Beautiful Behavior von Varlet ================================================================================ Kapitel 17: Einen Schritt weiter -------------------------------- Shuichi beobachtete Vater und Tochter. Langsam ergaben die Puzzleteile einen Sinn und er setzte sie zusammen. Allerdings waren noch nicht alle Fragen geklärt. Er wusste nicht, warum die Organisation knapp 20 Jahre später wieder in den Staaten auftauchte, warum sie es ausgerechnet jetzt auf Jodie abgesehen hatten oder welche Pläne sie schmiedeten. Es waren weitere Fragen offen: Was war ihr Ziel? Was wollten sie? Warum taten die Mitglieder alles was man ihnen sagte? Wer zog die Strippen? Und…und…und. Vielleicht würden sie das alles noch in Erfahrung bringen, wenn sie Jodie in Sicherheit brachten und das FBI den Auftrag ausweiten würde. Die Frage war nur, wie es danach weiterging. Würde er dabei sein? Oder würde man ihn abziehen? Aber wie auch immer es weiterging, er würde sich erst später darüber Gedanken machen. Erst einmal ging es um das Hier und Jetzt. Akai verengte die Augen. Sharon Vineyard hatte nicht nur ihre Rückkehr nach Amerika in den Medien groß angekündigt, sie hatte sich auch im Interview indirekt als Mörderin der Familie Starling bekannt und nun war sie auch noch in das Leben von Jodie getreten. Und das in Verkleidung einer ihrer Freundinnen, einer Person, der die junge Frau vertraute. Sharon Vineyard hatte ihren Zug von langer Hand geplant. Da war sich der Agent mittlerweile sicher. Das Leben einer anderen Person zu kopieren und darauf zu achten, dass man nicht zeitgleich mit ihr an einem Ort war, setzte voraus, dass man sich ausgiebig mit der Situation auseinandergesetzt hatte. Und das hieß, dass ihnen die Schauspielerin schon lange einen Schritt voraus war. Wie sie allerdings Jodies Aufenthaltsort in Erfahrung bringen konnte, wusste er nicht. Sie war gefährlich. Daher war es am besten, wenn sie nichts überstürzten. Außerdem war es am wichtigsten, dass die Organisation nichts von ihren Ermittlungen mitbekam. Selbstverständlich musste er auch für das weitere Vorgehen mit Jodie erst einmal mit seinen Vorgesetzten sprechen. Shuichi zog sein Handy aus der Tasche heraus und tippte eine Nachricht. „Dad?“ Milena sah ihren Vater besorgt an. „Sag doch was…bitte…“, wisperte sie. „Mr. Sherman? Wir sollten erst einmal meinen Vorgesetzten kontaktieren“, begann Akai und hielt ihm sein Handy hin. Es könnte sein, dass der Raum verwanzt ist. Bitte achten Sie darauf, was Sie sagen und prüfen die Räume! Der Privatermittler las die Nachricht. Er nickte. „Sie haben Recht. Wir besprechen alles weitere in meinem Büro. Milena? Bitte entschuldige, dass ich dir Angst gemacht habe. Wir reden später.“ „Dad, ich…du….“ Dann bekam sie die Nachricht auch zu sehen. Sie verstand sofort. „Soll ich dir zur Beruhigung einen Tee kochen?“ „Ja, koch uns doch bitte eine Kanne.“ Ed sah zu Shuichi. „Lassen Sie uns wieder in mein Büro gehen.“ Shuichi steckte sein Handy ein und folgte dem Ermittler in dessen Büro. Sofort blickte er sich um. Dann fuhr er mit den Fingerspitzen über den Türrahmen. Zwar gab es dort keine Wanze, aber eine Menge Staub. Ed trat an seinen Schreibtisch und öffnete eine Schublade. Anschließend zog er ein kleines Gerät heraus. Es war rechteckig, hatte eine Antenne, einen integrierten Lautsprecher sowie mehrere Signaldetektoren, die die Entfernung anzeigten. Er schaltete das Gerät an. Es schlug sofort aus. Zwei der drei Lampen des Detektors leuchteten. Es gab mindestens eine Wanze im Raum. Der Privatermittler schluckte. Er bewegte sich auf die andere Seite im Raum zu. Auch dort schlug der Detektor wieder aus. Das Ergebnis war eindeutig: Das Büro war verwanzt. Akai holte sein Handy wieder hervor und tippte eine weitere Nachricht. Haben Sie ein Störgerät? Wenn ja, aktivieren Sie es. „Gut, Mr. Sherman, bevor wir weiter machen, brauche ich alle Unterlagen, die Sie zu Jodie angelegt haben. Ich will auch das Lesen, was Sie zusammengestellt haben, nachdem Jodie wieder hier war. Sie waren doch sicher nicht untätig.