Die Tragödie in der Buchhandlung von KiraNear ================================================================================ Kapitel 3: Ermittlungen ----------------------- ~ Takagi ~   Als hätte Takagi mit seiner Aussage ein Signal gegeben, kamen sowohl seine Kollegin Sato wie auch die beiden Polizisten von der Spurensicherung zurück in den Verkaufsbereich. Sie alle drei trugen sehr ernste Minen im Gesicht, was Takagi ernüchternd zur Kenntnis nahm. „Und, was haben Sie herausfinden können?“, fragte Takagi einen der beiden, doch sein Blick lag immer noch auf Satos bedrücktem Gesichtsausdruck. Von ihr erhielt er auch schließlich die Antwort auf die Frage, die ihm auf der Seele brannte. „Leider nichts Gutes, Takagi, so gern auch etwas anderes sagen möchte“, sagte Sato und verschränkte die Arme vor der Brust. „Unsere Kollegen haben ihre Arbeit so gut wie möglich erledigt, und sind zu folgenden Schluss gekommen: Dass es sich um einen Mord handelt, nicht um einen Unfall oder die Folge einer schweren Krankheit. Einen Mordversuch, den der arme Herr Kitai leider nicht überstanden hat.“ Schockiert suchte Frau Izanagi den Trost in Herrn Yagamis Armen, in welchen sie ihrer Trauer freien Lauf lies. Dieser blickte dagegen entgeistert die Polizisten an. Conan, der es bereits länger vermutet hatte, beobachtete dagegen den zweiten Kunden, welcher ein wenig an Farbe im Gesicht verloren hatte. Die einzige Person, die diese Meldung nicht erschütterte, war Gin, der nach wie vor seine Nase in dem deutschen Medizinbuch vergraben hatte. „Es gab leider nicht sehr viele Anzeichen eines Kampfes, was dafürspricht, dass der Herr im Lagerbereich umgebracht worden war. Er wurde wohl bewegt, zumindest machte er den Eindruck, als wäre er ganz sachte abgelegt worden“, begann einer der Spurensicherungsmitarbeiter zu erklären, als aus Frau Izanagis Richtung ein lauter Schluchzer zu hören war. „Das … das war ich. Ich habe ihn ein wenig hochgehoben und versucht ihn zu wecken, da wusste ich noch nicht, dass er … ich dachte, er wäre bloß ohnmächtig geworden und dass man ihm vielleicht noch helfen könnte.“ Sofort drehte sie sich wieder zurück in die tröstende Umarmung von Herrn Yagami, während dieser ihr mit langsamen Bewegungen den Rücken streichelte. Sowohl die Spurensicherung als auch die Polizisten nahmen diese Information zur Notiz, beschlossen jedoch stumm, nicht näher darauf einzugehen. „Was habt ihr noch herausgefunden?“, wollte Takagi nun wissen, um das Thema wieder auf die richtige Spur zu finden. Und dieser Bitte ging sein Kollege auch sofort nach. „Unseren Vermutungen nach stand der Täter hinter dem Opfer und hat es mit einem dünnen Seil erdrosselt, bis Herr Kitai schließlich aus Sauerstoffmangel den Tod fand. Wir haben noch ein paar einzelne Kratzspuren gefunden, zu mehr war er wohl bereits nicht mehr in der Lage. Von der Tatwaffe fehlt allerdings jede Spur und weitere Spuren haben wir leider nicht finden können. Der Tod dürfte noch nicht so lange her sein, vermutlich in den letzten ein bis zwei Stunden, doch genaueres könnten wir erst nach einer Autopsie feststellen“, sagte der Beamte dem aufmerksamen Takagi, welcher sich sofort alles notierte, was ihm genannt wurde. Mit einem ernsten Gesichtsausdruck verschloss er das Buch, kaum, dass er fertig war. „Danke, damit haben Sie uns schon sehr weitergeholfen. Können Sie bitte den beiden Notärzten draußen Bescheid geben, dass Sie fertig sind? Denn die Notärzte würden den Leichnam abtransportieren wollen. Achja, Sato, ich kann dir schon mal die Adresse des Krankenhauses nennen wie auch ein paar erste Aussagen, die ich bereits von den anwesenden Personen genommen habe.“ Sato nickte ihm ein wenig zu. „Vielen Dank, das wäre sehr hilfreich. Ich kann dir dafür die Informationen geben, die ich dort gesammelt habe, auch wenn es nicht so viel sein werden.