Perlmutt von Alaiya (Reki/Langa) ================================================================================ Familienausflug --------------- Reki mochte es nicht wirklich. Nein, das hier war ziemlich uncool, wenn er ehrlich war. Natürlich mochte er den Strand, duh, aber nicht seine Begleitung. Also, klar, eigentlich mochte er seine Familie, aber das hier … „Langa! Langa!“ Nanaka kam zu den beiden Jungen hinübergelaufen. „Schau mal!“ In ihrer Hand hielt sie eine besonders schöne Muschel, in deren Innern Perlmutt silbern glänzte. Langa, lieb wie er war, kniete sich hin und schaute sich die Muschel an. „Die ist sehr schön! Darf ich?“ Das kleine Mädchen nickte mit geröteten Wangen und schaute Rekis Freund an, während dieser die Muschel untersuchte. „Die hat sicher mal eine Perle beinhaltet,“ sagte er dann. „Echt?“ „Ja, ich bin mir recht sicher.“ Nun kam auch Nanakas Zwillingsschwester zu ihnen hinüber. „Eine Perle?“ „Ja, eine Perle.“ „Heißt das, wenn wir suchen, könnten wir vielleicht eine Perle finden?“ Langa lächelte sie an. „Vielleicht.“ Die beiden Mädchen sahen erst ihn mit leuchtenden Augen an, dann einander. Dann nickten sie sich zu und liefen ohne ein weiteres Wort zu verlieren zum Ufer des Meeres hinüber. Reki schenkte seinem Freund einen entgeisterten Blick. „Bring sie nicht auf Gedanken.“ Langa lachte, sein übliches, warmes, herzliches Lachen. Er schaute Reki an. „Lass sie doch. Sie haben Spaß.“ Mit einem Seufzen schaute Reki zu seinen kleinen Schwestern, die in ihren Badeanzügen bereits im Sand knieten und auf der Suche nach weiteren Muscheln oder gar Perlen waren. Es war die Idee seiner Mutter gewesen. Sie waren am Morgen ein paar Kilometer aus Ishigaki rausgefahren, um den Tag an einem der weniger besuchten Strände zu verbringen. Langa war von sich aus mitgekommen, etwas, worum Reki dankbar war. Nicht nur musste er so seine drei Schwestern nicht allein ertragen, er hatte auch seinen besten Freund bei sich. Sein Blick glitt über Langas gut gebauten Körper. Irgendwie hatte der Typ es geschafft auch nach knapp 'nem Jahr hier im Süden blass zu sein wie ein Schneemann. Wahrscheinlich würde er am Ende nur wieder einen Hitzeschlag bekommen. Oder 'nen Sonnenbrand. Reki schüttelte den Kopf, als Langa ihm auf die Schulter klopfte.  „Was sagst du? Eine Runde ins Meer?“ „Ich …“ Zum Antworten kam Reki nicht, da seine andere Schwester, Koyomi sie unterbrach. Sie trug einen recht knappen Bikini und stand nun vor ihnen, Sonnenmilch in der Hand. „Sag, Langa, würdest du mir den Rücken eincremen?“ Natürlich entging Reki die Rötung von Langas Wangen nicht. Ebenso wenig entging ihm die Intention von Koyomi. Rasch riss er ihr die Sonnenmilch aus der Hand. „Ich mach das.“ „Aber …“ „Kein Aber!“ Er scheuchte Koyomi zu ihrem Badetuch hinüber. Pfft. Was war nur mit seiner Familie los, dass sie sich alle an Langa ranmachten? Denn natürlich waren ihm die verstohlenen Blicke der Zwillinge nicht entgangen. Klar, bei denen war's nur so eine Kindergartenverliebtheit, aber nichts desto trotz. Das war Langa, sein Freund. Also, sein komplett platonischer Freund natürlich. „Du bist eine Spaßbremse,“ murmelte Koyomi, während er ihren Rücken eincremte. „Da bringst du schon einen so coolen Freund mit aus der Schule und dann …“ „Langa ist nicht dafür da, von dir angeflirtet zu werden.