Stray Dogs Monogatari von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 1: Ein Ausflug aufs Land -------------------------------- Atsushi versuchte, Luft zu holen, doch voller Schrecken musste er feststellen, dass sein Gesicht unter Wasser war. Wieso war er unter Wasser? Was war geschehen? Gerade eben hatte er doch noch neben Ranpo vor der Polizeiwache gestanden und den Kopf über Dazai und Kunikida geschüttelt. Und nun lag er mit dem Gesicht nach unten auf einem schlammigen Untergrund, umgeben von Wasser und mit einem schweren Gewicht auf ihm, das ihn herunterdrückte. Der Junge bündelte seine Kräfte und stemmte seine Arme und Knie in den matschigen Boden, sodass er sich trotz der Last auf seinem Rücken hochhieven konnte. „Haaaaaaa!“ Geschafft! Er hatte seinen Oberkörper aus dem Wasser heben können und schnappte, erleichtert auf allen Vieren dahockend, nach Luft … als das Gewicht auf seinem Rücken plötzlich anfing zu nörgeln. „Vorsicht, Atsushi! Ich falle ja noch runter!“ Diese Stimme. Wie der Schlamm von seinem Gesicht hinabrutschte, so fiel es ihm auch wie Schuppen von den Augen was, oder eher wen, er da auf seinem Rücken balancierte. Das Gewicht auf seinem Rücken war Ranpo! „Ra-ranpo?“ Der Junge drehte seinen Kopf soweit er konnte zurück, um zu dem Älteren zu blicken. Der Meisterdetektiv thronte im Schneidersitz - und praktisch fast knochentrocken - auf seinem Rücken. „W-was ist pass-“ Er stockte, als er ein gequältes Stöhnen neben sich vernahm. Ruckartig raste Atsushis Blick zu seiner anderen Seite, von der das unheimliche Geräusch kam. Was er dort sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. „Whaaaa!“, rief er zu Tode erschrocken aus. „Was-was ist das?? Ein Sumpfmonster??“ Die durch und durch in Schlamm gehüllte Gestalt, die sich mühselig neben ihm aus dem Morast erhob, gab einen entsetzlichen, gequälten Laut von sich und krachte wieder in den Matsch zurück, sodass der Schlick mit einem lauten 'Platsch' umherflog. „Oh nein“, hörte Atsushi da eine ihm sehr vertraute Stimme jammern, „der Saum meines Mantels ist dreckig geworden. