Letzte Wiederkehr von MizunaStardust ================================================================================ III --- III Seto hasste es, Aufgaben zu delegieren. Aber was konnte schon schiefgehen, wenn man jemanden damit beauftragte, etwas kaputtzumachen? Fasziniert schob Atem nun also Akte um Akte in den Schredder und sah dabei zu, wie sie zu Hunderten dünner Streifen verarbeitet wurden. „Wo ich herkomme“, bemerkte er verwundert, „ist Papyrus so wertvoll, dass es niemand einfach so zerstören würde. Es wird aus Bäumen gewonnen.“ Seto brummte. „Dein Nachhaltigkeitsgedanke liegt wieder voll im Trend. Deshalb wird die KaibaCorporation auch nach und nach auf elektronische Speicherung und Verwaltung von Dokumenten umsteigen." Zum wiederholten Mal hatte Atem diesen Gesichtsausdruck, wenn er interessiert und angestrengt versuchte, eine Sache zu durchdringen. Er wirkte dann irgendwie … niedlich. „Das heißt“, kam Seto seiner Frage zuvor, „dass die Akten nicht mehr physisch existieren, sondern nur noch als digitale Daten:“ Die Miene des Pharaos blieb unverändert und Seto hätte beinahe laut aufgelacht. „Komm her, ich zeig‘s dir“, bot er schließlich an. Atem trat zu Seto hinter den Schreibtisch. Dieser gab seinem Rechner einen liebevollen Klaps. „Hier drin werden die Daten gespeichert. Und hier“, er zeigte auf den Monitor, „können sie dann visualisiert werden, damit wir sie als Schrift lesen können. Das funktioniert mit Hilfe von Licht.“ Nun trat Verständnis in Atems Augen „Du meinst, so wie beim Spiegel?“ Setos Mundwinkel zuckten. „So ähnlich. Nur dass hier das Licht im Monitor von hinten kommt, während es auf den Spiegel von vorne trifft.“ Atem nickte, obwohl Seto sich nicht sicher war, ob er wirklich begriffen hatte. „Dann hab ich nur noch eine Frage“, Atem zeigte auf den PC, „wie passen denn nur all diese Akten in dieses kleine Gefäß rein?“ *** „Du hast wen gefunden?!!”, Ryou musste den Hörer von sich halten, so laut drang Yugis Stimme hindurch. Ryou konnte förmlich sehen, wie er kreidebleich wurde. „Ja, ich weiß, wie das klingt. Aber hör mir doch erst mal zu. Ich glaube, es ist nicht so schlimm, wie du denkst. Er hat keinerlei Erinnerungen an sein Vorhaben, alle Milleniumsgegenstände zu stehlen und Zorc zu erwecken. Ich glaube, er ist harmlos – lediglich sehr hungrig.“ Ryou warf einen Seitenhlick auf Bakura, der am Küchentisch saß und gerade mit Appetit seinen dritten Burger verputzte. „Das Zeug hat Suchtpotential“, schmatzte er, „aber hey, wie war das da eben mit den Milleniumsgegenständen? Ich soll sie an mich bringen? Gar nicht mal ne schlechte Idee.“ „Ups“, Ryou grinste schief, „vergiss das schnell wieder, okay?“ „Also schön“, seufzte Yugi, „bring ihn in einer halben Stunde zu Kaiba. Wir werden sehen, was wir aus alldem machen können.“ *** Von einem Moment auf den nächsten füllte am Nachmittag Leben die Kaibavilla, als kurz nach Mokuba auch Yugi, Joey, Tristan und Téa wieder auf der Matte standen. Was für ein Glück, dass er heute sehr früh aufgestanden war, um zu arbeiten, dachte Seto. „Hallo, Atem!“, begrüßte Yugi den Pharao freudig. Dieser hob zurückhaltend die Hand zum Gruß, blieb aber auf dem teuren Ledersofa sitzen. „Na, wie seid ihr zurechtgekommen?“, fragte Joey feixend an Seto gewandt. Dieser wandte sich herablassend ab. „Pf. Ich leite ein millionenschweres Unternehmen. Denkt ihr etwa, ich habe Zeit, mich mit gestrandeten historischen Persönlichkeiten zu befassen?“ Atem schoss einen echauffierten Blick in seine Richtung und Yugi runzelte besorgt die Stirn. Er hoffte nur, dass er für den Pharao nicht die falsche Entscheidung getroffen hatte, als er Kaiba als seinen Herbergsvater abgestellt hatte. Gerade da klingelte es an der Tür. Mokuba sprang auf und lief in die Eingangshalle, um zu öffnen. Atem hob den Kopf, er wirkte mit einem Mal hellwach. „Gibt’s irgendwas Neues? Irgendeinen Hinweis darauf, warum der Pharao wieder hier ist?