Advanced Attraction von Varlet ================================================================================ Kapitel 5: Arbeiten und wohnen ------------------------------ Bei der Suche nach einer Arbeitsstelle war Jodie zwiegespalten und agierte auch dementsprechend. Sie wusste immer noch nicht, was sie irgendwann in der Zukunft mal tun wollte oder in welche Richtung sich ihr Leben entwickeln sollte. Einerseits wollte sie arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen, wollte dass sowohl Liam als auch ihre Eltern stolz auf sie waren – und endlich Ruhe gaben. Andererseits würde es mit einem Arbeitsvertrag einfacher werden eine eigene Wohnung zu finden und auszuziehen. Damit würde sie Liam viel weniger sehen als bisher, besonders wenn keiner von Beiden am Abend noch in der Lage sein würde, etwas gemeinsam unternehmen zu wollen. Für einen kurzen Moment hatte Jodie sogar daran gedacht, in der Boutique wo Liam arbeitete nach einer Stelle zu fragen. Sie hatte die Idee allerdings sehr schnell verworfen, schließlich hatte er ihr vor Augen geführt, dass es besser war auch getrennte Wege zu gehen. Trotzdem war es nicht einfach gewesen, eine Stelle zu finden. Viele Geschäfte wollten Arbeitskräfte mit Erfahrung. Und auch wenn Jodie nur wenig Ansprüche hatte, wollte sie nicht jeden x-beliebigen Job annehmen. Da sie erst einmal von ihren Ersparnissen Leben würde, durfte die Arbeitsstelle nicht zu weit weg sein, schließlich sollte das Geld nicht für eine Fahrkarte vergeudet werden. Außerdem hieß eine weite Arbeitsstelle, dass sie abends nur noch später nach Hause kommen würde und daher noch weniger Zeit für Liam hätte. Außerdem hatte sie für sich entschieden, dass eine Stelle im Supermarkt nicht in Frage kam. Täglich die gleichen Waren ein- oder ausräumen, sich von Kunden herum schubsen lassen, schwere Gegenstände heben oder nur an der Kasse zu sitzen, fühlte sich nicht richtig an. Da sich Jodie von den vielen Stellenanzeigen im Internet überfordert fühlte, beendete sie ihre Suche vorerst und ging nach draußen. Eigentlich wollte sie die Gegend wieder ein wenig erkunden. Spontan fragte sie in einem Blumenladen sowie einer Bäckerei, ob gerade eine Aushilfe gesucht wurde. Wie es sich Jodie gedacht hatte, erhielt sie direkt eine Absage. Erst als sie in den kleinen Buchladen ging, hatte sie Glück. Der Inhaber – ein älterer Mann – suchte eigentlich keine Aushilfe, hatte aber dennoch für Jodie ein offenes Ohr. Am Anfang unterhielten sie sich über die vielen Bücher, Jodies Träume und Wünsche sowie ihr Gespräch mit Liam. Letzten Endes hatte er Mitleid mit Jodie und ihr eine Stelle angeboten, durch die sie täglich zwischen 10 und 15 Uhr im Laden aushelfen konnte. Sie würde zwar nicht viel Geld verdienen, aber es war ein Anfang und erste Berufserfahrung würde sie auch sammeln. Ihre Suche nach einer eigenen Wohnung hatte das Ausmaß angenommen, welches Jodie sich bereits denken konnte. Natürlich bekam sie auf ihre Bewerbungen Absagen, schließlich war sie zu jener Zeit noch arbeitslos und konnte sich die Miete nicht wirklich leisten. Wie Jodie mitbekam, akzeptierten Vermieter auch nicht, dass man die Unterstützung des Freundes oder der Eltern hatte. Dabei war sich Jodie sicher, dass sie selbst mit ihrem ersparten für einige Monate über die Runden kommen würde. Allerdings war es auch ein Vorteil. Sie konnte sogar vor Liam belegen, dass sie auf der Suche war und ihre Bewerbungen für die Wohnungen abgelehnt wurden. Und dass Liam sie nicht einfach so rauswerfen würde, war sicher. Möglicherweise konnte sie ihn auch im Laufe der Zeit davon überzeugen, dass