Die Gefühle, über die wir nicht reden von Evilsmile ================================================================================ Kapitel 10: Deinesgleichen -------------------------- Als ich erwachte, wusste ich zuerst nicht, wo ich war. Dann war mit einem Schlag die Erinnerung wieder da: der Club namens IGLU, der Shot mit David, der langatmige Jesusfilm, einschlafen mit David... und davor noch schnell… Oh Gott. Zu was hatte ich mich hinreißen lassen! Ich hätte gestern gehen sollen, stilvoll, im Dunkeln, und mich nicht vom Schlaf übermannen lassen dürfen. Das hätte mir erspart, jetzt diesen Walk of Shame anzutreten! Durch den Spalt im Vorhang fiel schwaches Morgenlicht. David saß im Schein seiner Schreibtischlampe am Schreibtisch, drehte mir den Rücken zu und zwirbelte nachdenklich eine Locke. Ich überlegte mir, herausschleichen, ohne dass er es mitbekam. Doch die verräterischen Matratzenfedern machten mir einen Strich durch die Rechnung. Wie zur Hölle konnte er denn hier schlafen? Zwischen Matratze und Bettpfosten sah ich etwas Dunkles, das eingeklemmt war. Meine Finger betasteten es, identifizierten es als Lederumschlag eines Buches. Mit einem Gummiband darum. Was war das, ein Tagebuch? Was schrieb David dort hinein? Wie gern ich es erfahren würde. Da hörte ich David fragen: „Bist du wach?“ „Guten Morgen“, meldete ich mich zu Wort und ließ von dem Buch ab. „Wann bist du denn aufgestanden?“ „Ich bin um sechs Uhr aufgestanden, wie jeden Tag, damit ich vor den Vorlesungen noch ein bisschen lernen kann.“ „Wie fleißig. Hast du keine Kopfschmerzen?“ „Nicht der Rede wert, dafür habe ich das hier.“ Er zog seinen Rollkragen ein Stück hinunter. Ich stand auf, ging auf ihn zu, betrachtete die Stelle knapp über dem Schlüsselbein. Ein großer dunkelvioletter Knutschfleck starrte mich vorwurfsvoll an. Ach du Scheiße. „Sorry. Tut mir leid, das war keine Absicht“, flüsterte ich betreten, damit würde er auf jeden Fall in Erklärungsnöte geraten, gut, dass Rollkragenzeit war. Aber seine Ohren waren feuerrot, und nun drehte er sich auch zu mir herum und schaute mich an. „Wie hältst du es aus, hier zu stehen und zu reden, als wäre gar nichts…?!“ Ich zuckte die Achseln. „Wieso nicht? Ungeschehen kann ich es ja schlecht machen. Bereust du es denn?“ „Ich weiß ehrlich gesagt nicht“, brummte er und wandte sich wieder seinem Lernmaterial zu. Über seine Schulter erhaschte ich einen Blick auf den dicken Leitzordner vor ihm, in dem unzählige bunte Post-its klebten. Daneben lag ein beträchtlicher Stapel Karteikarten. Auf dem Bücherregal über dem Schreibtisch stapelten sich so viele Fach- und Sachbücher für sein Studium, dass sich die Balken bogen, er musste die ganze Bibliothek leer geräumt haben! Diese merkwürdig anmutenden Hieroglyphen auf dem Blatt und seine Randnotizen daneben in sehr sauberer, ordentlicher Handschrift, machten mich neugierig. „Darf ich fragen, was du da liest?“ „Einen Text für meinen Althebräisch-Kurs.“ „Wozu braucht man denn Althebräisch?“ „Na, um die Bibel im Original lesen zu können. Wir schreiben auch ziemlich bald die ersten Klausuren. Naja. Ich wollte dann gleich frühstücken gehen.“ „Oh, auf mich musst du nicht warten, ich frühstücke nie. Ich werde duschen und hole mir unterwegs zur Arbeit einen Coffee to go. Hast du noch eine Zahnbürste für mich?“ „Im linken Badschrank.“ Nach einer Viertelstunde verließ ich sein Badezimmer frisch geduscht und geföhnt. David war jedoch nicht mehr am Schreibtisch, so trat ich heraus auf den Flur. Durch die Glasscheibe sah ich David im Aufenthaltsraum am Tisch sitzen, ganz alleine. Durch die Fenster schien die Morgensonne hinein, einer von den seltenen freundlichen Tagen im Winter. Während er Müsli löffelte, schmökerte er in einem dicken Buch vor ihm auf dem Tisch. Von mir nahm er gar keine Notiz, bis ich an die Tür klopfte. „Was ist denn noch?