“ Um so viel Privatsphäre wie möglich zu haben, gingen die beiden in eine ruhige Ecke, weit genug aus der Hörweite der restlichen Anwesenden und begannen sich über ihre aktuellen Wissensstände auszutauschen. Sowohl Sato als auch Takagi hatten beide ihr Notizbuch gezückt und schrieben auf, was ihr Gegenüber ihnen jeweils erzählte.   Conan dagegen, der der Meinung war, von Sato nichts neues zu erfahren, begann dagegen damit, sich die Anwesenden nach und nach anzusehen. Ihre Reaktionen zu beobachten und herauszufinden, ob sich irgendwelche Hinweise oder Indizien bei ihnen befinden würden. Schon mehr als oft genug hatte Kommissar Zufall ihm die nötigen Hinweise in die Hände gespielt, verursacht dadurch, dass sich die Täter ihrer Sache viel zu sicher gewesen waren. Oder dass sie aus Angst kleine Fehler machten, die ihrer Aufmerksamkeit entgangen waren. Die Tür des Geschäftes wurde geöffnet und Conan erkannte, wie die Sanitäter die Leiche von Herrn Kitai respektvoll, aber schnell herausbrachten. Zwar hatten sie die sterblichen Überreste des Buchhändlers in einen schwarzen Bodybag verpackt, dennoch wusste jeder, was sich darin befand. Einen Umstand, den Frau Izanagi mit einem weiteren, lauten Schluchzer kommentierte, gefolgt von hörbar lautem Weinen. Daher konnte Conan ihr Gesicht nicht sehen, es sich aber mehr als gut vorstellen. Herrn Yagami, welcher die Frau nach wie vor versuchte zu trösten, stand ebenfalls eine Mischung aus Schmerz und Schock ins Gesicht geschrieben. Doch er versuchte sich für die Frau in seinen Armen zusammenzureißen, wie ein Felsen in der Brandung zu stehen, an welchem sie sich festhalten konnte. Conan sah sich weiter um, versuchte einzuschätzen, welcher von ihnen als Täter in Frage käme. In seinem Kopf begann er, erste Überlungen anzustellen. Frau Izanagi kann es auf keinen Fall sein, sie habe ich durchweg an der Kasse gesehen, den Ort hat sie nur verlassen, um mir mein Buch zu holen und als sie nach dem Opfer gesehen hatte. Kommen nur noch die drei Herren hier in Frage… wobei ich nicht glauben kann, dass Gin so blöd wäre, hier einen Mord zu begehen, hier an dieser Stelle, an der man das Opfer recht zeitnah entdecken kann. Nein, Gin macht sowas heimlich, im Verborgenen, im Schutz des Chaos, in dem es kein anderer Mensch mitbekommt. Außerdem hat er noch nie jemanden erdrosselt, soweit ich weiß… stellt sich nur noch die Frage, wer von ihnen war es? Her Haruta oder Herr Yagami? Die beiden habe ich nicht ständig im Auge gehabt, es könnte also sein, dass die beiden das irgendwann erledigt haben. Die Tatsache, dass Herr Kitai so gut wie immer alleine im Lager arbeitete, spielte dem Täter sicherlich auch in die Hände…   ~ Conan / Shinichi ~   Während Conan sich weiterhin erste Gedanken machte, wanderte er durch die Buchhandlung und versuchte, wie ein kleines Kind zu wirken. Nicht wie eines, das nachdachte, sondern eins, das gedankenlos herumlief und höchstens kindlichen, harmlosen Gedanken nachging. Ihm war bewusst, dass er nicht auffallen durfte, je weniger Gin von ihm wahrnahm, desto besser. Irgendwann hatte seine kleine Wanderung ihr Ziel gefunden und er stand direkt neben den beiden Polizisten, hörte, wie sie erste Theorien bezüglich des Falls miteinander austauschten. Schnell warf er einen kurzen Blick zu Gin, doch dieser schien sich in seiner Beschäftigung, diverse deutsche Medizinbücher durchzublättern, nach wie vor nicht stören. Für einen kurzen Moment erleichtert, blickte Conan ein willkürliches Regal vor sich an, doch seine Aufmerksamkeit gehörte alleine dem Gespräch zwischen den beiden Polizisten. „Wenn es blöd kommt, werden wir unseren Urlaub verschieben müssen. Zumindest, wenn es uns heute nicht gelingen sollte, den Täter zu finden“, sagte Sato nachdenklich, während sie ihre Notizen betrachtete. Während sie sich nichts anmerken ließ, entglitten Takagi dagegen sämtliche Gesichtszüge. „Was willst du denn damit sagen? Wir wollten ihn doch morgen bereits beginnen! Das Hotel und die Zugtickets, das ist doch bereits alles gebucht, das können wir doch nicht verschieben“, begann er zu stammeln. Sato verschränkte die Arme vor ihrer Brust und sah Takagi mit einem ernsten Blick an. „Wie du weißt, lautet bei uns die Regel: Jeder Polizist arbeitet an seinen Fall, bis es nicht mehr geht. Und für einen Urlaub können wir den Fall nicht einfach liegen lassen, möglichweise entkommt der Täter. Ich bin mir sicher, mit dem Hotel und der Zuggesellschaft werden wir zur Not alles klären können.