Die Sonne scheint für alle von MariLuna ================================================================================ Kapitel 18: ------------ XVIII.   Alciel ist wirklich wütend. Er hätte dieser unverschämten Heldin für ihre beleidigenden Worte nur zu gerne eine gescheuert. Sein Zorn nimmt ihn so gefangen, dass er erst bemerkt, dass er sich schon längst wieder in der Wohnung befindet, als er den weichen Futon unter sich fühlt. Und dann, ganz plötzlich, sitzt ein Bündel gefallener Engel auf seinem Schoß. „Sie ist noch da“, wispert Lucifer in sein linkes Ohr, während er ihm die Arme um den Nacken schlingt. „Und sie beobachtet uns.“ Alciel schielt aus dem Augenwinkel hinüber zu dem schmalen Küchenfenster und tatsächlich starren zwei neugierige Augen unter einem roten Haarschopf zu ihnen hinein. Diese Frau besitzt wirklich überhaupt kein Schamgefühl. „Lass uns überzeugend sein“, murmelt Lucifer. Sein Atem ist ein warmer Hauch gegen Alciels Ohr. Und plötzlich ist dieser sich des warmen, geschmeidigen Körpers so dicht an seinem nur allzu gut bewußt und das lässt ihn unwillkürlich erschauern. Es ist nur Theater, erinnert sich Alciel. Es ist alles arrangiert – die unordentlichen Decken, die schlampige Kleidung und die Tatsache, dass Lucifer sein Shirt trägt. Sogar seine roten Wangen und sein verschwitztes Aussehen sind künstlich hervorgerufen. Der „Schweiß“ ist Wasser und seine Gesichtsfarbe stammt von Lucifers kneifenden und reibenden Fingern. Zum Glück stolpert Emi immer so laut die Treppe hinauf - die eine Minute genügte völlig, um sich „herauszuputzen“. Alles nur Theater. Aber warum fühlt es sich dann nur so unheimlich gut an, wenn Lucifer auf seinem Schoß sitzt, ganz so, als gehöre er dorthin? Warum stockt ihm bei einem Blick in diese violetten Augen der Atem und warum kommt er ihm auf halbem Wege entgegen, als er sich anschickt, ihn zu küssen? Und das, obwohl es in Alciels Clan geradezu als verpönt gilt, sich gegenseitig auf den Mund zu küssen? In seinen ganzen 1.573 Jahren hat er noch niemals das Verlangen verspürt, auf diese Art zu küssen – nicht freiwillig, nicht von sich aus und schon gar nicht außerhalb der Paarungszeit. Außer jetzt. Und ehe er es sich versieht, wird aus einem gut geplanten Theaterstück Ernst. Gierig verkrallen sich seine Finger in Lucifers Rücken, er spürt und hört, wie der Stoff seines (!) Shirts unter seinen Nägeln reißt, doch das interessiert ihn nicht, alles, was er will, ist diesen warmen, geschmeidigen Körper ganz fest an sich zu drücken und ihn nie, nie wieder loszulassen.     Es ist nur ein Schauspiel. Ich spiele nur eine Rolle, mehr nicht. Das sagte sich Lucifer von Anfang an. Und die Reaktionen der beiden Frauen waren es wirklich mehr als wert. Aber warum fällt es ihm nur so schwer, damit aufzuhören? Warum fühlt es sich so gut an? Es sollte sich nicht so gut anfühlen. Es sollte sich so anfühlen wie mit den Menschen - gezwungen, anstrengend, widerwärtig. Aber stattdessen ertrinkt er hier regelrecht in solch starken, positiven Emotionen, wie er sie schon lange nicht mehr erleben durfte. Das letzte Mal fühlte er etwas ähnliches, als er seine Flügel ausbreitete und durch die Wolken glitt - nur aus reinem Spaß am Fliegen. Wärme durchflutete sein Inneres und sein Herz jubilierte - genau wie jetzt. Er verspürt plötzlich dieses elektrisierende Prickeln in seinen Schulterblättern, und für einen Moment, einen kurzen, kostbaren Moment, kann er sie spüren. Seine Flügel. Doch die erlösende Explosion, die normalerweise in der Manifestation seiner Schwingen endet, bleibt aus. Es tut weh, als würde ein Riß mitten durch seine Seele gehen, aber der Schmerz vergeht schnell, als Alciels Zunge seine Mundhöhle zu plündern beginnt.     Endlich geht sie. Erleichtert gleitet Mao vom Waschtisch herunter und legt den kleinen Taschenspiegel wieder zurück ins dazugehörige Fach. Allmählich kam er sich schon vor wie ein Knastbruder, wie er da auf dem Waschtisch balancierte, um aus dem schmalen Fenster mithilfe eines Spiegels einen mehr schlechten als rechten Blick auf Emilia dort draußen auf dem Korridor zu werfen. Und dann konnte er doch nicht viel mehr als ihren leuchtend roten Haarschopf sehen. Es war trotzdem eindeutig, dass sie durch das Küchenfenster spionierte. Sie ließ sich ziemlich viel Zeit dabei, seine Armbanduhr verrät ihm, dass sie mindestens drei Minuten da stand. Er wartet, bis er sie die Treppe hinunter poltern hört, und lässt dann sicherheitshalber noch eine weitere Minute verstreichen, bevor er sich anschickt, sein Versteck zu verlassen. Breit grinsend und sehr zufrieden mit seinem gelungenen Plan, schiebt er die Tür beiseite. „Oi, Jungs...