“ „Da haben Sie recht.“ Ed ging wieder zum Tisch. „Setzen Sie sich doch bitte wieder. Ich suche Ihnen die Unterlagen heraus. Den Großteil habe ich auf dem Computer. Es könnte nur eine Weile dauern.“ „Lassen Sie sich nur Zeit dabei. Ich kann warten.“ Der Detektiv öffnete eine andere Schreibtischschublade und zog ein weiteres, kleines Gerät heraus. Er aktivierte es und legte es auf den Tisch. Dann ließ er sich auf seinen Stuhl fallen. „Wir sind jetzt sicher.“ Shuichi nickte und steckte sein Handy weg. „Prüfen Sie bitte auch Ihre Kleidung. Jacke und die Schuhe sind gern genutzte Verstecke. Und vergessen Sie die anderen Räume nicht. Da Sharon Vineyard hier war, müssen wir vorsichtig sein. Wir wissen nicht, was sie vorhat. Außerdem…“ Akai überlegte, wie viel er dem Ermittler sagen konnte. „…scheint das alles länge geplant gewesen zu sein.“ „J…ja…das habe ich mir auch schon gedacht. Sie war…hier…in meinem Büro. Sie hat sich als meine Tochter ausgegeben und mit Jodie interagiert. Sie hat sogar…mit mir gesprochen. Ich als Vater habe nicht erkannt, dass mir eine Fremde gegenüberstand.“ „Machen Sie sich keine Vorwürfe“, begann Shuichi ruhig. „Sie haben es nicht gewusst und konnten auch nicht ahnen, dass das passieren würde. Ihrer Tochter und Jodie geht es gut. Sie dürfen jetzt nicht in Panik verfallen und sollten auch nichts Unüberlegtes tun. Es ist wichtig, dass wir jetzt Schadensbegrenzung betreiben.“ „Schadens…begrenzung…“, wisperte der Privatermittler. „Und…wie stellen Sie sich das vor?“ „Es ist nicht nur wichtig, dass wir alle Wanzen ausfindig machen, wir müssen auch unsere nächsten Schritte sorgfältig planen. Unser Hauptproblem besteht darin, dass wir nicht wissen, ob Sharon uns vorhin zugehört hat. Wenn ja, dann ist es egal, was wir tun. Denn dann ist sie uns bereits auf die Schliche gekommen. Wenn sie es noch nicht getan hat, haben wir ein kleines Zeitfenster. Allerdings wird sie die heutigen Aufnahmen früher oder später abhören“, erklärte der FBI Agent. „Das heißt, wir müssen diejenigen sein, die ihr einen Schritt voraus sind. Ich werde meinen Vorgesetzten informieren und auch mit ihm die weiteren Schritte absprechen. Dennoch müssen wir uns nun vermehrt auf Jodie fokussieren. Ich kann nicht ausschließen, dass Sharon in Gestalt Ihrer Tochter bei ihr war. Das heißt, es wäre auch möglich, dass bei Jodie Wanzen angebracht sind. Um diese müssen wir uns auch kümmern.“ Ed runzelte die Stirn. Die ganze Geschichte begann ihm über den Kopf zu wachsen. Aber er hatte sich darauf eingelassen und musste es nun zu Ende bringen. „Ich versteh das alles nicht. Sharon Vineyard hat Jodies Eltern getötet. Jodie hat überlebt und wuchs zu einer jungen Frau heran. Nach 20 Jahren gibt es eine Spur zu der Täterin und alle drehen durch. Sharon verkleidet sich als Milena und verwanzt das Büro. Sie nimmt als Milena Kontakt zu Jodie auf und führt sie zu dem Interview, wo sie Jodie den Hinweis gibt, dass sie ihre Eltern umgebracht hat. Warum so? Was geht da vor sich?