“ Er patschte die Sonnenmilch nicht besonders ordentlich auf ihren Rücken. Würde schon reichen, damit sie keinen Sonnenbrand bekam. Sein Blick verharrte derweil auf Langa, der zu den Zwillingen hinübersah. Ein leises Seufzen kam über Rekis Lippen. Zu gerne würde er einfach mal zusammen mit Langa irgendwohin rausfahren. Aber irgendwie klappte es nie. Irgendetwas kam immer dazwischen - und sei es, dass sich Miya oder Shadow an sie dranhängsten. Zeit füreinander hatten sie nur, wenn sie im Skatepark gemeinsam Tricks übten. Bald wären sie 18. Dann könnten sie leichter gemeinsam wegfahren. Vielleicht noch mal nach Miyakojima. Dieses Mal ohne Begleitung - und ohne von seltsamen Matschmonstern überfallen zu werden. Reki schauderte bei dem Gedanken. Es waren keine richtigen Monster, sagte er sich. Es konnten keine richtigen Monster gewesen sein. „So, fertig.“ Er machte die Sonnenmilch zu und stellte sie neben seiner Schwester in den Sand. Dann stand er auf und rannte zu Langa hinüber. „Was sagst du zu einem Wettschwimmen?“ „Wettschwimmen?“ Langa sah ihn überrascht an. „Klar. Einfach nur so ins Wasser ist doch langweilig.“ Rekis Mutter horchte auf. „Schwimmt nicht zu weit raus, ja?“ Sie lag auf einem Stuhl unter einem Sonnenschirm und las irgendein Klatschblatt. „Ne! Keine Sorge!“ Zu weit war ja eh eine Frage der Definition. Da hinten, vielleicht hundert Meter von hier, erhob sich eine kleine Insel aus den Wellen. Eine nette Herausforderung. Außerdem ein wunderbarer Ort, um ein wenig Zeit mit Langa allein zu verbringen. Ja, die Idee gefiel Reki und er konnte ein Kribbeln in seinen Wangen fühlen. Langa schien nicht ganz angetan von der Idee. Er seufzte. „Wohin denn?“ „Siehst du die Insel dahinten?“ Langa starrte aufs Wasser hinaus. „Das ist ganz schön weit.“ „Ach komm, dass kriegen wir locker hin!“ Überzeugt sah Langa nicht aus. Er schaute zweifelnd zu Reki, seufzte schließlich aber. „Okay. In Ordnung.“ „Der Verlierer bezahlt dem Gewinner ein Eis!“ Noch ein Seufzen. „In Ordnung.“ Gemeinsam gingen sie den Strand hinab zu der Stelle, wo die flachen Wellen auf den Strand trafen. Reki schenkte seinem Freund ein Grinsen. „Bereit?“ „Bereit.“ „Okay! Drei-Zwei-Eins-Los!“ Schon sprintete Reki ins Wasser hinein, bis es ihm knapp zur Hüfte reichte. Dann warf er sich in die Fluten. Er mochte Schwimmen nicht so gern, wie Skaten - duh, er mochte kaum etwas so gern wie Skaten - aber er war nun einmal auf Okinawa aufgewachsen. Er hatte von seiner Kindheit an so viele Stunden am Strand verbracht, hatte in den Wellen das Schwimmen gelernt. Seine Form war vielleicht nicht die beste, doch er schaffte es ohne Probleme zu kraulen, legte sogar ein gutes Tempo voraus. Mehrfach musste er seinen Kurs korrigieren - leider hatte er beim Kraulen einen leichten Rechtsdrall - doch hatte er die kleine Insel in wenigen Minuten erreicht. Keuchend kam er aus dem Wasser, streckte sich. „Ha! Erster!“ Er grinste über das ganze Gesicht und sah sich zu Langa um. Dieser hatte nicht mal die halbe Strecke geschafft und kämpfte. Er kraulte nicht, benutzte stattdessen einen Schmetterlingsstil. Na ja, das traf es nicht ganz. Sein Stil war eher „ertrinkender Hund“. Da kam eine etwas größere Welle - nichts außergewöhnliches, wirklich - und schwupps, war da kein Langa mehr. „Langa?