Beautiful Behavior von Varlet ================================================================================ Kapitel 23: Wiedersehen ----------------------- Vermouth saß in einem Hotelzimmer und sah Jefferson zu. Ihr Manager – ehemaliger Manager – sichtete sämtliche Meldungen, die im Internet kursierten. Er lächelte. Es lief alles genau nach Plan, auch wenn sie diesen um einige Monate vorziehen mussten. Aber wer kam auch auf die Idee, dass das FBI innerhalb von wenigen Wochen eine Spur zu Jodie fand. Vorher hatten sie es auch nicht geschafft und waren blind. Änderungen waren nicht immer gut. Sie hatten Auswirkungen auf alle Beteiligte und man musste sich ihnen anpassen. Einige konnten es, andere wiederrum nicht. Vermouth gehörte zu Ersteren. Sie hatte ihren Plan sofort geändert, aber das FBI war weiterhin gefährlich. In den letzten Jahren war es ruhig um die Agenten geworden, aber ihre Rückkehr nach New York hatte sie wie wilde Hühner aufgescheucht. Auch das gehörte zu ihrem Plan. Sie wollte Katz und Maus mit ihnen spielen. Aber mit einem Agenten wie Shuichi Akai hatten sie nicht gerechnet. Er war gefährlich und kam ihnen nahe, auch wenn er das ganze Ausmaß noch nicht bemerkt hatte. Doch erst einmal würde das FBI ihre Rolle als Bundesbehörde spielen und die Schauspielerin konnte in Ruhe alles weitere vorbereiten. Vermouth hatte die letzten 24 Stunden genossen. Sie hatte keinerlei Verpflichtungen – weder als Schauspielerin noch als Mitglied der Organisation. Sie konnte endlich wieder mal entspannen. Entspannen und ausruhen. Durch ihre zahlreichen Verkleidungen stand sogar einem Ausflug nach draußen nichts im Wege. Selbstverständlich konnte sie es nicht sein lassen und fuhr ins Presbyterian, um das Ergebnis ihres Treffens mit Jodie zu begutachten. Im Krankenhaus wimmelte es nur von FBI Agenten, aber sie konnte trotzdem etwas zu Jodies Zustand in Erfahrung bringen. Die Frau lebte, aber damit hatte Vermouth kein Problem, schließlich hatte sie dafür gesorgt, dass Jodies psychische Verfassung Grund zur Sorge brachte. Früher oder später zumindest. „Gute Nachrichten?“, wollte sie von Jefferson wissen. „Irish hat sich um den Sanitäter gekümmert.“ Gekümmert hieß, dass er nicht mehr am Leben war. „Selbst wenn man ihn unter Wasser fände, niemand kann Rückschlüsse zu uns ziehen. Der Arzt, der deinen Tod bestätigt hat, befindet sich in unserer Obhut. Wenn er nicht mehr gebraucht wird, erledigen wir ihn auch. In der Zwischenzeit hat Irish seinen Platz eingenommen, falls ihm das FBI auf die Pelle rückt. Alles läuft nach Plan. Wir haben deinen Tod bei seriösen Zeitungen langsam durchsickern lassen.“ Vermouth lächelte. „Und?“ „Was glaubst du wohl? Sämtliche Medien schreiben darüber. Die Story ist überall das Top-Thema. Und schau dir mal Social Media an. Du hast ein Lauffeuer entzündet.“ „Wir“, gab sie von sich. „Was ist mit der Leiche? Hat das FBI schon Nachforschungen angestellt?“ „Haben sie. Natürlich agieren sie jetzt mit Eile, weil sie nicht möchten, dass irgendwelche Beweise zerstört werden. Zwei Agenten waren im Leichenschauhaus. Sie haben die Leiche überprüft. Selbst wenn sie Fingerabdrücke vergleichen wollten, wir haben die Sachen in deiner Garderobe und in deinem anderen Hotelzimmer ausgetauscht.“ „Was ist mit dem NYPD?