“ Als würde die Antwort auf all ihre derzeitigen Probleme irgendwo im Raum stehen, begann Takagi diesen abzusuchen, wurde jedoch nicht fündig. Bis sein Blick auf Conan festhing. „Nun, möglicherweise haben wir aber auch sehr viel Glück. Immerhin ist der kleine Conan ebenfalls anwesend und wie du weißt, wenn er in der Nähe ist, dann lösen sich die Fälle fast schon von alleine.“ Auch wenn er heute ziemlich ruhig ist, im Gegensatz zu sonst auch immer. Normalerweise hätte er längst alles abgesucht und jeden Anwesenden hier mit seinen vielen neugierigen Fragen genervt … was wohl mit ihm los ist? Hat Kogoro mit ihm geschimpft? Vielleicht sollte ich mit ihm mal reden… Sato folgte seinem Blick und sah nun ebenfalls Conan, welcher sich krampfhaft verschiedene Buchrücken ansah. Ihre Lippen zuckten und ihre Körperhaltung wurde ein wenig lockerer. „Das stimmt. Solange der kleine Conan und oder Mori in der Nähe sind, ist der Fall schon so gut wie gelöst. Aber damit es auch dazu kommt, müssen wir beide nun hart dafür arbeiten. Gut, dass du vorausschauend die Verdächtigen bereits befragt hast. Nun müssen wir nur noch ihre Alibi abgleichen, möglicherweise ergeben sich daraus bereits erste Punkte.“ Verlegen kratzte Takagi sich am Hinterkopf, dieses Mal konnte er Sato nicht in die Augen sehen. „Verzeih mir, dass ich das nicht getan habe, daran hätte ich denken müssen.“ Doch Sato schien es nicht zu stören, sie schüttelte den Kopf und sah ihn aufmunternd an. „Wataru, mach dir da bitte keine Vorwürfe. Immerhin sind wir ja beide anfangs von einem Unfall ausgegangen und da sind Alibis etwas, an das man bei der Befragung von Zeugen weniger im Hinterkopf hat. Dennoch hat uns deine Vorarbeit bereits geholfen, darauf können wir möglicherweise aufbauen.“ Sato schenkte ihm neben ihrer aufbauenden Worte noch ein warmes Lächeln und das schien genug zu sein, um Takagis Lebensgeistern einen neuen Elan zu verpassen. „Danke, gerne doch. Ich war mir nicht sicher, ob ich damit einigermaßen brauchbare Informationen erhalten würde, aber ich dachte mir, was wir haben, das haben wir. Jetzt müssen wir uns nur noch die Alibis der Personen anhören. Conan können wir dabei auslassen, denke ich“, sagte Takagi und blickte wieder zu dem kleinen Jungen hinüber. In jedem anderen Fall hätte er längst einen schlauen Spruch von sich gelassen oder irgendein Detail angesprochen, welches sich als Indiz oder gar als Beweis herausstellen sollte. Doch aus einem ihm unbekannten Grund verhielt sich der Junge still, er blickte sich nur neugierig um. Sah die Menschen wie auch die Bücher rings um ihn herum an. Für einen kurzen Moment hätte Takagi nicht mehr sagen können, ob das nun Conan oder ein anderes, ganz normales Kind war, das dort vor dem großen Regal mit Kochrezepten und Haushaltsratgebern stand. Doch sein Bauchgefühl riet ihm, ihn für den Moment nicht darauf anzusprechen. Er konnte selbst im Nachhinein den Finger nicht darauflegen. So sehr ihm die Frage auf der Zunge brannte, Takagi fühlte sich nicht imstande, sie auch laut auszusprechen. Oder auch nur in das Ohr des kleinen Kindes zu flüstern. Er beobachtete Conan für ein paar Sekunden, dann sah er zu Sato zurück. Auch sie musste den kleinen Jungen kurz im Blick gehabt haben, auch ihr Kopf war in Conans Richtung geneigt. Als sich ihre Blicke wieder trafen, schwieg Sato ihn an. Bis sie ihre Worte wieder fand. „In Ordnung, dann werden wir die Verdächtigen nach ihren Alibis befragen. Am besten machen wir das in der großen Runde, so können wir auch sehen, ob es vielleicht unter ihnen jemanden gibt, der das Alibi von einer anderen Person bestätigen kann. Das würde uns die Arbeit zumindest erleichtern.“ Takagi, der keine andere Idee dazu finden konnte, nickte nur und folgte seiner Kollegin durch den Verkaufsraum, als sie sich wieder den anderen anwesenden Personen näherten.   ~ Sato ~   „In Ordnung, bitte stellen Sie sich in einer Halbkreisformation vor uns auf, vor meinem Kollegen und mich“, sagte Sato entschlossen und klatschte die Hände zusammen. Sofort hatte sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich gezogen. Kurz sah Takagi sie bewundernd an, bevor er seinen Blick von ihr riss und darauf achtete, dass alle Verdächtigen der Aufforderung nachgingen. Was auch fast alle von ihnen taten. Frau Izanagi, das Gesicht noch halb in einem bunten Taschentuch begraben, hatte sich zusammen mit den beiden Kunden Haruta und Yagami zu den Polizisten gesellt und warteten auf weitere Anweisungen. Lediglich Gin ließ auf sich warten und starrte weiterhin auf das geöffnete Buch in seiner Hand. Erst wenige Sekunden später wanderte sein Blick in Satos Richtung. „Ja, auch Sie muss ich bitten, sich zu uns zu gesellen“, sagte Sato streng und stemmte die Arme in ihre Hüfte. Gin jedoch beeindruckte es nicht, sein Blick wanderte zurück zu seinem Buch, auf welchem er einige Augenblicke lang verweilte. Schließlich schloss Gin seine spannende Lektüre und näherte sich der kleinen Gruppe, bis er selbst ein Teil davon geworden war. Es nervte ihn und dass ließ er jede anwesende Person mit seinem Gesichtsausdruck der vollkommenen Gleichgültigkeit auch wissen. Sato und Takagi spürten, dass sie von ihm keine große Bereitschaft zur Kooperation bekommen würden. Dass sie mit dem nötigsten Mindestmaß, zu welchem er sich bereit erklären würden, genügen müssten. Ein Ärgernis und doch mussten sie damit leben. „Da wir jetzt alle hier versammelt sind, würden wir gerne von Ihnen allen die Alibi kontrollieren. Möglicherweise kann der eine oder andere hier das jeweilige Alibi sogar bestätigen, damit würden Sie unsere Arbeit erheblich unterstützen“, sagte Sato, wofür sie ein kollektives Nicken als Bestätigung bekam. Abgesehen von Gin, der noch immer den Eindruck machte, als ginge ihm die gesamte Situation nichts an. „Außerdem wäre es auch noch gut, wenn Sie uns ihre Körpergröße verraten würden. Das Opfer soll laut der Spurensicherung eine Gesamtgröße von einem Meter siebzig gehabt haben, daher wäre es hilfreich zu wissen, wie groß Sie hier alle genau sind.“ Gins Pupillen blieben für einen Herzschlag bei Sato haften, dann wanderte er nach unten. Takagi bemerkte das und folgte dem Blick, sofort fiel ihm auf, an wem Gins Blick dieses Mal gerichtet war. Dieser begann zu grinsen. „Dann dürfte diese halbe Portion schon mal herausfallen, nicht wahr? Oder wollen Sie mir etwa weißmachen, dass ein Kind dazu in der Lage wäre, einen Mord zu begehen? Überhaupt, was macht das Balg noch hier? Ist es neuerdings eine Methode der Polizei, kleine Kinder an einem Tatort zu behalten?“, fragte Gin mehr als provozierend, doch die beiden Polizisten durchschauten das. Sie beide hatten weder die Lust noch die Kapazitäten, sich um derartige Sticheleien zu kümmern. Gänzlich unkommentiert wollten sie es allerdings auch nicht auf sich ruhen lassen. „Warum das Kind noch anwesend ist, ist ganz unsere Sache, darum haben Sie sich nicht zu kümmern. Dennoch möchte ich mich für Ihr aufmerksames Denken bedanken. Das Kind ist bei uns in sicheren Händen.