierte. Die Verlobung soll dennoch unverzüglich stattfinden. Es sei denn, dir widerstrebt diese Lösung, denn ich gab dir freie Wahl.“

Erst einmal noch hundert Jahre warten zu sollen, klang gut. Und Himiko war hübsch und offensichtlich klüger als ihre Schwester, wozu freilich nicht viel gehörte. Aber, wenn sich seine Eltern einig waren? „Ich bitte Euch die Brautverhandlungen zu führen, chichi-ue.“

„Hotaru wird einiges für sie verlangen.“ dachte der erfahrene Stratege bereits. „Ich werde ihm das Angebot machen, dass sie hier im Schloss lebt und deine Mutter sie ausbildet in allem, was eine Fürstengemahlin wissen muss. Sie hat einen durchaus analytischen Verstand und kommt ganz nach ihrem Vater, diesbezüglich.“

„Muss nicht ihre Schwester vor ihr heiraten?“

„Sie wird, sie wird. Chikaras zweiter Sohn interessiert sich sehr für sie, wie ich sehe. Nun, das wird gut gehen. Sie ist dumm, er ist dumm….“ Der Fürst zeigte damit, dass nicht nur seine Gefährtin die Gäste stets im Auge behielt. „Und, wie erwähnt, du wartest noch hundert Jahre.“

„Ja, mein Herr und Vater.“ Und für diese Zeit war er noch frei.

 

 
 

Eheinsichten


 

D

er Herr der westlichen Länder stand mit einem fast sanften Lächeln vor seiner Gemahlin. Sie hatten sich ein wenig von den Gästen zurückgezogen und er hatte ihr gerade berichtet, dass ihn Sesshoumaru mit den Heiratsverhandlungen… nun, nicht gerade beauftragt, aber sich doch einverstanden erklärt hatte.

Die Dame nickte. „Es freut mich, dass er noch immer auf seine Mutter, verzeiht, auf seine Eltern hört.“

Der Taishou unterließ es darauf hinzuweisen, dass das weniger mit Gehorsam als der Aussicht zu tun habe noch einhundert Jahre ohne weitere familiäre Verpflichtung zu sein und Himiko den Jungen wohl immerhin nicht abgeschreckt hatte. Wirklich, von seinen beiden Söhnen war der Jüngere der pflegeleichtere, wenn man ihn richtig nahm. „Es werden noch einige Verhandlungen auf mich zukommen oder Genehmigungen, wenn ich mir die Konstellationen so ansehe. Es gibt wenig junge Damen der mächtigen Familien in dieser Zeit.“

Sie ließ es lieber darauf aufmerksam zu machen, dass Mädchen oft genug umgebracht wurden, wenn sie die Ältesten waren. Hotaru mit seinen Zweien ohne Sohn war da, neben ihrem eigenen Vater, eine Ausnahme. Wobei, wer wusste schon, wie der reagiert hätte, wäre ihm doch noch der Erbe geboren worden. Zum Glück war sie selbst in der Lage gewesen als erstes den Thronfolger zu gebären. Das war auch der Grund gewesen, warum sie diese politische Ehe ihres Ehemannes mit der menschlichen, wenngleich kaiserlichen, Prinzessin gleichmütig hatte hinnehmen können, trotz des daraus entstandenen Sohnes. Natürlich war die Menschenfrau längst tot, Inu Yasha unter keinen Umständen erbberechtigt noch auch nur mehr im Lande. Freilich als Daimyo sehr nobel untergebracht, wie man es von seinem Vater erwarten konnte. So meinte sie nur sachlich: „Hotaru wird bei Euch sein. Chikara wird warten müssen, bis er aus den Verhandlungen kommt.“

„Wie stets aufmerksam. Ja, dessen zweiter Sohn und Tamiko.“

„So bleiben die Zwillinge erneut unverheiratet?“

„Nein, Kenmaru der Jüngere.“ Der Hundefürst zog ein wenig das Haarband um seinen Zopf zurecht, einziges Zugeständnis, dass es gleich um Staatsgeschäfte gehen würde. Sein sonstiges Auftreten war makellos, sonst hätte ihn seine Gefährtin aufmerksam gemacht, so gut kannte er sie doch nach fast einem Jahrtausend Ehe.

„Er traut sich zwei Ehefrauen zu?“ Derart leichtfertig war der ihr auch nicht erschienen. Wobei – das waren musizierende, kichernde, sonst schweigende Ehefrauen – unpassend als Fürstin, natürlich, aber für einen Hauptmann womöglich willkommene Entspannung nach dem Militärdienst. Sie war kein Mann. Und der Taishou durchaus eine Ausnahme, wie sie hatte feststellen dürfen.

„Teuerste, bei dieser Familie wird er jeder rasch Kinder bescheren und sie sind beschäftigt. Und Kiyoko…“

Sie kannte diesen etwas sinnenden Blick mit den zusammengezogenen Augenbrauen. „Besorgt?“

„Sie scheint mir ein sehr ruhiges, vernünftiges Mädchen zu sein. Es wäre schade, wenn sie deswegen niemanden findet.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher, mein Fürst.“

„Was habt Ihr gesehen?“ Aber sie lächelte nur andeutungsweise. Und, da er wusste, dass er es sowieso bald erfahren würde, schwieg er.

 

Auch der Erbe des Hauses schritt durch den nur scheinbar weltläufigen Garten um das Schwebende Schloss, was aber den immer wieder auftauchenden überraschenden neuen Ecken und Blicken geschuldet war, die einst ein wirklich genialer Planer hier angelegt hatte. Er blieb stehen und sah über das Land. Hundert Jahre, das klang nach viel Zeit, war es jedoch nicht. Er würde öfter hier sein müssen, schon um Himiko etwas kennen zu lernen, zumindest formell, allerdings in Wirklichkeit um zu sehen WAS die verehrte Mutter seiner Braut so beibrachte. Da gab es einige Kleinigkeiten, die er sicher nicht gewillt war zu dulden.

Er bemerkte hinter sich dämonische Energie und sah sich um. Wollte da wer etwas von ihm? Dann durfte er nicht unhöflich sein, Vater sah das gar nicht gerne und Mutter ebenso wenig. Pflicht eines Fürsten und des Erben gleich dazu. Kenmaru der Jüngere! Und diesmal war er sicher, dass der ihn nichts fragen wollte. Der starrte nur geradeaus, hatte ihn offenbar nicht einmal wahrgenommen. Da der junge Hauptmannssohn zielsicher auf eine Kollision zulief, sagte der Erbprinz scharf seinen Namen. Was war denn mit dem los?

„Sesshoumaru-sama!“ Kenmaru bemerkte erschreckt in wen er da fast hineingelaufen wäre und verneigte sich eilig. „Ich bitte um Vergebung, ich sah Euch nicht…“

Das war wiederum kaum zu übersehen gewesen. Aber der hatte um was gebeten. Das sollte er ihm gewähren, zumal der Kelch mit den Zwillingen an ihm selbst vorbei gegangen war. „Mein Herr und Vater verhandelt wegen meiner Braut.“

Kenmaru atmete durch. „Ich hörte bereits, dass es um eine von Hotarus Töchtern geht. Wie erwähnt, ich hätte gern Kenmotos Zwillinge, zumal mir mein Vater inzwischen sagte, dass Kenmoto sie wohl deutlich billiger abgeben will als geplant.“

Für die Zwei sollte niemand Seide oder Metall oder sonst etwas geben sollen! Aber Sesshoumaru beschloss, dass seine Meinung ebenso wenig erwähnenswert war wie seine Neugier warum. So ein fähiger Kämpfer sein Gegenüber auch war, er war redselig wie Inu Yasha. Und das war wirklich kein Kompliment.

Seine Erwartung wurde auch nicht enttäuscht, denn Kenmaru sagte ohne weitere Aufforderung: „Kenmoto möchte ja selbst noch einmal heiraten. Sein einziger Sohn starb klein und so will er wohl Kiyoko. Sie ist jung genug um ihm noch einen Erben zur Welt bringen zu können. Und zwei heiratsfähige Stieftöchter im Haus gibt wohl nur Ärger.“

Drei Frauen im gleichen Alter im Haus, nun, auch in allen anderem? In jedem Fall. Chichi-ue wusste schon, warum er Mutter hier leben ließ. Natürlich mit Vollmachten, genügend Ausstattung und in allen Ehren, aber eben doch gute Tagesreisen von sich. Nun ja, es half nichts. Die Pflicht eines Thronfolgers war es eben auch sich um den nächsten Erben zu kümmern. Danach konnte Himiko doch auch hierher ziehen, wenn sie dann schon hundert Jahre hier gelebt hatte. Doch, das klang nach einem guten Plan. Er sagte nichts weiter, aber sein Blick bedeutete so deutlich „verschwinde“, dass der Hundekrieger eilig gehorchte.

 

Der einzige Grund, warum die Energie des großgewachsenen und breiten Hundedämonen nicht anstieg, sondern nur die selbst in Menschenform herabhängenden Schlappohren zuckten, war die schlichte Tatsache, dass er sich im Schloss der Fürstengefährtin befand und diese das überhaupt nicht schätzte. Der leider ebenso anwesende Fürst würde zu jeder Maßnahme von dieser Seite nur beifällig nicken und um die Dame liefen so Gerüchte um … Nun, Hotaru wusste nur zu gut, dass es keine Gerüchte waren. So allerdings senkte er etwas den Blick und fixierte seine kleinere Gefährtin, die die Hände sehr undamenhaft in die Seiten gestemmt vor ihm stand. „Zügele deine Laune.“ Und das klang wie leises Grollen. „Du erwartest nicht wirklich, dass ich zum Herrn der westlichen Länder gehe und ihm sage, dass er sich in der Person seiner Schwiegertochter geirrt hat! Im besten Fall trennt er mir sofort den Kopf von den Schultern.“

„Aber er hat es, ganz sicher,“ beteuerte sie. „Wie könnte er im Ernst statt meiner wunderschönen, eleganten, Tamiko diese nichtssagende Himiko nehmen, deren Talent NICHT auf sich aufmerksam zu machen ja das Einzige ist, was sie besitzt?“

Ihm war bewusst, dass sie in mehr als zärtlicher Zuneigung an ihrer schönen Tochter hing und die Jüngere vernachlässigte, zumal seit die Mädchen alt genug geworden waren, um das zu sehen. „Auch für Tamiko erhielt ich bereits ein Angebot von Chikara für seinen Sohn.“ Hotaru beschloss doch etwas autoritärer zu werden und ließ das Knurren nicht aus der Stimme. „Ich denke es ist dir bewusst, dass wir beide Töchter auf diese Weise ehrenvoll verheiraten können und das an einem Tag. Im Übrigen freue ich mich, dass Himiko, die auf mich immer einen sehr vernünftigen und sachlichen Eindruck machte, Gnade vor den Augen des Fürsten und wohl auch des Erbprinzen gefunden hat. Kein weiteres Wort!“ Da sie bereits Atem holte: „Ich werde mich und unsere Töchter sicher nicht von deinen Anwandlungen vor dem Herrn bloß stellen lassen.“

Sie wusste, das war die letzte Warnung. Für einen alten Hundekrieger, auch, wenn er zur Zeit mehr die Bergwerke des Westens verwaltete, war er durchaus duldsam, aber es gab Grenzen. Tamiko musste eben nehmen, was ihr Vater ihr gab. Aber, so hoffte sie doch, würde wenigstens Chikara die Schönheit ihrer Tochter, nun gut, ihrer Ältesten, zu würdigen wissen.

 

In einem anderen Schloss, viel weiter im Norden gelegen als das Schwebende, saß der nur scheinbar junge Schlossherr in seinem Schlafzimmer und musterte die zwei Krüge vor sich an der wand, deren Blubbern sich seit Stunden steigerte. Er hatte Hakudoshi und Kagura nun hinausgeschickt, mit nichtssagenden Aufträgen und nur zwei menschliche Krieger vor die Tür beordert. Er wusste, warum. Und aus ebenso gutem Grund hielt er fest etwas in der Rechten.

Trotzdem fuhr er unwillkürlich zusammen als etwas, das einer großen Sichel ähnlich war, aus einem der Töpfe zuckte, auf ihn zu.

„Wache!“

Als die Männer hereinstürzten, erkannten sie entsetzt den Kopf des Fürsten abseits des Körpers auf dem Boden. Noch ehe sie begriffen, zuckte erneut etwas aus dem Krug und zog sie hinein.

Naraku kicherte ein wenig und setzte sich wieder zusammen. Puppenmagie machte sich bemerkbar, dachte er, als er die Finger zusammendrückte. „Tut das weh?“ fragte er. „Ich halte dein Herz in meiner Hand. Alles im Umkreis zu töten ist an sich nichts, was ich nicht mag – aber versuche das nie wieder bei mir. Oder ich werde dich töten. Du bekommst genug Opfer, Kageroumaru. Darunter einen vorlauten Halbdämon.“

 

Auf Burg Higurashi war der Alltag eingekehrt. Inu Yasha hatte Hauptmann Nimaki sehr kurz und knapp gesagt, was er von der Besatzung des nördlichen Turms an der Pforte von Ronin hielt, und der erfahrene Samurai war heilfroh gewesen, dass es der Daimyo bei einer Entschuldigung und dem Versprechen es käme nicht mehr vor seinerseits, auf sich hatte beruhen lassen. Er würde höchstpersönlich jeden einzelnen dieser pflichtvergessenen Bande tadeln und bestrafen. Das war knapp gewesen. Als Hauptmann trug er auch die volle Verantwortung und es wäre das Recht Inu Yashas gewesen ihn schlagen zu lassen oder ihn schlicht einen Kopf kürzer zu machen. Aber er gab sich nicht dem Irrtum hin, dass das Schwäche war. Es war Nachsicht. Die Nachsicht eines in einem dämonischen Militärstaat ausgebildeten Götterenkels mit einem jämmerlichen Menschen. Ein weiterer Fehler durfte nicht passieren und er hatte sich fest vorgenommen, das jedem einzelnen seiner Untergebenen wortwörtlich einzubläuen.

Kagome hatte ihre Übungen mit Miroku und Sango im Hof des Schreins wieder aufgenommen. Unter vier Augen hatte sie ihrem Großvater von ihrer Entdeckung der eigenen Magie berichtet und er verstand, dass sie erst einmal lernen musste, das jedoch niemand mitbekommen sollte. So schloss der alte Mann die Türen zum Hof, wenn die Drei dort übten und beschäftigte sich leidenschaftlich damit den Schrein zu putzen, den Vorhof zu fegen – und alle Besucher mehr oder weniger abzuwimmeln. Niemand sollte sehen, dass Kagome dort hinten läuternde Pfeile schießen übte, Bannkreise legen – und dass auch noch im Gewand einer miko. Sie zog sich immer erst im Hof um, natürlich ohne Miroku, der es wohlweislich nicht wagte herausfinden zu wollen wie ernst dem Daimyo die Aussage mit dem Armabreißen gewesen war. Inu Yasha war durchaus konziliant und nachsichtig – aber niemand, der gesehen hatte wie sein Klauenangriff den Wurmdämon schlicht zerfetzte, hätte an seiner Kraft gezweifelt.

 

Kaum zehn Tage nach der Rückkehr des Daimyo sah sich Hauptmann Nimaki gezwungen um sofortige Audienz zu bitten. Inu Yasha war alarmiert. Was war geschehen, dass der militärische Oberbefehlshaber der Provinz nicht die morgendliche Sitzung abwarten konnte? Immerhin war es schon Nachmittag. Seine üble Vorahnung wuchs, als sich nicht nur der Hauptmann, sondern mit Waffenmeister Toyomaru auch der Befehlshaber der Dämonenkrieger, blicken ließ.

„Schön,“ sagte er schicksalsergeben. „Was ist jetzt schon wieder los?“

Beide Krieger knieten nieder und senkten die Köpfe fast bis zum Boden, ehe Nimaki gestand: „Ich erhielt vorgestern Vormittag Nachricht, dass es einen Überfall auf eine Holzfällersiedlung gegeben hat. Ich schickte sofort Samurai hin um nachzusehen und Bericht zu erstatten, wenn möglich die Wurmdämonen zu vertreiben. Das war die nächstliegende Möglichkeit, an die meine Wenigkeit dachte.“

„Und du hast vergessen, das bei der morgendlichen Sitzung zu erwähnen,“ murrte Inu Yasha prompt. Wie er es hasste wenn etwas passierte, wofür immerhin er vom Göttlichen Kaiser bis zu Dämonenfürsten verantwortlich gemacht werden würde, und er nichts mitbekam!

Nimaki schluckte trocken. „Wie erwähnt, Inu Yasha-dono, meine erbärmliche Wenigkeit hielt es für Routine. Bitte verzeiht mir Voreiligem.“

Die Ohren des Halbdämons richteten sich zuckend auf, die Augenbrauen zogen sich zusammen. Es war nur die dämonisch strikte, sachliche, Erziehung, und die Anwesenheit eines seiner Ausbilder, die ihn regungslos ließ. „Weiter.“

„Die Siedlung liegt keine Tagesreise weg von hier und ein schneller Läufer sollte in sechs Stunden hier sein. Boten haben Vorrang.“

„Keh!“ Als ob er das nicht wüsste!

Nimaki beschloss, dass das Eis immer dünner wurde, und legte die Hände flach auf den Boden, als er diesem erzählte: „Es kam jedoch niemand. So bat ich den Waffenmeister zwei Dämonen auszuschicken.“

„Toyomaru?“ Hoffentlich kam da mal was Vernünftiges.

Der Waffenmeister sah lieber ebenfalls zu Boden. „Sie fanden die Siedlung. Die Menschen, die dort lebten, oder wohl momentan als Holzfäller arbeiteten, waren alle tot, buchstäblich zerfetzt. Einer der beiden blieb zurück um die Samurai zu suchen, der Zweite erstattete Bericht. Bislang kam keine weitere Nachricht, Inu Yasha-sama. Falls ich eine Vermutung äußern darf …“

„Keine Wurmdämonen,“ sagte Inu Yasha unwillig. Die hätten sich an zwei Hundekriegern doch buchstäblich die Zähen ausgebissen. Was war denn nur jetzt schon wieder los? Oder, genauer gesagt, was hatte denn sein Schwiegervater so alles nicht mitbekommen?

„Ihr habt selbstverständlich Recht, Inu Yasha-sama.“ Dem Waffenmeister war das Aufflackern dämonischer Energie nicht entgangen. Und er kannte seinen impulsiven Schüler. „Wurmdämonen fressen Menschen, ja, aber sie fressen sie komplett. Und diese Menschen wurden, mit Verlaub, seziert. Was auch immer sie tötete, es nahm nur die Innereien. Überdies steht zu befürchten, dass auch die Samurai und der vermisste Dämon das gleiche Schicksal erlitten. Dort ist mit Sicherheit ein tödlicher Dämon unterwegs. Dürfen wir….“

„Nein!“ Inu Yasha war wütend und das zeigte er auch. Was zum… war denn in Aoi nur los? Das Gleiche wie vor fünfzig Jahren, als hier offensichtlich zwischen dieser Kikyou, dem ominösen Juwel und dem Unbekannten, der Mirokus Großvater dass schwarze Loch, das kazaana, bescherte, der Bär tanzte? Moment mal. Alle fünfzig Jahre? Hatte das was zu bedeuten? „Ich werde mich selbst darum kümmern. Aber verstärkt die Patrouillen an den Straßen. Und bei jeder menschlichen Gruppe soll mindestens ein Dämon dabei sein.“

Letzteres eine durchaus vernünftige Entscheidung, wie beide Militärs fanden. Und, dass sich der junge Daimyo selbst die Sache ansehen und regeln wollte – nun, was hätten sie schon dagegen sagen können?

 

So gelangte Inu Yasha kurz darauf in den Schrein, wo sein Schwiegeropa gerade Blüten ausstreute, bei dem Besucher allerdings herumfuhr.

„Oh, Inu Yasha-sama. Ja, Kagome ist im Hof.“ Immerhin konnte er den Daimyo ja schlecht wegschicken, zumal, wenn das der Ehemann der Enkelin war.

„Sie übt jeden Tag.“ Der Halbdämon hörte selbst, dass er irgendwie stolz klang. Ja, sie wollte lernen und sie war doch bestimmt froh darum, dass er es ihr erlaubt hatte. Sie würden sich doch anfreunden und mehr?

„Ja, Inu Yasha-sama. Sie sagte, Ihr hättet es ihr erlaubt.“ Der alte Herr Higurashi wurde unsicher.

„Ja, schon gut, ich habe es ihr gesagt. Ich gehe hinein.“ Dann allerdings blieb der Halbdämon mit zuckenden Ohren vor der Regentür zum Hof stehen. Was zum…. Er hörte gut genug, um Miroku halb stöhnend, halb seufzend zu vernehmen.

„Ja, so ist es gut, Kagome-sama, jetzt die Hand an der Stange ein wenig auf und ab bewegen. Gleich ist es soweit… Ah….“

Die Tür förmlich aufzureißen und in den Hof zu stürmen war das Werk eines Augenblicks. Draußen fuhr Sango, die zwischen dem Schrein und dem Hof stand herum und bedeutete ihm hastig leise zu sein – ehe sie erkannte, wer der Eindringling war und lieber den Kopf neigte.

Inu Yasha dagegen hörte, wie der Großvater die Tür hinter ihm zuschob, aber er starrte auf das Bild, das sich ihm bot. Miroku kniete im Sand, seinen Mönchsstab aufrecht vor sich haltend, sichtlich in tiefer Konzentration. Kagome saß ihm gegenüber, ebenfalls die Hand an der Stange, die Augen geschlossen. Und trotz allem, was er nicht von Magie verstand – gerade eben entstieg dem Stab menschlicher Zauber, bläulich hell, und schloss die Beiden wie in einer Glocke ein.

„Ja,“ freute sich die Dämonenjägerin, um gegenüber dem nun sichtlich verwirrten Inu Yasha leise zu erklären: „Es ist das erste Mal, das Kagome mit Mirokus Hilfe einen Bannkreis erschaffen konnte. Das könnte sie im Notfall beschützen.“

„Äh, ja.“ Der Halbdämon beschloss nichts weiter dazu zu sagen. Man musste sich ja schließlich nicht selbst bloß stellen. „Wenn sie fertig sind, sag Kagome, sie solle in den Privatgarten kommen. Du und der gleich dazu. Es gibt Ärger.“ Das war in der Tat ein Bannkreis an dem so mancher Dämon scheitern würde. Gut, wenn sie sich schützen konnte, oder? Warum nur hatte er gleich gedacht … Nun ja. Er dachte immer mehr an Kagome auch nachts und die Vorstellung, dass sie einem anderen geben würde, was sie ihm verweigerte, genügte, um ihn rasend zu machen. Dabei waren sie doch auf dem Weg sich anzufreunden, oder? Er sollte wohl mehr Geduld haben. Leider, und das war ihm sehr bewusst, war das definitiv keine seiner Eigenschaften. Übrigens auch die Sesshoumarus nicht, auch, wenn das bei dem vermutlich keiner glaubte.

 

So saß der junge Daimyo im Garten, als seine drei Freunde – wie er sie doch in Gedanken bezeichnete – hereinkamen. Kagome im sittsamen, wenngleich zweilagigen, Kimono, auch die Dämonenjägerin im Kleid und der Mönch ohne Stab. Eindeutig zivil. Erst, als sie sich niedergelassen hatten, erzählte er ihnen den Bericht der Militärs und schloss: „Ich werde mir die Sache mal selbst angucken.“

„Ist das nicht gefährlich?“ entfuhr es Kagome, ehe ihr bewusst wurde, dass sie soeben ihren Herrn kritisiert hatte.

Inu Yasha allerdings freute sich mehr über die Sorge in ihrem Ton. „Keh, nicht wirklich. Ich habe Tessaiga. Und ihr kommt auch mit.“

Schweigen.

„Äh…“ machte Miroku, fand gegen den Befehl eines Daimyo allerdings nicht gleich einen formell passenden Einwand.

Sango war ehrlicher, nicht zuletzt in der Erfahrung des letzten Ausflugs mit dem Halbdämon. „Da ist etwas, jemand, der eine ganze Siedlung niedermetzeln kann, offenkundig auch eine Gruppe Samurai, mag sein, alles Menschen, aber wohl immerhin auch einen kampferprobten Hundekrieger. Schön, Inu Yasha, ich habe nichts dagegen, ich mache mit. Aber, wenn du dich und uns sozusagen zum Selbstmord abkommandierst, lass doch wenigstens Kagome aus dem Spiel.“

So sprach niemand mit Vater, kein Krieger, kein Hauptmann. Seltsamerweise fühlte sich das gut an, dachte Inu Yasha. Doch, sie waren wohl Freunde, denn sonst würde die Jägerin doch davon ausgehen mit dieser Aussage ihren Kopf zu riskieren. Und er sah die Angst in Kagomes Augen. Er sollte wohl seinen Plan erklären. „Ja, genau das ist es. Da ist etwas, jemand, vermutlich ein Dämon, der eine Siedlung Holzfäller umbringt und frisst. Das kann man ja wohl kaum durchgehen lassen. Die Siedlung war sicher nicht groß, nur eben die Holzfäller,, die bis zum Wintereinbruch da arbeiten wollten. So. Samurai sind ausgebildet, aber bestimmt keine Dämonenjäger, niemand war dabei mit magischen Fähigkeiten. Wer auch immer das war wird mit solchen Leuten wie euch allen nicht rechnen. Und schon gar nicht mit mir. Aber es gibt genug so einsame Siedlungen mit recht wenig Menschen in Aoi.“ Langsam ergänzte er: „Irgendwie kommt es mir so vor, als ob da jemand Nadelstiche setzen will. Oder schon gesetzt hat, und es bloß keiner mitbekommen hat. Und, ehrlich gesagt, Kagome, da habe ich dich lieber bei mir. Ich kann dich beschützen. Ich muss euch alle schützen, auch alle Menschen da draußen, das habe ich geschworen. Und das werde ich. Entweder ihr kommt mit oder ich gehe eben allein.“ Aber dann würde er die Burg in Alarmzustand versetzen, ehe er ging. Vielleicht wollte ihn nur jemand weglocken? So wie dieses vorgebliche Gespräch mit dem dämlichen Naraku?

Kagome schluckte, sich durchaus bewusst, dass das gerade ein ziemliches Kompliment für sie gewesen war. Und sie hatte ihm ja schon einmal helfen können. „Ich komme mit. Ich habe ja heute gelernt wie ich so einen Schutzkreis hinbekomme. Und gegen Naraku habe ich immerhin auch was zustande gebracht. Aber ich lasse dich doch nicht im Stich!“ Das ehrliche Lächeln ihres Ehemannes durchfuhr sie wie ein Hitzschlag. Das war es, was er von seiner Frau erwartete? Bei ihm zu sein, was immer käme? Ja, irgendwie hatte das auch so in ihrer Ausbildung gelautet, aber da war eigentlich nie von Dämonenjagd die Rede gewesen, soweit sie sich entsann. Trotzdem – die Erinnerung daran, wie sie auf ihren Vater gewartet hatten, vergebens, Mamas Tränen.. nein, das wollte sie nicht durchmachen. Lieber dabei sein, etwas tun können. Seltsamerweise wurde ihr zum ersten Mal in ihrem Leben klar, dass sie nicht der Typ war, der die Hände in die Kimonoärmel schob, wenn es etwas gab, was man auch tun konnte.

Der Mönch hätte einige Einwände gehabt, wollte jedoch nicht hinter zwei Frauen zurück stehen. „Natürlich komme ich mit.“

Inu Yasha atmete innerlich auf. „Gut. Dann brechen wir morgen früh auf, so wie das letzte Mal. Umziehen kannst du dich dann später, Kagome. Der Überfall ist übrigens keine sechs Stunden von hier weg, da sind wir gut gegen Mittag, frühem Nachmittag da.“ Ziemlich nahe an der Burg. Hatte da jemand keine Ahnung oder war dem das gleich? Oder wollte der ihn wirklich provozieren?

 
 

Doppelbelastung


 

A

ls Inu Yasha in einem lichten Wald stehen blieb und leise meinte sie solle absteigen, gehorchte Kagome sofort. Zum Einen war es sowieso sehr nett, dass er sie trug, zum Zweiten, nun ja, er war ihr Ehemann und sie ihm Gehorsam schuldig. Daher wich sie auch etwas zurück und beobachtete nur, wie er die Nase in den Wind hob. Irgendwie sah er dann so harmlos aus, ja, niedlich, weil gleichzeitig die Öhrchen zuckten. Aber, obwohl es sie reizte ihn da wieder anzufassen – niemand berührte einen Daimyo ohne dessen Erlaubnis, korrekter, ohne von diesem dazu aufgefordert zu werden. Das konnte mit Schlägen von Bambusrohren auf die vorwitzigen Finger bestraft werden, bis sie bluteten – aber auch eine Ohrfeige wollte sie sich nicht einhandeln, was definitiv als mildestes Erziehungsmittel galt. Nicht von jemandem, der einen ganzen Wurmdämon buchstäblich mit einer Handbewegung in Fetzen reißen konnte. Was hatte er nur? Er prüfte die Luft, das wusste sie aus Erfahrung. Nun ja, halber Hundedämon.

Er sah sich um. „Kagome, bleib hier, Sango, pass auf sie auf. Miroku, du kommst mit mir.“

Während seine Ehefrau etwas irritiert guckte, nickte die Dämonenjägerin nur. „Es mag dauern, oder?“

„Ja.“

Nachdem beide Männer im Wald verschwunden waren, ließ sich Kagome noch immer ein wenig ratlos nieder, legte jedoch Köcher und Bogen neben sich. „Was war denn jetzt los?“

Sango ließ ihren großen Bumerang neben sich fallen und die wieder kleine Kirara auf ihren Schoß. „Ich vermute, wir sind schon recht nahe an der überfallenen Siedlung.“ Ihre Nekomata hatte beim Absetzen den Kopf in einer Weise gewandt, die sie kannte. Tote vor ihnen, ein Dämonenüberfall.

„Ja…? Ah. Vielleicht kann man da etwas finden, eine Spur des Verursachers.“

Die Dämonenjägerin lächelte ein wenig nachsichtig. Die junge Fürstin gab sich sichtlich Mühe allen Einfällen ihres Eheherrn nachzukommen, aber da fehlte die Erfahrung, die Ausbildung. „Ja, kann man. Aber vor allem werden da sehr viele, sehr unschöne, Tote herumliegen. Erinnere dich, es hieß, da seien nur die Innereien gefressen worden. Das wollte dir unser lieber Daimyo nicht zumuten.“

Kagome würgte instinktiv. „Das ist … nett, dass er daran dachte. Ja, da wäre mir wohl schlecht geworden. Sie gucken also nach und…“

„Und werden sie wohl beerdigen. Immerhin kann ihnen Miroku noch einen Segen auf ihre Reise mitgeben. Schau, auch die Samurai sind verschwunden und auch der eine Hundekrieger. Die haben sie bestimmt nicht beerdigt.“

„Jetzt komme ich mir richtig dumm vor.“

„Unerfahren. Du hast nie eine Ausbildung in Strategie oder militärischem Denken bekommen.“

„Du schon und Inu Yasha auch, aber Miroku nicht, oder?“

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Bedenke, dass sein Vater, sein Großvater, ja seit Jahrzehnten nach diesem Verursacher suchten und er in der Nachfolge ausgebildet wurde. Ein bisschen was war da sicher auch dabei. Oder hat er sich selbst auf seinen Streifzügen durch Japan beigebracht. Da muss er manches Mal in Gefahr gewesen sein.“

 
 

In der Holzfällersiedlung sah es in der Tat übel aus. Die armseligen Sommerhütten zerstört, alle zweiunddreißig Männer tot, manche hatte sogar noch es geschafft zum Beil zu greifen, um sich zu verteidigen, vergeblich.

Miroku holte tief Atem hinter seinem Ärmel um den süßlichen Geruch des Blutes und des Todes hier besser zu vertragen, ehe er sich einen Schal über das Gesicht zog. „Das ist kein Schlachtfeld, sondern ein Massaker. Sie hatten keine Chance.“

Der Halbdämon suchte noch immer eine Spur. „Dämon. Der Geruch ist eigenartig. Und von diesem ganzen Tod und Blut gut versteckt. Wenn der Kerl auch nur den Verstand eines Kaninchens hat, hat er sich gewaschen so dass man ihn nicht wieder erkennen kann. Komm, begraben wir sie. Ich war für sie verantwortlich und konnte sie nicht schützen, Aber irgendjemand wird hierfür teuer bezahlen. Ich lege da drüben die Gräber an. Kannst du sie rüber tragen?“

„Ja, ich habe schon mit Toten gearbeitet, Inu Yasha-sama.“ Lieber höflich bleiben. Dem Mönch entgingen die zusammengezogenen Brauen nicht. Inu Yasha war zornig auf diesen Dämon, der ihn sein Wort brechen ließ. Und das würde ein Nachspiel haben. Wusste das der Unbekannte nicht oder war es ihm gleich? Oder war das genau beabsichtigt?

 

Als die Reihe voll lag und Inu Yasha die Gräber in deutlicher Hundemanier schloss, setzte Miroku, der dazu lieber schwieg, provisorische Gedenksteine und segnete sie. Dabei meinte er: „Kann das sein, dass sie dich von der Burg holen wollten? So allein?“

„Keh. Erstens bin ich nicht allein, sondern habe euch dabei und spätestens Naraku sollte wissen, dass ihr was drauf habt. Und zum Zweiten – nein, ich bin nicht so doof und renne blindwütig los. Die Burg ist in Alarmbereitschaft. Gründlicher als gründlich, wie es Hauptmann Himaki und Burgvogt Kagawa beteuert haben.“ Bei Hunden hätte er behauptet, sie wären nicht nur flach auf dem Boden gelegen, sondern hätten auch noch ihre Schwänze unter den Bauch gezogen.

„Denen geht der Allerwerteste auf Grundeis, würde ich sagen. Drei Fehler pro Woche sind tödlich, so in aller Regel.“

„Ja. Komische Spuren hier. Ein oder zwei Dämonen, ja, die können schon so was anstellen. Aber wieso sind manchmal zwei und manchmal nur eine Spur da? Kann der eine fliegen?“ Und, was sollten diese Löcher im Boden? Fehlgeschlagene Angriffe?

„Vielleicht waren sie zu unterschiedlichen Zeiten da, der Kleinere als Spion und als der Große zuschlug, nahm er mit am … am Fressen teil und zog sich dann gemeinsam wieder mit dem Partner zurück.“

„Wenn ich nicht genau wüsste, dass Naraku nicht in Aoi sein kann, weil sonst er richtig Ärger mit dem Kaiser und den anderen Dämonenfürsten bekommt…“

„Du magst ihn nicht und würdest ihm gern alles, was schief geht, anlasten. Das ist aber kaum sehr professionell als Daimyo.“

„Wenn es geht würde ich ihm den Mord an Schwiegervater und Ehefrau anhängen, den Mord am eigenen Sohn, das sollte doch schon mal reichen. Nur, keine Beweise. Vielleicht macht er mal einen Fehler. Komm, gehen wir zurück. Hier haben wir nichts mehr verloren.“

 

Kagome sah bei ihrer Rückkunft, dass sich beide Männer erst einmal die Hände in einem Bach wuschen und atmete tief durch. „Alle tot?“

„Alle zweiunddreißig Holzfäller, ja.“ Inu Yasha knurrte es. „Und man muss noch dankbar sein, dass weder Frauen noch Kinder dabei waren, es ein reines Arbeitslager war um im Sommer sich den Heimweg zu sparen. - Suchen wir mal meine Samurai und Vaters Krieger. Im Zweifel haben sie sich den Zweien in den Weg gestellt. Und zumindest der Größere, den Spuren nach zu urteilen, ist verflixt schnell. Sicher ein Dämon.“

Aber sie fanden nichts, genauer, Inu Yashas Nase fand nichts, und so kehrten sie zu der Straße zurück, die unter ihnen nach einem kleinen grünen Abhang den befestigten Weg erreichte.

„Pause,“ meinte Inu Yasha, nach einem kurzen Blick zurück. „Kagome, du solltest sagen, wenn es nicht mehr geht.“

Das war nett, aber auch peinlich, dachte sie. „Ja, danke, aber ich will ja auch nicht, dass du aufgehalten wirst durch mich.“

Bevor er seine Meinung dazu, sie sei eine dumme Gans, aussprechen konnte, stand er auf. Entlang des Weges raste ein Wirbelwind und er sprang vor. „He, Kouga!“ Niemand war so schnell wie der. Aber eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass der Erbe der Wölfe das Sommerlager massakriert hatte.

 

Der Wolfsdämon hielt inne. So hatte er sich nicht getäuscht, dass es hier nach Hund stank. Nein, er konnte Hundedämonen nicht leiden, war allerdings nicht so verrückt gewesen das damals bei dem Besuch mit Vater im Westen vor dem Inu no Taishou oder auch Sesshoumaru zu zeigen. Großvater hätte ihn bestenfalls einen Kopf kürzer gemacht und den als Entschuldigung wieder in den Westen geschickt. Der Bastard des Fürsten von Nishi war da etwas anderes gewesen – den konnte man ärgern und das hatte das eine oder andere Mal auch in einer Prügelei geendet. Nichts, was sie sich gegenseitig viel sympathischer gemacht hatte. Aber, das gab Kouga zu, der Kerl konnte etwas einstecken, so als Halbmensch. „Ach, Inu Yasha,“ tat er überrascht. Immerhin wusste er nur zu gut, dass der der neue Daimyo hier war – schließlich hatte er von seinem Großvater, dem Fürsten von Mijavi, zwei Botschaften mit auf den Weg bekommen. „Ich hätte dich in deiner neuen Burg erwartet.“

„Weißt du, Vollidiot, ein Daimyo hat ziemlich viel um die Ohren.“ Da der Halbdämon langsam zu der Straße hinunter ging, folgten ihm seine Freunde. So meinte er: „Leute, das ist Kouga, der Enkel des Wolfsfürsten von Mijavi. Und, was treibt dich her, Wölfchen?“

Kagome starrte den Wolfsdämon an. So einen Dämon hatte sie noch nie gesehen. Die aus dem Westen, auch ihr Schwiegervater, hatten immer vollständig Rüstung getragen. Der hier trug Fellstreifen um Handgelenke und Fußknöchel, dazu einen recht kurzen Fellrock, aus dem ein, ja, ein eindeutiger Schwanz ragte. Um die kaum metallbedeckte Brust und die Stirn lag ebenfalls Fell. Kein Metall, aber sehr viel Haut spannte sich über definierten Muskeln und sie spürte, wie sie rot wurde. Eine Färbung, die sich nur vertiefte, als der Dämon plötzlich wie aus dem Boden gewachsen vor ihr stand und ihre Hand fasste.

„Ich wäre schon früher nach Aoi gekommen, wenn ich gewusst hätte, was es hier für schöne Frauen gibt, miko.“

Im nächsten Moment taumelte er zurück. Inu Yasha hatte ihm einen Fausthieb gegen das Kinn verpasst und stand zwischen den beiden.

„Lass ja die Finger von meiner Frau, du dämlicher Wolf!“ knurrte er, die Rechte bereits am Schwertgriff.

Trotz aller Abneigung gegen Hunde und schon gar Mischlingen war Kouga nicht töricht. Es war eine Sache den Bastard des Westfürsten zu nerven, wenn man selbst mit seinem Vater dort zu Gast war und der nichts weiter unternehmen konnte, nichts ernstes zumindest, ohne den Herrn der Hunde bis auf die Knochen zu blamieren – und eine Zweite, wenn der Kerl inzwischen der Herr einer menschlichen Provinz war und nur dem Kaiser verantwortlich. Noch dazu, wenn der die Tugend seiner Ehefrau beschützen wollte. Sein Großvater würde sich, sollte es dem Idioten aus purem Zufall gelingen ihn umzubringen, nur höflichst beim Kaiser entschuldigen und bei dem Herrn des Westens gleich dazu. So hob er nur beide Hände. „Schon gut. Sie hat ja kein Schild um den Hals… Und woher sollte ich wissen, dass du deiner Ehefrau erlaubst als Schreinjungfrau herumzulaufen?“ Mehr um abzulenken, denn er sah sehr wohl, dass der Daumen seines Gegenübers bereits die Schwertsicherung zurückschnappte: „Allerdings glaube ich dir gerne, dass hier einiges zu tun ist. Ich traf da gestern auf einen eigenartigen Typen. Naja, zwei.“

Inu Yasha ließ Tessaiga los, während sich seine Ohren aufrichteten. Mist, dass Kouga schlau genug war gleich den Punkt zu treffen. „Schon mal was von Tarnung gehört, Wölfchen? Muss ja nicht jeder wissen, dass meine Ehefrau läutern kann und mit mir durch die Gegend rennt.“ Und, Sekunde mal. „Zwei Dämonen?“

„Wenn ich das wüsste. Wie gesagt, eigenartig. Suchst du sie? Darum auch mit so geistlichem Personal? Naja. Es war hier auf der Straße und ich kam gerade durch den Wald, wollte eigentlich auch mal Pause machen. Da kam dieser eine Kerl, er zog einen verhüllten Wagen hinter sich her. Und irgendwie war der eigen. Die Witterung, die Kleidung. Jedenfalls konnte ich sein Gesicht nicht sehen, denn er hatte eine Art Umhang an, das Gesicht hinter einer Knochenmaske eines Affen versteckt, darüber eben einen Umhang so in blau-grau, vermutlich auch ein Affenfell.“

„Was?“ brachte Miroku hervor.

Kouga war mit seiner Wirkung zufrieden. „Ihr sucht ihn wirklich? Jedenfalls, als er mich sah, ließ er den Wagen los und lüftete etwas die Decke. Das war ein Käfig und darin hockte ein weißhaariger Dämon, mit Ketten gefesselt und vor dem Mund einen metallenen Knebel. Und dieser Kerl war wirklich unheimlich. Ich habe solche Kälte gespürt… Nicht meins. Ich habe von Großvater einen Auftrag und soll mich nicht umbringen lassen. So lief ich lieber weg von diesem komischen Duo.“

„Ach, hatte das Wölfchen Angst?“ kam es sofort von dem jungen Daimyo.

„Angst? Blödsinn. Aber ich weiß, wann ich wo nichts verloren habe. Wie gesagt, ich habe Auftrag von Großvater. Komische Typen in Aoi sind dein Problem, Hundi!“

„Da hast du ausnahmsweise vollkommen recht. Und, wenn das stimmt, was du erzählst, haben diese Zwei da hinten ein komplettes Menschendorf auf dem Gewissen. Weißt du, wohin sie sind?“

„Nein.“ Kouga sah ein, dass das etwas war, dem ein Daimyo nachgehen musste und blieb sachlich. „Ich bin weg und habe dann die Nacht woanders verbracht. Jetzt war ich gerade auf dem Weg zur Burg. Diese Zwei und deren Geruch habe ich nicht mehr wahrgenommen.“

„Der Fürst von Mijavi schickt seinen Enkel zu mir?“ erkundigte sich Inu Yasha, jetzt ehrlich erstaunt.

„Nicht wirklich. Ich bin auf dem Weg in den Westen, aber wenn ich hier schon durch Aoi muss, sollte ich dir Großvaters Glückwünsche zu deiner Ernennung ausrichten. Macht man so, ist höfliche Politik.“

„Das weiß ich auch, du Trottel. Na, da wir uns hier schon getroffen haben, muss ich dich wohl zur Übernachtung einladen. Und dann kannst du heute Abend mal mir und Miroku erzählen, was du sonst noch so alles über diesen komischen Pavian herausbringen konntest.“

„Der hat wohl einiges auf dem Kerbholz?“ Kouga wusste, dass er solche Einladung nicht ablehnen durfte, ohne dass das als Unhöflichkeit des Wolfsfürsten gegenüber einem kaiserlichen Lehnsmann ausgelegt werden konnte. Ein heikles Feld, das durchaus einen nächsten großen Krieg bedeuten konnte. Vor allem, wenn sich dieser Halbhund an die Höflichkeit gehalten hatte. „Ja, gern. - Solange du nicht fragst, was Großvater von deinem Vater will.“

„Halt mich nicht für so dämlich wie dich!“ fauchte der Halbdämon prompt.

Kagome beschloss einzugreifen, Immerhin war sie doch dann wohl die Gastgeberin. „Ich freue mich, Kouga. Wollt Ihr ein Bad nehmen?“ Wie redete man nur einen Enkel eines Dämonenfürsten an? -sama war vermutlich nicht mehr in Ordnung, oder doch? Inu Yasha war jedenfalls dem gegenüber schrecklich unhöflich. Andersherum allerdings auch. Sie schienen sich zu kennen – und nicht zu mögen. Warum nur? Der Wolf sah doch nicht schlecht aus und lächelte sie gerade auch sehr freundlich an.

„Vielen Dank für die Einladung auch Euch.“ Nur schön höflich bleiben. Oha, das war ja eine Dämonenjägerin mit einer Nekomata. In Aoi schien so einiges los zu sein, wenn sich Inu Yasha solche Unterstützung gesucht hatte. Oder gestellt bekommen hatte. Dann wollte der Herr von Nishi den nicht abschieben, sondern der Kaiser hier mal Ordnung schaffen? Vielleicht gab es etwas zu erfahren. Großvater wäre begeistert, wenn er nicht nur die Höflichkeit wahrte, sondern auch echte, neue, Informationen liefern konnte. So machte er den Satz neben Inu Yasha. „Daimyo, also. Hätte ich nicht erwartet, Halbhund.“

„Denken war auch noch nie deine Stärke, Wölfchen. Komm schon.“

 

Kagome, die durchaus nicht leichtfertig genug war sich wieder neben ihrem Ehemann einzureihen, wenn der Enkel eines Dämonenfürsten dabei war, lief hinter den beiden, Sango war neben sie gekommen, während Miroku den Abschluss machte. Die junge Fürstin betrachtete noch einmal die beiden Männer vor sich. Eindeutig mochte Kouga Inu Yasha nicht und andersherum. Warum nur? Sie sahen doch beide nicht schlecht aus, waren eindeutig Krieger mit Schwertern im Gürtel, aus adeliger Familie. Sie sollten doch … nein, genau das waren sie nicht. Gleichrangig. Der eine war ein Fürstensohn, mochte er auch ein Halbblut sein. Und der andere ein vollblütiger Dämon, aber eben nur der Enkel eines Fürsten und damit eine Stufe im Rang niedriger. War es das, was Kouga wurmte? Und was wiederum Inu Yasha ärgerte, der ja daraus nur ablesen konnte, dass er als Halbmensch für einen Dämon eben auch nur halb wert war? War das, was sie für Impulsivität und manchmal auch überflüssige Aggressivität hielt, einfach die Tatsache, dass er unter Dämonen nur halb galt? Aber warum? Er war doch auch halb ein Mensch… ja. Und sie mochte nicht viel Ahnung haben, aber sie hatte gerade den Eindruck als ob die Angst, die Menschen vor Dämonen hatten umgedreht eine gewisse Verachtung von Dämonen gegenüber Menschen war. Und jemand, wie ihr Ehemann das als zwischen den Arten Stehender von allen Seiten voll abbekam. Nun, nicht voll. Er war ein gebürtiger Fürstensohn, das mochte ihn vor den übelsten Attacken geschützt haben. Aber, wie mochte es dann anderen ergehen? Vielleicht sollte sie in einer ruhigen Minute Inu Yasha mal danach fragen? Würde er wütend werden und sie strafen? Das Recht und die Macht dazu besaß er ja. Oder, würde er verstehen, dass sie nur versuchte ihn zu verstehen? Vielleicht sollte sie zuvor mit Mama reden? Gab es da nicht einen anderen Halbdämon, von dem sie schon mal gehört hatte? Sie verlor sich in ihren Gedanken und achtete bei weitem nicht mehr so auf ihre Umgebung, wie die anderen in der Gruppe es taten.

 

So zuckte sie erst zusammen, als sie Kouga über ihrem Kopf sah, Sango sie beiseite riss – und sie erkannte, dass der Wolfsdämon mit den Füßen voran etwas Weißes getroffen hatte, das sich an den Rand der Lichtung zurück zog.

 

Inu Yasha kam heran, die Hand am Schwert. „Mann, wie ich das hasse mich bedanken zu müssen, aber ich denke du Vollidiot von Wolf hast sie gerade gerettet. Also, danke.“

Kagome sah sich verwirrt zu der Dämonenjägerin um, die sie mit dem Rücken zu einem gigantischen Baum neben sich gezerrt hatte. „War ich in Gefahr?“ flüsterte sie.

Sango sparte sich die Antwort, sondern guckte nach dem Weißen. Es handelte sich eindeutig um einen Dämon, weiße Haare, insgesamt sehr hell. An dem, was wohl Hände sein sollten, trug er sensenartige Klingen.

 

Kouga atmete tief durch. Der Unbekannte war um ein Haar seiner Attacke ausgewichen – etwas, das ihm wirklich noch nie passiert war. Überdies hatte er den Tritt eines doch recht hochrangigen Wolfs einfach so weggesteckt. Und irgendwie war der Kerl auch sonst mehr als eigenartig. Unheimlich. Ja, das war doch der Typ, der in dem Käfig gesessen hatte, gefesselt und geknebelt? Jetzt war er frei. Was wohl aus diesem Affen geworden war, der den begleitet hatte und den offenbar der Halbhund und seine Bande suchten? Egal. Der hatte gerade jemanden angegriffen, der sich in seiner, Kougas, Begleitung befand. Schon das war schlichtweg unerhört! Er machte ohne jede Andeutung abermals einen weiten Satz und drehte sich noch in der Luft seitwärts, um den Angreifer mit einem erneuten Fußtritt, diesmal härter, zu treffen Zu seiner unangenehmen Überraschung wich der Fremde wieder aus, ja, verpasste ihm im Vorbeiflug noch Verletzungen an den Unterschenkeln durch die messerscharfen Klauen. Das tat nicht nur weh. Solche kleinen Verletzungen würden ihn natürlich nicht aufhalten, aber mehrere davon würden ihn doch langsamer machen. Er landete fast neben Inu Yasha, der sein riesiges Schwert in beiden Händen hielt. Worauf wartete der dämliche Köter denn? Und, was machte dieser Mönch denn da? Einen Arm ausgestreckt, mit der anderen Hand an der Kette, schien der auf den Unbekannten zu zielen, aber der hatte sich eindeutig rasch schon wieder bewegt. Der Wolf fühlte sich nur an der Kehle gepackt und wortlos beiseite geworfen – etwas, das ihm auch schon lange nicht mehr widerfahren war, und rollte sich ab.

Inu Yasha dagegen keuchte auf, als er ohne es gesehen zu haben, einen Krallenhieb quer über das Gesicht bekam und nur spüren konnte, wie sein eines Auge zuschwoll. Kagome! Er fuhr herum, gerade noch rechtzeitig, um mitzubekommen, dass die Dämonenjägerin in Verteidigung ihren riesigen Bumerang auf den Gegner geworfen hatte – und den buchstäblich um Meter verfehlte. Auch Miroku tat sich sichtlich schwer zu zielen. War dieser Fremde schnell! So etwas hatte er wirklich noch nie gesehen und er hätte gedacht mit Vater und dem nicht ganz so lieben Bruder doch so einiges an Tempo zu kennen. Auch Kougas nächster Angriff ging ins Leere, dafür wurde der Wolfsdämon erneut an den Beinen verletzt. Und er selbst tat sich hart mit Tessaiga zu zielen. Ein bisschen Zeit benötigt er doch und … Verflixt, was war denn jetzt los? Hatte dieser weißhaarige Idiot seinen Arm verloren? War der doch durch Kouga verletzt worden? Im nächsten Moment erfasste der junge Daimyo, dass sie jetzt zwei Gegnern gegenüber standen. „Miroku, Sango beschützt Kagome!“ befahl er schlicht. Der zweite Unbekannte war im Gesicht das Ebenbild des ersten, allerdings deutlich kleiner. Allerdings waren auch seine Klauen Sensen sehr ähnlich. „Keh!“ Zwei von der Sorte. Aber, wo kam der denn so plötzlich her? Instinktiv sprang er zwischen seine Begleiter und die Angreifer.

Der Neuankömmling stützte seine Klauen fast nachlässig auf die Erde. „Na, so eine Überraschung. Der Daimyo von Aoi samt Begleitung und die kleine miko. Wie amüsant.“

„Was soll der Blödsinn? Habt ihr etwa das Dorf überfallen?“

„Dorf? Oh, ja, wenn man Hunger hat… Aber, wir wollen doch noch die letzten Höflichkeiten wahren. Mein Name ist Kageroumaru. Ich habe ein wenig im Magen meines Bruders Juuroumaru geschlafen. - Und er wird euch nun töten, während ich mir die kleine miko vornehme.“

Kagome keuchte unwillkürlich auf.

„Träum weiter!“ Inu Yasha hob Tessaiga. „Niemand wird hier gefressen, du Trottel!“

„Dazu bist du zu langsam!“ Kageroumaru versank ohne jede Mühe buchstäblich in der Erde.

Inu Yasha hatte sich nur auf ihn konzentriert und erkannte gerade noch dass Juuroumaru jetzt auf ihn zuschoss und Kouga sich bereits im Anflug befand. Er zuckte gerade noch zurück, als ein Tritt des Wolfsdämonen den Angreifer meterweit beiseite schleuderte. Kagomes Aufschrei ließ ihn herumfahren, zumindest wollte er das, als ihn ein fürchterlicher Schmerz förmlich durchfuhr. Irgendwie erkannte er, dass etwas Weißes ihm buchstäblich durch den Leib geschossen war. Kageroumaru landete vor ihm und sah fast genüsslich dabei zu, wie er Blut spuckte.

„Dein Magen schmeckt wirklich gut,“ konstatierte er.

Sein Magen? Der Halbdämon begriff, was er da spürte und warum es so weh tat. Das war nicht gut. Ganz und gar nicht, zumal gerade auch der andere, dieser Juuroumaru erneut Kouga angriff.Sie waren hilflos gegen diese Zwei.

 

 
 

Wolfsbote


 

I

nu Yasha!“ Kagome schrie es verzweifelt, als sie den unheimlichen kleinen Dämon wortwörtlich durch den Körper ihres Ehemanns fliegen sah, aus dessen Mund ebenso Blut schoss wie aus dem Bauch. Sie wollte hinlaufen, fühlte sich jedoch rechts und links von ihren Begleitern gehalten. Ihre Freunde nahmen die Anweisung sie zu beschützen wörtlich. „Ich muss...“

„Diese Mistkerle sind einfach zu schnell,“ erklärte Miroku, der wie nebenbei auch einen deutlichen Schubser abbekommen hatte, und nur zu deutlich die Prellungen auf dem Rücken verspürte, die ihm der Aufprall auf dem Baum verschafft hatte. „Inu Yasha, der ist schon wieder in der Erde!“

Ja, dachte der Halbdämon in einer seltsamen Mischung aus Besorgnis und Kampfbereitschaft. In der Erde. Das erklärte jedenfalls auch die seltsamen Löcher in dem Holzfällerlager. Und gegen die Zwei hatten Menschen doch keine Chance, wenn schon er und der schnelle Wolf so idiotisch aussahen. „He, Kouga, wo ist der hin?“

Der Wolfsdämon drehte den Kopf. „Keine Ahnung, aber ruh dich nur aus. Dieser Juuroumaru hockt da nur dämlich rum und ist allein. Dann gibt es eine Chance. Den schaffe ich allein“

„Blödmann, Kageroumaru taucht gleich wieder auf.“ Und irgendwie war ihm Tessaiga noch nie so schwer erschienen wie jetzt. Wurde er etwa müde? Schlappmachen kam gar nicht in Frage, wenn hinter ihm Kagome und seine Freunde waren.

„In der Erde!“ keuchte Sango und begann hektisch an einer Schulterklappe ihrer Dämonenjägerkleidung zu zerren. „Miroku, ich brauch deinen Stab, schnell!“

„Hast du einen Plan?“ Aber der Mönch reichte ihn ihr und beobachtete ebenso erstaunt wie Kagome, dass die Jägerin die Spitze in eine Dose steckte und drehte.

Hastig erklärte sie, sicher, dass Halb – und Wolfsdämon das hören konnten: „Er versteckt sich in der Erde und greift aus dem Hinterhalt an. Das Gift wird ihn aus dem Boden vertreiben. Dann muss er raus!“ Sie warf den Mönchsstab wie einen Speer und er bohrte sich in die Erde.

„Das wird ja alles rot!“ stellte Kagome das Offensichtliche fest, ehe ihr etwas wie ein Quietschen entkam.

Keuchend und sichtlich nach Luft ringend schoss Kageroumaru aus dem Boden. Nur, um im nächsten Moment einem Angriff von Kouga auszuweichen und schon wieder weg zu sein.

„Verdammt, ist der flink,“ murrte der Fürstenenkel und sah sich suchend um. Seine Beine waren zerkratzt und ihm war bewusst dass er ein wenig langsamer geworden war. Aber unter den Augen des Köters würde er sicher nicht aufgeben – und schon zwei Mal nicht, wenn der mit einem Loch im Bauch noch immer herumstand, wenngleich sichtlich Probleme hatte, sein riesiges Schwert zu schwenken. Wo versteckte sich der Kerl nur wieder? Gleich. Der Große hockte da am Waldrand als ob ihn das alles gar nichts angehen würde. Die Haare verbargen zwar sein Gesicht, aber der hatte sich in den letzten Minuten auch nicht eingemischt. War der Kleinere etwa der Denker und der nur hirnlose Masse, wenngleich schnell? Dann musste er ihn jetzt erledigen, ehe der Bruder wieder aufkreuzte. Mit Inu Yasha brauchte er schließlich nicht mehr zu rechnen. Das war ein Halbmensch und ein Köter noch dazu. So rannte der schnelle Wolf auf Juuroumaru zu.

 

Komisch, dachte gleichzeitig Inu Yasha. Wohin war nur dieser Kageroumaru? Ein hektischer Blick zurück zeigte ihm, dass der schon mal nicht bei Kagome und den anderen war. Wittern konnte er nichts, sein eigenes Blut verhinderte das gründlich. Wo steckte der nur? Aus der Erde hatte ihn Sangos Plan ja wohl vertrieben, vielleicht nicht für lange, denn das Rot begann zu schwinden, aber immerhin. Wo also war … Mist! „Kouga, du Idiot, das ist eine Falle!“ brüllte er und hob Tessaiga. „Verschwinde, sonst mach ich dich auch kalt!“ Kageroumaru hatte doch gesagt, er habe im Magen seines Bruders geschlafen. Hörte sich das schon mal eklig an – schließlich käme er nie auf die Idee das bei Sesshoumaru zu versuchen - so bedeutete das ja wohl auch, dass der da nach Belieben ein und aus ging. Und, wo konnte der sich besser verstecken?

 

Im nächsten Moment geschah alles gleichzeitig. Kouga flog förmlich auf Juuroumaru zu, er war zu einem tödlich gemeinten Tritt abgehoben. In diesem Sekundenbruchteil hob der Dämon den Kopf und etwas wie ein eisiger Wind schien aus seinem Mund zu schießen, der sich rasch als Kageroumaru entpuppte, der mit einem Kichern die Sicheln nach dem Wolfsdämon ausstreckte.

Mist, dachte der nur.

„Kaze no kizu!“ rief Inu Yasha mehr aus Gewohnheit als noch besonders gut schreien zu können. Aber die Windnarbe donnerte auf das ungleiche Trio zu.

„Was?“ dachte Kouga noch, ehe es ihm buchstäblich um ein Haar gelang der über ihn hinweg rasenden Dynamik auszuweichen und er schwer auf den Boden prallte.

„Das ist erledigt!“ meinte Miroku, der in dem hellen Leuchten dämonischer Energien noch gesehen hatte, wie es die beiden Angreifer förmlich zerfetzt hatte. „Na, dieser Attacke will ich nicht gegenüberstehen.“

 

Kagome, die trotz aller Angst in Sorge um ihren Halbdämon den Bogen von der Schulter gezogen hatte, hängte ihn wieder über, ohne die Blicke von dem Daimyo zu lassen, der sichtlich müde und blutverschmiert sein Schwert in die Scheide schob.

Kouga war schon auf den Beinen und kam zu ihm. „Sag mal, du dämlicher Köter, was sollte das? Wolltest du mich etwa auch umbringen? So als Kollateralschaden?“

Inu Yasha hätte gern etwas dazu gesagt, das sicher nicht sonderlich freundschaftlich geworden wäre, aber nun, da die Gefahr vorbei war, ließ auch sein Wille nach und er brach in die Knie, keuchend.

Kagome war heran und kniete neben ihm nieder, legte besorgt den Arm um ihn – nicht ganz erlaubt, aber medizinische Hilfe war offensichtlich von Nöten.

„Keh,“ machte der Halbdämon auch nur, der das nett aber sinnlos fand. „Das vergeht schon, ich bin kein Mensch. - Und wenn dieser dämliche Wolf nicht dauernd im Weg gestanden hätte, wäre es auch schneller gegangen.“

„Wer von uns hat sich denn halb umbringen lassen,“ gab Kouga prompt zurück. „Und dann mal eben so beiläufig auch mich!“

Das sah aus, als ob das mindestens eine Prügelei, wenn kein Duell geben würde, um so lächelte Kagome beruhigend. „Oh, ich bin überzeugt, Inu....der Daimyo wusste genau, wie schnell Ihr seid und dass Ihr diesem Angriff entgehen könnt.“

„Außerdem...“ Besagter Daimyo rieb sich über das verletzte Auge. „Könntest du dich auch bedanken. Immerhin hätte dieser Kageroumaru dich ziemlich zugerichtet, wenn ich nicht zugeschlagen hätte. Jetzt lass mich, Kagome! Ich bin kein Mensch!“

Sie gehorchte nur widerwillig. Sein Gesicht sah ziemlich zerschunden aus und auf seinem Bauch zeigte sein rotes Gewand einen geradezu riesigen Blutfleck. Aber, vermutlich hatte er sogar recht. Kein Mensch mit so einer Verletzung wäre noch am Leben und konnte sich auch noch unterhalten.

Er warf einen Blick zurück. „Alles in Ordnung bei euch? Kirara hat auch nicht eingegriffen?“

„Sie weiß, was sie nicht kann,“ erklärte Sango etwas beleidigt. „Und diese Zwei waren mehr als schnell. Und sehr unheimlich. Von so jemandem habe ich noch nie gehört.“

„Ich auch nicht.“ Miroku hatte seinen Stab wieder in der Hand. „Und ich bin ziemlich weit herumgekommen.“

„Sicher keine normalen Dämonen.“ Kouga dehnte sich ein wenig und überprüfte damit seine Beweglichkeit. „Hier in Aoi scheint ja einiges los zu sein. Kein Wunder, dass du dich nicht langweilst, Hundi.“

Inu Yasha raffte sich auf, bemüht nicht als schwächer als der Wolf dazustehen. „Ja. Man ist als Daimyo gut beschäftigt. - Gehen wir zurück zur Burg. Du bist mein Gast, Wölfchen und darfst sogar mit mir baden.“

„Danke,“ sah sich Kouga gezwungen zu erwidern. Das war das Äußerste an Gastfreundschaft – wenn man davon absah, dass der Köter sicher wusste, dass Wölfe nicht annähernd so gern wie Hunde badeten. Das machte der doch mit Absicht! Na schön, der konnte sicher ein Bad gebrauchen und vermutlich neue Kleidung.

 

Im Schloss des Fürsten von Ayama betrachtete Naraku nachdenklich die beiden Aschehäufchen, die bis vor Kurzem noch die Herzen seiner zwei neuesten Abkömmlinge gebildet hatten. Juuromaru und Kageroumaru waren unzweifelhaft nicht mehr auf dieser Welt. Da er ihnen den Auftrag gegeben hatte den Daimyo von Aoi umzubringen und Kagome zu ihm zu schaffen, musste nicht nur etwas schief gelaufen sein, sondern die Zwei, so schnell und tödlich er sie erschaffen hatte, waren offenkundig dem Halbdämonen nicht gewachsen gewesen. Dieser Inu Yasha begann tatsächlich ihm auf die Nerven zu gehen. Je eher der Mistkerl tot war, umso besser. Kagura sollte ihren Spion in der Burg mal ein wenig scheuchen. Der war nur ein Mensch, aber es sollte doch möglich sein die neuesten Pläne des Daimyo zu erfahren. In Burgen wurde immer geredet. Und Hakudoshi sollte herausfinden, was da in Aoi genau passiert war.

Er hatte das an sich tödliche Duo nahe einer Holzfällersiedlung frei gegeben, sicher, dass sie diese dem Erdboden gleich machen würden - und das ziemlich rasch nach Burg Higurashi gemeldet wurde. Und dann? Hatte Inu Yasha nicht Samurai ausgeschickt, nicht einmal Dämonenkrieger, sondern war selbst losgelaufen. Der einsame Held schien seine Lieblingsrolle zu sein. Hm. Konnte man da etwas draus machen? Hatte Papi dem denn nie gesagt, dass man auch immer eine Rückendeckung haben sollte? Oder hatte er die sogar dabei gehabt? Dies Gruppe, der er auch schon begegnet war und der anscheinend auch die kleine Kagome angehörte? Wieder gemeinsame Arbeit der Vier? Nun gut. Er würde die neuen Informationen abwarten und einen neuen Plan machen, zumindest um Inu Yasha auf Trab zu halten. Nicht, dass der noch auf die Idee kam mal Papi zu besuchen. Das wäre unpraktisch, wenn sich demnächst Prinzessin Abi bei dem sehen ließ – mit einem anderen Mordauftrag.