“ „Das FBI hat sich den Fall geschnappt. Sie haben alle Beweise geordert. Das NYPD wird die Füße stillhalten und sich den Anordnungen nicht widersetzen. Außer wir geben ihnen einen triftigen Grund selbst zu ermitteln.“ „Mhm…“ Vermouth verschränkte die Arme vor der Brust. „Auf die war sowieso kein Verlass. Ich werde der Staatsanwaltschaft einen kleinen Tipp geben, dass das FBI in dem Fall nicht mehr objektiv agiert und den möglichen Täter deckt. Danach werde ich als Chris Vineyard den Tod meiner Mutter betrauern.“ Jefferson schmunzelte. „Du bist ein böses Mädchen.“ „Das hast du aber spät bemerkt.“ Sie legte sich aufs Bett. „So oder so, es wird einen Sündenbock geben. Entweder ist es Jodie selbst oder der gute Roy. Wir lassen niemanden übrig.“ Jodie lag in ihrem Krankenzimmer und hörte dem monotonen Piepen der Geräte zu. Sie war an einen Herzmonitor angeschlossen und hatte an ihrem rechten Handrücken einen Zugang für eine Infusion oder zur Blutabnahme. Es dauerte mehrere Stunden, ehe Jodie nach der Operation aufwachte. Instinktiv hatte sie sich die Elektroden runtergerissen, was allerdings dazu führte, dass sich binnen weniger Minuten, zahlreiche Menschen in ihrem Zimmer tummelten. Ärzte, Krankenschwestern und dann noch das FBI. Sofort wurden die Geräte und ihre Vitalwerte überprüft und Jodie danach zu einer weiteren Untersuchung in einen anderen Raum gebracht. Ein FBI Agent war immer in ihrer Nähe, aber sie hatte bis dahin nicht gewusst, wie seine Zugehörigkeit war. Jodie ließ sämtliche Untersuchungen über sich ergehen, nur um anschließend wieder in ihr Zimmer gebracht zu werden. Sie lag einfach nur so da. Auch dann, als sie Ed und James auf dem Krankenhausflur gesehen hatte. Noch konnte sie mit keinem von Beiden reden, aber früher oder später wäre die Zeit gekommen. Jodie wusste nur nicht, was sie ihnen sagen sollte oder konnte. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, fürchtete sie sich sogar vor dem Gespräch mit den Beiden und hoffte, dass sie es so weit wie möglich aufschieben konnte. Wahrscheinlich hatten sich die Männer bereits ausgetauscht und würden sie bald in ihrem Zimmer aufsuchen. Kaum dachte sie daran, klopfte es auch schon an ihrer Zimmertür. Sie sah zu dieser. Krankenschwestern und Ärzte klopften nicht. Also mussten es James oder Ed sein, vielleicht auch beide. Jetzt konnte sie sich wohl kaum vor einem Gespräch drücken. Wenigstens war sie im Krankenhaus in Sicherheit. Als die Tür aufging, kamen Ed und James hinein. Sie sagte kein Wort. „Hey. Du bist wieder wach.“ Ed ging zu ihr und zog den Stuhl näher an ihr Bett. Er setzte sich. „Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Wie geht’s dir?“ „Geht so…“, murmelte Jodie. Sie sah zu James. Sofort überkam sie ein schlechtes Gewissen. Auch er trat zu ihr heran. „Jodie“, fing er an. „Es ist lange her. Ich bin froh, dass wir uns endlich wiedersehen und dass es dir…einigermaßen…gut geht.“ „James…“, wisperte Jodie. Ihr kamen die Tränen. „Es ist alles gut. Weine nicht.“ Er legte seine Hand an ihre Wange und wischte ihr die Tränen weg. „Alles ist gut. Ich hab mit Ed gesprochen und er hat mir vieles erklärt. Und mit Roy Tripton habe ich ebenfalls geredet. Ich weiß jetzt, warum du das getan hast und…wie es dir all die Jahre ergangen sein muss. Ich kann verstehen, warum du den Kontakt zu mir abgebrochen hast und…ihn nicht wieder gesucht hast, als du hier warst.