Advanced Attraction von Varlet ================================================================================ Kapitel 3: Ankunft in London ---------------------------- Jodies Leben hatte sich in eine Richtung entwickelt mit der keiner gerechnet hatte – vor allem das junge Mädchen nicht. Als Kind hatte sie so viele Träume und Wünsche, wollte Krankenschwester werden, dann FBI Agentin und anschließend Schauspielerin. Kurzzeitig konnte sie sogar erste Erfahrung im Schauspiel machen, als sie von Sharon für einen Werbeclip vorgeschlagen wurde. Danach folgten weitere Aufträge, allerdings eher als Model. Entgegen der Erwartungen ihrer Eltern wurde sie oft gebucht. Doch mit der Zeit wurde ihr das Leben als Model zu trostlos und die Anforderungen zu hoch. Andauernd wurde ihr gesagt was sie tun sollte, wie sie aussehen sollte, wie viel sie essen durfte und welchen Sport sie treiben sollte. Unter dem ganzen Druck fing sie an Fehler zu machen. Am Anfang war das Team nett zu ihr, aber je mehr Fehler sie machte, desto ungehaltener wurden die Menschen in ihrer Umgebung. Jodie weinte immer häufiger und hatte keinen Spaß mehr an der Arbeit, sodass sie ihr irgendwann den Rücken kehrte. Zum Leidwesen von Sharon nahm sie wieder ihr kindliches Leben auf. Ihre Eltern hingegen waren über diese Entscheidung erleichtert. Doch die schwarze Wolke über ihrem Leben breitete sich weiterhin aus. Seit Jahren fühlte sich Jodie verloren. Sie war jung und eigentlich stand ihr das Leben noch vollkommen offen, aber trotzdem fehlte ihm ein Sinn. Als Tochter eines FBI Agenten hatte es Jodie noch nie einfach gehabt und je älter sie wurde, desto einsamer war sie. Während all ihre Klassenkameraden häufig ins Kino gingen, abends feierten und tranken, saß sie meistens zu Hause, las, schaute fern oder wartete einfach auf den nächsten Tag. Zwar hatte Jodie eine beste Freundin - Allison, aber es änderte nichts am Verhalten ihrer Mitschüler. Außerdem konnten die beiden Mädchen nicht jeden Tag aufeinander hocken, zumal Jodie ihr auch nicht im Weg stehen wollte, wenn es um andere Freundschaften ging. Mittlerweile war Jodie froh gewesen, dass sie Allison genügend Freiraum gab, da sie ansonsten Liam nicht kennen gelernt hätte. Allison war schon immer künstlerisch begabt und strebte ein Studium an einer Kunsthochschule an. In ihren letzten Sommerferien besuchte sie einen Kunstkurs und meldete Jodie ebenfalls dafür an. Die Schülerin war zwar wenig begeistert – vor allem weil sie selbst kein künstlerisches Talent besaß – ließ sich aber überreden. Kurz nachdem die beiden Mädchen den Raum betreten hatten, sah sie ihn. Liam starrte auf ein weißes Blatt Papier, blickte aber für einen Moment auf. Seine kurzen blonden Haare umspielten sein Gesicht perfekt. In diesem Augenblick sahen sie einander an und konnten den Blick nicht abwenden. Es war beinahe wie im Film und hätte Allison sie nicht zu zwei freien Plätzen gezogen, hätte Jodie noch länger dort gestanden und in die blauen Augen gestarrt. Während der gesamten Kursdauer hatte Jodie ihm heimliche Blicke zugeworfen und jedes Mal, wenn er zu ihr sah, schaute sie verlegen weg. Ihr Herz pochte wie wild. Als der Unterricht beendet war und Jodie bemerkte, dass der Junge auf sie zukam, verabschiedete sie sich schnell von Allison und lief nach draußen. Sie war nicht