“, rief Reki und wartete darauf, dass sein Freund wieder auftauchte. Da kamen die hellen Haare wieder zum Vorschein, doch Langa schnappte arg nach Luft. Er versuchte wieder ins Schwimmen zu kommen, schaffte es aber nicht, sich gegen die kommende Welle zu wappnen. Wieder wurde sein Kopf kurz unters Wasser gedrückt. Dabei hatten sie keinen nennenswerten Seegang. Reki starrte für einen Moment aufs Wasser hinaus, ehe ihm ein Gedanke kam: Vielleicht brauchte Langa Hilfe! „Scheiße,“ murmelte er und sprang schon wieder ins Wasser. „Langa!“ Wieder war dieser halb verschwunden, tauchte einen Moment später aber wieder auf. Dann war Reki bei ihm, griff nach seinem Arm und wurde prompt ins Gesicht geschlagen. „Hey, verdammt, Langa. Ich helfe dir!“ Prustend tauchte das Gesicht Langas vor ihm auf. Er brauchte einen Moment, um zu verstehen. „Was?“ „Ich helfe dir,“ erwiderte Reki genervt. „Halt dich einfach an mir fest, ja?“ „Aber dann …“ „Mach einfach.“ Damit zog Reki Langas Arm über seine Schulter, dann den anderen. Mit beiden Armen um seinen Hals, konnte er Langa ziehen. Immerhin war Langa noch nicht ganz ertrunken und konnte mit den Beinen ein wenig nachhelfen, bis sie die kleine Insel erreichten. Keuchend und prustend ließ sich Langa in den Sand fallen und starrte zum strahlendblauen Himmel hinauf. Dann lachte Reki. „Wow, du bist richtig scheiße im Schwimmen!“ Langa zog eine Schnute. „In Kanada kann man nur im Schwimmbad schwimmen, weißt du?“ „Aber Kanada hat auch Meer.“ „Aber das ist schweinekalt!“ Darüber dachte Reki einen Moment nach. „Du willst mir sagen, dass du seit 'nem Jahr auf Okinawa lebst und noch nicht wirklich im Meer geschwommen bist?“ Langa schüttelte den Kopf und entlockte Reki ein weiteres Lachen. „Sieht aus, als müsste ich dir auch noch 'nen Schwimmkurs geben!“ Ein Seufzen blieb Langas einzige Antwort. Nun ließ sich auch Reki in den Sand fallen und schaute zum Himmel hinauf. Es war echt ein wunderschöner Tag. Dabei war gerade erst April, aber hier im Süden reichten die Temperaturen lange aus, um Schwimmen zu gehen und sich zu sonnen. Über ihnen schwebten ein paar Möwen durch die Luft. Es war perfekt. Rekis Hand lag so nahe bei Langas, dass er die Wärme des anderen spüren konnte. Ein doofer Gedanke kam ihm: Er könnte seine Hand nur ein wenig bewegen, könnte sie in die Langas legen. Aber ne, das war eine echt blöde Idee. Das würde, ja, was eigentlich? Es wäre komisch. Das wäre es. Also ließ Reki es sein, drehte jedoch den Kopf, um Langa anzusehen. Dessen Atem hatte sich mittlerweile etwas beruhigt. Er hatte die Augen geschlossen. Seine Wimpern waren so seltsam lang, fast wie die Wimpern eines Mädchens. Sie waren nicht ganz so hell, wie Langas eigentliches Haar, hatten so einen Kontrast zu seiner blassen Haut. Götter, was dachte er schon wieder? Um die Gedanken loszuwerden, knaufte er Langa in die Seite. „Du schuldest mir ein Eis.“ Langa blinzelte, seufzte dann lang und schwer. „Dafür muss ich erst wieder an den Strand zurückkommen.“ Ein leises Lachen stieg in Rekis Kehle hervor. „Was willst du sonst machen? Auf der Insel campen?“ „Vielleicht tue ich das.“ Langa schloss die Augen. „Ja. Ich lebe hier jetzt.“ Dennoch umspielte ein Grinsen seine Lippen.     