Letzte Wiederkehr von MizunaStardust ================================================================================ IV -- IV „Welch Ehre!“, schnarrte Bakura, als er lässig, die Hände in die Hüften gestemmt, den Thronsaal betrat, „Wer hätte gedacht, dass Ihr mich empfangen würdet, Eure Lächerlichkeit?“ Atem saß auf seinem Thron und verzog keine Miene. „Wenn du noch die Gelegenheit dazu haben willst, dein Anliegen vorzubringen – falls du überhaupt eines hast, das Hand und Fuß besitzt –, solltest du auf dein Geschwafel verzichten und gleich zur Sache kommen!“, knurrte er. Atems Leibwächter standen schützend vor ihm und beäugten Bakura mit so viel Ekel, als sei er ein übergroßes Insekt. „Schon gut, schon gut“, Bakura zauberten die herablassenden Blicke nur ein breites Grinsen auf die Lippen, „aber Ihr solltet Euch lieber genau überlegen, ob Ihr mich wegschickt oder einsperren lasst, Euer Untersetztheit. Denn ich habe Euch ein Angebot zu unterbreiten, dass Ihr vielleicht nicht so einfach ablehnen könnt.“ „Was für ein Angebot soll das sein?“, Atem lehnte sich ein wenig nach vorne, blieb aber betont desinteressiert „Sprich! Na los!“ Bakura seufzte. Dann schritt er langsam auf die Stufen zu, die zu Atems Thron hinaufführten, und ließ sich bequem darauf nieder. Die sechs Träger der Milleniumsgegenstände spannten ihre Muskeln an, auf alles gefasst. „Immer mit der Ruhe. Ihr müsst schon etwas Geduld an den Tag legen und mir aufmerksam zuhören, Pharao. Sonst platzt der Handel auf der Stelle. Und pfeift Eure Schoßhündchen zurück.“ Der Pharao machte seiner Leibgarde ein Zeichen, zu warten, schwieg aber pikiert und entgegnete nichts. Noch immer war Bakura am Zug, sich zu erklären, und wenn er ihn ködern wollte, hatte er mehr vorzubringen als heiße Luft. Als der Grabräuber merkte, dass er den König von Ägypten nicht zu weiteren giftigen Reaktionen bewegen konnte, wandte er sich, noch immer lächelnd, um und räusperte sich vernehmlich. „Vielleicht ist Euch zu Ohren gekommen, dass ich ab und an mal ein Grab links mache – nichts, weswegen man ein Fass aufmachen müsste.“ „Ach was. Das ist ja ganz was Neues“, entgegnete Atem trocken. „Jedenfalls … wie Ihr Euch auch sicher denken könnt, habe ich meine Augen und Ohren überall, damit ich immer zuverlässig erfahre, welche Ausbeute es wo zu ergattern gibt. Dabei ist mir unlängst etwas sehr Interessantes zugetragen worden. Im Grab Eures Urgroßvaters, Pharao Aksethem, befindet sich angeblich eine unbezahlbare Schrift. Eine Schrift, auf der zahlreiche Geheimnisse der schwarzen Magie enthüllt werden. Eine Schrift, die so wertvoll ist, dass Euer Vorfahre es für das Ratsamste hielt, sie mit ins Grab zu nehmen. Eine Schrift, für deren Inhalt ich demnach – offengesprochen – töten würde.“ Atem lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er glaubte Bakura das aufs Wort. Fassungslos wechselte er einen Blick mit Seth. Dessen Gesicht sprach Bände und Atem konnte sein zur Schau gestelltes „Ich hab’s Euch ja gesagt“ darin nicht überlesen. „Und warum vertraust du ausgerechnet mir das an?“, fragte er dennoch kühl, „gibt es dir einen Kick, mir deinem nächsten Coup bereits anzukündigen, nur um dir dann ins Fäustchen zu lachen, wenn ich es nicht fertigbringe, ihn zu verhindern?“ Bakura lachte laut auf. „Kompliment, Euer Scharfsinnigkeit. Ihr kennt mich bereits recht gut.“ Atem schnaubte verächtlich. „Dennoch“, fuhr der Dieb fort, „so würde ich unter normalen Umständen tatsächlich handeln. Allerdings liegen die Dinge in diesem Fall etwas anders.“ So langsam wurde es dem Pharao zu bunt. Er erhob sich. „Komm endlich zum Punkt. Du hast meine Geduld lange genug auf die Probe gestellt.