“ Gin zog eine Augenbraue nach oben, dann sah er wieder Sato in die Augen. Sein Blick war eiskalt und gleichzeitig voller Gleichgültigkeit. Sato lief ein kalter Schauer über den Rücken. Takagi dagegen sah wieder Conan an und dieser blickte zu ihm hoch. Es war ein Anblick, den Takagi noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte. Wenn ihm der kleine Grundschüler begegnete, dann war sein Blick stets selbstbewusst oder ein wenig kindlich, vor allem, wenn sein Onkel ihn wieder einmal für das Herumstreunen am Tatort bestrafen wollte. Doch diese Angst, die Conan direkt in den Augen, gar über das ganze Gesicht geschrieben war, das war für Takagi vollkommen neu. Zwar konnte Takagi das alles nicht einordnen, dennoch beschloss er, auf sein Bauchgefühl zu hören. Und dieses sagte ihm, dass er Conan vor diesem seltsamen Mann mit dem eiskalten Blick beschützen musste. Unauffällig gab Takagi Conan ein Zeichen, gab ihm zu verstehen, sich hinter ihm zu verstecken. Eine Einladung, welcher Conan, ohne einen Moment lang zu zögern, sofort nachging. Seine kleinen Finger klammerten sich mit leichtem Druck an Takagis Hosenbein, aber das machte ihm nichts aus. Takagi dagegen hob seinen Blick und ebenso auch seine Stimme, als er Gin Paroli bot. „Ich kenne diesen kleinen Jungen und er kennt mich, Sie müssen sich also wirklich keine Sorgen um sein Wohnergehen machen. Lassen Sie uns einfach unsere Arbeit erledigen, je schneller wir dazu kommen, desto eher werden Sie diesen Ort auch verlassen können.“ Ob in Handschellen oder nicht, das wird sich dagegen noch entscheiden. Allein schon sein Blick ist so kalt, wenn er den armen Buchhändler getötet hat … das wäre sicherlich nicht sein erster Mord gewesen. Aber auch ganz sicher nicht sein letzter, so viel steht fest. Wenn es ihm möglich wäre, würde er bestimmt auch die Luft um ihn herum zum Gefrieren bekommen. Gin warf einen kurzen Blick zu Takagi herüber, bevor seine Augen wieder zu Sato weiterwanderte. „Mir ist es vollkommen gleich, wie sie Ihre Inkompetenz verstecken. Sie müssen ja wissen, wie unprofessionell Sie sich in der Öffentlichkeit geben wollen, es ist ja nicht mein Problem. Und ja, Sie haben Recht, dieser ganze Spaß hat schon zu viel meiner wertvollen Zeit gestohlen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich mit meiner Aussage beginnen.“ Noch bevor einer der beiden Polizisten dem zustimmen oder etwas entgegensetzen konnte, fing Gin auch bereits zu sprechen an. „Nun, ich war die ganze Zeit dort hinten, bei den medizinischen Büchern und habe ich über deren Inhalt informiert. Zwar bin ich nicht gerade ein armer Schlucker, aber immer noch ein Student und habe somit kein großes Budget zur Verfügung. Daher muss ich genau wissen, welche Bücher ich für mein Studium kaufen werde und welche nicht. Die Katze im Sack zu kaufen kommt für mich daher nicht in Frage. Ich denke, es werden alle Anwesenden bestätigen können, einschließlich die Damen und Herren Polizisten, immerhin halten Sie es für nötig, mich bei meinen genauen Studien zu unterbrechen. Für etwas, was eigentlich mehr als offensichtlich sein sollte. Aber gut, bei so inkompetenten Personen sollte mich auch ein solches Verhalten nicht wundern.“ Gins Lippen deuteten für einen kurzen Moment ein Lächeln an, ein Lächeln, welches Takagi eine unangenehme Gänsehaut bereitete. „Um Ihre Neugierde komplett zu stillen, ich habe diese Ecke dort hinten seit einer Weile nicht großartig verlassen, erst, als ich hierher zitiert wurde wie ein Kindergartenkind. Das können die anderen Kunden sicherlich bestätigen. Meine Körpergröße geht Sie eigentlich nichts an, aber wenn Sie mich dann dafür in Ruhe lassen, können Sie diese Information haben. Ich bin genau einen Meter 88 groß, also 18 Zentimeter größer als das Opfer. War es das nun? Kann ich wieder zurück? Die Bücher sortieren sich nicht von alleine“, knurrte Gin nun in Takagis Richtung, dieser sah kurz zu Conan, dann zu Sato herüber. Dass Gin sich von ihnen entfernen wollte, kam ihm ziemlich gelegen. „In Ordnung, gehen Sie ruhig wieder in ihre Ecke zurück. Wenn Sie wie erwähnt die ganze Zeit über die Bücher studiert haben, dann werden Sie vermutlich nicht sehr viele hilfreiche Informationen über die Alibis der anderen Anwesenden haben. Gehen Sie ruhig zurück, aber machen Sie keine unnötigen Handlungen. Wir werden Sie bis auf Weiteres unter Beobachtung halten.