Am Ende kamen sie dennoch irgendwie wieder an den Strand zurück ohne das Langa ertrank. Reki müsste wirklich überlegen, ihm noch Schwimmunterricht zu geben. Das hier ging so wirklich gar nicht. Es war ziemlich erbärmlich. Auch jetzt keuchte Langa, als er am Strand ankam. Für jemanden, der eigentlich so sportlich war, hatte er im Schwimmen keine Ausdauer. Kaum, dass sie wieder hier waren, kamen die Zwillinge angelaufen. „Langa! Langa!“ Sie hatten weitere Muscheln gesammelt - nun in einem kleinen Eimer. „Wir haben noch mehr Glänzmuscheln!“ Es war deutlich, dass Langa sich lieber ausruhen wollten. Dennoch schaffte er es ein Lächeln auf seine Lippen zu beschwören. „Wow. Das sind eine ganze Menge.“ „Ja. Da hinten sind ganz viele!“ Die beiden zeigten auf einen Wellenbrecher ein Stück den Strand hinab. „Passt auf, wenn ihr da seid,“ murrte Reki. „Die Strömungen da können tückisch sein.“ Die beiden Mädchen schenkten ihm einen empörten Blick. „Wir sind ja vorsichtig.“ Reki schüttelte den Kopf. Am Ende würde er noch einmal Rettungsschwimmer spielen dürfen. Er sah es schon kommen. Dennoch schüttelte er den Kopf. „Wir holen Eis. Wollt ihr auch was?“ „Eis!“, jubelten die beiden. Koyomi sah von ihrem Smartphone auf. „Ihr holt Eis?“ „Ja,“ murrte Reki. „Bringt mir eine Soda mit.“ „Klar.“ „Geht ihr zum Kiosk?“, fragte nun auch seine Mutter und brachte Reki damit seine Augen zu verdrehen. „Jaha!“ „Dann bringt mir doch bitte auch noch eine Flasche Wasser mit.“ Am Ende hatten sie eine kleine Einkaufsliste, als sie sich auf ihre Skateboards schwangen, um den knappen Kilometer zum nächsten Kiosk zurückzulegen. Sie würden sich auf dem Rückweg sputen müssen, damit das Eis nicht schmolz. Nicht dass es Chihiro und Nanaka stören würde. Die Straße schlängelte sich an der Küste entlang, brachte sie dazu sich immer mal wieder in eine seichte Kurve zu legen. Von Langas ursprünglicher Unsicherheit beim Skaten war wirklich nichts mehr übrig geblieben. Er war vollkommen elegant, praktisch ein Profi. Der Kiosk wurde von einer alten Frau betreut. Eine Katze lag auf dem Tresen bei der Katze und schlief seelenruhig, während die alte Dame ebenfalls zu dösen schien. Direkt vor dem Kiosk war einer der belebteren Strände der Insel, wo nun in den Frühjahrsferien auch reges Treiben herrschte. Rasch hatten sie ein wenig Eis am Stiel, eine Zeitschrift für Rekis Mutter, ein paar Getränke und ein paar Yakitori-Spieße eingepackt. Das Windspiel über der Tür klirrte, als sie sich wieder auf den Weg machten, jeder von ihnen eine Tüte in der Hand. „Was sagst du, Reki, noch ein Rennen?“ Reki schenkte Langa einen Seitenblick. Er war wirklich kein guter Verlierer. Dennoch grinste Reki nur. „Aber sicher doch!“ „Wer zuerst beim Auto ist.“ „Klar! Drei-Zwei-Eins …“ Eigentlich sollte Reki sich keine Illusionen machen. Gegen Langa kam er nicht mehr an. Man könnte fast meinen, Langas Board wäre mit 'nem magischen Zauberspruch belegt, denn mit nur wenigen Stößen schaffte er bereits eine irrsinnige Geschwindigkeit aufzubauen. Er glitt einfach über die Straße hinweg. Doch so leicht ließ sich Reki nicht abhängen, verdammt. Kräftig stieß er sich von der Straße ab, versuchte aufzuholen. Denn hier war eine wichtige Tatsache: Auf Reki hasste es zu verlieren! Also gab er alles, versuchte das Gleichgewicht optimal zu verlagern, versuchte den Rückenwind zu nutzen. Am Ende schaffte er es zumindest nicht haushoch zu verlieren - kam nur drei Sekunden nach Langa an und keuchte nun seinerseits. Zwei hungrige kleine Mädchen warteten bereits auf sie. „Eis! Eis! Eis!