“, fragte er fast genervt. „Ich wollte nur Tschüss sagen…“ Weil niemand im Flur war, fügte ich frech hinzu: „Melde dich, wenn du eine Wiederholung willst.“ Mir gefiel, wie heiß Davids Ohren wurden. „Bitte behalte alles für dich, ja?!“, sagte er mit flehendem Tonfall. „Natürlich. Du kannst mir vertrauen. Ich bin keine Plaudertasche!“, bekräftigte ich, weil er mir kein Stück zu vertrauen schien, nicht mit diesem Blick. Denn käme das ans Licht… Das wäre sicher nicht so gut für ihn, schätzte ich. Speziell für seine Berufswahl. Ich war kurz davor, zu fragen, wie er das, was sich gestern in seinem Zimmer abgespielt hatte, überhaupt mit seinem Glauben und vor allem mit seinem Berufswunsch zu vereinbaren gedachte… Doch hier und jetzt, zwischen Tür und Angel, war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Auf dem Weg ins Altenheim fragte Jo mich im Chat, ob ich Freitagabend Lust auf den Weihnachtsmarkt hatte, und ich sagte zu. ~ Um die Mittagszeit lächelte Frau Spinnler mir so verschwörerisch zu, halb hinter ihrem Buch versteckt. „Nutze die Gunst der Stunde“, raunte sie. „Es gibt nichts, was die Seele mehr vergiftet, als ungeliebt zu bleiben, lieber stirb in seinen Armen.“ „Zitieren Sie da gerade aus Ihrer Schmonzette, oder was?“, antwortete ich auf diese poetischen Worte. Doch sie beachtete mich nicht weiter, nur ihr Buch. Trotzdem schaute ich mal beim Balkon vorbei, nur zur Sicherheit. Sandros Anwesenheit erschlug mich regelrecht. Alles war immer noch so frisch, die Stimme seines Ex hallte immer noch in meinen Ohren und ließ mir keine Ruhe, und nach dem Video wusste ich auch ungefähr, wie er aussah. Ich atmete tief durch, dann öffnete ich zaghaft die Schiebetür und trat hinaus ins Freie. Immer noch klarer Himmel, Sonnenschein. Kaum zu glauben, dass es Dezember war und gestern geschneit hatte. Steckten da wieder Kopfhörer in seinen Ohren, weil er keine Anstalten machte, sich umzudrehen? Nein, diesmal telefonierte er und ich blieb stehen, wo ich war. „Nein, er sah überhaupt nicht die Notwendigkeit, wie immer eben, was habe ich überhaupt gefragt, ich bin so blöd… Danke, Martha. … Das weiß ich sehr zu schätzen, aber du kennst meine Meinung dazu… Ja… Ja… Ich melde mich nochmal, bevor ich losfahre. Bis später!“ Er legte auf, holte die Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche und gönnte sich eine Zigarette. Mich schien er mich gar nicht zu bemerken und so räusperte ich mich. Da fuhr er herum. „Du! Wie lange stehst du hier schon?“ „Seit eben. Geht es dir gut?“ Ich trat an das Geländer heran. Eine sanfte Brise wehte seinen vertraut riechenden Zigarettenqualm zu mir herüber. Er zuckte die Achseln. „Danke, dass du dich nicht eingemischt hast neulich, das hätte echt übel ausgehen können“, sagte er ruhig und nahm einen sehr tiefen Zug an seiner Zigarette. „Flo ist impulsiv und unberechenbar, und ich hatte keine Ahnung, dass er an dem Abend vorbeikommen würde. “ „Dein Ex?“ „Hm.“ Dieses Thema brachte ein eisiges Schweigen zwischen uns, dick wie eine Wand. „Was hält eigentlich dein Vater von ihm?“, wagte ich vorsichtig zu fragen. Sandro betrachtete mich wie eine neuartige Lebensform, die Stirn ein Faltenkunstwerk. Er schnaubte, schüttelte den Kopf. „Wieso denkst du, dass ich ihn Vater vorgestellt hätte?“ „Hast du das etwa nicht?! Hast du dich überhaupt vor ihm geoutet?“ Ein Schnauben, das in ein lachendes Prusten überging. Er schnippte die Asche in den Becher. „Outen? Wie süß. Als was sollte ich mich denn zuerst vor Vater outen? Als jemand, der aus der Kirche ausgetreten ist? Oder als Gewerkschaftsmitglied? Denn eines der beiden könnte bereits für einen Herzinfarkt bei dem Alten sorgen.