“ Das ließ sich Gin nicht zweimal sagen, ohne eine weitere Bemerkung zu äußern drehte er sich um, kehrte in seine vertraute Ecke zurück und vergrub wieder seine Nase in dem Buch, von welchem er wenige Minuten zuvor getrennt worden war. Kaum hatte er wieder mit dem Lesen begonnen, wirkte es, als hätte er nie damit aufgehört. Als wäre er nie dabei unterbrochen worden. Takagi und Sato wechselten ein paar Blicke und auch die Griffe um Takagis Bein lockerten sich, bis der kleine Junge ihn schließlich komplett losließ.   „In Ordnung, dann werden wir die Befragung fortführen“, sagte Sato bestimmt, aber auch freundlich. Sie wusste, dass sie von den restlichen Verdächtigen weniger Widerstand zu erwarten hatte und dementsprechend auch nicht sonderlich hart mit ihnen verfahren musste. Überhaupt hatte sich die allgemeine Stimmung der Gruppe gelockert, seit Gin sich wieder in die Ecke des Ladens verkrochen hatte. Zwar warf dieser hin und wieder ungeduldige Blicke in die Richtung der beiden Polizisten, doch diese wollten sich davon nicht beeindrucken oder einschüchtern lassen. Sie hatten einen Job zu erledigen und das am besten so gründlich wie möglich. Immerhin galt es einen Fall aufzuklären und einen Täter samt Motiv und Tatwaffe zu finden. „Gut, dann machen wir mit Ihnen weiter. Ihr Name war Keichi Haruta, nicht wahr?“, fragte Sato die Person, welche bis vor wenigen Augenblicken links neben Gin gestanden hatte. Dieser schüttelte eifrig seinen Kopf. „Das ist richtig, Frau Sato. Ich bin Keichi Haruta und meine Körpergröße beträgt genau einen Meter sechzig. Nun, was der junge Student gesagt hat, kann ich bestätigen, ich habe ihn immer wieder in dieser Ecke gesehen. Auch kann ich bezeugen, dass sich Frau Izanagi stets an der Kasse aufgehalten hat. Bis auf das eine Mal, als sie sich zum Regal umgedreht hat. Ich glaube, weil sie dem kleinen Jungen ein Buch geben wollte“, sagte er mit nachdenklicher Miene und sah kurz zu Conan herunter. Dann sah er wieder Sato in die Augen. „Nun, weshalb ich hier bin, habe ich Ihrem Kollegen bereits gesagt, um ein paar Bücher für meine Schneidertätigkeit zu finden. Bücher über besondere Schnittmuster, die Pflege unterschiedlichster Stoffe – alles, was mir den Arbeitsalltag ein wenig erleichtern würde“, sagte er und klopfte auf die Buchrücken unter seinem Arm. „Dabei habe ich mich auch hier und da umgesehen, aber ich befürchte, dass das wiederum nicht alle anderen Anwesenden bestätigen können. Immerhin waren sie ja selbst beschäftigt“, sagte er zu Sato, die alle genannten Fakten stichhaltig in ihrem Notizbuch festhielt. „Dennoch vielen Dank“, gab sie an ihn zurück. „Das hat uns dennoch bereits ziemlich weitergeholfen. Sollte Ihnen noch etwas aufgefallen sein, dass Sie uns mitteilen möchten, dann lassen Sie es uns bitte wissen. Nun zu Ihnen, Sie sind Herr…?“ Dabei sah sie den letzten Mann an, der sich ebenfalls im Halbkreis vor ihr befand.  Welcher nicht lange mit seiner Antwort auf sich warten ließ. „Schätze, dann ist es wohl Zeit für meine Aussage. Mein Name ist Mikami Yagami und meine Körpergröße liegt bei einem Meter achtzig. So weit bin ich also gar nicht so weit weg von dem Herren Studenten, was das angeht“, sagte er und blickte zu Gin herüber. Dieser hatte für den Blickkontakt nur einen genervten Gesichtsausdruck übrig, bevor er wieder auf sein Buch hinabsah. „Nun, was Frau Izanagi angeht, da würde ich meine Hand ins Feuer legen, die gute Seele würde niemanden etwas zu leide tun. Im Gegenteil, sie war es sogar, die Herrn Kitai darum gebeten hat, mir die alten Angelmagazine zu überlassen. Ihrer freundlichen Art alleine habe ich das zu verdanken.