Living on the edge of the word von yamimaru ================================================================================ Kapitel 6: Black and white and the uncertainty in-between [MUCC: Miya/Satochi] ------------------------------------------------------------------------------ Character: Satochi (MUCC) Prompt: Shibuya Crossing Aufgabe von: - En - surprise Saga: nein Wortanzahl: 1.049     „Ich werde die Band verlassen.“   Die klar abgegrenzten Linien der Zebrastreifen verschwammen vor seinen Augen ebenso wie die Köpfe der vielen Menschen, die sich klein wie Ameisen unter ihm tummelten. Shibuya war geschäftig um diese Tageszeit, was er in der Abgeschiedenheit des Studios umgeben von Musik und versunken in der Arbeit beinahe vergessen hatte. Der Blick aus dem Fenster führte ihm diesen Umstand nun jedoch mehr als deutlich vor Augen. Beinahe so deutlich, wie ihm das angespannte Atmen in seinem Rücken zeigte, dass er seit mehreren Minuten nicht auf Satochis Worte reagiert hatte. Unwirsch rieb er sich über die Augen, verbannte die Feuchtigkeit, die kein Recht hatte, dort zu sein.   „Weißt du, was das Schlimmste daran ist?“   „Nein.“   „Dass mir bewusst ist, dass du damit niemals Späße machen würdest.“   „Miya.“ Sato hob die Hand, als er sich zu ihm herumdrehte, als wollte er ihn berühren. Unverrichteter Dinge krümmte er jedoch die Finger und senkte sie ebenso wie seinen Blick. „Glaub mir, ich hab noch nie so lange über etwas nachgedacht, wie über das hier, aber es gibt für mich keine Alternative. Ich bleibe noch so lange, wie ihr mich braucht …“   „Dann geh nicht!“ Er hatte nicht vorgehabt, laut zu werden, und die erschrockenen Augen, in die er nun sehen musste, ließen seinen Magen sich nur noch stärker verkrampfen. „Ernsthaft, Satochi, wie kannst du glauben, dass wir dich nicht mehr brauchen? Hab ich dir wirklich das Gefühl gegeben, ersetzbar zu sein?“   „Was? Nein!“ Satochi trat näher, obwohl das kaum noch möglich war. „Es liegt nicht an dir. Es liegt an keinem von euch.“ Kopfschüttelnd senkte er die Lider und seufzte abgrundtief. „Ich bin ausgebrannt, Miya, körperlich und mental.“    „Dann nimm dir eine Auszeit“, flehte er beinahe und hätte sich am liebsten die Haare gerauft, so hilflos fühlte er sich.   „Wir sind gerade erst aus dem Lock down raus, denkst du nicht, ich hatte in den letzten Monaten genug Zeit? Vermutlich kannst du das nicht verstehen und das ist in Ordnung, aber gerade weil wir uns so lange nicht treffen durften und bandtechnisch einfach nichts tun konnten, ist mir bewusst geworden, dass der Abstand von all dem hier genau das ist, was ich brauche.“ Satochi machte eine ausladende Handbewegung, die das gesamte Studio, das Equipment und sogar Miya selbst einzuschließen schien. „Endlich konnte ich wieder durchschlafen, meine Rückenschmerzen sind deutlich besser geworden und selbst diese ständige Anspannung war verschwunden. Kannst du dir vorstellen, was das für eine Erleichterung war?“   „Warum hast du nie etwas gesagt? Ich wusste von all dem nichts. Immer, wenn ich dachte, es würde dir nicht gut gehen und dich darauf angesprochen habe, hast du mich abgewimmelt. Und jetzt das? Verdammt, Sato, wir hätten daran arbeiten können, Lösungen finden, die nicht derart endgültig sind.“   „Ich konnte es mir nicht eingestehen. Es war leichter, mir einzureden, dass es nur eine Phase ist, dass mich die Euphorie der nächsten Tour sicher wieder genug aufbaut, um weiterzumachen.