“ Reki grinste, als er das Eis aus der Tüte nahm. „Ich muss mal sehen, ob ich euch etwas davon abgebe,“ meinte er und öffnete die Eistüte, um selbst genüsslich daran zu leckern. „Reki ist doof!“ Er lachte. „Das muss ich auch sein.“ Dabei entging ihm Langas Grinsen nicht. Im nächsten Moment spürte er Langas Finger in seinen Seiten, als dieser ihn zu kitzeln begann. Atemloses Lachen kam über Rekis Lippen, als er sich krümmte und Langa erlaubte, ihm die Einkaufstüte abzunehmen. Schon hockte sich Langa vor die Zwillinge und gab ihnen das Eis. „Hier.“ „Langa ist so cool!“, schwärmte Chihiro. „Der coolste“, stimmte Nanako zu. „Nein, Langa ist voll gemein“, keuchte Reki. Beide Zwillinge streckten ihm die Zunge raus. „Nein, du bist gemein!“ Damit rannten sie weiter den Strand hinunter. Bald schon hatten sie die Bestellungen verteilt, saßen selbst im Schatten einer Palme auf dem Sand, aßen ihr Eis. „Es muss schön sein,“ murmelte Langa, während er in sein Eis biss. „Hmm?“ „Deine Familie. Es ist immer was los. Das muss schön sein.“ „Schön? Es ist einfach nur super nervig“, murmelte Reki. „Meine Schwestern sind einfach immer so nervig und …“ „Ich denke, es ist schön“, erwiderte Langa. „So lebhaft.“ Reki schaute seinen Freund an. Natürlich. Langa hatte nur noch seine Mutter, seit sein Vater gestorben war. Ob er sich auch Geschwister wünschte? Wahrscheinlich. Jedenfalls schien es Reki so. Nun, vielleicht war es auch kein großes Wunder. Jeder wünschte sich das, was er nicht hatte. Reki wünschte sich häufig, das Haus einmal für sich allein zu haben und nicht von irgendeiner Schwester genervt zu werden. Etwas Eis tropfte auf seine Schwimmhose und ließ ihn Schaudern, brachte Langa zum kichern. Reki seufzte. Er schaute auf das Meer hinaus. „Wenn wir 18 sind, müssen wir unbedingt mal zusammen wohin. Nur wir beide. Irgendwohin.“ „Klingt nach einer guten Idee“, erwiderte Langa leise. Er schwieg für einen Moment. „Irgendwann will ich dir auch mal Kanada zeigen, weißt du?“ Reki lächelte. „Das fänd' ich cool.“ „Dann zeige ich dir, wie man snowboarded.“ Das konnte nur schief gehen. Reki wusste, dass er schon auf dem Skateboard überdurchschnittlich anfällig für Unfälle war. „Klar“, sagte er dennoch. Da spürte er etwas, das ihn überraschte. Langas Finger schoben sich zwischen die seinen. Dabei sagte Langa nichts, er sah ihn nicht einmal an. Er saß nur da, Eis in der Hand, seine Finger ein Stück zwischen die Rekis geschoben. Auch Reki sagte nichts. Denn er wusste nicht, was zur Hölle er sagen sollte. Doch ließ er seine Hand da und genoss die seichte Berührung.     „Nimm das!“ Koyomi holte mit der Hand aus und schmetterte den Wasserball in Rekis Richtung. Wäre es ein Volleyball gewesen, hätte es wohl wehgetan, als der Ball Kontakt mit Rekis Gesicht machte, so aber schenkte er ihr nur einen beleidigten Blick. „Wir hätten dich nicht mitspielen lassen sollen.“ Seine Schwester grinste. „Du bist halt nur ein schlechter Verlierer.“ Er schaute auf den Ball in seiner Hand. Er war gefangen, nicht im Wasser gelandet, also hatte er definitiv keinen Punkt verloren. „Pah!“ Er warf den Ball in die Luft und spielte ihn absichtlich zu hoch für Langa. „Noch habe ich nicht verloren!