Letzte Wiederkehr von MizunaStardust ================================================================================ I - I Die abendliche Herbstluft war kühl und wohltuend, als sie Kaibas Duellarena verließen. Yugi atmete tief durch. Atem schlang unwillkürlich die Arme um seine Schultern und fröstelte. Seine Kleidung war nicht für das raue Klima in Domino gemacht. „Was für ein Ort ist das hier?“, fragte er verzagt, „warum hat Ra hier keine Kraft?“ „Du befindest dich auf einem anderen Kontinent … in einem anderen … Reich“, versuchte Téa zaghaft, ihm zu erklären. „Und nicht nur das“, fügte Yugi hinzu, „Pharao, du bist hier nicht nur an einem anderen Ort, sondern auch in einer anderen Zeit – 3000 Jahre später als zur Zeit deiner Regentschaft.“ Atem blickte die beiden stirnrunzelnd an. Offenbar grübelte er darüber nach, ob diese Geschichte verrückt genug war, um sie zu glauben, oder ob die beiden einer völlig irregeleiteten Gruppe von Verschwörern angehörten. „Yugi sag mal“, meldete sich nun Tristan zu Wort, „ich müsste langsam mal nach Hause. Was zur Hölle machen wir denn nun mit dem Pharao? Wo wird er bleiben?“ Yugi seufzte und rieb sich kurz die Schläfen. Er war sich der Tatsache unangenehm bewusst, dass alle ihn anstarrten und darauf warteten, dass er eine Lösung für dieses ganze Chaos hier parathielt. Aber die Wahrheit war: Er war einfach nur müde. Erschöpft und verwirrt von all den Ereignissen des Tages. Als er schließlich aufsah, wirkte er entschlossen. Sein Blick wanderte hinüber zu Kaiba, der mit Mokuba noch immer ein wenig abseits stand. „Kaiba wird sich darum kümmern!“, sagte er grimmig und richtete den Zeigefinger auf den Firmeninhaber. „Wie bitte?“, rutschte es Téa und Joey heraus. „Er war doch derjenige, der den Pharao unbedingt zurückhaben wollte!“, erklärte Yugi beharrlich, „er hat diesen ganzen Schlamassel hier eingefädelt! Soll er sich jetzt auch um die Konsequenzen kümmern! Ich habe in meinem kleinen Kinderzimmer kein zweites Bett und ihr doch auch nicht, oder? Kaiba hat sicher keines seiner vielen Gästezimmer belegt! Also: Die Lösung liegt doch auf der Hand.“ Kaiba sah aus, als habe er in eine Zitrone gebissen. Dafür, dass er zuvor so wild darauf gewesen war, die Aufmerksamkeit des Pharaos zu erlangen, wirkte er jetzt peinlich berührt. „Also dann“, sagte Yugi, „viel Glück mit ihm. Du wirst ihm wohl einige Dinge aus dieser Zeit erklären müssen.“ Und an sein ehemaliges Alter Ego gewandt fügte er hinzu, „Atem, wir können morgen wieder zusammenkommen und über alles sprechen, wenn du das willst. Wir finden sicher heraus, warum du hier bist. Aber jetzt können wir alle eine Mütze Schlaf vertragen.“ Und damit war es beschlossen. *** Atem und Seto saßen im Inneren des Wagens und schwiegen sich über die Dauer der gesamten Fahrt an. Der Pharao hatte reglos vor der schwarzen, blank polierten Limousine gestanden. „Du … musst einsteigen“, hatte Mokuba ihn ermunternd angesprochen, während sein älterer Bruder keinerlei Interesse daran gezeigt hatte, ihm etwas zu erklären. Atem hatte den jüngeren Kaiba zweifelnd betrachtet. Dieser hatte zuvorkommend die Tür für ihn geöffnet. „Da rein. Es ist nicht schlimm“, hatte er gutmütig wiederholt. Atem hatte ins enge Wageninnere geblinzelt. Er begriff nicht, wieso er freiwillig in dieses furchteinflößende Monstrum hineinklettern sollte. Auch als das Fahrzeug sich in Bewegung gesetzt hatte, war er ängstlich zusammengezuckt. „Selbst Ra hat nur eine einfache Barke, um sich fortzubewegen! Wo kommen wir hin, wenn wir uns über die Götter erheben!“, hatte er zynisch gemurmelt, „das hier ist einfach unnatürlich! Häuser, die sich von selbst bewegen!“ Jetzt gab er sich alle Mühe, die Straße um sie herum nicht zu genau in den Blick zu nehmen. Sein Sitznachbar tat wenig, um sein Gemüt zu beruhigen, und so zog er sich in sich zurück. Als sie in der Kaibavilla angelangt waren und das Tor passiert hatten, führte man ihn in eine große Eingangshalle. Endlich blieb sein unfreiwilliger Gastgeber stehen. Unvermittelt drehte er sich um und warf Atem etwas zu. Dieser reagierte instinktiv und fing es auf. Es war eine von Kaibas neuen Duel Disks. „So“, knurrte Kaiba, „deine Schonfrist hat lange genug gedauert, 'anderer Yugi'. Jetzt lassen wir mal diese Spielchen und kommen endlich zum eigentlichen Grund, warum du hier bist. Wenn du denkst, du kannst dich davor drücken, dann hast du dich mächtig getäuscht!