bereit gewesen mit ihm zu sprechen, was sie im nächsten Moment allerdings bereute. Sie fühlte sich kindisch und hoffte, dass ihr Verhalten keine Auswirkungen auf Liams Sichtweise über sie hatte. Am liebsten hätte sie die Zeit zurückgedreht und ihr Verhalten geändert. Allison war nicht dumm und als beste Freundin hatte sie selbstverständlich das Knistern zwischen Beiden gespürt. Sofort hatte sie beschlossen, dass sie ihnen den Schubs in die richtige Richtung geben musste. In den darauffolgenden Wochen lud sie Liam bei jeder Gruppenaktivität in ihre Gruppe ein oder sorgte dafür, dass sie in seiner Nähe – wenn nicht sogar neben ihm – saßen. Ein paar Wochen vor Ende des Kurses veranstaltete Allison eine kleine Feier bei sich zu Hause und lud mehrere Kursteilnehmer ein. Sie hatte Snacks sowie Getränke, unter denen sich auch Alkohol befand, besorgt. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass sich Jodie zuerst Mut antrinken wollte und sich irgendwann nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Trotzdem wurde es nach und nach immer lustiger in der Runde. Nachdem sich zu später Stunde fast alle Gäste verabschiedet hatten, saß Jodie im Badezimmer und liebäugelte mit der Toilette. Da sie nicht mehr laufen konnte, übernachtete sie bei Allison und wollte am nächsten Morgen im Erdboden versinken. Sie erinnerte sich an alles und wusste, dass sie Liam lallend ein halbes Liebesgeständnis gemacht hatte. Bevor es allerdings noch peinlich wurde, wurde sie von Allison ins Badezimmer geschickt. Dem Jungen schien es hingegen nichts ausgemacht zu haben, da er am nächsten Morgen wieder vor der Tür stand und den Mädchen ein kleines Katerfrühstück vorbereitete. Jodie war diese Situation mehr als unangenehm, doch sie konnte nicht einfach verschwinden. Da Allison in der dritten Etage wohnte waren Fenster oder Balkon keine Option und wenn sie versuchte mit ihm zu sprechen, würde es im Stottern ausarten. Dennoch hatte diese Nacht das Eis zwischen ihnen endgültig gebrochen und sie gingen miteinander aus. Jodie schwebte auf Wolke sieben, als sie zu Beginn ihres nächsten Schuljahres ihren ersten Kuss mit ihm teilte. Ihr Glück hielt nicht lang. Ein halbes Jahr später zog Liam – der bereits seinen Schulabschluss gemacht hatte – nach London um zu studieren. Zwar hatte er auch in Erwägung gezogen in New York zu bleiben, doch Jodie hatte ihn dazu bekräftigt seinen Traum nicht aufzugeben. Spontan hatte sie sich ebenfalls entschlossen nach London zu gehen, doch ihre Eltern schoben diesem Plan einen Riegel vor. Zunächst redeten sie ihr ins Gewissen und handelten dann einen Deal mit ihr aus. Machte Jodie ihren Schulabschluss in New York und besuchte ein paar Berufsvorbereitungskurse, würden sie ihr nicht im Wege stehen, wenn sie danach nach London gehen wollte. Jodie hatte sich nur darauf eingelassen, weil auch Liam darauf bestand, dass sie zunächst ihren Schulabschluss machte. Doch jetzt war es soweit. Ohne vorher irgendwas mit ihren Eltern oder Liam zu besprechen, hatte Jodie heimlich alles vorbereitet. Aufgeregt kam sie in das Wohnzimmer gelaufen. „Mom! Dad!“ Angela schlug das Fotoalbum zu und legte es auf den Tisch. „Jodie? Was ist passiert? Ist irgendwas vorgefallen?“ Jodie rang nach Atem. Agent Starling verengte die Augen. Im Kopf ging er jede Option durch was passiert war. „Du kannst uns alles sagen, Schatz.