“ Langa rannte durch das Wasser rückwärts, um den Ball doch noch zu erwischen. Mit der Faust schaffte er es gerade noch den Ball in Richtung Koyomis zu Schmettern, die wundersamerweise keinerlei Probleme damit hatte ihn zu erwischen. Es war schon seltsam, obwohl Koyomi die selbe Tendenz hatte, sich auf die Schnauze zu legen, wie Reki, so war sie mit Bällen doch seltsam talentiert. Zwar kam sie vom Volleyball immer mal wieder mit einigen Blessuren zurück, aber hey, anders sah's bei Reki mit dem Skating ja auch nicht aus. Schon wieder kam ihr Ball in einem hohen Bogen, mit Absicht links von Reki platziert, der weiter ins Wasser waten musste, um ihn zu erwischen. Und klar, er bekam ihn noch, doch hatte der Ball so wenig Drall, dass er nur einen Meter von Reki entfernt landete. „Buh! Reki, du bist lahm!“, rief Koyomi. Er streckte ihr nur die Zunge raus, ehe er den Ball auflas, um ihn ordentlich zu Langa hinüber zu spielen. Dieser schaffte einen besonders hohen Sprung, um ihn abzufangen. Die Sonne fing sich an seinem Körper, während er in die Höhe sprang, ließ die Wassertropfen auf seinem Oberkörper glänzen. Schon hatte er den Ball an Koyomi gespielt, die ihn, noch bevor Reki den Blick abgewendet hatte, an Reki weiterspielte. Wieder einmal landete der Wasserball in Rekis Gesicht. Dieses Mal fiel er einfach nach unten ins Wasser, brachte Koyomi zum Lachen. „Konzentrier dich doch mal!“ „Ja“, murrte Reki. So ging es noch eine Weile weiter. Nicht, dass sie wirklich eine Chance gegen Koyomi hatten. Als Volleyballerin hatte sie einfach einen komplett anderen Umgang mit dem Ball, als die beiden Jungs. Mehrfach änderten sie die Richtung, in der sie den Ball spielten, doch daran änderte sich nichts. Es war, als Koyomi den Ball besonders hoch pritschte, dass dieser von einem Windstoß ergriffen und weiter in Richtung Strand getragen wurde. Dort rollte er durch den Wind geschoben ein Stück den Sand hinauf, ehe er in einer Kuhle liegen blieb. „Ich hole ihn schon“, murmelte Langa und machte sich auf den Weg. Koyomi schaute ihm anerkennend hinterher, dann aber kam sie zu Reki hinüber, knaufte ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. „Pass auf, dass dir die Augen nicht ausfallen.“ Empört starrte er sie an. „Wovon redest du?“ „Oh, bitte, Brüderchen. Du bist sowas von verknallt!“ Schon spürte Reki, wie seine Wangen zu brennen begannen. „Gar nicht wahr.“ Es war ganz sicher nicht wahr. Langa war halt nur sein Freund. Sein höchst platonischer Freund. „Uhum.“ Seine Schwester schenkte ihm einen vielsagenden Blick, als Langa den Ball erreicht hatte und ihn aufsammelte. „Ich sag dir eins. Wenn du nichts sagst, wird er dir weggeschnappt.“ „Von wem? Von dir?“ Sie grinste. „Vielleicht.“ „Du bist viel zu jung.“ „Ach, in ein paar Jahren macht das keinen Unterschied mehr.“     „Autsch“, zischte Langa, während Reki ihm die Schultern einschmierte. „Du bist echt ein Schneemann.“ Reki verteilte die Lotion vorsichtig über die gerötete Haut. „Dabei hattest du schon Sonnenmilch drauf.