ein Zusammenleben am besten war. Trotzdem musste sie weitermachen. Mit ihrem Arbeitsvertrag standen die Chancen auf eine Wohnung schon viel besser, allerdings würde sie auch damit vermutlich nicht alles bezahlen können. Dennoch würde der Vermieter sehen, dass sie nicht nur faul zu Hause herumsaß. Und wenn Jodie auszog, wollte sie in Liams Nähe bleiben, allerdings lagen die meisten bezahlbaren Wohnungen in Gebieten, wo keiner gern wohnen wollte. Oder die Wohnungen waren heruntergekommen. Es gab auch Momente an denen Jodie von den Menschen enttäuscht wurde. Es gab viele männliche Vermieter, die scheinbar nur an jungen Mädchen interessiert gewesen waren. Sie machten anzügliche Bemerkungen und hin und wieder erhielt sie sogar ein eindeutiges Angebot. Jene Gespräche hatte Jodie augenblicklich beendet. Doch irgendwann hatte sie im Internet eine Wohnung gefunden, die eigens an Studenten und Geringverdiener Zimmer vermietet wurden. Die junge Frau hatte sich keine Hoffnungen gemacht, schließlich war sie nicht die Einzige, die eine Wohnung suchte. Als sie bei der offenen Wohnungsbesichtigung war, hatte sie viele Mitbewerber gesehen und die Hoffnungen auf die Wohnung verworfen, auch wenn diese nahezu perfekt war. Es gab einen großen Eingangsflur und einen Wohnbereich. Rechts davon war eine Nische mit der Küche und dem Zugang zum Balkon. Links lagen Badezimmer und Schlafzimmer. Die Fenster waren groß und ließen helles Licht rein. Sie hatte bei der Wohnung von Anfang an ein gutes Gefühl und das nicht nur, weil es nur zehn Minuten von Liams Wohnung entfernt lag. Auch wenn ihre Chancen gering waren, gab Jodie das Bewerbungsformular mit einer Kopie ihres Arbeitsvertrages und einem Nachweisschein vom Meldeamt ab. Zum Glück hatte sie von Liam gewusst, was sie alles für eine eigene Wohnung vorab an Nachweisen beantragen musste. Als Jodie nach etwas mehr als zwei Wochen die Zusage für die Wohnung erhielt, traute sie ihren Ohren kaum. Warum ausgerechnet sie? Dennoch hinterfragte sie die Entscheidung des Vermieters nicht und bereitete mit Liam alles für ihren Umzug vor. Da Jodie nicht viele Sachen mitgebracht hatte, hielten sich die Vorbereitungen in Grenzen. Im Vergleich zu ihr hatte Liam auch gute Laune, als sie in der darauffolgenden Woche in die Wohnung zog. Die Wohnung war bereits bezugsfertig und möbliert, sodass sich die weiteren Ausgaben in Grenzen halten würden. Ihre Erstausstattung würde Jodie nach und nach kaufen und es sich im Laufe der Zeit heimisch in der Wohnung machen. Der Tag schien perfekt für einen Umzug zu sein. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Liam trug eine Kiste mit ein paar Kleinigkeiten von Jodie, während die junge Frau den Griff ihres Koffers festhielt. Zusammen sahen sie an der Fassade des Mietobjektes hoch. „Da oben, dort liegt meine Wohnung“, sagte Jodie und zeigte mit dem Finger auf einen Balkon in der dritten Etage. „Von dort oben sieht man die Straße gut ein. Ich kann dich also vor jedem deiner Besuche von dort beobachten.“ Liam lächelte. „Als du mir erzählt hast, dass du in ein Wohnhaus ziehst, welches für Studenten und Geringverdiener angedacht ist, hatte ich mir etwas…Heruntergekommeneres vorgestellt. Aber das hat meine Erwartungen übertroffen.“ „Dann will ich hören, was du sagst, wenn wir die Wohnung betreten“, entgegnete Jodie. „Ich muss dir aber zustimmen, als ich die Anzeige im Internet gelesen hab, hab ich auch etwas anderes erwartet. Der Vermieter hat mir erzählt, dass es seine Tochter damals sehr schwer hatte eine Wohnung zu finden. Deswegen hat er sich entschieden hier nur Menschen in einer ähnlichen Situation wohnen zu lassen. Warte, ich mach dir die Tür auf“, fügte sie hinzu und öffnete unten die Haustür. „Danke“, murmelte der Student. „Bitte sag mir, dass es hier einen Fahrstuhl gibt.