 

Kouga hielt wohlweislich den Mund, auch, wenn er sich mehr als wunderte, dass Inu Yasha seine Fürstin samt Begleitung zurückließ und nur mit ihm auf die Burg ging. Seine bislang gezeigtes Neugierde an der Ehefrau des Anderen war schon genug gewesen, das sollte er nicht noch vertiefen. Sich für anderer Leute Frauen und damit Eigentum zu interessieren kam in etwa bei jedem Dämonenfürsten, Kaiser oder Daimyo so gut an als würde man sein Schwert verlangen. Und rechtfertigte trotz aller Verträge ein Duell. Immerhin war der Halbhund schlau genug gewesen die Burg in Alarmbereitschaft zu versetzen, schloss der Fürstenenkel aus dem militärisch organisierten Miyavi, als er sah, dass sofort Burgvogt und Hauptmann zum Rapport auftauchten, auch ein … Sekunde. Dieser Inu Yasha verfügte anscheinend auch über Dämonenkrieger? Doch, ja. Großvater hatte da etwas von einem neuen Bündnisvertrag zwischen dem Kaiser und dem Herrn des Westens erzählt, als dessen Ergebnis eben Inu Yasha Daimyo wurde. Und der Inu no Taishou war bekannt dafür, dass er seine Verträge hielt. Nun, das wäre vermutlich keine Neuigkeit für den Fürsten von Miyavi.

„Kagawa,“ befahl Inu Yasha derweilen dem Burgvogt: „Die Sache ist erledigt. Lass Kouga ein Gästezimmer zeigen und das Badehaus anheizen. Wir gehen dann baden.“

So, wie die Zwei aussahen, hatten sie das Bad auch redlich verdient. Der Burgvogt verneigte sich daher nur und ging. Hauptmann Nimaki würde ihm sicher später erzählen was da passiert war – und wen der Daimyo offenbar mit dem unbekannten Wolf getötet hatte.

 

Als sich die Zwei unwilligen Verbündeten in der Wanne gegenüberlagen, dachte Inu Yasha nach. Er sollte Vater vielleicht davon in Kenntnis setzen, dass der mit seinem Verdacht bezüglich Naraku richtig lag. Und Kouga war auf dem Weg in den Westen. Leider gab es da nur zwei Probleme – erstens sollte er dem Herrn von Nishi nichts über Politik schreiben, zumindest offiziell, und zweitens stand zu erwarten, dass Kouga neugierig, oder eher pflichtbewusst gegenüber seinem Großvater, war um den Brief zu öffnen. Was also sollte, konnte, er schreiben? Das war wirklich dumm. Harmlos tun, nicht lügen, und irgendwie doch Vater einen Hinweis geben … Puh. Das war anstrengend.

„So müde, Hundi?“ erkundigte sich Kouga, dem die doch ungewohnte Schweigsamkeit auffiel.

„Keh! Ich denke nach, solltest du auch mal versuchen.“ Ablenken, beschwor sich der Halbdämon. Nur, wie? „Es sei denn, du kannst mir auch so erzählen, wo diese Typen herkamen. Soweit ich weiß, aus keinem dämonischen Fürstentum, oder?“

„Eigentlich nicht,“ gab der Wolfsdämon zu. „Sie waren recht hell – vielleicht aus dem Norden?“ Dort lag mit Tokashi eine dämonische Provinz, die jedoch keinen Fürsten hatte. Weder die dortigen Schneefrauen noch Schneefüchse noch anderen Eiswesen hatten sich auf einen Herrscher einigen mögen. Sie waren zu zerstritten – sich allerdings bemerkenswert einig, falls es jemand von außerhalb wagen sollte in Tokashi einzufallen.

„Keiner von dort geht doch freiwillig in den Süden.“

„Dachten wir zumindest. Ich werde meinen Großvater jedenfalls darauf aufmerksam machen. Immerhin haben wir eine Grenze zu Tokashi. Wenn die anfangen auszuschwärmen und Leute umzubringen und sogar bis Aoi vorgedrungen sind ...“ Ja, dann hatte seine Heimat vermutlich auch schon Zwischenfälle zu beklagen. Vermutlich würde Großvater von den Toten wissen – und keine Ahnung haben, dass das ein japanweites Problem wurde, das wohl alle Fürsten samt dem Kaiser interessieren sollte.

„Ja, mach das. Und, wenn du morgen zu meinem verehrten Vater gehst, kannst du ihm ja einen Brief von mir deswegen mitnehmen.“

„Bin ich etwa dein Bote?“ fuhr der Wolfsdämon prompt auf, sah allerdings das Praktische ein. „Na schön, aber ich gehe bei Sonnenaufgang.“

„Kein Problem,“ verkündete Inu Yasha sicherer als er war. Das würde eine schlaflose Nacht werden und eine sehr anstrengende. Immerhin wollte und durfte er sich nicht verplappern. Kagome und die anderen Zwei wären inzwischen sicher auch schon in der Burg, sie natürlich in Kimono und als Dame aufgetakelt, nicht als miko, wie es ihm mittlerweile fast lieber war. Aber das ging eben nicht. Nun ja, wenn nichts dazwischen kam würde er mit ihr und den anderen beiden in den Süden gehen, bei Kosaten über den Großen Fluss setzen und sich da mal die Wälder ansehen. Viel Felder gab es dort nicht, eigentlich bis zu den Kalkbergen nur eben den Fluss und hügelige, dichte Wälder. Hinter den Kalkbergen lag das Fürstentum seines Vaters – und die Minen, deren Erze berühmt waren. Warum gab es eigentlich keine auf dieser Seite der Bergkette? Weiter im Süden kam die sechste Provinz, die Daimyo Kamura unterstand und deren Name ihm partout nicht einfallen wollte. Relativ klein lag sie eingeklemmt zwischen dem Westen, Sobo, dem südlichen dämonischen Fürstentum der Füchse und eben Aoi. Der Große Fluss bildete den besten, weil schnellsten und einfachsten Handelsweg, wenn man von der Magistrale absah. Gleich. Jetzt sollte er das warme Wasser verlassen und sich etwas zu diesem Brief überlegen. Es war spät genug.

 

Kouga brach pünktlich bei Sonnenaufgang auf, ein wenig bedauernd, dass er Kagome nicht mehr zu Gesicht bekam. Immerhin hatte ihm der Halbhund noch den zusammengerollten Brief in die Hand gedrückt und der Wolf hatte rasch erkannt, dass der nur einfach versiegelt war. Vielleicht stand etwas drin, was seinen Großvater interessieren würde. Er würde oben am Pass mal nachsehen, ob er das behutsam mit einem Fingernagel öffnen könnte. Inu Yasha erschien ihm zu dämlich für Intrigen, aber womöglich konnte irgendetwas seiner eigenen Familie nützlich sein.

So saß er wenige Stunden später jenseits des Toyama-Passes und las, wohlweislich unter einem Felsvorsprung, da er wusste, dass unter den Grenzwachen des Westens auch Falkendämonen zu finden waren – und, dass es den Inu no Taishou kaum beglücken würde, würde er dessen Brief lesen.

„Verehrter Vater,“ begann der Brief, der Inu Yasha eine Menge Schweiß gekostet hatte, mehr als so mancher Trainingskampf. „Ich freue mich Euch mitteilen zu können, dass ich mit meiner Ehefrau sehr zufrieden bin. Ich hoffe, dass ich Euch auch in naher Zukunft weitere freudige Nachrichten schicken kann.“

Familiensachen, dachte Kouga, aber las weiter.

„Allerdings habe ich durchaus bemerkt, dass das Leben eines Daimyo ebenso beschäftigt ist, wie das eines Dämonenfürsten und bin recht froh bei Euch in die Lehre gegangen zu sein. Bei dem letzten Zwischenfall war Kouga ja dabei, der Euch sicher genaueres berichten kann.“

Vorsichtiger Halbhund. Nichts von dem Überfall schreiben. Und da hatte der sogar recht.

„Ich möchte mich auch noch bedanken, dass Ihr bei unserem letzten Gespräch vor meiner Abreise mein Augenmerk auf einen Mann gelenkt habt. Euer Urteil ist wie stets korrekt, ja, ich möchte sagen, dass er noch intelligenter und einfallsreicher ist, als Ihr es Euch dachtet.“

Ah, das bezog sich sicher auf den Hauptmann, nein, Waffenmeister dieser Dämonenkrieger. Auch hier wurde kein Name genannt.

„Ich hoffe, Ihr befindet Euch wohl, ebenso mein Bruder. Euer Sohn Inu Yasha.“

Da stand eigentlich nichts drin, mit dem er seinen Großvater beglücken könnte, dachte Kouga , als er behutsam das Papier wieder in die Originallage brachte und das Siegel ebenso behutsam erneut darauf befestigte. Familie und ein bisschen Treue schwören. Tja. Er sollte wohl zusehen, dass er nach Nishijo gelangte, dem Schloss im Westen, wo der Taishou in aller Regel Aufenthalt nahm.

 

Als Bote und Enkel des Wolfsfürsten brauchte Kouga nicht lange warten um seine Briefe abliefern zu können. Der Herr der Hunde las zuerst die Nachricht des Amtskollegen, ehe er zu der seines Sohnes griff, durchaus nicht überrascht die Witterung des Boten daran wahrzunehmen. Der hatte es in seiner Kleidung getragen. „Inu Yasha schreibt, du könntest mir berichten?“

„Es gab einen Überfall.“ Kouga berichtete, was er wusste.

„Danke. Erhole dich, ich werde dir Antwort an deinen Großvater mitgeben.“

 

Kaum, dass der Wolfsdämon verschwunden war, sandte der Hundefürst um seinen Ältesten. Sesshoumaru erschien prompt und verneigte sich höflich.

„Nimm Platz.“

„Kouga?“

„Ja. Der Herr der Wölfe machte mich auf ein Treffen aufmerksam, das wieder erfolgen sollte, zu Recht. - Und dieser Brief kam von deinem Bruder.“ Er reichte ihn weiter, bemerkte die Irritation.

„Zur Erklärung. Der Mann, auf den ich sein Augenmerk lenkte, wie er es so nett formuliert, vor dem ich ihn warnte, ist Fürst Naraku von Ayama.“

„Dann führt er den Zwischenfall auf ihn zurück?“

„Nicht unbedingt. Er schreibt ausdrücklich vom „letzten“ Zwischenfall, es gab also auch andere, von denen er wohl den einen oder anderen auf Naraku zurückführt.“

„Ihr habt doch noch Euren Spion in Aoi.“

„Natürlich. Aber der erfährt nichts, was in diesem Fall sogar gut ist, denn dann erfahren es auch alle anderen Spione nicht. Zumindest Naraku sollte einen in der Burg haben. Inu Yasha ist vorsichtiger als ich dachte.“

Sein impulsiver, dämlicher kleiner Halbbruder? Aber es war wohl besser dazu zu schweigen. „Darf ich eine Bitte äußern, chichi-ue?“

„Nun?“

„Ich würde gern ein wenig nach Süden gehen, in die Wälder, meditieren und meinen Geist stärken.“ Er dachte an das Höllenschwert.“

„Genehmigt.“ Immerhin hatte der Junge einer Ehe zugestimmt, da sollte er ihn bei Laune halten. „Um Naraku kümmert sich anscheinend Inu Yasha und ich bekomme in den nächsten Tagen Staatsbesuch. Prinzessin Abi.“

Der Erbprinz zog etwas die Brauen zusammen. „Ich dachte, die Herrinnen der Vögel dürfen Sobo nicht verlassen?“

„Der Herr der Füchse, bei dem sie die Erlaubnis erbat, teilte mir mit, dass er diese erteilt habe. Es geht wohl um die Gesundheit ihrer Mutter. Da ist es vielleicht sogar besser, wenn du nicht hier bist.“

Oh ja, das war es wohl. Prinzessin Abi zeichnete sich durchaus durch Kampfstärke aus – und durch die Suche nach einem starken Partner, der die nächste Thronfolgerin der Vögel zeugen würde. Natürlich ohne Ehe. Die Herrinnen der Vögel würden sich nie einem Mann unterwerfen. Angeblich hatte sie ihr Glück schon bei den Fuchsprinzen versucht, mit gewisser magischer Nachhilfe, aber Füchse, noch dazu der Fürstenfamilie, bekam man mit Zaubertricks nicht ins Bett. Nun, ihn auch nicht, aber es bestand durchaus die Möglichkeit, dass er sich gezwungen sah sie umzubringen. „Danke für Eure Erlaubnis, chichi-ue,“ sagte er daher nur.

„Du darfst gehen.“

 

Allein nahm der Taishou den Brief seines Sohnes und las ihn noch einmal, ehe er ihn in eine Feuerschale warf, gefolgt von dem Brief des Wolfsfürsten. Aus Aoi hatte er die Nachricht bekommen, dass sich der junge Daimyo nicht ganz ungeschickt anstellte und die Ehe nach außen hin gut verlief. So, wie Inu Yasha geschrieben hatte sogar auch nach innen. Das war beides positiv und beruhigte ihn doch, zumal der sich anscheinend auch noch um Ayama beziehungsweise dessen Fürsten kümmerte. Vielleicht war Kagome dann in der Lage noch das shikon no tama zu finden, dann wären seine Besorgnisse von dieser Seite aus erledigt.

Allerdings hatte der Brief aus Miyavi neue geweckt. Der Drachenkönig befand sich zumeist in seinem Schloss unter dem Ozean und zog es vor Nachrichten nur an den Wolfsherrn zu schicken. Und diese Nachricht, die vermutlich allen Fürsten und dem Kaiser weitergeleitet worden war, lautete, dass sich ein dämonisches Schiff aus Nordwest Japan näherte. Sicher, Menschen handelten vom Festland, immer wieder kamen sie, erst vor einigen Wochen oder Monaten war eines in Ayama gewesen, das dem Festland am nächsten lag. Aber Dämonen? Das konnte alles bedeuten - von Handel bis zu einer Kriegserklärung. Es war sicherer da ein gemeinsames Auge drauf zu haben.

 
 

Kriegerstolz


 

K

agome war mehr als besorgt, als sie in den kleinen Privatgarten kam. Inu Yasha hatte sie rufen lassen und er lehnte auch an dem sich rot färbenden Ahorn, offenbar die Oberbekleidung offen. Ja, Kouga war vermutlich weg – sie hatte sich nicht verabschiedet – und jetzt erlaubte es sich der junge Daimyo wohl seiner Verletzung nachzugeben. So ließ sie sich nieder.

„Tut es noch sehr weh?“

„Keh!“ war die etwas ruppige Antwort, aber der Halbdämon fühlte sich beleidigt und schlug den roten Stoff zurück. „Ich bin kein Mensch, wie oft denn noch?!“

Tatsächlich konnte sie auch bei genauerem Hinsehen keine Spur mehr davon finden, dass ihm buchstäblich jemand durch den Leib gefahren war. „Ich mache mir eben Sorgen, du Idiot,“ gab sie allerdings griesgrämig zurück. „Auch, wenn du das nicht hören willst. Es sah schrecklich aus!“

„Was genau kapierst du an dem Satz, dass ich kein Mensch bin, eigentlich nicht?“

„Aber deine Mutter war doch einer!“

„Und?“

„Du …du kannst doch deine Mutter nicht vergessen haben,“ murmelte sie entsetzt, noch ehe ihr einfiel, dass er doch bei dem Totenfest so sehr um sie getrauert hatte.

Tatsächlich hatte sie so etwas wie Öl ins Feuer gegossen, denn er setzte sich aufrecht hin, die Ohren zuckten und auch die Stimme war alles andere als freundlich. „Wer sagt das denn? Und würdest du dir etwa bei Kouga auch Sorgen machen?“

„Oh, du...“ Kagome erkannte gerade noch, dass ihr instinktives Ja wohl ebenso idiotisch wäre wie ein Nein, geschweige denn ein Mach Platz. So änderte sie lieber in hoffentlich harmloser um. Sie sollte nicht vergessen, dass er der Daimyo war – und, dass jede seiner Strafen über sie auch durchgezogen werden würde. Nette Öhrchen hin oder her, ihr Temperament hatte ihr schon in Kindertagen Unheil eingebrockt. „Ich würde mir um jeden Sorgen machen, dem ein Anderer durch den Körper rast, egal ob Mensch oder Dämon oder Halbdämon. Aber wir sind rein zufällig verheiratet.“ Nur, falls er es vergessen hatte. „Und eine Ehefrau sorgt sich eben um ihren Mann. Und hilft ihm, wenn er Hilfe braucht.“

„Und will,“ murrte er, noch immer in seinem Stolz verletzt. Allerdings musste er daran denken, dass er ohne ihre Hilfe bei Naraku und dessen Gedankenfalle ziemlich dämlich ausgesehen hätte.

„Ja, natürlich. Ich dachte nur, weil du hier so ...“ Sie wurde rot. Sollte sie sagen, so offen deine Brust zeigst?

Alleine sitzt? „Kouga ist weg.“ War sie doch mehr für den arroganten, allerdings leider vollblütigen, Wolf als ihn?

„Ja, natürlich, sonst wäre er ja hier,“ erklärte die wohlerzogene Fürstentochter doch etwas verwundert, warf aber einen neugierigen Blick auf die Bannkette. Er trug sie noch immer. Nun ja, vielleicht hätte er sie sich nicht selbst abnehmen können, aber Großvater? Oder er hätte es ihr befehlen können. Und, der Junge, nein, ihr Ehemann, sah wirklich durchtrainiert aus. So sollte sie nicht denken. Sie wurde wieder rot.

„Keh,“ machte Inu Yasha, da er für einen Moment auch nichts mehr zu sagen wusste. Immerhin wollte sie keinen Streit. Sie kamen sich doch näher. Und, sie sah unbestreitbar nett aus, wenn sie so verlegen dreinsah. Warum eigentlich? Oh. Er zog sich wieder ordentlich an. Es war so warm gewesen, einer der letzten Nachsommertage. „Sage doch Sango, dass wir in wenigen Tagen nach Süden aufbrechen, über den Fluss gehen.“

„Ja?“ Sie seufzte unwillkürlich. „Wieder zu Fuß, dann.“

„Ich trage dich schon wieder – wenn keiner zusieht.“

Das war mehr als nett. Sie sollte besser auf ihn eingehen. „Danke. Willst du da auch die Grenzwachen kontrollieren?“

„Ja. Auch, wenn das natürlich menschliche Provinzen sind, an die ich … wir da grenzen. Und natürlich die Kalkberge als Grenze zu Nishi.“ Aber Vater würde ihn niemals angreifen.

„Ja. Aber, ich denke, dass die Wachen vorgewarnt sind.“

„Sicher,“ gab er selbstbewusst zurück. „Aber kein Grund die Kontrolle zu vernachlässigen.“

„Ja, natürlich.“

„Kagome …?“

Sie wusste nicht so ganz was er meinte, aber er legte einfach den linken Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich, lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Es lag nicht nur eine unleugbare, wenngleich zurückgehaltene, Kraft in dieser Geste, sondern auch eine Selbstverständlichkeit, die ihr wieder einmal bewusst werden ließ, dass sie mit ihm verheiratet war. Und, dass die Tatsache, dass er von ihr bislang nicht das verlangt hatte, was ihm nach allem Recht als Ehemann zustehen würde – und, von dem sie immer noch nicht so recht wusste was das sei – ein sehr weites Entgegenkommen war. So lehnte sie sich an ihn. Er war so warm und es fühlte sich so seltsam sicher und geborgen an. „Ich habe ja noch die Landkarte. Aber, ich glaube, da sind kaum Dörfer, viel Wald.“

„Ja, die Dörfer liegen auch mehr am Fluss und an der Magistrale. Der Handel macht Aoi reich. Die Händler zahlen Zoll, Übernachtungskosten und so.“ Sie war so warm und roch so gut. Und sie schmiegte sich an ihn. Doch, sie freundeten sich an, da war er sicher. Vielleicht sollte er es doch einmal versuchen? Sie sah ihn so an? Er neigte den Kopf.

Kagome war mehr als verwundert, dann fast erschrocken, als sie seine Lippen auf den ihren spürte. Es war weniger so, dass es unangenehm war, eher … Sie hätte keine Umschreibung gewusst. Sie war mehr als zurückhaltend erzogen worden, außer Mutter und vor Jahren Bruder hatten sie nur selten genug ihre Freundinnen umarmt oder berührt. So war sie einfach nur verwirrt, dass ihr zum ersten Mal klar wurde, dass ihr Körper auch Gefühle hatte, sich ihr bewusst machte.

Inu Yasha war sehr unsicher gewesen, ob das so richtig war, immerhin kannte er es nur in der Theorie, aber da sie still hielt, allerdings auch nicht nach Angst roch, war es wohl richtig. Daher ließ er sie ungern, aber doch, los, als er hörte, wie sich die Gartentür öffnete. Wer zum....

 

Der menschliche Diener, der hereingeschickt worden war, warf sich einfach flach auf den Boden, als er erkannte, in welche Lage er geplatzt war. Er war treuer Higurashi-Anhänger, und so gut er es fand, wenn diese Ehe günstig für die ehemalige Herrin und die jetzige Fürstin verlief – das war keine Situation, in die man rennen sollte. Das konnte mit Prügel geahndet werden bis hin zu tagelangem Aufhängen in den unbequemsten Stellungen in Bäumen. An anderes wollte er nicht einmal denken.

Der Halbdämon bemerkte die Verlegenheit seiner Frau, die sicher der eigenen entsprach. Mehr um sie als sich zu schützen, knurrte er, während er sie los ließ: „Wichtige Nachricht. Hoffe ich für dich.“

Ach herrje. „Ein ... Eilbote, Inu Yasha-dono,“ brachte der Mann irgendwie hervor. „Aus Nishi.“

Das bedeutete nicht nur, dass Kouga wie erwartet sehr schnell gewesen war, sondern auch, dass sein Vater einen Falken als Antwort geschickt hatte. Was war denn jetzt schon wieder los? „Geh, Kagome. Grüße an giri-no-haha-sama und sage Sango Bescheid.“ Er stand auf, bemüht, den Diener nicht länger als notwendig seine Fürstin ansehen zu lassen. Wobei der mit der Stirn sowieso schon den Boden berührte und mehr als nach Furcht stank. „Ein Falke?“

„Ja, Inu Yasha-dono.“ Nun ja, noch war keine Strafe verhängt worden, noch....

„Komm. Und hör auf zu zittern. Das nervt.“

Da das durchaus bedeuten konnte, dass keine Strafe erfolgen würde, atmeten unwillkürlich beide Menschen im Garten auf.

 

Minuten später saß Inu Yasha in seinem Arbeitszimmer, allein mit einem Falkendämon. „Was wünscht chichi-ue?“

„Ein Brief.“ Der Bote zog ihn aus der Kleidung und überreichte ihn, durchaus nicht überrascht, dass der Daimyo das Siegel sich sorgfältig besah.

Inu Yasha öffnete und las, ehe er sagte: „Was weißt du von dem Inhalt?“

Der Bote wusste, dass das die Frage nach zusätzlichen oder gar anderslautenden Informationen war. „Nichts, Inu Yasha-sama. Mir wurde nur mitgeteilt, dass ich den Brief überreichen soll und Euch sagen soll, dass Ihr entweder durch den Göttlichen Kaiser oder den Herrn des Westens informiert werdet, sollte es notwendig sein die Pforte der Ronin zu schließen.“

„Ruh dich aus, dann kehre nach Nishi zurück.“ Fast beiläufig flog der Brief in die Feuerschale und ging prompt in Flammen auf. Soso, ein dämonisches Schiff vom Festland trudelte ausgerechnet bei seinem Lieblingsnachbarn ein? Natürlich konnte das auch wieder ein Händler sein, allerdings neigten Dämonen weniger zum Handeln. Und so, wie Vater das geschrieben hatte, würden sich alle dämonischen Fürsten samt dem Drachenkönig mit dem Kaiser in diesem geheimnisvollen Zimmer unterhalb des Palastes von Heiyokyo treffen, natürlich nur als Abbilder ihrer selbst. Was auch bedeutete, dass der Drachenkönig als Herr der Meere seine Leute auf dieses Schiff ansetzen würde und alles im Auge hatte. Gut. Also konnte er doch eigentlich unbesorgt nach Süden gehen und da die Gegend angucken?

Hm. Vielleicht sollte man doch die Dämonenkrieger an die Grenze schicken? Nein. Ein Schiff konnte doch, zumal, wenn da die wirklich wichtigen Leute ein Auge drauf hatten, nicht viel anstellen. Naraku hin oder her. Er selbst sollte vielleicht den Ausflug mit seinen Freunden nicht zu lange ausdehnen,

Ja, genau. Ein bisschen im Süden nach dem Rechten sehen und sich dann um die Lage in Ayama kümmern. Naja. Womöglich auch wenigstens Nimaki als Hauptmann mitteilen, wohin man ungefähr wollte. Und Toyomaru als Waffenmeister der Dämonen sagen, dass, wenn Nachricht aus Nishi käme, der diese annehmen sollte. Falls doch was an der Pforte los wäre. Er wollte sich ja nicht vor chichi-ue und dem „göttlichen Cousin“ blamieren.

 

Prinzessin Abi betrachtete auf dem Flug nach Nordwest weniger die Berge unter sich als die blauschwarz glänzenden Federn des Paradiesvogels, auf dessen Rücken sie mit verschränkten Beinen saß. Sie fand diese riesigen Vögel mit zwei Köpfen ähnlich ihrem Schwert – glänzend und tödlich. Nur ein Narr würde von den beiden, zugegeben etwas einfältig wirkenden, Köpfen vor ihr auf die Kampfkraft schließen. Nun ja, der Inu no Taishou war kein Narr und sie würde behutsam sein müssen, noch mehr als bislang. Man sagte den Hunden nach, dass sie jede Lüge wittern konnten.

Es gab kaum einen Grund daran zu zweifeln, Selbst ihre eigene Mutter beherrschte es die falschen Schwingungen in jeder Rede zu hören. So hatte diese gemeint, Naraku lüge nicht, aber habe nicht die volle Wahrheit über das Juwel der vier Seelen erzählt. Nun, es war gleich, dachte die Vogelprinzessin. Haha-ue ging es wirklich schlecht, sie hatte Schmerzen und wurde immer schwächer. Wenn es auch nur den Hauch einer Chance gab sie zu heilen, musste man sie wahrnehmen.

Und wenn dafür dieser arrogante Hundeprinz sterben musste – oh, sie entsann sich nur zu gut, wie er ihr vor Jahren eine Abfuhr erteilt hatte! Wie ein Schulmädchen hatte sie vor ihm stehen müssen! Nein, Sesshoumaru musste sterben und das würden die sechs Paradiesvögel, die sie und das ihr zustehende Gefolge gen Nishi trugen, erledigen. Natürlich musste sie vorsichtig sein. Der Fürst des Westens dürfte kaum Spaß verstehen, wenn man seinen Sohn umbrachte, aber es war eben alles ein bedauerlicher Unfall. Sie durfte nur nicht lügen, und eine gewisse Sicherheit hatte ihr bereits gegeben, dass der Fürst von Sobo, der Herr der Füchse, ihr die Erlaubnis erteilt hatte in den Westen zu gehen. Ja, auch da hatte sie nicht gelogen. Und, wenn sie sich nicht schwer täuschte, hatte der Fuchsherr den Hundefürsten bereits über den Besuch informiert, noch ehe sie selbst um die westliche Genehmigung ersucht hatte.

Ihr Plan lag klar vor ihr und eigentlich konnte nichts schief gehen. Sobald Sesshoumaru tot war, sollte sie bereits weg sein, zurück in Sobo, scheinbar ahnungslos. Und dann sollte Naraku, wenn der wusste, was gut für ihn war, wie versprochen zumindest einige Juwelensplitter für ihre Mutter herausrücken.

 

Unter sich entdeckte sie das Schloss des Westens, entfernt von den Feldern, die die Menschen bearbeiteten. Und, als sie ihren Paradiesvogel niederlenkte, gefolgt von Blutvögeln in menschlicher Gestalt, ebenfalls auf den riesigen Vögeln sitzend, erkannte sie durchaus, dass sie erwartet wurde. Nun ja. Der Inu no Taishou wäre weder Fürst noch Feldherr geworden, wenn er nicht merken oder zumindest informiert werden würde, dass Fremde in seinem Territorium waren.

Sie ließ ihren Vogel landen und sprang ab, gefolgt von ihrer sogenannten Entourage. Einer der Blutvögel eilte sofort hinzu und nahm die Leine, die um die Hälse ihres Reitdämons lag, hielt ihn scheinbar so. Natürlich kontrollierte sie alle Vögel in der Gedankensprache, aber es würde einen besseren Eindruck machen. Hm. Der Herr der Hunde, einige Krieger – wo steckte denn der Erbprinz?

Aber sie verneigte sich höflich, wie es einer Prinzessin gegenüber einem Fürsten ziemte. Nun ja, nach eben deren Ansicht. Männer!

„Prinzessin Abi, seid mir willkommen.“ Der Taishou warf durchaus einen Blick auf die sechs riesigen Paradiesvögel, die allerdings sichtlich von den Vogelkriegern gehalten wurden.

„Danke.“ Abi wandte den Kopf. „Da Euch vermutlich bewusst ist, dass ich sie sitzen lassen kann, zumeist, zumindest. … dürfen sie hier angepflockt werden? Ich vermute, der Herr der Füchse gab Euch bereits Nachricht was mich herführt.“

„Ja, zu beidem. Kommt nur, Prinzessin. Eure Krieger bleiben hier bei den Vögeln? Sie gelten ja durchaus als schwierig in der Behandlung.“

„Ja, allerdings muss ich erwähnen, dass dies leider auch auf zwei Gründe zurückzuführen ist.“ Abi folgte höflich einen Schritt zurück dem Hausherrn. „Die Krankheit meiner verehrten Frau Mutter, von der Ihr sicher bereits erfahren habt, und die Tatsache, dass sie sich nicht so recht ausfliegen können. Sobo ist klein. Und ja, der Fürst gab uns die Erlaubnis sie über das Meer fliegen zu lassen, aber sie sind eben keine Seevögel. Allerdings fürchte ich ihr Ruf ist ein wenig übertrieben.“

„Möglich. So stimmen die Gerüchte, dass Eure werte Mutter … gewisse Probleme hat?“

„Keine, die sich nicht beheben lassen, werter Fürst, dank Eurer Hilfe, wie ich hoffe. - Oh, darf ich nach Euren beiden Söhnen fragen? Ich hörte, der Jüngere sei vom Göttlichen Kaiser sogar zum Daimyo erhoben worden?“

„In der Tat.“ Der Taishou war nicht seit gestern Fürst und kannte die Spielchen. In dem Abi den Jüngeren anführte, erkundigte sie sich nach dem Älteren. Natürlich. Sie suchte nach einem starken Vater für ihre Tochter – nun ja, offen gesagt, suchten die Herrinnen der Vögel stets nach gutem Genmaterial, ohne die Absicht zu haben den potentiellen Vater an der Macht zu beteiligen. Eine Lösung, die den anderen Dämonen und ihrer Kultur sehr widersprach. Den Zahn sollte er der Vogelprinzessin lieber gleich ziehen. „Mein Ältester befindet sich zur Zeit nicht hier. Nach seiner Verlobung – oh, hörtet Ihr davon noch nicht? - wollte er sich ein wenig in den Wäldern am Fuße des Kalkgebirges auf die Ehe vorbereiten. Meditieren.“

Sesshoumaru war folglich nicht im Schloss oder dessen Umgebung, sondern sie musste buchstäblich über den hinweg geflogen sein. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. So sandte Abi nur gedanklich die Nachricht an ihre Paradiesvögel, während sie sich höflich vor dem Sitz des Fürsten niederkniete, der selbst Platz nahm. Nur scheinbar harmlos meinte sie: „Das ist natürlich bedauerlich, dass ich ihn nicht wiedersehen kann. Sesshoumaru-sama machte auf mich einen durchaus reizenden Eindruck.“

Höflich, aber ….Nun ja, sie hätte seinen Sohn wohl ebenso gern als potentiellen Tochtervater wie die Fuchsprinzen. „Ich entnahm dem Brief aus Sobo ebenso wie Euren Andeutungen, dass Ihr Rat benötigt.“

„In der Tat.“ Ablenken und womöglich tatsächlich Erfolg haben, beschwor sich die junge Vogeldame. „Wie Ihr bereits hörtet, ist meine werte Frau Mutter erkrankt. Leider sehr schmerzhaft. Trotz meiner Nachfrage bei dem Fürsten von Sobo ergab sich kein Hinweis auf Heilung. So erwähnte er freundlicherweise....“ Nun ja, die Idee war von ihr gekommen, auf Ratschlag Narakus, aber wozu so genau werden. „Dass im Westen Ihr über eine umfangreiche Bibliothek verfügt und Eure Schmiede zumal über Wissen verfügen, das sonst kaum mehr auch nur der Drachenkönig in seinem Schloss unter dem Meer besitzt.“

„Ihr schmeichelt. Aber es mag natürlich sein. Ich werde Euch meinen obersten Heiler, Neigi, vorstellen, der Euch in der Bibliothek sicher weiter helfen kann.“

„Vielen Dank, Herr aller Hunde.“ Abi lächelte. Sie musste Zeit schinden, bis ihre Paradiesvögel die Fährte aufgenommen hatten und ihr Opfer suchen konnten. „Darf ich auch fragen, wie es Eurer werten Gemahlin geht?“

Der Inu no Taishou stutzte, ehe ihm eine nur zu deutliche Erklärung dämmerte. Ja, die Fürstin Teikken war schwer erkrankt, die Gerüchte stimmten offensichtlich. Und, dass Abi auf der Suche nach einem starken Partner war, war ebenfalls bekannt. Da die Fuchsprinzen ebenso wie sein Ältester außer Reichweite waren, versuchte sie es doch nicht etwa bei ihm? Das war zwar durchaus persönlich schmeichelhaft, kam aber nicht in Betracht. Aus wiederum sehr persönlichen Gründen. Aber Fürst sollte diplomatisch bleibe. „Danke der Nachfrage, Prinzessin. Ja, meine Fürstin befindet sich wohl.“

„Ihr scheint überaus nett zu Frauen zu sein.“

Das bestätigte nur seinen Verdacht. Nun ja, es gab etwas wie Kriegerstolz und Fürstenehre und er sollte sie nicht beleidigen, wenn sie eigentlich um Hilfe ersuchte. „Ich freue mich über Eure gute Meinung über mich. Ah.“ Denn ein Dämon schob die Tür etwas beiseite, dem die kurz angestiegene Energie nicht entgangen war. „Rufe Neigi, rasch. Unser Gast möchte in die Bibliothek.“

Während die Vogelprinzessin höflich und dankend den Kopf neigte, suchte sie die dämonische Signatur in der Energie des Mannes vor ihr. Sesshoumaru musste sie ähnlich besitzen und war so für die Paradiesvögel leicht aufzuspüren. Leider, oder eher natürlich, hatte der Hundefürst sie verborgen. In dieser Klasse brauchte man nicht mehr zeigen, was man konnte, so hielt es auch haha-ue – und, dass der Herr des Westens über das Schwert der Hölle verfügte, war auch jedem Denkenden klar. Umso wichtiger ihren eigentlichen Plan zu verschleiern, womöglich in der Bibliothek oder bei dem Heiler wirklich eine Lösung für Mutters Problem zu finden. Und damit natürlich auch unabhängig von Naraku und dessen Plan zu sein.

 

So sandte sie die gedanklichen Befehle aus, sicher, dass niemand hier das verstehen würde. Vogelmagie war viel zu eigen, als dass ihr selbst der Drachenkönig oder der Herr der Füchse folgen konnten. Dennoch dauerte es für sie scheinbar endlos, bis die Paradiesvögel ihr bedeuteten, dass sie die Spur gefunden hatten, sich ihr Opfer tatsächlich in den Bergwäldern, in der Nähe einer Mine, aufhielt. Während sich Abi wirklich interessiert eine uralte Buchrolle ansah, die ihr der anscheinend ebenso alte Heiler herausgesucht hatte, gab sie den Befehl Sesshoumaru zu suchen und zu töten.

„Ich bin fasziniert,“ sagte sie laut. „Als der Fürst von Sobo, ich meine, mein Fürst, mir sagte, dass die Bibliothek des Westens umfangreich sei, ahnte ich nicht wie sehr. Glaubt Ihr, dass das meiner Frau Mutter helfen könnte?“

Neigi schüttelte den Kopf. „Es scheint eine sehr seltsame Krankheit zu sein, die die werte Fürstin befallen hat. Ich weiß nicht, wie alte sie ist, aber, falls es möglicherweise auch einfach das Alter ist … gegen den Tod gibt es kein Heilmittel, Prinzessin. Ich weiß, Ihr wollt sagen, dass Dämonen kaum an Altersschwäche sterben, das stimmt, sie fallen eher im Kampf – aber, und das könnt allein Ihr entscheiden – wie alt ist Fürstin Teikken?“

Abi musste sich zugeben, dass sie es nicht wusste. Haha-ue war eben Mutter – immer da, stark, mächtig, unsterblich. Und, die Paradiesvögel waren unterwegs. Das gab gewiss bald Aufruhr und man würde sie holen. Umso wichtiger, das Gespräch fortzusetzen. „Aber sie hat Schmerzen. Das kann kaum Altersschwäche sein.“

„Das ist richtig. Hm. Keine Verletzung,“

„Keine, die sie kennt.“

„Gift dürfte kaum möglich sein, aber dennoch ...etwas magisches? Begann es plötzlich?“

 

Der Inu no Taishou war zugegeben sehr froh gewesen, dass er seine Besucherin an den Heiler abgeben konnte, hatte ihn doch ein magischer Ruf ereilt. So saß er nun in seinem privaten Arbeitszimmer, in sich tief versunken, da sein Bewusstsein in dem Raum unter dem Kaiserpalast war, in dem sich die dämonischen Fürsten, der Drachenkönig und der Kaiser trafen, nur letzterer persönlich.

Der Herr der Drachen sah zu dem Abbild, das auftauchte. „Wir sind vollzählig.“

„Meine Bitte um Entschuldigung.“ Der Hundefürst war höflich. „Neues aus Ayama, wie ich dem entnehme.“

„Das Schiff vom Festland hat als Besatzung Motten. Dämonen vom Festland.“

„Hyougas Leute?“ Der altersgraue Wolfsfürst war alarmiert.

„Offensichtlich,“ gab Ryujin zu. „Mein Drache konnte feststellen, dass sich zwei Frauen, begleitet von vier Kriegern in den Fürstenpalast begaben. Menschen gingen an Bord und luden Waren ab.“

„Würde mir jemand erklären, wer Hyouga ist?“ erkundigte sich der Kaiser. „Und, warum wir nicht die einfachste Form gewählt haben und Fürst Naraku zu dieser Runde eingeladen?“

„Hyouga ist ein Mottendämon, der stärkste Herr auf dem Festland, den wir namentlich kennen,“ erwiderte der Wolfsfürst prompt. „Er versuchte vor Jahrhunderten schon in Japan einzufallen, wurde jedoch buchstäblich durch einen göttlichen Wind abgehalten. Was ihn so stark macht, ist, dass er fast unsterblich ist.“

„Er IST unsterblich, mein Freund.“ Der Herr der Füchse ließ seine neun Schwänze schwingen. „Selbst, wenn man ihn tötet, fließt seine Macht nur in den nächsten. Jeder Hyouga trägt seine eigene Kraft und die all seiner Vorgänger. - Warum Fürst Naraku nicht anwesend ist ...nun, wir entsprachen einer Bitte des werten Taishou.“

Der Herr der Hunde nickte. „Ich habe durchaus begründeten Anlass zu der Annahme, dass der jetzige Fürst es nicht, nun, mit rechten Mitteln geworden ist. Und jetzt auch noch Kontakt zu Hyouga. Wir sollten behutsam sein.“ Er zuckte für die anderen sichtbar zusammen. „Ich muss erneut um Entschuldigung bitten. Es gibt in meinem Schloss eine Lage, die meine Anwesenheit erfordert.“ Er verschwand.

„Ausnahmsweise muss ich zustimmen.“ Der Fuchsherr schien ebenfalls betroffen. „Ich muss zurück, bitte entschuldigt.“

Die Zurückgebliebenen sahen sich nun wirklich besorgt an.

 

 
 

Paradiesvögel


 

P

rinzessin Abi wusste sehr gut, warum draußen vor dem Schloss des Westens auf einmal Rufe, ja, Aufruhr zu vernehmen war, aber sie hörte weiter sehr interessiert dem alten Heiler zu. „Eine magische Attacke? Ich könnte mir es nicht vorstellen. Ihr kennt natürlich haha-ue nicht, sie ist sehr mächtig in ihrer Energie und ihrer Magie.“

„Das mag alles sein, Abi-sama, aber niemand ist so mächtig, dass es nicht irgendwie irgendwem gelingen kann ihn zu schlagen.“

„Die Herrin der Vögel!“ Die Tochter klang pikiert, obwohl sie eine ungute Ahnung überfiel. Ja, Mutter war krank, hatte Schmerzen. Und es gab in der Nähe jemanden, der über geradezu gewaltige magische Kräfte verfügte – der Fürst von Sobo war der einzige Fuchsdämon mit neun Schwänzen. Hatte der etwa beschlossen, Mutter sei zu gefährlich? Immerhin standen sie selbst und haha-ue seit dem Friedensschluss unter seiner Verantwortung. War ihm das zu viel geworden? Oder, noch anders gefragt – falls es nicht der Fuchsfürst gewesen war... da gab es jemanden, der nicht nur von Mutters Krankheit wusste, sondern auch Heilung versprach. Naraku. War der etwa schuld...? Sie hatte zuvor die Frage des Wer nicht so recht bedacht – eben eine schwere Krankheit, eine natürliche Ursache, angenommen. So meinte sie ehrlich: „Ihr seid ein kluger Mann und sicher ein erfahrener Heiler, Neigi-san. Wie könnte man einen derartigen magischen Angriff beseitigen? Durch den Tod des Verursachers?“

„Um ehrlich zu sein glaube ich das nicht. Jemand, der so vorgeht, wird auch dagegen Schutzmechanismen ergriffen haben.“

Das stimmte vermutlich. „Ich hörte einmal von einem shikon no tama, das sich in Menschenbesitz befinden soll und jedem Dämon hilft stärker zu werden...“ Mehr wollte sie nicht sagen.

Der Heiler horchte irritiert nach draußen, erwiderte jedoch höflich: „Das gab es einst in der menschlichen Provinz Aoi, aber die letzte Hüterin verbarg es unauffindbar vor mehr als fünfzig Jahren. Überdies, ehrenwerte Prinzessin, der Einsatz eines magischen Gegenstandes kann nie ohne Gegenleistung oder gar Belastung erfolgen. Es wäre nicht gesagt, dass das Juwel der vier Seelen, das ja aus der Seele eines Dämonen und einer Priesterin entstanden sein soll, auch Eure Fürstin heilen könnte.“

 

Die Tür zur Bibliothek wurde aufgerissen und beide fuhren herum. Ein Hundekrieger sparte sich die Verneigung: „Befehl des Fürsten. Kommt, Prinzessin. Eure Paradiesvögel konnten entkommen!“

Da fehlte etwas in der Botschaft, aber sie nickte nur. „Danke für Euren wertvollen Rat, Heiler. Ich werde es bedenken. - Komm, rasch. Was ist mit den Blutvögeln, die auf sie aufpassen sollten?“ Nun ja, es waren die stärksten unter ihnen, denn nur diese vermochten es Menschenform anzunehmen. So hatte sie sie bereits zuhause angewiesen, wenn die Paradiesvögel auf ihren Befehl hin ihr Opfer suchten, sollten sie nur scheinbar Widerstand leisten, ja, sich verletzen lassen. Waren etwa die riesigen Vögel mehr als skrupellos gewesen – oder ihre Krieger zu schwach?

„Sie leben vermutlich,“ erwiderte der Hundedämon, kaum überrascht, dass sich die Vogelprinzessin nach ihren Männern erkundigte. Ein Fürst schützte auch die Seinen. Und, die Prinzessin rannte förmlich neben ihm her, sichtlich in Sorge und Überlegung.

 

Dies erkannte auch der Inu no Taishou, der bereits am Platz des Geschehens eingetroffen war, nun jedoch den Kopf wandte.

Abi sah erleichtert, dass ihre Krieger lebten, ja, sich bereits zwei oder drei dämonische Heiler um sie kümmerten. „Danke, edler Fürst,“ war darum ihre erste Aussage, ehe sie sich umsah, nach Vogelmagie suchte. Jetzt musste sie aufpassen und Zeit schinden, damit die Paradiesvögel Sesshoumaru finden und töten konnten – und sie hier als ahnungslos wegkam. Der Herr der Hunde war sicherlich nicht dumm. So trat sie zu ihrem obersten Krieger. „Die Paradiesvögel rissen sich los und griffen euch an? Wohin sind sie?“

Der verletzte Blutvogeldämon deutete vage in den Himmel. „Ich weiß es nicht, Prinzessin, das fragte der Taishou, ich meine der Fürst des Westens, auch schon. Sie kreisten und dann... nach Süden.“

„Süden.“ Abi nickte leicht. Dort war Sesshoumaru. Gut. Aber sie sollte eine andere, glaubwürdige, Erklärung auspacken. „Nach Hause, also, zu ihren Genossen.“

„Ruft sie zurück.“ Der Befehl des Inu no Taishou kam prompt.

Die Vogelprinzessin sah zu ihm. Zeit, sie brauchte Zeit. „Ich vermag es, nun ja, ich werde es versuchen. Wenn sie in dieser Stimmung sind, ist es auch für mich schwer. Nur meine verehrte Frau Mutter bei voller Gesundheit könnte sicher sein.“ Nun ja, sie auch, wenn die riesigen Vögel ihre Aggressionen hatten abbauen können. Aber das sollte sie nicht erwähnen. „Ich würde nur dazu Eure Genehmigung benötigen nach den magischen Energielinien des Landes zu suchen, um sie darüber rascher zu finden.“

„Tut es.“

So ging die Vogeldame zu der Stelle, an der die Paradiesvögel angepflockt gewesen waren und ließ sich nieder, legte die Hände auf den Boden. Vogelmagie war eigen, der Hundefürst mochte dem nicht folgen können, aber er konnte es ganz sicher spüren, wenn fremde Magie durch sein Gebiet geschickt wurde. Schon deswegen war es formell richtig gewesen zuerst seine Erlaubnis einzuholen, sonst galt das als Kriegserklärung, wie er sicher wusste. Überdies brauchte sie noch Zeit. So nahm sie sich diese um die Linien des Landes abzusuchen, natürlich Schwerpunkt im Süden, obwohl sie wusste, dass sich der Erbprinz nach Auskunft des eigenen Vaters am Rande der Kalkberge aufhalten sollte. Nur ein bisschen Zeit noch.

 

Der Herr von Nishi sah ihr schweigend zu. Ja, sie rief Magie ab, sie versuchte es, war auch sichtlich angespannt. Aber Paradiesvögel waren sehr angriffslustig und er konnte sich mühelos vorstellen, was sechs von ihnen in einem Menschendorf anrichten würden. Es war fatal, dass sie entkommen konnten. Ja, sie waren nervös, überreizt – vielleicht sollte er doch einmal mit dem Fuchsherrn reden denen mehr Flugzeit zuzubilligen? Aber der Neunschwänzige war nicht leicht zu überzeugen – und achtete ebenso auf die Dämonen und Menschen in seinem Gebiet. Was war jetzt los? Die Vogelprinzessin schloss die Augen, er spürte ihre Magie ansteigen ohne sie lesen zu können. Aber ihr Gesicht zeigte trotz aller Konzentration Erstaunen, ja, Verwirrung.

Abi atmete tief durch, ehe sie sagte: „Ich holte sie zurück, werter Fürst. Aber etwas stimmt nicht. Ich finde nur vier, keine sechs.“ Ihre eigene Besorgnis um die Paradiesvögel lag in ihrer Stimme.

Sie log nicht, dachte der Taishou. Nur – wo waren die anderen Zwei? „Haben zwei bereits Nishi verlassen?“ So unbedingt nach Hause gewollt?

„Ich denke nicht. Ein Schwarm bleibt immer zusammen,“ erwiderte sie wahrheitsgemäß, noch einmal nachsuchend, ehe sie sich aufrichtete und mit einem leichtfüßigen Satz stand. Sie presste die Lippen zusammen. „Sie kommen zurück. Aber zwei fehlen und ich fürchte andere sind geschwächt. Sie müssen aus einem Kampf kommen.“

„Dann sind die zwei Fehlenden tot.“ Hatten sie sich etwa an Dämonen gewagt? Im Süden gab es eigentlich nur Grenzwachen, nach Osten in den Bergen ebenso. Und das mehr der Form halber, denn weder der Herr der Füchse noch gar der mit ihm verbündete Kaiser würden angreifen. Trotzdem – auch gegen Paradiesvögel vermochten sich vier seiner Krieger zu halten, zumindest sie abzuwehren. Und das schien geglückt zu sein. Hoffentlich hatten da alle überlebt.

 

Abi nickte. Nun ja. Der Erbprinz war eine renitente Beute, das war ihr klar gewesen. Dessen Tod gab es nicht umsonst. Aber sie sah zum Himmel empor. „Ich würde mich dann allerdings gern verabschieden, edler Fürst.“ Das war hart an der Grenze der Höflichkeit, denn man verabschiedete sich nicht selbst von einem Fürsten. Aber immerhin hatte sie um Genehmigung ersucht. „Euer Heiler gab mir bereits wertvollen Rat, aber ich möchte die Paradiesvögel und die verletzten Krieger rasch in die Nähe meiner verehrten Mutter bringen.“ Und weit weg vom Westen sein, wenn dem Taishou auffiel, dass er einen Sohn weniger hatte. Sie ging davon aus, dass ihre geliebten Bestien ihren Auftrag ausgeführt hatten, denn sie waren weit weniger aggressiv als zuvor.

 

„Genehmigt,“ erwiderte der Herr der Hunde auch nur, der vermutete, dass sich die Prinzessin nicht sicher war, wie lange sie die Paradiesvögel unter Kontrolle halten konnte, wenn diese erneut wild wurden. Ja, da kamen die Monster. Und in der Tat aus einem Kampf. Die großen Körper waren zerkratzt und mit Blutflecken übersät, die Krallen an den Füßen ebenfalls. Und es waren nur vier.

 

Abi wartete gar nicht bis sie landeten, sondern verneigte sich eilig. „Danke für Eure Gastfreundschaft. - Kommt!“ Der Befehl galt ihren Kriegern, die hastig auf drei der gigantischen Vögel sprangen, teilweise zu zweit. Natürlich flog die Vogelprinzessin allein.

 

Sie waren daher schon hoch und ein Stück weit vom Schloss entfernt, als dem Inu no Taishou bewusst wurde, dass er nicht nur die Witterung des Blutes der Paradiesvögel in der Nase hatte, sondern auch die seines Ältesten. An den Krallen hing Sesshoumarus Blut.

Hatten es diese Vögel etwa gewagt … Nun, das erklärte das Fehlen zweier und auch die Verletzungen der Überlebenden, aber was war mit seinem Jungen passiert? Und – hatte Abi etwas davon gewusst? Sie war recht schnell verschwunden, aber sie hatte nicht gelogen. Und sie war nervös gewesen. Gleich. Sie flog bereits über die Kalkberge und er konnte sie weder im Kaiserreich verfolgen lassen und auch in Sobo benötigte er die Zustimmung des Neunschwänzigen. Nein. Momentan war es wichtiger Sesshoumaru zu finden. Eine volle Minute lang suchte er die Energie seines Sohnes in den verborgenen Magielinien des Westens. Vergeblich. Ohne Worte zu verschwenden ging er weiter weg vom Schloss. Sekundenbruchteile später flammte seine Energie auf, ließ seine Gestalt verschwimmen, das Gesicht verzerren, bis ein riesiger, weißer Hund da stand, der die Nase senkte und nach einer verblassten Fährte suchte. Zum Glück, in diesem Falle, neigte sein Ältester dazu zu Fuß zu gehen.

 

Naraku saß in seinem Arbeitszimmer und betrachtete seinen Überraschungsbesuch. Zwei junge Dämoninnen, die sich als Hara und Ruri vorgestellt hatten. Erstere mit einer doch relativ seltenen Haarfarbe von bläulich schimmerndem Weiß. Sie waren Mottendämoninnen und hatten ihre Waffen höflicherweise ebenso vor seiner Tür gelassen wie ihre begleitenden Krieger. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der angeblich doch so mächtige Hyouga prompt auf sein Angebot reagieren würde.

Sie erklärten im Auftrag Menomarus zu kommen, des Thronfolgers. So meinte er bedächtig: „Sollte es mir entgangen sein, dass der mächtige Hyouga bedauerlicherweise ein wenig unpässlich ist?“

„In keinster Weise,“ beteuerte Hara prompt. „Allerdings beauftragt er zumeist seinen Sohn mit derartigen Sondermissionen. Ihr könnt Euch vorstellen, Fürst Naraku, dass ein Vater seinen Sohn auch anlernen möchte. Und muss.“

Zumal wenn man ein Hyouga war und nach dem eigenen Ableben der Sohn die Macht erben würde, nun, wenn die Gerüchte stimmten, zu der eigenen Macht nicht nur die des Vaters, sondern aller Ahnen. Somit war jeder dieser Linie Motten mächtiger als jeder in der Reihe davor. „Nun gut. Ich vermute, dass Ihr sozusagen Sonderbotschafterinnen seid. Wie kann ich Euch entgegen kommen?“

„Ihr habt dem mächtigen Hyouga ein Angebot unterbreitet, das sein gewisses Interesse weckte,“ erklärte Ruri nach einem Blickwechsel mit ihrer Schwester. „So sehr, dass er sich nun überzeugen möchte, dass der Gegenstand, den Ihr anbietet, sich auch in Eurem Besitz befindet.“

Naraku neigte leicht den Kopf beiseite. Nun ja, Vorsicht war bei einem solchen Handel unausweichlich, denn immerhin bot er das shikon no tama nur gegen erhebliche Militärhilfe an. Er hatte zwar nicht damit gerechnet, dass die Motten so vorsichtig wären, er hatte da eher an die Vogeldamen gedacht, aber zum Glück war er vorbereitet. Es zahlte sich oft genug aus immer mehrere Wege vorauszuplanen. „Natürlich. Es wird nur ein wenig dauern. - Oh.“ Er hob etwas die Hand, da er die Blicke richtig deutete. „Nein, ich besorge keine Fälschung. Aber es wird Euch bewusst sein, dass solch ein wertvoller Gegenstand unter Bannkreisen verborgen werden muss, um, sagen wir, Interessenten nicht anzulocken. Und, dass er sich natürlich nicht in diesem Schloss befindet. Ich kann ihn jederzeit Euch zeigen. Falls die Damen mit mir einen kleinen Ausflug machen würden. Zur Geheimhaltung bitte ohne Eure Krieger.“ Er hatte das Juwel der vier Seelen vor fünfzig Jahren immerhin bei Kikyou gesehen und es entsprechend nun für seinen Handel mit den Vogeldamen nachgebildet. Diese Fälschung lag momentan, gut versiegelt, in einem Felsspalt in den Blauen Bergen. Er sollte allerdings so vorsichtig sein, dass keine der so genannten Botschafterinnen durch den letzten Bannkreis kam. Vielleicht war da doch eine magietüchtiger als man denken sollte und würde das vollkommen harmlose Juwel als solches erkennen.

„Dann brechen wir unverzüglich auf,“ entschied Hara. „Der mächtige Hyouga und Prinz Menomaru wünschen Bericht. Unser Schiff wird bald entladen sein. Seide und warme Stoffe, die Menschen aus den Haaren von so genannten Kamelen weben. Eure Gegenleistung?“

„Ich werde mir die Waren später ansehen. Wäre Euch mit Reis gedient? Oder Pferden?“ Naraku erhob sich. Leider besaß er den Westen noch nicht, und damit hatte er auch keinen Zugriff auf die Metalle. Aber, das würde sich bald ändern. „Dann kommt, meine Damen.“

„Reis,“ erwiderte Hara prompt. Das benötigte zwar kein Dämon, aber Menschen. Satte Menschen vermehrten sich rascher und wurden somit Futter für Motten.

 

Sesshoumaru kam nur langsam zu Bewusstsein, dass er lag. Etwas mühsam drehte er sich beiseite. Was war nur geschehen? Er befand sich in einem lichten Wald, hohe Bäume ließen ihren Schatten auf ihn fallen. Sein Körper schmerzte, und als er an sich herunter blickte, erkannte er, dass seine Rüstung geborsten war.

Die Erinnerung kehrte zurück und ihm wurde bewusst, dass er sich vermutlich glücklich schätzen konnte noch Schmerzen empfinden zu können. Paradiesvögel. Sie hatten ihn überfallen, ohne jede Vorwarnung von oben und hinten angegriffen.

Die einzige Warnung, die er bekommen hatte, war der Geruch gewesen, den sie ausströmten, und es war ihm gelungen Tokejin zu ziehen und zwei dieser Biester zu töten. Bedauerlicherweise waren sie in der absoluten Überzahl gewesen. Nicht, dass er gewöhnlich seine Gegner zählte, aber die Vögel hatten ihn von allen Seiten, aber immer mit Sturzangriffen von oben attackiert, versucht, ihre Krallen in seinen Kopf zu schlagen. Irgendeiner hatte dann den Schulterschutz seiner Rüstung gepackt und versucht ihn mit sich in die Luft zu ziehen. Nun ja, diese Primitivdämonen hatten wohl keine Ahnung davon, dass er fliegen konnte.

Gewöhnlich jedenfalls. Jetzt fiel es ihm schwer sich auch nur umzudrehen. Selbst nach einem harten Duell war er noch nie so verletzt worden und er war überrascht, wie schwach er sich fühlte, wie niedrig seine Energie war.

Warum nur hatten sie nicht nachgesetzt? Warum nur war er hier? Das war nicht die Gegend in der er gewesen war?

Das Letzte, an das er sich erinnerte war ein bläuliches Licht, das ihn umhüllt hatte, und ja, von seiner Hüfte ausgegangen war. Fast erschrocken suchte er um sich und war erleichtert Tokejin neben sich zu sehen, er musste es wohl trotz allem so umklammert haben, dass er es mitgenommen hatte. Wohin und warum auch immer.

Warum? Ein sehr verdächtigender Blick glitt an seinem geschundenen Körper entlang zu seinem zweiten Schwert, das er immer für nutzlos, ja, eine Herausforderung von Vater gehalten hatte. Tenseiga. War es möglich, dass das Schwert, das nicht töten konnte, doch einen Sinn hatte? Ihn zu beschützen? So wenig er Schutz benötigte?

Ein stechender Schmerz im Kopf ließ ihn diese Bemerkung korrigieren. So selten er Schutz benötigte? Er lag noch immer auf dem Bauch!

 

Etwas raschelte hinter ihm und er fuhr herum, instinktiv alle Energie, die er aufbringen konnte, abrufend. Mit rot leuchtenden Augen sah er sich um, außerstande aufzustehen. Wenn da ein jämmerlicher Dämon... Er erstarrte, als er den Störenfried erkannte. Kein Dämon, ein Menschenmädchen, ein Kind, das sich eilig hinter einem Baumstamm versteckte.

Kleiner Dummkopf. Wenn er sie hätte töten wollen, wäre sie bereits im Jenseits. Nun ja. Wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte wäre. Immerhin schluckte sie, als er sich bemühte sich aufzusetzen, und verschwand.

Durchaus erleichtert, dass niemand weiter Zeuge seiner Demütigung wurde, gelang es dem Erbprinzen seine Boa zu ordnen und sich bereits wieder erschöpft gegen einen Baum zu lehnen. Diese Paradiesvögel! Die Bezeichnungen, die er gerade für diese fand, waren weder eines Dämonen im Allgemeinen noch eines künftigen Fürsten im Besonderen würdig. Wie viele hatte er schon erledigt? Der Rest würde folgen. Oh, Sein Schwert. Er schob Tokejin in den Gürtel. Sicher war sicher, denn er benötigte bestimmt etwas Zeit um sich zu erholen, seine Energie wieder aufzufüllen. So matt war er noch nie gewesen und es war eine überaus unschöne Erfahrung, die ihm sicher kein zweites Mal widerfahren würde.

 

Er schrak aus seinem Dämmerzustand, als er hörte, dass sich etwas näherte. Mit gewissem Erstaunen erkannte er das kleine Mädchen von zuvor. Sie kam vorsichtig heran, verneigte sich jedoch und kniete neben ihm nieder, bot ihm wortlos eine Kalebasse, gefüllt mit Wasser, an. Wusste sie etwa wer er war? Unangenehm. Und selbst, wenn sie nur erkannte, dass er ein Dämon war, so war der Versuch zu helfen nett, jedoch absolut nutzlos. Allerdings sollte er dem Kind gegenüber nicht undankbar sein. Auch menschliche Dienstleistungen sollte ein vornehmer Dämon beachten, so sagte Vater oft genug, zumal, wenn er über sie regieren würde. „Ich nehme keine Menschennahrung zu mir.“

Die Kleine nickte und erhob sich, sichtlich nachdenkend, ehe sie wieder verschwand.

Hoffentlich holte sie nicht das ganze Dorf, dachte er noch, ehe er wieder in den so wichtigen Heilschlaf versank, suchte seine Energie aufzufüllen.

 

Der Hundefürst war auf dem Weg nach Süden nur locker getrabt, um nicht doch bereits mehrere Stunden alte Spur zu verlieren. Abis hastiger Aufbruch machte sie verdächtig. Wusste sie von dem Überfall auf Sesshoumaru? Hatte ihn gar geplant? Nur, warum sollte sie. Die Vogeldamen hielten sich zu ihrem eigenen Wohl von den anderen Fürsten entfernt und ob sein Ältester lebte oder starb konnte ihr gleich sein. An den Westen käme sie so oder so nicht heran. Hm. Persönliche Beleidiungn? Möglich, wenn er seinen Erben so ansah, jedoch wäre da Abi bis zu einer Duellforderung, nun zugegeben, eher der Aufforderung zu einem Übungskampf, sogar eine Beschwerde an den Fuchsfürsten, möglich gewesen.

Womöglich eher eine panische Flucht? Hatte die Vogelprinzessin rascher als er bemerkt, was da an den Krallen der Paradiesvögel hing? Sie hatte einen Ratschlag vom Heiler und wollte die Vögel eilig wieder in das Einflussgebiet ihrer Mutter bringen, hatte sie gesagt, und beides wohl zu recht. Aber Abi war nicht so dumm anzunehmen, dass ein Überfall ihrer Vögel auf seinen Sohn nicht zu Gegenmaßnahmen führen würde. Bevor sie seinen Zorn zu spüren bekäme – und sich ausrechnen konnte, dass das leicht tödlich würde – war sie lieber verschwunden, ehe er etwas merkte. Das wäre eine einfachere Erklärung. Er kannte schließlich den eigenen Ruf.

Dennoch. Warum waren die Vögel, wenn auch nur kurze Zeit, ihrer Kontrolle entwichen? Sie waren auch dermaßen prompt zurück gekehrt... Nach einem vergeblichen Kampf, noch dazu, wenn sie zuvor gegen den Befehl gehandelt hatten? Paradiesvögel besaßen quasi drei Köpfe. Sie waren zwar nicht dafür verschrien besonders intelligent zu sein, aber … Ja, aber. War ihre Unruhe und Aggression durchgebrochen und sie nach einem Opfer wieder leichter zu beruhigen gewesen? Bitte nicht.

Der Herr der Hunde blieb stehen. Ja. Hier hatte ein Kampf stattgefunden. Kaum noch identifizierbare Überreste zweier Vögel lagen hier, jede Menge Blut. Nur leider nicht sein Sohn. Hatten diese ….Wenn sie ihn gefressen hatten....

Er atmete einmal tief durch und zwang sich zur Ruhe, dazu, das gesamte Areal sorgfältig mit der Nase abzugehen, ehe er den Kopf hob. Keine Spur verriet den Tod seines Ältesten. Aber es fand sich ebenso keine Fährte, dass er entkommen war. Nur noch ein Hauch von Magie, als ob er selbst...

War er ein Narr.

Er verwandelte sich in seine Menschenform. Als Hund war er doch eindeutig Instinkten und Gefühlen mehr unterworfen und so konnte er besser nachdenken. Nichts hier bewies, dass die Vögel Sesshoumaru getötet hatten, wenngleich sie auf ihn getroffen waren. Er hatte sich recht erfolgreich gewehrt, gekämpft. Und dann war Magie hier, die eindeutig die seine, eigene, war. Und das bedeutete, Tenseiga, das Schwert, dass der Junge immer mit gewissem Unwillen nur seinem Vater zuliebe trug, hatte eingegriffen, das getan, wozu es unter anderem erschaffen wurde. Sesshoumaru zu schützen.

Es hatte seinen Sohn weggebracht, wohin auch immer. Und die Paradiesvögel hatten ihm nicht folgen können, zumal Abis Rückruf sie dann ereilt haben musste.

Ja, das ergab Sinn, zumal er seinen Erben nach wie vor nicht über die Magie des Landes erspüren konnte.