“ „Es…tut mir…leid…Es tut mir so…leid…“, schluchzte Jodie. „Ich dachte, ich hätte damals…keine andere Wahl. Mir war alles zu viel. Ich wollte einfach nur…ein normales, ruhiges Leben. Ich war jung…und dumm. Ich hätte wissen müssen, dass…es nicht so geht. Einen einfachen Weg gibt es nicht.“ Der Agent schüttelte den Kopf. „Schon gut. Alles ist gut. Ich bin dir nicht böse. Ich kann dich sogar verstehen, jetzt wo ich weiß, was passiert ist.“ „James…“, murmelte Jodie. Sie blickte zur Seite. „Was…was ist passiert?“ Ed beobachtete sie. „Du bist im Krankenhaus“, erklärte er. „Wir haben dich in deiner Wohnung gefunden. Du bist angeschossen worden, aber du hattest großes Glück. Die Ärzte haben dich mehrere Stunden operiert. Jetzt ist aber wieder alles in Ordnung. Du wirst wieder gesund. In ein paar Wochen wirst du wieder vollständig genesen sein.“ „Verstehe…“, gab Jodie leise von sich. „Jodie?“, begann James. Nun zog auch er einen Stuhl zum Bett und setzte sich. „Ich muss dich das jetzt fragen. Kannst du dich erinnern, was passiert ist?“ Jodie schloss ihre Augen. Sie fürchtete sich vor dieser Frage am meisten. Aber früher oder später musste sie sich den Geistern der Vergangenheit stellen. Ewig konnte sie nicht davonlaufen. Nicht mehr. Sie hatte es jahrelang unbewusst getan. „Ich war bei Dad…also bei seinem Grab und ich hatte gehofft, dass ich dich dort treffen würde. Aber…du warst nicht da. Ich wollte dir erzählen, wer…für den Tod meiner Eltern verantwortlich ist. Ich hab…ein Interview mit Sharon Vineyard gesehen. Sie hat…diesen Satz gesagt…“ „Ganz ruhig, Jodie. Du musst nichts überstürzen.“ „Du bist…nicht verwundert darüber. Hat…Ed es dir auch erzählt?“ „Ja, aber…auch wir vom FBI waren hinter Sharon Vineyard her. Es tut mir so leid, dass du all das durchmachen musstest. Hätten wir doch nur früher…“ Ihr liefen Tränen über die Wangen. „Auf dem Friedhof war…dieser Japaner. Er…er wurde von ihr geschickt, von Sharon. Ich bin weggelaufen…und wollte zu Ed.“ „Der Japaner heißt Shuichi Akai“, entgegnete James ruhig. „Er arbeitet für das FBI und wurde mit der Suche nach dir beauftragt. Er hat mir regelmäßig Bericht erstattet.“ Jodie öffnete ihre Augen. „Das kann ich bestätigen“, meinte Ed ruhig. „Ich habe auch mit ihm gesprochen. Es gibt keinen Zweifel an seinen Absichten. Akai arbeitet für das FBI.“ „Oh“, murmelte Jodie. „Dann…dann hab ich das falsch verstanden. Ich dachte, er würde zu ihr gehören und…mir was tun.“ „So etwas passiert, Jodie. Mach dir keine Vorwürfe. Du bist jetzt in Sicherheit“, sagte James. „Kannst du…mir erzählen, was danach passiert ist?“ „Ich bin…zur Detektei gelaufen. Dort traf ich dann auf Daniel und…Milena. Sie hat…gesehen, wie aufgebracht ich war und hat mich nach Hause gebracht. Zu Hause hat sie…sie hat sich dann offenbart.“ „Offenbart?“ „Es war nicht…Milena. Es war…Sharon…Sharon Vineyard. Sie hat…ihre Identität angenommen und…mir erzählt, dass sie mich schon länger im Visier hat. Ich glaube, sie wusste die ganze…wo ich war…“ James schluckte. „Und…was ist dann passiert?“ Leider brauchte er alle Details, um Gegenmaßnahmen einzuleiten und Jodie vor dem Gefängnis zu bewahren. „Wir haben…geredet…über Dad und was passiert ist. Sie zog eine Waffe und fragte mich…ob ich Rache an ihr üben will. Dann…kam sie zu mir und drückte mir die Waffe in die Hand. Ich wollte…nicht…aber sie hielt mich fest. Und dann hab ich geschossen…“ James wurde hellhörig. „Sie hat dir die Waffe in die Hand gedrückt und deine Hände festgehalten? Hat sie auch dafür gesorgt, dass du geschossen hast?