“ Akai hatte bereits damit gerechnet, dass früher oder später diese Fragen fallen würden. Allerdings konnte und durfte er nichts offenlegen, was vom FBI nicht genehmigt wurde. Zwar hatte er gewisse Befugnisse, aber die ganze Geschichte um die Organisation war streng geheim. „Nachdem ich von den Verwicklungen der Schauspielerin gehört habe, habe ich natürlich meinerseits auch einige Recherchen durchgeführt. Sharon Vineyard ist dafür bekannt, dass sie perfekt in andere Rollen springen kann. Auf diversen Veranstaltungen ist sie bereits früher in anderer Gestalt erschienen, um zu schauen, ob sie auch reale Personen kopieren kann. Ich kann nur mutmaßen, dass sie es jetzt aus den gleichen Gründen getan hat“, log der Agent. „Vielleicht hat sie auch erfahren, dass Jodie immer noch in New York ist und mit dem Kapitel nicht abgeschlossen hat. Möglicherweise war es ihr Ziel, in Erfahrung zu bringen, was Jodie noch weiß und was die anderen Personen aus ihrem Umfeld wissen. Ich gehe lediglich davon aus, dass die Wanzen ebenfalls von Sharon hier versteckt wurden. Es ist allerdings auch denkbar, dass diese von einem Ihrer anderen Klienten stammen. Haben Sie Feinde?“ „Ich bin Privatermittler“, gab Ed von sich. „Natürlich gibt es Menschen, die mich nicht mögen. Wenn die Wanzen von Sharon Vineyard sind…dann weiß sie, dass Jodie immer noch nach ihr sucht und sie zur Rechenschaft ziehen wird. Was…was wird sie mit Jodie anstellen, wenn sie weiß, dass man ihr auf der Schliche ist?“ „Das kann ich Ihnen nicht sagen“, gab Akai von sich. „Es ist vieles denkbar. Vielleicht will sie sich mit Jodie aussprechen oder ihre Tat rechtfertigen. Vielleicht will sie das beenden, was sie vor 20 Jahren anfing.“ Ed schluckte. „Das kann doch nicht sein…Jodie war damals ein unschuldiges Kind. Sie hat nichts getan. Egal was auch in der Zwischenzeit passiert ist, sie hat es nicht verdient, dass ihr jemand nach dem Leben trachtet. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass jemand wie Sharon Vineyard… Vielleicht damals, aber warum jetzt? Sie ist eine gestandene Frau. Sie könnte doch einfach Jodie aufsuchen und versuchen, alles zu erk]lären. Das alles ergibt keinen Sinn. Agent Akai, was übersehen ich?“ „Ich spekuliere ungern, aber wir werden die Wahrheit herausfinden“, begann Shuichi. Er wusste, dass es nicht so einfach werden würde. Und er wusste, dass Sharon Vineyard nicht einfach so aufgab. „Es wird das Beste sein, wenn Sie mir Jodies Adresse geben. Ich werde sie besuchen und mit ihr die Situation durchsprechen. Ich werde sie auch in Obhut des FBIs nehmen. Wir können sie besser beschützen.“ „Wollen Sie sie als Lockvogel benutzen?“, wollte Ed wissen. Auch Ed arbeitete hin und wieder mit einem Lockvogel zusammen. Dabei handelte es sich allerdings um Mitarbeiter einer externen Firma, welche im Umgang mit potentiellen Verbrechern geschult waren. Seine Klienten hingegen setzte Ed nicht als Lockvogel ein, da es zu gefährlich war. Aber nicht jeder dachte so und gerade Bundesbehörden hatten manchmal keine andere Wahl, als Unschuldige zu involvieren. So wie er Jodie einschätzte, würde diese einem Lockvogel-Einsatz zustimmen. Er wollte sich aber nicht ausmalen, was ein solcher Einsatz mit der jungen Frau machen würde. „Nein“, antwortete Akai ehrlich. „Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Ich gebe Ihnen mein Versprechen, dass das FBI Jodie so weit wie möglich aus der Sache heraushalten wird. Wir werden sie beschützen. Und das können wir nicht aus der Ferne. Ich nehme den Detektor mit und prüfe, ob sich bei Jodie auch Wanzen befinden. Das Störgerät brauch ich nicht. Wenn sie tatsächlich abgehört wird, kann die Gegenseite von meiner Existenz wissen und erfahren, dass ich Jodie zu Agent Black bringe.