“   „Warum wartest du dann nicht noch? Wir starten doch gerade erst wieder. Natürlich werden die Shows in nächster Zeit nicht das sein, was wir gewohnt sind, aber …“   „Nein, Miya, mein Entschluss steht fest.“ Satochis Stimme brach und sein Adamsapfel hüpfte, als er trocken schluckte. „Ihr seid wie Brüder für mich, die ich nicht verlieren will, aber das Positive wiegt die negativen Auswirkungen mittlerweile nicht mehr auf.“   Die Zeit schien sich verlangsamt zu haben, während dessen sie sich unverwandt in die Augen sahen. Miyas Herz schmerzte, als würde ein Messer darin stecken und es hätte ihn nicht gewundert, Blut auf seinem weißen T-Shirt zu sehen. Aber da war nichts, die klaffende Wunde, die Satochis Entscheidung gerissen hatte, war unsichtbar.   „Ich wünschte, du hättest mich eingeweiht.“   „Es tut mir leid.“   „Ja, mir auch.“ Er rieb sich über die Nasenwurzel, verdrängte die Kopfschmerzen, die hinter seiner Stirn pochten und drückten. „Was hast du nun vor?“   „Ich denke, ich werde mit Tatsuro und Yukke sprechen, sobald sie wieder hier sind.“   Energisch schüttelte er den Kopf und gab dem Drang nach, seinen langjährigen Freund an der Schulter zu berühren. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Die beiden neigen dazu, sich gegenseitig hochzuschaukeln, und dieses Drama willst du dir sicher nicht antun.“ Ein kurzes Zucken seiner Mundwinkel begleitete seine Worte, doch Satos erwiderndes Lächeln war so schwach und flüchtig, dass er sich fragte, ob er es sich nur eingebildet hatte. „Triff dich am besten einzeln mit ihnen und fang mit Yukke an.“   „Danke.“ Satochi senkte den Kopf und für einen irrwitzigen Moment glaubte er, sein Freund würde sich jeden Moment gegen ihn lehnen. Aber der Augenblick verging so schnell, wie er gekommen war und ließ ihn mit dem Gefühl zurück, ein sentimentaler Idiot zu sein. „Ist zwischen uns alles gut?“   „Nein.“ Tapfer ertrug er die Enttäuschung, die über Satochis Gesicht kroch und die er nicht verbergen konnte. „Aber ich hoffe, das wird es bald wieder sein. Lass uns weitermachen, okay? Ich höre unsere beiden Chaoten vor der Tür krakeelen.“   ~*~   Schwarz, weiß. Hell, dunkel. So wie ihn seine Schritte über den Zebrastreifen trugen, wirbelten Satochis Worte die unterschiedlichsten Emotionen in ihm auf. Enttäuschung, Hoffnung. Mut, Angst. Würde Satochis Fortgang bedeuten, ihn für immer zu verlieren? Oder würde sich ihre Freundschaft einfach in eine neue Richtung entwickeln? Dass die Band diese Veränderung überstehen würde, davon war er überzeugt, aber würde er selbst es genauso meistern? Sein Herz lag bleischwer in seiner Brust und immer, wenn er an ihr Gespräch zurückdachte, wollte er sich am liebsten zusammenkrümmen. Sein Mundschutz war durchgeweicht, obwohl er sich ständig über die Augen rieb und sein Magen war ein einziger, schmerzhafter Klumpen. Er drehte sich herum, ließ die vielen Passanten wie Wasser vorbeitreiben, während er das Fenster suchte, hinter dem er bis eben noch gestanden war. Ob Sato noch immer allein dort oben war? Er hätte nicht vor ihm gehen sollen, aber er hatte es nicht mehr ausgehalten. Fest presste er die Lippen aufeinander, senkte den Blick und ging weiter.   Schwarz, weiß. Hell, dunkel. Veränderungen mussten nicht immer etwas Schlechtes sein, auch wenn sie sich im ersten Moment so anfühlten, oder? Über zwei Jahrzehnte war es ihm unmöglich, ehrlich zu sich selbst zu sein, die Gefühle zu akzeptieren, die immer stärker wurden. Die Band, ihre Karriere, die Gesellschaft; alles war immer wichtiger, aber all das würde nun bald keine Rolle mehr spielen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)