“ Jodie kramte ein Ticket aus ihrer Tasche hervor, ehe sie diese auf den Boden fallen ließ. „Hier, schaut mal.“ Sie lächelte. „Das ist mein Flugticket.“ „Dein Flug…ticket?“, fragte der Agent verwundert. Nie hätte er damit gerechnet. „Ich fliege nach London. Übermorgen schon“, entgegnete das Mädchen. „Ich fliege zu Liam. Wir ziehen zusammen.“ Das Paar blickte Jodie schockiert an. „Jodie, was meinst du damit? Hast du dir das auch gut überlegt?“ „Natürlich“, nickte das Mädchen. „So hatten wir das doch besprochen. Ich mache meinen Schulabschluss und gehe zu den Berufsvorbereitungskursen und danach kann ich zu Liam fliegen. Ihr habt damals gesagt, dass ihr mir das nicht ausreden werdet.“ Agent Starling musterte sie. „Was wird aus deiner Zukunft?“ „Ach Dad, ich kann mir auch in London eine Zukunft aufbauen. Wir wissen doch alle, dass ich bisher keine Pläne für mein Leben hab, außer dass ich bei Liam sein will. Er studiert nun mal in London und vielleicht tut mir dieser Tapetenwechsel auch gut. Vielleicht finde ich in London die Antwort auf die Frage, was ich beruflich machen will. Außerdem habt ihr mir versprochen, dass ich nach dem Abschluss machen kann, was ich will. Und deswegen fliege ich zu Liam.“ Jodie stemmte die Hände in die Seiten und schaute ihre Eltern an. „Das lasse ich mir nicht ausreden.“ „Deinen Starrsinn hast du von mir.“ Agent Starling seufzte. „Du hast gut argumentiert und uns mit unseren eigenen Waffen geschlagen.“ „Wann kommst du wieder nach Hause?“, wollte Angela wissen. „Es ist ein One-Way-Ticket“, antwortete Jodie. „Aber das heißt nicht, dass ich gar nicht nach Hause zurückkehre. Und natürlich werde ich euch vermissen, wir werden ganz oft telefonieren und uns Nachrichten schreiben. Bitte freut euch für mich.“ Für ihr neues Leben hatte Jodie lediglich einen Koffer mit Kleidungsstücken, Hygieneartikeln und wichtigen Unterlagen eingepackt. Alle weiteren Dinge würde sie sich in London kaufen und von sämtlichen Unterlagen existierten im Hause ihrer Eltern Kopien. Es konnte nichts schief gehen. Ihre Eltern fuhren sie zum Flughafen und machten ihr den Abschied nicht gerade leicht. Während ihr Vater einen gefassten Eindruck zeigte, konnte Angela ihre Tränen nicht zurückhalten und drückte Jodie mehrfach an sich. Die Trennung von ihrer Familie war auch für Jodie nicht einfach. Es war das erste Mal, dass sie von ihrer Familie getrennt leben würde. Natürlich war sie für ein Fotoshooting immer mal wieder in eine andere Stadt gependelt, allerdings war Sharon meistens an ihrer Seite. Und wenn es nicht Sharon war, kam ihre Mutter mit. Nun auf eigenen Füßen zu stehen – auch wenn sie Liams Unterstützung haben würde – war sowohl beängstigend als auch aufregend zugleich. Aber Jodie war alt genug und sie musste diese Erfahrung machen. Jodie gab ihren Koffer auf und passierte anschließend die Sicherheitskontrolle. Noch einmal drehte sie sich um und winkte ihrer Familie zum Abschied zu. Mit gemischten Gefühlen stieg sie in das Flugzeug und setzte sich auf ihren Sitzplatz. Mehrere Stunden später war sie endlich in London angekommen. Sie wartete bis die Passagiere nicht mehr hektisch aus dem Flugzeug stiegen und machte sich dann ebenfalls auf den Weg. Sobald Jodie das Gate verlassen hatte, zog sie ihr Handy aus der