“ „Na schön, na schön“, seufzte Bakura, „normalerweise würde ich das Grab aufbrechen und plündern und das Schriftstück an mich nehmen. Allerdings bringt mich das kaum weiter, denn das Risiko, dass ich dabei das Zeitliche segne, ist einfach zu hoch. Denn nachdem ich Erkundigungen über Euren Urgroßvater eingeholt habe, habe ich herausgefunden, dass die Pyramide, die er entworfen hat, legendär ist. Und wisst Ihr auch warum, Pharao?“ „Weil man ihr nachsagt, sie sei ein Geniestreich der Pyramidenbaukunst“, rezitierte Atem aus seinem eigenen Geschichtswissen, „und dass niemand es jemals schaffen könne, in die Grabkammer vorzudringen. Die Schrecken, die dort auf Grabräuber warten, übersteigen die menschliche Vorstellungskraft.“ „Ich sehe, Ihr habt Eure Hausaufgaben gemacht und selbst bereits ein wenig Ahnenforschung betrieben“, schnarrte der Dieb amüsiert, „Seht Ihr. Und eben das ist mein Problem. Was soll ich mit der Schrift anfangen, wenn ich nicht lebend aus dem Grab rauskomme, um die Zauber, die darauf gebannt sind, für meine Zwecke zu nutzen?“ „Du hast Recht. Das wäre wirklich nur zu bedauerlich“, knurrte Atem. Wut kochte in ihm hoch. Gleichzeitig fragte er sich, was Bakura mit alldem hier bezwecken wollte. Wieso saß er jetzt überhaupt hier und musste sich diese unerhörten Respektlosigkeiten bieten lassen? Wo führte all das hin? „Bakura – was willst du von mir?“, fragte er schließlich grimmig. „Ich will“, sagte Bakura und verhakte dabei den unangenehmen, durchdringenden Blick seiner hellen Augen mit den tiefroten Augen des Pharaos, bis dieser sich ausgeliefert und unbehaglich fühlte, „dass Ihr mir helft, die Mechanismen in der Pyramide zu überlisten. Ich weiß, dass in Eurer Palastbibliothek Aksethems Baupläne aufbewahrt werden. Und um Eurer Frage zuvorzukommen, was für Euch dabei herausspringt: Ich weiß aus sicherer Quelle, dass die Schrift, um die es mir geht, wichtige Hinweise zu Euren sieben Milleniumsgegenständen beinhaltet. Ich schlage Euch also einen Tausch vor: Ihr gebt mir die Baupläne und ich überlasse Euch nach dem geglückten Raub die Schrift – natürlich nachdem ich mir alles Wissen daraus angeeignet habe, das ich brauche. Das ist mein Angebot. Deshalb bin ich hergekommen.“ Atem stand der Mund offen. Er hatte keine Worte für so viel Dreistigkeit. Er konnte kaum glauben, was er gehört hatte. Auch seine Leibwächter machten entsetzte Gesichter. „Das könnte dir so passen, du miese Ratte!“, begehrte Seth mit bebender Stimme auf. Der Pharao warf ihm einen warnenden Blick zu. Es war nicht an ihm, Bakura zu antworten. Alle blickten ihren Herrscher erwartungsvoll an, aber noch immer schwieg Atem. „Kommt schon. Eure Einfältigkeit“, säuselte Bakura, „ich weiß, wie sehr Ihr danach trachtet, mehr über die sieben Gegenstände zu erfahren. Hier ist Eure Chance. Ihr müsst sie nur ergreifen.“ Atem biss sich auf die Unterlippe. Es stimmte. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nichts davon, dass sein Onkel die Milleniumsgegenstände erschaffen hatte und unter welchen Umständen dies geschehen war. Auch war ihm wenig über Ihre Eigenschaften und Kräfte bekannt. Dass ihnen dennoch eine immense Magie innewohnte, die er nicht im Geringsten begriff und die er begrüßte und fürchtete zugleich, trieb ihn bereits seit Längerem um. Und doch war der Preis dafür, diese Informationen zu bekommen, unbezahlbar. Es ging um seine Werte, seine Integrität und das Vertrauen, das seine Untergebenen in ihn setzten. „Mein König?