“, fragte Yugi währenddessen im Wohnzimmer nachdenklich. Seto, der demonstrativ desinteressiert aus dem Fenster geschaut hatte, wandte sich ihm nun wieder zu. „Euer mutiger Pharao hat da vielleicht mal wieder eines von euren geliebten okkulten Rätseln ausgegraben“, schnarrte er despektierlich. „Ja?“, fragte Yugi neugierig, „was denn?“ In diesem Augenblick trat Atem zu ihnen. „Ach, gar nichts“, sagte er schnell, „Seto hier übertreibt es ein bisschen. Ich habe mich lediglich … für einige alte Möbelstücke hier im Haus interessiert. Nichts weiter.“ Seto warf ihm einen kritischen und irritierten Blick zu, schwieg aber. „Na gut …“, ließ Yugi die Sache auf sich beruhen, obwohl sich Zweifel in seinem Gesicht abzeichnete, „wir haben allerdings eine Neuigkeit, die dich interessieren dürfte, Pharao.“ „Achja?“, fragte nun Atem erstaunt zurück. Da hörten sie auch bereits, wie die Stimmen aus dem Gang schnell näherkamen. Nach Mokuba betraten zwei fast identische junge Männer den Raum. Beide hatten weißes Haar, lediglich der Größere von beiden hatte einen dunkleren Hautton, ähnlich dem von Atem. Der Blick des Pharaos schnellte zur Tür und sofort änderte sich die Atmosphäre im Raum. Atems Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Du!“, spuckte er das angewiderte Wort förmlich aus. Bakuras Reaktion fiel nicht minder eindeutig aus, allerdings war seine Feindseligkeit in Hohn gekleidet. Er grinste abfällig. „Pharao“, schnarrte er, „sieh an, sieh an. Erfreut, mich wiederzusehen?“ Atems ganzer Körper hatte sich verkrampft. „Was zur Hölle tut er hier?“, zischte er Yugi zu. „Wir dachten, du könntest uns das vielleicht sagen“, entgegnete Ryou ruhig. Atem schnaubte. „Nein, das kann ich absolut nicht! Da wo ich herkomme, ist er ein gesuchter Krimineller, der mit allen Wassern gewaschen ist! Seht euch bloß vor!“ Dann wandte er sich dem Grabräuber wieder zu. „Dass du es überhaupt noch einmal traust, mir unter die Augen zu treten!“ Bakuras Gesichtsausdruck wurde unbarmherzig. „Denkst du ernsthaft, ich wäre freiwillig hergekommen, wenn ich gewusst hätte, dass ich dich hier antreffe, du verzogene Brut?“ Der Pharao wandte sich wutentbrannt und mit einem Kopfschütteln ab. „Warum habt ihr den denn auch hergebracht?“, sprang ihm nun unerwartet auch Kaiba zur Seite. Yugi musterte ihn ernst. „Weil das alles hier kein Zufall mehr sein kann. Es muss einen Grund geben, weshalb die beiden gemeinsam hergekommen sind. Das weißt du so gut wie ich. Kaiba, wenn es noch irgendwas gibt, das zur Lösung dieses Rätsels beitragen kann, dann bitte: Sag es uns!“ Kaiba starrte einen Augenblick lang grimmig zurück. Dann schüttelte er den Kopf. „Es gibt nichts. Sonst noch was? Andernfalls schafft euren Neuzuwachs hier raus.“ Joey und Tristan warfen sich halb fragende, halb amüsierte Blicke zu. „Kaiba entwickelt ja einen richtigen Beschützerinstinkt gegenüber seinem Gast“, witzelte auch Téa. *** „Danke, dass du nichts über die beiden Karten gesagt hast“, sagte Atem später, als die Gruppe sich verabschiedet hatte. „Warum hast du es vertuscht?“, stellte Kaiba prompt die Gegenfrage, „Du und dieser Knirps erzählt euch doch sonst immer alles – zumindest werdet ihr das. Und mir hast du sie schließlich auch gezeigt.“ Atem schwieg einen Moment, dann sagte er schulterzuckend, „Ich weiß auch nicht. Es hat sich nicht richtig angefühlt. Und mit Bakura an deren Seite … ich habe das Gefühl, wenn diese Karten in die falschen Hände fallen …“ „Und meine Hände sind nicht die falschen?“, wollte Kaiba interessiert wissen. „Du konntest es lesen, nicht wahr?