“ Mikami Yagami nickte ein wenig, um seine eigenen Worte zu bekräftigen. „Nun, wie bereits erwähnt hatte es mich ein wenig gewundert, dass mich Herr Kitai nicht wie üblich begrüßt hat, aber ich bin schlicht davon ausgegangen, dass er wohl im Lager beschäftigt wäre, dort verbringt er den Großteil seiner Arbeitszeit, schätze ich. Daher dachte ich mir, ich sehe mich ein wenig um, erst nach einem ordentlichen neuen Angelbuch, und danach noch im Rest des Ladens. Zwar kann ich mir kein zweites Buch leisten, dennoch erfüllt es mich mit Zufriedenheit, wenn ich mich hier umsehen darf. Herr Kitai ist, nein, war ein sehr angenehmer Mensch und er hat einen nie hinausgeworfen, egal, wie viel Zeit man hier verbracht hat. Er hat es mir auch nie übelgenommen, wenn ich am Ende kein Buch gekauft habe.“ Tränenflüssigkeit sammelte sich in seinen Augen, was ihn dazu veranlasste, heftig mit den Augen zu blinzeln. „Und jetzt ist Herr Kitai tot … ich kann es nicht glauben. Warum tut jemand so etwas? Es gibt so viele schlechte Menschen auf dieser Welt, warum trifft es dabei so oft die guten? Ich verstehe es nicht…“ Auch hier hatte Sato sich wieder ihre Notizen gemacht, während Takagi und Conan sich lediglich aufs Zuhören beschränkt hatten. Dass Conan innerlich in seinem Gedankenpalast Notizen machte, davon bekam keiner der Anwesenden etwas mit. „Können Sie auch bestätigen, dass sich Frau Izanagi die ganze Zeit über an der Kasse aufgehalten hat?“, wollte Sato zunächst von ihm wissen. Mikami Yagami dachte für einen kurzen Moment nach. „Nun, komplett nicht, da ich die gute Dame nicht immer im Auge hatte. Aber ja, ich denke, sie hat ihre Position an der Kasse nie verlassen. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, sie zu irgendeiner Zeit an einer anderen Stelle gesehen zu haben.“ Dies schien Sato als Antwort zu genügen, ihr Stift flog geradezu über die Seiten ihres kleinen Notizbuches. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie Herrn Yagami ein letztes Mal in die Augen sah. „Ich kann wohl davon ausgehen, dass bei Ihnen niemand bestätigen kann, was Sie die ganze Zeit über im Laden getan haben, oder?“, fragte sie und ihr Gegenüber nickte langsam mit dem Kopf. „Nun, Frau Sato, ich befürchte, es ist so“, war sein abschließender Kommentar dazu. Sato dagegen begann geistesabwesend auf ihre Notizen zu starren. Als hätte sie etwas übersehen und müsste es nur noch finden, wenn sie lange genug suchen würde.   „Vielen Dank, ich denke, die Befragung von Frau Izanagi können wir uns unter den gegebenen Angaben erst einmal sparen. Es gibt sicherlich auch Aufnahmen der einen oder anderen Überwachungskamera, die die Aussagen tatkräftig unterstützen können“, sagte Takagi entschlossen, als Frau Izanagi zögerlich ihre Hand hob. „Nun, was das angeht, Herr Polizist“, begann sie mit einer Prise Betretenheit in der Stimme. „Wir haben zwar hier und da Kameras installiert, dennoch handelt es sich bei allen von Ihnen um Dummys. Selbst die im Lager ist nicht echt. Herr Kitai hat seinen Kunden immer vertraut und es ist bisher auch kaum zu Diebstählen kommen. Da er selbst sehr viel Zeit im Lager verbracht hatte, hatte er es auch nicht für nötig befunden, den Raum überwachen zu lassen.“ Takagi und Sato tauschten vielsagende Blicke aus. „Der Fall hier macht es uns nicht gerade einfach“, jammerte Takagi und fuhr sich rastlos mit den Fingern durch die kurzen Haare. „Gut, dann müssen wir uns wohl oder übel auf die beiden Aussagen der zwei Zeugen verlassen. In Ordnung, meine Kollegin und ich werden uns nun ein wenig umsehen und auch beraten. Es wäre also nett, wenn Sie sich alle an einem Ort befinden und nichts anfassen würden. Am besten, Sie alle drei gehen zum Kassenbereich zurück. Herr Yagami, könnten Sie sich auch bitte wieder um Frau Izanagi kümmern? Es scheint ihr zwar schon besser zu gehen, dennoch ist sie noch bedenklich blass um die Nase herum“, gab Sato ihre Anordnungen an die anderen weiter, die sie auch sofort befolgten. Während sich die Verkäuferin wie auch die zwei Kunden zum besprochenen Ort zurückzogen, blätterte Sato mehrere Male durch ihr Notizheft, bevor sie sich an Takagi wandte. „Nun, es war hilfreich, wenn auch nicht sonderlich viel. Dass Frau Izanagi die Mörderin sein soll, das kann ich mir selbst auch nicht vorstellen. Dazu habe ich zu viele Mörder gesehen und sie ist definitiv keiner.