“ „Ja, den gibt es“, lächelte Jodie. „Hast du etwa geglaubt, ich würde dich mit der Kiste Treppen steigen lassen?“ „Vielleicht“, antwortete Liam und ging zum Aufzug. Jodie drückte den Knopf und als sich die Türen öffneten, stieg sie ein. Gemeinsam fuhren sie nach oben und gingen zu ihrer Wohnungstür. Mit einem Hauch von Stolz strich sie über das Namensschild an ihrer Klingel. „Deine erste eigene Wohnung“, entgegnete der Junge. Jodie nickte. „Es ist irgendwie schon was Besonderes“, sprach sie und öffnete die Haustür. „Hereinspaziert.“ Liam trat ein und stellte die Kiste mit Jodies Sachen in den Flur. Dann sah er sich in der Wohnung um. „Hier lässt es sich lange aushalten.“ „Und weißt du, was ein weiterer Vorteil ist? Wenn du dich mal entscheidest, dass deine Wohnung zu klein ist, könntest du zu mir kommen.“ Jodie lächelte. „Die Wohnung wäre groß genug, damit wir uns aus dem Weg gehen können.“ „Mhm?“ Liam blickte sich weiter um. „Irgendwann wäre es wahrscheinlich möglich.“ „Brauch ich noch weitere Vorteile?“, wollte die junge Frau wissen. „In der Nähe gibt es sogar einen Supermarkt, eine Apotheke, eine kleine Boutique, einen Blumenladen, Buchhandel und auch eine Bank. Außerdem ist ein Park nicht so weit entfernt, genauso wie die U-Bahn. Die Gegend gefällt mir jetzt schon.“ „Du zählst wirklich viele Vorteile auf. Ich hab fast das Gefühl, du willst, dass ich so schnell wie möglich hier einziehe.“ „Oder ich will dich einfach aufziehen, weil meine Wohnung größer ist“, log Jodie. „So ist das also“, schmunzelte er. „Du hast mich auf frischer Tat ertappt.“ Jodie brachte ihren Koffer in das Schlafzimmer und seufzte leise auf. Als sie sich wieder gefangen hatte, ging sie zurück zum Wohnbereich. Liam beobachtete sie. „Ich hab mir überlegt, dass wir morgen früh zusammen frühstücken könnten. Was sagst du dazu?“ „Das klingt gut“, antwortete Jodie. „Noch einmal die friedliche Zeit genießen, bevor es am Montag mit der Arbeit bei mir los geht.“ „Dabei arbeitest du doch nur ein paar Stunden und du kannst sogar ausschlafen“, warf Liam ein. Jodie zuckte mit den Schultern. „Es wird trotzdem anstrengend werden. Ich muss mich schließlich erst noch daran gewöhnen und bestimmt werde ich nicht sofort Kunden bedienen dürfen. Bestimmt muss ich die schweren Kisten mit den Büchern tragen.“ Liam kicherte. „Du schaffst das schon. Ich massier dir dann auch die Beine.“ „Wenn das so ist…“, entgegnete Jodie und ging zur Balkontür. Sie öffnete diese und ließ die frische Luft rein. Vielleicht hatte die Wohnung ja doch etwas Positives an sich. Einen Moment später klopfte es an der Eingangstür. „Erwartest du Besuch?“ „Nein, vielleicht irgendwelche Vertreter“, antwortete die junge Frau und ging an die Tür. Sie öffnete diese. „Ja, bitte?“ „Hey, wir haben gesehen, dass wir einen neuen Nachbarn haben und wollten mal Hallo sagen. Können wir rein kommen?“ „Na klar. Hier entlang“, nickte Jodie und ging in den Wohnbereich. „Ich würde euch ja gern etwas zu Trinken anbieten, aber ich hab hier noch nicht so viel.“ „Das ist doch kein Problem“, gab Elena von sich. Sie nickte Liam zur Begrüßung zu. „Ich bin im übrigen Elena und ich wohn in der fünften Etage zusammen mit ihm hier.“ Sie wies auf einen jungen Mann der hinter ihr stand. „Stell dich vor, Ben.“ „Ich bin Ben, Elenas Freund“, antwortete dieser. „Wir sind vor einem halben Jahr hier eingezogen.