A thousand words or less von -Red-Karasu ================================================================================ Kapitel 3: 03. Bruises on your thighs (The Gazette) --------------------------------------------------- Bruises on your thighs     Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ließ den Kopf in den Nacken fallen und starrte für einige Sekunden an die Decke. So schwer es ihm auch fiel, er musste zumindest versuchen, den Anschein einer Nonchalance zu wahren, die ihm irgendwann in den letzten Wochen abhandengekommen war.   „Alles gut bei dir?“   Mit einiger Anstrengung richtete Aoi sich so weit auf, dass er sein Gegenüber ansehen konnte. Uruhas Augen fixierten ihn auf diese ihm so eigene Art und Weise, die ihm automatisch ein kleines Lächeln entlockte.   „Natürlich.“ Er nahm das Handtuch, das Uruha ihm reichte, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen, hieß die kurzzeitige Ablenkung willkommen, die ihm dadurch angeboten wurde.   „Ich glaube nicht, dass du dir Sorgen um ihn machen musst.“ All die Coolness, um die er bis eben erfolglos gekämpft hatte, war in Uruhas Stimme vorhanden, als wäre die Sicherheit hinter seinen Worten das Natürlichste der Welt.   Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Aoi zu ihm auf, versuchte sich nicht von dem Lächeln auf Uruhas vollen Lippen ablenken zu lassen. Stattdessen folgte sein Blick der unauffälligen Geste seines Partners, schweifte für einen Moment durch die Garderobe, bis er schließlich auf Reita landete, der mit dem Rücken zu ihnen stand und sich gerade umständlich aus seinem Kostüm schälte.   Wie so oft fühlte Aoi sich von dessen Körper beinahe hypnotisiert. Er hatte das Gefühl sich an dem weichen Handtuch festhalten zu müssen, um zu verhindern, dass seine Finger den Weg auf die andere Seite des Raumes fanden und die Haut zu berührten, die unter schwarzem Leder zum Vorschein kam.   Das fast schon schummrige Licht der Garderobe versuchte das Violett zu verbergen, aber Aoi konnte ohne Mühe die Stellen ausmachen, an denen es das makellose Bild trübte, das Reitas Rücken sonst bot.   „Hey.“ Feingliedrige Finger griffen nach seinem Haar, zogen ihn näher zu Uruha, der noch immer neben ihm auf der Sofalehne saß. „Er hat gesagt, dass er okay ist.“   „Er kennt seine Limits nicht.“   Es war nicht das erste Mal, dass sie dieses Gespräch führten und es würde vermutlich auch nicht das letzte sein. Dennoch konnte Aoi nichts gegen das Gefühl tun, dass er eine Grenze überschritten hatte, deren Einhalten in seiner Verantwortung hätte liegen sollen.   „Er weiß, was er will und er kennt die Regeln. Hör auf, dich selbst so zu martern. Das ist meine Aufgabe.“ Aoi musste widerwillig lachen als Uruha sich zu ihm hinunterbeugte und ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn drückte, und sah ihm nach, als er sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren erhob. Uruha durchquerte die Garderobe in Richtung ihres gemeinsamen Freundes, um Reita mit dem Reißverschluss seines Kostüms zu helfen. Aoi hörte nur halb, wie die beiden sich unterhielten, ein Herz und eine Seele, wie sie es schon immer gewesen waren. Auch die nebensächlich-zärtlichen Berührungen, die sie teilten, waren nichts, was er nicht schon tausendmal gesehen hatte. Und dennoch war ihm mehr als deutlich bewusst, dass dies Uruhas Weg war, ihm zu zeigen, dass alles in Ordnung war.   Und er musste ihm recht geben: Obwohl auch unter Reitas schwarzen Hosen weitere blaue Flecke zum Vorschein kamen, waren seine Bewegungen nicht müder oder schwerfälliger als nach jedem anderen Konzert auch.   Es dauerte einige Minuten, bis er sich endgültig vom Anblick der beiden losreißen und damit beginnen konnte, sich selbst von seinem verschwitzten Bühnenoutfit zu befreien. Es tat ihm für ihre Fans Leid, dass er das Konzert so an sich hatte vorbeiziehen lassen, weil seine Gedanken immer wieder zu Reita abgeschweift waren, aber ändern konnte er es nun auch nicht mehr. Und auch wenn Kai und Ruki dem Rest der Band immer mal wieder argwöhnische Blicke zugeworfen hatten, seine Performance schien zumindest nicht so sehr gelitten zu haben, dass es einem der beiden einen Kommentar wert war.   Vielleicht hatte Uruha in seiner fast untrüglichen Intuition also einmal mal mehr Recht: Er machte sich einfach zu viele Sorgen. Reita war erwachsen und wusste, worauf er sich einließ, wenn er zu Aoi kam und ihn um seine Zeit bat.   Allein der Gedanke ließ ihn die Augen schließen und darum kämpfen, einen Schauder zu unterdrücken.   Er würde nie den Ausdruck in Reitas Gesicht vergessen, als er sich das erste Mal in seinem und Uruhas Schlafzimmer wiedergefunden hatte. Als hätten sich ihm gerade gänzlich neue Sphären des Seins erschlossen.   Aoi dachte an den Kontrast zwischen Reitas sonnengebräunten Armen und dem dunklen Violett der Seile, die Uruha ausgesucht hatte.   Er dachte an rotes Wachs, das sich über Reitas Brustkorb ergoss und ihm mit jedem Tropfen ein dunkles Seufzen entlockte.   Er sah aus den Augenwinkeln zu Reita, der gerade über etwas lachte, das Kai im Gehen gesagt haben musste, und dachte an das Geräusch, das das Schlagseil bei jedem Auftreffen auf seinen Oberschenkeln gemacht hatte. An die Spuren davon, die er jetzt noch sehen konnte.   Es hatte Reita die Tränen in die Augen getrieben, ihn auf die schönste Art und Weise betteln lassen – und doch hatten die wenigen Silben seines Safewords Reitas Lippen nie verlassen.   Mit einem Seufzen wandte Aoi sich ab, ehe die anderen bemerken konnten, wie abgelenkt er wirklich war. Mit mehr Akribie als nötig, begann er seine Habseligkeiten zurück in seine Tasche zu packen, ehe er einen Blick auf sein Handy warf, auf dem eine Nachricht von Saga wartete. Er beschloss, sie vorerst zu ignorieren.   Denn, soviel konnte er zumindest vor sich selbst zugeben, letztlich lag das Problem an anderer Stelle: Es gab einen kleinen, aber hartnäckigen Teil von ihm, der befürchtete, dass er irgendwann zu weit gehen und Reita damit abschrecken würde. Das Schlimmste war, dass dies nicht nur deswegen ein Problem wäre, weil er seinem langjährigen Freund eben nicht mehr Schmerz zufügen wollte, als dieser bereit war auf sich zu nehmen. Nein, viel mehr befürchtete er Reita zu verlieren, indem er zu weit ging.    Und das war, zu seinem eigenen Erstaunen, ein Risiko, das er nicht bereit war einzugehen.    Aoi schreckte auf, als sich ein Arm um seine Schultern schlang und der mittlerweile vertraut-herbe Geruch von Reitas Parfüm in seine Nase stieg.   „Willst du hier noch weiter ‘rumstehen?“   „Nicht unbedingt?“   „Okay, dann lass uns gehen, Uruha meinte, dass es kein Problem ist, wenn ich mich heute bei euch einquartiere.“   Und da war die zweite Erkenntnis des Abends: Uruha war unwiederbringlich auf der Mission, sie alle zu ihrem Glück zu zwingen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)