“ Takagi sah die Verkäuferin für einen kurzen Moment an, beobachtete, wie Herr Yagami sie in den Arm nahm und versuchte zu trösten. „Das denke ich ebenfalls, Miwako. Ihre Reaktion ist echt, möglicherweise werden wir hier psychologische Hilfe benötigen. Aber eins nach dem anderen. Wir haben damit nur noch drei mögliche Täter. Um ganz ehrlich zu sein, mein Gefühl sagt mir, dass es dieser Student war … ich trau dem nicht weiter, als ich ihn werfen könnte. Allein schon sein Blick. Da rutscht es mir eiskalt den Rücken hinunter.“ Rasch begann Takagi sich zu schütteln, als würde er ein lästiges Tier loswerden wollen, dass sich auf seinem Rücken befand. Dann sah dieser zu Conan hinunter, welcher ebenfalls in Gins Richtung sah. Der Blick, den Takagi in den Augen des Grundschülers sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. „Zwei Verdächtige mit einem halben Alibi und einer, der angeblich ein komplettes hat. Aber einer von ihnen muss es gewesen sein. Menschen erwürgen sich neuerdings nicht von alleine“, sagte Sato und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Nein, sowas machen Menschen normalerweise nicht. Und selbst wenn, hätte der Tatort ganz anders ausgesehen“, sagte Takagi leicht abwesend, während er dem einen oder anderen Gedanken nachging. Dann ballte er entschlossen seine Faust zusammen. Er musste etwas unternehmen, das war Takagi bewusst. Und er musste auf jeden Fall mit Conan reden, am besten mit ihm allein. „Hey, hör mal Sato, so kommen wir doch nicht weiter. Wie wäre es, wenn wir uns von der gesamten Lage eine Übersicht verschaffen? Ich gehe mit Conan hinter ins Lager und sehen uns dort um, vielleicht können wir ja etwas entdecken, was du übersehen hast? Währenddessen kannst du die Leute im Auge behalten, du kannst das sowieso viel besser. Außerdem strahlst du mehr Autorität aus als ich“, meinte Takagi und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Und möglicherweise siehst du einen Hinweis, den ich wiederum übersehen habe. Das wäre doch möglich.“ Sato dachte über seinen Vorschlag nach, dann schloss sie ihr Notizbuch und verstaute es in ihrer Jackentasche. „Das Vier-Augen-Prinzip also … in Ordnung, dann machen wir das so. Warum du Conan mitnehmen möchtest, ist mir nicht ganz klar“, sagte sie und ihr Blick fiel auf den Grundschüler. Auch ihr war die Stille aufgefallen, die der Junge die meiste Zeit ausstrahlte. Gleichzeitig wusste sie, dass Takagi eine viel bessere Bindung zu dem Kind hatte als sie. Wenn also jemand herausfinden konnte, was mit Conan los war, dann war es Takagi. Sie dagegen würde ihre Vorteile nutzen, um die Verdächtigen im Zaun halten zu können. „Gut, Wataru, dann machen wir das auf deine Art. Der Täter wird uns auf keinen Fall entkommen“, sagte sie mit fester Miene, während sie begann sich im Ladenbereich näher umzusehen. Takagi dagegen nahm Conans Hand so vorsichtig er konnte. „Komm, Conan, wir beide gehen jetzt hinter ins Lager und sehen uns dort ein wenig um. Nicht, dass ich meine Kollegin für blind halte, aber vielleicht finden wir beide da ja noch etwas, was sie möglicherweise übersehen hat“, sagte er zwinkernd zu Conan herab. Conan dagegen ließ sich von Takagi in die Richtung des Lagers führen, ohne sich in irgendeiner Form dagegen zu wehren. Er wusste, er hatte einen Fall zu ermitteln und je weniger er unter Gins wachsamen Blick sein würde, desto besser würde es auch ihm gelingen. Doch das Wie war ein Problem, ein Hindernis, welches es um jeden Preis zu überwinden galt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)