“ Er stockt mitten im Satz. Die beiden fahren sofort auseinander, als sie seine Stimme hören – eher gesagt, springt Lucifer geradezu von Alciels Schoß und sitzt dann einen halben Meter entfernt in betont unschuldiger Pose da, aber mit hochrotem Gesicht, während Alciel dagegen regelrecht zur Salzsäule erstarrt. „M-Mylord“, bringt er schließlich mit zitternder Stimme hervor und schenkt ihm ein viel zu breites Lächeln. „E-es scheint, als hätte unsere kleine List funktioniert.“ Mao mustert ihn mit hochgezogenen Brauen und versucht, sich ein noch breiteres Grinsen zu verkneifen. Seinen sonst immer so kontrollierten General so erregt zu erleben, besitzt einen gewissen Reiz. Ihn zu foppen ist geradezu ein zwingendes Muss. „Sehr schön, Ashiya. Ich habe auch nichts anderes von euch erwartet. Auch wenn du dich vielleicht ein wenig zu sehr hineingesteigert hast, wenn ich mir deine Hände so ansehe.“ Verdattert wirft Alciel einen Blick auf seine Hände und läuft noch röter an. „D-das...“ verlegen versucht er, seine dämonischen Chitinkrallen erst zurückzuverwandeln und, als ihm das nicht gelingt, diese in den Ärmeln seines Shirts zu verstecken. „D-das... Verzeiht mir, Mylord. Das ist mir sehr peinlich...“ „Lass ihn in Ruhe, Satan Jacobu.“ Aufgebracht funkelt Lucifer seinen König an – und die Tatsache, dass er Maos wahren Namen benutzt, unterstreicht nur, wie zornig er wirklich ist. „Emi hat uns die ganze Zeit über beobachtet und es sollte doch echt wirken, oder? Jetzt mach dich nicht über ihn lustig, er hat nur deinen Befehl befolgt. Es war schließlich deine Idee, dass wir als Pärchen auftreten.“ „Du hast recht.“ Beschwichtigend hebt Mao die Hände und setzt sich zu ihnen. Mit einem verschmitzten Funkeln in den rötlichen Augen legt er jedem der beiden einen Arm um die Schultern. Und in diesem Moment fühlt es sich wieder an wie früher, wo sie gemeinsam irgendwelche Pläne schmiedeten, um Maos Macht zu stärken. „Aber wißt ihr auch, was mir klar wurde, als ich Emi vom Bad aus beobachtete?“ Verschwörerisch senkt er die Stimme. „Wenn wir wirklich überzeugend sein wollen, dürfen wir keine Sekunde lang nachlassen. Wir können es uns nicht leisten, dass nur irgend ein klitzekleiner Zweifel an der Ernsthaftigkeit unserer Beziehung aufkommt.“ Er hält einen Moment inne, bis er spürt, wie sich die beiden unwillkürlich versteifen, als sie begreifen, was er damit meint. „Und deshalb, Lucifer“, fährt er dann aufgeräumt fort, „teile ich diese Nacht mit dir meinen Futon. Tut mir leid, Ashiya.“ „Euer Wunsch ist mir Befehl, Mylord“, erklärt Alciel, zwar vom Geschehenen noch erschüttert, aber er gewinnt langsam seine Fassung zurück. Es genügt jedenfalls, um seine Enttäuschung erfolgreich zu verbergen. Doch zu seiner großen Überraschung ist es ausgerechnet Lucifer, der ihm – wenn auch ohne es zu wissen – Schützenhilfe gibt. „Oi, Mao-baka, ich bin nicht dein Haustier. Ich entscheide selbst, wo ich mich hinlege. Ihr beide werdet schön eure Futons zusammenschieben und ich liege dann direkt in der Mitte. Und ich will ein eigenes Kopfkissen und eine eigene Decke.“ Mao-baka kichert vergnügt und wuschelt ihm – vorsichtig, wegen der Naht am Hinterkopf – durchs violette Haar. „Ganz wie du wünschst, Lucifer. Wenn du dafür dein jetziges Outfit nicht änderst. Ashiyas Shirt steht dir einfach nur zu gut.“ Alciel neben ihm seufzt nur. Lucifer dagegen wirft ihm einen argwöhnischen Blick zu. „Aber meine Shorts darf ich mir noch anziehen?“ „Nein“, erwidert Mao entschieden. „Das ist sexy, so, wie es ist. Und …“, breit grinsend legt er seine Hand auf Lucifers rechtes Knie und streichelt sich dann unter dem Shirt über den nackten Oberschenkel. Lucifers Augen werden schmal, doch er sagt nichts. „Du bist mein Ehemann, nicht vergessen“, schnurrt Mao. Er weiß selbst nicht, woher er den Mut dazu nimmt. Die frechen Sprüche stammen aus seinen Mangas und diese wolllüstige Geste ebenfalls. Aber es macht Spaß. „Ich brauche Zugriff. Jederzeit.“ Entschlossen schiebt Lucifer Maos freche Hand beiseite. „Das musst du mit meinem anderen Ehemann absprechen“, erklärt er kühl, aber mit einem unverkennbar amüsierten Funkeln in den Augen. Dann windet er sich unter Maos Arm hindurch und krabbelt anderthalb Meter weiter, wo er sich an seinen kleinen Tisch mit dem Laptop hinhockt. „Ich zocke noch etwas, bis ihr das geklärt habt“, meint er dabei, klappt den Bildschirm hoch, schaltet den Laptop ein und stülpt sich dann seine Kopfhörer über die Ohren.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)