“ Ich starrte ihn nur an, war perplex. „Von einem Comingout als Teilzeit-Rocker ganz zu schweigen, aber das hast du mir ja schon abgenommen.“ Ich seufzte schwermütig. „Ja, sorry nochmal dafür. Ich wollte nicht dein Leben auf den Kopf stellen, ganz bestimmt nicht! Aber generell, wie gedenkst du denn dein Verhältnis zu ihm verbessern, wenn er gar nichts über die Dinge weiß, die dir im Leben wichtig sind? Die dich ausmachen?“, wagte ich einen Vorstoß, denn das interessierte mich wirklich. „Dann kennt er dich doch gar nicht wirklich, seinen eigenen Sohn!“ Kopfschütteln erntete ich daraufhin. „Es macht mich wohl kaum aus, dass ich darauf stehe, mich von Männern ficken zu lassen.“ Uah, seine ungewohnte Offenheit wieder mal, wie eine Ohrfeige der verbalen Art! „Das… so habe ich nicht gemeint! Rede doch einfach mal mit deinem Vater, du wirst schon sehen, dass es hilft. Immerhin steht ja ein Kinderfoto von dir auf seinem Nachttisch.“ Nun zischte er wie eine Dampflok, matschte das, was von der Zigarette übrig geblieben war, in den Aschenbecher, „Weißt du was, Dominique? Geh zu deinesgleichen, und lass mich einfach in Ruhe!“ Seine Miene dabei sprach Bände, seine starken Kieferknochen, die hervortraten. Mit diesen Worten ließ er mich stehen und verschwand nach drinnen. Das erschütterte mich regelrecht, ich hatte mehr Fragen als je zuvor. Meinesgleichen? Damit konnte ich nichts anfangen. Was sollte das bedeuten? Sandro war doch niemand, der Worte einfach so dahin sagte. Über deren Bedeutung machte er sich nachweislich viele Gedanken, wie seine Songtexte verrieten. Ich stand einfach nur dumm da. ~ „Hey! Hier her, Dome!“ Jo winkte mich zu sich zwischen den Besuchern des Weihnachtsmarktes in der Altstadt. Sein Grinsen war heute noch zehnmal breiter als sonst und ich fragte mich, was man in seinen Glühwein untergemischt hatte. Er stand an einem der als Tisch durchgehenden Fässer vor dem Glühweinstand, und ich hätte sein Grinsen erwidert, wäre er alleine hier. Aber neben ihm stand ein rundliches Mädchen im rosa Wollmantel, zwei Köpfe kleiner als er. Sie sah kurz von ihrem Handy zu mir auf – eine Asiatin. Sie trug blaue Strähnchen im Haar und auf ihrer Lippe ein Piercing. Mehrere Fragen auf einmal stellte ich mir, doch wagte keine davon zu stellen. „Dome, das ist Xia, von meiner Uni. Xia, das ist Dome, mein Kumpel, der sich bisher vor dem Studieren drückt.“ Drücken? Hatte er so einen Zug wirklich nötig, nur um vor Xia besser dazustehen? Dieses Treffen zu dritt, war mehr als unangenehm für mich. Das war doch hoffentlich nicht das erste Date der beiden? Ich sollte wirklich mal einen Kurs für Körpersprache belegen. Händchen hielten sie keine. Nein, zum ersten Date hätte er mich doch nie und nimmer herbestellt, nicht mal Jo würde sowas bringen. So ein Mist, wie könnte ich mich jetzt am unauffälligsten vom Acker machen? In diesem Moment hörte ich das leise „Hallo“, das mir nur zu bekannt vorkam. Das durfte nicht wahr sein. Darauf war ich nicht vorbereitet! Was sollte das? „Hey! Was hat dich aufgehalten, David?“, rief Jo vorwurfsvoll. „Entschuldigung, ich habe mir noch kurz den Dom angesehen.“ Jo grunzte. „Typisch.“ „Das wollte ich unbedingt mal machen. Er ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Wenn mich meine Eltern an meinem Geburtstag besuchen kommen, wollen wir dort den Gottesdienst besuchen.“ „Wann ist denn dein Geburtstag?“, fragte ich, und hoffte, dass mir niemand meine Nervosität anmerkte. „Am dreizehnten Dezember.“ „Was? Das ist ja schon nächste Woche! Wieso hast du nichts gesagt?“ „Hast mich nie gefragt. Ich würde uns mal Getränke holen“, verkündete David. „Ich kann mich auch in die Schlange stellen, das macht mir nichts“, entgegnete ich. „Schon in Ordnung“, sagte David und war weg. Konnte es sein, dass ihm das hier noch unangenehmer war als mir? Warum hatte Jo nicht erwähnt, dass David auch kommen würde? „Ach ja, Simon wollte später auch noch dazukommen.