Zum ersten Mal sah er sich um.Vor ihm lagen die Nadelwälder, die die Kalkberge bis nach Süden begleiteten, licht und doch genug Holz für die Hütten und Bergwerke liefernd. Dort hörte er das Axtschlagen von Menschen, die dies ernteten. Wäre Sesshoumaru dort, hätte er doch einen Boten treffen müssen. In die Berge … Die andere Alternative war nach Westen, Richtung der Hügel und Ebene, in der die Menschen Tee und Reis anbauten. Sesshoumaru war verletzt und wollte sich kaum vor Menschen so sehen lassen, also würde dieser sich verbergen, seine Energie verbergen. Nun gut. Er musste eben suchen. Immerhin kannte er von seinem Territorium jede Pfote breit. Er hatte die Hoffnung, dass sein Ältester selbst diesen ungleichen Kampf nicht nur erfolgreich, sondern auch lebend überstanden hatte.

 

Sesshoumaru öffnete die Augen als er vorsichtige Schritte hörte. Das Mädchen wieder. Sie trug ein großes Blatt vor sich, auf dem Grashalme – oder war es Reis? - lagen. Sie verneigte sich erneut wortlos, kniete direkt neben ihm nieder und bot es ihm mit fragendem Gesicht an.

Zum ersten Mal beschlich den jungen Hundedämon die Vermutung, dass sie nicht der Höflichkeit wegen ihm gegenüber schwieg, sondern weil sie gar nicht reden konnte. So schüttelte er nur den Kopf. Bei Jaken hätte er noch ein: das habe ich dir gesagt, Dummkopf, und einen Tritt nachgesetzt, aber sie war so ehrlich bemüht, so hilfsbereit, obwohl sie doch sicher nicht wusste, wer er war. Wusste sie überhaupt, dass er kein Mensch war? Es gab wenige, aber doch so abgelegene, Dörfer, in denen nur selten etwas passierte und folglich auch nur sehr selten ein Dämon vorbeisah. Doch, das musste ihr klar sein. Sie hatte doch seine roten Augen gesehen? Seltsames Mädchen. Sie war jedenfalls eindeutig ein Mensch. Und jetzt füllten sich ihre großen, dunklen Augen mit Tränen. Was war denn jetzt... Irgendwie bekam er ein nie gekanntes, unbehagliches, Gefühl im Magen. „Ich behalte das Wasser,“ versprach er und wurde mit einem glücklichen Aufstrahlen belohnt, ehe die Kleine wieder verschwand.

Sie würde zurückkehren, da war er sicher. Stur wie ein Hund, das Menschenkind. Hoffentlich war er dann schon wieder erholt genug um den Heimweg nach Nishijo antreten zu können.

 

Kagome war mehr als erstaunt festzustellen, dass die Wälder jenseits des Flusses nach Süden noch dichter waren als nach Norden, allerdings auch lauter. Affen und Vögel schrien um die Wette, die Bäume mussten uralt sein. Manchmal stiegen die Hügel sehr steil an und wahre Riesengewächse ragten bis zu .. oh, sicher fünfzig Meter empor. Hier gab es kaum Felder oder Dörfer. Oder gingen sie nur an ihnen vorbei? Sie fragte ein wenig peinlich berührt Inu Yasha. Immerhin war das hier ihr Heimatland und er erst seit wenigen Wochen der Daimyo. Aber er war nett, er hatte ihr erlaubt Briefe an Souta und Eri zu schreiben, ja, die mit einem dämonischen Boten abgehen lassen, und er trug sie wieder. Und er hatte ihr bislang ihre Temperamentsausbrüche nicht heimgezahlt. Das war mehr als nachsichtig, denn ihr war durchaus klar, was allein jeder Ehemann für Rechte hatte, wie viel mehr ein Provinzfürst, und so hatte sie sich fest vorgenommen sich zu beherrschen.

„Ich glaube,“ sagte er ehrlich, da er es nicht so recht wusste: „Dass die Dörfer hier an der Magistrale oder am Fluss liegen, also an den Handelswegen und hier auch nur Holzfällerlager sind. Sonst ist hier auch nur wenig zu holen. Der Handel ist wichtig für Aoi, an der Kreuzung bei Kosaten und so. Das hier ist schon fast die Grenze zu dieser Provinz im Süden, deren Namen ich mir nicht merken kann. Sie trennt uns von Sobo, dem dämonischen Fürstentum der Füchse. Ist eine recht kleine Provinz. Was mit -wara. Fürst ist jedenfalls ein Kamura. Ach ja, Kamuwara.“

„Kleiner als Aoi?“

„Klar, ich meine, größer als Aoi ist nur noch die Provinz von Heiyokyo, die dem Kaiser, ich meine, meinem göttlichen Cousin, untersteht.“

Sango bewies, dass sie zugehört hatte und ließ Kiara näher an das Paar fliegen. „Darum ist Aoi ja auch so wichtig, Kagome. Jeder Provinzfürst, Daimyo, verfügt über dreihundert ausgebildete Krieger. Dazu aber auch noch über ein, sagen wir, Aufgebot an Männern aus der Provinz. Je mehr Einwohner, desto militärisch stärker.“

Inu Yasha sprang in größeren Sätzen weiter, da er über ihnen, am Ende dieses Hügels blauen Himmel entdeckte. Vielleicht konnte man da Pause machen? Kagome schien schon wieder müde, obwohl sie wirklich tapfer versuchte es zu verbergen. Aber die Nase eines, wenngleich halben, Hundes war schwer zu betrügen.

So blieb er oben auf dem Hügel stehen. Seine Sinne hatten ihn nicht getäuscht. Unter ihnen erstreckte sich zwar nach Ost und Süd wieder der Wald, im Westen die schroffen Gipfel der Kalkberge, aber gegen Südwest schien eine unbewaldete Ebene zu liegen. Der so große Fluss, der sich direkt vor den Kalkbergen befinden musste, war hier nicht zu sehen, damit auch nicht die parallel laufende Magistrale und mögliche Dörfer.

„Was ist denn das?“ Miroku zeigte nach Südwesten, allerdings in die Ferne. Etwas wie ein Blitz war dort aufgezuckt, jetzt noch einer. „Gewitter bei diesem schönen Wetter?“

„Dämonische Energien,“ erwiderte der Fürstensohn aus dem Westen prompt. „Da kämpft wer. Mist, und da sind Dörfer. - Miroku, Sango, geht mal nachsehen, ihr werdet doch mit Wurmdämonen sicher fertig.“

„Ja,“ sagte die Jägerin nur. „Zumal da auch ein nicht unfähiger Priester zu sein scheint, denn sonst gäbe es keinen Kampf. Seid ihr hier?“

„Ja. Weiter unten ist ein Teich, da machen wir Pause.“

Während ihre beiden Begleiter verschwanden, murrte Kagome: „Du sollst doch nicht auf mich Rücksicht nehmen! Verdammt, ich kann doch auch was!“

„Der letzte Wurmdämon, der dich sah, wollte dich heiraten,“ erwiderte er, mehr ehrlich als durchdacht.

„Oh, du....“ Gerade noch rechtzeitig dachte sie daran, dass ihr „Mach Platz“ nicht nur ihn zu Boden, bringen, sondern vermutlich den Hügel runterrollen würde – und sie gleich mit. Und zu allem Überfluss entsann sie sich dann ihres guten Vorsatzes. „Ja, wie du willst.“ Das konnte noch schwierig werden, diese Absicht einzuhalten.

 
 

Donnerbrüder


 

S

ie war nicht mehr gekommen.

Seltsamerweise empfand es Sesshoumaru fast ein wenig ...unangenehm. Er kannte das Gefühl nicht oder nur aus seinen weitest entferntesten Erinnerungen, wenn Mutter damals zu spät in den Augen des jungen Welpen gekommen war. Jetzt fragte er sich unwillkürlich, was einem Menschenkind in diesem Wald zugestoßen sein mochte. Aber der Westen galt allgemein als sicherer Ort für diese mindere Art – Vater achtete doch sehr darauf.

Vielleicht war ihr einfach bewusst geworden, dass er ein Dämon war oder sie hatte es ihren Eltern erzählt. War sie doch nicht stumm?

Wozu so viele Gedanken über ein junges Menschending.

Das mit den Paradiesvögel war weitaus wichtiger. Irgendwie mussten sie der Kontrolle ihrer Prinzessin entkommen sein. Das musste er dem Herrn der Hunde berichten. Es würde Vater nicht freuen, dass sich Gäste dermaßen daneben benahmen. Immerhin lebte er selbst noch und das war kaum etwas, was diese Riesenvögel beabsichtigt hatten. Noch einmal würde er sich sicher auch nicht so überrumpeln lassen. Jeden Krieger hätte er postwendend noch dafür bestraft.

Ja, er war zu selbstsicher gewesen – und er konnte leider davon ausgehen, dass der Inu no Taishou eben das ihn genau auch wissen lassen würde. Hoffentlich schickte der ihn nicht zu Mutter. Und, als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre – sollte sich da nicht auch inzwischen seine ungeliebte Braut herumtreiben?

Schön. Er musste Vater irgendwie beruhigen. Nur, wie? De facto hatte er sich von sechs Paradiesvögeln wie ein Welpe überfallen lassen, nur zwei von ihnen töten können. Das war kaum das, was der Fürst des Westens von seinem Sohn erwartete. Von seinem Erben.

Vater!

Er spürte dämonische Energie, bekam die Witterung in die Nase. Der war schneller hier als er gewünscht hätte. Aber natürlich kannte dieser über die Magie doch alles, was sich in diesem Gebiet abspielte.

Ja. Ein sehr großer weißer Hund betrat die Lichtung, um dessen Brust sich dick das Fell schwang. Rote Augen musterten ihn, ehe sich der Taishou in seine menschliche Gestalt verwandelte.

Sesshoumaru neigte eilig wenigstens den Kopf.

 

„Zwei von sechs.“ Durch nichts hätte der Vater seine Erleichterung zu erkennen gegeben, dass sein Ältester noch lebte, ja, am regenerieren war. Gefühle schickten sich nicht für so hochrangige Dämonen. Überdies würde sich sein Welpe eher noch beschämt fühlen.

Tja. Was sollte er dazu sagen? Sie attackierten von hinten und oben? Es war ein Hinterhalt? Prompt kam der Satz, den er befürchtet hatte.

„Ich meine mich zu entsinnen dir des Öfteren erklärt zu haben, dass man niemals die Rückendeckung vernachlässigen soll. Nicht in einer Schlacht, nicht bei einem Spaziergang. Jeder, gleich wie mächtig, ist zu schlagen.“

„So sagtet Ihr, chichi-ue.“ Jetzt bloß nicht noch Stimmung gegen sich selbst machen. Die Predigt und Strafe hatte er wohl verdient.

Der Blick des Hundeherrn fiel auf die Kalebasse mit Wasser. Mit einer Braue hochgezogen sah er erneut zu seinem vermutlich schwierigsten Sohn. „Trägst du nun immer Kürbisse mit dir?“

Auch das noch. „Es ... wurde mir gebracht. Ein Mensch vermutete wohl irrtümlich ich benötige Hilfe.“

„Ein Mensch. Und der hat es überlebt.“ Das wäre zwar durchaus ein Schritt in die richtige Richtung, aber gerade wenn Sesshoumaru so verletzt gewesen war, war der doch viel mehr seinen Instinkten unterworfen. Und die lauteten leider meist: töten.

„Ein Welpe.“

„Ein Menschenkind?“ Wäre nicht der Kürbis hier gestanden, hätte er vermutet sein Erbe halluziniere.

„Ein kleines Mädchen, chichi-ue.“ Hoffentlich war das Verhör bald zu Ende.

Das wurde immer merkwürdiger. „Du hast dich bei ihr bedankt.“

Nun ja. Er hatte gesagt, er nehme keine Menschennahrung zu sich. Er hatte sie nicht umgebracht. Das war doch fast so ähnlich.

Sein Vater kannte ihn allerdings. „Steh auf. Sie wird gewiss in dem Bauerndorf dort vorne leben. Und du wirst dich bedanken, wie es sich für einen künftigen Fürsten gehört.“

Er hatte versagt. Was blieb ihm übrig als sich aufzuraffen und zu gehorchen. Inu Yasha hatte schon wieder so ein Glück! Der hockte da in Aoi als Daimyo, konnte Menschen herumkommandieren und hatte keinerlei Probleme.

 

Sango war ein wenig erstaunt, als ihre Kampfkatze sich ohne ihr Zutun aus der Luft senkte, kannte sie jedoch gut genug um sich umzusehen. „Was hast du, Kirara?“

„Hier war jedenfalls der Kampf.“ Miroku sprang ab, seinen Mönchsstab bereits abwehrbereit schräg vor sich. Ja. Hier hatten mächtige Wesen gegeneinander gekämpft. In fast dreihundert Metern standen keine Bäume mehr, die Erde war verbrannt. „Unglaubliche Energie, fast, als ob hier Blitze eingeschlagen wären.“

„Und ich glaube, da vorne ist das Opfer.“ Auch die Dämonenjägerin war abgestiegen und deutete in die Mitte der Verwüstung. „Das ist doch ein toter Dämon?“

„Ja. Und er scheint verbrannt zu sein. Warte hier.“

„Nett, aber sinnlos. Glaubst du, ich habe noch nie Tote gesehen? Noch dazu tote Dämonen....“ Sango brach ab und schlug die Hand vor den Mund. Sie hatten sich den Überresten des Toten genähert.

Miroku fuhr herum und musterte den Wald. „Ich kann keine Dämonen mehr spüren. Immerhin etwas.“

„Ein toter Fuchs. Und ...“

„Ja. Sie haben den armen Kerl nicht nur gegrillt, sondern ihm auch noch das Fell über die Ohren gezogen. Buchstäblich. Geht es, Sango?“

„Ja. Es ist nur … wer macht so etwas? Und, das ist ein Fuchsdämon! Eines der mächtigsten Wesen in der Magie. Guck doch mal, er müsste drei oder vier Schwänze gehabt haben. So jemanden umzubringen...“

„Ja. Das könnte eigentlich nur ein Dämonenfürst oder ein wahnsinnig mächtiger Priester oder miko. Deswegen meine ich ja auch, es müssen mindestens zwei gewesen sein.“

Die Jägerin atmete möglichst unauffällig in eine andere Richtung, ehe sie zurückwich. „Das ist das nächste Problem, hoshi-sama. Was macht ein Fuchsdämon, offenbar jemand aus der oberen Schublade, hier in Aoi? Wir sind im menschlichen Kaiserreich!“

„Da hast du recht. Vielleicht wollte er sich hier verstecken vor dem Fürsten von Sobo? Und, weil er ein Dorf angriff verteidigten sich die Menschen? - Warte.“ Er ging abseits. „Hier sind Spuren. Zwei Erwachsene mit Stiefeln und Fußabdrücke wie von einem Kind. Hatte der ein Kind überfallen? Aber ich kann keine läuternde Magie spüren. Nur dämonische.“

Die Jägerin sah sich zu ihrer Katze um, aber die nekomata schien nur angespannt, nicht kampfbereit. „Ja, Dämonen gegen einen Dämon. Zwei Dämonen. Wohin führt die Spur?“

„Ins Nichts. Als ob sie sich in Luft aufgelöst haben.“

„Sie sind weggeflogen,“ konstatierte Sango, ehe ihr das wahre Ausmaß des Problems dämmerte. „Wir können nur hoffen, dass der tote Fuchs nicht gerade ein ranghoher Bote seines Fürsten an den Inu no Taishou war. Und statt da über die, so hörte ich, steilen Berge zu gehen, den Umweg über Aoi und den Pass von Toyama wählte.“

„Mit Kind?“

„Warum nicht? Der Taishou brachte ja auch selbst Inu Yasha nach Aoi. Dämonen scheinen gute Eltern zu sein. Manchmal. Oder die höheren. Und gerade deswegen der Umweg. - Miroku, wenn das ein ranghoher Bote war, der von anderen Dämonen überfallen wurde, dessen Kind entführt …“

„Ja, da dürfte der Neunschwänzige nicht begeistert sein. Und der arme Inu Yasha bekommt Ärger, obwohl er ….Nun, er ist hier für die Sicherheit verantwortlich.“

„Stimmt. Und er hat offensichtlich versagt, wird vermutlich der Fuchsherr sagen. Genauer, das kann man mit ein bisschen bösem Willen als Bruch des Friedensvertrages zwischen Menschen und Dämonen auslegen. Immerhin ist Inu Yasha der kaiserliche Cousin.“

„Wir begraben den armen Kerl – denn ich bin eigentlich fast sicher, dass er überfallen wurde. Erstens nimmt man zu einem Spionageruftag oder sonst was kein Kleinkind mit und zweitens – das Fell abzuziehen ist schon recht geschmacklos.“

„Begraben wir ihn. Und dann sehen wir mal, ob wir der Spur der Entführer folgen können.“

Zwar bewunderte der Mönch die Tatkraft der Jägerin, aber er sah ein nicht ganz unwesentliches Problem. „Sango, meinst du nicht, es wäre gut Inu Yasha zu informieren?“ Soweit er gelernt hatte, neigten hohe Herren dazu bei Problemen, die ihnen entstanden, erst einmal die schuldigen Mitarbeiter um einen Kopf kürzer zu machen.

„Ja, wäre es. Aber wir sollten uns beeilen. Wer weiß, was die mit dem Kleinen vorhaben. Und ehrlich gesagt, wenn wir unserem Daimyo und der dann dem Herrn der Füchse immerhin ein heiles Baby zeigen können, gibt es vielleicht doch nicht so einen großen Ärger.“

„Wo du recht hast ...“ Sie war hübsch, intelligent und pragmatisch. Nicht zu vergessen, eine ausgebildete Kämpferin. Miroku sah sich nach einem Ast um, um den als provisorische Schaufel zu benutzen. „Energie wie Blitze …. Das erinnert mich an eine Reise vor Jahren in die menschliche Provinz im Nordosten, praktisch neben Miyaj, wo die Wölfe sind, und Chiba, das der Drachenkönig besitzt. Da war die Rede von zwei Dämonenbrüdern, die sich nicht den Fürsten unterworfen hätten, aber ungeheuer stark wären. Sie überfielen immer wieder Dörfer, vermutlich gerade weil sie eben ihre Unabhängigkeit zeigen wollten, und weder Wölfe noch Drachen bekamen sie zu fassen.“

„Weil sie sich immer wieder in den rein menschlichen Provinzen versteckten?“

„Ich würde gerade sagen, ja. Man nannte sie die Donnerbrüder.“

„Und dann kommt ein Bote hier vorbei von einem Fürsten an den anderen und stolpert über sie? Natürlich müssen sie ihn zum Schweigen bringen. Aber Kagomes Vater ...“

„Ja, der war sehr ordentlich, hat wohl aber einiges nicht mitbekommen. Wir müssen hinterher, irgendwie.“

 

Inu Yasha und Kagome hatten sich mehr oder weniger gemütlich an dem kleinen Teich niedergelassen um ihre Freunde zu erwarten. Da der junge Daimyo allerdings mit etwas zusammengezogenen Brauen da saß, fragte sie vorsichtig: „War etwas falsch?“

Er schrak aus seinen Gedanken auf. Freunden sollte man das erklären, oder? Sie war doch seine Freundin schon mal? „Ja. Das waren dämonische Energien, ein Kampf. Hier in Aoi, wo nun Dämonen wirklich nicht gegeneinander kämpfen sollten. Ich meine, das hier ist das Kaiserreich und da gibt es den Friedensvertrag. - Bist du noch müde?“

Sie lächelte dankend. Er war immer so besorgt um sie. Und ehrlich. Ja, doch, sie freundeten sich an, glaubte sie. „Nein, du hast mich ja getragen.“ Ja, der Friedensvertrag. Sie wusste wirklich nicht viel über den vor dreihundert Jahren geschlossenen Frieden, aber sie wollte sich auch nicht vorstellen wie es wäre, würden Leute wie ihr Schwiegervater oder der Drachenkönig mit ihren Kriegern über Menschen herfallen. „Du bist sicher, dass das Dämonen waren, ich meine, auf beiden Seiten? Keine Priester oder so?“

„Je mehr ich darüber nachdenke, nein. Auch, wenn da noch etwas anderes als dämonische Energie drin steckte. Hoffentlich keine Drachen, weil das gibt richtig Ärger. Und mit richtig meine ich das auch. - Komm. Wir gehen da drüber, Richtung Westen. Dann sollten wir doch Sango und Miroku treffen.“

„Sie bemerken dich?“

„Miroku vielleicht, Kirara sicher. Diese nekomata sollen unglaublich in der Magie sein, auch, wenn sie noch recht jung ist.“

„Jung. Fünfhundert? Dreihundert?“ Aber sie musste nur daran denken, dass auch er schon Jahrhunderte alt war. „Ja, natürlich. Warte nur kurz, ich nehme den Bogen anders, damit ich schneller bin, falls da doch...“

„Ich beschütze dich!“

„Ja, natürlich,“ beteuerte sie eilig. „Aber vielleicht sind da auch Menschen.... Ich meine, da sehe ich vertrauenswürdig aus.“

Das stimmte vermutlich. Und er hatte gerade genug um die zuckenden Ohren. Vater würde ihm nie verzeihen, wenn er dessen Vertrauen, das der mit dieser Aufgabe in ihn gesetzt hatte, damit beantwortete, dass er den nächsten Dämonenkrieg verschuldete. Er würde ihn vermutlich nicht umbringen, nun, nicht gleich, aber so ansehen... Diese Enttäuschung hatte er zugegeben erst ein oder zwei Mal in seinem Leben erblicken müssen, aber es hatte unglaublich weh getan. „Mach.“

 

Da Inu Yasha sie getragen hatte, standen die Zwei nur eine Viertelstunde später am Rande einer Waldlichtung. Kagome entdeckte vor sich ein Haus, eher ein kleines Schloss. Und sie hörte den klagenden Ausruf eines Kindes: „Papa!“ Ohne lange nachzudenken wollte sie losrennen, als sie eine feste Klaue am Oberarm spürte. Wütend fuhr sie herum. „Was soll das? Du hast doch gehört, da ist ein kleines Kind...“

Inu Yasha holte tief Luft.

Ein wenig zu tief, denn Kagome beschloss sich zu entspannen und nicht das „Wort“ zu sagen, das ihr schon auf den Lippen lag. „Wir müssen doch helfen!“

„Wem?“ fragte er schlicht und ließ sie los. Die dämonisch strikte und noch dazu auf Militär ausgerichtete Erziehung schlug sich Bahn, so sehr auch dieser Ausruf ihn dazu verleiten wollte loszustürmen. Das hatte so bemitleidenswert geklungen, mit Tränen in der Stimme.

„Na, dem Kind!“ Sie begriff gerade gar nichts.

„Und woher willst du wissen, dass da nicht gerade ein Vater sein eigenes Kind bestraft, weil es was angestellt hat?“

Und der dazu jedes Recht besaß, ja. Kagome seufzte.

Irgendwo tat es ihm schon wieder Leid sie so enttäuscht zu sehen. So erklärte er: „Außerdem, guck doch mal hin. Es könnte auch eine Falle sein.“

„Eine Falle?“ gab sie zugegeben verwirrt zurück.

„Ich spüre da drin, und du solltest es auch, dämonische Energien. Aber das ist doch ein menschliches Haus, oder?“

Sie akzeptierte den Tadel und konzentrierte sich. „Ja, doch. Dämonen. Mehrere, drei oder vier? Nein, zwei ….Irgendwie eigen. Du meinst, da hockt womöglich ein Dämon drinnen, der die Menschen umbrachte und jetzt so tut, als ob er ein um Hilfe rufendes Kind ist, um weitere anzulocken?“

„Jedenfalls stimmt da irgendetwas nicht.“

„Ja.“ Sie dachte nach, bemüht, sich nicht noch einmal als blindlings drauf losstürmend zu blamieren. „Und es ist schon so wie vornehmere Menschenhäuser aussehen. Aber eigentlich müsste dann auch ein Dorf in der Nähe sein. Das gehört dann dem Ortsvorsteher oder so. Und hier sind keine Felder.“

„Sie waren da ….“ Der Halbdämon witterte. „Sehr verblichen, aber doch. Da drüben irgendwie brannte es. Ruinen. Verdammt. Da kann bloß wer sein, der ein Dorf vernichtet hat.“ Und ein Dorf, für das er verantwortlich war. „Das ist doch....“ Seine Rechte legte sich an den Schwertgriff.

„Ich habe eine Idee!“ verkündete Kagome. „Also, einen Plan. Ich bin doch als miko angezogen, niemand vermutet etwas anderes, oder? Ich werde jetzt also da über die Wiese gehen, zum Haus. Und ganz harmlos nach dem Weg zum Fluss fragen.“

„Das ist bescheuert! Du rennst dem Dämon ins Maul.“

„Aber nein, du passt doch auf mich auf, oder?“ Sie lächelte aufmunternd. „Und, damit auch niemand was merkt, ich meine, wenn das alles doch friedlich ist, bleibst du hier am Waldrand. Dann blamiert sich nicht der Daimyo. Aber, wenn da etwas los ist, beschützt du mich.“

Inu Yasha fand den Plan zugegeben einfach aber brillant. Der hätte von ihm sein können. „Na schön, aber bleib wirklich harmlos, falls da doch einfach nur wer wohnt.“

„Dürfen Dämonen denn...?“

„Keine Ahnung, aber es gab und gibt eben auch welche, die sich keinem Fürsten unterwerfen wollten und lieber die Waldeinsamkeit suchten. Manchmal aus bösen, manchmal aus harmlosen Grüben, also, für Menschen.“ Und da waren jedenfalls Dämonen im Haus und abseits ein ehemaliges Dorf. Trotzdem – eigentlich waren menschenfressende Wurmdämonen nicht darauf aus in eine, wenngleich ehemals, menschliche Bleibe zu ziehen. „Halt trotzdem lieber Abstand.“

„Ich pass auf, versprochen.“ Kagome nickte einmal, ehe sie ihren Bogen zurecht zog und aus dem Wald trat. Sie hatte tatsächlich wenig Angst. Immerhin würde Inu Yasha auf sie aufpassen, er war der Daimyo – und, wer wäre schon so verrückt einer daher spazierenden Priesterin etwas tun zu wollen? Außerdem, das hatten ihr doch Miroku und Sango versichert, Opa bestätigt, besaß sie gewisse eigene Fähigkeiten. Jawohl Sie würde ihrem Ehemann schon beweisen, dass sie etwas drauf hatte.

Sie ging daher unbefangen auf das Haus zu, Bogen und Köcher über der Schulter.

 

Zugegeben, sie wollte klopfen, als sich die Tür öffnete und ein junger Mann erschien, mit langen dunklen Haaren und durchaus gut aussehend, wie sie fand. Sie öffnete den Mund um ihre Frage nach dem Fluss zu stellen, als er sie am Arm packte und ins Haus schleuderte. Bogen und Köcher flogen, als sie schmerzhaft gedreht wurde.

 

Kagome wollte fast protestieren, ehe sie verstummte. Der Kerl war ein Dämon und er war nicht allein. Da hinten hockte ein anderer der gleichen Art, wenngleich viel dicker und hässlicher, was eindeutig nicht an seinem fast kahlen Schädel lag. Was sie ihm klar negativ anrechnete, war, dass er vor einem Käfig mit einem kleinen Fuchsdämon drin kniete, sich allerdings rechtzeitig umdrehte um sie einzufangen und ihr Handgelenk zu packen.

„Das ist ja nett,“ sagte er. „Vielen Dank, großer Bruder. So viele Haare.“

Haare? Sie war verwirrt, erkannte dann aber an dem verzweifelten Gesicht des kleinen Fuchskindes, das sie sich zusammen nehmen musste. Und Inu Yasha hatte das doch sicher auch gesehen.

Der eindeutig gut aussehende Bruder meinte: „Manten, dein Abendessen wird noch warten müssen. Ich denke, die hier wird dir auch gefallen.“

„Aber ja.“ Manten sah Kagome an, die wirklich, wirklich überlegte, wie man einen Dämon läutern konnte, aber die Energie, die diese beiden ausstrahlten war … Nun ja. Bestimmt das Stärkste, was sie je gefühlt hatte. Ihr Schwiegervater hatte seine Energie ja unterdrückt, als er in der Burg gewesen war. „So viele Haare und ein Mädchen. Das wird fein! Ehe ich den Fuchs koche, werde ich eine Haartinktur machen. Ja, genau. Damit ich endlich wieder so hübsch bin, wie du, großer Bruder.“

Das wagte Kagome zu bezweifeln, ehe ihr die Worte so recht ins Bewusstsein drangen und sie versuchte sich loszureißen. Haartinktur? WAS wollte der aus ihr machen?

Manten sah auf, da sein Bruder nach einem Stab griff. „Was ist?“

„Mach, was du willst, Manten. Aber mir kommen hier in letzter Zeit zu viele Idioten über den Weg. Ich sehe mich mal um.“

„Gut. Ich setze dann mal das Wasser auf. Und du wartest hier, Mädchen.“

Das hatte Kagome wirklich nicht vor. Sie unterdrückte nur mühsam ihre Angst und sah zu dem Fuchskind. „Wie heißt du?“ fragte sie im Bemühen den Kleinen zu beruhigen.

„Shippou. Der will mich fressen! Und sie haben Papa....“

„Nicht weinen.“ Sie suchte hektisch nach dem Haken mit dem der Käfig verriegelt war – zu weit außen, als das der Kleine sie erreichen konnte. „Ich heiße Kagome. Wir verschwinden hier, komm...“

 

Draußen hatte Inu Yasha unwillkürlich zu Tessaiga gegriffen, als Kagome in das Haus gezerrt worden war. Er hatte doch gleich gedacht, dass ihr Plan nie funktionieren würde. Und was nun? Da kam ein Dämon aus der Hütte. Ließ der Idiot etwa Kagome und das Kind da drin alleine? Der sah sich um, schien aber sich eher nach rechts zu orientieren und verschwand dann im dortigen Wald. Immerhin schien der ihn nicht bemerkt zu haben.r, warum kam Kagome denn nicht raus? Hatte der ihr etwa etwas getan? Sie gefesswelt oder Ärgeres? Er trat aus dem Wald. Er musste nachsehen gehen, zumindest, solange der Kerl weg war.

Sekunde. Da war noch eine dämonische Energie im Haus. Auch zu stark um für das Kind zu gelten. Und etwas wie eine kleine Aura – ja, das war sicher ein Dämonenkind. Was trieben diese zwei Idioten denn hier in seiner Provinz? Die konnten doch nicht einfach hier rein schneien, Dörfer niederbrennen und Leute entführen!

Mist! Da war jemand leider nicht so unaufmerksam, wie er gehofft hatte. Der Unbekannte kam zurück, wie schon zuvor einen goldenen Stab in der Hand. Kein Schwert, erkannte der Fürstensohn aus dem Westen. Der Stab. Stockfechten oder so? Er hatte ds nur mal kurz gezeigt bekommen, denn Vater fand das eines Kriegers unwürdig, aber hatte Wert darauf gelegt, dass seine Söhne möglichst jedem Widersacher begegnen konnten.

Der Unbekannte hob ein wenig den Stab, ehe er einen Blick zum Haus warf.

Ja, danke, dachte Inu Yasha und wich eilig beiseite um das nicht im Rücken zu haben. Es würde sowieso schwer werden, das nicht zu treffen. Aber solange Kagome und das Kind da drin waren, musste er sich vorsehen.. Er wollte schließlich seine Ehefrau nicht aus Versehen umbringen.

 

„Eine halbe Portion,“ erklärte der Fremde spöttisch. „Du glaubst doch nicht, dass du gegen mich eine Chance hast? Ich bin Hiten, der Ältere der Donnerbrüder.“

„Sollte mir das etwa etwas sagen?“ Inu Yasha zog. Donnerbrüder? Also waren sie zu zweit und der andere wirklich im Haus. Schlecht. Aber aufgeben war keine Option. Wie stand er denn als Provinzfürst da, wenn in Aoi dämonische Banditen ihr Unwesen trieben? Denn das waren sie ohne Zweifel. So starke Dämonen wohnten nicht mal eben unter Menschen – die verbargen sich vor den Fürsten und dem Drachenkönig, da war er sicher.. Und außerdem hatte er doch Kagome versprochen auf sie aufzupassen. Das musste er doch unter allen Umständen halten.

 

Er sah, wie Hiten den Stab weiter in die Höhe hob und rechente ereits mir einem Angriff. Dennoch wurde er vollkommen überrascht, als aus diesem Blitze auf ihn zurasten. Nur sein Gewand aus roten Feuerhaaren verhinderte, dass er jetzt schon schwer verletzt war. „Mist!“ murmelte er. Das waren wirklich Blitze!

„Spüre meinen Blitzstab!“ Durch nichts hätte der Ältere der Donnerbrüder zugegeben, dass er ein wenig erstaunt war. Normalerweise widerstand kein Dämon diesem Angriff und das war doch nur ein halber? Oder irrte er sich da? Gut, der war zurückgetaumelt, aber stand eindeutig noch.

 

Das war ganz schlecht, erkannte Inu Yasha. Der Kerl hatte echt was drauf! Und er konnte in dieser Position schlecht das kaze no kizu, den Energieangriff seines Schwertes einsetzen. Die Gefahr, mit Ausläufern das Haus zu beschädigen oder einzureißen war leider recht groß. Zu allem Überfluss funktionierte seine Verteidigung mit Tessaiga nur gegen dämonisch Energieattacken – nicht gegen echte Blitze. Komm schon, Kagome, dachte er, komm raus, irgendwie. Tja, bis dahin musste er auf Zeit spielen. Noch durfte er nicht zeigen, wie stark er in Wahrheit war, dass er auch mit Energie angreifen konnte.

„Wenn das schon alles war, hast du verloren,“ gab er daher nur zu Protokoll, ehe er mit erhobenem Schwert auf seinen Gegner zulief. Ablenken, beschwor er sich, und ja nicht Kagome in Gefahr bringen, als ihn seine Ungeduld verleiten wollte, doch bereits das kaze no kizu einzusetzen.

 

Im Haus war niemandem der Blitzschlag draußen entgangen. Manten sah aus der Küche in das Zimmer. Zufrieden erkennte er, dass zwar das Mädchen den Fuchs aus dem Käfig geholte hatte, aber nun mit dem im Arm da kniete. „So ist es brav,“ lobte er daher. „Hiten kämpft. Du warst wohl nicht alleine? Egal. Mein großer Bruder hat Blitzschlag eingesetzt. Dagegen hat niemand eine Chance.“ Er musterte Kagome. „Du hast so viele und dichte Haare.“

Was sollte sie dazu sagen? Zum Glück schien er keine Antwort zu erwarten, sondern verschwand wieder in der Küche. Im nächsten Moment stand die vermeintliche miko auf zitternden Beinen und rannte zur Tür, noch immer das Fuchskind an sich drückend. Irgendwie bot ihr die Wärme des Kleinen etwas wie Halt in dieser surrealen Lage. Sie öffnete die Tür. Inu Yasha! Er kämpfte, ja, gegen den anderen Dämon, der allerdings gerade mit dem Rücken zu ihr stand. Sie lief hastig weiter.

Der Halbdämon atmete unwillkürlich auf. Sie lebte, da war sie und hatte offenbar ein Fuchskind im Arm. Hoffentlich bemerkte Hiten sie jetzt nicht und sie konnte weiter fliehen, damit wäre sie buchstäblich aus seiner Bahn und er könnte endlich das kaze no kizu einsetzen. Er hatte einige schmerzhafte Treffer von diesem Blitzstab einstecken müssen. Und das reichte jetzt wirklich.

Im Haus grollte etwas wie ein ferner Donner, dann schoss etwas wie ein Kugelblitz aus der Tür und verfehlte Kagome und Shippou nur sehr knapp. Die Druckwelle riss die Zwei zu Boden. Während die junge Frau vor Schreck den Fuchs fallen ließ, tauchte aus dem Licht hinter ihr die Gestalt des anderen Donnerbruders auf.

 

Hiten fuhr herum. „Manten!“

„Ich habe sie gleich wieder, großer Bruder, versprochen!“ Der Jüngere wandte den Kopf zurück zu den Liegenden und wollte eindeutig zu ihnen laufen.

Inu Yasha murmelte einen Fluch, der weder einem Fürstensohn noch einem Daimyo ziemte. Das sah nicht gut aus. Ohne weiter nachzudenken, wollte er jetzt das kaze no lizu auf den jüngeren dieser zwei Idioten schicken, entsann sich dann allerdings gerade noch, dass da auch die arme Kagome in der Linie wäre. Und das Fuchskind. In der nächsten Sekunde traf ihn wieder ein Blitzstrahl an der Schulter. Mit einem Aufschrei fuhr er herum.

„Wo guckst du denn hin?“ erkundigte sich Hiten. „Ich bin dein Gegner. Oder ist die miko etwa dein Liebchen? Wie nett, wenn du zusehen kannst, wie sie zerlegt wird.“

„Keh! Von was träumst du nachts?“ Zerlegt? Die waren ja noch schlimmer als er bislang angenommen hatte. Also erst einmal wieder direkten Angriff. Der hob Tessaiga um direkt damit zuzuschlagen und lief los.

Hiten bemerkte es fast amüsiert. Da schien eine wunde Stelle bei seinem Widersacher zu liegen. Die miko war dann eine perfekte Ablenkung, denn der Halbdämon hielt sich bislang nicht schlecht, zugegeben. Er fing die Klinge allerdings mit dem in beiden Händen gehaltenen Stab ab.

 

Kagome drehte sich ein wenig mühsam um. Inu Yasha kämpfte dort drüben und konnte ihr nicht helfen. Shippou stand zwar neben ihr, aber, was sollte so ein Fuchskind schon ausrichten können?

Im nächsten Moment sah sie die Antwort.

„Fuchskreisel!“ rief der Kleine.

Als die junge Frau weiter sah, entdeckte sie, dass Manten offenbar zur Salzsäule erstarrt war. Der Grund befand sich auf seinem Kopf. Dort war ein riesiger, sich eilig drehender Kreisel entstanden, den sie als Kinderspielzeug kannte. Warum nur rührte sihc der Donnerbruder nicht? Tat das so weh?

Im nächsten Augenblick ließ eine Handbewegung Mantens den Kreisel wegfliegen. Der löste sich im Nichts auf und der massige Dämon tatstete auf seinen Kopf, ehe er sichtlich wüted wurde.

„Meine Haare! Meine schönen, letzten Haare!“ Das Grollen klang wie ein entferntes, sich rasch näherndes Unwetter.

Shippou geriet in Panik und machte eilig einen weiten Satz, als Manten sich rasch näherte.

Kagome wollte auf, wollte … Aber da war der Dämon schon über ihr, packte sie mit beiden Händen am Hals und begann sie zu würgen. Sie versuchte instinktiv die drosselnden Finger von ihrer Kehle zu bekommen, aber gegen einen Dämon hatte sie Kraft gegen Kraft keine Chance. Sie rang nach Luft, die sie nicht mehr bekam. In ihrer Panik dachte sie nicht daran, dass ihre läuternden Fähigkeiten ihr vielleicht helfen könnten. Irgendwie bekam sie mit, dass Shippou sich in wildem Heldenmut auf den Donnerbruder stürzte und ihn in den Arm biss.

Es war sinnlos. Manten benötigte nur eine Bewegung mit seiner großen Hand, um den Fuchsjungen wie eine lästige Fliege abzuschütteln und gegen das Haus fliegen zu lassen. Shippou prallte gegen einen Balken und blieb regungslos liegen.

Kageome hatte die kurze Pause genutzt um hastig Atem in ihre Lungen zu ziehen. Es war allerdings nur ein kurzer Aufschub gewesen, denn nun legten sich erneut die würgenden Finger um ihren Hals. Sie starrte ihren Angreifer an, aber ihr Blick verschwamm, wie ein schwarzer Vorhang senkte sich langsam die Dunkelheit über sie.

 
 

Waisenkind


 

D

er Halbdämon hatte durchaus erkannt, dass seine Ehefrau in ernsten Schwierigkeiten steckte, aber der ältere Donnerbruder griff ihn dermaßen permanent an, dass er außer beiseite springen zu versuchen sich mit Tessaiga zu schützen nicht viel unternehmen konnte. Diese dämlichen Brüder waren ein eingespieltes Team, das musste er zugeben. Aber er musste auch etwas tun. Er hatte ihr doch versprochen sie zu beschützen! Und kein Mensch hielt es unter dem Griff eines Dämons lange aus. Sie würde ersticken, und er wäre schuld.

Ohne weiter nachzudenken, schleuderte er sein Schwert, das sich ohne Kontakt mit der dämonischen Energie aus der Hand seines Herrn rasch verkleinerte und als schmale Klinge durch die Luft flog.

„Wohin wirfst du denn?“ erkundigte sich Hiten fast amüsiert, da ihn die Waffe deutlich verfehlte. Er hatte nicht einmal einen Schritt seitwärts machen müssen. Das war wohl der letzte, verzweifelte Angriff gewesen.Und diese dämliche halbe Portion hatte sich gerade selbst entwaffnet. Das würde jetzt schnell gehen.

„Genau ins Schwarze!“ keuchte Inu Yasha, dem ebenfalls klar wurde, dass er sich gerade selbst jeder Verteidigung beraubt hatte. Nun, fast jeder. Aber ein Angriff war damit unmöglich geworden. Immerhin hatte es funktioniert.

Hiten sah, wohin der Blick seines Gegners ging, und fuhr herum. Das geworfene Schwert hatte Manten durchbohrt, der über der liegenden miko zusammengebrochen war. Diese versucht anscheinend sich unter der schweren Last hervor zu bewegen. „Mein kleiner Bruder!“ Als sich Hiten wieder zu seinem Widersacher drehte, lag kein Amüsement in seinen Augen, sondern Wut und Hass. „Das wirst du büßen, Halbdämon!“ Mit dem hoch erhobenen Blitzstab machte er einen weiten Sprung auf seinen wehrlosen Gegner zu.

 

Instinktiv nach einer verbliebenen Verteidigung suchend, riss der junge Daimyo die hölzerne Scheide seines Schwertes heraus. Funken stoben, als der metallene, aufgeladene. Stab auf das Holz traf, aber es hielt. Ein Kräftemessen begann.

 

Kagome war es irgendwie gelungen, den Toten von sich zu rollen und setzte sich keuchend auf, am ganzen Körper zitternd. Was war …? Inu Yasha! Er hatte sein Schwert geworfen um sie zu retten und war nun selbst in höchster Gefahr. Er brauchte dringend dieses Tessaiga zurück. Nur leider steckte es noch immer in dem Dämon. Und eigentlich fand sie es ekelhaft und...

Nimm dich zusammen, befahl sie sich. Dein Ehemann und Daimyo kämpft ohne Waffe, weil er dich beschützen wollte. Er soll doch nicht umkommen, weil er dir helfen wollte.

So lehnte sie sich hinüber und überwand sich den Griff zu packen und die Klinge aus dem Toten zu ziehen. Mühsam raffte sie sich auf. „Inu Yasha!“ schrie sie, so gut es mit der wunden Kehle ging. Das war nicht gerade laut und so wedelte sie das Schwert, das sich bei ihr nicht vergrößerte. Sie sollte mal nachfragen warum, wenn sie, ja, wenn sie alle wieder heil in der Burg waren, und diese Donnerbrüder Geschichte waren. Oh je. Sie verstand nicht viel von solchen Kämpfen, aber es war klar, dass ihr Halbdämon noch immer schiere Kraft gegen Kraft setzte. Und diese Blitze, das musste ihm doch weh tun!

 

Inu Yasha hörte den Ruf. Das wurde eng hier. Die Blitze und zusätzliche Energie, die Hiten jetzt in seinen Stab schickte, schmerzten und früher oder später würde ihn die Kraft verlassen, er rückwärts zu Boden gehen. Und das wäre das Ende, weil der Donnerbruder dann auch noch oben liegen würde. Das Ende für ihn, die arme Kagome und das unbekannte Fuchskind. So riskierte er einen Seitenblick. Sie stand und hatte Tessaiga in der Hand. Er musste sein Schwert nur in die Klaue bekommen, dann würde dieser Hiten sein blaues Wunder erleben! Und er musste doch Kagome beschützen, das hatte er ihr versprochen!

Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung gelang es ihm den Donnerbruder zurück zu schubsen. Noch ehe Hiten wieder festen Stand hatte, war der Halbdämon mit einem gewaltigen Satz neben seiner Ehefrau und packte sein Schwert, dessen Klinge sich prompt verbreiterte.

„Alles in Ordnung?“ fragte er, ihr bereits den Rücken zukehrend. Die letzten Minuten hatten ihm nur zu deutlich gezeigt, dass man Hiten nicht aus den Augen lassen sollte.

Sie starrte sein weißes Haar an. Dieser Sprung ...Sie hatte so etwas noch nie gesehen. Und er war nur ein halber Dämon? Was konnte dann erst sein Vater? „Ja,“ brachte sie irgendwie hervor. „Ich … Shippou...“ Viel mehr ging nicht.

Er verstand durchaus, wen dieser Name bezeichnen sollte. „Guck nach. Und … So ein Mist!“ Denn der Donnerbruder erhob sich nun in die Luft. Der Kerl konnte auch noch fliegen? Und dessen Blick verriet, wohin die nächste Attacke gehen sollte. Auf die arme, erschöpfte, Kagome, die sich langsam von ihm weg bewegte. Das war wirklich zu viel. Jetzt war Schluss. „Hiten!“ brüllte er. „Ich stelle dir jetzt mal mein kaze no kizu vor!“

 

Kagome sah sich unwillkürlich um, aber alles, was sie erkennen konnte, war eine gewaltige Energieentladung, die sie blendete und durch die Luft raste. Dann war nichts mehr von Hiten zu sehen – und tiefe Scharten in der Wiese.

Eine Bewegung neben ihr ließ sie panisch den Kopf drehen. Erleichtert erkannte sie die nekomata und deren beiden Reiter. „Sango, Miroku!“ krächzte sie.

„Na, hier war ja etwas los.“ Die Dämonenjägerin betrachtete den toten Donnerbruder, die Brandspuren und Scharten im Boden, den Daimyo, der sein Schwert in die Scheide schob und durchatmete, ehe sie zu dem Fuchskind blickte. „Lebt er? Wir fanden seinen toten Vater.“

Kagome nickte, denn sie sah den Kleinen atmen und zog ihn in die Arme. „Shippou?“ flüsterte sie.

Inu Yasha kam heran. Irgendwie war es seltsam sie da mit einem Kind im Arm zu sehen, dachte er noch, ehe er sich an die Neuankömmlinge wandte. „Wie kommt ihr her?“

Die Zwei wechselten einen Blick, ehe Sango antwortete. „Wir fanden an der Stelle, wo der Kampf gewesen war, einen toten Fuchs. Wir haben ihn begraben. Es muss unglaubliche Energieentladungen gegeben haben. Miroku erinnerte sich an Gerüchte über Donnerbrüder. Sie überfallen Dörfer und verstecken sich anscheinend im Kaiserreich vor den Dämonenfürsten. Nun ja, ich denke mal, du hast sie getroffen.“ Ihr Blick glitt erneut über den Toten, die Spuren eines heftigen Kampfes.

„Ein Fuchs?“ Inu Yasha sah unwillkürlich zu dem Jungen, der gerade die Augen öffnete, sichtlich etwas verwirrt. Aber er sagte: „Dann war das Fuchsmagie, die ich spürte. Als wir den Kampf in der Ferne mitbekommen haben, meine ich.“

„Papa!“ Die Augen des Kleinen füllten sich mit Tränen.

„Ich fürchte, wir haben ihn gefunden,“ erwiderte Sango mitleidig. „Ihr wurdet überfallen?“

Aber Shippou hörte ihr nicht zu, sondern deutete auf Manten.

„Der ist doch sicher nicht dein ...“ begann Inu Yasha, ehe er begriff, was er zuvor nicht bewusst gesehen hatte. An der Taille des jüngeren Donnerbruders hing etwas, das er zunächst für ein rotes Tuch gehalten hatte. Ein Fuchsfell. Unwillkürlich presste er die Zähne zusammen, dann bückte er sich und nahm das Fell auf. „Ihr habt ihn begraben? - He, Kleiner, dann bringen wir das auch dahin, ja? Dann ist er wieder ...naja...“

„Gute Idee,“ sagte Kagome. „Ja, komm, mit uns, Shippou. Dann weißt du auch, wo dein Vater begraben ist.“ Sie sollte wirklich etwas trinken. Ihr Hals war noch immer ziemlich rau. Sie sah auf.

„Ja. Sango, nimm die Zwei doch auch auf Kirara. Sie sind ziemlich fertig.“

„Ich erhole mich schnell,“ beteuerte Shippou prompt und betrachtete zum ersten Mal den jungen Mann in der roten Kleidung richtig. „Du bist ja gar kein Dämon. Nur ein halber.“

„Hat ja wohl gereicht um dich da rauszuholen,“ gab Inu Yasha missmutig zurück.

„Ein halber Hundedämon,“ erklärte Kagome leise, während sie aufstand. Der arme Kleine. „Wo wohnt denn deine Mutter?“

Shippou schien erneut den Tränen nah. „Sie starb,“ flüsterte er.

„Dann bist du Vollwaise?“ Sie sah zu ihrem Ehemann. „Inu Yasha, dann kann er doch mit uns kommen, oder? Er hat ja niemanden mehr.“

Was hatte sie denn noch so alles nicht gelernt? Aber gutmütig meinte er: „Keh. Er kann schon mitkommen. Allerdings kaum bei uns bleiben. In so einem Fall ist der Herr der Füchse, also, der Fürst von Sobo, für ihn zuständig. Ich werde dem mal schreiben, dass wir hier einen Kleinen haben.“

„Und vielleicht auch vom Tod seines Vaters berichten,“ meinte Sango. „Er war ein hochrangiger Fuchs, vielleicht im Auftrag seines Fürsten unterwegs.“ Sie sah zu dem Jungen.

„Ja,“ murmelte Shippou zögernd. „Papa sollte zu dem Fürsten des Westens gehen. Kennst du vermutlich nicht, Halbdämon, aber der ist der Inu no Taishou.“ Das war naheliegend. Immerhin war das hier eine menschliche Provinz. Vermutlich war der bei dem menschlichen Elternteil aufgewachsen und noch nie in einem der dämonischen Fürstentümer gewesen.

Besagter Halbdämon wollte widersprechen, aber da die Jägerin Kagome auf die Kampfkatze half und sich der Mönch als letzter aufschwang, lief er los.

 

Sesshoumaru zwang sich den Kiefer zu lockern, als er seinem Vater zu dem Menschendorf folgte. Würde der mitbekommen, dass er dem klaren Befehl nur mit zusammengebissenen Zähnen gehorchte, gäbe es prompt einen Zuschlag. Aber so, mit Blutflecken und zerstörter Rüstung, Wesen dieser minderwertigen Art unter die Augen zu kommen … das war wirklich Höchststrafe. Und sich dann auch noch bei diesem jämmerlichen Menschenmädchen bedanken zu sollen … Er war fast versucht sich den Halbbruder zurück zu wünschen. Seit Inu Yasha weg war ruhte das Augenmerk des Fürsten leider ausschließlich auf ihm selbst. Ihm war nie zuvor bewusst gewesen, dass der Bastard ebenso oder womöglich sogar mehr väterliche Aufmerksamkeit erhielt wie er selbst – und damit von ihm ablenkte. Die ungeteilte Aufmerksamkeit des Inu no Taishou war unangenehm, das musste er sich selbst gegenüber zugestehen. Da half vermutlich nur eines: wahrlich perfekt zu werden, jede Erwartung zu erfüllen, noch ehe sie ausgesprochen wurde.Was war denn da los?

Das fragte sich allerdings auch der Hundefürst. In dem Menschendorf schien es förmlich einen Auflauf zu geben. Mit einem Sprung stand er daneben.

„Probleme?“

Die ersten Menschen sahen sich um – und wichen beiseite, warfen sich zu Boden. Auch, wenn hier wenig Dämonen je erschienen... sie wussten, wer seit Jahrhunderten im Westen das Sagen hatte. Ein Mann in Rüstung und mit weißen Haaren sowie zwei Fellteilen konnte sich Respekts sicher sein.

Nur kurz darauf war die Mitte der Ansammlung erkennbar – ein kleines Mädchen lag dort, sichtlich zerschunden und geschlagen. Der Fürst warf nur einen Blick zurück, dann wusste er Bescheid. Sesshoumaru war nicht angetan. „Was ist hier passiert?“

Jemand, vermutlich der Ortsvorsteher, hob ein wenig den Kopf. „Sie da, hat gestohlen. Und wird dafür bestraft.“

Der Taishou sah zu dem Fisch, der neben dem Mädchen lag, das sich sichtlich verwundert nach der Hilfe umblickte. Als sie seinen Sohn hinter ihm entdeckte, lächelte sie, obwohl sie Schmerzen haben musste. In der Tat. Eigenartig. Aber er meinte nur: „Sollte das nicht Aufgabe der Eltern oder des Vaters sein?“

„Äh, sie hat keine Eltern mehr, oyakata-sama. Wir füttern sie mit durch. Und dann zu stehlen...“

„Wie heißt du, Mädchen?“

„Sie kann Euch nicht antworten,“ beteuerte der Ortsvorsteher eilig, durchaus in Sorge, dass Unhöflichkeit Folgen hätte. „Seit dem Tod der Eltern nicht mehr. Ihr Name ist Rin.“

„Ihr braucht sie nicht mehr durchzufüttern,“ erklärte der Taishou kühl, „Waisen sind meine Angelegenheit, merkt euch das für die Zukunft.“

Sesshoumaru begriff, was von ihm erwartet wurde. Nun ja, es war besser als sich vor diesem Rudel Menschen bedanken zu müssen. Überdies hatte Vater natürlich recht. Waisen unterstanden der Obhut des Fürsten – menschliche und dämonische. Auch eine Aufgabe auf die er wohl vorbereitet werden sollte. „Rin.“

Mit etwas wackeligen Beinen stand die Kleine auf, aber ihre Augen leuchteten förmlich, als sie auf ihn zustolperte, den Taishou neben sich schlicht ignorierend.

Dieser nahm das etwas erstaunt zur Kenntnis. Das war ihm auch noch nie passiert. Womöglich sollte er da ein Auge drauf haben? Sie war noch sehr jung, zu jung eigentlich für eine erste Liebe, aber welcher Dämon kannte sich schon mit Menschen aus. Sie waren viel komplexer als Dämonen, jeder wieder vollkommen anders und einander doch ähnlich. Trotz Jahrzehnten engen Zusammenlebens mit Izayoi hatte er sie nie ganz verstanden. Aber er blickte wieder zum Ortsvorsteher. „In meinem Schloss leben einige Waisen, auch Menschen. Das nächste Mal schickt ihr dieses Kind zu mir.“

„Wie Ihr wünscht.“ Es wäre wohl unklug zu erwähnen, dass sie eben ein Mitglied der Dorfgemeinschaft, sei sie auch ein nutzloser Fresser, nicht in ein Dämonenschloss hatten schicken wollen. Immerhin war es nun ein Mäulchen weniger zu stopfen. Auch, wenn die Ernte dieses Jahr reichlich gewesen war.

 

Sie waren bereits ein Stück von dem Dorf weg, als sich der Taishou umwandte. Die Kleine, wie war doch der Name, Rin, tapste hinter ihnen her, den Blick allerdings nur auf seinen Ältesten gerichtet, Was sah sie nur in dem? Gewöhnlich achteten Dämonen und Menschen mehr auf ihn, durchaus nach Macht gehend. Davon konnte sie doch keine Ahnung haben. Eigenartig. „Du solltest dir etwas für sie überlegen.“

Wie bitte? Sesshoumaru wandte ebenfalls unwillkürlich den Kopf. Was sollte er denn bitte mit einem stummen Menschenkind anfangen? Immerhin, sie war stumm, das war doch schon einmal gut.

„Als Fürst werden dir alle Waisen des Westens anvertraut. Es ist gut, wenn du dich übst.“

Was sollte er schon sagen. „Ja, chichi-ue.“ In hundert Jahren war er verheiratet. Das wäre doch sicher etwas, was man Himiko überlassen könnte? Frauen und Kinder, das passte doch. Allerdings konnte er jetzt unmöglich diese Rin vergessen und, erkannte er eigenartigerweise, da sie ihn wieder anlächelte – er wollte es auch nicht. Niemand hatte ihn je so angelächelt, nicht einmal seine Eltern. Warum auch. Und warum war es trotzdem so eigen? „Sie könnte Jaken zur Hand gehen,“ beschloss er. „Oder können Menschenkinder in dem Alter noch nicht schreiben?“

„Ich fürchte, Dorfkinder lernen überhaupt nicht schreiben.“ Der Taishou gab zu, dass da wohl jemand noch sehr viel zu lernen hatte, was die zweite Art im Westen anging. Nun, es war vermutlich nicht schlecht, wenn sich der künftige Fürst mit allen Untertanen auskannte. „Aber, das überlasse ich dir und Jaken. Du bist jetzt für die kleine Rin verantwortlich.“

 

Nach der Rückkehr zur Burg hatte Kagome Shippou mit in den Frauentrakt genommen, was in Anbetracht seines kindlichen Alters auch vollkommen in Ordnung war. Inu Yasha hatte sich dagegen vor einen äußerst heiklen Brief gesetzt. Wie schrieb man dem Neunschwänzigen, dass einer seiner Boten in dem Gebiet, in dem man selbst leider für die Sicherheit verantwortlich war, überfallen und ermordet wurde? Immerhin lebte Shippou, aber es stand zu befürchten, dass das trotzdem Ärger geben würde. Zu allem Überfluss sollte man als Daimyo nicht direkt an einen Dämonenfürsten schreiben, sondern den Schriftwechsel über den Kaiser laufen lassen. Was vermutlich dauerte. Und der Kleine sollte doch so rasch es ging in seine Heimat zurück, wenn schon nicht zu seinen Eltern, so doch wenigstens zu seinem Fürsten.

Es half nichts, er sollte schlicht ehrlich bleiben. So schilderte er kurz, dass er mit Ehefrau und Begleitern im Süden von Aoi unterwegs gewesen war, sie Kampf bemerkt hatten und er die Begleiter losgeschickt habe, in der Vermutung, dass Wurmdämonen und menschliche Priester aneinander geraten waren. Das mit Kagomes Plan unterschlug er besser und schrieb nur: „Es gelang meiner Ehefrau Shippou aus dem Haus zu schaffen und mir die beiden Donnerbrüder zu töten. Bitte teilt mir mit, mächtiger Herr der Füchse, ob und wann ich Shippou Eurer Obhut übergeben darf. Der Göttliche Kaiser, mein verehrter Cousin, hat eine Abschrift dieses Briefes erhalten.“ So, das war doch hoffentlich höflich genug. Der Fürst von Sobo war stark und mächtig in Energie und Magie, nicht gerade der Typ, den man verärgern sollte. Nun, noch mehr, als es die Ermordung seines Boten wohl tat. Hauptsache schnelle Information, das war alles was noch blieb, und dann den Ärger standhaft und als Krieger annehmen, dachte er in Erinnerung an seinen Vater, und ließ beide Briefe von Falkendämonen transportieren.

 

Umso überraschter war er, als ein Falke bereits nach wenigen Stunden zurückkehrte und vor ihm niederkniete – der, den er nach Sobo geschickt hatte. Auweia. Kam da jetzt gleich die Kriegserklärung? Verlangte der Neunschwänzige vom Kaiser ihn wegen Unfähigkeit abzuberufen? Am Besten gleich in die Ewigkeit? „Hast du eine Antwort?“

„Eine mündliche, ja, Inu Yasha-dono.“

„Berichte ausführlich. Du hast mit dem Herrn der Füchse selbst gesprochen?“

„Ja. Ich überreichte Euren Brief, wie aufgetragen. Er las und, nun, ich weiß nicht, was Ihr ihm mitteiltet, aber seine Energie stieg rapide, ehe er mich hinausschickte und sagte, er werde Antwort geben. Ich sah dann nur noch wie ein anderer Fuchs, jünger, mit vier Schwänzen in sein Arbeitszimmer ging. Ich vermute, der Erbprinz.“

„Weiter.“ Das klang nicht gerade vielversprechend.

„Dann ließ mich der edle Fürst wieder rufen und Euch folgendes ausrichten. Begleitet übermorgen gegen Mittag Shippou nach Kosaten. Ein Schiff wird kommen und ihn abholen.“

Hm? „Das war alles?“

„Nun, er fragte mich noch, was ich über die Donnerbrüder wisse. Leider konnte ich ihm keine Antwort geben.“

„Sie sind tot,“ murrte Inu Yasha. „Aber auch schon egal. Er sagte nichts vom Kaiser?“

„Nein, Inu Yasha-dono.“

Was war denn da los? Soweit er von seinem Vater manchmal etwas über den alten Kampfgefährten gehört hatte, war der durch und durch ein Krieger. Und die Tatsache, dass der es nicht so mit Schwertern hatte, war nur dem Umstand geschuldet, dass er keine Klinge benötigte. Magie war eher das, worin er fähig war. Eine Macht, die selbst die des Drachenkönigs übertraf. Kam da jetzt etwas? Aber, nun ja, egal. Das war etwas, das ihn sicher persönlich treffen würde. Er sollte jetzt Shippou und auch Kagome sagen, dass der Kleine übermorgen abgeholt werden würde. Mit einem Schiff das war eigen. Er hatte gar nicht gewusst, dass Füchse Schifffahrt betrieben. Aber da waren wohl eher Menschen an Bord und nur füchsische Passagiere.

 

Da er am Frauentrakt erfuhr, dass sich die Damen und der Kleine im Garten befanden, ging er hinüber. Vor der Tür hörte er Kagome laut auflachen. Sie klang so heiter, das war richtig schön. So hatte sie das Abenteuer nicht so sehr erschreckt. Aber er selbst sollte aufpassen, wohin er sie mitnahm. Aoi schien deutlich unsicherer zu sein als Nishi – und er fragte sich langsam wirklich, was sein Schwiegervater so alles an dämonischen Sachen nicht mitbekommen hatte. So öffnete er und trat ein.

Auf den ersten Blick erkannte er, was seine Ehefrau so entzückte und auch seine Schwiegermutter betrachtete erheitert den metergroßen Pilz vor sich. Dann sah er auch, was die Ursache für die Heiterkeit war. Shippou hatte anscheinend mit Fuchsmagie eine Verwandlung vollführt und sich in einen Pilz verwandelt. Leider hatte er seinen Schwanz vergessen und nun ragte aus dem weißen Pilzkörper ein buschiger, roter Schwanz.

„Inu Yasha!“ Kagome hatte ihn entdeckt und nahm sich eilig zusammen. Gab es Neuigkeiten über den armen Kleinen? Durfte er hier bleiben?

„Nachricht aus Sobo,“ sagte er auch nur und setzte sich zu den beiden Frauen. Im ummauerten Garten war es noch deutlich wärmer als draußen, wo die Nordwinde doch bereits recht kühl wurden.

Mit einem leisen „Plopp“ verwandelte sich Shippou zurück.

„Du wirst abgeholt,“ sagte der Halbdämon daher. „Übermorgen in Kosaten. Sie kommen mit dem Schiff.“

„Übermorgen, schon?“ fragte Kagome etwas enttäuscht. Es war so lustig mit dem kleinen Fuchs. Sie gab sich auch Mühe, den abzulenken. Wenn er nichts zu tun hatte, starrte er manchmal so vor sich hin.. Und Mama lachte auch wieder. Das war doch eigentlich wunderschön. Aber natürlich hatte Inu Yasha recht, ein Kind gehörte nach Hause, in dem Fall zumindest in das richtige Fürstentum. „Freust du dich, Shippou? Dann kannst du sicher auch auf die Schule gehen, von der du erzählt hast, und ein sehr zauberkundiger Fuchs werden.“

„Der nicht seinen Schwanz vergisst,“ kommentierte der junge Daimyo mehr ehrlich als pädagogisch wertvoll und wurde postwendend von seiner Ehefrau mit einem Funkeln belohnt.

Shippou dagegen stemmte die Hände in die Hüften. „Na, das ist ja wohl mehr als du kannst, du bist ja nur ein halber Dämon und hast gar nichts drauf an Magie oder so!“

Ohne zu zögern hob Inu Yasha die Hand und verpasste dem vorlauten Kleinen eine Kopfnuss.

„Aua!“ schrie der prompt auf und presste die Hände auf den Kopf. „Bist du denn völlig....“

Er floh in Kagomes Arme, die ihn auffing und bereits tief Luft holte, von wegen, wie ihr Mann so kindlich sein könnte, auf die Bemerkungen eines Kindes einzusteigen, als ihre Mutter leise sagte:

„Bitte vergebt ihm, Inu Yasha-sama. Kann es sein, dass niemand Shippou von Eurem Rang in Kenntnis setzte?“

Das hatte prompt zur Folge, dass Shippou das Weinen einstellte und fragend aufblickte, Kagome zu ihrem Gatten blickte und der zu ihr. Nein, das hatten sie wohl nicht. Und der kleine Fuchs hatte jemanden, den alle duzten, von dem Kagome getragen wurde, kaum als Daimyo eingestuft, vielleicht eine Art Leibwächter.