“ Atem schoss einen ärgerlichen Blick in Kaibas Richtung. „Mein Name ist Atem!“, zischte er pikiert. „Ist mir egal, wie du heißt. Man muss die Namen von Verlierern nicht kennen“, konterte der Konzernchef. Atem inspizierte indessen skeptisch das handliche Gerät. Abrupt warf er es auf den Boden, um zu prüfen, ob es kaputtging. „Sehr robustes Material, nur ein kleiner Kratzer“, murmelte er, als er es wieder aufnahm. „Was … zur Hölle machst du denn da?!!“, rief Kaiba entsetzt aus, offenbar schockiert über den unangemessenen Umgang mit einem sensiblen High Tech-Gerät. „Also … Seth …“, begann Atem, ohne auf die Sanktion einzugehen. „Mein Name ist Seto Kaiba!“, korrigierte nun dieser ihn seinerseits. Für einen Moment starrten sie einander feindselig an. Schließlich atmete Atem entnervt aus. „Also dann eben Seto Kaiba … was ist es denn nun eigentlich, das Ihr so unbedingt von mir wollt?“ Kaiba wirkte überrumpelt und für einen Moment ratlos. Er hatte damit gerechnet, dass die ersten Worte des Pharaos auf seine wahnwitzige Wiederbelebungsaktion etwas sein würden wie: „Was?! Nur weil du ein, zwei Mal ein blödes Spiel gegen mich verloren hast, hast du mich von den Toten zurückgeholt?!“, aber die Realität erwies sich wesentlich befremdlicher. Dieser Atem hier war … anders. Nicht weniger stolz, aber weniger fokussiert und ernst – und er wirkte ein bisschen verloren. „Na … ein Duell. Ich will natürlich meine Revanche. Also los, zück deine Karten! Und hör endlich auf mit dieser albernen antiquierten Sprechweise! Auch wenn du dich nicht dran erinnerst, wir waren schon mal beim 'Du'!“ Atem blinzelte. „Das heißt also, Ihr ... du wolltest die ewige Ruhe meines ... zukünftigen Ichs nur stören , weil du ein paar Mal zu oft bei einem blöden Kartenspiel verloren hast?“, fragte er ungläubig, „aber … deshalb holt man doch niemanden von den Toten zurück!“ Er lächelte nachsichtig. Kaiba seufzte. Da war es nun also doch. Es musste sich also tatsächlich um den Pharao handeln. „Du weißt so gut wie ich, dass Duel Monsters nicht nur ein Kartenspiel ist! Alles steht und fällt mit diesem Spiel … und mit deinem Titel!“ „Also gut …“, gab der Pharao klein bei, „auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass das der einzige Grund sein soll, warum ich jetzt tatsächlich hier in der Zukunft bin: Wenn du willst, dass ich gegen dich spiele, dann musst du mir schon erst einmal die Regeln erklären.“ Kaiba klappte die Kinnlade herunter. *** Er kniete auf dem nassen Asphalt. Natürlich wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es sich bei dem Untergrund um Asphalt handelte. Er bemerkte lediglich seine unbekannte Beschaffenheit im Gegensatz zum Sand der Wüste. Regen prasselte auf sein silbrig-weißes Haar und sein Gesicht. Er war orientierungslos, erstarrt. Da näherte sich ihm mit einem bedrohlichen Knurren ein schwarzes Ungetüm mit gelb-leuchtenden, runden Augen. In Bruchteilen von Sekunden mobilisierte er seine Glieder und sprang gerade rechtzeitig zur Seite. Das Ungeheuer stob einfach davon, ohne Notiz von ihm zu nehmen. Er atmete durch. Nichts in seinem Umfeld kam ihm bekannt vor. Die Gebäude waren grau und wirkten beengend, der Himmel war düster. Eine Kälte kroch in seine Knochen, die mit nichts vergleichbar war, das er kannte: nicht einmal mit dem Klima in einer Grabkammer, wenn er Stunden dort verbrachte, um Schätze aufzuspüren und sie zu rauben. Eine solche Kammer war er gerade im Begriff gewesen zu verlassen, bevor er hierhergekommen war. Als er die Pforte nach draußen geöffnet hatte, hatte ihm ein unnatürlich grelles Licht entgegengestrahlt, heller als der Tag selbst. Schwindel hatte ihn überkommen und es