“ „Simon?!“, wiederholte ich. Jo war doch mit einem Mädchen hier! Simon hinzuzuholen, das war, wie den Wolf auf die Kaninchenparty einzuladen. Oder was war mit ihm los? Befürchtete er, es alleine zu vermasseln? War er sich seines Erfolges so sicher, dass er Xia Simon wie eine Trophäe präsentieren wollte? Wie naiv war Jo? Am liebsten wollte ich Xia beiseite ziehen und sie fragen, ob sie erpresst wurde. Davon abgesehen, wollte ich Simon lieber nicht begegnen. Ehrlich gesagt wäre ich jetzt wirklich lieber unter meinesgleichen, um Sandro zu zitieren. Wer immer das auch sein mochte. Dieses verdammte Wort ließ mich nicht mehr los. Jo versuchte sich gerade an einem Witz, woraufhin Xia gefällig kicherte, und erzählte dann von einem Projekt für die Uni. Bin gerade ungewollt bei Jos Date dabei. Hoher Cringefaktor!, textete ich Marie. Ach, war das schön, eine Ex-Freundin zu haben. Das hatte auch nicht jeder! Sie schickte Emojis zurück, die sich Augen und Ohren zuhielten. Ich fand unser erstes Date im Rückblick auch etwas arg kitschig, um ehrlich zu sein, antwortete sie. Echt? Warum das? Ja, keine Ahnung, vielleicht haben wir unsere Rollen etwas zu ernst genommen. Kurz sinnierte ich darüber, wie sie das meinte. Ich konnte mich sogar noch genau an ihr Outfit damals erinnern. Was macht eigentlich deine Flamme? Ach, ist kompliziert. Ich überlegte, wie viel ich ihr verraten konnte, und da tippte ich auch schon: Er meinte, ich soll zu „meinesgleichen“ gehen. Marie schrieb zurück: Das hat er gesagt? Bist du ihm nicht schwul genug, oder was? Was mich nach Luft schnappen ließ, war nicht dieser Satz, sondern die beiden Emojis, die sie angefügt hatte: ein Pfirsich und eine Aubergine, an Eindeutigkeit nicht mehr zu überbieten. Ich kniff die Lippen zusammen. Lustig fand ich das überhaupt nicht! Sie etwa? Da wurde eine dampfende Tasse vor mir abgestellt und ich zuckte zusammen. Schaute auf, in die Runde. „Na, dann mal Proo-host!“ Alle hoben auf Jos Kommando die Tassen, stießen an. In diesem Moment wurde es mir schmerzlich bewusst. Dass Weihnachten vor der Tür stand. Und ich es ohne Marie verbringen musste. Und auch diesen mega peinlichen Abend. Das machte mich wütend. Hätte sie nicht darauf bestanden, ihre blöde Pause zu brauchen, dann würde ich nun neben ihr hier stehen und könnte David ganz unbefangen zuprosten, weil ich jene Nacht mit Marie verbracht hätte und nicht mit ihm. Und über Sandro würde ich mir schon gar nicht den Kopf zerbrechen müssen…und das Wort „deinesgleichen“ hätte ich auch niemals im Online-Wörterbuch nachgeschlagen, nein, von dessen Existenz hätte ich noch nicht mal etwas geahnt! Dieser unerwartet süße Geschmack, der meine Zunge überraschte… David hatte mir Kinderpunsch statt Glühwein serviert! Mein Stirnrunzeln quittierte er bloß mit einem Lächeln. „Hast du die Tassen vertauscht?“ „Ach, wolltest du etwa Glühwein?“, fragte David gespielt naiv. Xia kicherte, was sich wie das Meckern einer Ziege anhörte und Jo stimmte mit ein. „Besser so! Du hättest ihn neulich im QUAKE sehen sollen, so dicht! Wir sollten ihm echt nichts mehr zu trinken geben!“ Ich funkelte ihn böse an, Jo bekam davon nichts mit und meinte voller Euphorie: „Kommt, Leute, Foto!“ „Ähm…“, machte David, als ob er noch durchdenken musste, ob ein Foto wirklich angebracht war und welche Konsequenzen das nach sich ziehen würde. Da hatte Xia ihn bereits geschnappt. Jo, der praktischerweise den längsten Arm von uns hatte, streckte ihn auch schon mit seinem Handy in die Höhe und es blitzte. „David, du feierst doch nicht nur mit deinen Eltern Geburtstag, oder was?“, erkundigte sich Jo. „Ähh“, sagte David, nachdem er die Tasse abgesetzt hatte. „Mein Geburtstag, ja, also das wird kein großes Ding, eigentlich ein ganz normaler Tag.