„Das dachte ich mir,“ meinte die ehemalige Fürstin sanft. „Shippou, Inu Yasha-sama ist der Daimyo von Aoi.“

„Aber Daimyo unterstehen dem Kaiser. Und sind Menschen!“ Aber Shippou war verwirrt. Hatte er etwas falsch gelernt?

„Der Göttliche Kaiser ist sein Cousin. Und sein Vater der Inu no Taishou.“

Gut, dachte der kleine Fuchs. Das erklärte vermutlich, warum der Halbdämon mit den Donnerbrüdern so fertig geworden war, erklärte auch, warum der behauptet hatte, er würde direkt an den Fuchsfürsten schreiben, erklärte auch, warum er selbst im Frauentrakt so aufgenommen worden war, erklärte eigentlich alles. Aber ein Rückzugsgefecht sollte er schon noch liefern. „Aber er ist trotzdem nur ein halber Dämon und ich bin ein ganzer!“ Aus gutem Haus, nicht zu vergessen. Na schön, der Taishou war auch ein Dämonenfürst und der Kaiser immerhin göttlicher Abstammung – damit sollte er wohl nicht kommen.

Da Kagome sah, dass sich eine Klaue zur Faust ballte, beschloss sie lieber abzulenken. „Wer holt denn Shippou ab? Jemand aus der Familie?“

„Keine Ahnung.“ Aber Inu Yasha entspannte sich. Übermorgen wäre er die kleine Nervensäge los. „Das hat der Fürst nicht ausrichten lassen. Gegen Mittag sollen wir in Kosaten sein, ich lasse die Eskorte und die Sänfte dann bereitstellen.“

 

 
 

Fuchsprinz


 

W

enn jemand im Schloss des Westens lebensüberdrüssig gewesen wäre, hätte der nur eine volle Sekunde lang auf das ungewöhnliche Trio achten müssen, das ankam. Voran der Fürst, wie stets mit undeutbarem Gesicht, der zuvor in seiner wahren Gestalt sehr eilig fortgelaufen war, nachdem es den Zwischenfall mit den Paradiesvögeln gegeben hatte. Den höfischen Schritt zurück folgte der Erbprinz mit zerborstener Rüstung und roten Flecken auf der gewöhnlich so weißen Boa – und dem folgte ein winziges, heruntergekommenes Menschenmädchen. Nun, es war abzusehen, dass Sesshoumaru-sama nach jemandem zum Abreagieren suchen würde. Offensichtlich war er von den Paradiesvögeln belästigt worden, was deren Todesrate immerhin erklärte. Nur, wer war das Menschenkind? Gleich. Die Krieger hielten erfolgreich nach allem anderen als den Ankömmlingen Ausschau. Straftraining mit dem Erbprinzen in dieser Laune konnte einen für ein Jahrhundert auf das Krankenbett werfen.

Da sie vor dem Portal des Schlosses anhielten, sah sich Sesshoumaru gezwungen mit zusammengebissenen Fangzähnen eine Erkundigung einzuziehen. „Darf ich fragen wohin mit der Waise, chichi-ue?“ Oh oh. Sein Vater drehte nur ein wenig den Kopf und hob eine Augenbraue. Zu mehr Tadel würde er sich nicht hinreißen lassen. Aber es war klar, dass er selbst offenkundig nicht nur keine Ahnung hatte, wo dämonische und menschliche Waisen im Schloss untergebracht waren, was mit denen geschah – nein, er hatte auch noch die klare Anweisung ignoriert, dass er persönlich für diese Rin zuständig sein sollte. So ergänzte er eilig, bemüht Schadensbegrenzung zu betreiben: „Bezüglich neuer Kleidung.“

„Deine Sache.“

Der Fürst ging, während es seinem Sohn dämmerte, dass das eine höchst subtile Art der Strafe war, für sein zugegeben sehr desinteressiertes Verhalten bezüglich Kindern im Allgemeinen und Waisen im Besonderen. Und ja, er würde sich früher oder später, eher früher, denn in hundert Jahren wartete da Himiko auf ihn, mit dem Thema Kinder und Erben beschäftigen müssen. „Rin.“ Sie würde ihm folgen, da war er sicher. Und dann sollte doch Jaken zusehen, woher er Kleidung bekam. Und baden müsste sie auch, dringend. Seine arme Hundenase. Und, wo sollte sie eigentlich schlafen? Und, was fraßen Menschen denn? Diese Kröte sollte sich besser nützlich machen. Aber natürlich hatte es dieser dämliche Inu Yasha wieder besser getroffen. Hockte da in einer Burg, kommandierte ein bisschen hier und da herum und hatte weder Vaters ungeteilte Aufmerksamkeit am Hals noch irgendein Menschenkind, das ihn anlächelte, sobald er sich umsah. Und, das hatte er gerade schon wieder getan! Was war nur los mit ihm? Er sollte eine neue Rüstung bestellen, baden und sich etwas beruhigen, dann wäre er auch sicher wieder zu dämonisch-logischen Schlüssen in der Lage. Diese Paradiesvögel hatten ihn doch wohl etwas aus dem Gleichgewicht gebracht.

Und der Dämonenprinz unterschlug dabei selbst vor sich selbst sehr elegant, dass es das naive, selige, Lächeln eines Menschenkindes war.

 

Inu Yasha hatte durchaus ein sehr flaues Gefühl im Magen, als er an diesem kühlen Herbstmorgen die Burg verließ, gefolgt von Kagome mit Shippou im Arm. Statusgegeben wartete dort eine Eskorte aus zwanzig Mann und Standartenträger samt Sänfte für die Fürstengemahlin, aber er hatte es sich wirklich verkneifen müssen zwanzig Dämonen mitzunehmen. Gegen einen aufgebrachten, neunschwänzigen, Fuchsfürsten würden die ihm auch kaum helfen können, ja, eher dessen Missbilligung, um es so zu sagen, in ungeahnte Höhen treiben. Er hatte versagt und kein Dämonenfürst würde den Tod eines Boten auf sich beruhen lassen, wenn er nach seinem eigenen Vater ging.

Und der Herr von Sobo war eindeutig Vaters Klasse – es hatte da wohl mal einen Kampf gegeben, der Herr der Hunde mit dem Höllenschwert gegen den Neunschwänzigen. Nun ja, da beide überlebt hatten... Ein halbblütiger Daimyo war da kaum ein Hindernis. Davon hatte er allerdings Kagome nichts erzählt. Sie war traurig genug, dass der Kleine zurück nach Sobo sollte. Und, trotz aller Frechheit, schien auch Shippou sie zu mögen.

 

Der Hafen von Kosaten lag direkt am großen Fluss, allerdings ein wenig außerhalb der Stadtmauer. Die Lagerhäuser befanden sich allerdings schon drinnen, geschützt vor Banditen, falls es eine solche Bande wagen sollte. Leider gab es sie immer noch, wenngleich deutlich weniger, seit dem Friedensschluss vor dreihundert Jahren. Leute mussten schon sehr verzweifelt oder tollkühn sein um sich Daimyo oder Dämonenfürst zu stellen.

 

Inu Yasha ließ einen Boten aufsteigen. Der Falke sollte mitteilen, wann ein Boot mit Füchsen aus dem Süden kam, während er seinen Männern und damit auch Kagome und Shippou Rast befahl. Sie saßen demnach auch neben der Sänfte, tranken, als er zu ihnen kam.

„Na, Shippou, weißt du, wer dich abholt?“

Dem Fuchskind stiegen prompt Tränen in die Augen und ebenso unverzüglich fauchte Kagome: „Jedenfalls nicht seine Eltern, du ...“ Sie verschluckte es gerade noch.

„Klar. Aber auch kaum der Fürst,“ gestand Inu Yasha in dem Bemühen seine Unruhe nicht preiszugeben. „Das hier ist das Kaiserreich. Das wäre ein Kriegsgrund, wenn er nicht die Genehmigung des Kaisers hätte.“ Ja, und das war doch beruhigend, oder? Ein wie auch immer gearteter Bote dürfte ihm kaum eigenpfötig ... Nun ja, aber sich der Neunschwänzige beim Göttlichen Kaiser beschweren. Ach, verdammt, hatte es dieser Mistkerl von Sesshoumaru gut. Keine Probleme mit Ehefrau, Füchsen oder Kaiser. Der hockte da, genoss jetzt vermutlich schlicht Papas Pfote und wartete auf seinen großen Tag. Ach herrje, der Falke. Der junge Daimyo stand mit möglichst unbeteiligtem Gesicht auf. „Das Schiff?“

„Ja, Inu Yasha-sama.“ Der Dämon kniete eilig nieder. „Es scheinen Fuchskrieger und Kriegerinnen an Bord zu sein.“

Puh. Ja. Ärger stand ins Haus und alles, was er tun konnte, war, das irgendwie anzunehmen. Kriegerehre. „Gut. Stellt euch auf. - Kagome, Shippou, ihr geht erst einmal in die Sänfte.“ Das war zwar peinlich, irgendwie, aber er wollte ihr doch auch nicht zumuten zuzusehen, wie er umgebracht wurde.

Das war ein normales Handelsschiff. War etwa alles anders als er befürchtet hatte? Seine Hoffnung schmolz allerdings wieder in sich zusammen, als Fuchskrieger und – kriegerinnen von Bord kamen. Unter Hunden kam es selten vor, ebenso unter Wölfen, aber bei Füchsen bestand fast die Hälfte der Bewaffneten aus Frauen. Auch hier war deutlich zu erkennen, dass sie Schwerter trugen und nur ein oder zwei Schwänze hatten, noch jung waren. Später verfügte nur zu oft ein Dämon dieser Gattung über genug Magie um sich nicht mit Waffen abgeben zu müssen. Da sie sich neben der Laufplanke als Eskorte aufreihten, vierzig an der Zahl, kam da ein sehr hochrangiger Bote. Nun gut. Was sollte es. Inu Yasha hatte schon immer empfunden, dass es nichts brachte dem Unausweichlichen ausweichen zu wollen und ging etwas von seinen Männern weg auf die Landestelle zu. Leider hatte man auch in der Stadt bemerkt, dass etwas ungewöhnlich war, denn so der eine oder andere Menschen kam wie beiläufig aus dem Stadttor und es wurden immer mehr. Na, toll. Wenn schon Blamage, dann eine große, oder?

Ach herrje.

Ein Fuchsdämon war an Bord erschienen, gefolgt von einer Füchsin. Diese trug an einer Perlenkette um die Stirn einen Schleier, der ihr Gesicht verhüllte, die Kleidung war ...ja... eine Heilerin. Fuchsheiler waren als überaus fähig berühmt in allen Ländern. Und der junge Fuchs vor ihr? Inu Yasha brauchte keinen zweiten Blick. Vier Schwänze, die sich in die Luft bogen, Rüstung, jedoch keine Waffe. Und für den, der es sehen konnte, waberte ein fünfter Schwanz bereits fast ausgewachsen in der Magie. Er selbst hatte es nicht so damit, also musste das praktisch schon ein Fuchs mit fünf Schwänzen sein. Und das konnte, musste, der Erbprinz von Sobo sein, mindestens in Sesshoumarus Klasse spielen. Wunderbar. In was hatte er sich da nur reingeritten?

Es war dämonischer Drill und antrainierte Kriegerehre, die ihn noch einige Schritte machen ließen. Ein leichtes Kopfneigen und eine sachliche Begrüßung. „Ich heiße den Erben von Sobo in Aoi willkommen.“

„Ich danke Euch, werter Daimyo.“ Falls der junge Fürstensohn noch etwas sagen wollte, so kam es nie dazu, denn ein roter Pfeil schoss durch die Luft, an dessen Brust, wurde rasch umklammert.

„Onkel!“

„Shippou!“

Inu Yasha bekam fast den Mund nicht zu, als ihm zweierlei dämmerte. Der kleine Fuchs war überaus unhöflich gewesen, hatte seinen Befehl missachtet, aber aus mehr als gutem Grund. Denn, wenn der Erbprinz von Sobo sein Onkel war, konnte, musste der tote Fuchsvater nicht nur ein Bote, sondern auch der zweite Sohn des Fürsten gewesen sein, der kleine Frechfuchs dessen Enkel. Kurz, seine eigene Lage hatte sich gerade verschlimmbessert. Unwillkürlich blickte er sich um. Kagome stand neben der Sänfte und rang nach Luft. Offenbar hatte ihr Shippou bei seinem wilden Absprung weh getan. Aber sie lächelte ihm zu. Nun ja. Wusste sie eigentlich, was hier gerade lief? Wie sollte er den aufsteigenden nächsten großen Krieg noch verhindern? Vater würde ihn doch für … Oh nein. Vater würde vergessen, dass er einen dermaßen unfähigen Sohn hatte, nie wieder an ihn denken...

 

„Dein Benehmen, Shippou-chan,“ tadelte der Erbprinz, ehe er den Fuchsjungen hochhob und weiterreichte, „Yami, untersuche ihn“

Die Heilerin griff wortlos nach dem Kleinen, der sich das auch gefallen ließ – was in Inu Yasha erneut etwas im Magen weckte. Trauten sie ihm nicht zu ein Kind ordnungsgemäß zu behandeln? Was, wenn sich Shippou über die Kopfnuss beschwerte? Die Heilerin ging mit dem Fuchswelpen zurück an Bord, der es sich nicht nehmen ließ Kagome noch zuzuwinken

Der Erbprinz von Sobo trat erneut vor, damit kurz vor dem Daimyo stehend. „Ich bin erfreut, dass Ihr und Eure Gefährtin ihn so gut beschützt habt.“

Hä? „Nun ja, leider nur nicht so ganz erfolgreich.“ Immerhin war der Vater tot.

„Mein verehrter Fürst und Vater sagte mir, dass Ihr ihm mitgeteilt habt, dass Ihr Euch selbst um Shippous Rettung bemühtet, Eure Begleiter zur Rettung seines Vaters aussandtet. Niemand könnte mehr tun.“

Schön, das klang nach weniger Ärger als befürchtet. „Ich bemühe mich meinen Pflichten genüge zu tun.“ War das so richtig? Er war momentan sehr aufgeregt und das entging dem so magisch begabten Dämon vor ihm bestimmt nicht.

„Zugegeben, ich war zunächst empört, aber mein verehrter Herr und Vater informierte mich. Ihr hattet die Wahl persönlich den Schwiegersohn eines Dämonenfürsten oder dessen Erben zu retten und entschiedet Euch.“

Schwiegersohn? Erbe? Inu Yasha begriff. Er hatte nach dynastischen Gründen vollkommen richtig entschieden – ohne es zu wissen, Der Ärger würde wohl kleiner ausfallen als gedacht.

Der Fürstensohn fuhr sich ein wenig aufrichtend fort. „Ich bringe darum das Wort des mächtigen Neunschwänzigen. Ihr habt den potentiellen zukünftigen Fürsten von Sobo gerettet, denn ich besitze noch keinen Erben, unter Einsatz Eures Lebens. Wann immer Ihr aus, selbstverständlich unmöglichen, unerdenklichen, Gründen Schutz benötigt, so seid in Sobo willkommen. Und wenn die ganze Welt gegen Euch stehen sollte. Ich schließe mich dieser Meinung meines Herrn und Vaters übrigens an.“

Das war schlicht ein Schutz- und Beistandspakt, wie er weitgehender, zumindest für ihn persönlich, kaum sein konnte. Inu Yasha hoffte nur, dass er nicht so dämlich dreinsah wie er sich fühlte und suchte verzweifelt in seiner höfischen Erziehung. „Ich danke Euch und dem mächtigen Herrn der Füchse. Es war mir in der Tat ein Vergnügen. – Darf ich Euch meine Gefährtin vorstellen? Sie kümmerte sich in den letzten Tagen um Shippou.“

„Gern. Und, ich gebe es zu, Inu Yasha-sama, es hat mir imponiert, dass Ihr, obschon Shippou Euch anscheinend über seine Familie im Unklaren ließ, Ihr den Sohn meiner Schwester nicht irgendjemandem anvertrautet, was an sich schon höflich und ehrenhaft gewesen wäre, sondern in Eure eigene Familie aufnahmt. Mein Name ist übrigens Akamaru.“

Hatte der etwa bemerkt, dass er keine Ahnung hatte, wie der Kerl hieß? Nun ja, Füchse galten als sehr schlau. „Kagome, dies ist Akamaru, der Erbprinz von Sobo.“

Kagome verneigte sich eilig, wie sie es gelernt hatte. Der kleine Fuchs, der so traurig gewesen war, so verzweifelt – und war der Enkel eines Dämonenfürsten? Sie durfte sich jetzt nicht blamieren und damit ihren Ehemann. Also, erst mal den Mund halten, obwohl sie doch so viele Fragen gehabt hätte. „Ich heiße Euch in Aoi willkommen, Akamaru-sama.“

„Ihr habt Euch anscheinend sehr gut um Shippou gekümmert. Er sieht prächtig aus.“ Der Fuchsprinz sah durchaus nicht mit Missfallen an der Fürstin entlang – ehe ihm der ebenso deutlich missfallende Blich des Daimyo auffiel. Nun ja, natürlich hatte sein verehrter Vater Bescheid gewusst und gemeint, dass der Taishou immer wissen würde, was er plante. In diesem Fall offenkundig eine durchaus politische Ehe mit angenehmen Seiten für den Sohn. Akamaru gab zu, dass auch der mächtige Neunschwänzige immer an seine Kinder dachte und so auch der Bitte seiner Schwester gefolgt war sie an einen seiner wichtigsten Mitarbeiter zu verheiraten. Shippou stammte nicht nur aus dem Fürstenhaus, sondern würde auch aus der väterlichen Familie beste Erbeigenschaften aufweisen. Leider war seine Schwester bei Shippous Geburt gestorben, ungewöhnlich bei Dämonen, aber dennoch eben trotz aller Kunst der Heiler nicht unmöglich. Jetzt sollte er dennoch höflich bleiben, den Sohn des Hundefürsten und Cousin des Kaisers nicht verärgern, dem die Füchse wahrlich Dank schuldeten. „Ich hoffe, Inu Yasha-sama, Ihr verübelt es dem Kleinen nicht, dass er über seine Familie schwieg. Er fürchtete sich wohl als Geisel einer Erpressung zu dienen. Er erhielt noch keinerlei kriegerische Erziehung.“ Und verstand damit nichts von dem Pfad der Ehre, dem ein solcher zu folgen hatte.

„Er ist ein Kind,“ meinte Inu Yasha ehrlich. „Und er musste mitansehen, wie sein Vater ermordet wurde und dem das Fell abgezogen wurde. Nichts, was man leicht verkraftet.“

Dem schockierten Gesichtsausdruck des Fürstensohnes nach war ihm das neu. „Oh. - Ihr habt ihn begraben lassen?“

„Ja. Shippou kennt den Ort.“

„Würdet Ihr ihn mir zeigen?“

„Natürlich.“ Vermutlich hatten Füchse da auch eigene Trauerriten und der Herr von Sobo konnte ja kaum herkommen. „Kommt nur. Wir müssen allerdings über den Fluss.“ Nun, nichts, was einen derart mächtigen Dämon stören würde, wenn selbst ein Halbdämon schon den weiten Sprung schaffte.

 

Kagome beschloss sich wieder in die Sänfte zu setzen, nachdem sie bemerkte, wie viele Menschen aus Kosaten gekommen waren, sie ebenso anstarrten wie die Fuchskrieger. Das war doch irgendwie unangenehm.

Da jemand ihren Namen schrie, wandte sie sich doch wieder um. „Shippou?“

Der kleine Fuchs war schon bei ihr und sprang sie an. „Ich wollte mich noch verabschieden, weißt du? Das ist Yami, eine der ranghöchsten Heilerinnen, aber sie sagt, ich bin gesund.“

„Fast,“ erwiderte Kagome und versuchte durch den Schleier der Füchsin zu sehen. „Er ist so ein fröhliches Kind. Ich hoffe, dass... das Geschehene ihn nicht zu sehr mitnimmt und er auf diese Schule gehen darf, von der er erzählte.“

„Das liegt natürlich bei unserem Herrn und Fürsten,“ erwiderte die Füchsin. „Aber ich hoffe ebenso, dass die Pflege, die Ihr ihm habt angedeihen lassen den Schock abgeschwächt hat. Knochen kann man leichter heilen als Seelen.“

„Mein Vater starb erst vor kurzem, ich konnte nachfühlen.“

„Ich verstehe.“ Und die Erbtochter hatte den vom Kaiser ausgewählten Mann nehmen müssen. Aber sie wirkte nicht unglücklich, eher entspannt, wie sie so auf Shippou sah. Vermutlich hoffte sie auf ein eigenes Kind. Da allerdings sollte sie nichts sagen, das hatte sie nichts anzugehen. Ihr Befehl lautete an die Nummer Drei der Thronfolge. „Wenn Ihr gestattet, setzen wir uns doch hierher, bis die Herren zurückkehren.“

„Gern,“ sagte Kagome ehrlich, dann wurde es nicht so langweilig. „Darf ich fragen, wie man Heilerin wird? Ich kenne nur Männer.“

 

Naraku sah auf, als sich seine Tochter melden ließ. Da sich Kagura verneigte und erst nach Handwink setzte, brachte sie schlechte Nachrichten. Oder befürchtete dies. „Die Motten sind weg?“

„Ja. Natürlich kann man ihnen auf dem Meer nicht weit folgen, aber sie hielten Kurs auf die Halbinsel im Nordwesten.“ Kagura richtete sich etwas auf. „Wie du wolltest hatte ich auch Nishi-jo im Auge.“

„Abi kam nicht?“ war das Erste, was ihm als schlechte Nachricht einfiel. Sie kam nicht und hängte ihn bei den anderen Fürsten hin?

„Doch, mit Kriegern und sechs Paradiesvögeln. Es gab einen ziemlichen Aufruhr, als diese anscheinend den Kriegern … entkamen.“

Das klang so, als hätte seine Gehilfin ihren Part erledigt. Hm. Dummerweise hatte er ihr und ihrer Mutter ja einen Splitter des Juwels versprochen. Hyouga war mächtiger, also hatten die Damen eben das Nachsehen. Aber? „Weiter.“

„Der Fürst erschien unverzüglich und befahl wohl Abi zu sich, sie rief die Paradiesvögel zurück. Statt sechs waren es nur noch vier, mit denen sie und ihre Krieger wohl unverzüglich abhauten, ich meine, abreisten. Der Taishou verwandelte sich und rannte fort.“

Dann hatte er wohl mitbekommen, dass sein Söhnchen Probleme hatte. Und? „Kagura, keine halben Berichte.“

„Ich erhielt soeben die Nachricht durch ein Hölleninsekt, dass der Fürst und der Erbprinz, letzterer offensichtlich aus einem Kampf kommend, wieder im Schloss sind.“ Hoffentlich lag ihre Erleichterung nicht in ihrer Stimme. Sie fand den kühlen Hund verdammt gut aussehend, aber Vater würde sie für solche, in seinen Augen irregeleiteten, Ideen gnadenlos bestrafen.

„Also hat Abi versagt.“ Nicht ganz so gut, aber immerhin schuldete er ihr weder einen Juwelensplitter noch sonst etwas. Nur vielleicht einen kleinen Tipp an den Fuchsherrn. „Was treibt Hakudoshi?“

Kagura presste unwillkürlich ihren Fächer, den sie wie immer in der Hand trug. „Soweit ich weiß befahlst du ihn nach Aoi.“

„Er sollte hier sein. Hole ihn. Oder, nein, da kommt ja der teure Sohn,.“

Kagura neigte den Kopf, froh, dass dieser feine Spott nicht ihr galt. Naraku wusste um den Ehrgeiz Hakudoshis – und das konnte nur früher oder später fatal für diesen enden.

Der weißhaarige Dämon verneigte sich eilig, als er eintrat. Kagura saß hier und Vaters Laune stand nicht zum Besten. Schlecht, wenn man Naraku schlechte Nachrichten brachte, nochmals schlechter, wenn man der zweite Bote war. „Wichtige Nachrichten aus Aoi.“

Der Fürst hob die Brauen. „Wenn du mir erzählst, dass Kagome schwanger ist, nenne ich dich einen Lügner, das könnte man noch nicht wissen. Setz dich. Also?“

Dieser Sarkasmus war leider nicht gut für ihn als Überbringer der Nachricht. „Inu Yasha und Kagome reisten mit dieser Dämonenjägerin und dem Mönch diesmal nach Süden. Dabei trennten sie sich. Soweit mir die Insekten mitteilen konnten, tötete Inu Yasha zwei Dämonen, bekannt als die Donnerbrüder und rettete ein Fuchskind, das er mit zur Burg nahm.“

Die Donnerbrüder? Ja, von denen hatte er einst gehört. Nicht gerade vom letzten Haken. Langsam begann Naraku zu verstehen, warum auch seine beiden Abkömmlinge derart fatale Schwierigkeiten bekamen. Der Halbdämon war offenkundig nicht zu unterschätzen. Papas Erbe oder doch das der Kaisertochter? Beides? „Fuchskind.“ Hm. Das würde der Herr der Füchse nicht so gern hören, dass ein hilfloser Welpe von einem kaiserlichen Daimyo quasi gefangen gehalten wurde. Dazu noch die Sache mit Abi. Daraus ließe sich etwas machen. Dem Neunschwänzigen klar machen, dass der Hundepapa eine Schlinge um ihn legte, überaus raffiniert? Das würde Abi samt Fürstin Teikken freilich den Kopf kosten, dem Halbhund sowieso, aber man konnte eben kein Omelett machen ohne Eier zu zerschlagen. Das Höllenschwert gab es nun einmal nicht umsonst.

„Äh, ja. Es wurde heute abgeholt.“

„Also schickte der liebe Halbhund brav einen Brief und meldete den Vorfall nach Sobo.“ Das gab es doch nicht. Der Kerl machte so viel richtig? Glück? Oder hatte der tatsächlich von Papa Taktik geerbt? Eher nicht. Da machte ja selbst der arrogante Sesshoumaru noch einen vernünftigeren Eindruck. Inu Yasha wirkte so harmlos und jung und er hätte ihn um ein Haar übernehmen können, wenn der nicht zufällig ...Zufall oder Planung? Jedenfalls begann dieser Inu Yasha ihn wirklich zu nerven. Der musste verschwinden, noch ehe Hyouga mit seiner Armee hier auftauchte. Und den Herrn der Motten konnte er nicht mit einem falschen Juwel ködern. Er benötigte das echte. Und damit Kagome.

 
 

Neustart


 

A

ls sie wieder die Burg erreichten und seine Ehefrau aus der Sänfte stieg, bemerkte Inu Yasha sehr wohl, wie traurig sie aussah. Vermisste sie den vorlauten kleinen Fuchs wirklich so? Er hatte gehofft, dass sie sich anfreunden würden, sie ihn mögen würde, aber das sah eher so aus als ob sie mit Shippou glücklicher wäre als mit ihm.

In gewisser Betroffenheit zog sich der junge Hausherr in sein Schlafzimmer zurück und ließ sich zu Boden fallen, in einer Art, die Menschen als sehr hundeähnlich betrachtet hätten. Hocke, die Hände zwischen die Knie gestellt, die Ohren geknickt. Was konnte er denn noch tun um sie so lachen zu lassen, wie es Shippou getan hatte? Sollte er einmal mit seiner Schwiegermutter reden? Nein, lieber nicht, sonst müsste er wohl auch damit herausrücken, dass er seine eigene Ehefrau noch nicht angerührt hatte. Und das wäre tödlich für sie alle.

Sango? Miroku? Die brauchte er auch nicht fragen, siehe oben. Je weniger Leute das Geheimnis kannten, um so sicherer war es.

Schmuck oder so brauchte er ihr sicher nicht zu schenken. Wieso hatte sie Shippou so im Arm gehalten, den beschützt, den sichtlich lieb gehabt, so sehr, das sie nun so traurig war? Was konnte er nur tun? Wie freundete man sich weiter an? Immerhin hatte sie sich mal von ihm küssen lassen und dabei keine Angst gehabt.

Ja. Aber er durfte eben nicht vergessen, dass er ein Halbdämon war, wie panisch sie bei der Heirat und in der Hochzeitsnacht gewesen war. Vielleicht hatte sie nicht mehr solche Angst, aber er war eben kein kleiner Knuddelfuchs, sondern Krieger und Daimyo. Vielleicht war es falsch gewesen sie mit auf diese Reisen zu nehmen, aber es war doch schon schön gewesen sie dabei zu haben, ihre Witterung permanent um sich. Leider hatte sie zusehen müssen, wie er einen Wurmdämonen zerlegte, die Sache mit den Donnerbrüdern … Tja, was sollte er nur tun. Es gab schlicht niemanden, den er um Rat fragen konnte, ohne sich und natürlich der armen Kagome richtige Probleme einzuhandeln.

 

Und, es half alles nicht, er musste sich jetzt mit seinen ach so fähigen Beratern auseinandersetzen. Dieser Okinajoi sollte als Leiter der Zivilverwaltung mal prüfen lassen, wie viele Leute in dem Dorf gelebt hatten, das die Donnerbrüder da dem Erdboden gleich gemacht hatten – und wann das gewesen war. Irgendjemand hätte das doch auffallen müssen? Wenn nicht, konnte der Narr sich gleich mal einen Plan ausdenken, wie das zu verhindern war. Und war nicht Fukuwara zwar für Zoll und Handel zuständig aber eben auch für die Sicherheit der Wege? Dazu gehörte ganz sicher nicht, dass durchreisende Boten von Fürstenhof zu Fürstenhof mal eben umgelegt werden konnten und sollten. Und, aber das sollten Hauptmann Nimaki und Waffenmeister Toyomaru klären – wo hatten eigentlich die Doppelwachen mit je einem Dämon zusätzlich gesteckt, die er nach dem Zwischenfall mit Kouga und diesen so schnellen geheimnisvollen Dämonen angeordnet hatte?

Gute Güte, er konnte doch nicht jeden Idioten in Aoi eigenhändig umbringen!

 

Mit diesem guten Vorsatz verzichtete er darauf seine Berater zu sich rufen zu lassen, sondern marschierte direkt in die Kanzlei, wo Diener und Sekretäre nur mehr hastig niederknieten und die Türen vor ihm aufrissen. Okinajoi war ebenfalls zu erfahren um anzunehmen, dass dieser unangekündigte Besuch etwas Gutes verhieß, und verneigte sich eilig tief bis zum Boden, ohne etwas zu sagen. Jeder Dummkopf hätte gesehen, dass der Daimyo nicht in sonderlich guter Stimmung war. Das Treffen mit den Boten aus Sobo und die Übergabe des kleinen Fuchses war wohl nicht zu dessen Zufriedenheit verlaufen. Als er die Anfrage vernahm, wagte er ein wenig die Stirn vom Boden zu nehmen, froh, dass er bereits mitgedacht hatte und eben sich darum in den vergangenen zwei Tagen gekümmert hatte.

„Es handelte sich nicht in dem Sinn um ein Dorf, Inu Yasha-dono, nur eine kleine, namenlose, Siedlung mit ungefähr fünfzehn Menschen. Sie gehörten verwaltungstechnisch zu einem richtigen Dorf, mit Ortsvorsteher, der auch die steuerlichen Dinge und so regelt.“ Wie zum Beispiel die Bücher über Geburten und Todesfälle.

„Ach. Und dem Kerl ist nicht aufgefallen, dass das Dorf da nicht mehr existiert, keine Steuern kommen? Keine Einkäufer auf den Markt?“

„Mit Verlaub, diese kleine Siedlungen im Wald zahlen nur alle zwei Jahre Steuern und versorgen sich zum größten Teil selbst.“

„Soll ich dem entnehmen, dass da dieses Dorf seit mindestens einem Jahr von der Bildfläche verschwunden ist und das keinem auffiel?“ Immerhin vor seiner Zeit als Daimyo, aber das war kein großer Trost. Wer wusste schon, wo hier in Aoi noch so einiges schief lief. Er kannte schließlich die strikte Verwaltung in Nishi, die es Vater ermöglichte direkt und durchgängig zu entscheiden. „Mach mir bis morgen einen Vorschlag, wie so etwas verhindert werden kann. Und wenn der Ortsvorsteher, oder eher die Ortsvorsteher, denn dann sollen das alle machen, einmal im Monat eine Rundreise zu diesen Waldsiedlungen drehen. Keine weiteren Menschenleben mehr!“

Okinajoi richtete sich vorsorglich erst auf, als der Daimyo sein Büro verlassen hatte. Er sollte die Kollegen warnen. Wenn noch einmal etwas schief ging, ein drittes Dorf überfallen wurde, würde der Beraterstab im besten Fall komplett ausgetauscht werden, im schlechtesten Fall aus sehr endgültigen gesundheitlichen Gründen an weiterer Arbeit gehindert sein. Es war schlimm genug, dass der junge Herr bereits zwei Mal in den kaum drei Monaten als Daimyo bei solchen Zwischenfällen direkt und erfolgreich eingreifen musste und nun zu Recht verärgert war. Es durfte kein weiterer Fehler mehr passieren, gleich, in welchem Bereich.

 

Inu Yasha wollte eigentlich in gewissem gerechten Zorn gleich weiter zu seinen Hauptleuten gehen, als er erkannte, dass Kagome auf ihn zukam. Er blieb stehen. Der Verwaltungstrakt war überhaupt nichts für sie und sie verneigte sich auch sehr formell. Was wollte sie ihm sagen? Denn es war offenkundig, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Wollte sie ihm mitteilen, dass sie wegen der ganzen Aufregungen, die er ihr zugemutet hatte, keine Freunde mehr sein könnten? Er schluckte unwillkürlich. Was dann? „Kagome?“

„Darf ich um Audienz bitten, Inu Yasha-sama?“ Hier gab es genügend Leute mit sehr aufmerksam gespitzten Ohren. Würde sie ihn hier duzen, so wie im Wald, konnte und musste er sie bestrafen. Da ging es dann um nichts Persönliches, sondern das Amt und die Würde eines kaiserlichen Stellvertreters.

Er blinzelte etwas verwirrt und seine Ohren zuckten verräterisch. Aber er meinte nur: „Privataudienz. Komm.“

Sie war etwas überrascht, dass er in den ersten Stock ging, zu seinem Schlafzimmer. Erst, als sie dort die zwei Wachen wieder vor dem Trakt stehen sah, bemerkte, wie nachdrücklich der Halbdämon diese Tür schloss und auch seine Schlafzimmertür, begriff sie. Im Arbeitszimmer saßen immer mindestens Diener oder Wachen vor der Tür – und die waren allesamt nicht taub, schon gar nicht, wenn ein Dämon auf Posten war. Das hier war tatsächlich der einzige Raum in der ganzen Burg, vom Garten mal abgesehen, wo sie unbelauscht miteinander reden konnten. Und der Garten war doch schon etwas kühl geworden. „Danke,“ meinte sie darum.

„Setz dich.“ Er wies auf sein Lager.

Diesmal beging sie nicht den Fehler wütend zu werden. Er wollte nett sein, wie er es eigentlich immer war. Er setzte sich auch betont weg von ihr, wieder unter das Fenster und lehnte sich gegen die Wand. Ja, er war sehr nett zu ihr, obwohl sie ihn manchmal wirklich ärgern musste. So rang sie nach Atem und versuchte ruhig zu werden. Das war es doch, was sie von ihrer Bitte um Audienz erhofft hatte, ein privates Gespräch. Nur, wie anfangen? Vorhin, im Frauentrakt, war es ihr so einfach erschienen, sie würde hingehen und … Ja. Und jetzt kam sie sich töricht vor, vermutlich würde er sie auslachen. Und sie hatte doch so gehofft, dass er sie auch irgendwie wertschätzen lernen würde, merken, dass sie nicht nur hübsch, sondern vielleicht auch eine Beraterin wäre. Natürlich unter vier Augen, so wie Mama das bei Vater gewesen war. Aber, wenn sie sich jetzt lächerlich machte...?

Ihre Nervosität schwängerte für einen halben Hundedämon buchstäblich die Luft. Was wollte sie nur, was fiel ihr so schwer? Vielleicht sollte er sie beruhigen. Nur, wie, wenn er doch selbst aufgeregt war? „Möchtest du noch einen anderen Bogen? Komm schon, ich fresse dich nicht auf, versprochen.“ Und, wenn sie eben nicht mehr befreundet sein wollte, wäre es eben so. Allerdings …. er würde schon ganz gern, nur ein bisschen, sie noch einmal küssen. Und vielleicht sogar auch ausprobieren, was er nur in der Theorie kannte, ihn aber immer mehr in seinen wenigen Stunden Schlaf förmlich heimsuchte.

Er würde sie nicht auffressen. Da sie mittlerweile davon überzeugt war, konnte sie das nur als eine Anspielung auf ihre Panik in der ersten Nacht verstehen. „Ich weiß, ich bin doch lernfähig!“ Nein, sie sollte ihn nicht anfauchen, nicht, wenn sie doch eigentlich ...nun, ja, etwas wollte. So nahm sie ihren ganzen Mut zusammen. „Ich ...du weißt, dass Shippou bei mir geschlafen hat. Und ich ...ich möchte diese Nacht nicht allein schlafen. Darf ich hier übernachten?“ Sie sah durchaus, dass seine Ohren entzückend zuckten, aber auch seinen etwas fassungslosen Blick. „Ich meine, so wie ...wie da.“

Was sollte das denn? Sie vermisste Shippou und wollte ihn als Alternative? Aber eigentlich gab es darauf nur eine Antwort. „Ja, klar. Gemeinsames Abendessen, dann zieh dich zurück und ich lasse dich offiziell rufen, alles ganz ordentlich. Was wir dann machen liegt bei uns.“ Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit zu einem Kuss? Halbdämon konnte doch mal hoffen.

Ja, das hatte sie ganz vergessen. Nach außen hin musste alles ganz normal erscheinen. Gut, wenn er daran dachte. Er hatte doch wohl Strategie gelernt, so als Fürstensohn. „Ich fühle mich so allein, seit er weg ist,“ gab sie zu. „Und zu Mama will ich nicht, sie fragte mich gestern ob ich meine guter Hoffnung zu sein....“ Sie wurde prompt rot. Wie auch immer man das wurde, wusste sie ja immer noch nicht. Nur, dass ihr Ehemann sich bislang nett verhielt und eigentlich nichts ungewöhnliches von ihr verlangt hatte. Zumindest im Schlafzimmer. Aber das konnte sie Mama nicht sagen. Falls diese das aus Versehen bei ihrer Freundin ausplauderte, die das weiter erzählte – dann waren Inu Yasha und sie schneller den Kopf los als man gucken konnte.

„Nein, das kannst du nicht sein. Aber gut, wenn du ihr nichts gesagt hast.“

„Ja, ich weiß. Danke, Inu Yasha.“

Sie lächelte und so wollte er ihr auch noch einen Gefallen tun. „Hast du eigentlich was von Souta gehört?“

„Nein?“ Sie war verwirrt. Immerhin liefen eintreffende Briefe über die Kanzlei und wurden im Zweifel dem Daimyo vorgelegt. „Aber, es ist auch noch nicht so lange her. Die Boten brauchen ja auch. Ich glaube von Eri kam auch noch nichts?“ Sie klang sehr fragend.

„Ich hätte es dir schon gegeben,“ meinte er sofort. „Solange da nicht gerade was von Hochverrat drin steht. Aber es kam gestern ein Bote aus Heijokyo, der nur private Briefe brachte. Da wir das mit Kosaten ja hatten, habe ich mir keinen angesehen.“

„Oh. Dann frage ich mal Mama. Danke.“ Er war wirklich freundlich und diese Ohren ...Nein, die durfte sie nicht anfassen, auch, wenn es sie gerade reizte, da sie so zuckten.

„Dann geh. Ich habe noch eine kleine Aussprache mit meinem nachlässigen Militär.“

 

Diese Aussprache endete nach einer halben Stunde mit dem Schwur des menschlichen Hauptmannes und dämonischen Waffenmeisters alles genauestens zu überprüfen. Denn nicht nur Nimaki, sondern auch Toyomaru hatten soeben das Gefühl erhalten, mit ihren Nacken Tessaiga ein sehr weites Stück näher gekommen zu sein. Der Hundedämon hatte Inu Yasha ausgebildet – aber er hatte noch nie erlebt, warum das ein Halbbruder des Erbprinzen war, aber auch wie sehr auch die Ähnlichkeit mit seinem Vater ausgeprägt war. Und zumindest er konnte genau abschätzen, warum es nicht die beste Idee war durch wie auch immer geartete Nachlässigkeit Boten und Erben des Neunschwänzigen in Lebensgefahr zu bringen.

 

Sesshoumaru ertappte sich zum ersten Mal bei dem Gefühl froh zu sein in seiner Suite anzukommen. Nicht, dass ihn jemand oder auch nur das Menschenkind hinter ihn angestarrt hatte, aber er hatte die ganze Lage unbehaglich empfunden. Zerborstene Rüstung, Blutflecken, dahinter ein völlig heruntergekommener Mensch, noch dazu ein Kind .. Was hatte sich Vater nur dabei gedacht? Es handelte sich um eine Strafe, das war ihm klar. Nur war dies einer der sehr seltenen Fälle in denen er nicht wusste, was der Taishou damit bezweckte. Dass er das tat, war klar. Vater war ein Stratege durch und durch und tat nie etwas unbedacht. Selbst diese Heirat mit der Kaisertochter hatte er ihm strategisch erklärt.

Er blieb im Vorraum stehen. Nach links ging es in sein Zimmer, geradeaus hauste Jaken. Zum Glück war da noch ein dritter, leerer, Raum, wo eigentlich ein Leibdiener schlafen sollte, den allerdings weder er noch Vater für nötig befanden. Mutter natürlich benötigte Zofen, allein um ihre Kleider zu pflegen. Und das war in seinen Augen der letzte Beweis, dass der Hundefürst genau gewusst hatte, was er tat, denn natürlich kannte der diesen Umstand.

„Sesshoumaru-sama, wollt Ihr dieses Ding da essen?“

Jaken. An dem Tag, an dem dieser Krötenkönig wusste was er tat oder auch nur aussprach, würde sich vermutlich der Himmel vor Begeisterung grün färben und Inu Yasha versehentlich beide Gehirnhälften gebrauchen. „Du siehst Rin.“

Der engste Vertraute des Erbprinzen begriff in diesem Moment vor allem, dass dieser Mensch nicht nur einen Namen hatte, sondern er ihn auch verwenden sollte. „Ja, Sesshoumaru-sama.“ Aber er guckte mehr als fragend zu seinem Herrn auf, doch etwas überfordert mit dieser nie da gewesenen Lage.

Der sollte sich um sie kümmern, damit er selbst baden konnte und neue Kleidung samt Rüstung erhielt, was war denn daran so schwer zu verstehen. Nun ja, es war Jaken. „Besorge ihr passendere Kleidung und sorge dafür, dass sie badet.“

Unverzüglich packte der kleine, grünliche Dämon nach der Hand des Menschenmädchens, das mit überraschender Geschwindigkeit auswich. Wortlos, aber mit einem flehenden Blick, beide Ärmchen ausgestreckt, sah sie zu dem Erbprinzen auf.

Dieser fühlte etwas seltsames. Er konnte diesen Blick nicht einfach erwidern und sie fortschicken. Nicht, ohne das Versprechen zu geben, das sie offenkundig so inständig erbat. „Danach bring sie wieder her. Und lass das Zimmer dort für sie einrichten.“

Tatsächlich strahlte sie auf und wandte sich gehorsam in Richtung auf den Krötendämon. Aber ihr entkam ein Flüstern, krächzend und rau, hatte sie doch fast zwei Jahre nicht gesprochen. „Sesshoumaru-sama...“

Und, noch während dieser im Bad lag um sich zu entspannen und zu regenerieren, fragte er sich zum hundertsten Mal, warum es ihn so eigen anmutete, dass ihr erstes Wort nach Jahren sein Name gewesen war.

 

In dem kleinen Wäldchen ein Stück abseits der Burg Higurashi stand Hakudoshi im Schutz der Abenddämmerung an einen Baum gelehnt und spürte sorgfältig nach dämonischen Energien. Er sah erst auf, als er eine vertraute rasch herankommen spürte, ehe er eine große Feder erkannte, auf der Kagura saß. Verdammt! Wusste sie das nicht? Er rannte zum Waldrand und winkte. Sie kam eilig herunter und sprang ab, die Feder verschwand sofort.

„Was ist? Wirst du nervös?“

„Nicht ohne Grund. Komm in den Wald. Wenn ich nicht sicher wäre, dass der Taishou nicht seinen eigenen Sohn angreift und auch unser Vater das zur Zeit nicht vorhat, würde ich sagen, Aoi bereitet sich auf Krieg vor.“

„Was hat Inu Yasha denn getan?“

„Keine Ahnung. Er kam am frühen Nachmittag, soweit ich es mitbekommen konnte, mit Eskorte und der lieben Kagome von dieser Übergabe des Fuchskindes zurück, seither war er nicht mehr draußen. Nicht, seit ich hier bin, aber auch die Hölleninsekten brachten da nichts Anderes. Kagome und ihre Mutter sitzen im Frauentrakt, der Halbhund im Arbeitszimmer.“ Da er bemerkte, dass seine Schwester ungeduldig wurde. „Aber, was auch immer er getan hat, das Militär ist unruhig geworden. Immer wieder brechen Patrouillen größerer oder kleiner Art auf. Nach Norden und Süden. Ich ließ sie verfolgen. Es sind gemischte Patrouillen aus Dämonen und Menschen und sie kontrollieren hauptsächlich die Magistrale, aber ziehen dann auch weiter nach Osten und Westen, jeweils bis zu den Grenzen. Es ist, als ob da ein ganzes Netz über Aoi gespannt wird.“

„Ich verstehe nicht viel vom Krieg, mein Fachgebiet ist Spionage.“ Kagura tippte ihren Fächer nachdenklich an die Lippen. „Wenn Inu Yasha Patrouillen ausschickt, könnte es doch auch sein, dass er glaubt nicht nur die Donnerbrüder hätten sich hier versteckt.“

„Möglich.“ Aber Hakudoshi überlegte noch einmal.

„Wenn so viele Dämonen, vor allem, und auch Samurai weg sind, wäre die Burg doch angreifbar für Vater?“

„Kagura, bitte. In dem Moment in dem der Fürst von Ayama die Grenze überschreitet, hat er Krieg mit dem Kaiserreich und zusätzlich den Wuffis. Der Taishou hat doch diesen Bündnis- und Verteidigungspakt. Direktes Vorgehen wäre töricht. Übrigens, es befindet sich auf jeden Fall noch die komplette Burgwache und natürlich der liebe Daimyo selbst in der Burg.“

„Ja, er hat Narakus Abkömmlinge erledigt, die Übernahme seines Verstandes vereitelt mit der Hilfe von magischen Menschen, und jetzt auch noch die Donnerbrüder. Ich verstehe was du meinst.“

„Was hast du denn getrieben, wenn du antworten darfst?“ Vater war sehr streng mit seinen Befehlen.

Sie zuckte ein wenig die Schultern. „Einem Fuchskrieger einen anonymen Brief zugespielt, dass Abi und Fürstin Teikken an dem Angriff der Paradiesvögel auf den Erben des Westens wohl nicht ganz unbeteiligt waren.“

„Nun ja, sie unterstehen dem Fuchsherrn. Ob er das glaubt?“ Aber natürlich war jeder Versuch es wert um Mitwisser auszuschalten.

Kagura schwieg auch nur zu dieser Selbstverständlichkeit, zumal sie genau wusste, wie ihr Bruder mit Mitwissern umsprang. „Und ich habe eine Kleinigkeit für einen ...vertrauten Freund hier auf der Burg. Naraku will Inu Yasha ausschalten. Und ich habe eine Anweisung an dich mitbekommen.“

Hakudoshi seufzte. „Was?“

„Sobald der werte Daimyo erkrankt oder noch besser tot ist, schnappst du dir Kagome, lebendig und in gutem Zustand, und bringst sie Vater. Seiner Meinung nach ist es gleich wie viele Opfer es gibt.“

„Er kann sie nicht übernehmen. Dann verliert sie ihre läuternden Fähigkeiten und findet das shikon no tama doch nie.“

„Glaubst du, das weiß er nicht? Ich habe nicht gefragt, aber es gibt auch andere Möglichkeiten den Willen zu brechen, nicht wahr?“

„Also schön, ein neuer Plan, diesmal wieder direkt gegen den Halbhund. Inu Yasha macht Vater langsam nervös.“ Und ein nervöser Fürst machte Fehler. Und ein intelligenter Sohn konnte übernehmen.

Kaguras rote Augen richteten sich auf ihren Bruder. „Sei nicht töricht, Hakudoshi. Wenn er nervös wird, wirst du es als erster abbekommen. Er kennt deinen Ehrgeiz. Ich bin noch nützlich.“ Was sich auch schnell ändern konnte, wenn weder dieses Gift noch der Plan, den Fuchsfürsten auf die Herrinnen der Vögel zu hetzen, funktionierte. Immerhin hatte sie auch damals überlebt, als er gegen Kikyou nicht nur den Kampf, sondern auch noch das Juwel verloren hatte. Allerdings musste sie Hakudoshi in einem recht geben – ein simpler Giftmord passte eigentlich nicht zu Naraku. Oder wollte er etwas anderes und sie sah es nur nicht? Er hatte ihr schon manchmal gesagt, dass sie nie den ganzen Plan sehen würde. Nun, es würde schwierig genug werden in eine Burg zu gelangen, die so gebaut war und ganz auf Wachsamkeit getrimmt wurde. Soweit sie es überblicken konnte, benötigte Vater nur das Juwel der vier Seelen, um damit den Kampf der Motten gegen den Taishou und das Höllenschwert zu entscheiden, sich dieses zu nehmen und Hyouga das Juwel auszuhändigen. Dann wären die wieder weg und Naraku der mächtigste Mann. Falls die Motten falsch spielten, würde er entweder mit dem shikon no tama oder mit dem Höllenschwert oder auch beiden ganz sicher die Sache für sich entscheiden können. Ein sehr komplizierter Plan, aber sie wusste aus Erfahrung, dass er bei allem auch stets einberechnete, dass etwas nicht funktionierte. Seine Pläne waren wie ein Spinnennetz – fein gewebt und tödlich.

 

 
 

Beziehungsgeflecht

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Als Kagome wie angefordert in den Trakt ihres Ehemanns ging, sah sie zu ihrem Verdruss durchaus, dass die beiden Wachen ein gewisses Lächeln verbergen mussten. Idioten. Nun gut, immerhin konnte niemand behaupten, dass der Daimyo ihr keine Aufmerksamkeit schenken würde. Das war schon wichtig für das Ansehen einer Ehefrau, zumal einer Fürstengefährtin. Das hatte ihr Mama auch noch einmal versichert, als die Hofdame mit der Botschaft kam. Sie dürfe sich sehr glücklich schätzen, dass Inu Yasha so oft ihre Gegenwart wollte.

Die Schlafzimmertür war geöffnet und sie schloss daraus, dass sie eintreten durfte. Vorsorglich blickte sie sich noch einmal um, ja, die Außentür war fest zu. Gut. Dann konnte wenigstens keiner zuhören.

Als sie eintrat, und auch diese Tür sorgfältig hinter sich schloss, war sie etwas überrascht, den großen Raum leer zu finden, ehe sie ein Wasserplatschen in das kleine Badezimmer gucken ließ.

Inu Yasha stand da, in seiner gewöhnlichen roten Hose, aber seine einzige Oberbekleidung bildete die Bannkette, die sie ihm angelegt hatte und die er noch immer trug. Er hatte sich gerade gewaschen und trocknete sich ab. Sie wurde feuerrot, obwohl da doch nun wirklich nichts dabei war.

„Guten Abend,“ meinte sie etwas heiser, nur um etwas zu sagen und ihn nicht derart anzustarren.

„Du kannst dich gern schon hinlegen, wenn du müde bist. Ich komme dann auch gleich.“ Er warf das Handtuch nachlässig beiseite und sah erstaunt wie verlegen sie geworden war. Fast so wie da im Garten … Oh. Da hatte er auch nichts über der Brust gehabt. Reichte das schon aus um eine Frau in Verlegenheit zu bringen? Immerhin hatten sie doch beide vollkommen unbekleidet, buchstäblich Haut an Haut in ihrer Hochzeitsnacht geschlafen, um anzudeuten... Ja, aber da war es dunkel gewesen, auch die Feuerschale, die wie jetzt brannte, hatte er ausmachen sollen. Der armen Kagome war anscheinend gar nichts erklärt worden. Und sie hatte nie zusammen mit ihrem Bruder gebadet, oder? Gut, er auch nicht, denn der Herr Erbprinz teilte mit niemandem das Wasser. Das gab eher eine Warnung, wenn der ins Bad ging – nicht Betreten, Lebensgefahr.

„Ja, äh, danke....“ Sie sollte sich zusammennehmen. Er war nett, nichts anderes. Nur, warum war ihr so heiß und raste ihr Herz dermaßen?

So legte sie sich hin und guckte erst, als sie sich zugedeckt hatte, was er tat. Er hatte das Oberteil aus Feuerratten in der Hand.

„Soll ich wieder die Schale ausmachen?“ fragte er.

Kagome schwankte zwischen: ja, er ist nett bis hin zu einem Wutausbruch über sich selbst, weil sie ihre Empfindsamkeit so verraten hatte. So würde er sie doch nie für nützlich halten. Auch bei den Donnerbrüdern hatte sie ja wohl nicht sehr gut ausgesehen und ihn nur in Gefahr gebracht. Schön, bei Naraku hatte sie ihm helfen können, aber einmal konnte ja auch ein Zufall sein, oder? Um sich etwas aus dieser heiklen Lage zu retten versuchte sie es mit einem Scherz. „Wenn du dich weiter ausziehen willst, ja.“

„Ja, ich schlafe immer unbekleidet,“ meinte er unbekümmert und warf das feuerfeste Gewand über die Flammen.

„Immer?“ fragte sie unsicher im Schutz der Dunkelheit. „Alle Dämonen?“

„Nein, Dämonen schlafen sehr selten, das ist eher wie meditieren, natürlich nicht, ich meine, sie sind immer kampfbereit. Und, wenn ich mit Kriegern unterwegs bin oder meinetwegen auch Lehrern oder bei meiner Mutter natürlich auch nicht. Aber sonst, allein, ja.“

Sie hielt den Atem an, als sie spürte, dass er sich neben sie legte, unter ihre Decke kam. Nun ja, das hatte sie ja schon einmal erlebt und sie hatte doch diese Wärme wollen. Es war fast als ob Shippou da wäre. Der kleine Fuchs hatte ebenso diese eindeutig un-menschliche Wärme verbreitet. Sehr angenehm. Allerdings würde sie Inu Yasha doch kaum in die Arme nehmen können … nun ja, vielleicht er den Arm um sie legen? Das war auch sehr angenehm gewesen, zugegeben. Und sie hatte sich beschützt gefühlt. Überdies – diesmal hatte sie ja noch zumindest den leichten Baumwollyukata an.

Inu Yasha nahm seinen Mut zusammen. „Wenn ich den Arm um dich lege ist es etwas bequemer, oder?“

„Ja.“ Das hatte er ja schon gemacht, in der Hochzeitsnacht, oder unterwegs oder auch neulich im Garten, als er sie geküsst hatte. Aber ihr Herz schien sehr ungesund zu rasen, als sie sich etwas drehte, damit er den Arm um ihre Schultern legen konnte. Was war nur mit ihr los? Auch mit ihrem Atem schien irgendetwas anders zu sein.

Es war wunderbar sie so nahe zu haben, ihre Wärme zu spüren, ihre Witterung ihn förmlich einhüllend. Sie hatten ausgemacht mit dem Ernst zu warten, bis sie sich besser kennengelernt hatten. Das hatten sie doch, oder? Und sich angefreundet? Sie war allerdings nicht gerade ruhig, er konnte ihren Herzschlag hören. So drückte er sie etwas an sich. „Ganz ruhig. Schlaf einfach.“

Einfach! Wie er sich das vorstellte. War er nicht aufgeregt? Vermutlich nicht.Er konnte ja nicht diesen Unterschied spüren, den sie gerade empfand, von dem warmen, pelzigen Fuchskind zu ihm. Aber sie könnte ihn doch auch nicht einfach bitten sie noch einmal zu küssen. Man befahl einem Daimyo nichts, gleich, wie nett der einen behandelte. Sie drehte nur den Kopf etwas und versuchte sein Gesicht im Dunkel zu sehen. Zu ihrem gewissen Entsetzen hatte sie dabei vollkommen verpasst, dass sie mit dem Kopf an seiner Schulter lag und jetzt ihre Nase, ja, ihr Mund, seinen Hals berührte. Sie zuckte zurück, zumal, als sie seinen scharfen Atemzug hörte, fühlte sich aber festgehalten.

„Bleib so,“ sagte er und es klang weder so ruhig, wie er es sich gewünscht hätte, noch tadelnd, wie es Kagome erwartet hatte. Um sie dann doch loszulassen. „Nein, das geht so nicht.“

Sie fühlte sich irgendwie allein gelassen und fasste nach seinem Arm. „Es tut mir Leid, ich bleibe auch ganz ruhig liegen, versprochen. Ich werde mich nicht mehr unziemlich benehmen.“

Als ob nicht genau das sein Problem war! Er holte erneut tief Luft um sich zu beruhigen. „Kagome, du kannst gern hier schlafen. Aber ich setze mich da drüben ans Fenster.“

Sie war selbst über ihren Mut erstaunt, als sie ihn mit beiden Armen hielt. „Bleib hier, bitte.“

„Das kann ich nicht. Ich ... ich brate hier in der Hölle!“ Er wollte sich losmachen, stellte jedoch fest, dass er dazu Gewalt anwenden müsste, denn sie gab ihn nicht frei. „Kagome, ehrlich... ich kann mich nicht mehr zurückhalten.“

„Bleib bei mir.“ Plötzlich glaubte sie zu begreifen. War das, was sie fühlte, auch mit ihm los? War ihm auch so heiß? Es war reine Impulsivität - und eine gewisse Neugier -, die sie wiederholen ließ: „Bleib bei mir.“ Sie hörte, wie er heftig atmete, offenbar suchte sich zu beruhigen. Immerhin schwand sein Widerstand.

„Ist dir klar, was es bedeutet, wenn ich nicht gehe?“ Hatten sie sich doch soweit angefreundet? Nur ein Wort, und er würde ...

Ja, dachte sie. Sie würde endlich erfahren, was das große Geheimnis war. Und wie man ein Kind bekommen konnte. Ihre Stimme zitterte. „Du hast gesagt, du willst auf mich aufpassen. Ich vertraue dir.“

Da war jeder Widerstand zwecklos.

 

Inu Yasha drehte sich auf den Rücken, noch immer ein wenig erstaunt über den, ja, Rausch, den er erlebt hatte. Wenn in den vergangenen Minuten die Welt untergegangen wäre, hätte er auch nichts bemerkt. Seine Euphorie schwand, als er zu seiner Ehefrau blickte. Er sah selbst im Dunkel gut genug, um zu erkennen, dass sie regungslos auf dem Rücken lag, die Arme vor der Brust wie schützend verschränkt, die Augen geschlossen. Und seine Nase verriet ihm, was er nicht sah: Tränen. Betroffen drehte er sich zu ihr, wollte schon nach ihr greifen, aber er zögerte, aus Sorge sie weiter zu verschrecken.

Er hatte keine Ahnung mehr was genau er wann getan hatte, es war einfach ...zu gut gewesen. Und jetzt das. Er musste sie verletzt haben, ihr weh getan haben. Und das, wo sie doch gesagt hatte, dass sie ihm vertraue, er ihr versprochen hatte auf sie aufzupassen.

Resigniert ließ er sich wieder auf den Rücken fallen.

Ganz gut gemacht, dachte er zynisch. Sie vertraut dir – und alles, was du ihr beweist, ist, dass du ein ahnungsloser Grobian bist, ein egoistischer Rohling.

Was hatte er nur getan. Er hatte jetzt alles ruiniert, sie wollte sicher nicht mehr mit ihm befreundet sein. Und es war seine eigene Schuld.

Wie hatte er bei der Nachricht über diese Hochzeit gedacht: ein Leben lang gebunden an eine Frau, die ihn hasste? Kagome hatte sich Mühe gegeben, ihre Angst überwunden – und er benahm sich wie der Trottel vom Dienst. Wenn sie ihn jetzt wieder hasste, konnte er es nur zu gut verstehen.

Nur, warum schrie sie nicht, sagte nicht ihren Befehl? Im Zorn dachte sie doch noch nie daran, dass man das bei einem Daimyo nicht machte?

Weil sie gar nicht wütend war. Traurig, aber das machte es auch nicht besser. Warum nur hatte er damals dieses Angebot von der alten Hofdame nicht angenommen mit ihm zu üben? Weil er geglaubt hatte, das gehe schon irgendwie? Ja, irgendwie.

Er hatte alles vermasselt. Und er war schuld.

 

Kagome wäre um ein Haar aufgestanden und gegangen, aber der letzte Rest ihrer Erziehung hatte sich Bahn gebrochen. Niemand verließ einen Fürsten ohne dessen Aufforderung. Sie hätte sich so gern auf ihr eigenes Bett geworfen und ihren Tränen freien Lauf gelassen.

Er hatte sich so Mühe gegeben sie zu beruhigen. Und sie hatte buchstäblich praktisch nichts getan. Mehr oder weniger steif wie ein Brett zu liegen und ihn machen zu lassen war doch kaum das, was er erwartet hatte. Absolute Ahnungslosigkeit war ein sehr schlechter Ratgeber.

Oh, jetzt wäre er sicher enttäuscht von ihr, würde garantiert nichts mehr von ihr wissen wollen, vielleicht sie sogar wegschicken und sich eine andere Frau suchen, die ihn nicht zu Boden schickte, die nützlicher war, und, zumindest in dieser Lage, kunstfertig. Sie hatte sich als genau die ahnungslose, törichte Närrin gezeigt, die sie war.

Unglaublich peinlich, und die Vorstellung, wie enttäuscht er sein musste, ließ ihre Tränen nur mehr heißer fließen. Er hatte sich solche Mühe gegeben ihre Angst zu beseitigen, seit Tagen, Wochen, das hätte er nicht müssen. Und sie … Sie hatte ihn bestimmt enttäuscht, er war so schnell weg, berührte sie nicht mehr, auch, wenn sie durchaus mitbekam, dass er immerhin noch neben ihr lag.

 

„Kagome, es tut mir Leid,“ brachte er irgendwie hervor. „Ehrlich ich .. ich wollte doch nicht, dass du weinst... Habe ich dir sehr weh getan?“

Was redete er da? Sie wandte ihm den Kopf zu und wischte ihre Tränen ab. Es war zu dunkel um ihn zu sehen. „Was?“

„Du weinst doch.“

„Ja, weil es mir Leid tut, dass ich so ...so ungeschickt war.“

Der Halbdämon hatte das Gefühl ein ganzer Berg falle von seinen Schultern als er den Arm um sie legte und entzückt bemerkte, dass sie sich an ihn schmiegte. „Ich ja wohl auch,“ gab er zu. „Aber, du hast nichts falsch gemacht, sicher nicht. Nur ich.“

„Nein, das glaube ich nicht. Es ist wohl immer so, wenn man, ich meine, beim ersten Mal ..“ Sie brach verlegen ab, hob aber die Hand um nach einem seiner Öhrchen zu tasten, beruhigend zu kraulen.

Er spürte es mit wachsender Begeisterung. Es war nur ein Missverständnis. Aber jetzt sollte er sie wirklich beruhigen, irgendwie. Vater hatte ihm das ja als Rat für die Ehe mit auf den Weg gegeben und es schien der richtige zu sein. „Ich glaube, das ist wie mit dem Schwerttraining. Man lernt es in der Theorie, übt einzeln – und dann, wenn man einen Gegner hat, also, ich meine zu zweit trainiert, ist das plötzlich ganz etwas anderes und man muss dann viel üben.“

Kagome war schrecklich erleichtert, dass er das sagte. Und ihr Lächeln war ein wenig spitzbübisch, aber das konnte er nicht sehen. „Dann werden wir also viel üben.“

Dazu fand er keine Antwort, aber er zog sie sehr eng an sich.

 

Sesshoumaru verließ das Schloss um zu seinem bevorzugten Meditationsplatz zu gehen, ein wenig abseits von dem Trubel hier. Jaken als sein Sekretär folgte ihm natürlich, wie er genau wusste, wieder mit diesen großen Augen. Manchmal hatte er das Gefühl dieser Kappa sah ihn an wie ein Hund einen Knochen. Und hinterdrein tapste natürlich das kleine Menschenmädchen. Vater hatte sie seiner Verantwortung übertragen und das nicht zu beachten wäre mehr als nur ein Fehler.

So erreichten sie bald seinen Lieblingsplatz, eine Wiese, umrahmt an drei Seiten von dem Wald, zur vierten nach Westen hin Blick über das Land bis hin zum Meer bietend. Er ließ sich auf die Knie nieder und legte die Hände auf die Oberschenkel, ein wenig verwundert, dass sich Rin zunächst über die vielen, schönen Blumen hier freute und dann erst Jaken fragte, was Sesshoumaru-sama da zu tun gedenke.

„Er will meditieren, seinen Geist stärken. Und ich passe als ein treuer Diener derweil auf ihn auf,“ erklärte der Kappa wichtig.