“ Jodie nickte. „Das ist doch gut. Jodie hat nichts getan.“ „Das mag sein“, entgegnete James. „Aber wir haben nur Jodies Aussage und die Beweise sprechen eine andere Sprache. Ihre Fingerabdrücke sind auf der Waffe. So sieht es aus, als wäre Jodie die Täterin. Momentan ist es uns nur möglich das alles als Notwehr oder Unfall aussehen zu lassen. Aber…“ Black runzelte die Stirn. Die anderen Beweise waren gravierender und belasteten Jodie. „Jodie? Hast du…Tagebuch geschrieben?“ „Nein.“ „Verstehe.“ James dachte nach. Er würde Jodies Handschrift durch einen Experten prüfen lassen. „Kannst du mir erzählen, was passiert ist, nachdem der Schuss fiel?“ „Die Waffe fiel auf den Boden und…danach lag ich selbst dort. Es tat…so weh…so fürchterlich weh.“ Er schluckte abermals. „Du bist angeschossen worden“, erklärte James. „Kannst du dich daran erinnern, ob sich der Schuss aus der Waffe gelöst hat, als sie zu Boden fiel? Oder hat Sharon geschossen?“ „Ich…ich weiß es nicht mehr“, gestand Jodie. „Es ging…alles so schnell. Ich erinnere mich nicht… Ich hab nur noch ein paar Umrisse wahrgenommen und dann…bin ich hier aufgemacht.“ „Ich verstehe“, sagte James. „Du bist jetzt in Sicherheit und musst keine Angst haben.“ „Nein…“, wisperte Jodie. „Ich bin…nicht in Sicherheit. Sie wird…mich weiter jagen.“ James sah zu Ed. Und Ed sah zu James. „Jodie“, kam es von Ed. „Sharon Vineyard wird dir nie wieder etwas antun.“ „Warum?“ „Sie ist…tot.“ Nun war es um Jodie geschehen. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf. „Ich hab…ich hab sie umgebracht.“ „Jodie, nein. So darfst du nicht denken. Sie hat es forciert. Sie hat deine Hände festgehalten und selbst dafür gesorgt, dass du schießen musstest. Dich trifft keine Schuld“, gab James von sich. „Ich hab…wieder jemanden umgebracht…“ „Jodie, bitte…“, sprach Ed leise. James fühlte sich überfordert. „Sag nicht so was…du hast niemanden umgebracht…nicht absichtlich“ „Ich hab zwei Menschen umgebracht…“, wisperte Jodie. „Sharon Vineyard und…und meinen Dad…“ „Was? Was meinst du?“, kam es von Ed. „Du hast deinen Vater nicht umgebracht.“ „Was redest du denn da, Jodie. Wenn sie dir das gesagt hat, lügt sie. Sie will dich nur verletzen.“ „Nein.“ Jodie schüttelte den Kopf. „Ich erinnere mich…wieder. Damals…ich hatte solche Angst…ich hab sie gesehen…wie sie Mom umgebracht hat. Sie hat mit Dads Stimme gesprochen. Ich…ich habe mich versteckt und…als Dad dann kam, dachte ich, dass sie…dass sie es ist… Ich hatte Moms Waffe…und ich hab…geschossen. Ich hab…meinen Dad erschossen…“ Jodie schluchzte und auch James kamen die Tränen. „Ich war es…ich bin…eine Mörderin.“ „Das ist…Jahre her“, sprach Ed leise. „Und…du wolltest das nicht. Das war ein Unfall. Du warst noch ein Kind.“ James nickte. „Wir konnten dich damals nicht beschützen, aber…jetzt können wir das. Wir haben andere Möglichkeiten. Das FBI wird dir nicht von den Fersen weichen. Wir…haben deine Wohnung überprüft. Wenn du möchtest, kannst du…zurück oder…wir suchen dir eine andere Wohnung. Wir finden…einen Weg.“ Jodie weinte. „James… „Es wird…alles gut…“ Er half ihr, sich aufzusetzen und nahm sie in seine Arme. Sachte strich er ihr über den Rücken. „Wir werden deine Aussage aufnehmen und…dir helfen. Wir schaffen das. Zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)