“ Elena nickte. „Die Wohnungen sind perfekt für Studenten oder Paare. Wir helfen uns immer gegenseitig. Wenn also irgendwas ist, kommt ruhig vorbei.“ Jodie lächelte. „Danke. Ich bin Jodie und das ist mein Freund Liam. Ich zieh hier alleine ein, aber ihr werdet ihn sicher auch oft sehen.“ Liam lächelte. „Freut mich.“ „Oh“, murmelte Elena. „Und was macht ihr so beruflich? Studiert ihr?“ „Liam ist Student und arbeitet noch in einer Boutique. Ich hingegen arbeite derzeit nur in einer kleinen Buchhandlung. Wir sind Beide ursprünglich aus New York, daher bin ich noch dabei, mich zu orientieren. Vermutlich werde ich an ein paar Informationsveranstaltungen teilnehmen.“ „Das klingt nach einem Plan. Lass dir nur Zeit mit der Entscheidung. Ich hab ein Jahr Work and Travel gemacht, ehe ich mich für ein Studium eingeschrieben habe. Jetzt bin ich im dritten Semester Modedesign und Ben studiert Architektur. Wir haben uns damals bei einer Informationsveranstaltung kennen und lieben gelernt. Das war sooooo romantisch“, schwärmte sie. „Und Shuichi studiert Ingenieurwesen.“ Erst jetzt fiel Jodie auf, dass vor der Haustür drei Personen standen, aber in die Unterhaltung waren nur Elena und Ben vertieft. „Shuichi…“, murmelte sie nachdenklich. Ihr Blick fiel auf den dritten Nachbarn. Er war Japaner, stand abseits und hatte seinen Blick abgewendet. Nein, nicht abgewendet, er nahm ihre Wohnung akribisch unter die Lupe. Suchte er nach etwas? „He! Akai!“, zischte Elena. „Stell dich auch vor.“ Der junge Mann blickte desinteressiert zu ihr, dann zu Jodie. Sein Blick schien sie zu durchbohren. Und trotzdem spürte Jodie etwas Besonderes. „Shuichi Akai“, stellte er sich vor. „Ich wohne auch hier. Siebte Etage.“ Elena seufzte. „Das du hier wohnst, ist ja auch gar nicht offensichtlich.“ „Ihr habt mich mitgeschleppt, dann muss ich nicht so tun, als hätte ich Interesse.“ „Wir wollten doch nur, dass du auch Hallo sagst. Also solltest du auch so reagieren.“ „Hallo.“ „Akai!“ Jodie kicherte. „Ich glaube, mir wird das wohnen hier Spaß machen.“ Sie sah zu Liam. „Meinst du nicht auch?“ „Bestimmt“, murmelte der Gefragte. „Und die Gegend ist auch sicher. Darüber müsst ihr euch keine Sorgen machen“, entgegnete Elena. „Das kann jeder sagen“, warf Liam ein. „Aber wenn erst einmal etwas passiert, wird es zu spät sein.“ „Jaja, damit muss man immer rechnen“, nickte sie. „Aber wir fühlen uns hier trotzdem sicher. Shuichis Eltern haben sich alles gründlich angesehen und die müssen es ja wissen, die arbeiten schließlich für das MI6“, erzählte Elena stolz, fast so, als wäre sie mit dem Agentenpaar verwandt. „Ach ja?“ Jodie blickte zu ihm. Akai zuckte mit den Schultern. „Ich bin damit aufgewachsen, dass alles hinterfragt wurde. Selbstverständlich haben meine Eltern die Gegend überprüft. Auch wenn sie nicht in der Nähe sind, ich kann mich gut selbst verteidigen. Und da ich auch zum MI6 will, werde ich euch natürlich auch beschützen. Sollte also etwas passieren, kommt ruhig zu mir.“ Liam verdrehte die Augen. „Ihr könnt auch jeden Spruch bringen, den ihr möchtet. Mir macht das nichts aus, meine Kindheit hat mich dementsprechend geprägt.“ „Dann geht’s dir ja wie Jodie“, sagte Liam. „Mhm?“ „Mein Vater arbeitet beim FBI.“ Akai verengte die Augen. „FBI?“ Elena seufzte. „Oh nein, es geht los…“ „Was geht los?“, wollte Jodie wissen. „Das Gespräch welche Bundesbehörde besser ist.“ Sie nahm Akai an der Hand. „Wir retten euch mal vor ihm, außer ihr wollt bis tief in die Nacht diskutieren. Also dann, wenn ihr Hilfe braucht, kommt vorbei“, fügte sie hinzu und zog den Japaner nach draußen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)