Sesshoumaru nahm sich vor diese Bemerkung später zu quittieren und schloss die Augen. Der Krötenkönig und ihn verteidigen? Glaubte der Narr, dass er so schwach war? Mit zwei, drei tiefen Atemzügen begann er seine Versenkung.

Nur, um wenig später irritiert aufzutauchen. Was war denn nun passiert? Steigende dämonische Energie um ihn genügte in aller Regel um ihn selbst aus der tiefsten Versenkung zu holen. Aber nichts Gefährliches war zu spüren oder zu wittern, nun, wer sollte sich auch nach Nishi wagen, noch dazu so nahe an das Schloss?

Erst im zweiten Moment erkannte er die ungewöhnliche Lage vor sich. Jaken stand wie stets da, seinen Kopfstab in der Hand. Heute allerdings wurde er von dem fast gleich großen Menschenmädchen umtanzt, das fröhlich immer die gleichen Zeilen vor sich hin sang.

„Oh wie grün sind alle kleinen Kröten, oh wie so schön grün. Oh wie grün ist auch Jaken-sama, Jaken-sama ist so grün.“

Wie hätte es einer seiner Lehrer formuliert: Melodie noch sehr ausbaufähig, Text zu simpel? Aber amüsant. Wenngleich nicht ganz der Wahrheit entsprechend. Jakens Gesicht hatte sich rot gefärbt. Ganz offensichtlich stand er kurz davor, dem Mädchen den Kopfstab drüber zu ziehen.

Da der Krötenkönig tatsächlich den Stab hob, war der Erbprinz mit einem Satz auf den Beinen und stand neben ihm.

Jaken bekam das erst mit, als er bereits mit dem Rücken auf dem Boden lag, ein Fuß seine Rechte, die noch immer den Kopfstab umklammerte, schmerzhaft presste. Gewöhnlich löste sich doch Sesshoumaru-sama nie aus seiner Meditation?

Inzwischen wurde auch dem jungen Hundedämon klar, dass es schwer sein musste die Selbstbeherrschung zu wahren, wenn man dieses Lied minutenlang entgegen gesungen bekam. So meinte er: „Rin, schweig.“ Das Mädchen nickte nur und wandte sich ab um stattdessen Blumen zu pflücken. So senkte der Erbprinz erneut seinen Blick zu dem Kappa, der anscheinend irgendeine Entschuldigung stottern wollte. Nicht das auch noch! „Mein Herr und Vater hat sie meinem Schutz anvertraut.“ Er wusste, er musste nicht mehr sagen, und zog den Fuß zurück, um wieder auf seinen Platz zu gehen und den nächsten Versuch einer Meditation zu beginnen. Jaken würde wissen, dass er jeden Befehl des Fürsten befolgte. Und, was sein Schutz bedeutete.

 

Tatsächlich wusste das der kleine Krötenkönig. Als Sesshoumaru mit einem tiefen Atemzug wieder in die Wirklichkeit zurückkehrte, erkannte er daher die neue Lage. Nun, dafür, dass hier im Herbst recht wenige Blumen wuchsen, hatte Rin eine Menge gepflückt und sie zu einer offenkundig sehr langen Blumenkette geflochten, die sie, wenngleich noch immer schweigend, um Jaken gewickelt hatte, der sich mit beiden Händen am Kopfstab festhielt. Sie musste bemerken, dass er geistig wieder anwesend war, denn sie blickte zu ihm, fast fragend einen Blumenkranz in der Hand haltend. Sein Blick schien ihr genug der Ablehnung zu sein, denn sie legte ihm den unglückseligen Kappa auf den Kopf.

Das reichte, beschloss der Erbprinz und erhob sich. „Wir gehen.“

Erleichtert zerriss Jaken die Kette.

Während sie in das Schloss zurückkehrten, dachte Sesshoumaru nach. Rin schwieg noch immer, sie war sehr anstellig. Oh. „Du darfst wieder reden.“

„Danke, Sesshoumaru-sama,“ kam es prompt aus seinem Rücken.

Sie konnte nützlich sein, womöglich. Das Problem war nur, dass in seinem Umfeld Schreiber saßen, Sekretäre, und er kein ahnungsloses blumenpflückendes Menschenkind gebrauchen konnte. Nun, da gab es doch eine Lösung. Vater hatte erwähnt, dass die Waisen hier in eine Schule gingen. Wenn sie lesen und schreiben lernte, fand sich sicher eine Verwendung. Damit wäre sie doch gewiss beschäftigt und in Vaters Sinn versorgt, und er musste nicht ständig ihren Schutz übernehmen. Seiner Anweisung würde sie sich nicht widersetzen.

 

Der Inu no Taishou wunderte sich an diesem Nachmittag. Wenn er seine Berater zu sehen wünschte, kamen diese auch umgehend. Nur verspätete sich einer diesmal und verneigte sich eilig bis zum Boden, sichtlich, nun ja, für einen Dämon, außer Atem.

„Nun?“ erkundigte sich der Fürst.

„Sesshoumaru-sama...“

Ah, das war klar. Wenn sein Ältester jemanden ansprach war es aus verschiedenen Gründen für diesen ratsam stehen zu bleiben. „Was wollte er.“

„Er befahl mir ihm den Weg in die Schule der Waisenkinder zu zeigen und ging mit diesem neuen Menschen dorthin, um mit dem Lehrer zu sprechen.“

„Nimm Platz.“ Durch nichts zeigte der Hundefürst sein Amüsement. Sein Plan schien ja fast besser aufzugehen als er geglaubt hatte. Er hatte gehofft, seinem Sohn und Nachfolger auf diese Weise auch die zweite Art im Westen näher zu bringen, und zugegeben auch, gewisse väterliche Pflichten. Immerhin wollte er so bald es anging ein Enkelkind haben, die Familie vor seinem Tod noch weiterbestehen sehen.

 

Der Fürst von Sobo las den anonymen Brief wortlos im Kreise seiner Berater, ehe er sie hinausschickte und nach seinem Sohn sandte. Der Fuchsherr saß auf einem Hocker, seine neun Schwänze bogen sich prachtvoll wie ein Pfauenrad hinter ihm. Nur die hellen Strähnen in dem langen, roten Haar zeugten ebenso von seinem Alter wie die weiße Unterseite der Schwänze. Seine dunklen Augen musterten den eintretenden Akamaru. Ihm war nur zu bewusst, dass man sich seine Kinder nicht aussuchen konnte, strenge Erziehung hin oder her, und so war er froh, dass sein Erbe gut geraten war, intelligent vor allem. Er würde zwar mit Sicherheit einiges anders machen als er selbst – das hatte er einst auch getan - aber Akamaru war ehrenhaft und klug. Was wolte ein Fürst mehr. „Setz dich. Diesen Brief erhielt ich von einem Krieger, der ihn an der Grenze zu Kamawaru bekam. Vor einer Dämonin, die sicher kein Fuchs gewesen sei.“

Der Erbprinz las. Er wusste, dass der mächtige Herr der Füchse ihn solcherart immer näher an die Regierung führte, ausbildete, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Als er aufblickte, erkannte er, wie erwartet, dass sein Vater die Augen geschlossen hielt. Nicht aus Müdigkeit, eher im Gegenteil, um jedes seiner Worte besser analysieren zu können. „Abi war mit Eurer Genehmigung in Nishi. Gab es tatsächlich einen Zwischenfall?“ Vater besaß dort ebenso wie in jedem anderen Fürstenschloss einen Spitzel.

„In der Tat. Die Paradiesvögel entkamen der Kontrolle der werten Prinzessin und griffen Sesshoumaru an, der irgendwo unterwegs war. Vermutlich die mächtigste Beute, du weißt, wie sie sind. Nun, er hat es überlebt, zwei der sechs Vögel nicht. Abi rief sie auf Anweisung des Taishou zurück und flog unverzüglich zurück.“

„Nun, verständlich, nehme ich an. Ich würde auch an ihrer Stelle ungern einem zornigen Fürsten gegenüberstehen.“

„Weiter.“

„Was ich nicht verstehe ist, was für ein Interesse Abi daran haben sollte Sesshoumaru anzugreifen, denn das legt dieser Brief nahe. Sie ist die Herrin der Vögel, sie kann unmöglich glauben Nishi zu erben, zumal es eben noch Inu Yasha gibt. Abi tut nie etwas, das nicht für sie oder Fürstin Teikken von Nutzen ist. Andererseits wäre es für sie ein Leichtes die Kontrolle absichtlich zu verlieren. Nur kann ich keinen Grund entdecken.“

„Suche nicht nach dem, welchen Sinn es für Abi hat.“

„Verehrter Vater?“

„Frage doch, welchen Sinn es für den unbekannten Schreiber macht mein Augenmerk auf die Vogeldamen zu lenken.“

„Oh.“ Der Erbprinz blickte erneut auf den Brief. „Die Vögel leben im Osten von Sobo, grenzen an das menschliche Kaiserreich und Chiba, die Provinz der Drachen auf dem Festland. Für den Drachenkönig macht ein solcher Brief keinen Sinn, für den menschlichen Kaiser auch nicht. Allerdings – falls das wirklich ein geplantes Attentat gewesen ist, wärt Ihr berechtigt, sie zu töten. Wer wäre dann der Erbe der Vögel? Doch der mächtigste Blutvogel, nicht wahr?“

Da der Fürst der Stimme entnahm, dass sein Sohn diesen als Briefschreiber ausschloss, winkte er nur.

Akamaru war klar, dass er weitersprechen sollte. Also lag er noch richtig. „Angenommen, es war tatsächlich ein Unfall. Ihr erwähntet, dass Abi um die Reisegenehmigung ersuchte, weil ihre Mutter so krank ist. Das einzige Gefühl, das ich ihr zubillige, ist die Liebe zu ihrer Mutter. Also wäre sie nervös, leicht abzulenken. Womöglich ein Gespräch mit einem Heiler im Westen, eine Chance zur Heilung – oder eben, dass sie nichts tun können. Es wäre durchaus denkbar, dass sie versehentlich die Kontrolle verlor. Und jemand das nun ausnutzen will, in dem er Euch auf sie hetzt. Hm. Eine Möglichkeit, die ich noch sehe, wäre, dass der Unbekannte keine Ahnung hat, sowohl von Eurem Verhältnis zu dem Taishou als auch von Inu Yashas Handeln der letzten Tage. Dann könnte das ein Versuch sein Euch anzudeuten, dass die Krankheit Fürstin Teikken erlogen ist, der Zwischenfall durch den Hundefürsten gedeckt wurde, ja, veranlasst wurde, um mit Abi über ein Bündnis zu sprechen. Nishi grenzt an Sobo, dazu diese kleine Kamawaru-Provinz der Menschen, die weder für den Daimyo von Aoi selbst noch mit seinen Dämonen ein Hindernis darstellen würde. Angenommen die Vögel greifen abgestimmt aus dem Osten an …“

„Das wäre ein ziemlich unkluger Plan, mein Sohn. Ich glaube jeder Dämon in ganz Japan hat unser Duell damals mitbekommen.“ Eine ganze Stunde hatte er mit dem Herrn der Hunde gekämpft, seine Magie gegen den und So´unga. Sechzig Minuten, von denen jede einzelne für jeden von ihnen zur Ewigkeit wurde. Bis sie sich, zugegeben, erschöpft, auf ein ehrenhaftes Unentschieden geeinigt hatten. Und den jeweils anderen als ehrenhaften Krieger anerkannt hatten. Er öffnete die Augen. Da Akamaru den Kopf neigte, fuhr er fort: „Andererseits würde das nur besagen, dass es der Unbekannte nicht weiß. Zu jung oder nicht aus Japan? Angenommen, ich würde glauben, dass der Taishou eine überaus raffinierte Schlinge um Sobo legt, würde ich natürlich alle Fürsten informieren und erst recht den Kaiser, dass einer seiner Daimyo auf Rechnung seines Vaters spielt. Und die Vogeldamen hinrichten.“

„Könnte der Taishou überhaupt...“ Er brach ab. Man deutete nicht einmal an, dass ein Dämonenfürst töricht war.

„Er ist ein brillanter Stratege. Aber das ist nicht seine Art. Er würde mir einen Brief schreiben und zu einem Duell bitten. Unwahrscheinlich, das Vergnügen würden wir uns vermutlich beide gern schenken. - Aber du siehst die Punkte, die ich auch sehe. Und noch einen. Gleich, was auch immer von diesen Theorien stimmen mag: in jedem Fall soll ich meine Aufmerksamkeit nach Osten lenken. Und das bedeutet, dass genau von Westen etwas zu erwarten ist.“

„Da wäre nur das Meer … nicht aus Japan, meintet Ihr.“

„Lass Gruppen aus dem Heer unauffällig nach Westen hin verlagern. Kein Aufbruch, keine sichtbare Kriegsvorbereitung. Ich werde den Vogeldamen persönlich einen Besuch abstatten. Und den Spion des Taishou in Kenntnis setzen.“ Ein amüsierter Ausdruck glitt über das Fuchsgesicht des Neunschwänzigen. „Sieh nicht so erstaunt drein – ich kenne den seinen und er den meinen. Ganz praktisch, wenn man sich unterhalten will, ohne dass es jeder Dämon mitbekommt. Und sicher ist, dass auch der Gegenpart ehrenhaft ist.“

„Ihr seid sicher.“

„Du solltest es auch sein, du hast seinen Jüngsten kennengelernt.“

 

 
 

Alpträume


 

P

rinzessin Abi war die ungeheure Energie ihrer Mutter neben sich gewohnt, auch, wenn diese in letzter Zeit doch erheblich nachließ, aber sie fuhr herum, als diese sich, wenngleich mühsam, beiseite drehte. Neben den Vogeldamen war eine riesige dunkle Wolke aus Dämonenenergie erschienen, in der es rot hin und her blitzte. Keine Sekunde später materialisierte sich der Herr der Füchse, der die Form der Anreise mit einem Dimensionsportal nicht nur aus Zeitgründen gewählt hatte. Zeigen wer man war, war manchmal im Vorfeld von Gesprächen nützlich.

„Mächtiger Fürst....“ Die dunkle Stimme Fürstin Teikkens vibrierte durch das Tal, aber sie warf einen unwillkürlichen Seitenblick zu ihrer Tochter.

Abi schloss daraus, dass es ihrer Mutter wie ihr erging. Besucher, die man eingeladen hatte, waren natürlich willkommen, uneingeladene weniger und schon gar nicht quasi in Form eines Sondereinsatzkommandos. „Herr von Sobo,“ grüßte sie daher, bemüht ihr Erschrecken und das Zähneknirschen ebenso zu verbergen.

Der Neunschwänzige hatte in dieser Zeit kurz die Lage analysiert. Alles im Prinzip wie immer in diesem Tal, hauptsächlich Blutvögel, wenige Paradiesvögel. Was ihm allerdings schon bei der Ankunft aufgefallen war, war die mangelnde Präsenz. Ja, die Vogelfürstin war krank, schwächelte und das in einem Ausmaß, das eindeutig die Sorge ihrer Tochter erklärte. Abi fand sich wohl – und war es auch – zu jung um die Aufgaben zu übernehmen. „Danke, die Damen,“ erwiderte er jedoch höflich. Sie waren ihm und seiner Aufsicht unterstellt, aber dennoch war Teikken eine mächtige Frau unter den Dämonen. „Ich kam persönlich, um mich nach Eurem Wohlergehen zu erkundigen, Teikken. Aber, ich sehe, was ich sehe. Leider scheint es einige Dummköpfe zu geben, die annehmen, Eure Schwäche sei eine Schwäche Eures Volkes.“ Da beide Damen zusammenzuckten und ihn anstarrten: „Ein überaus naiver Jemand schrieb mir einen Brief, dass Ihr für ein Attentat auf den Erbprinzen von Nishi verantwortlich wärt.“

Abi presste die Lippen zusammen, wagte jedoch nicht zu ihrer Mutter zu blicken. Diese kleine Mistspinne von Naraku!

Die Vogelfürstin erwiderte nur: „Da Ihr Euch die Mühe macht hier allein herzukommen, vermute ich nicht, dass Ihr diesem Brief Glauben schenktet.“ Gegen das komplette Fuchsheer würden auch sie und ihre Vögel sich schwer tun. Überdies hatte der Fuchsherr es noch in den letzten Kriegen bevorzugt seine Gegner unverzüglich per Magie in das Jenseits zu schicken – nur gegen den Herrn der Hunde und dessen Höllenschwert war das wohl in einem Unentschieden geendet. „Und es ist Euch sicher bewusst, dass Abi nicht log, als sie mich ….geschwächt nannte.“

Ein Dämon war nie krank, zumindest sagte man das nicht. So nickte der Neunschwänzige nur. Ja, die Fürstin war sehr krank und schwach. Ihre Kontrolle über die Paradiesvögel schon mehr als brüchig. Und Abi bei weitem noch nicht soweit. Das mochte noch Ärger geben. Etwas wie ein Schatten lag über der Energie der Vogeldame. Jedoch nichts, was er erkennen oder auch nur benennen konnte. Nun, immerhin waren hier schon Fuchsheiler gescheitert. „Auch in Nishi wusste man keinen Rat?“

Abi war erleichtert, da sie nicht lügen musste. Der Herr der Füchse war nicht zu unterschätzen. „Nein. Der Heiler riet mir allerdings nicht nach einer Krankheit, sondern nach einem Verursacher zu suchen.“

„Unmöglich,“ erklärte der Fürst von Sobo sofort. „Etwas, jemand, der solche Magie legen könnte, wäre mir nicht entgangen.“ Das jedoch würde erklären, warum sie so abgelenkt war, dass die Paradiesvögel ihrer Kontrolle entkommen waren. „Jedoch keine Hilfsmittel?“

„Bedauerlicherweise nein. Ich erkundigte mich sogar nach diesem sagenumwobenen Juwel der vier Seelen, das die Menschen besitzen sollen, aber der Heiler glaubte nicht, dass es nutze.“

„Das shikon no tama ist nicht nur verschwunden, sondern auch ein magisches Artefakt. Man sollte diese Dinge nie einsetzen, wenn man nicht den Preis dafür zahlen will, Prinzessin Abi. Was dies betrifft, fragt nur den Inu no Taishou. Haben die Damen eigentlich irgendeine Idee, was von Westen auf uns zukommen könnte?“ Er erntete vollkommen irritierte, ja, verwirrte, Blicke.

„Vom Meer?“ fragte die Fürstin dann. „Unsere Vögel fliegen nur nach Süden, nicht nach Westen, so wie Ihr es angeordnet habt, Kyubi-sama.“ Das schien ja noch gut zu gehen. Offenbar wusste der Herr der Füchse nichts von der kleinen Absprache mit Naraku. Und, dass der diesen Brief geschrieben hatte, da war sich Teikken sicher. Sie hätte ihn doch gleich umbringen sollen. „Ihr mögt uns nicht sonderlich schätzen, aber ich weiß es wiederum zu schätzen, dass Ihr Euch damals bereit erklärt habt für uns zu bürgen. Seid gewiss, dass wir niemals etwas gegen Euch unternehmen würden.“

Das wäre auch gegen Nishi gegangen, aber der Fürst von Sobo beschloss, dass seine Warnung deutlich genug gewesen war. So sagte er nur: „Ich hoffe Euch demnächst in besserer Gesundheit anzutreffen, Fürstin.“ Und verschwand wieder in einem dunklen Portal.

Abi sah zu ihrer Mutter, die rasch den Kopf schüttelte. Kein offenes Gespräch, ehe man sicher wusste, was der Fuchs hier gelassen hatte. So erklärte die Prinzessin nur: „Der Fürst scheint uns zu glauben. Nur, was soll da von Westen kommen?“

„Im Westen ist das Festland, meine Liebe. Und dort leben auch Dämonen. Mächtige, sogar, wenn ich mich recht an die Gerüchte entsinne. Ich meine mich an einen Hyouga zu erinnern, der unsterblich sei. - Wir sollten alle Vögel in das Nest rufen, wenn der Westwind weht.“

 

Die Dienerin, die Nachtwache im Frauentrakt der Burg der Higurashi hielt, war überfordert. Die junge Fürstin schrie immer wieder den Namen des Daimyo, wälzte sich hin und her und war nicht wach zu bekommen. So weckte sie die Mutter der Fürstin. Da auch diese ihre schweißgebadete Tochter nicht wecken konnte, meinte sie:

„Nur ein Alptraum? Fieber? Magie? Rufe doch rasch meinen Vater.“

Die Dienerin fand das eine gute Idee. Der hoshi würde doch sicher wissen, was hier schief ging, und beeilte sich, während sich die ehemalige Fürstin niederkniete und ihre Tochter in den Arm nahm wie einst in Kindertagen, versuchte, sie zu beruhigen. Tatsächlich schien zumindest das zu gelingen, denn die junge Frau entspannte sich, wurde deutlich ruhiger. Doch eine Krankheit? Hätte sie nicht um ihren Vater, sondern den Heiler schicken sollen? Sollte sie Inu Yasha informieren? Aber der durfte ja nicht in den Frauentrakt, ihr Vater schon. „Kagome? Hörst du mich? Du musst ja einen schrecklichen Traum gehabt haben.“ Oder, noch viel schlimmer – was machte der Halbdämon mit ihr, wenn sie so oft allein waren? War es nicht Zuneigung, sondern etwas anderes? Nein. Sie sollte ihm vertrauen. Er war nett zu ihr und zu Kagome, das war alles. Was war nur los? „Kagome?“

Die öffnete die Augen, wirklich froh, wie seit langem nicht, im Arm ihrer Mutter zu liegen. „Mama...“

„Geht es besser? Du scheinst einen schrecklichen Alptraum gehabt zu haben. Oder fühlst du dich krank?“

„Ein Alptraum, ja.“ Kagome kuschelte sich an ihre Mutter. „Es war sonderbar, schrecklich. Ich hatte solche Angst.“

„Du hast immer wieder Inu Yasha gerufen.“ Nein, sie sollte nicht sagen, was sie befürchtete.

„Ja, ich erinnere mich. Er sollte doch kommen, mir helfen....“

Gut, dass sie nichts gesagt hatte. „Es muss wirklich schrecklich gewesen sein. Oh, Vater.“

Der hoshi kam herein, mehr als besorgt. Die Dienerin war vollkommen außer Atem gewesen und deren Bericht nicht sonderlich hilfreich. „Kagome? Immerhin, du bist wach. Ein Alptraum, hörte ich?“

„Ja, schrecklich.“ Kagome atmete tief durch und setzte sich auf. Es war nicht gut, wenn sie ihre komplette Familie an ihrem Bett fand. Sie mussten sich wirklich Sorgen um sie machen. „Ein schrecklicher Alptraum.“

„Aufwachen ist ein gutes Ende eines Alptraums,“ erklärte der Großvater und ließ sich nieder. „Was hast du denn geträumt, erinnerst du dich?“ Immerhin gab es noch die Variante, dass Magie im Spiel war. Das würde ihn zwar überfordern, aber dieser junge Mönch, dieser Miroku schien wirklich fähig zu sein,

Die junge Fürstin nahm sich erneut zusammen und lehnte sich an die Wand. „Ich war im Dunkel. Eigentlich war es nur schwarz, aber dann sah ich etwas Helles und ging darauf zu. Es war … Ja, wie soll ich das beschreiben. An zwei Ständern hing eine schwarze Perlenkette. Und unten an der eine viel größere helle Kugel, die leuchtete. Ich ging darauf zu. Und, dann passierte es. Ich wurde angezogen, unwiderstehlich, in dieser Kugel hinein.“

„Hm. Deine Magie ist erwacht, hast du gesagt. Das scheint zu stimmen. Und leider bist du wohl von dieser Magie noch überfordert.“ Der Großvater war durchaus besorgt. „Deine Beschreibung entspricht nämlich der des shikon no tama, soweit ich mich daran erinnere. Es ist immerhin fünfzig Jahre her. Du befandest dich also im Juwel der vier Seelen?“

„Ich weiß es nicht.“ Das klang mehr als eigen. Sie sollte darüber vermutlich mit Miroku sprechen. „Ich war nur in einer sehr dunklen Welt. Immer wieder rauschten Dämonen an mir vorbei, ziemlich grässliche Viecher, aber sie schienen mich nicht wahrzunehmen. Dann sah ich plötzlich eine Priesterin, die mit einem Schwert in der Hand vorbeiflog und Dämonen tötete. Plötzlich sah einer zu mir und ...und er sagte: das ist der ewige Kampf hier. Miko gegen Dämon, für jetzt und in alle Ewigkeit. Dann waren plötzlich auch die Dämonen fort und es wurde nur noch schwarz. Es gab kein Boden, keine Decke, keinen Himmel. Ich bekam Angst, noch mehr als zuvor. Ich war vollkommen allein. Und ja, Mama, ich glaube, da habe ich nach Inu Yasha gerufen. Er hat mir doch versprochen, dass er mich beschützt. Aber er kam nicht. Und ich flog da, hing da, vollkommen allein in absoluter Stille und Schwärze. Ich rief wieder nach ihm, denn ich weinte. Es war so grässlich. Und dann sagte eine Stimme: nenne deinen Wunsch. Ich verstand nicht, ich hatte doch solche Angst. Sollte ich bitten, dass Inu Yasha kommt? Dann fiel mir doch noch ein, Großvater, dass du gesagt hast, das Juwel mache einen Dämon stärker und erfülle den Wunsch eines Menschen. Aber eben nur einen. Ich wusste nicht einmal ob das das shikon no tama war, aber wo du es jetzt sagst, klingt es ...wahrscheinlich. Jedenfalls dachte ich da nur, dass ich mir nichts wünschen darf, weil sonst ja der eine Wunsch weg ist. Und es vermutlich etwas unglaublich Wichtiges gibt …. Und da war Mama da.“ Immerhin, wenn schon ihr Ehemann nicht gekommen war. Aber, um ehrlich zu sein, woher sollte er auch wissen, dass sie Alpträume hatte? Und nach der Regel durfte er diesen Trakt ja nicht betreten. Er hätte ihr sicher geholfen, wenn sie bei ihm geschlafen hätte.

„Geht es dir jetzt besser, Kind?“ Die ehemalige Fürstin sah auf, als jemand den Raum betrat, durchaus nicht überrascht, die Dämonenjägerin im Kampfanzug zu sehen. Sango entstammte einer anderen Welt und würde bei solchem Aufruhr in der Nacht eher an Kampf als an Alpträume denken. Da Kagome nickte, meinte sie: „Sango, es ist alles in Ordnung, Kagome hatte nur einen wirklich schrecklichen Alptraum.“

„Gut,“ erwiderte die Jägerin. „Das werde ich dem Daimyo sagen. Er steht vor dem Trakt.“

Inu Yasha. Kagome atmete auf. Er hatte ihre Schreie gehört und war gekommen. Natürlich musste er fragen und durfte nicht hinein, wegen Mama und so, aber … Er war gekommen. Sie konnte sich wirklich auf ihn verlassen. „Sango, sage ihm doch, dass ich froh wäre, wenn er heute Zeit für mich finden würde ...und, dass ich gern mit Miroku sprechen würde.“ Das durfte sie natürlich nicht allein, aber auch mit der Jägerin, geschweige denn ihrem Ehemann hatte sie sich ja doch angefreundet. Sie waren allesamt nett zu ihr. So würde sie ihnen auch von dem Alptraum erzählen. Denn, wenn Opa recht hatte, und das Juwel hier im Spiel gewesen war, sollte sie lieber Leute fragen, die sich damit auskannten. Noch so einen Traum brauchte sie wirklich nicht. Sie hatte nicht gewusst, dass man solche Angst bekommen konnte.

Sango überbrachte auch nur die Nachricht, dass der Hausherr seine Ehefrau gegen Mittag im Garten erwarten würde. Und sie selbst den Mönch mitbringen sollte.

 

Als Kagome, höfisch gefolgt von der Jägerin, in den Garten kam, fand sie Inu Yasha ungewöhnlich nicht sitzend, sondern stehend vor. Aber sein besorgter Blick verriet ihr, dass er wohl keine Ruhe gefunden hatte, Pflichten hin oder her. So lächelte sie etwas.

„Danke, mir geht es wirklich besser, aber, wenn Miroku auch hier ist, werde ich es erzählen. Es geht mir wirklich gut, aber es war ein schrecklicher Alptraum. Und mein Großvater meinte, dass ich von dem shikon no tama geträumt habe.“

„Das ist doch weg.“ Aber der Halbdämon ließ sich nieder und zog seine Ehefrau mit sich. „Wirklich alles gut?“

„Mir geht es gut,“ beteuerte sie. „Habe ich so laut gerufen, dass du es gehört hast?“

„Es war kaum zu überhören,“ meinte Sango ehrlich und setzte sich ihr gegenüber. „Aber, da deine Mutter geholt war .. es hätte ja auch ein Fieber sein können.“

Kurz darauf kam auch der Mönch und ließ sich nieder. „Alpträume?“

„Nur einen. Sonst habe ich keinen,“ verteidigte sich Kagome sofort. Aber sie berichtete, was sie geträumt hatte und dass ihr Großvater an das Juwel der vier Seelen gedacht hatte. „Aber es muss doch hinter Bannkreisen verborgen sein und überhaupt....“

„Keh.“ Inu Yasha legte den Arm um sie. Solche Angst – und sie hatte nach ihm gerufen. Und er hatte nicht kommen können. Nun, wie auch, das musste er zugeben. „Klingt jedenfalls schon eigen. Du hast das shikon no tama doch noch nie gesehen? Wenn dann die Beschreibung stimmt ...“ Er sah zu Miroku, aber der hatte eine Hand am Kinn und dachte sichtlich sehr gut nach.

So meinte Sango: „Selbst, wenn es das Juwel gewesen wäre, von dem du geträumt hast – es wurde doch von Midoriko damals erschaffen um Menschen zu schützen. Sie opferte sich selbst und schloss sich mit Dämonen.... oh. Darum der ewige Kampf? Sie hat sich dazu entschieden zu kämpfen, sich selbst zu verfluchen, um Menschen zu schützen. Nur, warum träumt Kagome dann jetzt von dem Juwel? Weil ihre Magie erwachte?“

„Ja, sicher.“ Der Mönch richtete sich auf. „Das bestimmt. Das shikon no tama ist seit fünfzig Jahren so gut verborgen, dass es weder Dämonen noch Priester finden konnten. Die Bannkreise müssen enorm sein, aber Kikyou erzählte doch, dass es nur jemand aus der Blutlinie finden könne. Kagome-sama, du bist eine der wenigen in diesen fünfzig Jahren der Higurashis mit Magie. Ich meine, dein Großvater hat schon etwas, ich arbeite mit ihm jeden Tag, aber eben bei weitem nicht das ...“ Er zögerte. „Mich macht nur etwas anderes besorgt. Es war dunkel in dem Juwel?“

„Ja, alles dunkel, außer, zuerst die Dämonen und dieser Geist einer miko.“ Die Fürstin sah ihn an. „Weil es dunkel war?“

„Das Juwel wurde zuletzt von Kikyou getragen und laut Aussage deines Opas leuchtete es da hell. Ihre Energie scheint zu schwinden und damit der Kampf miko gegen Dämonen entschieden zu werden. Das würde aber bestimmt bedeuten, dass auch der schützende Bannkreis schwindet. Und der gute alte Naraku bald wissen wird wo es ist.“

„Keh, es ist in Aoi,“ antwortete Inu Yasha prompt. „Wenn er die Grenze überschreitet … Ach. Du denkst an diesen Hakudoshi? Na, egal. Dann suchen wir es eben und sind schneller.“

„Äh,“ wandte die Jägerin doch etwas zögernd ein, denn eigentlich widersprach man keinem Daimyo. „Du entsinnst dich doch, dass wir gemeint hatten diese Provinz wäre ziemlich groß?“

„Wir wissen, wo es ist.“

Diese Aussage Mirokus ließ seine Freunde ihn anstarren.

So fuhr er fort: „Wir waren Idioten, allesamt, ich meine, entschuldige Inu Yasha-sama. Kagome-sama scheint an das Juwel irgendwie gebunden zu sein, dieser Traum beweist es. Und wir waren bereits an einem Ort, an dem nur sie etwas spürte.“

„Der Heilige Berg?“ Sango atmete tief durch. „Da ist das Grab der sieben ronin, mit Magie aus dem Jenseits versiegelt, die wir alle spürten. Und auf der anderen Seite spürte nur Kagome etwas....“

„Wo versteckt man Magie am Besten?“ erkundigte sich der Mönch schlicht.

„Ja, unter anderer Magie.“

Inu Yasha dachte kurz nach, das verrieten die gesenkten Augenbrauen.. „Ihr meint also, das Grab war schon da, aber die Magie des Jenseits übertüncht, dass auf der anderen Seite dieses Felsens ein Versteck liegt, das ebenfalls sehr gut versiegelt wurde?“

„Nicht nur das,“ antwortete Miroku. „Es hieß doch der Heilige Berg und da sei früher ein Kloster gewesen. Da existierten sicher auch noch Überreste von menschlichen Bannkreisen, die in die Irre führen, wenn man nur nachspüren will. Kikyou war doch eine Higurashi, sie kannte sicher den Ort, an dem das Kloster lag.“

Kagome wollte schon sagen, dass sie es ja auch nicht wusste, aber Kikyou war mutmaßlich eine deutlich fähigere Priesterin gewesen als sie selbst. Die hätte sich auch dafür interessiert. Sie weniger, zumindest bislang.

„Keh.“ Inu Yasha dachte nicht nach. Alles war besser als noch so ein Alptraum für die arme Kagome. Und, naja, Naraku sollte das Juwel ja auch nicht gerade in die Pfoten bekommen, wenn er Vater da richtig zugehört hatte. „Dann machen wir uns auf den Weg dahin. Jetz, in einer Stnnde. Kagome, nimm dein Priesterinnengewand und den Bogen mit, für den Fall der Fälle. Villeicht erkennt diese blöde Kugel mikos nur, wenn sie entsprechend gekleidet sind oder es sie im Schlaf erschrecken kann.“

Kagome sah alles andere als begeistert von ihrem Ehemann zu Sango, aber die blickte zu dem Mönch, ehe sie resigniert seufzte. Es war der Befehl des Daimyo und auch Miroku schien besorgt. Etwas kam da. Und das konnte kaum etwas Gutes bedeuten.

 

Kagura ließ sich vorsorglich erst auf den Wink Narakus nieder. Sie kannte ihn lange genug um zu wissen, dass er nicht zufrieden war. Ein Fehler konnte leicht fatal wirken. Mit Sicherheit schmerzhaft.

„Hat dein Spion die Vergiftung eingeleitet?“

Woher, bitte, sollte sie das wissen? Er hetzte sie von Sobo nach Aoi zurück nach Sobo, Nishi sollte sie im Auge behalten? So meinte sie nur vorsichtig: „Ich konnte ihn noch nicht befragen. Dein anderer Auftrag mit Sobo schien mir Priorität zu besitzen.“

„Du hast den Brief übergeben. Und dann warst du in Aoi.“

„Ja, ich traf Hakudoshi, wie du es wolltest und sagte ihm deine Befehle. Dann kehrte ich mit Hölleninsekten nach Sobo zurück.“

„Du warst vorsichtig,“ schloss er aus der Tatsache, dass sie hier saß. Der Neunschwänzige konnte recht spontan ultimativ werden.

„Ja. Der Brief wurde dem Fürsten übergeben, das konnte das Insekt übermitteln. Dann schickte er seine Berater hinaus und rief seinen Sohn. Ich rief me...dein Insekt zurück, denn mit vierzehn Schwänzen im Raum ...“ Sie wusste, sie musste nicht weitersprechen. „So lenkte ich welche zu den Vögeln. Tatsächlich erschien keine halbe Stunde später der Fürst bei ihnen. Übrigens mit Dimensionsportal.“ Was immerhin beeindruckend seine Macht zeigte.

„Sollte ich sagen, dass es mir für die Damen Leid tut?“

„Nach recht kurzem Gespräch verschwand er wieder. Und die Damen lebten noch.“

Dann hatte er sie wohl eindrücklich ermahnt. Und dem Brief nicht ganz Glauben geschenkt. Nun gut, immerhin würde der Fuchsherr sich nun mehr mit Vögel als mit Motten beschäftigen, fatal für diesen. „Wie steht es in Nishi?“ Eigentlich sollte man annehmen, dass der Neunschwänzige den Hundepapa von diesem Brief in Kenntnis setzen würde und der wiederum ein Verfahren gegen die Vögel verlangen würde. So war das eigentlich als Ersatzplan vorgesehen, wenn das Attentat auf Sesshoumaru fehl schlug.

„Das einzig Erwähnenswerte ist, dass der Erbprinz sich seit zwei Tagen von einem Menschenmädchen begleiten lässt, einem Kind.“

Drehten die Hunde jetzt durch? Oder, viel besser, natürlich, patzte der Sohn etwa und Papa bekam es nicht mit? Es gab gewisse Grenzen, was sich Dämon, sei er auch noch so mächtig, gegenüber Menschen leisten konnte, so lauteten die Friedensverträge. „Teilt sie sein Bett?“

„Soweit ich mitbekommen konnte, und, wie du weißt, dürfen auch hier die Hölleninsekten nur allein und behutsam einfliegen, hat sie ein eigenes Zimmer und geht in die Waisenschule im Schloss.“

„Sicher, dass sie ein Mensch ist? Keine Halbdämonin?“

„Sie hat keine Ohren wie Inu Yasha. Oh, du glaubst, sie könnte Sesshoumarus Tochter sein?“

Das wäre peinlich für den Sohn, denn dann hatte der Hundefürst wohl durchgegriffen und verlangt, dass er sich um das Erzeugnis einer fehlgeleiteten Nacht kümmerte. Nun, so unangenehm das für Sesshoumaru auch sein mochte, das war nichts, was ihm selbst weiterhalf auf seine Suche nach dem shikon no tama und dem Höllenschwert. Aber er hob den Kopf. Nicht nur der Hund war ein schwieriger Sohn. „Hakudoshi.“ Dessen Anweisung gelautet hatte, er solle sich um die Burg Higurashi kümmern und Informationen beschaffen. War denn nur Kagura eine einigermaßen fähige Spionin?

Der so Angesprochene neigte eilig den Kopf, als er eintrat. „Ich bringe Nachrichten aus Aoi,“ sagte er hastig.

„Ungemein wichtig.“

„Ich denke.“

„Tatsächlich. Nun, setz dich. Ist zufällig der Daimyo erkrankt?“ Dann hätte der Spitzel doch seine Aufgabe erfüllt.

„Er hat die Burg verlassen. Mit Samurai, Kagome, diesem Mönch und der Jägerin. Die Samurai kehrten nach einigen Stunden wieder zurück. Sie scheinen wieder nur zu viert unterwegs zu sein.“

„Sie scheinen.“ Naraku wäre es lieber gewesen, Hakudoshi hätte gesagt, sie sind. Aber das war mit Sicherheit erneut so eine Sache wie mit dem einen Menschendorf, was immerhin er selbst hatte überfallen lassen oder den Dämonenbrüdern. „Erledigt er immer alles eigenhändig?“

„Ich weiß es nicht.“

„Und, du weißt auch nicht, wo sie hin sind.“ Kagomes Magie war erwacht. Es bestand eine gute Möglichkeit, dass der kleine Ausflug einem Dorfüberfall galt – oder aber dem Juwel der vier Seelen. Das musste er unbedingt haben, ehe Hyouga mit Armee nach Japan kam.

„Äh...ich dachte, das sei wichtig.“

„Du denkst überhaupt nicht, mein Sohn. Das könnte eines Tages dein Ende bedeuten. - Suche dieses Quartett in Aoi. Suche sie und bringe mir Inu Yashas Kopf oder meinetwegen nur die Ohren und Kagome lebendig. Am Besten gleich mit dem Juwel der vier Seelen.“ Das „oder“ konnte er sich sparen.

Hakudoshi nickte nur. Das war ein Alptraum. Und die letzte, allerletzte, Warnung. Versagte er bei diesem Auftrag … nun. „Was ...“ Er wollte fragen, welche Unterstützung er bekäme, aber um den Mund des Fürsten von Ayama zucke etwas wie ein Lächeln, das nie seine Augen erreichte.

„Du hast einige Hölleninsekten, eine Waffe, du hast von mir einen überaus mächtigen Bannkreis, den nichts durchdringen kann. Was willst du noch?“

Jedes weitere Wort wäre fatal. So verneigte sich Hakudoshi nur und ging.

Kagura blickte lieber zu Boden. Was kam für sie? Ebenso ein recht schwieriger, um nicht zu sagen, tollkühner Auftrag, bei dem man nur verlieren konnte?

„Kläre das in Nishi ab ob das Mädchen die Tochter ist. Und beobachte Burg Higurashi. Wenn Inu Yasha zurückkehrt, will ich ihn tot sehen.“

„Ich werde es Eurem Spion mitteilen.“ Und den nach erledigtem Auftrag gleich selbst umbringen. Naraku schätzte keine Zeugen.

 

Alleingelassen lehnte sich der Fürst von Ayama etwas zurück gegen die Wand. Das gab es doch fast nicht. Alle seine Pläne in der letzten Zeit gingen schief. Entweder er hatte alles verlernt – oder jemand zerriss überaus schweigsam und geschickt sein fein gesponnenes Netz. Der Taishou war sicher kein Idiot und er hatte ihn nie unterschätzt – aber der durfte seinen Jüngsten nicht in Aoi besuchen, auch offiziell keine Briefe schreiben. Und, da war er sicher, dass das der so ehrbare Hund nicht tat. Abgesehen davon wäre es ihm berichtet worden.

Wieso hatte Inu Yasha schon wieder die Burg verlassen? Suchte er wirklich das Juwel? Oder hatte der Narr schlicht keine Ahnung, wie sich ein Fürst zu benehmen hatte? Ein Fürst saß da und erledigte den Schreibkram mit seinen Beratern und rannte nicht wie vom wilden Affen gebissen ohne Eskorte und zu Fuß durch seine Provinz.Die Spontanideen dieses sogenannten Daimyo fingen an ihm auf die Nerven zu gehen. Dieser Halbhund war für einen so nüchtern und sorgfältig planenden Mann wie ihn schlicht ein Alptraum.

 

 
 

Schmetterlingsflügel

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Inu Yasha blieb stehen und ließ Kagome von seinem Rücken absteigen. Prompt landete Kirara neben ihm, auch deren beide Reiter glitten auf den Boden.

Sango trug ihren Kampfanzug, nur zu sicher nach den letzten Erfahrungen, dass das in Aoi nötig war. Was auch immer hier in den letzten hundert Jahren passiert war – von dem Meisten hatten die versammelten Daimyo der Familie Higurashi offenkundig nichts mitbekommen.

„So,“ meinte der aktuelle Daimyo. „Da vorne ist dann die Pforte der Ronin und auch dieser Heilige Berg. Kagome?“

„Äh, ja?“ Sie rieb sich ein wenig die Arme. Es war kühl an diesem Tag.

Er sah sie an. „He, ich dachte, du bist hier der Juwelendetektor.“

„Ich bin der ...was?“ fauchte sie prompt und holte bereits tief Luft, ehe ihr der besorgte Blick der Dämonenjägerin klar machte, dass sie gerade dabei war sich - und ihren Freunden – Ärger einzuhandeln. So konzentrierte sie sich lieber. „Ich kann nichts spüren,“ gab sie dann kleinlaut zu.

„Müssen wir wohl näher ran. Aber langsamer und zu Fuß.“

Das war eine vernünftige Idee und so lief das Quartett, Sango wieder mit der kleineren Kirara auf der Schulter, über die Ebene auf den großen Monolithen zu, dessen anderes Ende den Anfang der Pforte von Ronin bildete.

 

„Da ist es wieder,“ flüsterte Kagome unwillkürlich. Sie spürte etwas, das wenig mit dem kalten Gefühl des Unterweltbannes auf der anderen Seite zu tun hatte. „Es muss wirklich an oder in diesem Berg sein. Ihr hattet doch gesagt, hier war mal ein Kloster?“

„Das haben die Samurai erzählt,“ erklärte Inu Yasha prompt. „Aber womöglich ist das ebenso ein Fehler wie das mit der Pforte VON Ronin statt der ronin, die da begraben sind. Kloster, vielleicht auch nur ein Tempel oder ein Schrein. Ist ja egal. Du spürst Magie, also gucken wir nach.“

„Ich glaube, wir warten noch.“ Die stets aufmerksame Dämonenjägerin ließ ihre Katze zu Boden springen und fasste nach ihrem Bumerang.

Tatsächlich tauchte aus der Richtung der Pforte eine rot schimmernde Kugel auf in der ein weißhaariger junger Mann stand.

„Soviel zum Thema ich habe aufmerksame Wachen,“ murrte der junge Daimyo sofort. „Der kommt doch nie im Leben aus Aoi. Das ist ein Bannkreis. Kennt den wer?“

„Ich habe ihn noch nie gesehen,“ erklärte Sango prompt.

„Ich auch nicht, aber ich kann euch sagen, dass das ein recht starker Zauber ist. Der Kerl scheint was in Magie drauf zu haben.“ Aber auch der Mönch hatte sich angespannt.

Der Unbekannte ließ seine Kugel keine fünf Meter vor der Gruppe stoppen und lächelte. „Na so etwas, da fliegt man ein wenig spazieren, und wen trifft man, den Daimyo von Aoi, die liebe Kagome und ihren Anhang.“

„Aha.“ Inu Yasha war nicht angetan, dass der Fremde sie sofort erkannte und er ihn nicht. „Und wer will das wissen?“ Er legte die Hand an Tessaiga.

Diese Geste entlockte dem Unbekannten ein Lächeln. „Ich bin Hakudoshi.“

„Ach, der Kerl, der Kagome heiraten wollte?“ Die Laune des Halbdämons sank erneut um einige Grade. Unter Null. „Und, was treibst du in dieser Provinz statt in Ayama den Leuten auf die Nerven zu gehen?“

„Ich bin kein Fürst, mein Lieber. Und daher nicht an die magischen Grenzen gebunden. Aber ich erkläre es einem Halbmenschen gern. Ihr werdet jetzt sterben. Und ich mir Kagome nehmen.“

„Sonst noch Wünsche?“ Aber Inu Yasha zog vorsorglich zuerst Kagome hinter sich und erst dann sein Schwert.

„Du scheinst nicht zu merken, wann du verloren hast. Ganz der Herr Papa, hm?“ Hakudoshi schien nur zu schnippen, aber in seiner Hand tauchte ein langer Stab auf, an dessen einem Ende eine lange, scharfe Sensenklinge angebracht war. „Es gibt keine Waffe, die durch diesen Bannkreis kommt, den mir mein Vater freundlicherweise überlassen hat. Nur meine Naginata.“

„Das werden wir sehen!“ Inu Yasha schlug auf den Linien der Windnarbe zu. Das kaze no kizu riss den Boden auf wie die Krallen eines Riesen, der schützende Bannkreis wackelte nicht einmal.

„Dir muss man anscheinend manches ein paar Mal erklären.“ Hakudoshi ließ noch während er sprach die Kugel vorwärts fliegen und schlug zu. Es war schnell, erschreckend schnell, wie die Sense durch die Luft flog, gezielt auf den Hals des Halbdämons.

Nur ein übermenschlich flinker Rückwärtssatz verhinderte, dass der junge Daimyo buchstäblich einen Kopf kürzer gemacht wurde.

So aber sah er sich besorgt nach Kagome um, die etwas zurückgewichen war, jedoch ihren Bogen in der Hand hatte und einen Pfeil anlegte. Na, feige war sie nicht. Eine Bewegung ließ ihn eilig wieder nach vorne gucken. Sango hatte unterdessen ihren riesigen Bumerang gegen den Bannkreis fliegen lassen. An sich keine schlechte Idee, es konnte ja immer sein, dass sich die Magie nur gegen Schwerter richtete. Leider war der einzige Erfolg, dass der Bumerang von der Kugel unkontrolliert absprang und um ein Haar Miroku erwischte.

Hakudoshi erlaubte sich erneut ein Lächeln. „Na, so was aber auch. Könnt ihr alle nicht zuhören? Kagome, wie ich sehe, sehe ich das shikon no tama nicht bei dir. Wir werden es dann zusammen suchen, ganz die brave Ehefrau.“

„Ganz bestimmt nicht,“ fauchte sie prompt und ließ den Pfeil los.

Der Sohn des Fürsten von Ayama beobachtete mit gewisser Besorgnis, wie die läuternde Energie aufflammte, ehe der Pfeil harmlos auf der roten Magie seines Vaters abprallte und zu Boden fiel. Tatsächlich hatte also die kleine Kagome ihre läuternden Kräfte entdeckt – und die standen in bester Tradition zu den Vorgängerinnen wie Kikyou oder Midoriko. Genügte nur nicht gegen Vaters Bann. „Wer will noch mal, wer hat noch nicht?“ lud er daher spöttisch ein.

„Keh!“ Inu Yasha sprang vor und drosch wie mit Windmühlenflügeln auf den Bannkreis ein. Der musste doch einfach klein zu bekommen sein. Irgendeine Schwachstelle musste es geben, die gab es doch in jeder Magie. Das war nicht unbedingt sein Lieblingsfach in der Ausbildung gewesen, damit hatte er es gar nicht, aber diesen Satz hatte er sich gemerkt.

 

Der Kerl musste einen Plan haben, dachte Hakudoshi. Nur, welchen? Der Bannkreis hatte bislang alles schlicht abgewehrt. Allerdings verhinderten die dauernden Schläge mit dieser riesigen Klinge, dass er seinerseits einen vernünftigen, das hieß, tödlichen Angriff setzen konnte. Immer wieder prallte sein Naginata gegen das Schwert dieses Narren. Was also hatte der vor? Es gab nur eine klare Lösung – der wollte ihn müde bekommen, erschöpfen, so dass er nicht mehr angreifen konnte und verschwinden musste. Kein ganz dämlicher Plan. Aber der hatte ein bis zwei Schönheitsfehler. Zum Einen würde er ganz sicher nicht zu seinem Vater zurück kehren und dem erzählen, dass er erneut versagt hätte – das würde schmerzhaft bis tödlich werden. Und zum Zweiten auch der Halbdämon würde irgendwann müde werden. Und er selbst war immerhin ein vollblütiger Dämon, dem überlegen.

So ließ er erneut und immer wieder seine Waffe schwingen, gezielt jedes Mal gegen den Hals des Daimyo.

 

Inu Yasha merkte es und konnte nur versuchen sich Stahl auf Stahl zu verteidigen, denn aufgeben kam ja wohl nicht in Betracht. Er sprang erst zurück, als ihn knapp Sangos Bumerang verfehlte, keine Sekunde später gefolgt von einem hellleuchtenden Pfeil. Erbost wollte er sich zu den jungen Frauen umdrehen, als ihm dämmerte, dass sie gerade einen gemeinsamen Angriff versucht hatten um ihn zu unterstützen, Hakudoshi vielleicht abzulenken. Nett gemeint, auch, wenn seine dämonische Kriegererziehung eindeutig besagte, dass man sich nicht in den Kampf eines anderen, noch dazu Ranghöheren, einmischte.

„Inu Yasha!“

Sein Name ließ ihn zu Miroku sehen. Der Mönch hatte seine Rechte gehoben, die andere Hand an der Bannkette, die dieses ominöse Schwarze Loch versiegelte. So sprang er zurück. Wenn Hakudoshi recht hatte und bislang keine Waffe durch diesen Bannkreis kam … Vielleicht war das eine Möglichkeit.

 

Auch der Fürstensohn aus Ayama, der eben noch fast gelassen abgewartet hatte bis Pfeil und Bumerang harmlos zu Boden fielen, blickte nun etwas alarmiert zu dem Mönch. Es musste sich um eine ungewöhnliche Waffe handeln, so wie alle anderen des Quartetts zurückwichen. Moment mal, hatte da Vater nicht etwas von einem Mönch mit einem Schwarzen Loch erwähnt, der sich bei Inu Yasha herumtreiben sollte? War der das etwa? Dann prallte jetzt Vaters Fluch auf Vaters Bann. Das konnte schwierig werden, wenn er sich recht entsann.

Der Sog des kazaana erfasste die Bannkugel, die sich etwas verformte, aber nicht einsaugen ließ. Narakus Magie hielt stand.

 

Etwas erleichtert, aber durchaus nicht willens hier ohne Beute wegzugehen, schlug Hakudoshi erneut unverzüglich mit seiner Naginata zu, diesmal gezielt auf Sango, die näher gekommen war um ihren Bumerang aufzuheben. Die Jägerin entkam der Sense buchstäblich um Haaresbreite.

Inu Yasha war sofort dazwischen und fing mit Tessaiga den Rückschwung der Klinge erneut Stahl auf Stahl ab – Kraft gegen Kraft. Das war nicht besonders angenehm, dachte er, aber er musste doch seine Freunde beschützen. Und die Vorstellung, er selbst, Sango und Miroku tot und die arme Kagome diesem Mistkerl hier ausgeliefert, genügte, um ihn wütend zu machen, neue Kraft in sich zu finden.

 

Hakudoshi ertappte sich tatsächlich dabei über die Sturheit dieses Halbhundes erstaunt zu sein. Das war ja fast, als sei dessen Mutter kein Mensch, sondern ein Esel gewesen. Er zog seine Waffe eilig wieder in den schützenden Bannkreis zurück. Sich Kraft auf Kraft einzulassen überließ er Narren. Während der Daimyo von Aoi erneut auf die Schutzhülle einschlug – der lernte wohl wirklich nichts dazu – dachte der Fürstensohn nach. Die Kugel schützte ihn, ja, aber behinderte ihn auch. Er konnte nur aus ihrem Schutz angreifen. Und, das war auch klar, diese Vier waren leider erstaunlich fähige Kämpfer. Sich ihnen in Unterzahl ohne Schutz zu stellen, wäre fatal. Also blieb nur Vaters Magie, die anscheinend wirklich so widerstandsfähig war, wie es Naraku ihm zugesagt hatte.

Hm. Sobald er Kagome in dieser Kugel hatte, würden die Anderen nicht mehr angreifen und er hätte Vaters Befehl zu einem gut Teil befolgt. Leider hatte der Plan den kleinen Haken, dass sie ihre läuternden Fähigkeiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen ihn einsetzen würde. Natürlich könnte er sie bewusstlos schlagen, er war ein Dämon und sie ein Mensch, aber das würde schmerzhaft und überdies – es war nicht gesagt, dass die Kugel auch von innen der Läuterung standhalten würde. Nun gut. Erst der Daimyo tot, dann die Jägerin und der Mönch und dann Kagome mit zu Vater nehmen. Oder besser noch, sie erst zu zwingen mit ihm das Juwel der vier Seelen zu suchen.

Dann wäre er der Herr von Aoi und Vater konnte ihm auch nichts mehr anhaben, ohne sich im Krieg mit allen anderen Dämonenfürsten und dem Kaiser zu befinden. Genau. Er würde Kagome sicher nicht nach Ayama bringen. Solange er in einer kaiserlichen Provinz blieb, war er sicher.

Ohne jedes Vorzeichen schwang er seine Waffe erneut.

 

Nur Inu Yashas Kampftraining verhinderte, dass er schwer verletzt oder umgebracht wurde. Obwohl er sich gerade in einer weiteren Vorwärtsbewegung befunden hatte, die nächste Attacke einleitete, erkannte er unbewusst die heran sausende Sichel und brach den Sprung ab, sich irgendwie zurück fallen lassend. Trotzdem war er nicht schnell genug und die scharfe Schneide ritzte eines seiner Öhrchen. Er stand eilig auf. Nur das Ohr war getroffen, aber immerhin noch dran. Das tat allerdings genug weh. Jetzt war aber Schluss mit diesem albern grinsenden Kerl! Das gab es doch nicht, dass sie hier immerhin zu viert von dem so vorgeführt wurden!

„Keh!“ machte er leise, als er Tessaiga erneut hob. Das musste jetzt einfach klappen, ehe noch einer seiner Freunde oder gar Kagome dran glauben musste. Er wollte sie doch beschützen, ganz Aoi beschützen.

 

Besagte miko hatte entsetzt gesehen, wie das Öhrchen, das sie so gern kraulte, was ihrem Fürsten ja auch sehr gut gefiel, verletzt worden war. Blut rann daraus und in das weiße Haar. Etwas wie blinde Wut erfasste sie und diesmal hielt sie nichts zurück, als sie ihren Pfeil erneut hob. Zorn, Beschützergefühl ließen den Pfeil hell aufleuchten, als sie ihn von der Sehne ließ, heller als zuvor.

 

Hakudoshi erlaubte sich ein leises Lächeln, ehe er bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Dieser Pfeil war nicht nur heller als zuvor, der Bannkreis wurde schwächer. Und dieser dämliche Halbhund griff gleichzeitig an, in der eindeutigen Absicht die Kugel zu zerstören, ihn umzubringen! Was war nur los?

Die rote Kugel um ihn verschwand, als habe es sie nie gegeben.

Das Letzte, was Hakudoshi erkannte, war ein schwarzes Loch in der Hand dieses hoshi, in das er unbarmherzig gezogen wurde.

 

Miroku versiegelte hastig das kazaana, ehe noch den Anderen etwas zustieß, Inu Yasha atmete durch und schob sein Schwert in die Scheide, Sango bückte sich, um ihren Bumerang aufzuheben. Erst dann bemerkte sie alle Drei, dass sich Kagome nicht bewegte.

Der Halbdämon blickte zu seiner Ehefrau, erkannte, dass ihre Unterlippe zitterte, sich die Augen mit Tränen füllten, während ihr der Bogen aus der Hand glitt. Mit einem Sprung war er neben ihr und legte den Arm um ihre Taille. „He, ist ja gut, der Kerl ist erledigt, der tut nichts mehr.“

„Ich ...werde ich jetzt ...hingerichtet?“

„Wieso denn das?“

„Ich... ich habe ihn umgebracht!“

Mit einem seltsamen Gefühl wurde ihm klar, dass sie wohl zum ersten Mal in ihrem Leben so direkt gekämpft hatte. „Du erinnerst dich vielleicht, der wollte uns alle drei umbringen und dich zwingen seine Frau zu werden. Das war Notwehr.“

„Stimmt, Kagome-sama. Überdies war es mein kazaana, das ihn aufsaugte,“ ergänzte Miroku. „Du hast höchstens … Nein. Oder?“ Er sah fragend zu der Jägerin.

Sango zuckte etwas die Schultern. „Es war irgendwie alles gleichzeitig. Kagomes Pfeil, Inu Yashas kaze no kizu und dein schwarzes Loch. - Machen wir einfach kurz Pause. Und ja, Kagome, du hast gekämpft, aber ich glaube auch nicht, dass du ihn getötet hast.“

Inu Yasha spürte, wie seine Ehefrau immer noch zitterte und zu weinen begann. „Ja, machen wir Pause, aber vielleicht ein Stückchen weg von hier. - Aber, Miroku, ich glaube, du hast recht. Und, wenn das stimmt ….“

„Ich komme mir gerade fast schmutzig vor, ja.“ Der Mönch betrachtete nachdenklich seine Hand. Aber, um die Fürstengefährtin zu begütigen schwiegen erst einmal alle, bis sie sich einige hundert Meter von dem Kampfplatz entfernt niedergelassen hatten. Erst, als sie sich im Arm des Daimyo beruhigt hatte und aufsah, fuhr Miroku fort. „Dein Pfeil, Kagome-sama, ist zuvor nicht durch den Bannkreis gekommen, diesmal hat er ihn zerstört, ja. Aber das kann an zwei Dingen liegen. Entweder warst du auf einmal viel mächtiger als zuvor, was ich gern glauben würde....“

„Oder aber der Bannkreis war schwächer,“ ergänzte die kampferfahrene Dämonenjägerin. „Das aber würde bedeuten ...“

Der hoshi schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln. „Hakudoshi sagte doch, es sei die Magie seines Vaters. Also Narakus. Und der spürte doch sicher als Schöpfer dieser Kugel, das sie angegriffen wurde. Folglich musste er wissen, dass sein Sohn in einem Kampf steckt. Und er ließ den Bann nur schwächer werden, nicht verschwinden, bestimmt, um Hakudoshi davon abzuhalten zu fliehen. Kurz, er hat uns seinen Sohn ausgeliefert. Und wir haben seine Drecksarbeit gemacht.“

Inu Yasha presste die Zähne zusammen. „Ja, als ich den Bannkreis treffen wollte, hatte ich keinen Widerstand mehr wie zuvor. Keh. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber immer wenn ich etwas Neues über Naraku erfahre, sinkt er in meiner Achtung. Momentan ist er auf dem Meeresgrund. Seinen eigenen Sohn!“

Kagome schloss erst einmal auf die, in ihren Augen wichtigsten, Sachen. „Ich bin dann gar nicht schuld gewesen? - Aber, der eigene Sohn!“

„Wir haben uns doch schon überlegt,“ erklärte Sango nachdenklich: „Dass die fürstliche Familie von Ayama ziemlich eigenwillig dahin gerafft wurde, zufällig in der Reihenfolge, die es Naraku ermöglichte aufzusteigen. Und darunter befand sich auch der Enkel des letzten Fürsten, Narakus Sohn mit dessen Tochter. Das Baby, durch das er Regent wurde. Und erst nach dem Tod dieses Akagos konnte er selbst Fürst werden. Hakudoshi war dagegen nur das Kind aus einer ersten Ehe.“

„Schön, aber ….“ begann Inu Yasha.

„Konnte also nicht der Erbe werden und wurde seinem Vater vielleicht zu ehrgeizig oder gefährlich.“ Miroku nickte. „So lässt er ihn rein zufällig in einer menschlichen Provinz sterben – und du, Inu Yasha, bekommst bald riesigen Ärger, weil du einen dämonischen Fürstensohn umgebracht hast. Denk doch an das, was wir bei den Füchsen schon befürchtet hatten.“

Der Daimyo von Aoi schloss kurz die Augen. Nur seine zuckenden Ohren verrieten, dass er sich abregen wollte. Sein Leben war nun wirklich kompliziert genug. Musste dieser dämliche Katzenfürst es denn noch ein bisschen komplizierter machen? Und er hatte geglaubt, sich mit Kagome so gründlich angefreundet zu haben, würde es erleichtern. Sekunde mal. „Da stimmt doch etwas nicht.“ Da ihn alle anstarrten. „Sango, du hast doch gesagt, dieser Mistkerl hätte Tentakeln?“

„Es sah ganz danach aus, als er nach dem vergeblichen Angriff auf dich floh, ja. Unter seinem Kimono,“ erwiderte die Jägerin mit fragendem Blick.

„Also, wie so ein Tintenfisch?“

„Ja, oder eine Pflanze mit Ranken. Worauf willst du denn hinaus?“

„Naja, er hat doch eine Katzenprinzessin geheiratet und mit ihr ein Kind. Das geht, nach allem, was ich gelernt habe, nicht zwischen derart unterschiedlichen Arten. Und glaubt, mir, das Thema hat mich wirklich sehr interessiert.“

„Du bist ein Genie.“ Da aus Sangos Stimme ehrliche Bewunderung klang, sahen alle nun sie an.„Dann ist Naraku kein Katzenfürst, sondern ein Halbdämon. Ein Katzenkrake.“

Miroku schüttelte den Kopf, meinte jedoch: „Ja, Mischungen gehen immer nur zwischen Dämonenarten, die eng verwandt sind. Wölfe und Hunde, ja. Füchse wohl schon wieder nicht. Katzen und Hunde auch nicht. Wieso sollte dann ein Krake gehen?“

Kagome schüttelte sich. „Was auch immer der Kerl ist, das ist einfach ekelig!“

„Naja, aber sie haben recht,“ erklärte Inu Yasha offen. „Katze und Krake funktioniert nicht. Und, wieso dachtest du an Ranken? Pflanzendämonen und solche wie ...nun ja, Hunde oder Katzen gehen ja nun gar nicht.“

„Ja, wie Ranken.“ Sango dachte noch einmal nach. „Eher wie sich bewegende Ranken. Ich konnte ja nicht lange hinsehen.“

„Seid mal kurz still,“ bat der hoshi. „Ich muss mich an etwas erinnern, was ich vor sehr langer Zeit einmal nur hörte.“ So schwiegen sie, bis er aufsah. „Es gibt eine dunkle, sehr schwarze, Magie, die unter Menschen und Dämonen verboten ist, da sie den Anwender, wenn nicht umbringt, aber ihm doch die Seele raubt. Aus sich selbst Abkömmlinge zu erstellen. Angenommen, Naraku ist ein Halbdämon aus welchen Arten auch immer, konnte er definitiv mit der Katzenprinzessin kein Kind bekommen. Es wäre möglich, aber eigentlich undenkbar, dass er ihr einen Abkömmling als Nachwuchs untergeschoben hat. Wenn Akago aber ein Abkömmling war, könnte Hakudoshi auch einer gewesen sein, ein Werkzeug, dessen man sich entledigt, wenn es seine Aufgabe erfüllt hat. Und, ehrlich gesagt, dunkle Magie war das auch, was er in deinem Kopf angestellt hat, Inu Yasha.“

„Jetzt ist er tiefer als der Meeresgrund,“ murrte der Halbdämon. „Ich brauche nicht zu fragen ob du sicher bist, was das mit Abkömmlingen betrifft. Das was verboten ist, scheint den lieben Nachbar ja herzlich wenig zu stören. Zutrauen würde ich es ihm.“

„Aber, er kann doch kein Halbdämon sein!“ protestierte Kagome. „Ich meine, deine Eltern stammten aus verschiedenen Arten, ja, aber … keine Ranken oder so?“ brach sie lieber ab.