“ Der Ermittler nickte. „Ich sollte sie zu Jodie begleiten. Jodie hält sie immer noch für eine Gefahr. Wenn Sie an ihre Haustür klopfen, wird sie Ihnen nicht öffnen. Sie wird Ihnen nicht zuhören, auch dann nicht, wenn Sie ihr Versprechen, dass Sie der Gute sind, ihr helfen wollen, von Black geschickt wurden und…und…und… Stattdessen wird sie entweder etwas Unüberlegtes tun oder…“ Er wurde blass. „Oder was?“, wollte Akai wissen. „Oder sie würde mich informieren.“ Ed holte sein Handy hervor und prüfte sowohl die Anrufe und Nachrichten. Nichts. Sie hatte nicht versucht ihn zu erreichen. „Was haben Sie?“ „Als Jodie Sie am Friedhof getroffen hat, ist sie weggelaufen. Sie hatte die Wahl zwischen ihrem zu Hause und der Detektei. Da sie nicht hier ist, wird sie zu Hause sein“, begann er. „Sie hätte mich nach Ihrem Zusammentreffen auf jeden Fall informiert, aber ich habe weder einen Anruf noch eine Nachricht von ihr bekommen.“ Shuichi runzelte nachdenklich die Stirn. „Vielleicht hat sie ihr Handy auf dem Friedhof verloren oder sie hat sich auf den Weg zu Agent Black gemacht und spricht gerade mit diesem.“ Der Ermittler schüttelte den Kopf. „Sie hätte sich trotzdem bei mir gemeldet. Auch wenn es nur eine Nachricht geworden wäre. Glauben Sie mir, Agent Akai, ich kenne Jodie mittlerweile sehr gut. Es ist nicht typisch für sie, dass sie sich nicht meldet. Ich rufe sie an.“ Ed atmete tief durch. Er hatte Angst vor dem Anruf, tätigte ihn aber dennoch. Nach einer Weile wurde er auf Jodies Mailbox weitergeleitet. Deswegen versuchte er es erneut. Aber auch beim zweiten Mal nahm sie den Anruf nicht entgegen. „Da ist was passiert…“ Augenblicklich klopfte es an der Tür und Milena kam mit einer Kanne Tee und zwei Tassen herein. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich bekam noch einen wichtigen Anruf. Ich bring euch den Tee“, sagte sie und ging zum Schreibtisch. Sie stellte die beiden Tassen und die Kanne auf den Tisch. „Kann ich sonst noch etwas tun?“ „Danke“, lächelte Ed. „Hat sich Jodie bei dir gemeldet?“ „Nein“, gab Milena von sich. „Ist was passiert?“ „Das wissen wir nicht“, antwortete Ed. „Wir fahren gleich zu ihr. Bitte bleib hier und halte die Stellung. Wenn dir etwas komisch vorkommt, ruf mich sofort an. Wenn du es für notwendig hältst, schließe die Detektei für den Rest des Tages.“ Ed stand auf und verließ das Büro. Akai nahm den Wanzendetektor und folgte dem Ermittler. Milena ging ihnen nach. „Pass auf dich auf, Dad.“ „Mach ich, Liebes, mach ich.“ Er lächelte und nahm sie in den Arm. „Es wird alles wieder gut.“ Dann sah er zu Shuichi. „Können wir?“ Akai nickte. Als die Tür zu einem weiteren Büro aufging, blickte der Agent sofort dorthin. Daniel – der andere Ermittler – kam hinaus. Er blickte verwundert in die Runde. „Das nenn ich mal Feierabendkomitee“, scherzte er. „Oh, Milena, du bist wieder zurück? Wie geht es der Katze?“ Die Katze war ihr Codewort für Jodie und ihre Möglichkeit auch in Anwesenheit von Klienten, Zeugen oder anderen Personen über die junge Frau zu sprechen. „Daniel, du kannst offen reden“, sagte Ed. „Was weißt du über Jodie?“ Daniel blickte irritiert zu Shuichi. Dann sah er zwischen Ed und Milena hin und her. „Naja…sie kam vorhin recht aufgelöst zur Detektei und wollte mit dir sprechen, Ed. Milena war dabei und versprach sich um Jodie zu kümmern. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich heute hier noch seh.“ „Milena?“ Ed sah zu seiner Tochter. „Ich war die ganze Zeit hier oben.“ „Daniel, weißt du, wo die Beiden hinwollten?“ „Ich nehme an, zu Jodies Wohnung.“ Ed und Shuichi sahen sich an. Dann liefen beide Männer aus der Detektei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)