hatte sich angefühlt, als würde er aus seinem eigenen Jetzt, aus seinem Körper, seinen Gedanken und aus allem, das ihn im Moment verhaftete, herausgerupft. Dann dann war da eine beängstigende Leere und Fülle zugleich gewesen und im nächsten Augenblick hatte er auf allen Vieren auf dem Boden mit der fremden Beschaffenheit gekniet, von dem er nicht wusste, dass es sich um Asphalt handelte. Er streifte durch die Straßen, aber nichts wurde besser. Alles sah gleich aus, nichts schien von Bedeutung. Der Zauber, der sonst allem innewohnte, war kaum noch zu fühlen. Aber ganz verschwunden war er nicht. Wenn man ein feines Gespür hatte, konnte man eine homöopathische Menge davon aus der Luft destillieren. Aber wo hatte sie ihren Ursprung? *** Mokuba hatte inzwischen der starke Verdacht beschlichen, dass sein älterer Bruder sich und den Pharao in einer vertrackte Situation befördert hatte. Deshalb hatte er verkündet, dass es das Beste sei, zuerst einmal zu Abend zu essen und Atem danach ausruhen zu lassen. Nun saßen sie an der langen Tafel und warteten darauf, dass der Koch ihnen das Abendessen brachte. Im Gesicht des Pharaos konnte der jüngere Kaiba tiefe Sorgenfalten ausmachen. „Über was grübelst du nach?“, fragte er offenherzig. „Oh“, Atem schien sich ertappt zu fühlen, „es ist nur … ich fürchte, dass sich meine Berater und mein Volk in meiner Heimat große Sorgen machen. Ich frage mich, ob mein Land in meiner Abwesenheit gut zurechtkommt.“ „Verstehe“, sagte Mokuba betroffen, „das ist natürlich ein Problem.“ In diesem Augenblick wurde das Essen aufgetragen. „Naja“, versuchte der 14-Jährige ihm gut zuzureden, „es wird schon alles in Ordnung sein. Sicher hast du fähige Stellvertreter. Nun iss erst einmal was. Unser Koch hat heute sein Spezial-Sukiyaki zubereitet!“ Atem nickte dankbar. Nachdem Mokuba ihm gezeigt hatte, wie man den Löffel benutzte, führte der Pharao diesen zum Mund – und erstarrte. Verunsichert ließ er das Besteck wieder sinken. „Was ist? Schmeckt es dir etwa nicht?“, wollte Mokuba enttäuscht wissen. „Das ist es nicht … aber … das ist ja heiß. Wie soll ich das essen?“ Mokuba warf Seto einen hilfesuchenden Blick zu. Dieser seufzte auf. „Richtig“, sagte er sachlich, „das hatte ich vergessen. Der Pharao stammt aus Ägypten. Dort konsumiert man das Essen noch heute wegen des warmen Klimas nicht heiß“, erklärte er seinem kleinen Bruder, „der Koch soll ein paar kalte Speisen bringen.“ Nachdem sie eine recht schweigsame Mahlzeit hinter sich gebracht hatten, erklärte Mokuba, er würde Atem jetzt sein Zimmer zeigen. „Einen Moment noch“, hielt Seto die beiden auf. Dann verschwand er kurz und als er zurückkam, legte er ein Buch in der Größe eines Telefonbuchs vor Atem auf den Tisch. Dieser sah ihn fragend an. „Damit du dich heute Abend nicht langweilst: Hier hast du die Spielanleitung für Duel Monsters." Atem nahm das Buch auf und blätterte es höflich durch. Dann wanderte sein Blick mit gerunzelter Stirn zurück zu Seto. „Netter Versuch“, sagte er, „aber obwohl ich die beste Bildung im Lande genossen habe, kann ich hiervon kein Wort lesen.“ Der Firmenchef starrte ihn an, dann legte er zwei Finger an seine Stirn und schloss resigniert die Augen. „Natürlich“, murmelte er, „aber sicher. Daran hatte ich nicht gedacht.“ Mokuba gluckste. „Du hast diese Idee mit dem Duell noch nicht aufgegeben, was, Bruder? Obwohl der Pharao offenbar das Duellieren noch gar nicht so gelernt hat, wie er es konnte, als er dich vernichtend … ich meine, als er dich geschlagen hat“, neckte er seinen Bruder. „Natürlich nicht“, verneinte Seto trocken, „er hat es damals gelernt und es zum Meister gebracht, warum sollte er das nicht noch einmal fertigbringen? Auf den Kopf gefallen ist er ja offensichtlich nicht.“ „Tja“, der jüngere Kaiba zuckte mit den Schultern, „dann musst du wohl oder übel in den sauren Apfel heißen und ihm alles beibringen, was du weißt.“ Er grinste, etwas schadenfroh. Die nächsten Tage versprachen einiges an Unterhaltung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)