„Wer sagt uns, dass er so entstand wie Inu Yasha?“ warf Sango ein. „Wenn er so tief in dunkler Magie drin steckt, wäre es durchaus möglich, dass er aus dem Dämon oder Mensch, der er selbst einst war, etwas anderes erschaffen hat, um mächtiger zu werden, Fürst von Ayama. Und das Juwel der vier Seelen will er ja auch, das ist klar.“

„Und womöglich das Höllenschwert, das hatten wir uns ja auch schon überlegt.“ Miroku nickte. „Kurz, ich glaube, der Kerl wäre reif für das Schwert, wenn wir das nur alles beweisen könnten.“

„Können wir aber nicht,“ sagte Inu Yasha schlicht. „Aber wir können das shikon no tama finden und es in die Burg schaffen und dort im Schrein versiegeln. Da war es ja auch Jahrhunderte sicher. Und wenn dieser so genannte Dämonenfürst auch nur einen Fuß in meine Provinz setzt, werde ich ihn sehr willkommen heißen.“

„Aber,“ murmelte Kagome: „Wie passen wir denn in diese Geschichte? Schön, ich kann das Juwel vielleicht finden, aber wenn Naraku wirklich so weitreichende Pläne hätte, wieso hätte er dann zugelassen, dass ausgerechnet du hier der Daimyo wirst? Nicht böse werden, aber er wäre doch verrückt, damit auch noch dem Bündnis zwischen dem Kaiser und deinem Vater zuzustimmen.“

„Er konnte es nicht verhindern.“ Inu Yasha war sich bewusst, dass er seinen Vater und dessen Pläne nicht verraten durfte. „Ehrlich gesagt ging es doch recht schnell mit unserer Hochzeit.“

Miroku hob die Hand. „Ich bin sicher, dass auch Sango und ich in dieser Geschichte wichtig sind, wir wissen nur nicht warum und wieso. Nur, dass wir vier uns gefunden haben. Es gibt einen sehr schönen Satz, über den man lange meditieren kann. Wenn ein Schmetterling seinen Flügel schlägt, entsteht am anderen Ende der Welt ein Sturm. Vielleicht sind wir die Schmetterlinge, die gemeinsam einen Sturm über Naraku auslösen werden.“

 

 
 

Seelenjuwel


 

S

ango sah sich plötzlich unruhig um: „Kirara?“ Die nekomata hatte sich nicht am Kampf beteiligt. Nur, wo war ihre dämonische Katze?

Das bewirkte, dass sich alle umblickten.

„Da!“ Kagome deutete auf die Vermisste, die herankam, in ihrer kleinen Form wie stets niedlich anzusehen. Immerhin bedeutete das, dass sie keinerlei Gefahr bemerkt hatte. Nur, wo war sie gewesen?

„Sie war da, wo wir wohl hinwollen,“ erklärte Sango. „Oder? Zeig es uns, Kirara.“

Das Kätzchen lief sofort wieder in Richtung des Heiligen Berges. Im Näherkommen konnten auch die Menschen und der Halbdämon deutlich erkennen, dass der Monolith schroff direkt aus der Ebene hier emporragte, nur oben von Bäumen und Sträuchern bewachsen war.

„Da ist nichts,“ konstatierte der Daimyo etwas mürrisch. Für jeden ersichtlich ragte nur die weiße Wand fast fünfzig Meter empor.

„Doch,“ widersprach seine Ehefrau. Kagome blieb stehen und rieb sich erneut die Arme. „Da ist etwas. Ich spüre es.“

„Möglich,“ gab er zu. „Aber keine Höhle oder so.“ Da sie ihn anstarrte, guckte er nochmals nach. „Nein, nicht einmal ein Spalt, oder?“

Miroku und Sango bestätigten das schlicht.

Kagome war mehr als irritiert. „Wieso seht ihr das denn nicht? Da ist eine Art Felsspalte, die sich in den Felsen reinzieht. Oder träume ich....?“ wurde sie doch unschlüssig.

Miroku schüttelte den Kopf. „Nein, aber vermutlich kannst du durch den Bannkreis sehen. Es ist eine verflixt gute Illusion, die wohl darüber hinwegtäuschen soll, dass da eben eine Höhle ist. Das könnte wirklich das Versteck sein, dass Kikyou vor fünfzig Jahren gebaut hat. Und nur jemand dieser Blutlinie kann durch die Magie sehen.“

„Du meinst, da drin ist das shikon no tama verborgen?“ Sie entsann sich ihres Alptraums. Das war nicht sonderlich hübsch gewesen.

Inu Yasha war von einem ähnlichen Gedanken bewegt. „Dann zeig mir das und wir gehen zusammen da durch.“

„Das wird nicht gehen, Inu Yasha-sama.“ Nur schön höflich bleiben, wenn man einem regierenden Fürsten widersprach, dachte der Mönch, der durchaus an seinem Kopf hing. Der passte so gut zu den Schultern. „Die Magie wird sich auf Kagome-sama beschränken. Du dürftest nicht durch kommen.“

Von unerwarteter Seite kam eine Bemerkung. Die nekomata schmiegte sich eng an Kagomes Beine.

Diese verstand. „Du willst mit, Kirara? Geht das denn?“

„Diese Katzen sind sehr magisch,“ meinte Inu Yasha prompt, froh, dass es doch eine Möglichkeit gab und die arme Kagome nicht allein in das Dunkel sollte. „Ich glaube, sie wird dich beschützen.“

Die junge Fürstin atmete etwas auf. „Das wäre nett, sehr nett, Kirara. Der Alptraum war wirklich ...gruselig.“ Und auch, wenn sie sich in der relativ kurzen Zeit ihrer Ehe schon an so einiges gewöhnen musste – allein im dunklen Nichts zu hängen war einfach schrecklich. Immerhin wäre Inu Yasha ja mitgekommen, wenn ihn der Bann durchlassen würde. Aber da hatte Miroku wohl recht - ein Halbdämon würde scheitern. Großtante Kikyou hatte sich sicher etwas dabei gedacht, als sie das Juwel hier verborgen hatte, zumal wenn die Vermutungen stimmten und Naraku sie überfallen hatte. Sie atmete tief durch. „Dann gehen wir mal, Kirara.“

Inu Yasha war stolz auf sie. Er konnte nur zu deutlich wittern wie nervös und ängstlich sie war. Dass sie sich so zusammennahm und derart tapfer war …. Vater hatte recht gehabt. Sich mit ihr anzufreunden war in jeder Hinsicht gut gewesen. „Wir gehen mit, soweit es geht,“ beschloss er daher. „Ich kann diesen dämlichen Bannkreis nur nicht wahrnehmen.“

„Keiner von uns, glaube ich.“ Sango blickte sich noch einmal um. „Aber das dürfte der Sinn des Ganzen sein. Nur jemand aus der Blutlinie der Higurashi, hieß es doch.“

 

Keine drei Meter vor der Felswand blieb Kirara stehen und Kagome tat es ihr gleich. „Hier ist es,“ murmelte sie. „Wie ein Vorhang, ein Tuch, weich.“

„Ich sehe nichts,“ erklärte ihr Ehemann prompt und Miroku ergänzte:

„Ich spüre nicht einmal etwas. Das ist wirklich ein sehr hochwertiger Bann. Niemand, der kein Higurashi ist, wird das hier sehen oder spüren. Kein Wunder, dass sich Naraku hier auch schwer tat.“

„Dann geh, Kagome,“ sagte Inu Yasha. „Aber sei vorsichtig, Higurashi hin oder her, in solchen Höhlen können sich auch Felsbrocken von der Decke lösen oder sonst etwas. Kirara, pass nur gut auf sie auf.“ Dem Blick nach zu urteilen, den ihm die nekomata zuwarf, hatte er diese soeben ziemlich beleidigt. So ergänzte er, aus lebenslanger Erfahrung mit Leuten, denen Kriegerehre und dämonischer Stolz über alles gingen: „Du kannst es, das weiß ich ja. Aber ich bin mir eben nicht sicher, ob hier nicht schon wieder der liebe Nachbar seine Pfoten im Spiel hat.“

Kirara maunzte, ehe sie durch den für sie offenkundigen Bann stolzierte. Kagome folgte ihr – und beide waren für die drei buchstäblich Außenstehenden verschwunden.

Instinktiv wollte Inu Yasha hinterher, aber Miroku fasste ihn am Ärmel. „Äh, bitte nimm es mir nicht übel, aber du kommst da nicht durch, eher löst du noch eine Sicherung aus. Und was dann mit Kagome-sama passiert...“ Er hatte das Zauberwort gesagt, beschloss er, er spürte, wie sich der Halbdämon entspannte. Ja, für Kagome würde der Daimyo alles tun, das war klar. Politische Ehe hin oder her – das hätte auch ganz anders ausgehen können. Umso besser war es für alle.

 

Es war wie in ihrem Traum, dachte Kagome beunruhigt. Sie trat vorsichtig in die Schwärze des Felsspalts und versuchte in dem Lichtschein von draußen etwas zu erkennen. Im Hintergrund leuchtete etwas, vage, sicher nicht hell, eine Kugel. Das musste das Juwel sein. Sie ging langsam hinein, spürte im Gegensatz zu ihrem Traum die beruhigende Wärme der um ihre Beine streichenden Katze.

Ja, wie in ihrem Traum. Eine helle Kugel an dunklen, an zwei Ständern aufgehängt. Irgendetwas war links von ihr und sie fuhr zusammen, dann erleichtert, als Kirara maunzte, sich jedoch nicht vergrößerte. Da war etwas, ja. Sie sollte hier lieber weg, dachte sie noch, ehe sie das Juwel von dem Ständer abnahm. In ihrem Traum war sie dorthin eingesogen worden, aber das schien hier und jetzt nicht zu passieren. War es, weil die nekomata dabei war? Darüber sollte sie mit Miroku sprechen. Jetzt aber erst einmal hier raus und...

Das Juwel erleuchtete in ihren Fingern wenngleich vage die Höhle und sie erkannte, was sich da seitwärts befand. Sie schrie instinktiv gellend auf.

 

„Kagome!“

Inu Yasha schüttelte schlicht die haltende Hand des Mönchs ab, als er durch den Bann laufen wollte und gegen eine Sperre prallte. Er sah sich gezwungen stehen zu bleiben. Um ein Haar wäre er geläutert worden – keine besonders hübsche Todesart für einen Dämonensohn. Kein Wunder, dass Naraku das hier nie gefunden hatte. Man sah den Bann nicht und wenn man versuchte ihn zu durchschreiten wurde man geläutert. Und der Stärke nach hatte diese Kikyou wohl echt was gekonnt. Vater würde hier durchkommen, der Fuchsherr, vermutlich sogar Sesshoumaru. Aber außer der Topriege an Dämonen wohl niemand. Und ehrlich gesagt wagte er aus gewisser Abneigung zu bezweifeln, dass Naraku hier durchkäme. Er selbst vielleicht, nach der Läuterung womöglich als Mensch, aber da würde er ihr auch nicht gerade viel helfen können. Und tot sowieso nicht.

So rief er nur: „Kagome?“

Er sah sie erst, als sie offensichtlich panisch durch die Magie gelaufen kam, gefolgt von Kirara. Er fing sie ab.„Kagome? Alles in Ordnung?“

„Ja, ich bin nur so erschrocken. Da war ...da waren Mumien. Eine in der Kleidung einer miko und auch Dämonen, alle so verschrumpelt und ...“ Sie war froh um den Arm um sich. „Hier, das ist sicher das Juwel.“ Sie hob die Kette hoch.

„Wie ich es mir dachte.“ Miroku trat heran, aus den Augenwinkeln beobachtend wie Sango Kirara auf den Arm nahm. „Das Juwel ist dunkel geworden. Die läuternde Magie Kikyous lässt nach.“ Graue Schlieren zogen sich durch die vermutlich einst hell leuchtende Kugel. „Lege sie dir doch um, Kagome-sama, damit zumindest es nicht schlimmer wird.“

Sie gehorchte und die Wirkung überraschte alle, vor allem jedoch den Mönch. Für einen Moment leuchtete das shiko no tama hell auf, dann lag es in reinem Weiß auf der Brust der jungen Fürstin.

Inu Yasha sah zu Miroku, die schwarzen Augenbrauen wie Sicheln gesenkt. „Was ist jetzt passiert?“ Falls es Ärger für die arme Kagome geben würde, wäre dieser so genannte Geistliche so etwas von Geschichte.

Miroku konnte sich das vorstellen – allerdings auch, was passiert war. Und, das war erstaunlich. „Das Juwel war dabei sich der dunklen, äh, der dämonischen Seite anzunähern. Als Kagome-sama es sich umgelegt hat, hat sie es geläutert. Und das ist ….nun, wie soll ich das nennen ...miko-Energie der höchsten Klasse. Das kann wirklich nicht jeder. Higurashi-Blut, ja.“

„Wie habe ich das gemacht?“ erkundigte sie sich verwirrt und sah auf ihre Brust.

„Keine Ahnung?“ schlug Miroku vor, dem durchaus bewusst war, dass er das nie vermocht hätte. Es handelte sich um ein magisches Artefakt mit großer Wirksamkeit. Man sollte es nie einsetzen, aber allein es kontrollieren zu können, erforderte schon spezielle Voraussetzungen. „Ich kann nur sagen, dass du nie versuchen solltest es einzusetzen. Das Risiko, dass du dafür bezahlen musst ist einfach sehr groß. Und, solange du es trägst, solltest du aufpassen, auf dich und deine Wünsche. Nicht, dass du es versehentlich aktivierst.“

„Naja, ich habe mir nichts gewünscht,“ murmelte sie, in Erinnerung an ihren Traum. „Es soll ja nur ein Wunsch frei sein. Den sollte man sich für den Notfall aufheben.“

„Außerdem,“ erklärte Inu Yasha bestimmt: „Das Teil wird im Schrein versiegelt, in der Burg. Dann hat Kagome nichts mehr damit zu tun, du auch nicht, und wer es bekommen will muss erstens in die Burg einbrechen, zweitens, die Bannkreise, die ihr zwei und auch Opa Higurashi legen werdet, überwinden... Und das sollte schlicht nie passieren. Ich weiß, was So´unga für Bannkreise hat. Diese Teile sollten eigentlich nicht auf der Erde existieren.“

„Eine weise Entscheidung.“

Der Halbdämon, der Zeit seines Lebens eher gehört hatte, wie töricht er sei, starrte den Mönch ehrlich überrascht an. „Naja,“ meinte er dann, um seine Verlegenheit nicht zu zeigen: „Dann gehen wir zurück.“

 

Himiko stand im Garten des Schlosses, nahe der Eingangstreppe, und sah in sich gekehrt in die kunstvollen Anlagen. Ihr lag Nachdenken, aber diesmal sollte sie es besonders tun. Nicht, dass sie mit ihrer potentiellen Schwiegermutter Probleme hatte – damit hatte sie gerechnet und sie versuchte von der Fürstin viel zu lernen. Sie würde auch noch neunundneunzig Jahre dazu Zeit haben. Aber so ziemlich jedes weibliche Wesen, eben besagte potentielle Schwiegermutter ausgenommen, hatte ihr bereits zu verstehen gegeben, dass ihr Verlobter nicht unbedingt, nun ja, einfach war. Sie selbst wusste von Sesshoumaru ja praktisch nichts. Er sah gut aus, war stark und der Erbprinz. Allerdings war ihr bereits mitgeteilt worden, dass er ungefähr so weich wie Granit und kalt wie Eis sei. Ihr war nur zu bewusst, dass nach allen Regeln ihr Gefährte jedes Recht über sie haben würde. Noch dazu als Fürst. Und doch war er ihr … nun ja, nett erschienen. Oder, genauer ausgedrückt, an ihr interessiert. Als die Eltern ihre doch so viel schönere Schwester präsentiert hatten, hatte er nach ihr gefragt. Das hätte er in jedem Fall nicht tun müssen. Oder sah sie nur Hoffnung, wo es keine gab?

Sie musste sich arrangieren, wie jede Frau, das war ihr klar. Nur, wie sollte man das schaffen bei jemandem, der angeblich keinerlei Gefühle besaß? Sich fügen, ja, natürlich. Kinder, vorzugsweise einen Sohn bekommen, war die Pflicht. Nur, wie sollte sie verhindern, dass er sie abschob, strafte, ohne jeden Grund? Vater hatte das bei Mutter nie getan, das wusste sie, aber sie wusste auch, dass das bei anderen Eheleuten auch anders ablief. Oft genug war sie dabei gewesen, wenn die Ehefrauen untereinander erzählt hatte, wie stets übersehen von ihrer Mutter, die immer die große Schwester in den Vordergrund stellte. Lernen, wie es die Fürstin geschafft hatte, trotz der räumlichen Trennung noch immer den Respekt ihres Ehemannes zu behalten? Ja, nur war das gewiss kein Thema über das sich die Schwiegermutter unterhalten wollte.

Himiko zuckte zusammen, als sie erkannte, wer die Treppe emporstieg. Sesshoumaru!

 

Der Erbprinz erkannte seine ungeliebte Verlobte. Da sie sich nur höflich verneigte, war er versucht sie stehen zu lassen, als sie sich aufrichtete. Etwas lag in den dunklen Augen, das ihn an Rin erinnerte. Etwas so Bittendes, ja, Flehendes, ohne freilich die Unverschämtheit zu besitzen ihn anzusprechen. So machte er die Schritte zu ihr, zufrieden, dass sie sich erneut verneigte. „Befehl des Fürsten an meine Frau Mutter,“ sagte er, ehe er sich umwandte.

Himiko starrte ihm hinterher, als sie begriff. Er war zu ihr gekommen, um ihr zu erklären, was er hier im Schloss zu tun hatte – und warum er keine Zeit für sie hatte. Das hätte er wahrlich nicht tun müssen, und so sah sie dem Erbprinzen nach, von einem Gefühl bewegt, das doch, trotz aller Bedenken, an Hoffnung grenzte.

 

Die Fürstin empfing ihren Sohn mit hochgezogenen Augenbrauen, als er die Anordnung aussprach. „Die Pforte von Ronin. Man sollte annehmen, dass das die Sache des Daimyo von Aoi ist.“

Ja, hätte er auch geglaubt. Aber Inu Yasha war wohl mal wieder unfähig. „Ich weiß nichts darüber, verehrte Mutter, auch erhielt ich keine weitere Anweisung.“

„Keine weitere Anweisung.“ Außer der, sie auf die Pforte aufmerksam zu machen. Ihr Blick streifte die beiden Schwerter an der Hüfte ihres Sohnes, ehe sie die Hand an das Medaillon auf ihrer Brust legte. „Richte dem Herrn unseres Volkes aus, dass ich jederzeit bereit bin, sobald er mir Nachricht zukommen lässt.“

Nur eine leichte Anspannung über den Wangenknochen zeugte davon, dass sich der Erbprinz gerade als Bote missbraucht fühlte. „Was ist mit der Pforte.“

„Eine lange Geschichte aus der Vergangenheit.“ Eine Geste, die fast einem Handwedeln ähnelte. „Und, solange unser Fürst darüber zu schweigen wünscht, tue ich das auch.“ Sie wollte nicht unbedingt herausfinden, wo die Grenze der Toleranz des Taishou ihr gegenüber war. „Sei jedoch sicher, wenn die Zeit gekommen ist, solltest du deiner wohlmeinenden Mutter gegenüber offen sein.“

Ein Adjektiv, das er ihr nicht unbedingt zubilligte. „Die Pforte wird eine Rolle spielen? Und Naraku?“

„Und, so entnehme ich dem, auch der Sohn der Kaisertochter.“

Nur nicht den Namen erwähnen, ja. Und natürlich wäre sie nie so ungeschickt Inu Yasha als Bastard ihres Ehemannes zu bezeichnen. Der entstammte ja einer gültigen Ehe. Was nur war in Aoi und Ayama los? Und, was war mit den Füchsen?

 

Am Morgen war der Inu no Taishou begleitet von seinen Beratern und seinem Sohn durch das Schloss gegangen, als ein Koch sich höflich verneigt hatte. Sesshoumaru kannte ihn. Es gab nur zwei von der Sorte, Zwillingsbrüder, Kinder eines Hundes und einer Füchsin. Gegen alle biologischen Gründe. Der eine lebte hier in Nishijo, der andere in Sobo bei den Füchsen. Die Eltern hatten sich die Kinder wohl buchstäblich geteilt.

„Kiyoshi, neue Rezepte?“ Der Fürst des Westens drehte bereits ab. „Geht nur an die Arbeit.“

Und Sesshoumaru war sehr sicher gewesen, dass dieser Koch keine Rezepte brachte. Aber Vater würde ihm erst Erkenntnisse zukommen lassen, wenn der es für richtig hielt. Und zu versuchen Kiyoshi zum Reden zu bringen … nun, das würde ihm selbst nur mehr als Ärger einbrocken.

 

So sah er auf. „Ich werde Euch Bescheid geben, Frau Mutter. - Ich sah, dass Himiko hier eingezogen ist.“

„Du hättest es schlechter treffen können.“

Das war keine Antwort, aber er kannte sie gut genug um sich nur leicht zu verneigen und zu gehen. Und, ja, doch, irgendwie hatte er auch den Eindruck, dass er es hätte schlechter treffen können. Und da musste er nur an die Zwillinge denken.

 

Der Taishou hatte die sogenannten Rezepte interessiert gelesen. Es handelte sich um einen Brief des Neunschwänzigen an ihn, der, zu seiner gewissen Überraschung, voll des Lobes über die Kriegerehre und das Verhalten seines Jüngsten war. Nun gut, er hatte doch stets gehofft, dass Inu Yasha einiges aus der dämonischen Ausbildung mitnehmen würde, aber.. Die Erklärung folgte im Anschluss – Inu Yasha hatte es vermocht den Enkel und damit auch Erben des Fuchsfürsten zu retten und ihn ehrenhaft zu übergeben.

Der Neunschwänzige fügte hinzu: „Ich habe Inu Yasha, und auch Akamaru als mein Erbe, zugesagt, dass er persönlich jederzeit auf unsere Unterstützung zählen kann. Im Übrigen kenne ich Eure Bedenken gegenüber gewissen Fürsten. Und ich kann Euch versichern, dass einige Ereignisse in der letzten Zeit mich dazu brachten, Euch diesbezüglich sogar noch mehr zu vertrauen. Vielleicht wäre es ratsam alle anderen zu informieren, selbst ohne weitere Beweise. Achtet auf den Westen – die Winde, die kommen, könnten Euch nicht gefallen.“

Wie immer so formuliert, dass es keine negativen Folgen haben könnte. Nur, was meinte der Herr der Füchse? Er traute Naraku auch nicht mehr über den Weg, wobei er ihm selbst bislang durchaus Voreiligkeit vorgeworfen hatte. Was also war geschehen? Alle zu informieren. Das hieß alle Dämonenfürsten, mit Ausnahme von Naraku, den Drachenkönig und den Kaiser. Und, achtet auf den Westen. Das bezog sich ganz bestimmt nicht auf das westliche Fürstentum, auf Nishi. Westen. Dort lag das Festland. Und von dort waren Händler zu Naraku gekommen. War es das, was Kyubi beunruhigte? Hatte der andere Erkenntnisse? Der Schutz Japans gegen Angriffe über das Meer oblag den Drachen. Dennoch. Der Fürst von Sobo schrieb nichts ohne Grund. Das war eine klare Warnung. Womöglich wäre ein wenig Übung für die Menschen, die hauptsächlich an der Meeresküste wohnten, hilfreich. Eine Übung für … Erdbeben? Diese gab es oft genug und sollte die Menschen nicht weiter beunruhigen, eher dass sie sich sicher fühlten, dass ihr Fürst an sie dachte. Und er sollte einige Dämonenkrieger an die Küste versetzen. Auch unter einem guten Vorwand. Sesshoumaru gleich dazu? Nein. Da gab es das andere Problem. Naraku sollte nicht aus den Augen gelassen werden. Inu Yasha war dran, ja, das sagte ihm sein Spion, dessen Brief und auch hier diese Nachricht. Aber der Kleine würde es allein doch nie schaffen. Er war zu unerfahren. Überdies bestand ja immer noch zu fürchten, dass es Naraku oder eher dessen Stellvertretern in Aoi gelingen würde, das Juwel der vier Seelen zu finden und dem Fürsten von Ayama zu übergeben. Ja, der Fuchsfürst hatte recht. Der Wind, der wehte, gefiel ihm nicht.

 

Inu Yasha setzte sich auf den Hocker des Fürsten. Das Juwel war im Schrein, Kagome, Miroku und der Opa hatten Bannkreise darum gelegt, die selbst er spüren konnte. Einfach würde es für niemanden werden das Teil zu mopsen. Allerdings, wenn er so recht überlegte, war So´unga noch besser gesichert. Es war nur leider eine Tatsache, dass er Vater nicht bitten konnte hierher zu kommen. Dämonenfürst und menschliche Provinz. Alternative wäre natürlich Sesshoumaru, aber ehe er den einladen würde...

Na schön. Er sollte wohl wieder arbeiten, immerhin war er doch einige Tage nicht hier gewesen. Gab es etwas, das seine Berater schon beantragt hatten? Er rief den Diener vor der Tür. Zu seiner gewissen Überraschung tauchten gleich zwei von der Sorte auf – der zuständige, und einer mit einem Tablett.

„Der Tee,“ verkündete der.

Welcher Tee? Inu Yasha stutzte. Ja, er hatte in seinem Leben schon Tee getrunken, wenn Mutter den gemacht hatte, wenn er zur Teeernte in Nishi Vater vertreten musste... „Ich habe keinen bestellt.“

Der Mann wagte es aufzusehen. „Äh, mächtiger Daimyo, das ist die Probe.“

Schön, wieder mal was, was ihm keiner gesagt hatte? „Was für eine Probe.“

„Äh ...es ist selten genug, dass man hier, also, in Aoi, Tee aus Nishi bekommt. Gewöhnlich wird es doch nach... an den Kaiserhof verkauft. Und da ist es, war es, üblich, dass der Daimyo die Probe...“

Der Kerl hatte Angst, das war kaum zu über riechen. Tee aus Nishi, von zuhause. Nun ja, nicht, dass er Tee mochte. „Gibs schon her.“

Das Tablett mit Schale, Kanne wurde eilig vor ihm abgeladen.

Der Geruch... Tee von der Küste, ja. Hm. „Nein, ich trinke es jetzt hier nicht. Bringe das in mein Schlafzimmer. Das ist ruhig genug.“

„Wie Ihr wollt....“ Der Mann nahm das Tabeltt und lief fast eilig aus dem Arbeitszimmer.

Inu Yasha stand auf. „Und du schickst Nachricht an meine Fürstin. Sie soll in mein Schlafzimmer kommen.“

 

Zu behaupten, Kagome wäre über diese Anweisung begeistert gewesen hieße ihr Verhalten mehr als zu positiv zu beschreiben. Sie stapfte förmlich hinüber, sich gerade noch so vor den Wachen zusammenreißend. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein? Ja, er hatte das Recht, ja, sie musste gehorchen, aber das war doch gegen jede Selbstachtung, gegen alles, was sie ausgemacht hatten!

Sie wollte bereits in der Tür ihren Befehl sagen, als sie erkannte, dass er unter dem Fenster saß und ein Tablett vor sich anstarrte. Da stimmte doch etwas nicht?

„Inu Yasha?“

„Schließ die Tür und dann setz dich her.“

„Was...was ist passiert?“ Sie nahm Platz, sich selbst dafür lobend, dass sie sich zurück genommen hatte. Da stimmte doch etwas nicht.

„Tee aus Nishi, sagte der Diener.“

„Äh, und?“

Er holte Atem. „Ich mag keinen Tee, schmeckt mir nicht. Und, ich habe Tee aus Nishi trinken müssen, oft genug. Mama hat ihn gemacht, ich war bei Teeernten und Dankgottesdiensten. Aber, ich mag ihn nicht. Und, wenn ich diesen Tee rieche...“

Sie griff nach der Schale und er riss sie ihr förmlich aus der Hand. „Au!“

„Das riecht süßlich.“

„Was meinst du?“

„Wenn das Tee aus Nishi ist und das mag es sein – da ist etwas anderes noch mit drin.“

Kagome starrte ihn an, als ihr dämmerte, was er sagen wollte. „Gift?“ hauchte sie.

„Möglich. Keine Ahnung. Nur, das ist kein normaler Tee aus Nishi. Kagome, kennst du jemanden, der das untersuchen kann? Nein, nicht den Heiler.“

Wieso nicht, wollte sie fragen, ehe sie begriff, dass der Daimyo den auch verdächtigte. „Aber er wäre doch der Ansprechpartner....Moment mal. Das war, wo Mama so krank war ...Ja, da holte Papa einen Kräuterkundigen. Jinenji. Das war ein Halbdämon.“ Und nicht sonderlich hübsch anzusehen. Oh ja das hatte sie ganz vergessen. Wobei, ehrlich gesagt, wenn sie bei ihrer Heirat an jemanden wie Jinenji gedacht hätte, wäre ihre Furcht auch nicht sonderlich kleiner geworden. Nun ja, sie konnte mit ihrem privaten Halbdämon sehr zufrieden sein, das war ihr klar. Moment. Jemand wollte Inu Yasha vergiften? Sie musste ihre Empörung unterdrücken und dachte nach. „Naja, ich werde mir Mama reden, ja? Sie schläft schlecht, wegen Papa oder so und möchte deswegen mit Jinenji reden. Sie kennt ihn ja schon. Das sollte doch unauffällig sein?“

Der Halbdämon grinste. „Ich bin sicher, ich habe eine kluge Ehefrau. Ja, mach mal. Und ich lasse den Tee hier stehen.“

Sie war geschmeichelt, wandte allerdings ein: „Das wird nicht gehen, die Dienstboten räumen doch auf.“

„Dann schaffe das Teblett irgendwie in den Frauentrakt und pass drauf auf.“

Sie seufzte ein wenig überfordert. „Ich versuche es. Nur, schaff die Wachen hier vor der Tür weg.“

„Oh, ja, klar.“

„Aber, wer will dich denn umbringen?“

„Wenn ich raten soll... der liebe Nachbar.“

Kagome war es buchstäblich bitterernst, als sie sagte: „Er ist tot.“
 

Mottenschwarm


 

N

araku lehnte sich etwas zurück, als sich seine Tochter melden ließ. Ihm war bewusst, dass sie nervös war, Hakudoshis Tod nicht ganz spurlos an ihr vorüber gegangen war. Aber sie konnte nicht wissen, dass er dafür verantwortlich war. So winkte er ihr nur sich niederzulassen. „Kagura?“

„Neues aus Aoi. Der Spion ist tot.“

„Nachdem er das Gift verteilt hatte, nehme ich doch an. Kann man ihn finden?“

„Nein, nicht einmal ein Hundedämon.“ Sie hatte den Spion nach Vollzug seiner Aufgabe umgebracht und sorgfältig verborgen. „Aber das Gift scheint Inu Yasha nichts auszumachen.“

Ein Lächeln. „Natürlich nicht. Ich bin doch nicht so töricht und vermute, dass einem, wenngleich nur halben, Hund das Gift entgeht.“ Er sah ihre Verwirrung. „Ach, Kagura. Du siehst nie das Ganze.“

„Dann erkläre mir doch deinen Plan.“ Sie hatte es, zugegeben, für dämlich gehalten einen Giftanschlag auf einen Halbdämon, noch dazu einem halben Hundedämon zu versuchen.

„Inu Yasha weiß, dass da Gift war und wird vermutlich den Verursacher auf der Burg suchen. Da kann er lange suchen. Aber, er wird sich denken können, wer dahinter steckt, nämlich ich. Im besten Fall schreit er bei Papa Hund und dem Kaiser nach Rache. Da er nichts beweisen kann … Sein Ruf als unfähiger Daimyo wäre zementiert. Im zweitbesten Fall nimmt er die Sache, wie schon öfter gesehen, in die eigenen Klauen. Und hat die liebe Kagome dabei. Und die brauche ich für das Juwel. Was ist...?“

„Äh, ehe er starb, erzählte mir der Spion noch, dass sich das shikon no tama wieder in der Burg befindet, im Schrein.“

„Hm.“ Naraku dachte nach. Dieser Inu Yasha war wirklich nervtötend. Der hatte das Juwel – und anscheinend keinerlei Interesse daran. „Nun, gut zu wissen. Früher oder später wird Hyouga eintreffen.“ Und dem dann sagen zu können, wo sich das Juwel befand …. war sicher lebenserhaltend für ihn selbst. Sollte sich der dämliche Köter samt Familie doch mit der Mottenarmee auseinander setzen. Zumindest solange, bis er selbst das Höllenschwert besaß. Man musste es nicht einsetzen. Magische Gegenstände hatten oft Nebenwirkungen. Aber es genügte ja schon es zu besitzen, dass hatte er in den letzten Jahrhunderten bei dem Taishou schon gesehen. Jeder wusste, dass der es besaß – eingesetzt hatte er es seit mindestens dreihundert Jahren nicht mehr. „Ich vermute mal der Schrein ist gesichert.“

„Ich gehe davon aus.“

„Lass es ein Insekt überprüfen. Wie sieht es in Nishi aus?“

„Sesshoumaru war bei seiner Mutter, korrekter wohl bei seiner Verlobten, die seit Neuestem dort lebt. In das Schloss hinein komme ich nicht. Und die Insekten würden ebenso auffallen. Es gibt da einige Bannkreise.“

„Und Papa?“

„Nichts Ungewöhnliches. Berater sprechen vor, er gibt Audienzen...“

„Diese Verlobte – wer ist sie?“

„Tochter von einem Vasallen, noch sehr jung. Oh, und ich fand keinen Hinweis darauf, dass dieses Menschenmädchen bei ihm eine Halbdämonin ist. Jedenfalls geht sie in die Schule für menschliche Waisen und sieht insgesamt sehr menschlich aus.“

„So, ein Menschenkind und eine sehr junge Verlobte.“ Sollte da jemand sehr eigenwillige Vorstellungen hegen?

„Ich kann es nicht weiter prüfen. Auch um Nishi-jo wurden Bannkreise gezogen.“

„Grund?“

Kagura zuckte ein wenig die Schultern. „Seit dem ..äh...Zwischenfall mit den Paradiesvögeln ist der Taishou anscheinend um seinen Erben besorgt. Diese Heiratsverbindung, Bannkreise...“

„Er will Opa werden.“ Nun gut. Wenn sich der Taishou damit beschäftigte würde ihn der geplante Überfall der Motten auf Nishi doch eiskalt erwischen. Er selbst müsste nur rechtzeitig dort sein um sich So´unga zu sichern. Und am Besten zuvor noch das Juwel. „Es wäre nur zu günstig, wenn Inu Yasha samt Kagome noch einmal zu einem kleinen Ausflug aufbrechen würde. Nur ein Narr würde das shikon no tama zuhause lassen, zumal es Kagomes Geburtsrecht ist.“ Was allerdings es als wahrscheinlich ansehen ließ, dass dieser idiotische Halbhund genau das tun würde. Nun gut. Samurai hin oder her, die Patrouillen der Dämonen und Menschen in Aoi schwächten auch die Besatzung der Burg. Als harmloser Pilger sich Zugang verschaffen... Nein. Da gab es leider die Sicherung. Ein Dämonenfürst konnte nicht unbemerkt in eine menschliche Provinz gehen. Nun gut. Abwarten. Womöglich patzte Inu Yasha doch, wenn der annahm, er wolle ihn vergiften. Die meisten Leute setzten Attentate auf sich ungern auf den Stundenplan. Aber, anders ausgedrückt: was war bei diesem Halbhund schon normal? Er sollte noch einmal sehr gründlich über Sicherungen nachdenken.

 

Himiko wandte sich um, da sie durchaus spüren konnte, wer hinter sie trat. So verneigte sie sich eilig.

Die Fürstin betrachtete sie nachdenklich. Sie hatte gehofft, geglaubt, dass dieses so junge Mädchen eine fähige Analystin wäre, die ihren Sohn eines Tages unterstützen könnte. Und würde. Was also hatte ihr Einziger in diesem kurzen Zusammentreffen gesagt, dass sich die junge Hundedämonin stundenlang in den Garten stellte und in die Welt blickte. „Was hast du dir von einem Ehemann erhofft, ehe du wusstest, wer?“

Himiko war klar, dass das eine Prüfung war. Nur, welche? Eigentlich hatte sie nie über eine Heirat nachgedacht. Es war ihre Pflicht das zu tun, für die Familie, und sie hatte überhaupt immer angenommen, ihr Vater würde ihr schon einen angenehmen Partner suchen. Aber nun war es eben auch der zukünftige Fürst und die Bemerkungen der Hofdamen, so vereinzelt und halblaut sie auch fielen, hatten sie ein wenig beunruhigt. Sie suchte sich damit zu beruhigen, dass Sesshoumaru sie und nicht ihre Schwester hatte sehen wollen, ihr jetzt auch hatte erklären wollen, warum er hier war und nicht ihretwegen. Natürlich mussten ihre Interessen hinter einem Befehl des Fürsten zurückstehen. Eine Lüge allerdings würde die Fürstin sofort erkennen. So meinte sie ehrlich: „Ich hoffte, dass mein Vater mir einen Mann aussuchen würde, dem ich vertrauen kann.“

„Das wirst du können. Sobald mein Sohn gesehen hat, dass er dir vertrauen kann.“

Himiko verneigte sich, in ehrlichem Dank für den Ratschlag. Ob das die Fürstin auch einst getan hatte? Nur ein Narr hätte nicht gesehen, dass, Getrenntleben hin oder her, der Fürst seine Gemahlin schätzte. Die Frage war nur, was diese dafür hatte tun müssen. Vertrauen schaffen war leicht gesagt, aber durchaus schwer zu erreichen. Immerhin war es eine Beruhigung. Sesshoumaru war berechenbar – sobald er ein wenig auftaute. Sie würde ihm ihre Loyalität beweisen müssen, am Besten noch in den Jahren der Verlobung. Denn, sie hatte nur die halbe Wahrheit gesagt, das, was sie glaubte sagen zu dürfen. Sie hatte sich immer einen Gefährten gewünscht, den sie vermissen konnte, wenn sie allein saß.

 

Als Inu Yasha Jinenji gemeldet wurde, schickte er alle hinaus. Zum Einen war er neugierig auf den einzigen anderen Halbdämon, den er je kennengelernt hatte, zum Anderen – nun ja, es war definitiv vertraulich.

Er sah ganz anders aus als er, dachte er unwillkürlich, ehe er winkte. „Komm nur, Jinenji. Kagome hat dir gesagt, was passiert ist. Gift?“

„Gift. Spinnengift.“ Der große und massig wirkende Halbdämon ließ sich nieder. „Ich denke einmal, das das für jeden Menschen tödlich wäre.“

„Auch für mich?“

Jinenji zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht, was ein Hundedämon, oder auch ein halber Hundedämon aushält, Inu Yasha-dono. Aber, falls Ihr wissen wollt, ob es ernst gemeint war – ja.“

„Du bist der erste Halbdämon, den ich sehe, außer mir.“

„Ja, wir waren wohl bis zum Frieden vor dreihundert Jahren nicht gerade die beliebtesten Leute in Japan.“

Das klang so nach einem Fakt. Unbehaglich antwortete Inu Yasha: „Das Gefühl hatte ich auch schon. Und das, obwohl mein Vater …. War dein Vater der Dämon?“ Es war durchaus nicht das erste Mal, das er sich fragte, wie sein Leben verlaufen wäre, wäre Vater eben nicht am Leben und Fürst.

„Ja.“ Jinenji sah zu Boden, ehe er langsam äußerte: „Das Leben war nicht sonderlich einfach für Mutter.“ Immerhin schien der junge Daimyo zu sehen, dass er als Fürstensohn privilegiert aufgewachsen war.

„Und, wie geht es ihr jetzt?“

„Sie ist alt. Aber ja, ich habe einen guten Ruf als Kräuterkundiger erworben.“

„Wenn du etwas brauchst für sie...“

„Danke. Eure Mutter ist wohl schon lange tot.“

„Ja.“

„ich verstehe. Aber immerhin habt Ihr Kagome-sama. Sie hat ein gutes Herz.“

„Sag mir etwas, das ich nicht weiß. - Spinnengift. Wer kann sowas herstellen?“

„Eine Spinne.“

„Keh.“ Naraku war kein Katzendämon und hatte laut Sango Tentakeln. Das war doch auch wieder keine Spinne? „Und künstlich?“

„Nicht so etwas.“ Jinenji schüttelte seinen großen Kopf. „Sicher nicht.“

„Gut. Oder auch nicht. Denn ich weiß, wer dahinter steckt. Und der Kerl reicht mir langsam. Geh. Und, Jinenji, wie gesagt, wenn deine Mutter etwas braucht...“

Ja, dachte der Kräuterkundige. Da vermisste jemand seine Mutter.

 

Der Ruf des Drachenkönigs erreichte fast alle Fürsten. Naraku war ausgenommen, denn der Bitte des Taishou hatte sich nun auch der Herr der Füchse angeschlossen. So trafen sich die Abbilder der Dämonenfürsten, der menschliche Kaiser und eine Schneefrau, die augenblicklich die Vertretung des Nordens übernommen hatte, in der gesicherten Kammer unter dem Kaiserpalast. Alle blickten auf den Schemen des gewaltigen Drachenkönigs.

Ryujin sagte schlicht: „Es gibt Ärger.“

„Solchen Ärger, dass Ihr uns alle herzitiert.“ Der Neunschwänzige richtete sich etwas auf. „Lasst mich raten – schlechte Winde von West?“

„Ich bewundere Eure Fähigkeiten. Ja. Einer meiner Leute trieb sich nahe am Festland herum, zu nahe, gegen seine Befehle. Aber so konnte er mir melden, dass eine ganze Flotte an Schiffen ausgelaufen ist. Mit Ziel Japan. An Bord befinden sich nicht nur zahlreiche Mottendämonen, sondern auch Hyouga und sein Sohn.“

„Hyouga?“ Der Kaiser sah von dem Drachenkönig zu den Dämonenfürsten.

Es war der Wolfsherr der antwortete. „Ein sehr mächtiger Dämon. Unsterblich, sagt man.“

„Nicht ganz, mein Freund.“ Der Fuchsfürst sah kurz auf. „Er stirbt. Und seine Macht geht auf seinen Sohn über ebenso wie die Macht all der Hyougas vor ihm. Mit jedem Tod werden sie stärker. Das ist ein Problem, wenn sein Sohn auch dabei ist.“

„Und, wenn der Sohn vor ihm stirbt?“

„Niemand sagt uns, dass es keinen zweiten Sohn gibt. - Ryujin, wann treffen die Schiffe ein?“

Der Drachenkönig brauchte nicht nachzudenken. „In zwei Tagen, wenn nicht widrige Winde sie abhalten.“

„Ihr Ziel?“ fragte der Taishou nüchtern.

„Das kann ich nicht genau sagen, verständlicherweise. Aber wenn der Kurs beibehalten wird – es geht auf Nishi und Ayama. Wir sollten Naraku informieren.“

„Er weiß es.“ Der Herr der Hunde richtete sich etwas auf. „Es war ein Händler da, er hat Kontakte. Unwahrscheinlich, dass diese Flotte ausläuft ohne, dass er es weiß. Nun gut. Ich werde tun, was ich kann, um den Westen zu schützen.“

„Ich werde das Meinige tun.“ Der Fuchsfürst nickte. „Wir schützen unsere Gebiete. Aber, auch die Schneefüchse und -frauen im Norden sollten wachsam sein.“

Die Vertreterin der Völker des Nordens nickte. „Niemand sollte uns unterschätzen, nur, weil wir uns keinem Fürsten beugen. Jeder Fußbreit wird erobert werden müssen. Ihr entschuldigt mich sicher.“

Da sich alle Fürsten erhoben und verschwanden, seufzte der Kaiser ein wenig. Es sah nicht nur nach Ärger aus. Wenn die Dämonen versagten – was bliebe von den Menschen? Er würde wohl die göttliche Ahnin um Beistand bitten. Und um ihr Schwert.

 

Kagome hatte keinen so klaren Befehl erwartet, nun, eigentlich gar keinen. Aber, das „Komm mit dem Juwel und Sango im Morgengrauen zum Burgtor“ hatte sie etwas erschüttert. Ja, natürlich war Inu Yasha der Daimyo, aber sie hatte doch gedacht, dass sie Freunde wären, dass er … Als sie mit Sango allerdings wie angeordnet zum Burgtor kam, stellte sie fest, dass etwas passiert sein musste. Krieger, menschlich und dämonisch, die weggingen, gewisse Hektik überall, Sie sah fragend zu der Dämonenjägerin.

„Alarmbereitschaft,“ erklärte diese daher. „Du hast doch was von Gift gesagt...?“

„Ja, aber...“ Närrin, die sie war. Ein Attentat auf den Daimyo, misslungen oder nicht, war Hochverrat. Und da kam er ja auch. Sie neigte lieber den Kopf. „Inu Yasha.“

„Gehen wir. Da gibt es einiges, was ich klären will. Ist das Juwel in Ordnung?“ Es sah zumindest hell aus.

„Ja, ja, ich denke schon.“ Als ob sie die Spezialistin wäre. „Was ist denn passiert?“

„Jemand hat versucht mich umzubringen. Und wenn ich dem einen Namen geben soll … Wo steckt eigentlich Miroku?“

„Er kommt,“ erklärte Sango hastig, die es besser fand nicht zu erwähnen, dass die letzte Nacht sehr romantisch gewesen war. „Seht nur, Inu Yasha-sama.“ Bei dem Nasenzucken des halben Hundedämons vor sich konnte sie sich freilich vorstellen, dass er erriet, was los war.

„Wir gehen zur Pforte.“ Da er den irritierten Blick der beiden jungen Frauen vor sich kaum missverstehen konnte: „Der Kerl will mich tot sehen. Und ich will verdammt nochmal wissen, warum. Was hat der gegen mich.“

„Äh...“ Sango bemerkte durchaus die Blicke der Samurai um sich. „Inu Yasha-dono, mit Verlaub … Ihr dürft nicht nach Ayama und er nicht nach Aoi.“

Auch dem Halbdämon wurde gerade bewusst, dass er sich in der Öffentlichkeit befand. „Genau deswegen will ich die Grenze kontrollieren. Weitere Einwände?“

„Wie Ihr befehlt, mächtiger Daimyo.“ Hier ging es nicht um Freundschaft, sondern den Ruf des Stellvertreters des Kaisers. Abgesehen davon – er hatte recht.

 

Als das Quartett nach Stunden von den Samurai alleingelassen worden war und sich Kagome umgezogen hatte, erläuterte Inu Yasha das, was er für einen Plan hielt. „Ich will wissen, was da los ist. Ich will wissen, warum der Kerl mich umbringen will. Ich will wissen, wieso er hinter dem Juwel her ist. Und, Kagome, du wirst es einfach nur tragen. Ich passe auf dich auf, versprochen.“

Die junge Fürstin lächelte. „Ich weiß.“ Und das verursachte so ein seltsam warmes Gefühl im Herzen.

Miroku räusperte sich. Es war eine Sache einem Freund die Wahrheit zu sagen, eine zweite, wenn besagter Freund einen einen Kopf kürzer machen konnte. „Du erinnerst dich, wir haben auch schon angedacht, dass er nicht nur das Juwel, sondern auch das Höllenschwert will. Das könnte ein Problem werden.“

„Keh. Ja, Narakus. Denn dann müsste er Vater besiegen.“

„Niemand ist unbesiegbar, Inu Yasha.“ Sangos Satz sorgte für einen langen Moment des Schweigens.

Dann antwortete der Halbdämon: „Ja, ich weiß. Aber ich weiß auch, der Mistkerl kommt nicht an meine Provinz, nicht an meine Familie. Nicht, solange ich lebe.“

Kagome drehte sich erschrocken zu ihm um, und hätte nie die Erklärung gefunden, warum sie sich dann an ihn schmiegte und sagte: „Ich bin bei dir.“

„Gut. Dann gehen wir.

Die Vier gingen in Richtung der Pforte von Ronin.

 

Der Taishou hatte seinen alteren Sohn zu sich befohlen. Als Sesshoumaru höflich vor ihm niederkniete, nickte der Fürst. „Dunkle Wolken des Krieges wallen heran. Dies ist die Zeit die Schwerter zu schärfen, denn es ist sinnlos dies zu tun, wenn der Kampf bereits entbrannt ist, Geh zu deiner Mutter. Sage ihr, du brauchst den Zugang zu der Pforte der Ronin.“

Wenn der Erbprinz erstaunt war, dass seine Mutter den Zugang haben sollte, und um welchen Zugang es sich handeln sollte, so schwieg er.

„Zwei Tage,“ fuhr der Taishou fort. „Zwei Tage schätzt Ryujin bis die Flotte eintrifft. Ich werde die Menschen aus Nishi entfernen. Ein Dämonenkrieg ist nicht ihre Sache. Ich werde mein Fürstentum schützen. Du allerdings gehst nach Ayama.“ Da er das ruckartige Aufsehen durchaus bemerkte: „Ja. Ayama. Ich bin sicher, dass Naraku Hyouga rief. Und ich bin sicher, dass dein Bruder Widerstand leisten wird um seine Provinz zu schützen. Zusammen werdet ihr alle schützen. Falls ich verliere.“

„Chichi-ue...“ Sesshoumaru klang indigniert.

„Jeder kann verlieren, mein Sohn. Geh und lerne von deiner Mutter. Es sind nur zwei Tage.“

„Und Ihr?“

Dem Herrn der Hunde kam tatsächlich der ungewohnte Gedanke, dass sein Erbe sich Sorgen um ihn machte. „Wie gesagt. Ich werde den Westen schützen. Mit allem, was ich habe.“

Das bedeutete auch So´unga. Aber Sesshoumaru neigte nur den Kopf, ehe er sich erhob.

 

Inu Yasha blieb stehen und sah auf. „Ärger.“

Das Warum konnten sich seine Freunde sparen, denn der Falkendämon schoss förmlich auf sie zu, sich kurz über dem Boden in menschliche Gestalt verwandelnd.

„Botschaft?“ fragte der Halbdämon nur.

„Feindliche Flotte nähert sich Ayama und Nichi, Mottendämonen vom Festland unter Befehl des Hyouga. Der Kaiser und alle Fürsten sind informiert.“

„Alle.“

„Naraku nicht, Inu Yasha-sama, wie es Euer mächtiger Vater befahl.“

„Befehl des Kaisers?“ Immerhin hatte er dem Treue geschworen.

„Ich soll Information geben. Keine weiteren Anweisungen.“

Wunderbar. Hatte es Sesshoumaru gut. Und jetzt? „Gib die Informationen an Toyomaru. Samurai, Menschen und , sollen mir hinterherkommen und die Pforte schützen. Menschen, die hier in der Nähe leben, sollten zur Sicherheit weggebracht werden. Flieg.“ Kaum, dass der Falke wieder abgeflogen war, drehte sich Inu Yasha um. „Der Kerl macht mich echt wahnsinnig. Nicht nur, dass er mich umbringen will, der hetzt auch noch Dämonen auf uns?“

„Was ist Hyouga?“ erkundigte sich Kagome.

„Keine große Ahnung. Ein Dämonenfürst vom Festland, Angeblich unsterblich. Aber, man könnte ihm ja das Gegenteil beweisen. Gut. Dann gehen wir nach Ayama.“

„Äh, Inu Yasha,“ meinte Sango: „Als Daimyo darfst du doch nicht einfach so in ein Dämonenfürstentum?“

„Wenn da gerade eine Flotte eintrudelt? Wenn Naraku nicht der Mistkerl ist, für den wir ihn halten, sollte er mir auf Knien danken, dass ich ihm helfe. Und, wenn er der Mistkerl ist ….“

„Du willst die Menschen schützen?“ fragte Kagome nur.

„Ja. Wie ich es meiner Mutter versprochen habe.“

Und den drei Menschen wurde gerade etwas klar.

 

Naraku wirkte entspannt, als sich Kagura vor ihm niederließ, aber sie verfiel nicht in den Fehler, das als Sicherheit für sich zu deuten.

Er fragte kurz: „Was ist mit Inu Yasha?“

„Er und die übliche Gruppe nähert sich der Grenze. Kagome hat das Juwel dabei.“

„Gut. - Hyouga wird in weniger als zwei Tagen hier eintreffen, Ich erhielt Nachricht.“

„Eine Invasion?“

„Ein Besuch. Und mit dem Juwel in der Hand wird es mir auch gelingen Hyouga soweit zu beruhigen, dass er wieder verschwindet. Er hätte nichts davon hier einen Dämonenkrieg anzuzetteln, unsterblich hin oder her. Das Festland ist groß genug.“

„Der Taishou wird So´unga nicht ohne weiteres herausgeben.“

„Genau dazu brauche ich eben Hyouga. Er wird den Westen angreifen. Und mir das Höllenschwert im Austausch gegen das shikon no tama geben. Falls er falsch spielen sollte, habe ich immer noch das Juwel, das die gute Kagome mir soeben bringt.“

 

Als Sesshoumaru zum nächsten Mal in derart wenigen Tagen bei seiner Mutter ankam, sagte er nur: „Ihr sollt mir den Zugang zu der Pforte der Ronin geben.“ Sie legte ihre Hand an das schwarze Medaillon auf ihrer Brust, was seinen Verdacht bestätigte, dass es um Jenseitsmagie ging. Das hatte Vater eben aus der Hölle geholt für sie.

„Vor langer Zeit gab es sieben menschliche Krieger. Sie waren herrenlos und ehrlos. Sie wurden gefangen genommen und von Menschen hingerichtet. Zu dieser Zeit hatte mir dein Vater, der Herr unseres Volkes, dieses Medaillon geschenkt, dessen Material aus der Unterwelt stammt. Das weißt du. Um die Menschen zu schützen, wies er mich an mit eben dieser Magie das Grab zu versiegeln. Im alten Schrein dort, oder, wohl eher dessen Überresten, befinden sich noch immer sieben Siegel,. Geh dorthin und zieh deine Klinge Tenseiga. Stoße sie in sechs Siegel. Eines muss dort bleiben.“ Sie lächelte ein wenig spöttisch. „Du scheinst überrascht.“

Tenseiga. Das nutzlose Schwert, das nicht töten konnte? Aber er würde kein Unwissen zugeben. „Was geschieht dann mit Tenseiga.“

„Es verändert sich. Jenseitsmagie zu Jenseitsmagie. Und es vermag dann einen direkten Weg in die Unterwelt zu bahnen. Den Pfad der Dunkelheit zu öffnen. - Dann gehst du und suchst den Sohn der Kaisertochter.“

„Inu Yasha?“ Jetzt war er wahrlich verblüfft, denn er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Vaters Plan beinhaltete sein Nesthäkchen umzubringen.

„Er trägt das Zwillingsschwert.“

Ihre Angewohnheit in Rätseln zu sprechen machte ihm wieder einmal klar, warum er eigentlich selten hier war. „Tessaiga?“

„Wenn sich die Klingen berühren, wird die Jenseitsmagie auf Tessaiga übergehen.“

„Und Inu Yasha helfen.“ Natürlich. Schutz für den halben Hund.

Ein angedeutetes Lächeln. „Du wirst im Kampf Hilfe weniger nötig haben als ein Halbmensch.“

Was sollte er dazu sagen. Überdies dämmerte ihm noch etwas anderes. „Als Vater damals in der Unterwelt war, holte er nicht nur das Material für das Verlobungsgeschenk, Euer Medaillon, sondern noch einen Teil. Tenseiga?“

Ach, ihr Einziger. So stark, so fähig im Kampf, aber manchmal eindeutig, ja, betriebsblind. Schon deswegen hatte er eine intelligente Frau nötig, die ihn in die richtigen Richtungen stupsen konnte, wenn es seine Eltern nicht mehr vermochten. Nun gut, noch einen Schubs. „Wenn Hyouga stirbt, gehen alle seine Fähigkeiten auf den nächsten in der Blutlinie über. Es wird wichtig sein, weder Hyouga selbst noch seinen Sohn zu töten.“

„Der Pfad der Dunkelheit. - Warum Inu Yasha.“

„Wenn ich deinen Vater, unseren Fürsten, richtig verstanden habe, gibt es wohl sonst niemanden, der sich allein einer Mottenarmee stellen würde.“

Das war wohl korrekt. Ein Dämon würde sich Strategie und Taktik überlegen. Inu Yasha war ungestüm und dachte niemals nach. Allerdings sollte der Bastard ihm auch keine Feigheit vorwerfen können.

 

 
 

Schwerterklang


 

D

er Hundefürst erhob sich, als sein Ältester ihn verlassen hatte. Zwei Tage waren keine sehr lange Zeit, um unter dem Vorwand einer Erdbebenübung die Menschen aus Nishi nach Aoi zu schicken. Wenn er sich nicht allzu sehr in seinen Söhnen täuschte, würden die Naraku und Ayama in die eigenen Klauen nehmen. Er hoffte jedenfalls gemeinsam und nicht gegeneinander.

Sesshoumaru sollte seinem Bruder den Pfad der Dunkelheit übergeben. Hoffentlich tat der das auch, aber Befehlen hatte sich der Junge bislang immer noch gefügt.

Umso wichtiger war es, dass er selbst sich So´unga beschaffte. Und das lag gut verborgen unter Bannkreisen, die er selbst gelegt hatte, zugegeben, mit Hilfe seiner Fürstin. Sie war magisch deutlich begabter als er. Aber nur er konnte sie lösen, darauf hatte er bestanden, als Toutousai damals selbst noch einen Bann gelegt hatte. Der Schmied war ein wenig, nun, unglücklich gewesen, dass sich das höllische Schwert noch immer in der Welt der Lebenden befand. Aber, je nach dem, wo die Mottenflotte anlanden würde, wäre es nur zu gut vorbereitet zu sein.

 

Nur zwei Stunden später hatte er die Evakuierung angewiesen, die Krieger eingeteilt, Schmieden befohlen die Waffen zu schärfen und gegebenenfalls Rüstungen zu reparieren. Einer der Gründe, der ihm den Erfolg und den Aufstieg gebracht hatte, war seine Fähigkeit auch unter Zeitdruck sehr vernünftig disponieren zu können. „Der Pass von Toyama ist, falls die Landung hier erfolgt, der einfachste Weg in das Land der Menschen. Er muss gehalten werden,“ war sein schlichter Abschluss, ehe er hinunter in den bestgesichersten Raum von Nishi-jo ging, um das gefährlichste Schwert aller drei Welten zu holen. Und das war wahrlich nichts, worauf er sich freute.

Früher oder später würde es notwendig sein, So´unga wieder dahin zu schaffen, wo es einst entstanden war. Nur wie? Seine Hoffnung, ja, sein Plan, dass seine Jungs mit den Zwillingsschwertern dem höllischen Geist seiner eigenen Klinge Paroli bieten könnten, hatte sich bislang nicht erfüllt. Auch, weil da doch einiges in deren Beziehung schief gelaufen war. Und er es praktisch zu spät erkannt hatte.

Nun gut. Das musste einem anderen Zeitpunkt überlassen werden. Falken flogen weit über das Meer nach Westen auf der Suche nach der Flotte. Nishi oder Ayama – oder gar beide? Was hatte Naraku jemandem wie Hyouga geboten, dass der mit einer Flotte anrückte?

Eigentlich gab es nur eine Antwort – So´unga. Oder das Juwel? Oder gar beides? Und, was versprach sich der Fürst von Ayama davon? Die Macht über alle Dämonen in Japan? Hyouga würde kaum wieder abreisen, wenn er die Macht selbst haben könnte. So töricht wäre kein Dämonenfürst, nun, keiner, den er bislang kennengelernt hatte. Kampf und Machtstreben lagen Dämonen einfach im Blut. Naraku wäre kein Dämon, wenn er das nicht beachten würde.

Ein Gedanke huschte vorbei, so rasch, dass ihn der Hundefürst nicht zu fassen vermochte.

 

Es war in den frühen Morgenstunden, als Kagura angab dringend mit ihrem Vater sprechen zu wollen. Die Wachen ließen sie durch und Naraku, der versonnen in die aufsteigende Helligkeit geguckt hatte, hob ein wenig unwillig den Kopf, nahm jedoch an, dass wichtige Neuigkeiten anstanden.

Die Winddämonin ließ sich nieder. „Ich dachte, ich bringe dir die Nachricht gleich. Es sind fünfzig Schiffe mit Mottenkriegern unterwegs.“

„Fünfzig.“ Nun, Hyouga ließ sich nicht lumpen. Die Frage war nur, ob er dann mit dem Juwel der vier Seelen allein zufrieden gestellt wäre. „Mit wie vielen Kriegern?“

„Das konnten die Hölleninsekten nicht mitbekommen. Aber, die Flotte hat sich geteilt. Fünfundzwanzig kommen her, fünfundzwanzig schwimmen nach Süden. Soweit ich das richtig verstanden habe, ist Hyouga selbst an Bord der südlicheren Schiffe, ein großer Dämon namens Menomaru kommandiert die, die hierher kommen. Hast du dir das so vorgestellt?“

„Es sind mehr Schiffe als ich erwartet hätte. Nun gut. Hyouga gegen den lieben Taishou samt Höllenschwert. Das könnte interessant werden. Und Menomaru, ja, der Sohn. Falls der Vater stirbt wird er der neue Hyouga mit noch mehr Macht. Es wäre töricht, das Risiko nicht zu minimieren, nicht alle auf das gleiche Schlachtfeld zu stellen. - Wo steckt denn Inu Yasha? Etwa hier in Ayama?“

„Die Gruppe hat an der Grenze übernachtet. Definitiv trägt Kagome das Juwel.“

„Das echte, will ich hoffen.“

„Du wirst es besser wissen als ich. Allerdings, bei der Überwachung der Gruppe stellte ein Insekt fest, dass Dämonenkrieger sich auf dem Weg zur Pforte von Ronin befinden, oder auch schon da sind.“

„Manöver?“ Das wäre natürlich ein unglaublicher Zufall, würde jedoch erklären, warum dieser dämliche Halbhund schon wieder die Burg verlassen hatte. Nun, fairerweise, wo konnte man in Aoi besser solche Manöver durchführen? An der Grenze des Kaisers? Das war leicht als Hochverrat auszulegen und auch der Hundepapa dürfte kaum entzückt sein. Dennoch. Damit war Kagome samt dem shikon no tama praktisch vor seiner Haustür. Mit ein bisschen Pieksen würde doch Inu Yasha losstürmen, fatalerweise nach Ayama.

„Ich verstehe nichts vom Militärwesen, wie du weißt.“

„Du kannst gehen.“ Und er würde die dämonischen Krieger aus Ayama nicht nur in Alarmbereitschaft versetzen, sondern gleich zum Hafen verlegen. Es wäre ja möglich, dass der Besuch nicht ganz so freundlich wäre. In fünfundzwanzig Schiffen konnten bis zu zweitausend Motten stecken, je nachdem ob sie Belagerungsgerät dabei hatten oder nicht. Er hatte nie militärische Ausbildung erhalten, aber soweit konnte er denken.

Das sah allerdings so aus, als ob sich Menomaru das shikon no tama schnappen sollte und Hyouga das Höllenschwert. Also musste er schneller sein. Und zunächst einmal den Prinzen freundlich begrüßen, scheinbar ahnungslos. Und dann, wenn Inu Yasha den Fehler begehen sollte nach Ayama zu kommen, möglichst noch mit seiner Dämonenarmee, würde er das Menomaru überlassen und sich unterdessen Kagome, genauer, das Juwel schnappen. Danach sähe auch der Mottenprinz schlechter aus. Und er würde schnell nach Nishi fliegen, um mit dem shikon den Kampf zwischen den Hunden und Hyouga zu entscheiden. Was natürlich mit dem Tod der beiden Anführer enden sollte. Und er hätte So´unga.

 

Sesshoumaru stöhnte, wenngleich nur innerlich, auf, als er seine Braut entdeckte, die sich wortlos verneigte. Lauerte sie ihm jetzt jedes Mal auf, wenn er zu seiner Mutter kam oder ging? Dann hätte er gleich zwei sehr gute Gründe das Schloss zu meiden.

Aber angelernte Höflichkeit ließ ihn stehenbleiben, wenngleich sie nicht ansehen. „Himiko.“

„Einen guten Kampf, Sesshoumaru-sama.“

Das war ihm doch eine Kopfdrehung wert. Er wollte schon fragen, woher sie das wisse, aber natürlich hatte sie ihn noch nie mit beiden Schwertern und in Rüstung gesehen. Ja, sie beobachtete und war analytisch. Was auch immer das für die Zukunft bedeuten sollte. Da sie fast verbissen zu Boden guckte, meinte er doch: „Eine Frage?“

„Es steht Kampf bevor.“

Das war also noch nicht die Frage. „Weiter.“

„Wenn Ihr zurück kehrt, würdet Ihr mir eine sehr persönliche Frage beantworten?“

Immerhin zweifelte sie nicht daran, dass er zurückkehren würde. „Frage jetzt.“ Bevor er sich im Kampf noch Gedanken darüber machte, was sie schon wieder wissen wollte.