Handtasche, schaltete es an und schickte sowohl Liam als auch ihren Eltern eine Nachricht. Danach holte sie ihren Koffer vom Band und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Jodie freute sich ihren Freund nach einem halben Jahr wieder persönlich zu treffen. Aufgeregt ging sie weiter und blieb stehen, als sie ihn erblickte. Er hatte sich die blonden Haare etwas länger wachsen lassen, was ihm aber genauso gut stand und seine blauen Augen nur noch mehr betonte. Sofort lächelte sie und lief im nächsten Moment auf ihn zu. Jodie umarmte ihren Freund und hielt sich an ihm fest. „Liam.“ „Jodie.“ Er drückte sie an sich und strich ihr über den Rücken. „Es ist schön dich zu sehen.“ Sie nickte. Endlich konnte sie damit beginnen ihre gemeinsame Zukunft zu planen. Niemand stand ihnen jetzt noch im Weg. „Jetzt bin ich bei dir. Ich hab dich so vermisst.“ „Dabei haben wir doch täglich miteinander geschrieben und mindestens einmal die Woche telefoniert“, entgegnete er ruhig. Anschließend gab ihr einen Kuss auf die Lippen. Nachdem er sich von ihr löste, strich er ihr über die Wange. „Ich bin glücklich“, sagte er und ging zu ihrem Koffer. „Den sollten wir nicht so lange unbeaufsichtigt stehen lassen“, fügte er schmunzelnd hinzu. „Na komm, lass uns zu mir nach Hause fahren.“ Nach Hause. Diese zwei Worte klangen wie Musik in ihren Ohren und konnten nur durch ein Ich liebe dich übertroffen werden. Wann er es ihr sagte? Oder sollte sie den ersten Schritt machen? Vielleicht würde sie sich bald trauen, aber jetzt war es noch nicht soweit. Jodie hakte sich bei ihm ein und folgte ihm nach draußen. „Wie war dein Flug?“ „Ganz gut“, antwortete das Mädchen. „Planmäßig gestartet und planmäßig angekommen. Und heil bin ich auch. Meinen Eltern hab ich auch schon eine Nachricht geschickt, damit sie sich keine Sorgen machen. Sie würden dich sicherlich sonst in einer halben Stunde anrufen. Allerdings glaube ich, dass mein Vater die Flugdaten regelmäßig überprüft und bereits weiß, dass das Flugzeug gelandet ist.“ „Das klingt gut“, sprach Liam. „Du hast vermutlich Jetlag, du kannst dich in der Wohnung ein wenig hinlegen. Oder möchtest du lieber etwas essen? Ich kenne ein paar gute Restaurants oder wir bestellen uns etwas.“ „Mom hat mir Essen für den Flug eingepackt. Ich bin gesättigt…ich hab sogar ein paar Reste mitgebracht“, gab sie von sich. „Aber müde bin ich schon ein wenig.“ Der Student nickte. „Dann legen wir uns direkt hin. Ich muss morgen früh zur Vorlesung, aber ich hab meine Schicht in der Boutique, wo ich arbeite, getauscht. Du kannst morgen also ausschlafen und wenn ich zurück bin, zeige ich dir London. Wie klingt das?“ „Großartig.“ Jodie lächelte. „Ich weiß, ich hab dich mit meiner Reise überrumpelt, aber ich hab dich so vermisst. Zu meiner Verteidigung, wir haben immer darüber gesprochen, dass ich nach meinem Schulabschluss herkomme.“ Liam nickte. „Haben wir. Ich hatte nur nicht gedacht, dass du so früh kommen würdest und ich hätte mir ein wenig mehr Vorbereitungszeit gewünscht. Meine Wohnung ist klein und ich möchte, dass du dich dort wohl fühlst. Außerdem läuft das Semester noch, weswegen du häufig alleine sein wirst.“ „Das macht mir nichts“, entgegnete Jodie. „Hauptsache wir sind zusammen.“ Hosted by Animexx e.V. 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