“ Langa seufzte nur schwer. Es war gerade einmal Nachmittag und er hatte schon einen Sonnenbrand auf den Schultern. Was sie beim Spielen nicht bemerkt hatten, hatte sich gleichmäßig über seine Schultern und seine Nase verteilt. Reki konnte diesen Typen einfach nicht glauben. Konnte nicht richtig schwimmen und bekam bei jeder Kleinigkeit einen Sonnenbrand oder Hitzeschlag. Dann aber kamen ihm die Worte seiner doofen Schwester in den Kopf. Im nächsten Moment fiel ihm auf, dass die Berührung zwischen ihnen gerade in einer anderen Situation auch intim hätte sein können. Sofort riss er seine Hände zurück. Langa blinzelte ihn an. „Was ist los?“ „Ich …“ Tja, was eigentlich? „Da ist eine Spinne.“ „Eine Spinne?“ Leichte Panik schwang in Langas Stimme mit und seine Hand wanderte automatisch zu seinem Rücken, um das nicht existente Tier zu verscheuchen. Reki überwand sich. Rasch tat er so, als würde er ein Insekt verscheuchen. „Da, sie ist weg.“ Erleichtert atmete Langa auf. Dann setzte er sich neben Reki. „Weißt du, beim Snowboarding habe ich mir auch immer einen Sonnenbrand geholt.“ Schon wieder lachte Reki. „Wie?“ „Na ja, es gab halt meine Stirn und meinen Mund - und der Schnee reflektiert die Sonne gut.“ Lachend klatschte Reki auf Langas Schulter, ließ ich dabei schmerzhaft zusammenzucken. „Wir müssen dich von oben bis unten einpacken, was?“ Langa lachte verlegen. „Ja, vielleicht müssen wir das.“ Ungläubig schüttelte Reki den Kopf und sah auf das Meer hinaus. Gerade schwamm Koyomi ein paar Runden parallel zum Strand, während die beiden Zwillinge noch immer irgendetwas bei dem Wellenbrecher taten. Weiterhin schwebten ein paar Möwen verträumt im Wind. Rekis Mutter neben ihnen im Schatten des Sonnenschirms war schon lange eingeschlafen. Reki sah zu Langa hinüber. Er wusste vor allem eins: Seine Schwester war einfach nur doof. Nur wegen ihr hatte er jetzt schon komische Gedanken. Verknallt. Pah. Er doch nicht. Er hatte keinen Platz für so etwas in seinem Leben. Seine einzig wahre Liebe war das Skaten! Nur, dass er diese Liebe mit Langa teilte. Dieser bemerkte seinen Blick. „Ist etwas?“ Rasch starrte Reki zurück aufs Meer. „Nichts. Gar nichts.“ Quatsch. Das war alles Quatsch. Er war nicht in Langa verknallt. Seine Schwester projizierte nur. Das musste es sein. „Reki?“ „Hmm?“ „Wollen wir morgen wieder zu S?“ „Mhm.“ Hoffentlich war etwas los. Reki hasste es noch immer, dass er so selten gewann. Irgendwann würde er auch noch besser werden. Bis dahin … „Reki?“ „Hmm?“ „Worüber denkst du eigentlich nach?“ „Nichts wirklich.“ Er zuckte mit seinen Schultern. „Vielleicht ist mir auch einfach nur ein bisschen zu heiß.“ Es war ein verdammt warmer Tag. Selbst für Okinawa. Jedenfalls für den April. Und selbst wenn der Wind vom Meer erfrischend war, so konnte er die Hitze nicht ganz vertreiben. „Du würdest wahrscheinlich frieren, in Kanada.“ „Wahrscheinlich.“ Reki schaute noch einmal kurz zu seinem Freund hinüber. Seine linke Hand lag genau zwischen ihnen auf der Picknickdecke. Er könnte … Aber nein! Oder doch? Ohne Langa anzuschauen, tat er dasselbe, was dieser vorher gemacht hatte. Vorsichtig schob er seine Finger zwischen die Langas. Zu seiner Überraschung griff dieser seine Hand, hielt sie fest. Sie sahen einander nicht an, aber Reki musste zugeben, dass es sich gut anfühlte. Aber das hieß nicht, dass er in Langa verknallt war. Nur, dass … Na ja, irgendetwas halt. Er schnaubte leise. „Was ist?“, fragte Langa. Wieder zuckte Reki mit den Schultern. „Meine Schwester ist doof.“ Leise lachte Langa. „Ich glaub, dass sagen alle Brüder über ihre Schwestern.