“ „Alter, du wirst Zwanzig! Das muss verdammt nochmal krachend gefeiert werden, das ist schließlich das Alter, in dem man in vielen asiatischen Ländern volljährig wird!“ „Nicht in allen“, warf Xia ein. „Was hat denn Asien mit mir zu tun?“ „Kapier ich auch nicht, aber Jo hat Recht“, mischte sich auch Xia ein. „Jo sollte eine Party für dich schmeißen! Lass dich doch mal richtig schön feiern, dir Muffins backen, ein Ständchen vorsingen und alles, was dazu gehört.“ „Wenn die Muffins vegan sind, dann gerne.“ „Ich kann super vegane Muffins backen!“, sagte Xia hell erfreut und Davids Brauen schnellten in die Höhe. „Bist du auch Veganerin?“ „Ja!“, sagte sie hell begeistert, ihre erste Gemeinsamkeit. Ich beobachtete mit Faszination, wie Xia sowohl Jo als auch David mit der Idee der Party bei ihm zuhause begeisterte. Jo, weil er von Xia bereits von oben bis unten eingewickelt war und David… Nun, wahrscheinlich um seiner Einsamkeit zu entfliehen. Oder weil er Jo und Xia verkuppeln wollte, weil Jo ihm leidtat, wie er mir in der Eisdiele anvertraut hatte. Schließlich dominierten Xia und David das Gespräch, sie scherzten und kicherten miteinander und entdeckten immer mehr Gemeinsamkeiten. Jos Laune sank merklich in den Keller, er stupste mich an und verdrehte die Augen, woraufhin ich nur die Achseln zuckte. Selbst schuld, hätte er das Date mit ihr eben alleine verbracht. Ich wäre niemals hier aufgekreuzt, wenn ich das geahnt hätte. Ich versteckte mein Grinsen in der Tasse. Kinderpunsch schmeckte eigentlich gar nicht so schlecht. Wie eine Zeitreise in die Vergangenheit, als man Kind war und die Welt noch in Ordnung... Man, war das lange her! Xia fragte weiter: „Interessierst du dich für Yoga, David? Ich mache den Kurs an unserer Uni mit, der ist echt gut, falls du Lust hast?“ „Yoga? Wozu sollte ich als Christ denn hinduistische Meditationsübungen praktizieren?“ Xia kicherte abermals. David sprach weiter, mit einer todernsten Stimmlage: „Die Erlösung kann nur Gott einem schenken.“ Xias Lachen erstarb kurz darauf. Kam jetzt nur mir in den Sinn, dass Beten sehr viel mit Meditation gemeinsam hatte? Aber ich würde mich hüten, das laut zu sagen. „Dein Ernst?“ „Ja, David nimmt das sehr genau, als angehender Theologe“, klinkte sich Jo in ihr Gespräch ein. Ich versteckte mein Grinsen in der Tasse. „Okay…“, murmelte sie daraufhin, als bereue sie es, sich von diesen schrägen Gestalten ihre Zeit gestohlen haben zu lassen. „Du bist ja noch schräger drauf als meine Ex.“ „Äh?“ Jo setzte an, um irgendwas Dummes zu sagen, verriet mir meine Intuition. Also trat ich ihm unauffällig gegen das Schienbein, bevor er Müll daher redete, den er spätestens dann bitter bereute, dann nämlich, wenn Xia ihn keines Blickes mehr würdigte. „Du Jo, ich mach dann mal weiter, ich muss noch ein Weihnachtsgeschenk für Desi kaufen.“ „Jetzt? Bleib doch noch.“ Auch David nutzte die Gelegenheit, verabschiedete sich mit einer Ausrede und folgte mir. „Und nun?“, fragte ich, als wir außer Sichtweite waren. „Wollen wir noch wo hin? Der Iglu ist nicht weit. Oder ich zeige dir mein Zuhause, ich hab sturmfrei an Wochenenden, wie wärs?“ David schüttelte den Kopf, sodass seine Locken umher flogen. „Ein anderes Mal, okay? Ich möchte nur nach Hause. Morgen muss ich früh aufstehen, weil ich ja im Laden arbeite.“ „Ach das war gar keine Ausrede eben? Na dann. Schön, dass du mitgekommen bist und das mit mir durchgestanden hast. Wir sehen uns.“ Später betrachtete ich das Foto von uns Vieren, das Jo stolz im Status gepostet hatte. David und ich standen darauf näher zusammen als Jo und Xia. Ich fragte mich, ob man uns beiden anmerkte, dass wir eine Nacht im selben Bett verbracht hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)