“, stellte Atem nüchtern fest, „ich meine den Text auf den Karten. Ich habe es gleich gemerkt. Du warst dir nicht einmal darüber bewusst, dass es sich um eine andere Schrift handelt.“ „Gut aufgepasst, du Blitzmerker“, konterte Kaiba ärgerlich. Aber zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass er es Atem nicht wirklich übelnahm, dass er ihn enttarnt hatte. Atem rollte pikiert mit den Augen. „Du hast irgendeine Verbindung zu meinem Leben in der Vergangenheit, hab ich Recht?“ Seto ließ ein knurrendes Geräusch vernehmen. „Das höre ich ständig von euch Spinnern. Aber keiner hat mich je danach gefragt, ob ich das überhaupt will. Ich lebe im Hier und Jetzt und mein Handeln ist auf die Zukunft gerichtet, damit wir uns da richtig verstehen!“ Kühl wandte er sich zum Gehen. „Und doch wolltest du mich zurückholen“, sagte Atem ganz ruhig. Seto hielt inne und wandte sich um. Ihre Blicke trafen sich und Seto spürte deutlich, wie Atem in seinen Augen nach etwas suchte, es förmlich aus ihm herausreißen wollte. Er fühlte sich von innen nach außen gekehrt. „Obwohl ich in mehrfacher Hinsicht ein Teil deiner Vergangenheit war. Wieso dann also, wenn du dich doch von ihr so unbedingt abwenden willst?“, hakte er unnachgiebig nach. Als Seto dem Blick nicht länger standhalten konnte, verließ er wortlos den Raum und ließ den Pharao stehen. Eine Antwort blieb er ihm schuldig. *** In seinem Zimmer ließ Atem sich auf sein Bett fallen und stützte den Kopf in beide Hände. Er fühlte sich hilflos. Wie war nur alles soweit gekommen? Und wieso war ihm, von allen Personen, die er aus seiner eigenen Zeit kannte, ausgerechnet Bakura an diesen Ort gefolgt? Schon wenn er nur an den Grabräuber dachte, brodelte heiße Wut in ihm hoch und er musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu fluchen. Es war nicht nur, dass Bakura für alles stand, was er verabscheute, nein, er hatte auch seinen persönlichen Stolz verletzt – und Atem würde sich ewig vorwerfen, dass es dazu hatte kommen können. Er fuhr hoch, als es plötzlich an der Tür klopfte. Vorsichtig öffnete sie sich einen Spalt breit und Mokuba lugte herein. „Atem, das Abendessen ist fertig. Außerdem hat Seto gesagt, dass er nach dem Essen Zeit für einen Crashkurs in Duel Monsters hat.“ Atem ließ sich erschöpft wieder aufs Bett sinken. „Mokuba, ich verzichte heute aufs Essen. Ich möchte lieber gleich zu Bett gehen. Du kannst deinem Bruder ausrichten, dass mir jetzt nicht der Sinn nach Kartenspielen steht.“ Der jüngere Kaiba nickte entschuldigend. Atems herrschaftlicher Tonfall ließ keine Widerrede zu, eine Haltung, die er wohl über viele Jahre perfektioniert hatte. Mit einem „In Ordnung. Ich sag es ihm. Gute Nacht dann“ überließ Mokuba ihn sich selbst. Atem lag noch lange da und grübelte nach. Auch wenn er es gerne verhindert hätte, so kamen doch unangenehme Erinnerungen in ihm hoch. *** Alles hatte damit begonnen, dass Mahad eines Tages einen ungewöhnlichen und vor allem ungebetenen Gast im Palast angekündigt hatte. „Wer sagst du?“, hatten Isis, Karim und Shada im Chor gefragt, „Bakura? Etwa der Grabräuber Bakura?“ „Kennt ihr noch einen anderen?“, hatte Mahad ungeduldig erwidert. Dann hatte er sich an Atem gewandt, „Pharao, ich kann ihn wegschicken, wenn Ihr es gebietet. Sagt nur ein Wort und ich weise ihn auf der Stelle ab.“ Atem hatte kurz den Kopf gesenkt. Die Situation war mehr als ungewöhnlich. Schließlich hatte er Mahad entschlossen angesehen. „Nein, führt ihn her. Ich will hören, was er zu sagen hat.“ „Pharao, seid Ihr sicher …“, hatte Hohepriester Seth protestiert, aber Atem hatte die Hand gehoben, um ihm zu bedeuten, dass er schweigen solle. „Ich habe mich bereits entschieden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)