Himiko holte tief Atem, ehe sie aufsah. „Ich bin mir bewusst, welche Rechte Ihr besitzt, zumal als mein Ehemann. Könntet Ihr mir versprechen, dass Ihr mir, ehe Ihr mich straft, sagen werdet, warum?“

Für einen Augenblick begegneten sich Blicke aus Silber und Gold, ehe er den Kopf wieder wandte. „Dann begehe diesen nicht: vergleiche mich niemals mit anderen.“

Sie neigte sich, denn sie nahm es als Zusage, dass er nicht willkürlich strafen würde. Und damit war sie erst einmal zufrieden.

Was für ein eigenartiges Mädchen, dachte der Erbprinz, als er ohne weiteres ging. Immerhin schweigsam und sie würde ihn weder mit Gedichten noch mit Gesang nerven. Allerdings – womöglich sollte er doch öfter herkommen. Wer konnte schon sagen, was Mutter ihr beibrachte?

 

Als die Mottenflotte anlandete, wartete Naraku mit einem entsprechenden Empfangskommando am Hafen. Nicht zu viele Krieger, um nicht unhöflich zu wirken, nicht zu wenige um als einfache Beute dazustehen. Die eigentlichen hunderte Dämonenkrieger warteten in den Außenbezirken der Stadt.

Die zwei jungen Frauen, die bereits als Botschafterinnen bei ihm gewesen waren, erschienen zuerst und kamen zu ihm, verneigten sich höflich.

„Ich freue mich Euch wiederzusehen,“ meinte er verbindlich, ließ allerdings die Augen nicht von dem Flaggschiff, wo nun doch so einige Mottenkrieger erschienen waren, die sich jedoch neben der Planke aufreihten.

„Danke, Fürst Naraku. Unser Gebieter, der mächtige Menomaru, wünscht Euch persönlich zu sprechen, falls Ihr nichts dagegen habt.“

Wie hieß die nur? Eine war Ruri, die andere Hara? Oder umgedreht? Gleich. „Warum sollte ich. Ich habe den mächtigen Hyouga eingeladen … aber Ihr erwähntet ja bereits, dass sein Sohn und Erbe des Öfteren Aufgaben übernimmt.“ Er sollte nicht anmerken, dass er wusste, dass das hier nur die Hälfte der Schiffe war. Oh. Der da kam war groß und die Energie, die um ihn strahlte, war buchstäblich nicht von schlechten Eltern. Wenn das der Sohn war – und dem eines Tages die Macht aller seiner Vorgänger gehören würde …. Aber der trug kein Schwert, nur einen Brustpanzer. Sicherlich Zeichen des guten Willens. „Ich heiße Euch in Japan willkommen, edler Menomaru. Ich hoffe, Euer Vater, der mächtige Hyouga, befindet sich wohl.“

Der Mottenprinz blickte sich kurz um. „Nun, meinem mächtigen Herrn und Vater erschien Euer Angebot interessant. Ihr zeigtet den Botschafterinnen bereits den Handelsgegenstand. Es dürfte Euch sicher nichts ausmachen ihn mir ebenfalls zu zeigen.“

Doch, das tat es, denn es handelte sich um eine Fälschung, die dieser Kerl sicher bemerken würde. Naraku lächelte darum ein wenig. „Ich kann es Euch zeigen, ohne Zweifel, auch, wenn es sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr und noch nicht wieder in meinem Besitz befindet.“ Er bemerkte das Aufflackern der Energie. Ja, dieser Mottenprinz war stark. „Wie erwähnt, wir können uns den Dieb sofort ansehen. Womöglich gelingt Euch, was mir bislang unmöglich war. Es gibt hier einen alten Vertrag und eine magische Bindung, nach der kein Dämonenfürst, wie ich, das Menschenreich betreten kann. Ihr wärt daran nicht gebunden.“

„Ihr sagtet, ansehen.“

„Direkt an der Grenze. Mit etwas Glück gehen die Diebe sogar nach Ayama. In die Falle. Wenn Ihr mir folgen würdet.“

„Natürlich. Allerdings werden mich die zwei Damen begleiten.“

„Wie es Euch beliebt.“ Nun ja. Dieser Mottenprinz war nicht dumm und stark. Das bedeutete, der sollte mit dem Halbhund hervorragend zurande kommen. „Wünscht Ihr noch Euer Schwert?“

„Teurer Naraku, ich benötige keines.“

Wie so mancher Fuchs. Das bedeutete stark in der Magie. „Wie es Euch beliebt. Dann folgt mir.“ Und bislang hatte Menomaru mit keinem Wort erwähnt, dass sich der zweite Teil der Flotte unter dem Kommando seines Vaters auf nach Nishi gemacht hatte. Es war zwingend notwendig, dass er das shikon no tama selbst in die Hände bekam, ehe es der Mottenprinz erhielt. Nun, Inu Yasha würde doch für den kurzweiligen Zeitvertreib sorgen.

„Was wisst Ihr über das Juwel, Naraku? Hat es wirklich nur vier Seelen?“

„Man nennt es shikon no tama.“ Was sollte diese Frage? „Aber der Legende nach enthält es wohl einige Dämonen und die Seele einer Priesterin, die es erschuf.“

„Es soll Dämonen stärker machen, erwähntet Ihr.“

„Ja. Seelenmagie eben, ein recht schwieriges Gebiet.“ Naraku warf bei diesem Satz einen prüfenden Blick seitwärts. Aha. Um den Mund den Mottenprinzen spielte ein Lächeln. Dann beherrschte der das und Hyouga wohl auch. Darum waren sie so interessiert an dem Juwel. Umso wichtiger ihnen zuvor zu kommen. „Momentan trägt es wieder eine junge Priesterin. Sie ist mit einem Halbdämon verheiratet, der leider Daimyo der mir angrenzenden menschlichen Provinz ist. Lästig, denn man kommt schwer an sie heran. Aber nun hat dieser Halbdämon, Inu Yasha, heißt er, den Fehler begangen sich mit ihr meiner Grenze zu nähern.“

„Ein Halbdämon? Da ist jemand wohl tief gesunken. Oder ist das in Japan üblich?“

„Weniger. Sein Vater ist übrigens der Herr von Nishi, man nennt ihn den Inu no Taishou.“

„Ich verstehe. Man sagt, er besitze ein wertvolles Schwert.“

„Sagt man das? Soweit ich weiß handelt es sich um das Höllenschwert. Ich habe es nicht so mit Schwertern, werter Menomaru.“

„Ihr tragt auch keines.“

„Ebenso wenig wie Ihr. Würde es Euch etwas ausmachen, wenn wir fliegen?“ Er brauchte das Juwel, noch ehe der Hundefürst den Überraschungsbesuch bemerkte und ehe Hyouga gewann. Er hatte sich anscheinend gefährliche Partner gesucht.

„Natürlich nicht.“

 

Waffenmeister Toyomaru war sicher noch nie in seinem Leben einen so verrückten Befehl erhalten zu haben. Er kannte Inu Yasha und dessen Spontanität, schließlich hatte er ihn im Schwertkampf ausgebildet, aber das erschien ihm doch ein wenig ZU unbesonnen. „Ich bitte um Vergebung, Inu Yasha-dono ...“ begann er behutsam, denn man widersprach in der strikten Militärhierarchie in Nishi nicht seinem Befehlshaber. „Natürlich werde ich auch Hauptmann Nimaki und damit die Menschen von Eurer Anweisung in Kenntnis setzen, die Pforte zu halten, sobald sie eintreffen. Aber haltet Ihr es wirklich für klug, selbst als Daimyo des Kaisers in ein Dämonenfürstentum zu gehen?“

„Ja,“ meinte der Halbdämon schlicht. „Natürlich wird Alarm ausgelöst, sozusagen, aber das sollte ja wohl auch sein. Ist der schnellste Weg den Göttlichen Kaiser und alle anderen Fürsten zu informieren, wo diese feindlichen Schiffe anlanden. Und ich gehe ja ohne Krieger. Und ich will weder hören, dass die Dämonen nicht so tapfer wie die Menschen waren noch andersherum, sag das auch Nimaki. Jetzt ab.“

Der Hundedämon verneigte sich nur etwas und ging. Weiterer Widerspruch war unmöglich. Und immerhin schien sich Inu Yasha ja irgendetwas dabei gedacht zu haben.

 

Den Optimismus teilten Freunde und Ehefrau des Halbdämons weniger, als der sich mit ihnen über die magische Grenze nach Westen begab. Nicht nur Sango und Miroku sahen sich immer wieder sorgfältig um, auch Kagome war klar, dass das im Prinzip, wie gut gemeint die Aktion auch war, ein Bruch des dreihundert Jahre alten Friedensvertrags war.

So meinte sie leise: „Bist du nicht besorgt, dass der Kaiser und dein Vater ihr Bündnis auflösen, es wirklich riesigen Ärger gibt? Immerhin ist da auch noch Hakudoshis Tod....“

„Falls jemand den Eindruck bekommen sollte, dass ich Naraku nicht leiden kann, so hat er recht. Was muss der Idiot denn noch anstellen, um ein paar auf die Pfoten zu bekommen?“ fauchte Inu Yasa ungnädig. „Ein paar Morde genügen nicht, so ein bis zwei Mordversuche an mir und weiß der Himmel an wem noch? Und jetzt hat dieser Vollpfosten doch auch noch einige Dämonen vom Festland hergeholt. Das ist schon Verrat. Übrigens auch ein Bruch des Friedensvertrages. - Kagome,“ meinte er dann versöhnlicher, da er sah, dass sie zwischen Panik und Wut hin und herschwankte: „Ich bin kein Volltrottel. Deswegen gehe ich ja auch nur mit euch und lasse die Krieger in Aoi. Sie sollen die Grenze und das Reich der Menschen schützen. Und alles, was ich will ist nachsehen, ob hier wirklich Dämonen vom Festland sind und Naraku womöglich mit ihnen kämpft. Oder ob er sie eingeladen hat. Dann ist er nämlich fällig.“

„Hast du schon bedacht, wenn die Flotte nicht in Ayama landet, wohin sie dann fährt?“ erkundigte sich Miroku durchaus ein wenig ablenkend.

„Ja, klar. Nishi oder Sobo. Aber da würden sie sich gut die Finger verbrennen. Vater hat das Höllenschwert und jede Menge Krieger und gegen das Fuchsheer mit dem Neunschwänzigen an der Spitze sahen schon ganz andere Leute alt aus. Der schwächste Punkt dürfte Ayama sein. Und da ich mal gehört habe, niemand plant eine Invasion ohne Informationen zu haben... tja. Ich würde Ayama nehmen.“ Sein Taktiklehrer wäre vermutlich glücklich gewesen zu vernehmen, dass ihm der so desinteressiert scheinende und impulsive Fürstensohn tatsächlich bis zum Ende zugehört hatte.

„Inu Yasha!“ Sango sprach die Warnung in gewisser Hektik, als ihre nekomata von ihrer Schulter sprang und sich in die große Kampfkatze verwandelte.

Auch der Halbdämon spürte plötzlich rasch näher kommende dämonische Energie. „Naja, die Wachen schlafen doch nicht. Aber dann sind sie auch noch nicht an die Küste beordert worden.“ Er blieb stehen und betrachtete die Gegend vor sich.

„Würdest du deinen Rücken entblößen?“ gab die Dämonenjägerin sachlich zurück.

„Das ist ...achja.“ Der Halbdämon hatte zwei Energien erkannt, gefolgt von zwei schwächeren, die sich mehr oder weniger aus dem Nichts vor ihnen aufbauten. „Der Herr Nachbar!“ Aber, wer waren de anderen Drei? Zwei Frauen, bewaffnet und ein ziemlich großer Kerl mit Fühlern auf dem Kopf und Brustpanzer, aber ohne Schwert. So jemand hatte er noch nie gesehen. Motten lebten doch nur auf dem Festland. Stopp. Naraku und ein ziemlich starker Dämon vom Festland? Dann hatte der Mistkerl sie eingeladen.

 

Naraku lächelte verbindlich, in Gedanken abschätzend wie weit es bis zu Kagome war. „Dies, mein teurer Menomaru, ist Inu Yasha, der Daimyo der Provinz Aoi, der sich nun, leider, in meinem Gebiet aufhält. Peinlich für seinen Vater, der mit dem menschlichen Kaiser einen Vertrag hat, nicht wahr?“

Der junge Daimyo reagierte prompt. „Man muss doch mal nachsehen, wenn du Vollpfosten es schaffst wildfremde Dämonen an Land zu ziehen. - Ich denke doch mal, Menomaru, du kamst nicht allein?“

„Aber nein.“ Der Mottenprinz lächelte etwas. „Ich bin nie allein. Ich bin der Erbe des mächtigen Hyouga.“

Und ein Erbprinz war nie allein, das würde Sesshoumaru vermutlich unterschreiben. Schön, dann waren die zwei Frauen vermutlich seine Leibwächterinnen. Kein Schwert. Also hatte der Gute doch nicht viel drauf, oder? „Das soll deine ganze Begleitung sein?“

„Nein, Halbdämon.“

Prompt baumte Inu Yasha auf. „Ja, ich bin ein Halbdämon. Und, was dagegen?“

„Nicht wirklich. Das macht es reizvoller. Ich hatte es noch nie mit einem Bastard zu tun. - Da es dich so zu interessieren scheint – der werte Naraku lud eigentlich meinen Vater ein das shikon no tama zu bekommen.“ Er sah, wie die junge Frau mit der Kette heftig aufatmete: „Ah, das ist es also. Interessant. Nun, Halbdämon, Daimyo, wie auch immer … gib es mir und ich gehe wieder. Ganz friedlich.“

„Und von was träumst du nachts? Ich dachte mir ja schon, dass Naraku wieder mal die dreckigen Pfoten im Spiel hat.“ Der Kopf Inu Yashas ruckte förmlich zu dem Fürsten von Ayama herum. „Morde gehören ja zu deinen Privatvergnügen, habe ich gemerkt. Aber, wie kann man nur so blöd sein Leute vom Festland herzuholen?“

„Ich werde mir den Spaß mit dir machen,“ erklärte Menomaru noch immer mit einem gewissen vergnügten Unterton. „Ruri, Hara, ihr nehmt euch die beiden Menschen vor. Das Mädchen mit dem Juwel – Naraku.“

Letzterer konnte sein Glück fast nicht glauben. „Wie Ihr wünscht.“ Natürlich versteckte sich Kagome sofort hinter ihrem Ehemann. Aber der würde gleich eine Menge Ärger bekommen, auch wenn der bereits die Hand am Schwert hatte. Klingen brauchte der Mottenprinz offensichtlich nicht. Und die beiden so genannten Botschafterinnen gingen auf den Mönch und die Dämonenjägerin zu, die eilig beiseite und auseinander wichen, offenkundig kampferfahren. Das würde ihnen nur gegen zwei Dämoninnen nichts helfen. Was machte Menomaru denn jetzt? Magie.

 

Inu Yasha starrte schlicht hin. Aus dem Nichts erschien neben diesem Motterich ein Baum, ein leuchtendes Etwas, wie ein Baum, schön. „Was soll das? Hast du kein Schwert?“

„Ich brauche keines, Kleiner. Greif mich nur an, das wird dir nichts nützen. Und im Endeffekt wirst du ein wunderbares Blatt in meinem Baum.“

Inu Yasha hörte Kagomes zitterndes Einatmen hinter sich. Sie machte sich Sorgen um ihn das sollte sie doch nicht. „Große Worte für einen Unbewaffneten.“ Im nächsten Moment hörte er den Aufschrei und fuhr herum. Fehler, dachte er noch, dem Gegner den Rücken zuwendend. Aber das hatte er sowieso bereits getan. Irgendwie und verflixt schnell war Naraku an ihm vorbei gekommen und hatte das Juwel um Kagomes Hals gepackt, abgerissen.

„Gut gemacht,“ erklärte Menomaru noch immer amüsiert und hob die Hand. Das shikon no tama wurde förmlich aus Narakus Hand gerissen und flog auf den Seelenbaum zu.

Der Fürst von Ayama sprang hinterher, nicht willens, sich das wertvolle Juwel so einfach entreißen zu lassen. Zu sicher war er, dass das seine letzte, seine einzige Chance war, an das Juwel und damit das Höllenschwert zu gelangen.

Doch auch Kagome sprang instinktiv. Sie konnte und wollte nicht zulassen, dass dieser Unbekannte das Juwel bekam, das ihre Familie so lange behütet hatte.

 

Inu Yasha stand da und konnte nur zusehen, wie sich das geheimnisvolle shikon no tama ausdehnte, schwarz wurde und Kagome samt Naraku einsog, ehe es in diesem Baum verschwand. „Kagome!“ Er sah mit gewisser Wut zu Menomaru – nur, um zu entdecken, dass der ebenfalls sichtlich irritiert zu seinem Baum starrte. Was war denn jetzt passiert?

 

 
 

Einzelkampf


 

I

nu Yasha starrte zu dem Mottenprinzen auf und wiederholte seine Frage laut. „Was ist jetzt passiert? Oder, genauer, was hast du Blödmann da mit meiner Ehefrau gemacht?“

„Und mit Naraku,“ korrigierte Menomaru fast milde.

„Keh, der ist mir doch egal. Also, rück sie wieder raus!“ Er legte die Klaue an Tessaiga.

„Tja. Um ehrlich zu sein, hatte ich das nicht erwartet. Mein Seelenbaum sollte eigentlich das Juwel der vier Seelen aufnehmen und mich damit verstärken, wie er es mit allen Seelen tut, die er aufnimmt. Dass das shikon no tama, wie ihr es nennt, sie selbständig macht und diese Zwei vorher verschlingt, hat mich auch überrascht. Nun egal. Sie werden ebenso zu meiner Stärke führen, wie die Seelen, die hinten am Hafen sterben.“

„Was?“ brachte Inu Yasha hervor, durchaus von allen Satzteilen aufgebracht. Er wollte ziehen, brach aber ab, da Menomaru so etwas wie ein Kichern entkam.

„Ach, du hast es immer noch nicht verstanden? Ich bin mit diesem Seelenbaum verbunden. Versuchst du mich zu töten, wird dir das nicht gelingen. Versuchst du den Baum anzugreifen, ist das Ende deiner Ehefrau ganz sicher besiegelt.“

„Feigling!“ knirschte der Halbdämon, ehe er doch fragte: „Da du gerade deine redselige Viertelstunde hast … was passiert am Hafen?“

„Meine Krieger gehen von Bord. Sie sind schließlich hungrig nach der langen Überfahrt. Und sie fressen Menschen. Und sie töten alle Dämonenkrieger, die sich ihnen in den Weg stellen. Alle Seelen landen hier in meinem Baum und stärken mich.“

„Du bist doch das Letzte. Naraku hat sich da ja einen netten Kumpel angelacht!“

„Übrigens, wenn ich das richtig verstanden habe – dein Vater ist der Fürst von Nishi? Dann bist du bald Halbwaise. Mein Vater greift mit der anderen Hälfte unserer Krieger deinen Vater an.“

„Versuchen kann er es ja.“

„Weil der Taishou Höllenschwert und so? Mein Vater ist Hyouga. Mächtig. Sehr mächtig. Überdies hat er hunderte von Kriegern dabei. Und, selbst falls es deinem Vater aus irgendeinem unerfindlichen Grund gelingen sollte ihn zu töten: die Macht eines Hyouga, das bedeutet die seine und aller Vorfahren, geht in diesem Moment auf mich über. Dann hast du das Vergnügen. Und ich bin dann stärker als mein Vater.“

„Ganz toller Plan. Hat nur ein paar Lücken.“ Ja, aber wo und welche? Was konnte er tun, um Vater zu helfen, den Menschen am Hafen und den Kriegern von Ayama? Wie Kagome da rausholen? Überdies hörte er, dass hinter ihm die beiden Mottenkriegerinnen auf Miroku und Sango losgingen. Aber denen zu helfen hätte bedeutet Menomaru den Rücken zuzudrehen. Sicher keine gesunde Idee. Er brauchte ganz dringend einen Einfall. Und zwar einen sehr guten.

 

Ruri und Hara waren getreu ihrer Anweisung zu ihren jeweiligen Gegnern gegangen. Sie waren Dämoninnen, erfahrene Kriegerinnen und nahmen an mit Menschen einfach zu Rande zu kommen. Nun musterten sie die Frau in der enganliegenden schwarzen Kleidung, die ein Schwert an der Taille trug und einen geradezu übergroßen Bumerang etwas abseits warf, und den jungen Mann in der anscheinend priesterlichen Kleidung mit einem Stab. So war klar gewesen, welche von ihnen wen übernahm.

Sango hatte ihren Bumerang sofort abgelegt. Er war ihre Lieblingswaffe, aber nutzlos in einem direkten Nahkampf, zumal gegen eine sicher erfahrene Kriegerin. So zog sie und sah, wie es auch die Mottenfrau vor ihr tat.

Auch Miroku fasste seien Stab unwillkürlich mit beiden Händen und fester, als er die Dämonin vor sich sah, die ihre Lanze nun quer nahm. Stockfechten? Hielt sie ihn für so ungeübt? Oder wollte sie nur spielen, ihn erschöpfen, bis sie zustach, ihn tötete? Gleich. Er musste den Kampf annehmen, eine andere Wahl gab es nicht. Nicht für ihn, nicht für Sango, aber auch nicht für den Daimyo, der ganz sicher versuchen würde Kagome da irgendwie herauszuholen. Nur wie? Von einem Seelenbaum hatte er selbst noch nie gehört. Aber, das klang auch etwas eigen. Seelenmagie war sehr schwierig und zumindest unter Menschen verpönt. Wie das mit Dämonen aussah, zumal, wenn sie vom Kaliber des Neunschwänzigen waren, wusste er nicht. Immerhin hieß es, auch So´unga würde die Seelen seiner Opfer fressen. Gleich. Er sollte sich zusammen nehmen. Dieser Mottenprinz reiste mit den zwei hübschen Dämoninnen sicher nicht hier an, nur weil sie hübsch waren. Das waren Leibwächterinnen und er sollte sich vorsehen.

 

Ruri und Hara griffen gleichzeitig an. Sie waren überzeugt, dass es nur ein Werk von Sekunden wäre, bis sie mit Menschen zurande gekommen waren. Zu ihrem gewissen Erstaunen fanden sich beide mit Schwert und Stab blockiert. Sango, die lebenslang Training genossen hatte und auch am Kaiserhof mit einem der wenigen dort lebenden dämonischen Krieger hatte üben dürfen, hatte ebenso wie der Mönch eine gewisse Vorahnung entwickelt, was den Kampf gegen übermächtige Gegner anging. Dämonische Schnelligkeit täuschte das menschliche Auge und so half nur die Ahnung, was als nächstes kommen würde. Allerdings war allen vier Duellanten bewusst, dass es Menschen nie mit Dämonen aufnehmen konnten. Zumindest Miroku und die Dämonenjägerin hofften, dass Inu Yasha etwas wirklich Gutes einfallen würde. Solange mussten sie eben durchhalten.

 

Miroku entkam ein Stöhnen, als er erneut seinen Mönchsstab hochriss, um den Lanzenschlag der Mottenkriegerin abzufangen. Instinktiv lenkte er seine eigene, läuternde, Magie in seine Hände, in der Hoffnung, dadurch in die Lanze vorzudringen, seine Gegnerin wenigstens etwas zu schwächen. Bei dem Aufprall sprühten förmlich Funken auf, aber ihm war klar, dass seine Widersacherin noch immer nur spielte. Er musste sie schwächen. Als sie zurück sprang und ihn abschätzend betrachtete, schob er eine Hand in seinen Umhang und zog Bannzettel hervor. Das sollte doch zumindest reichen um sie lahmer zu machen.

Sie kicherte allerdings, als sie die auf sie zu rauschenden Blätter der Reihe nach mit ihrer Lanzenspitze abfing und aufspießte, ehe sie einen Satz zurück machte und sie an einem Baum abstreifte.

Aha, dachte Miroku befriedigt. Sie hatte es nicht gewagt sie direkt anzufassen. Leider war sie schon wieder zurück und vor ihm.

„Mal eine neue Idee. Ihr Menschen seid wirklich immer einfallsreich,“ erklärte sie. Aber sie drehte ihre Waffe, die Spitze auf den Mönch gerichtet.

Der schluckte unwillkürlich. Jetzt kam sie zur Sache. Sie würde zustechen und seine Abwehr dagegen war nicht gerade optimal.

 

Sango teilte seine Einschätzung. Bislang hatte sie sich im Kampf Schwert gegen Schwert einigermaßen gut halten können, keine schwerere Verletzung davon getragen, aber das würde bald enden. Sei es, weil sie selbst zu müde wurde, sei es, weil die Mottenfrau den Spaß am Kampf verlor und ihn beenden wollte. Die Chancen gegen einen Dämonen standen nicht sonderlich gut für einen Menschen. Bei einer Umdrehung erkannte sie aus den Augenwinkeln, dass immerhin Miroku noch stand. Warum nur tat Inu Yasha nichts? Ja, der würde natürlich zusehen, dass er Kagome zuerst rettete. Sie war seine Ehefrau – und sie zwei die Leibwachen für Daimyo und Fürstin. Bei aller Freundschaft, die er ihnen gegenüber gezeigt hatte: alles andere wäre gegen seine Kriegerehre. Was machte diese Kriegerin jetzt? Sie sprang hoch, mit beiden Beinen gegen einen Baumstamm ….Sie wollte Schwung holen. Sango schaffte es noch mit beiden Händen ihren Schwertgriff zum umklammern, als sie den durchaus tödlich gemeinten Hieb in Richtung ihres Kopfes Stahl auf Stahl abfing und dabei Kraft gegen Kraft setzen musste.

Ein Lächeln. „Du kannst nicht gewinnen, Menschenfrau.“ Nur ein wenig den Druck erhöhen, einen kleinen Tritt gegen ein Knie....

Die Dämonenjägerin stürzte. Es war nur ihr lebenslanges Training, das sie eilig beiseite rollen ließ, noch aus dem Liegen den nachgesetzten Hieb parierend, ehe sie wieder stand. Sie keuchte und ihr war klar, dass ihre Gegnerin recht hatte. Kein Mensch konnte gegen einen Dämon gewinnen. Aber sie konnte Inu Yasha Zeit erkaufen. Das war ihre Pflicht. Und dazu musste sie einfach nur die nächste Minute überleben.

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Kagome hatte unwillkürlich aufgeschrien, als sie in das Dunkel gesogen wurde. Im nächsten Moment erkannte sie die seltsame Welt aus ihrem Alptraum. Dämonen flogen herum, sie ignorierend, dahinten flog eine Frau in der Kleidung einer Priesterin. Sie musste sich wahr und wahrhaftig im shikon no tama befinden. Nur, wie kam sie hier wieder raus? Und … Sie brach ihren Gedanken ab, als sie erkannte, wer sich da vor ihr aufrichtete, vor ihr flog. Naraku! Den hatte sie in ihrem Traum sicher nicht gesehen. Und sie hätte auch jetzt gut und gern auf ihn verzichten können. Immerhin wirkte der Fürst von Ayama auch etwas irritiert.

„Wo sind wir?“ fragte er.

„Im shikon no tama,“ antwortete sie, um dann doch zu ergänzen: „Irgendetwas muss dieser Menomaru gemacht haben, dass wir hier drin gelandet sind. Netter Freund, den Ihr da habt.“

Ja, das gab Naraku zu. Dieser Mottenprinz hatte ihn ausgetrickst! Und noch dazu eroberte dessen Vater gerade das Höllenschwert. Er hatte sich von diesen Schmetterlingen über den Tisch ziehen lassen wie ein Anfänger. Immerhin hatte er die einzige Person hier, die das Juwel kannte. „Dann hole uns hier raus.“

Kagome hätte fast gelacht. „Wenn ich hier raus könnte, wäre ich es schon.“ In ihrem Traum hatte Mama sie gerettet - aber Inu Yasha war auch gekommen. Sie musste nur durchhalten, dann würde er schon einen Weg finden sie zu retten. „Ihr seid doch der Dämon, Ihr kennt Magie.“

Er gab keine Antwort, blickte sich jedoch um.

Beide zuckten zusammen, als eine männliche Stimme sehr laut und klar fragte: „Was ist euer Wunsch?“

Naraku atmete auf. Ja, es hieß, das Juwel würde einem Menschen einen Wunsch erfüllen und einen Dämon stärker machen. Hatte er etwa auch einen Wunsch frei? Er fragte nach.

„Sag deinen Wunsch. Und was wünscht du dir, miko?“

Kagome musste ihren Satz: „Ich will hier raus!“ unterdrücken. Es gab nur einen Wunsch für jeden, hatte Opa doch gesagt.

Der Fürst von Ayama erkannte seine Chance, seine vermutlich letzte und einzige: „Ich wünsche mir das Höllenschwert!“

„So´unga.“

Kagome konnte nur schlucken, als die Schwärze um sie dichter wurde, Naraku ihrem Blick entzogen wurde, auch die Dämonen verschwanden., bis sie allein in der Schwärze schwebte Absolute Stille herrschte, und sie spürte, das sie zu weinen begann. Es war wie in ihrem Traum. Aber, erkannte sie, sie hatte nicht mehr so fürchterliche Angst. Der Traum hatte sie vorbereitet, war eine Warnung gewesen.

„Sag deinen Wunsch, miko.“

Sie wischte sich die Tränen weg. Ja, was sollte sie sich wünschen. Sie wollte zu Inu Yasha zurück, in das Tageslicht. Aber, wenn das shikon no tama Naraku dessen Wunsch erfüllt hatte, der das Höllenschwert bekam.... Sollte sie sich dann nicht lieber wünschen, dass sie es bekam und es dann Inu Yasha geben? Konnte sie sich wünschen, dass ihr Schwiegervater es behielt? „Was darf ich mir wünschen?“

„Sag deinen Wunsch.“

Weitere Erklärungen würde sie nicht bekommen. Sie schloss die Augen, um nicht zu sehen, dass sie allein in dieser grässlichen Schwärze hing. Ganz allein. Sie begann erneut zu weinen. Sie wollte doch eigentlich nur hier raus. Aber Inu Yasha ...wenn er auch noch seinen Vater verlor, nachdem er schon so um seine Mutter trauerte... Und ihr Schwiegervater? Sollte sie schuld an seinem Tod werden? Nur, weil sie so selbstsüchtig war und hier sofort raus wollte?

Nur einen Wunsch.

Wenn sie ihn verbraucht hatte, könnte sie sich nichts mehr von dem Juwel wünschen, das war klar. Und womöglich gab es dann in der Zukunft noch etwas anderes, wichtiges.

Sie musste Geduld haben. Und Vertrauen. Inu Yasha hatte gesagt er würde sie beschützen. Er würde sie hier herausholen. Daran musste sie fest glauben und nicht vor lauter Angst den einzigen Wunsch opfern, den sie hatte. Wenn sie wieder bei ihm war, würde sie ihm erzählen, dass sich Naraku das Höllenschwert gewünscht hatte. Vielleicht wusste er dann auch, was sie sich wünschen sollte?

Inu Yasha, dachte sie. Inu Yasha!

 

Der Inu no Taishou stand auf einem der Schutthügel vor den Vulkanen von Niigata und betrachtete ingrimmig die Flotte, die sich seiner Küste näherte. Hinter ihm standen sein ranghöchster Unterführer Kenmaru der Ältere, dazu mit Chikara derjenige, der für den Schutz der Küste verantwortlich war.

Dieser meinte behutsam: „Von den Drachen ist noch nichts zu sehen.“

„Das ist auch kaum möglich.“ Der Hundefürst ließ den Blick nicht von den Schiffen. „Ryujin hat sie alle hergerufen, auch nach Ayama, aber sie schwimmen einzeln, im gesamten Pazifik verstreut. Bis auch nur eine einigermaßen schlagkräftige Truppe beisammen ist, dauert es. Der Drachenkönig war aufmerksam genug es uns mitzuteilen. Jetzt liegt es an Ayama und Nishi. Und hier werde ich diese Motten empfangen, wie es ihnen gebührt. Ohne Kriegserklärung hier mit einem kompletten Heer anlanden zu wollen.“ Der Ingrimm in seiner Stimme verriet den gebändigten Zorn.

„Eure Befehle?“

„Ihr habt sie.“

Kenmaru warf einen mahnenden Blick zu seinem Kollegen. Ja, der Befehl lautete, sie sollten den Pass von Toyama halten und damit die Gebiete der Menschen schützen.

Chikara verbesserte sich daher eilig: „In Bezug auf Ayama?“

„Der Pass.“ Er musste seinen Jungs vertrauen, vor allem, dass Sesshoumaru seinem kleinen Bruder wirklich den Pfad der Dunkelheit brachte, dass Inu Yasha gegen alle Regeln in Ayama war, dass Naraku wirklich der Bösewicht war, für den er ihn hielt. „Seht ihr dort den großen Dämon an der Spitze des ersten Schiffs? Das ist gewiss Hyouga. - Ich gehe ihnen entgegen und werde die Armee dezimieren. Sie wollen das Höllenschwert, nun, sie sollen So´unga kennenlernen. Und weder Namen noch Schatten werden von ihnen bleiben. Sie werden nie existiert haben. Dann werde ich mich in das Duell gegen Hyouga begeben.“ Das war dezent formuliert, in Anbetracht der Tatsache, dass den Legenden nach der Mottenherr unbesiegbar war und er ihn auch nicht töten durfte, was die Sache nochmals erschweren würde. Überdies stand zu erwarten, dass ein Hyouga auch gegen die Drachenwelle So´ungas etwas finden würde. „Geht nun.“

Die beiden Unterführer warfen sich einen besorgten Blick zu, da die Schiffe gerade anlandeten und die ersten an Land gezogen wurden. Aber man widersprach weder seinem Heerführer noch gar seinem Fürsten. Allerdings hielten sie es beide für überaus riskant, Nun gut, der Herr würde die Motten sicher schwächen, was das Halten des Toyama einfacher machen würde. Er schützte sie und die Menschen, das war wieder einmal klar. Sie neigten sie sich nur zu dem Rücken des Hundeherrn und gingen.

 

Der Taishou beachtete sie nicht mehr. „Hunderte von Mottenkriegern je Schiff. So´unga, du willst vollkommene Zerstörung und Tod. Heute wirst du sie bekommen.“ Das waren sicher mehr als tausend Angreifer. Trotz seines gewöhnlichen Selbstbewusstseins – das würde mehr als hart werden. Für einen Moment bereute er sein Heer nicht hinter sich zu haben. Aber es war ehrenhafter und damit wichtiger den Bündnisvertrag einzuhalten, die Länder der Menschen zu beschützen. Denn was aus denen wurde, wenn die Motten in das Kaiserreich einfielen … nun, dazu brauchte man nur ein wenig Phantasie.

Die Frage war nur, ob das hier die Hälfte der Angreifer war oder die Hauptmacht. Wie viele waren in Ayama? Was sollten seine Jungs abfangen? Hatte er sie in den Tod geschickt? Vor dreihundert Jahren und davor – viele Tote, die er zu verantworten hatte, viele waren auf sein Geheiß in den Tod gegangen. Manchmal suchten ihn ihre Schatten heim. Auch ein Grund, warum er seine Männer zum Pass geschickt hatte. Wenn das hier nicht die Hauptmacht, sondern die Hälfte war, würde Inu Yasha selbst mit den fünfzig Dämonenkriegern, die er ihm zur Verfügung gestellt hatte und Sesshoumaru Probleme bekommen. Zumal, wenn …

Ja. Die ersten Motten gingen an Land, zuallererst der große Dämon, in dem er Hyouga vermutete. Aber kein anderer überragte die Krieger. Also war vermutlich der Prinz in Ayama. Das galt nicht nur So´unga, das galt auch dem Juwel der vier Seelen. Dann waren die mehr als tausend Krieger dort vorne wirklich nur die Hälfte. Naraku hatte sich wirklich feine Verbündete gesucht. Fraglich, ob er das so geplant hatte oder die Schmetterlinge ihn hereingelegt hatten.

Nun gut. Er musste sein Fürstentum, seine Gefolgsleute schützen und die mit ihm verbündeten Menschen. Das hatte Priorität. Falls er dann noch am Leben war, sollte er dringend nach Ayama, sich um seine Söhne kümmern.

Ah. Hyouga gab offenkundig Befehl, denn die angelandeten Motten formierten sich zu einer Art Verteidgungsring um die Schiffe, Späher wurden anscheinend losgeschickt. War der Hyouga etwa überrascht, dass er niemanden traf? Keine Menschen dort auf den Reisfeldern arbeiteten? Aber der Mottenherr wandte ihm den Kopf zu. Natürlich spürte der seine jetzt nicht mehr unterdrückte Energie.

Nun gut. Auf in den Kampf.

 

Der Taishou schritt langsam den Hügel hinunter, bemerkte, wie sofort andere Befehle gegeben wurden, sich die Krieger aus einer Linie zusammenzogen in einzelne Quadrate. Anscheinend rechneten sie jetzt jederzeit mit dem aus dem Nichts auftauchenden Dämonenheer. So machten sie es ihm freilich einfacher. Das, was Hyouga als Taktik verstand, bedeutete für den Hundeheerführer nur die Lösung einer mathematischen Aufgabe. Hinter ihnen war das Meer. Maximal könnten sie auf die Schiffe gehen und fliehen. Mit ein bisschen Glück würden sie den Drachen in die Fänge laufen. Aber, die waren noch nicht da. Und noch hatte niemand die Feindseligkeiten eröffnet. Vielleicht konnte er doch mit Hyouga reden und den überzeugen, dass er einem Lügner aufgesessen war.

Oder auch nicht. Ein weiterer Befehl ließ zwei Quadrate der Mottenkrieger, sicher jeweils hundert, auf ihn zurennen.

Oh, bitte, dachte er, als er mit der Rechten über die Schulter griff und das Höllenschwert zog. Schade um die Felder.

„Dann, So´unga ...hol dir, was du willst.“ Er konnte den Geist des Schwertes in seinem Kopf förmlich lachen hören, als er seine eigene Energie mit dem Schwert verband und zuschlug.

 

Der Angriff des Höllendrachen, kombiniert mit der Macht eines Dämonenfürsten, riss tiefe Scharten in den Boden, durch die etwas wie Blitze auf die erstarrenden Krieger zulief. Grassoden flogen, das Wasser der Reisfelder verdunstete, der Boden begann unter der Macht zu zittern, sich aufzubäumen.

Selbst der Taishou schloss für einen Moment die Augen. Als er wieder dorthin sah, existierten die Mottenkrieger nicht mehr. Keine Spur von ihnen war mehr zu entdecken. Und er konnte spüren, dass die Klinge in seiner Hand wahrlich Blut geleckt hatte.

Leider gab Hyouga jetzt neue Befehle und weitere Krieger rückten vor, liefen los, diesmal fast die doppelte Anzahl. Glaubte der Narr etwa er selbst sei so leicht zu ermüden?

Oder, hatte der auf etwas ganz anderes gewartet?

Der Fürst von Nishi erstarrte, als schräg hinter ihm eine dämonische Energie der höchsten Klasse zu spüren war. War das dort gar nicht der Hyouga selbst, sondern der Prinz? Und, war Hyouga nun hinter ihm?

 

Inu Yasha starrte noch immer zu Menomaru auf. „Nochmal zum Mitschreiben. Mir persönlich ist Naraku ziemlich egal, behalte ihn als Geschenk, wenn du magst. Aber rücke meine Frau wieder raus.“

„Wie schon erwähnt, das kann ich nicht. Dieses Juwel hat wohl seinen eigenen Willen, hm?“

„Keine Ahnung. Ich benutze es nicht und will es auch nicht benutzen.“

„Nicht an Macht interessiert? Wie undämonisch. Nun ja, du bist eben ein Bastard.“

Der Daimyo von Aoi war wirklich versucht zu Tessaiga zu greifen, nur der Gedanke an Kagome hielt ihn zurück. Und eine dämonische Energie gleich neben ihm, die scheinbar aus dem Nichts auftauchte. Aus den Augenwinkeln erkannte er Glitzern und fuhr herum Sesshoumaru? Was machte der denn hier in Ayama? Und dann auch noch mit blankem Stahl in der Hand?

Wie immer war der Halbdämon schwer von Begriff. „Zieh, Inu Yasha,“ befahl der ältere Bruder kühl.

Das konnte der Jüngere nur in einer Form verstehen. „Keh. Stell dich hinten an. Zuerst ist dieser Menomaru dran. Der hat Kagome und das Juwel der vier Seelen in diesem dämlichen Seelenbaum drin. Naraku auch, aber den kriegt er von mir geschenkt. Ich will meine Frau da raus holen. Kapiert?“

„Törichtes Halbblut.“ Musste man dem denn alles erklären?

„Übrigens, falls du mal wieder was vergessen hast, Bruderherz. Ich bin der Daimyo von Aoi und dahinten stehen meine Krieger. Wenn du, so als Erbprinz von Nishi, mich umlegst, brichst du gleich mehrere Verträge.“

„Oh, bitte Jungs....“ Da Menomaru ungefähr so amüsiert klang wie ein großer Bruder, der seine kleinen Brüder, im Sandkasten ermahnt, wandten sich ihm gleich vier goldfarbene Augen in ähnlichem Zorn zu. Sein Grinsen wurde breiter. „Macht nur weiter!“

 
 

Hundebrüder


 

S

esshoumaru stellte wieder einmal fest, dass ein Halbblut eben auch nur halb dachte. „Vaters Befehl!“ betonte er daher. So töricht konnte doch nicht einmal Inu Yasha sein, dass der erwartete, dass man Vaters Taktik vor dem Gegner ausbreitete.

Vaters Befehl? In der Tat wurde dem Jüngeren bewusst, dass sich der Erbprinz von Nishi kaum ohne guten Grund hierher begeben hatte – und sicher kaum um ihn umzubringen. Mist. Hatte er sich schon wieder blamiert. So zog der Halbdämon, allerdings ohne die Augen vom sichtlich erheiterten Menomaru zu lassen. „An deiner Stelle würde ich mich nicht so freuen,“ meinte er leise. „Und jetzt, großer Bruder?“

Sesshoumaru dachte er höre nicht richtig. Wann hatte der Narr das je zu ihm gesagt, ohne dass Vater daneben stand? Aber gut, er hatte einen Auftrag. „Berühre Tenseiga.“

Zum ersten Mal blickte Inu Yasha direkt auf die Klinge. Das war das zweite Schwert, das, was der Herr Halbbruder nicht mochte, weil es nicht töten konnte. Aber, war das je so schwarz gewesen? Gleich. Wenn der Kerl hier aufkreuzte und das mit Vaters Befehl, war das im Zweifel nur gut für ihn. So ließ er die Zwillingsschwerter sich berühren. Die Wirkung überraschte nicht nur ihn. Etwas wie ein Aufleuchten, dann war Tenseiga wieder hell, Tessaigas Klinge allerdings schwarz. „Äh, und jetzt?“

„Meidou zangetsu. Der Pfad der Dunkelheit. Du kannst ihn nun schlagen.“ Sesshoumaru hätte nie zugegeben, dass es ihn wurmte, dass schon wieder das Nesthäkchen etwas geschenkt bekam. Und, dass er selbst diesen Angriff ausprobiert hatte. Leider war das nur teilweise gelungen. Etwas wie ein Sichelmond war entstanden. Allerdings hatte er durchaus den Ruf des Jenseits, die Kälte der Unterwelt, gespürt.

Inu Yasha begriff gerade nichts. Nur, dass ihm auf diese Art ein mächtiger Angriff gegeben worden war und er sich dessen als würdig erweisen sollte. Und musste. „Meidou....“ wiederholte er daher und schlug einfach mal neben Menomaru zu.

Zu seiner Überraschung – und der des Mottenprinzen – und der gewissen Verbitterung seines großen Bruders entstand etwas wie ein kleiner Kreis, der zwar auch in Sekundenschnelle verschwand, dessen Ausstrahlung allerdings eindeutig die des Jenseits war.

„Keh,“ machte der junge Daimyo. Das war eine Chance Kagome zu helfen. Er wusste nicht genau wie und warum und wohin – es war eine Chance. Sie sollte doch nicht noch einmal diese Angst erleben müssen. Ohne weiter nachzudenken schlug er erneut den Pfad – diesmal gezielt auf den Seelenbaum. Als sich das Loch öffnete, sprang er hinein.

Was zur ...Sesshoumaru dachte es nur, als er sich dem Mottenprinzen zuwandte, der allerdings mit ähnlicher Verwunderung auf den Baum blickte.

 

Der Kaiser hatte im Schrein des Palastes inständig die Sonnengöttin um Hilfe gebeten. Als er die Hand jedoch nach dem umhüllten Päckchen ausstreckte, in dem sich der Legende nach ihr Schwert befand, Kusanagi genannt, verschwand es. Enttäuscht, ja, entsetzt, schloss er die Augen. Warum wurde ihm die Hilfe versagt? Vor seinem inneren Auge tauchten plötzlich drei Schwerter auf, dazu eine Umgebung, die er erkannte. Ein Schwert für die Unterwelt, eines für die Menschen, eines für den Himmel, dazu erschien im Hintergrund ein weißer Hund auf einem Felsen, der zum Vollmond aufblickte.

Irritiert erhob er sich, nicht sicher, was das zu bedeuten habe. Als er jedoch seinen Obersten Priester davon erzählte nickte dieser.

„Man sagt, es würde einst drei Schwerter geben, die Japan schützen. Die drei Schwerter der Macht. Oder die drei Schwerter der Weltherrschaft.“

„Das Höllenschwert besitzt der Taishou. Darum der Hund.“ Aber von den anderen beiden hatte er nie gehört. Und, wer würde solche mächtigen Waffen auch nicht einsetzen?

„Dann besitzen seine Söhne die anderen beiden. Drei Hunde, drei Schwerter.“

Und sie schützten die Menschen. „Dann rufe ich das Heer zusammen. Wir ziehen nach Aoi. Zu dritt werden sie es nie schaffen.“

 

Inu Yasha fand sich fliegend in einer ungewissen Dunkelheit wieder, die er nach Kagomes Erzählung erkannte. Dämonen rasten förmlich an ihm vorbei, ohne ihn anscheinend zu bemerken, irgendwo im Hintergrund erkannte er das rot-weiße Gewand einer miko mit Schwert. Das war tatsächlich das Innere des shikon no tama. Nur, wo steckte seine Frau? „Kagome!“ Und dieser dämliche Naraku sollte hier doch auch irgendwo herumschwirren? Hoffentlich tat der ihr nichts. „Kagome!“

Irgendwie gelang es ihm sich weiter zu bewegen. Es war ziemlich irritierend zu fliegen. Es gab anscheinend kein Ende dieser fremdartigen Welt, keine Richtungen. Die arme Kagome konnte doch hier überall sein? Er umklammerte Tessaiga fester. Nicht, dass das kleine Abenteuer hier zu abenteuerlich wurde, plötzlich Naraku auftauchte oder dieser Motterich auf die nächste Idee kam. Wo konnte sie nur sein? Zu riechen war nichts.

Etwas wie eine Wand tauchte vor ihm auf. Er wollte schon abermals mit diesem neuen Angriff zuschlagen, als ihm dämmerte, dass er ja nicht wusste was dahinter war. Nicht, dass er Kagome versehentlich erwischte. Und, was war denn das? Das sah ja wie ein menschlicher Kopf aus? Er versuchte sich zu nähern.

Naraku! Irgendwie schien der zu schlafen. Nur der Kopf ragte aus der Wand, helle Schnüre liefen von ihm in die Dunkelheit. Was war denn hier los? War das auch mit Kagome passiert? Er rief wieder ihren Namen.

Ein Dämon sah zu ihm. „Narr.“

„Wieso? Ich suche meine Frau!“

„Sie wird dich hören. Und du gibst ihr Hoffnung. Darum wird sie sich wünschen, dass sie zu dir kommt. Und dieser Wunsch wird sie vernichten.“

„Das werden wir ja sehen!“ gab er grimmig zurück. Es wurde immer dringender, dass er sie fand. Was meinte dieser dämliche Dämon denn damit? Immerhin war das der Beweis, dass man ihn hier drin sah, nur für unwichtig hielt. Sekunde. Das bedeutete, dass Kagome wichtig war. Und, dass Naraku anscheinend irgendeinen Wunsch gesagt hatte. „Kagome!“ schrie er in jäher Panik. „Wünsch dir nichts, bis ich bei dir bin!“ Ob sie ihn hörte? Er musste sie suchen, schnell. Die Dunkelheit um ihn schien dicker zu werden, undurchdringlicher. Aber nur, wenn er in eine Richtung schwebte. Aha. Das dämliche Juwel versuchte anscheinend sie da zu behalten. „Kagome, warte, ich bin gleich bei dir!“

 

Kagome, die mit geschlossenen Lidern im Nichts schwebte, lautlos vor sich hin weinend, glaubte ihren Namen gehört zu haben. Inu Yasha? War er da? Gleich da? Er suchte sie und er würde sie finden, wenn er es schon in das Juwel geschafft hatte. Sie spürte förmlich, wie Licht die Dunkelheit, die ihre Seele umfasst hielt, durchbrach.

„Sag deinen Wunsch,“ drängte die unbekannte Stimme.

Nein, dachte sie verbissen. Ich wünsche mir nichts, bis er hier ist. Er kommt, er ist bald da. Ich muss nur noch durchhalten und ihm dann sagen, dass sich Naraku das Höllenschwert wünschte. Er weiß doch sicher, wie wir dann seinem Vater helfen können, was ich mir dann wünschen soll. Es gibt nur einen einzigen Wunsch.

Was sich wohl Kikyou gewünscht hatte? Vielleicht diesen Bannkreis, der das Juwel verborgen hatte?

„Kagome!“

Etwas legte sich um ihre Taille, sie spürte sich an einen Körper gepresst. Jetzt weinte sie vor Erleichterung. „Inu Yasha!“

„Du hast dir nichts gewünscht?“ fragte er rasch besorgt.

Sie schüttelte den Kopf. „Aber Naraku! Er, du, er wünschte sich das Höllenschwert. Wir müssen es zurückholen!“

„Tapfere Frau!“ sagte er zärtlich. „Aber er hat es nicht. Dieses dämliche shikon no tama erfüllt keine Wünsche. Wer einen Wunsch ausspricht ist verflucht. Ich habe ihn gesehen, er ist jetzt Teil des Juwels!“

„Was?“ Sie sah zu ihm auf. In seinem Arm war es so sicher. In der Rechten hielt er sein Schwert. Und da begriff sie plötzlich. „Doch, das Juwel erfüllt Wünsche. Aber sicher keine, die nach Macht streben oder eigennützig sind. Midoriko. Ja.“ Sie richtete sich etwas auf. „Ich weiß es jetzt, Inu Yasha. Juwel, ich sage dir meinen Wunsch!“

„Nun?“ fragte die Stimme tatsächlich neugierig.

Sie wusste, sie durfte jetzt nicht schief liegen. „Dann: shikon no tama, verschwinde aus dieser Welt!“

Inu Yasha hatte noch etwas sagen wollen, aber er konnte nur noch zusehen, wie die Dämonen verschwanden, die dunkle Welt um ihn zusammenbrach, Kagome, deutlich erschöpft von der seelischen Kraftprobe in seinem Arm zusammensank.

Irgendwie stand er plötzlich mit ihr im Arm wieder auf der Wiese vor Menomaru und seinem Halbbruder, die sie beide mehr als überrascht ansahen. Er konnte nicht wissen, dass für diese Zwei keine drei Sekunden vergangen waren, als er sich in das Meidou gestürzt hatte. Und, was nun?

 

Miroku hatte unterdessen festgestellt, dass er das Duell nicht gewinnen konnte ja, nicht einmal überleben. Er würde wohl sein Schwarzes Loch gegen sie einsetzen müssen. Das tat er ungern. Manchmal hatte er das Gefühl, es gäbe eine bestimmte Grenze für diesen Einsatz, und da brauchte er nur an die Schicksale seines Vaters und Großvaters zu denken. Er sprang zurück und ließ seinen Mönchsstab fallen, während er bereits die Gebetsketten von seinem Handgelenk riss. „Kazaana!“

Leider war seine Gegnerin schneller, als er gehofft hatte. Sie entkam mit einem gewaltigen Sprung der Anziehungskraft seiner Geheimwaffe. Ja, sie kicherte sogar. Und das konnte nichts Gutes bedeuten.

„Ihr Menschen seid doch wirklich immer für Überraschungen gut. So hast du das gemacht?“

Der Mönch konnte nur fassungslos zusehen, wie in ihrer Hand ein Spiegelbild seines Schwarzen Lochs erschien, er nur Sekundenbruchteile später dessen Sog spürte. Hastig umfasste er sein Handgelenk um sich zu stützen. Das würde Macht gegen Macht gehen. Sie war eine Dämonin, aber auch, wenn sie das kazaana kopieren konnte, hatte sie doch keinerlei Erfahrung im Umgang damit. Und das mochte sein Vorteil sein. Der einzige, zugegeben, den er noch für sich entdecken konnte. Aber er sagte: „Lass das! Du hast keine Ahnung, was du da machst!“

„Ich bringe dich durch deine eigene Waffe um. Das ist doch amüsant.“ Sie konzentrierte sich, schickte nun mehr Energie in das schwarze Loch.

Er sah es entsetzt. Nicht nur um seinetwillen. Sie würde ihn töten wollen und hatte keine Ahnung, was das für sie selbst bedeuten würde. Und womöglich auch für alle anderen im Umkreis.Wie unglaublich dämlich eine Waffe einzusetzen, von deren Gefährlichkeit man keine Ahnung hatte. Aber auf eine weitere Warnung würde sie ebenso wenig hören, ja, er sie nicht einmal mehr aussprechen können. Er keuchte unwillkürlich, als er sich weiter konzentrieren musste, sein eigenes kazaana zu stärken, dagegen zu halten, um nicht in das seiner Gegnerin eingesogen zu werden. Zuglaich allerdings war ihm bewusst, dass er aufpassen musste, um nicht selbst von seinem eigenen Loch verschlungen zu werden, sich selbst zu vernichten und damit dann auch Sango oder sonst wen, der hier in der Gegend war. Das war der ärgste Kampf, den er je erlebt hatte. Aber aufgeben kam nicht in Betracht.

 

Auch Sango war nur zu klar, dass sie dieses Duell nicht gewinnen konnte. Hoffentlich schaffte Inu Yasha das mit diesem Mottenprinzen, hoffentlich konnte er ihr und Mirkoku dann helfen, hoffentlich... Sie wagte nicht den Kopf zu drehen, zu sehen, was hinter ihr passierte. Ihre Widersacherin war stark und schnell, eine ausgebildete Kämpferin. Und sie selbst keuchte. Das Tempo der Dämonin forderte sie über ihre Grenzen hinaus. Und doch war sie sicher, dass diese Mottenkriegerin nur spielte.

Sie brauchte dringend einen Plan, einen sehr guten.

Warum nicht das Menschsein betonen?

Sie keuchte deutlich mehr als notwendig, warf immer wieder Blicke beiseite, wenn die Dämonin zurückwich um einen neuen Angriff einzuleiten. Sollte diese doch nur glauben, dass sie in Panik verfiel, eine Flucht plante. Natürlich lautete der Befehl der Kriegerin sie zu töten, sie würde sie verfolgen, aber sie müsste schon gar nichts von Dämonen verstehen, um nicht anzunehmen, dass eine Jagd erst die Würze abgab.

Jetzt! Wieder war ihre Widersacherin zurückgewichen. Als sei sie kopflos in Panik warf die Dämonenjägerin ihr Schwert zu Boden und rannte los. Wie sie gehofft hatte, setzte die Kriegerin nicht unverzüglich nach, sondern wollte ihr einen Vorsprung lassen. Spiel. Und ein fataler Fehler.

Sango schien zu taumeln, ehe sie den Bumerang, der zu ihren Füßen lag, packte und ihre Lieblingswaffe noch gebückt aus der Umdrehung schleuderte.

Die Mottenkriegerin konnte nur noch aufschreien, als die magische Waffe sie buchstäblich halbierte.

 

Miroku hatte unterdessen mit Mühe Stand gehalten. Er hörte den Schrei, aber er wagte nicht seinen Blick von seiner Gegnerin zu nehmen. Warum nur hörte er nicht von einem Kampf Inu Yashas? Was war nur los? Eine weitere dämonische Energie war erschienen, ja. Aber er konnte weder dem Daimyo noch Sango helfen. Dazu steckte er zu tief in der Klemme. Er durfte keine Energie mehr in sein Schwarzes Loch schicken, das war ihm aus buchstäblich lebenslangem Training klar. Sonst würde er jetzt schon wie sein Vater, sein Großvater in dem eigenen kazaana enden. Das allerdings schien dieser Mottenfrau nicht klar zu sein, denn eindeutig schickte sie immer mehr in das gespiegelte Loch. Aber ihm fehlte der Atem um sie erneut zu warnen – überdies würde sie gewiss nicht auf ihn hören. Was sollte er bloß tun? Er hatte anscheinend nur die Wahl in welchem kazaana er sterben wollte.

Und dann sah er, wie sich der Gesichtsausdruck seiner Gegnerin abrupt veränderte. Spürte sie jetzt doch die Gefahr? Falls ja, so war es zu spät. Er hörte, wie ihr Schrei immer länger wurde, sie selbst in die Länge gezogen wurde und in ihr eigenes kazaana hinein.

Keuchend wickelte er hastig seine Gebetskette wieder um das seine um es zu versiegeln und zumindest für sich selbst die Gefahr zu beseitigen, ehe er schwer atmend und entsetzt auf den Krater starrte, den die Mottenkriegerin hinterlassen hatte. Wie Vater, wie Großvater. Sein eigenes Schicksal.

Eine Bewegung neben sich ließ ihn herumfahren. Er hatte diesen Mottenprinzen vollkommen vergessen. Zu seiner Erleichterung stand eine riesige Kampfkatze neben ihm, darauf eine sichtlich völlig erschöpfte Sango. „Du lebst.“

„Du auch. - Komm.“

Sie bot ihm die Hand und er schwang sich hinter ihr auf, nun erst sich nach Menomaru und Inu Yasha umsehend. Zu seiner gewissen Überraschung stand ein anderer junger, weißhaariger Dämon vor diesem, von dem Daimyo fehlte jede Spur. „Wer...?“ keuchte er.

„Keine Ahnung.“ Sango war nicht besser bei Luft. „Aber wenn ich raten sollte, der Erbprinz ...von Nishi...“

Der magische Baum neben dem Mottenprinzen schien aufzuleuchten, dann tauchte eine vertraute rot-weiße Gestalt auf, eine ebenso rot-weiße im Arm. Inu Yasha und Kagome. Ohne Sangos Zutun sprang die nekomata hinüber und landete neben dem Paar.

 

Der Halbdämon erkannte die Katze und deren sichtlich erschöpfte Reiter. Aber sie lebten beide noch, hatten die Duelle überlebt. „Hier, nehmt Kagome, und nehmt sie mit nach Aoi!“ befahl er und reichte seine mehr seelisch als körperlich erschöpfte Ehefrau schlicht hinauf.

Dämonenjägerin und Mönch fassten zu, durchaus erleichtert, hier weg zu kommen. Was auch immer der Daimyo und sein Halbbruder mit dem Mottenprinzen zu schaffen hatten, war der ihre Sache. Sie beide hatten überlebt und ihrer Meinung nach sollte es dabei heute auch bleiben.

 

Inu Yasha, noch immer Tessaiga in der Hand, drehte sich zu den beiden Dämonenprinzen. „Nur mal so zur Information: Naraku ist tot. Er kam auf die bescheuerte Idee sich vom shikon no tama So´unga zu wünschen. Natürlich ging das schief. Und Kagome gelang es das Juwel zu zerstören. Das zu bekommen kannst du also schon mal knicken, Menomaru!“

Hyougas Sohn lächelte milde. „Tja. Ich glaube dir das sogar, da ich Schwankungen in meinem Seelenbaum verspürte. Aber, das ändert nichts daran, dass du gleich sterben wirst. Ihr beide. Dort am Hafen sterben reihenweise Menschen und Dämonen. Seht ihr diese Funken? Ihre Seelen stärken meinen Baum und damit mich. Und, wenn ich mir dahinten die Vulkane so ansehen, gibt es auch jenseits einen heftigen Kampf. Mein verehrter Vater wird das Höllenschwert bald in den Händen halten. Und ist damit unbesiegbar.“

„Kleine Korrektur, du dämlicher Schmetterling.“ Inu Yasha war wütend, wie nüchtern, ja, amüsiert, dieser Kerl über den Tod vieler Wesen redete. „Wenn dein Vater unbesiegbar ist, wenn er So´unga in die Klaue bekommt, ist das ja wohl der derzeitige Besitzer auch, oder?“

„Gegen einen Hyouga und zweitausend Krieger? Mach dich nicht lächerlich. Sobald ich euch beseitigt habe werde ich ihm überdies folgen.“

„Gar nichts wirst du!“ Der Halbdämon warf allerdings doch einen Blick seitwärts. Warum sagte Sesshoumaru denn nichts? Dessen Blick lag auf den Vulkanen, die allerdings heftige Ausbrüche zeigten. Auch die Erde unter ihren Füßen schien immer wieder zu zittern. Ja, in Nishi tobte ein heftiger Kampf.

„Kleiner Bastard,“ Menomaru klang nachsichtig. „Ich sammele die Seelen und sie stärken mich, hörst du mir eigentlich zu?“

Inu Yasha bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich sein Halbbruder jetzt dem Mottenprinzen zuwandte, noch immer Tenseiga, das Schwert, das nicht töten konnte, in der Hand, mit einem Lächeln, das nun Menomaru galt. Ach du Schande, dachte er unwillkürlich. Lebenslange Kenntnis ließ ihn wissen, dass es ganz grundsätzlich nie etwas Gutes bedeutete, wenn der Kerl einen anlächelte.

„Seelen.“ Sesshoumaru bewunderte gerade seinen Vater aufrichtig. Er war nur zu töricht gewesen dessen umfassenden Plan zu verstehen. Vater hatte das sicher mit den Seelen gewusst und ihn darum, und natürlich auch für die Jenseitsmagie, hierher geschickt. Er hatte ihn nicht zurücksetzen wollen, nur an die passende Stelle gestellt. Das Juwel war eliminiert, nur noch die Motten eine Gefahr für Ayama und Aoi. So viele Funken, die in diesem Baum landeten, so viele gefangene Seelen, die diesen jämmerlichen Schmetterling unterstützen mussten. Nun, nicht mehr lange. Mit eine Satz war er hoch in der Luft und schwang Tenseiga, berührte den Seelenbaum.

Inu Yasha, aber auch Menomaru, sahen ungläubig die Wirkung. Die Seelenfunken, die im Anflug gewesen waren, verschwanden. Im Gegenteil. Seelenfunken strömten aus dem Baum und lösten sich auf. Sie wurden frei in die Unterwelt zu gelangen. Und die Macht des Mottenprinzen war bereits spürbar gesunken, als der Erbprinz von Nishi wieder landete und seine magische Klinge in die Scheide schob. Ohne sich auch nur zu dem Gegner umzudrehen, galten seine Worte dem Halbbruder. „Du kommst mit ihm zurecht.“ Das war eine reine Feststellung.

Seit wann traute der ihm denn was zu? „Klar. Und du?“

„Ich werde einige Motten in die Hölle schicken.“ Damit verschwand Sesshoumaru in einem dunkeln Tunnel, sichtlich Richtung Meer.

Inu Yasha neigte etwas den Kopf seitlich „Tja, Menomaru. So viel zu deinem brillanten Plan. Noch ein paar Schwachstellen gefällig?“

Der Mottenprinz öffnete etwas den Mund.

Da der Daimyo mit einer verbalen Antwort gerechnet hatte, wurde er vollkommen von dem Feuerstrahl überrascht, der daraus auf ihn zuschoss. Nur sein Gewand aus roten Feuerrattenhaar verhinderte, dass der Kampf bereits hier und jetzt ein Ende fand. Immerhin war das Ohr, das schon Hakudoshi verletzt hatte, nun auch noch angekokelt. Er fasste Tessaiga mit beiden Händen. „Ach so. Kein ehrlicher Schwertkampf, nur Tricks und Lügen. Na ganz toll.“

 

Der Inu no Taishou hatte hektisch einen Blick zurück geworfen, als er dort die dämonische Energie gespürt hatte. Falls er sich geirrt hatte und das vor ihm nicht Hyouga, sondern der Erbprinz war, sie ihn nun zwischen sich hatten, steckte er allerliebst in der Klemme.

Mit gewisser Überraschung aber auch Erleichterung erkannte er einen älteren Mann mit roten Haaren, neun Schwänze hinter sich wie ein Pfauenrad ausgebreitet, zwischen denen Energie hin und hersprang.

„Welche Überraschung.“ Er sah eilig wieder zu Hyouga, der anscheinend seine Kräfte sammelte, gleichzeitig jedoch den nächsten Kriegern den Angriff befahl. „Ich hätte jedoch geglaubt, Ihr schützt Euer eigenes Fürstentum?“

„Wozu hat ein Mann Nachkommen, nicht wahr?“ Der Neunschwänzige trat neben den Hundefürsten. „Und da der Besuch anscheinend in Nishi und Ayama ankam, dachte ich, ich könnte Euch hier ein wenig ….behilflich sein, zumal ich hörte, das Eure beiden Söhne sich in Ayama aufhalten.“

„Euer Geheimdienst arbeitet wie üblich korrekt.“ Der Taishou ließ erneut den Höllendrachen frei, dicht gefolgt von einem Netz aus Magie, geschleudert von neun Schwänzen. Wo auch immer dieses Lichtnetz Mottenkrieger auch nur berührte, verschwanden sie. Ins Jenseits, wie der Fürst von Nishi nur zu gut wusste.