“, fragte Isis zaghaft, als er nur stumm dasaß. Die Ansprache ließ ihn aus seinen Gedanken schrecken. „Ich erbitte mir ein wenig Bedenkzeit“, presste er schließlich hervor. „Was?!“, rief Seth fassungslos aus. Ein zufriedenes Grinsen lag auf Bakuras Lippen. Atem wusste, dass der Grabräuber sich nur zu gut darüber bewusst war, dass er ihn genau da hatte, wo er ihn haben wollte. Dass er bereits angebissen hatte und nun an seinem Haken zappelte. Es war demütigend. Wortlos ließ er den Dieb und sein Gefolge stehen und verließ den Thronsaal. *** Schweißgebadet fuhr Atem aus dem Schlaf. Für einige Sekunden wusste er nicht, wo er sich befand, war orientierungslos, nichts schien an seinem Platz zu sein. Dann jedoch kamen die Erinnerungen an die letzten Tage zurück. Ratlos blickte er auf die Zahlen der kleinen Maschine auf seinem Nachtschrank, von der Mokuba ihm gesagt hatte, dass sie die Zeit anzeigte. Doch er konnte sie nicht lesen. Seinem Gefühl nach musste der neue Tag jedoch noch eine Weile auf sich warten lassen. Ein fahler Mond erhellte den Raum und langsam schälten sich Umrisse der Möbel aus der Dunkelheit heraus. Hellwach starrte er an die Decke und lauschte seinem eigenen hämmernden Herzschlag. Nur ein Traum, dachte er. Aber das stimmte nicht ganz. Bakura befand sich ebenfalls hier, in unmittelbarer Nähe, und das bereitete Atem ein mehr als mulmiges Gefühl. Die vergangenen Ereignisse waren ihm wieder nähergerückt, obwohl er so sehr gehofft hatte, er könne sie vergessen und müsste sich nie wieder mit ihren möglichen Folgen befassen. Aber insgeheim hatte er bereits gewusst, dass er sich nicht aus der Verantwortung ziehen konnte und wollte. Das all das ein Nachspiel haben würde. Bei der Frage, warum der Grabräuber und er gemeinsam hierhergekommen waren, wurde ihm übel. Sicher hatte es alles mit seiner Entscheidung von damals zu tun. Sicher war dieser Spuk nicht vorbei. Atems Gedanken schweiften zu den beiden Karten, die er Seto gegeben hatte, und in seinem Hals bildete sich ein Kloß. „Ritual der Schatten“, er hatte das schon einmal irgendwo gehört. Wenn ihm nur einfiele, wo das gewesen war. Die Kreatur auf der anderen Karte waberte durch seinen Geist und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Als er die Gedanken nicht mehr ertragen konnte, die in seinem Kopf umherwirbelten und ihn immer lauter anschrien, stand er auf und zog sich an. Leise öffnete er die Zimmertür und huschte hinaus. Er wollte sehen, ob er in der Küche etwas zu Trinken fand. Hätte er doch nur gewusst, wie man diesen magischen Krug bediente, mit dem man Wasser heiß zaubern konnte, dann hätte er sich einen Tee zubereiten können, der seine Nerven etwas beruhigte. Als er durch den Flur tappte, bedacht darauf, kein Geräusch zu verursachen, fiel sein Blick auf den Türspalt von Setos Arbeitszimmer. Ein dünner Lichtstrahl schien hindurch. War der Hausbesitzer etwa noch immer bei der Arbeit? Atem rang kurz mit sich, er wollte keine unangenehme Begegnung herbeiführen oder Setos Zorn auf sich ziehen, wenn er ihn abermals störte. Aber schließlich überwog der Wunsch, sich abzulenken und jetzt nicht alleine mit seinen Gedanken zu sein. Vorsichtig klopfte er an. Nachdem er keine Reaktion erhielt, drückte er zaghaft die Türklinke und schaute ins Zimmer. Seto schreckte sichtlich hoch. „Verdammt, was – tust du hier?! Du hast mich zu Tode erschreckt!“, fragte er verwirrt. Offenbar war er sehr vertieft in etwas gewesen. „Ich habe geklopft. Du hast nicht reagiert“, sagte Atem entschuldigend, auch wenn das keine Antwort auf Setos Frage war. Der Firmenchef rieb sich müde die Augen. „Es ist spät, wieso machst du nicht morgen weiter?“, schlug der Pharao vor. „Und du?