“ Und dennoch saßen sie einfach dort, die Finger ineinander verschränkt. Reki hatte keine Ahnung, was das eigentlich bedeuten sollte, aber irgendwie, ja irgendwie mochte er es. Obwohl ihre Hände verschwitzt waren und sich Sand dazwischen gesammelt hatte. Ab und zu wagte er einen verstohlenen Blick zu Langa hinüber und ab und an stellte er fest, dass dieser den erwiderte. Auch seine blassen Wangen waren gerötet. Was zur Hölle sollte das denn heißen?! „Langa!“ Der Ruf ließ Reki aus seinen Gedanken aufschrecken. Fast automatisch zog er seine Hand weg, als seine beiden kleinen Schwestern auf sie zugelaufen kamen. „Langa!“, riefen beide synchron. Schon erschien dasselbe weiche Langa-Lächeln auf dessen Gesicht. „Was ist?“ Chihiro hielt etwas hinter ihrem Rücken versteckt. Das konnte ja nur etwas Ungutes bedeuten. „Wir haben was für dich gemacht,“ flüsterte sie. „Ja?“ Die beiden Zwillinge tauschten einen Blick aus, dann holten sie etwas hervor. Es war eine Kette, geschaffen aus kleinen Muscheln und was wohl eine Fischerleine war, die sie gefunden haben mussten. „Das ist für dich!“ Selbst dem ruhigen Langa verlangte es einiges ab, das Gesicht nicht zu verziehen. Er lächelte, nahm die Kette entgegen. „Vielen Dank. Das ist ja lieb von euch!“ Erwartungsvoll sahen die beiden kleinen Mädchen ihn an. „Ich glaube, du musst sie anziehen“, flüsterte Reki. Langa konnte sich das Seufzen nicht ganz verkneifen und zog sich die Kette über den Kopf. „Die ist wirklich schön“, log er. „Freust du dich?“, fragten die beiden Mädchen. „Ja, sehr.“ Reki musste sich auf die Zunge beißen, um nicht loszuprusten. Fast war er dankbar, dass er meistens nur der „blöde große Bruder“ war.     Die Sonne senkte sich bereits dem Meer entgegen, während die beiden Jungen die Straße entlang skateten. Rekis Familie war bereits mit dem Auto zurückgefahren, doch, hey, es waren nur knapp fünf Kilometer bis zur nächsten Busstation. Die konnten sie auch skaten. Vor allem bedeutete es ein wenig Ruhe. Und ein wenig Zeit zu zweit. Nicht, dass das Reki irgendetwas bedeuten würde. Die Straße war nicht im allerbesten Zustand, ließ die beiden Boards immer mal wieder ruckeln, doch keiner von ihnen verlor das Gleichgewicht. Dieses Mal skateten sie nicht schnell, sondern gemütlich. Im roten Licht der untergehenden Sonne schimmerte Langas helles Haar fast wie eine Feuermähne. Nichts vom Schneejungen. Er skatete ein Stück voraus, seine Augen auf den Horizont gerichtet. Dann aber verlor er an Tempo, bis er mit Reki auf einer Höhe war. „Hmm? Was ist, Langa?“ „Nichts“, erwiderte dieser. „Ich habe nur überlegt.“ „Worüber?“ „Du hast noch gar nicht richtig meine Mutter kennengelernt.“ „Huh.“ Jetzt wo Reki darüber nachdachte, stimmte es. Er hatte Langas Mutter ein paar Mal gesehen, aber wirklich gesprochen hatte er mit ihr noch nie. „Du hast Recht.“ „Magst du vielleicht, ich weiß nicht, nächstes Wochenende einfach mal zu mir kommen. Wir könnten Netflix schauen oder so. Meine Mutter freut sich sicher.“ Reki sah ihn an. Das wäre tatsächlich einmal was anderes. Die meiste Zeit, wenn sie zusammen abhangen, skateten sie, sprachen über das Skaten, arbeiteten an Langas Skateboard oder schauten sich Skatevideos an. Aber einfach nur so Zeit mit Langa verbringen klang irgendwie auch … schön. Er lächelte. „Klar.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)