„Dies ist Euer Fürstentum, aber erlaubt mir einen Vorschlag, werter Taishou.“ Zwischen den neun Schwänzen bildete sich bereits erneut ein Netz.

„Natürlich, Kyubi-sama. Ihr seid mir wahrlich willkommen.“

„Lasst mir diese jämmerlichen Krieger und übernehmt den Hyouga. Bedenkt nur, Ihr dürft ihn nicht töten.“

„Dessen bin ich mir bewusst.“

„Ein Plan, natürlich.“ Der Herr der Füchse hielt den Hund neben sich für einen brillanten Taktiker, fast ihm überlegen. Und er fand es immer sehr amüsant an dessen Seite zu stehen. „Wenn Ihr ihn versiegelt habt, gestattet mir noch meine Magie darüber zu legen.“

„Nur zu gern. - He, Hyouga! Ich kann mich nicht entsinnen Euch eingeladen zu haben. Nehmt Eure Krieger und verschwindet. Oder geht unter.“

Der riesige Mottenfürst lächelte etwas, näherte sich jedoch. „Dann gebt mir das Schwert der Hölle, das Ihr so perfekt demonstriert habt.“

„Nur über meine Leiche.“

„Wie Ihr wünscht. In unserer wahren Form, natürlich. Ich werde mich nicht Eurem Schwert aussetzen. Auch, wenn Ihr natürlich wissen solltet, dass ich unsterblich bin.“

„Wir werden sehen.“

 
 

Endkampf


 

I

n Nishi standen sich nun ein sehr großer weißer Hund und ein ebenso großer Schmetterling gegenüber. Beide Dämonenfürsten musterten sich, versuchten Taktik und Macht des jeweils anderen abzuschätzen. Wenn dieser Kampf erst einmal begonnen hatte, musste er auch bis zum bitteren Ende durchgeführt werden. Beide waren zu kampferfahren um das nicht zu wissen.

 

Das würde hart werden, dachte der Inu no Taishou. Irgendetwas in diesem Schmetterling roch für seine Nase nach Gift. Und das würde der Kerl doch ganz bestimmt einsetzen. Immerhin hieß es ja, dass ein Hyouga nicht nur über die eigene, sicher kaum unerhebliche, Macht verfügte, sondern auch über die all seiner Vorfahren. Vermutlich auch deren besondere Fähigkeiten. Er musste zugeben, dass er ohne das Eingreifen des Herrn der Füchse bestimmt sehr, sehr alt ausgesehen hätte. Er sollte sich noch einmal ausgiebig bei Kyubi bedanken – und bei Inu Yasha, denn er war sicher, dass dessen Hilfe für den Erben des Neunschwänzigen diesen zusätzlich motiviert hatte hier her zu kommen. Seine Söhne... Auch sie steckten in Schwierigkeiten, und, wenn er das hier überlebt hatte, musste und sollte er nach Ayama, ihnen helfen. Immerhin war der zweite Teil der Flotte noch nicht hier eingetroffen, gar mit dem Prinzen. Also schienen seine Jungs den dort gut zu beschäftigen.

Seine Söhne, der manchmal so schwierige, aber doch immer loyale, Ältere, der Kleine, der sich als Daimyo um Welten besser schlug als er selbst auch nur zu hoffen gewagt hatte.

Er würde gegen diesen Schmetterling gewinnen. Für sie.

Hyouga!

 

Der Mottenfürst hatte durchaus bemerkt, dass der weiße Hund vor ihm ein wenig nachdachte und er war entschlossen, diese Abgelenktheit zu nutzen. Er sprang in die Luft, ein einziger Flügelschlag brachte ihn nahe zu seinem Widersacher, ehe er mit den bekrallten Händen auf dessen Kopf zuschlug. Der Taishou warf sich noch beiseite, aber eine Kralle durchdrang das Fell zwischen seinen Ohren, ritzte schmerzhaft die Haut. Ein roter Strich zierte die weißen Haare. Aber das war kein Duell, das mit einer Schramme enden würde.

So warf sich der Hundefürst herum und schnappte nach einem Mottenflügel. Wenn der Hyouga nicht mehr fliegen konnte, er ihn zu Boden zwingen konnte, verlor der auch einen gewissen Teil seiner Überlegenheit.

 

In einem fast waghalsigen Luftmanöver gelang Hyouga ein Überschlag rückwärts in der Luft, ehe er auf dem Boden stand. Attacken von oben würde er noch öfter durchführen. Der Hund war zwar schnell, aber dagegen praktisch wehrlos. Allerdings kostete fliegen selbst ihn Kraft. Aber noch ein paar Kratzer und sein Plan würde gelingen. Einige kleine Schrammen und er musste nur noch abwarten. Natürlich aufpassen, dass er diesem durchaus respekteinflößenden Gebiss entkam. Sobald er dann das Höllenschwert sein eigen nannte, war dieser andere Kerl dran, offenbar auch mindestens ein Dämonenfürst. Ziemlich stark in der Magie, aber das würde ihm nichts helfen.

Ein stummer Aufschrei entkam dem Mottenherrscher, als er entdecken musste, dass er nicht nur auf die Zähne seines Gegners aufpassen sollte. Ein gewaltiger Hieb mit dem Schwanz hatte ihn zu Boden gedroschen, schmerzhaft auf seinen Flügeln landend. Das also war der Plan dieser Fellnase. Seine Flügel zu verletzen. Hyouga sprang auf und beiseite, damit gerade noch dem zuschnappenden Fang des Hundes entkommend. Ohne zu zögern schlug er seinerseits zu. Eine Hand blieb in dem dichten Fell hängen, das sich als Schutz um Brust und Schultern wallte, aber mit der anderen fügte er dem Taishou einen tiefen Kratzer unterhalb der Fellboa zu, ehe er zurücksprang. Die nächste kleine Verletzung, dachte er zufrieden.

 

Nur wenige Minuten später begriff der Inu no Taishou, was sein Widersacher bezweckte. Durch die kleinen, scheinbar so harmlosen, Kratzer wurde ihm Gift injiziert. Mit Sicherheit würde ihn das langsamer machen, vielleicht ihm auch ab einer gewissen Dosis Schmerzen zufügen. Kurz, er würde schwächer. Er brauchte sich nicht umzusehen um zu wissen, dass sich der Neunschwänzige noch immer gegen das Mottenheer hielt – vermutlich sahen sie ein, dass es lebensgefährlich war mit dessen Magie in Kontakt zu kommen. Also lag das hier allein an ihm. Und die Zeit wurde knapp. Hyouga durfte mit dieser langsamen Vergiftung nicht durchkommen. Er musste es schaffen vorher dessen Flügel zu verletzen, den in eine der Schluchten zu drängen, die er zuvor mit So´unga geschlagen hatte. Nur dort konnte sein Plan aufgehen. Und das sollte er besser. Und zwar bald.

 

Inu Yasha starrte den Mottenprinzen an. Dieser Feuerstoß war überraschend gekommen. Und leider hatte er, außer seiner Kleidung, dagegen nichts zu bieten. Aber wozu klein beigeben? „Aha. Nicht mehr ganz so mit dem Mund vorneweg? Dein Papa kämpft... dummerweise gegen den meinen. Da sahen schon ganz andere Leute mies aus. Das Juwel ist auch weg, ebenso wie dein dämlicher Seelenbaum. Fassen wir kurz zusammen. Dreh ab und verschwinde!“

„Oh, bitte, Halbmensch. Du siehst nur, was du sehen willst. Mein Vater ist Hyouga. Mächtigster aller Dämonenfürsten.“

„Und genau deswegen auch so scharf auf So´unga und das shikon no tama? Macht wahnsinnig viel Eindruck.“

„Narr. Das kannst du natürlich nicht verstehen, aber man will immer stärker werden.“

Der erneute Feuerstoß traf Inu Yasha diesmal nicht unerwartet. Er entkam ihm mit einem gewaltigen Seitensprung, wedelte allerdings nun mit Tessaiga. „Lass den Quatsch, Schmetterling. Dummheit scheinst du ja von deinem Papi geerbt zu haben. Einfach nicht zu wissen, wann Schluss ist.“

„Man sollte nie von sich auf andere schließen.“ Wieder jagte Feuer auf den Halbdämon zu.

 

Mist, ärgerte sich Inu Yasha, der feststellen musste, dass selbst das Gewand aus Feuerrattenhaaren schwarze Flecken zeigte. Und gegen diese Sorte Angriff half auch die Bakuryuuha nichts, seine eigentliche Verteidigung mit Tessaiga. Das funktionierte leider nur gegen dämonische Energie. Und genau die setzte dieser dämliche Mottenprinz nicht ein. Wieso eigentlich nicht?

Kein Schwert, keine Energie? Da war doch irgendetwas faul. Was, das sollte er schleunigst herausfinden. Der Kerl machte keine Miene abhauen zu wollen, aber der durfte unter keinen Umständen weiter in das Landesinnere, zur Pforte der Ronin und Aoi. Immerhin schien Sesshoumaru die Verteidigung am Hafen organisieren zu wollen, eine recht sinnvolle Idee, wie der junge Daimyo zugab. Ohne Narakus Führung, nun, besser, die Führung ihres Fürsten. waren die Menschen sicher in Panik und die Dämonenkrieger verwirrt.

Also sollte er selbst zusehen, dass er diesen blöden Schmetterling zum Teufel jagte. Wie stünde er denn sonst vor seinem Vater da? Und dem ach so lieben Bruder? Wieder wie der kleine Trottel vom Dienst? Nun ja. Mal antesten, was der Knabe noch so drauf hatte ..

Das kaze no kizu fräste metertief die Erde – und prallte wirkungslos auf eine rötlich aufflammende Schicht um den Mottenprinzen. Ein privater Bannkreis. Na, wie toll. Kein Wunder, dass der Kerl so selbstsicher und locker war. Da kam vermutlich so leicht niemand durch. Aber, dachte Inu Yasha, er würde durchkommen. Er musste es sich und allen beweisen, dass sie ihm zu Recht vertraut hatten. Und er hatte doch geschworen Aoi zu beschützen. Da hinten war seine Provinz, seine Leute und die arme Kagome, die heute wirklich schon genug mitgemacht hatte. Ihm musste etwas einfallen. Und das ein bisschen plötzlich. Mehr zur Ablenkung und zum Zeitgewinnen als in der Absicht damit groß etwas zu erreichen schlug er erneut auf der unsichtbaren Linie der Windnarbe zu.

 

Sesshoumaru ignorierte die in Panik aus der Stadt rennenden Menschen und schnappte sich den erstbesten Katzenkrieger, den er entdecken konnte. Das war wörtlich zu nehmen, denn der Krieger fand sich plötzlich in der Luft wieder, Finger nur einer Hand drosselten seine Kehle.

„Wer ist euer Befehlshaber?“ erkundigte sich der Erbprinz.

Verwirrt und erschrocken suchte der Kater eine Antwort, noch während er vergeblich versuchte die Finger um den Hals loszuwerden. Der Sauerstoffmangel machte sich in schierer Todesangst bemerkbar. Und Schwäche. „Der ...Fürst...“

„Er ist tot. Wer ist der Vertreter.“

„Nie ...niemand....“ Das war doch ein Hund?

Niemand? Das war fast nicht zu glauben. Sicher, die Katzen waren nie so militärisch durchorganisiert wie die Fürstentümer der Hundeartigen und Füchse. „Wer ist der wichtigste Mann nach dem Fürsten,“ präzisierte er daher.

„Mein Vater,“ kam die Antwort von neben ihm. Ein junger Katzenkrieger baute sich auf, die Klaue um das Schwert gespannt. „Lass ihn sofort los. Was treibt denn ein Hund in Ayama?“

Sesshoumaru entließ den unglückseligen Krieger nicht aus seinem Griff. „Euch retten. Fürst Naraku ist tot. Menomaru, der Mottenprinz kämpft dort hinten mit meinem .. Bruder. Und Fürst Hyouga selbst mit der anderen Hälfte der Flotte ist in Nishi eingefallen. Er hat nun mit meinem Herrn und Vater das Vergnügen.“

Der junge Mann wurde merklich höflicher. „So seid Ihr der Erbprinz von Nishi, Sesshoumaru. Mein Name ist Shinji. Eine Invasion also. Die Motten griffen unvermittelt an, nachdem uns gesagt wurde, dass sie Gäste seien. Gebt nun Hiro frei. Ich werde meinen Vater von dem neuen Stand in Kenntnis setzen.“

„Tötet alle Motten und sichert den Fluchtweg der Menschen.“

„Ihr mögt der Erbe von Nishi sein, aber in Ayama habt Ihr nichts zu sagen.“

Besagter Erbprinz entdeckte einige Mottenkrieger, die in absoluter Verkennung der Lage auf sie zugelaufen kamen. Noch während er den Kater zu Boden fallen ließ, drehte er sich und zog.

Die Energiewelle, die von Tokejin ausging, ließ nicht nur buchstäblich die Motten zerfallen, sondern auch die beiden Katzenkrieger schlucken.

Shinji sagte, sein Schwert in die Scheide schiebend: „Ich werde meinen Vater informieren, Sesshoumaru-sama. Ihr braucht mich nicht mehr zu überzeugen.“

 

„Was ist denn da los?“ Sango klang noch immer erschöpft und heiser, als sich Kirara der Pforte von Ronin näherte. Kagome und Miroku spähten neugierig nach vorn. In der Tat, das sah eigenwillig aus. Entlang der kilometerbreiten Pforte hatten sich Krieger aufgereiht, zumeist Dämonen, aber auch Samurai von Aoi, sichtlich wachsam. Dahinter allerdings lagerten Samurai und unbewaffnete Menschen, sie erkannten im Näherfliegen auch Himaki und Toyomaru, die dort knieten. Dann begriff die Dämonenjägerin gleichzeitig mit dem Mönch.

„Der Kaiser!“

Kagome verstand zuerst nicht woran sie das erkennen wollten, aber dann wurde auch ihr klar, dass dort schlicht viel zu viele menschliche Samurai lagerten, die unmöglich alle aus Aoi stammen konnten. Im Mittelpunkt der Ansammlung stand eine verschlossene Sänfte, neben der auch dieser General saß, der Souta abgeholt hatte und dessen Name ihr wirklich gerade nicht einfiel. Auch die beiden militärischen Befehlshaber von Aoi knieten neben ihm.

Sango ließ Kirara dort landen. „Bericht aus Ayama, vom Daimyo,“ brachte sie hervor, als sie bereits von der nekomata glitt um auf die Knie zu fallen, sich vorzuneigen. Sie hatte ein einziges Mal eine Audienz erhalten und kannte das strikte Hofprotokoll. Kagome, die davon nur gehört hatte, und Miroku, der doch einige Jahre am kaiserlichen Hof verbracht hatte, taten es ihr gleich, Kirara verkleinerte sich.

Eine Hand zeigte sich an der Sänfte und ein eilig herankommender Beamter schlug das Tuch zurück. Kagome wagte es aufzuschielen und sah erstaunt, dass der Kaiser nicht nur, wie sie erwartet hatte, kostbar gekleidet war, sondern auch das Gesicht von Perlenschnüren bedeckt wurde.

„Bericht.“

Sango, die sich angesprochen fühlte, gehorchte.

Der Kaiser dachte nach, als sie geendet hatte. Der Inu no Taishou gegen Hyouga, und dessen Sohn, sein eigener Cousin und Daimyo, gegen den Prinzen der Motten, auch Sesshoumaru mit dem dritten Schwert der Weltherrschaft war in Ayama. Seine göttliche Ahnin hatte recht. Natürlich. Er sollte auf die drei Hunde vertrauen. „Erholt euch. - General, schickt Samurai zum Pass von Toyama. Wenn ich meinen Verbündeten richtig kenne hat er dort die Menschen aus Nishi fortgeschickt. Sie müssen versorgt werden. - Sichert die Pforte weiterhin, und empfangt die Flüchtlinge. Auch sie müssen versorgt werden. Und versorgt diese drei. - Der Fürstengemahlin von Aoi sei mein Dank ausgesprochen. Das Juwel bereitete seit langem Sorgen.“

Er ließ den Vorhang wieder zufallen, während Kagome schluckte. Der göttliche Kaiser hatte sich persönlich bei ihr bedankt?

 

Der Herr der Füchse musterte das Heer der Motten. Sie hatten offensichtlich gelernt, dass mit seiner Magie nicht zu spaßen war, und hielten nun etwas Abstand. Überdies würde es kaum jemand der einfachen Krieger wagen dem Kampf dort drüben zu nahe zu kommen, wo sich zwei Dämonenfürsten in ihrer wahren Gestalt gerade ineinander verbissen hatten. Die Wellen ihrer Energie rollten förmlich über das Land und rissen die Erde in Stücke. Und nicht nur diese. Er konnte spüren, dass auch mit seinem Fürstentum etwas geschah, ja, in ganz Japan. Erdbeben, neue Täler, in die das Meer strömte, gigantische Veränderungen in der Magie.

Er holte tief Atem. Falls diese Schmetterlinge noch immer nicht genug hatten müsste er ihnen weiterhin Widerstand leisten, das hatte er dem Taishou zugesagt. Allerdings hatte er nicht erwartet, dass sein eigenes Fürstentum, nun, nicht in Gefahr, aber doch in Schwierigkeiten geriet. Hoffentlich würde Akamaru das auffangen können.

In dem Mottenheer ging eine Veränderung vor sich. Wollten sie ihn jetzt auf einen Schlag angreifen? Dann würden wieder viele von ihnen das Jenseits kennen lernen. Allerdings und das gab sich der Neunschwänzige nur selbst zu, spürte er die Folgen bereits. Er wurde müde. Und das konnte nichts Gutes beuteten. Ließ er nach, hatte der Inu no Taishou keine Rückendeckung mehr – und nur ein Narr hätte nicht mitbekommen, dass Hyouga Gift gegen den weißen Hund einsetzte. Hyouga plus sein Heer gegen einen Hundedämon allein würde schlecht für Japan ausgehen, das war klar.

Oh. Erneut atmete der Herr der Füchse tief durch, als ein weiteres Erdbeben den Boden von Nishi erschütterte, gigantische Wellen in der neu entstandenen Bucht vor ihm aufschäumten. Das also war die Ursache der Veränderungen. Japan würde nie wieder so sein wie bisher – eher ein Land der tausend Inseln.

 

Auch Inu Yasha hatte die wiederholten Erdbeben mitbekommen, schob sie allerdings, nicht ganz zu Unrecht, auf den Kampf seines Vaters mit Hyouga. Wie konnte er nur diesem dämlichen Mottenprinzen das Grinsen aus dem Gesicht wischen? Seine gewöhnlichen Attacken mit Tessaiga funktionierten leider nun überhaupt nicht.

Meine Güte, dachte er plötzlich. Ein Glück, dass das weder Vater noch gar Sesshoumaru mitbekommen haben. Was bin ich doof.

Sein wenig geliebter Halbbruder war schließlich mit Vaters Auftrag hergekommen und hatte ihm eine neue Attacke geliefert. Weniger, dass er sie gegen diesen Seelenbaum und das Juwel einsetzen sollte, davon hatte Vater ja kaum wissen können. Das war als Angriff gegen diese Schmetterlinge geplant. Der Pfad der Dunkelheit. Und dieser blöde Menomaru grinste schon wieder so! Daher hob er Tessaiga, das sich erneut schwarz färbte. „Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe,“ meinte er leise. „Es war dumm hierher zu kommen. Meidou Zangetsu!“

Der Mottenprinz ließ selbstsicher erneut seinen rosa leuchtenden Schutzschirm aufscheinen. Es war töricht. Keine Macht dieser Welt kam da durch.

Keine Macht dieser Welt.

 

Sesshoumaru hatte unterdessen einen Katzendämon namens Isamu kennen gelernt, Shinjis Vater. Er war der Mächtigste seines Volkes, erfahren in Verwaltung – aber mit der Organisation eines Kampfes heillos überfordert. Unter Naraku mochte ihm das das Leben gerettet haben, jetzt sah der Erbe von Nishi das anders.

„Drängt die Motten zu ihren Schiffen zurück,“ befahl er. „Lasst das weiter geben. Wer fliehen will, soll fliehen. Und sichert die Fluchtwege der Menschen nach Osten. An der Pforte der Ronin werden sie Schutz finden.“

Da das nach einem Plan klang, und immerhin damit mehr als er hatte, gab Isamu diese Anweisung weiter, die auch prompt befolgt wurde. „Ihr schützt die Menschen,“ merkte er jedoch an.

„Befehl meines Herrn und Vaters.“ Er selbst hätte sie umbringen lassen. Menschen vermehrten sich sowieso so rasant, da machte doch ein wenig Blutzoll nichts aus.

Isamu, der alt genug geworden war um von den seltsamen Verhaltensweisen des Herrn von Nishi zu hören, nickte nur. Überdies hatte er zugesehen, was dieser junge Dämon mit so einigen Gegnern angestellt hatte, als er auf dem Weg zu ihm gewesen war. Ja, auf dem Weg, denn anders hätte man dieses fast nachlässige Kämpfen durch gegnerische Linien kaum beschreiben können. „Fürst Naraku ist tot?“ erkundigte er sich daher. „Aber, wer....“

„Menomaru.“ Das war ein wenig frei interpretiert, aber mehr brauchte dieser Kater nicht zu wissen.

„Und der kämpft nun mit Eurem Bruder, dem daimyo?“

Kaum. Denn, falls der Mottenprinz gewonnen hätte, wäre er bereits hier. Inu Yasha hatte es also geschafft. Vielleicht war Vaters Vertrauen in diesen … nun ja in seinen Halbbruder nicht vollständig übertrieben. „Dieser Kampf ist vorbei.“ Und der hier war es auch, denn die Motten flohen reihenweise zu den Schiffen. Erneut ein Hinweis darauf, dass Menomaru im Jenseits weilte. Für einen Moment überlegte der Erbprinz, ob er ihnen die Flucht gestatten sollte, ehe er die aufschäumenden, großen, Wellen in der Bucht erkannte.

Die Drachen waren aus den Weiten des Pazifik zur Westküste Japans gekommen.

 

Der Inu no Taishou wusste, dass er nicht mehr viel Zeit besaß. Das Gift, das durch seine Adern strömte, würde ihn langsamer machen, anfälliger, und ihm jede Chance rauben noch zu siegen. Alles in eine Chance war zwar nichts, was taktisch besonders klug war, aber er sah keinen anderen Ausweg mehr. Sogar der Neunschwänzige würde ermüden und dann hätte er selbst auch noch das Mottenheer im Kreuz. Wie das dann ausgehen würde, war nur zu deutlich. Gut. Alles auf eine Karte. Der riesige, weiße Hund duckte sich ab.

Hyouga zog instinktiv die Flügel enger an sich. Bislang war sein Gegner mit Vorliebe darauf los gegangen. Und der Hund plante etwas, das war deutlich. Die Flügel schützen.

Der Fürst des Westens sprang los, gezielt mit beiden Vorderpfoten auf die Brust des Mottenherrschers, der davon völlig überrascht wurde und zurück taumelte. Dabei stürzte er in eine der Spaltn, die zuvor So´unga geschlagen hatte. Instinktiv versuchte er die Flügel auszubreiten, prallte jedoch durchaus schmerzhaft an die Wände des Erdrisses. Ehe er sich aufgerappelt hatte um wieder hinaus zu springen, spürte er Magie. Das war doch lächerlich. Magie, gegen ihn, gegen Hyouga!

 

Der Herr der Hunde hatte schon vor diesem Kampf sein Siegel sorgfältig geplant und investierte nun alle Macht, die ihm noch verblieben war, in blindem Vertrauen darauf, dass ihm der Neunschwänzige den Rücken freihalten würde. So setzte er das magische Siegel, hörte, spürte, wie Hyouga dagegen klopfte, sich wehrte, immer schwächer wurde, ehe er einschlief.

„Darf ich, Taishou?“

„Natürlich, Kyubi-sama.“ Der Fürst von Nishi wich erschöpft beiseite und konnte nur zusehen, wie Fuchsmagie sein Siegel verstärkte, ja, anderen Zauber damit verband, bis sich der Herr der Füchse umwandte.

„Vielleicht noch die Magie Eures Landes?“

„Ja.“ Es war nett, dass ihm Kyubi das so überließ. Aber damit war es nach allem Denken unmöglich, dass Hyouga wieder entkam oder auch nur geweckt wurde. Die Macht zweier Dämonenfürsten plus die Magie des Landes.

 

Inu Yasha bemerkte Menschen, die sichtlich erschöpft und in Panik auf ihn zukamen. Er schob Tessaiga in die Scheide. „He, kommt! Ich bin der daimyo von Aoi. Die Grenze ist nicht mehr weit. Da sind meine Leute.“ Sie waren wirklich müde und fix und fertig, dachte er. Sie mussten schon seit Stunden gerannt sein. Hoffentlich hatte irgendwer seiner Leute wenigstens so weit mitgedacht, dass sie Wasser und Vorräte für die Menschen besorgt hatten. Nun ja, wenn schon niemand, dann doch Kagome und seine Freunde. „Geht nur weiter. Ich decke euch. Was ist mit den Motten?“

Sie schüttelten überfragt die Köpfe. Sie waren, als die ersten Kämpfe in der Stadt begannen, losgelaufen, mit nur einem Ziel im Kopf: Schutz zu finden. Und den erhofften sie sich im menschlichen Kaiserreich. Dass hier nun jemand stand, der zwar wie ein Dämon aussah, aber immerhin abgab, er sei ein daimyo, war wenigstens hoffnungsvoll.

Inu Yasha bemerkte durchaus die Blicke auf seine Ohren. Er musste die Leute irgendwie beruhigen, ehe sie noch umdrehten, dachte er. „Ich bin der daimyo von Aoi,“ wiederholte er daher. „Und der Cousin des Göttlichen Kaisers. Los, sehr ihr dort vorn die Berge? Da ist die Pforte. Geht da rüber und ihr seid in Sicherheit.“

Das war gleich doppelte Sicherheit. Und die Leute rafften sich auf um weiter zu gehen.

Er beschloss mit ihnen zu gehen. Seiner Nase nach kamen dort hinten weitere Menschen, kleine Gruppen, aber die würden dann schon den Weg finden, wenn sie dieser hier folgten. Er bedachte nicht, dass sich Menschen nicht der Nase nach orientierten.

 

An der Pforte der ronin angekommen, erkannte der daimyo leicht überrascht, dass da offenkundig nicht nur seine Leute waren. So sagte er den Menschen nur, dass er vorangehen würde und sprang förmlich voran. Was war denn hier los? Sicher, die Dämonenkrieger kannte er, die die Grenze sicherten und auch so einige Menschen, aber ...ach herrje.. Er entdeckte die Sänfte in der Mitte der Ansammlung, erkannte auch die Standarte daneben. Super. Hatte er es jetzt geschafft das menschliche Kaiserreich in einen Krieg zu stürzen, weil er nach Ayama gegangen war? Hatte er alles vermasselt? Kagome, Sango und Miroku knieten neben der Sänfte, dazu auch seine eigenen militärischen Befehlshaber. Naja. Er musste wohl Bericht erstatten und dann annehmen, was kam. Ja, er war gegen die Verträge in ein dämonisches Fürstentum gegangen, ja, das war ein Kriegsgrund, aber da waren eben auch die Motten und ...tja. Änderte nur nichts daran, dass er eben gegen die Verträge verstoßen hatte.

Dämonische Energie ließ ihn den Kopf wenden. Sesshoumaru? Der musterte ebenso leicht überrascht die Ansammlung vor sich. Irgendwie tat es zum ersten Mal im Leben gut den Bruder an der Seite zu haben, dachte Inu Yasha, als sie wortlos, aber gemeinsam, auf die Sänfte des Kaisers zugingen.

 

Ein Beamter zog den Vorhang zurück, durchaus überrascht, dass der erhabene Kaiser ausstieg. Inu Yasha verneigte sich tief, wie es seinem Lehensherrn zustand, Sesshoumaru etwas weniger.

„Wie ist die Lage in Ayama?“ erkundigte sich der Kaiser bei niemand Bestimmten.

Sesshoumaru blickte prompt zu seinem Halbbruder.

Inu Yasha seufzte innerlich, durchaus erkennend, dass ihm gerade die Verantwortung übertragen worden war. „Motten vom Festland landeten in Ayama, offenkundig auf Einladung des verstorbenen Fürsten Naraku, unter dem Befehl des Prinzen Menomaru. Die andere Hälfte der Flotte, unter dem Befehl Hyougas selbst, scheint nach Nishi weitergezogen zu sein. Naraku ist tot, Menomaru auch.“ Nun sah er zu seinem Halbbruder. Er hatte ja keine Ahnung, was am Strand passiert war.

Der ergänzte auch nur sachlich: „Die Nachricht vom Tode Menomarus scheint die Motten in die Flucht getrieben zu haben, auf ihre Schiffe. Diese wurden von den Drachen versenkt.“

Der Kaiser bewies, dass er denken konnte. „So habt Ihr, werter Cousin, Menomaru getötet?“ Denn sonst hätte der Erbprinz von Nishi kaum von der Nachricht gesprochen.

Inu Yasha nickte, zu Kagome schielend. Ihr schien es soweit gut zu gehen.

 
 

Nachtrag


 

B

evor Inu Yasha aber auch nur seinen „werten göttlichen Cousin“ darum bitten konnte nach seiner Ehefrau sehen zu dürfen, spüre er etwas eigenartiges, was er noch nie so empfunden hatte. Da sich Sesshoumaru prompt der Quelle zuwandte und verneigte, auch alle Dämonen in Sicht dies taten, wurde ihm plötzlich klar, dass da ein ungeheurer Schwall an Energie auftauchte. Vermutlich ein Dimensionsportal. Er hatte es nur heute schon einmal gesehen und gespürt, als Sesshoumaru in Richtung Meer verschwunden war, aber hier kam wirklich wer Mächtiges. War das etwa der Drachenkönig?

Der Kaiser blickte ebenso etwas angespannt hin, neigte dann jedoch seinen Kopf ein wenig seitlich, als er die zwei Gestalten erkannte,

Auch die beiden Söhne des Fürsten von Nishi atmeten unmerklich etwas auf, als sie sich vor ihrem sichtlich verletzten Vater und dem Herrn der Füchse verneigten. Der Inu no Taishou warf ihnen einen raschen Blick zu, ohne seine Erleichterung zu erkennen zu geben. Beide lebten, und auch, wenn der Jüngere verletzt gewesen war, oder es auch noch war, so hatten beide ihre Aufgaben erfüllt, denn sonst stünden sie nicht hier. So gut glaubte er doch seinen Nachwuchs in der Kriegskunst unterweisen zu haben.

 

„Ich bin überaus erfreut Euch beide hier zu sehen, werte Fürsten der Dämonen,“ meinte der Kaiser höflich, immerhin war dies sein Land. Besser seinen Verbündeten und den Fuchs, mit dem seine Vorfahren immerhin einen Friedensvertrag abgeschlossen hatten, als diesen unbekannten Hyouga. „Dem darf ich entnehmen, dass auch die Invasion in Nishi und Sobo gescheitert ist?“

„Es gab keine in Sobo,“ erwiderte der Neunschwänzige. „So töricht war nicht einmal Hyouga gleich drei dämonische Fürstentümer anzugreifen.“

„Ich entnehme dem, dass Hyouga fiel, wie auch sein Sohn in Ayama?“ Der Kaiser sah, wie der Blick des Taishou unwillkürlich zu seinem Ältesten glitt. „Mein verehrter Cousin war wohl so frei.“

Inu Yasha, dachten beide Dämonenfürsten gleichzeitig, seltsam stolz auf ihre richtige Einschätzung eines Halbdämonen, ehe der Fuchsherr ergänzte: „Man kann Hyouga nicht töten, nicht, solange ein Sohn von ihm existiert. Da jedoch niemand von uns weiß, ob es nicht noch einen auf dem Festland gibt, haben wir ihn gemeinsam versiegelt. Seine Leute allerdings, die dem werten Taishou und meiner Wenigkeit entkamen, wurden von den Drachen auf dem Meer abgefangen.“

„Ryujin hat seine Leute schnell gefunden,“ konstatierte der Herr der Hunde.

Dem Neunschwänzigen entkam ein flüchtiges Lächeln. „Ich fürchte nur, werter, göttlicher, Kaiser, dass Ihr in alle Richtungen des Landes und auch die dämonischen Fürstentümer Vermesser ausschicken solltet. Die Drachen nahmen offenbar den jeweils kürzesten Weg. Japan dürfte nun mehr ein Land der tausend Inseln sein, soweit ich weiß, ist auf jeden Fall Sobo nun von dem eigentlichen Land Japan getrennt. Und auch in der Gegend von Bina scheint ein riesiger See entstanden zu sein.“

„Auch Nishi sieht nun mehr anders aus,“ gab dessen Fürst zu. „Nebenwirkung, wenn man So´unga einsetzt. Ein guter Grund, das nicht unbedacht zu tun.“

 

Besagter Kaiser hätte um ein Haar geseufzt, besann sich allerdings auf seine strikte Erziehung. „So danke ich Euch, werter Fürst von Nishi, als meinem Verbündeten für Eure Unterstützung im Kampf um Japan, und ebenso Euch, werter Fürst von Sobo. Ebenso Euch, Erbprinz Sesshoumaru und vor allem auch dir, mein hochgeschätzter Cousin und Daimyo. Ohne deinen Mut direkt nach Ayama zu gehen, wären die Menschen dort wohl umgekommen.“ Immerhin wusste er nun, warum er das Schwert seiner mächtigen Ahnin nicht erhalten hatte. Diese drei Hunde waren in der Lage gewesen....Nun ja. Die drei Schwerter der Weltherrschaft. „Ich darf dich, mein werter Cousin, noch bitten, einen deiner Falken als Bote nach dem Heer der Wölfe auszuschicken und ihnen Bericht zu erstatten. Diese sollten inzwischen mindestens in Heijo sein. - General, lass die schnellsten Reiter aussenden um den menschlichen Daimyo mitzuteilen, dass ihre Hilfe nicht mehr von Nöten ist und auch meine eigenen Krieger sollen, nach der Versorgung der Menschen hier, zurückkehren. Ich fürchte, in Ayama werden einige Menschen neue Dörfer benötigen, ebenso wie in Nishi. Seid meiner Hilfe stets gewiss, werter Fürst von Nishi. Wir werden uns sowieso bald treffen müssen. Ayama benötigt einen neuen Fürsten und die magische Verbindung sollte erneuert werden, nach den Erfahrungen der letzten Zeit.“

Das war höflich formuliert und die beiden anwesenden Dämonenfürsten warfen sich einen Blick zu. Um was der Kaiser hier indirekt bat war eine Erneuerung des dreihundert Jahre alten Friedensvertrages. Offenbar wollte er, nach der schlechten Erfahrung mit Naraku, sicher gehen. Nun, nur zu verständlich.

So meinte der Taishou sachlich: „Natürlich. Darf ich Euch allerdings bitten meinem jüngeren Sohn die Anweisung zu geben noch einen Falken in den Norden zu schicken? Auch diese Völker sollten Bescheid wissen.“

 

Der Kaiser hob etwas die Hand und Inu Yasha neigte gehorsam den Kopf. Seinen Vater, den absoluten Machthaber in Nishi so .. nun ja, so höflich zu erleben... Aber es war natürlich korrekt. Er unterstand nicht mehr der väterlichen Gewalt, sondern dem Kaiser selbst. Und es wäre vermutlich schon wieder fatal gewesen als Dämonenfürst einen Daimyo herumzukommandieren. Er sollte das wirklich in Zukunft besser beachten, auch, wenn es diesmal gut gewesen war impulsiv loszustürmen. Allerdings durfte er ohne direkte Aufforderung nicht gehen und so wartete er einen erneuten Wink seines „göttlichen Cousins“ ab. Der General verschwand ebenso eilig.

Als der Halbdämon zu seinen Kriegern ging, warf er allerdings einen Seitwärtsblick zu seinen Freunden. Da sowohl Kagome als auch Sango lächelten, fühlte er sich erleichtert. Zuhause – seltsam so von der Burg zu denken, das hatte er noch nie getan – würde er der armen Kagome Ruhe geben. Sie sollte doch nie mehr in derartige Schwierigkeiten kommen. Vielleicht einen netteren oder größeren Garten, ein wenig unterhalb der eigentlichen Burg? Im dritten Ring? Man konnte das doch bestimmt gegenüber den so genannten Beratern als Garten für Notfälle ausgeben, so mit Gemüse oder so? Blumen als Heilpflanzen? Da konnte doch auch mal dieser Heiler dran? Oder Jinenji? Ja, das war eine Idee, dann wäre doch der und seine Mutter versorgt? Und, um ehrlich zu sein, ein anderer Halbdämon, der einzige, den er außer sich selbst je kennengelernt hatte, zu unterstützen erschien ihm sinnvoller, als den alten Heiler, den er buchstäblich noch nie gesehen hatte. Und der offenbar auch nicht viel taugte, wenn sich die werte Schwiegermutter Jinenji hatte kommen lassen, als es ihr wirklich schlecht ging.

 

Der Herr der Hunde bemerkte durchaus, dass Sesshoumaru etwas sagen wollte. „Nun, mein Sohn?“

In gewisser Überraschung, dass seine Meinung vor einem anderen Dämonenfürsten und diesem … dem Kaiser gefragt wurde, meinte Sesshoumaru höflich: „Mein Herr und Vater, als ich in Ayama war, wurde mir von den Katzendämonen gesagt, dass ein gewisser Isamu der Zweitrangige sei. Sein Sohn heißt Shinji.“ Weiter sollte und durfte er nur gehen, falls ihn sein Vater unter vier Augen aufforderte. Er persönlich hielt Shinji für den Intelligenteren, aber gerade bei Dämonen zählte Alter auch viel. Und immerhin wäre mit Isamu jemand Fürst, der bereits einen erwachsenen Sohn besaß, Ayama wohl für Jahrhunderte sicher.

„Wir werden sehen,“ erwiderte der Herr der Füchse großzügig, da der Taishou auf solch einen indirekten Vorschlag nichts erwidern durfte. „Aber das ist natürlich Katzensache.“ Aber ja, ein Mann mit einem erwachsenen Sohn würde passen. Und noch dazu, falls der Narakus Intrigen und den Tod der letzten Fürstenfamilie mitbekommen hatte. Der Taishou schien ebenso Glück mit seinen Söhnen zu haben wie er mit dem seinen. Aka-maru. Er hatte ihn einst so genau, weil das Rot, das dessen Fell in der wahren Form des Welpen hatte, wirklich das perfekteste Fuchsrot war, das selbst er je gesehen hatte. Das Rot der kleinen Akiko, seiner verstorben Tochter, hatte dagegen die Farben der Blätter im Herbst gezeigt. Shippou sah eher Akamaru ähnlich. Nun, er sollte sich konzentrieren, ehe er nach Hause zurückkehrte und sein Fürstentum überprüfte.

„Ja, das ist auch meine Meinung,“ meinte der Kaiser mit einer gewissen Kopfneigung gegen die Fürsten. Es ziemte sich nicht hier länger herumzustehen für ihn. So wartete er nur, bis ein Hofbeamter herbeieilte um ihm den Vorhang der Sänfte zurück zu schlagen und ihm hineinhalf, durchaus nicht überrascht, dass sich auch der Herr der Füchse umwandte und verschwand. Diese Dimensionsportale waren schon eine sehr praktische Sache – und zeigten nur zu deutlich, worin der Unterschied zu Menschen lag. Selbst zu ihm, der doch, wenngleich verdünnt durch die Jahrhunderte, göttliches Blut in sich wusste.

Warum der Herr der Hunde noch blieb, war wiederum klar, als der Kaiser sah, wie der seinem Jüngsten hinterherging. Ja, sie würden sich eine ganze Weile nicht sehen können. Es war irgendwie ungewöhnlich, aber doch nett, dass auch Dämonen Elternliebe kannten. So war es einfacher sie als andere Art zu betrachten, nicht als unheimliche Wesen. Und zugegeben, seit er an der Macht war, hatten die dämonischen Fürsten, Naraku ausgenommen, sich stets sehr ehrenhaft verhalten.

 

Inu Yasha hatte die verlangten Falken angewiesen und drehte sich nun um, durchaus bewusst, wer da hinter ihm stand. Mit gewisser Sorge betrachtete er die Verletzungen seines Vaters. Sicher, sie schienen klein zu sein, nicht, womit nicht ein Dämonenfürst zu Rande käme, aber hing da nicht der Geruch von Gift in der Luft?

Der Taishou gab zu über diesen forschenden Blick fast erfreut zu sein, obwohl es sich natürlich nicht schickte. Nun ja, unter Dämonen und der Junge war eben nur zur Hälfte einer. „Es ist nichts,“ sagte er daher. „Du hast ebenso gekämpft.“ Aber diese Verletzungen schienen ebenso bereits am Abheilen.

„Ja. Und dieser Menomaru griff immer mit Feuer an. Kein echter Schwertkampf. Aber das Rattenhaar hat mich geschützt.“

„Du hast Menomaru besiegt, soweit ich hörte, schlägst du dich als Daimyo besser, als ich zuvor glaubte. Du hast gutes Blut in dir.“

Inu Yasha wollte fast etwas bedrückt werden, dass da kein offeneres, herzlicheres Lob kam, ehe er bedachte, dass sie Zuhörer hatten, vor allem Menschen, aber eben auch Vaters Krieger samt Toyomaru. Da musste der Fürst von Nishi schon aufpassen, dass er sein Gesicht wahrte. Und immerhin, deutlicher konnte er es kaum formulieren, dass er stolz auf ihn war. Seine Öhrchen richteten sich prompt wieder auf. „Ich hatte auch ein gutes Vorbild, chichi-ue.“

Der Taishou hatte gesehen, dass die Ohren knickten und kannte das als deutliches Stimmungsbarometer seines Sohnes. Was hatte der denn? Immerhin standen sie wieder aufrecht. In der Annahme, dass sich der Junge nach einer Umarmung sehnen würde, die er ihm so natürlich vor aller Augen nicht gewähren durfte, meinte er: „Der Kaiser wünscht zu Recht einen neuen Friedensvertrag. Alle dämonischen Fürsten, und, ich denke doch, auch alle Daimyo, werden sich dann in Heiokyo treffen. Da können wir uns wieder sehen.“ Hatte er recht geraten? Als Dämon fiel es ihm naturgemäß schwer die Gefühle von Menschen, oder eben auch eines Halbdämonen, zu erraten. Das Problem seit Izayois Tod, die doch des Öfteren zwischen ihrem Ehemann und Sohn dolmetschen konnte.

Länger und auch vertrauter dann miteinander reden, dachte Inu Yasha. Ja, natürlich. Er grinste matt. „Ja, ich denke, ich habe Euch doch einiges zu erzählen. Natürlich privates.“ Politik ging ja nicht, er war eben dem Kaiser verantwortlich.

„Oh?“

Inu Yasha hatte noch nie gesehen, dass sein Vater fast zwinkerte und begriff. Ach du je, der wollte doch nicht die Neuigkeit bekommen, dass er Großvater würde? So neigte er lieber den Kopf, als alle Leute in sein Gesicht blicken zu lassen.

Hm, jetzt war Inu Yasha fast verlegen geworden, dachte der Hundefürst. Aber die Aussicht auf private Gespräche freute den offenbar. Nun ja, auch er wäre neugierig aus erster Hand zu hören wie die Rettungsmission mit dem Fuchserben oder die Sache mit dem shikon no tama abgelaufen war, nicht nur diesen Kurzbericht, den beide Söhne vordem Kaiser abgeliefert hatten. Und, nun ja, das war eigentlich ja auch keine Politik. „Ich habe noch einiges zu erledigen.“ Und der Herr von Nishi wartete nur noch die Verneigung seines Jüngsten ab, ehe er zu der Sänfte des Kaisers trat, dort etwas den Kopf zur Seite neigte, ehe auch er in einem Dimensionsportal verschwand.

 

Sesshoumaru hatte sich prompt seinem Vater angeschlossen, nicht willens sich länger als notwendig mit Menschen zu beschäftigen. Mit gewisser Überraschung erkannte er, wo sie sich nun befanden – kurz vor Mutters Schloss, gerade noch außerhalb des Bannkreises.

Der Taishou warf ihm einen Blick zu. „Es ist nicht notwendig, aber sehr nützlich, auch diejenige auf dem Laufenden zu halten, die dein Leben teilt, mein Sohn.“

Was sollte er dazu schon sagen. „Ja, chichi-ue.“

Die Magie ließ spürbar nach. Sie waren bemerkt worden. Da der Hundefürst weiterlief, schloss sich der Erbprinz ihm notgedrungen an. Vater war wirklich immer höflich, auch und gerade zu Mutter – und, ja, einst auch zu dieser Kaisertochter. War das wirklich so wichtig ...Ja, denn sonst würde es Vater ja nicht über Jahrhunderte durchziehen und schon gar nicht ihn immer wieder darauf hinweisen. Na schön, also stand ihm auch noch ein Gespräch mit Himiko bevor? Immerhin würde sie sich über den Bericht vermutlich freuen und ihn nicht mit unnützen Fragen auf die Nerven gehen, soweit er sie bislang kennengelernt hatte.

Tatsächlich standen die Fürstengemahlin und ihre potentielle Schwiegertochter in dem höfischen Abstand oben auf der Treppe. Niemand sonst war zu sehen, und, da der Herr der Hunde nur einen weiten Sprung machte, folgte ihm der Sohn. Die Damen verneigten sich höflich, aber selbst Sesshoumaru meinte bei beiden Erleichterung zu entdecken.

„Ich vermute, Teuerste, Ihr habt einen Raum, in dem wir zu zweit reden können?“ Eine rein formelle Frage, denn natürlich kannte der Taishou das Schloss.

„Ich heiße Euch in Eurem Schloss willkommen, mein Gebieter,“ war auch die prompte Antwort, ehe sich die Hundedame umwandte.

 

Da die beiden gingen, sah sich Sesshoumaru gezwungen zu seiner Braut zu gucken. Sie blickte zu Boden. Höflich? „Gehen wir in den Garten.“

Ein etwas tieferer Atemzug verriet sie, aber sie meinte nur gesittet: „Vielen Dank.“ Er wollte ihr doch nicht erzählen was vorgefallen war? Das wäre zu schön. Nun, es war auch nett, dass er hergekommen war, Zeit für sie fand. Auch, wenn sie vermutete, dass da das Beispiel des Fürsten wirkte. Aber man sollte Ehemänner so nehmen, wie sie waren.

Im Garten blieb der Erbprinz an der Brüstung stehen und sah auf die Landschaft unter sich. „Die Invasion ist abgewendet.“

„Der Fürst … wurde verletzt.“ Durfte man das ansprechen? Aber, da waren Blutflecken gewesen. Ein rascher Seitenblick zeigte ihr, dass ihr Verlobter keine hatte.

„Er kämpfte gegen Hyouga selbst.“

Daraus war zu schließen, dass der Herr der Hunde gewonnen hatte. Und, da sie keine Sekunde annahm, der Erbprinz habe sich gedrückt: „So habt auch Ihr Eure Aufgabe erfüllt.“

Das bedurfte keiner Antwort. Immerhin schien sie nicht zu glauben, er sei schwach.

Himiko lächelte ein wenig. Er sah schweigend in die Gegend und sie folgte diesem Beispiel. Das war auch schon einmal etwas – zusammen schweigen zu können, nicht aus Verlegenheit oder im Zorn, sondern einfach, weil es nichts mehr zu sagen gab.

Sesshoumaru, der diesen Gedankengang nicht kannte, wäre überrascht gewesen, denn er entsprach seinem eigenen.

 

Inu Yasha, der sich eigentlich vorgenommen hatte, nach der Rückkehr zur Burg sich ausschließlich um seine Ehefrau zu kümmern, fand sich stattdessen in einem förmlichen Sturm aus Anfragen wieder.

Hauptmann Nimaki wollte wissen, ob man die Milizen wieder nach Hause schicken konnte und wie die Leute entlohnt werden sollten, der Leiter der Kanzlei, Okinajoi, wie die Menschen aus Nishi und Ayama versorgt werden sollten, solange sie in Aoi waren und wer das bezahlen sollte. Letzte Anfrage kam auch vom Kämmerer Tarashi. Überdies wollte der Burgvogt wissen, ob und wie der Alarmzustand der Burg aufgehoben werden könnte – da genügte wenigstens ein einfaches Ja.

Der Halbdämon sah sich gezwungen sehr intensiv und schnell nachzudenken, um sich nicht zu blamieren. Immerhin hatte er zum Thema Organisation wahrlich ein sehr gutes Vorbild. „Die Milizen wurden ja nicht im Kampf eingesetzt. Und die Erntezeit ist auch vorbei, so dass sie keinen großen Arbeitsausfall hatten. Aber wir haben doch noch Vorräte an Reis? Dann gebt ihnen davon etwas. Die Leute aus Nishi werden sicher umgehend dahin zurückkehren, die Rechnung gib mir, ich werde sie … dem Fürsten von Nishi schicken. Die Leute aus Ayama werden ebenfalls bald weg sein, soweit ich mich recht entsinne, hat der göttliche Kaiser, mein hochverehrter Cousin, zugesagt, sie zu versorgen, also werde ich ihm da die Rechnung schicken. Tarashi, führe daher gut Buch, da sollten keine Fehler passieren. Oh, und noch eine Kleinigkeit. Im unteren Burgring, dem dritten, sind in aller Regel doch nur die Pferde untergebracht. Ich möchte Vorschläge für einen Garten mit Gemüse, wenn schon nicht Reis, und Obst, um die Burg besser zu versorgen. Denkt drüber nach.“ So. Die Berater verschwanden und er würde jetzt doch einmal nach der armen Kagome sehen. So ein Abenteuer mit Seelenjuwel oder was auch immer war doch nichts für sie. Immerhin war es gut gegangen.

 

Am Frauentrakt erfuhr er allerdings, dass sich die Damen, also Kagome und ihre Mutter, ins Bad begeben hatten. Da konnte er kaum hinterher. Tja. Aber das würde seine Ehefrau doch sicherlich entspannen. So hinterließ er nur die Anweisung, sie solle anschließend in sein Schlafzimmer kommen, was die zuständige Dienerin mit einem wissenden Lächeln und einer tiefen Verneigung beantwortete.

Al Kagome dem Befehl folgte, war sie nicht überrascht, ihren Ehemann unter dem Fenster sitzend zu finden. Sie lächelte. „Geht es dir gut?“

„Das sollte ich dich fragen, nach all den Aufregungen und der Sache mit diesem dämlichen Juwel. Komm, setz dich.“ Zu seiner Verwunderung ging sie nicht zu den Kissen auf der Tatamimatte, sondern ließ sich ihm gegenüber nieder. Waren sie wirklich so gut befreundet? „Hast du dich gut erholt? Ich meine, das im Juwel muss ja wirklich schrecklich für dich gewesen sein, schon wegen dem Traum vorher....“

„Nein,“ meinte sie zögernd. „Ich denke, eben wegen des Traums nicht. Ich wusste ja, wo ich bin. Aber ich hatte keine solche Angst mehr. Der Traum hatte mich vorbereitet. Und, ehrlich gesagt, ich war so sicher, dass du kommen würdest. Ich habe nie daran gezweifelt.“

Er hoffte nur, dass er nicht so rot wurde, wie er sich fühlte. „Ich konnte dich da doch nicht allein lassen.“

In ihren dunklen Augen schienen Funken zu tanzen. „Ich weiß.“ Er bot Sicherheit, Zuneigung. Mehr eigentlich, als sie sich je von einem Ehemann erhofft hätte. Menschlichem Ehemann wohlgemerkt. Irgendwie fand sie aus dieser Erkenntnis heraus den Mut zu sagen: „Weißt du, es ist natürlich schrecklich unhöflich, aber...darf ich mich neben dich setzen?“

„Ja, gern.“ Und das war absolut ehrlich gemeint. Als sie neben ihm war, legte er den Arm um sie. „Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.“

„Und deinem Vater, oder? Er hatte Blutflecken.“

„Naja, er kämpfte gegen einen anderen Dämonenfürsten, das geht nie ohne Blessuren ab. Aber er hat überlebt und es wird sicher schon verheilt sein.“ Zu seiner Begeisterung lehnte sie den Kopf an seine Schulter. Sie hatte wirklich keine Angst mehr vor ihm. Vaters Hinweis sie zu beruhigen und sich anzufreunden war echt sehr gut gewesen. Naja, der hatte das mit Mama vermutlich auch durchexerziert.

„Du, Inu Yasha....?“ Kagome klang zögernd. Man machte einem Daimyo keine Vorschläge.

„Was möchtest du?“ fragte er prompt. Wenn immer es im Rahmen seiner Möglichkeiten lag, sollte sie es bekommen.

Ohne Nachzudenken platzte es aus ihr heraus: „Ein Baby von dir.“

„Was?“ Er war fast etwas schockiert. Natürlich war das der Sinn jeder Ehe, aber dass sie das so direkt aussprach.... Hatte Vater etwa mit ihr geredet? Nein, das hätte er doch mitbekommen.

Hatte sie es etwa geschafft, einen Krieger, Halbdämon und Daimyo zu erschrecken? „Naja, ich ….“

„Wann?“ suchte er nach irgendeinem Halt.

Kagome hätte um ein Haar überfragt die Schultern gezuckt, meinte dann jedoch, erzogen jede Frage des Fürsten zu beantworten: „Nun, es wäre doch schön, wenn wir zum nächsten Totenfest in Kosaten deiner Mutter und meinem Vater mitteilen könnten, dass sie Großeltern sind.“

„Äh, aber das ist doch schon in zehn Monaten....“

Kagome lächelte, ihrer selbst plötzlich ganz sicher, als sie nach seinen Öhrchen griff und die zu kraulen begann.

Er begriff endlich. „Das soll wohl eine Einladung sein?“

„Idiot.“ Und das klang zärtlich.

 

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Diese Lawine könnte noch ganz andere auslösen... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Papa sollte sich vielleicht noch etwas erklären, sonst hat er mit seiner brillanten Taktik das Ende Japans eingeläutet.
Und der große Bruder sich nicht zu früh freuen, vielleicht kommt da auch noch was auf ihn zu.
Im nächsten Kapitel "Vatergespräche" lernt ihr Fürst Naraku kennen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel werfen wir einen Blick auf Familie Higurashi.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel bietet dann auch "Zukunftsorgen" jeder möglichen Leute ...bis auf einen Einzigen, der den nächsten Schritt plant Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Während die unwillige Braut immer wütender wird und der ebenso unwillige Bräutigam wehmütig, sollte irgendjemand naraku sagen, dass seine Pläne vielleicht auch halbdämonensicher sein sollten. Das nächste Kapitel bietet den ersten Teil der "Zwangsheirat"

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel der Zwangsheirat sehen sich die Brautleute zum ersten Mal, während die Furcht voreinander steigt.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Hochzeitsnacht läuft allerdings anders ab, als sich jeder Beteiligte und Nichtbeteiligte vorstellen kann. Denn der Bräutigam kennt ein Zauberwort: beruhigen und die Braut: mach Platz….


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Inu Yasha und einen Plan? Der ist entweder genial oder genial daneben. Mit Papa waiting und dem Henker als Morgengruß sollte er wirklich genial sein….zumal die eigene Ehefrau ja auch beruhigt werden sollte… Das nächste Kapitel heißt denn auch Morgengrauen. In so einiger Hinsicht. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Stimmt. Aber es gibt im nächsten Kapitel prompt: Anfangsschwierigkeiten.


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Nachwort zu diesem Kapitel:
In der Hoffnung Kagome was Gutes zu tun und ihrer Mama – und natürlich auch vor allem der eigenen Mutter gedenken zu können, hat Inu Yasha etwas ausgelöst …

Die Sache mit den neuen Farben wird sich auch schleunigst herumsprechen. Der Ur….enkel der Sonnengöttin mit dämonischen Kriegern. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
InuYasha scheint am Besten anzukommen, wenn er nicht nachdenkt.
Das nächste Kapitel, Gartenmomente, zeigt eine seiner berüchtigten Spontanideen, bietet einen Blick zu Sesshopumaru und Papa, sowie Naraku. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ob sich der werte Naraku da nicht ein wenig zu weit aus dem Fenster lehnt? An Inu Yashas Spontanideen und Sturkopf sind schon ganz andere gescheitert - und die Ermordung Sessshoumarus könnte einfacher zu planen als durchzuführen sein....

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Kagome hatte sich ihre Flitterwochen definitiv anders vorgestellt. Das nächste Kapitel bietet dann auch gleich mehrere Beinahekathasrophen, angefangen von ehelichen Verstimmungen über geschmacksverirrte Wurmdämonen bis hin zu einem Otsvorsteher, dem ein Halbdämon verdächtig und nicht als Daimyo vorkommt.... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel "Nebenwirkungen" zeigt einige Gespräche und Erkentnisse, Narakus neuen Plan und des Taishous Versuch seiner neu entdeckten Vaterrolle genüge zu tun....


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel spazieren Inu Yasha und Co weiter durch Aoi, Naraku ist fleissig.
Nachbarschaftstreffen Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel redet Naraku mit Kagura udn Hakudoshi und erklärt nicht nur sienen etwas fehlgeschlagenen Plan, sondern uach den nächsten...
Und Inu Yasha und Co reden miteinander und entdecken einen winzigen Fehler des lieben Nachbarn - samt sehr vielen Fragezeichen: Kriegsrat.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Inu Yasha wurde in dämonischer Nüchternheit ausgebildet. Fragt sich, was seine nächste Spontanidee ist.... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Da haben wohl beide Seiten Fehler begangen.
Das nächste Kapitel heisst: Brautschau und widmet sich ienem unzufriedenen Erbprinzen.

Übrigens das mit dem Alter Dämon/ Mensch habe ich aus einem Interview mit Rumiko Takahashi, als sie gefragt wurde, wie alt Sesshoumaru wäre und sie diese 45 Jahre angab.


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nennt man Jammern auf hohem Niveau. Und an allem ist der Bruder schuld?
Das nächste Kapitel bietet Einsichten in diverse Ehen, und ja, auch Kagome und Inu Yasha sind wieder rmit von der Partie. Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn er dem bösen Nachbarn nicht gefällt...

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Inu Yashass Spontandeen sollten gefürchtet werden - und sein Instinkt gleich dazu.
Das nächste Kapitel bietet ein unerwartetes Wiedersehen und, äh, die Basis für eine tiefe Freundschaft, doer so.


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach der Weihnachtspause euhc ein frohes neues Kahr

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel dreht sich um Paradiesvögel... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Der Inu no Taishou dürfte bald gewisse Überraschungen in Punkto aller zwei Söhne erleben, Naraku schmiedet einen neuen Plan, denn, wenn Hyouga kommt, sollte er das echte Juwel vorweisen können ...
Wie war das? Leben ist das, was passiert, während man Pläne macht?

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das kann noch heiter werden Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Naraku beginnt ungeduldig zu werden. Das könnte mehr als ein Verbrechen gewesen sein- ein Fehler.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Nur, ob Naraku wirklich vergessen hat, dass ein halber Hund eine gute Nase hat? Und nicht mitbekommt, dass das Juwel wieder da ist udn sich in der Burg befindet?

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das kann noch heiter werden.
Fragt sich nur für wen.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Gute Frage, kleiner Hund. Noch jemand hat sich eingemischt?

Das nächste Kapitel bietet: Einzelkämpfe.


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel gehen die Kämpfe weiter udn es gibt die eine oder andere Überraschung.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Drei Hunde und ein Fuchs haben anscheinend alle Pfoten voll zu tun....


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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste und letzte Kapitel bietet dann Atemholen... Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (51)
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Von:  SUCy
2023-07-01T17:03:55+00:00 01.07.2023 19:03
Haha XD Männer. Na da bin ich gespannt wie der Taishou gucken wird XD und dann bringt er wohl auch Sesshoumaru etwas in Zugzwang
Antwort von:  Hotepneith
02.07.2023 06:45
Ich fand nach all dem Ärger haben sie sich einen etwas optimistischen Ausgang in die ZUkunft verdient.


Danke fürs Mitlesen:)


hotep

P.S.

Als neue story läuft Gefesselt....ich denke, eher amüsant....
Von:  SUCy
2023-07-01T16:44:06+00:00 01.07.2023 18:44
Na das klingt doch eigentlich ganz gut. wollen wir hoffen das dort keine weiteren bösen überraschungen auftauchen
Von:  SUCy
2023-06-18T20:33:43+00:00 18.06.2023 22:33
Na das werden sie ja wohl schaffen!
Antwort von:  Hotepneith
19.06.2023 10:59
Sollte man annehmen....
Aber, wer weiß schon auf was für Ideen da noch wer kommt.


hotep

Von:  SUCy
2023-06-18T20:18:15+00:00 18.06.2023 22:18
Oh man was ein Chaos..
Lass ja den Taishou ganz^^°
Von:  SUCy
2023-06-18T19:54:03+00:00 18.06.2023 21:54
ja, was war nun passiert ^^ Kagomes Traum wohl würde ich mal vermuten.
Die Frage von Sesshoumarus verlobten fand ich ja auch mutig. Wobei, zu wissen das der Zukünftige Ehemann viell aus Spaß strafte, wäre auch nich so witzig gewesen ^^
Von:  night-blue-dragon
2023-05-30T19:19:02+00:00 30.05.2023 21:19
Tja... das wars wohl mit Narakus so tollen Plan. Er ist der erste, der ...hm, kalt gestellt ist.
Die Motten werden auch noch erkennen, dass es ein Fehler war sich mit den Hunden anzulegen.

Es ist wie immer ein Genuss deine Geschichten zu lesen,auch wenn ich nicht so viel kommentiere, wie
du es wahrlich verdient hast.

glg night-blue
Antwort von:  Hotepneith
31.05.2023 07:24
Dankeschön.
Ja, die Geschichte biegt langsam in die Endkurve, ergo sind alle drei Hunde dran... Und natürlich der Neunschwänzige. Es schadet doch nie, unerwartet Verstärkung zu bekommen.

hotep
Von:  night-blue-dragon
2023-05-10T14:17:27+00:00 10.05.2023 16:17
Hi,

wie gut, dass Sesshoumaru nicht die Gedanken seiner Mutter kennt...die würden ihm kaum gefallen.^^
Nun ja... die Figuren werden, für den großen Showdown, langsam in Position gebracht... Du macht es wirklich
- wie immer - sehr spannend.

glg night-blue-dragon
Antwort von:  Hotepneith
10.05.2023 16:29
Danke, es soll ja auch spannend werden

Wer hört schon gern von Mama, dass er ein wenig ..äh...gradlinig denkt....
Das nächste Kapitel heisst Schwerterklang und der Ärger beginnt: ein paar Schmetterlinge tauchen auf, Das shikon no tama entpuppt sich als das begehrteste Objet in Ayama und Inu Yashas, äh, Plan hat einen kleinen Fehler...


hotep
Von:  SUCy
2023-04-25T18:45:33+00:00 25.04.2023 20:45
Die Schnüre ziehen sich enger. Dummer Naraku...

99 Jahre verlobung XD das is schon hart. Aber gut, um Sess zum schmelzen zu bringen, benötigt man schon zeit.
Antwort von:  Hotepneith
27.04.2023 10:44
Fragt sich wo der Plan Narakus steckt, dazu mehr im nächsten Kapitel.

Ja, aber bedenke, Himiko soll ja erst erwachsen werden, da kann sie schon mal viel lernen.Zum Glück hat sie ja ihre Schwiegermutter. >Hm.
Von:  SUCy
2023-04-25T18:22:56+00:00 25.04.2023 20:22
Na so langsam kommen sie der Sache doch näher..
und die Moral von der Geschicht, Naraku will man als Vater nicht. XD
Von:  night-blue-dragon
2023-04-23T18:49:05+00:00 23.04.2023 20:49
Hi,

da braut sich ganz schön was zusammen, die Frage ist dann, ob derjenige, der Wind sät nicht Sturm ernten wird,
der sein unweigerliches Ende im Gepäck hat.
Papa Hund sollte seinem Jüngsten ein bisschen mehr vertrauen, immerhin war es eine Idee InuYasha in diese
Situation zu bringen...bisher hat er ja alles richtig gemacht.
Sesshoumaru und seine anbefohlene Braut... na, vielleicht nähern sie sich ja in den noch 99 Jahren der Verlobung ein
bisschen an.

Spannend ist es in jedem Fall.

Schönen Restsonntag noch. *wink*

glg night-blue-dragon
Antwort von:  Hotepneith
25.04.2023 08:37
Danke. Ich fürchte ja Papa hat ein bisschen ein schlechtes Gewissen, soweit man das über einen dämonischen Fürsten sagen kann, Inu Yasha da reingeworfen zu haben.
Wer Wind sät ...ach ja. Der Titel der Geschichte ist nicht ganz umsonst. Narakus Pläne sind ohne Zweifel doppelbödig. Allerdings hat er sich da einen neuen Partner angelacht, der nicht ganz so einfach zu behandeln ist. Und eigene Pläne hat.
Sesshoumaru und Himiko - sie nähern sich an. Immerhin hat er schon einige Worte an sie verschwendet und sie betrachtet das positiv.. Fast schon romantisch. Für ihn.


hotep


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