“, Seto zog eine Augenbraue nach oben, „wieso schläfst du nicht?“ „Ach … ungewohnte Umgebung. Und ich kann nicht mehr schlafen“, Atem zuckte verlegen mit den Schultern. „Das ist kein Wunder. Wenn du dich auch lieber schon nachmittags aufs Ohr haust, anstatt deinen Verpflichtungen nachzukommen und dich auf unser Duell vorzubereiten!“, schnarrte Seto ohne einen Hauch von Einfühlungsvermögen. Atem zog die Stirn kraus, überrascht über Setos gereizte Reaktion. War er etwa eingeschnappt, weil er seiner Einladung, dieses ach so wichtige Spiel zu lernen, am Abend nicht nachgekommen war? „Was willst du damit sagen?!", gab er mit leichter Empörung zurück, „Welche Verpflichtungen denn? Denkst du etwa, ich bin dir diese blöde Kartenpartie schuldig? Ich habe im Augenblick wesentlich wichtigere Dinge im Kopf als ein albernes Kinderspiel! (Bei den letzten Worten zog Seto scharf die Luft ein.) Wenn überhaupt lerne ich es nur, weil es dir unerklärlicher Weise so sehr am Herzen liegt! Sieh es also als einen Freundschaftsdienst von mir an.“ „Pah“, Seto schnaubte verächtlich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, „Ich könnte mich nicht erinnern, dass wir Freunde sind. Glaubst du etwa allen Ernstes, ich würde dich hier logieren lassen, wenn dieses Duell zwischen uns nicht noch ausstünde? Aber bitte, wenn es dir eine solche Pein ist oder du zu viel Schiss hast, gegen mich anzutreten, dann sag das doch gleich. Du kannst auch gerne unter der Domino Bridge nächtigen, wenn dir das lieber ist.“ „Willst du mich jetzt etwa erpressen?“, fragte Atem mit bebender Stimme und baute sich vor Seto auf, „Du hättest ohnehin nicht die geringste Chance in diesem Duel-was-auch-immer-Spiel gegen mich, lass dir das ruhig gesagt sein. So wie ich es verstehe, hast du ja bisher nicht sonderlich gut gegen mich bestanden. Also sei lieber froh, dass ich dir das bisher erspart habe.“ „Warum hast du dann solche Angst davor, wenn du nichts vor mir zu befürchten hast?“, stellte Seto herausfordernd die Gegenfrage. „Ach, hör schon auf mit dem Imponiergehabe", Atem zeigte sich unbeeindruckt, „Was regst du dich so auf? Morgen lerne ich von mir aus die zwei, drei Regeln und dann werden wir ja sehen, wer von uns der Bessere ist.“ „Das wird nicht möglich sein“, sagte Seto nüchtern, „morgen hast du keine Zeit zum Lernen.“ „Was? Aber … warum denn nicht?“, wollte Atem verdutzt wissen. „Weil wir morgen einen kleinen Ausflug machen. Also, an deiner Stelle würde ich versuchen, noch etwas Schlaf zu bekommen.“ Damit erhob sich der Besitzer der KaibaCorporation, schaltete seinen PC aus und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. „Warte einen Augenblick“, sagte Atem, „Warum läufst du ständig nur vor dir selbst davon, statt dich mal ein paar unangenehmen Dingen zu stellen? Und eine Antwort bist du mir heute Nachmittag auch schuldig geblieben: Warum wolltest du mich zurückholen, wenn dir doch alles so zuwider ist, was mit mir und mit deiner Vergangenheit zusammenhängt?“ Seto blieb für einen Augenblick stumm, dann sagte er leise, aber mit frostiger Stimme, „Genau aus diesem Grund: Weil ich die Vergangenheit ruhen lassen will. Ich wollte ein für alle Mal mit dir abschließen. Ich bin es leid, dass du in meinem Kopf spukst und meine Gegenwart beeinflusst. Ich wollte dich endlich zum Schweigen bringen, indem ich dich vernichtend schlage. Und auch wenn die Dinge jetzt etwas anders liegen: Genau das werde ich auch nach wir vor tun, verlass dich darauf, Pharao.“ Dann verließ er das Zimmer und wieder blieb Atem allein zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)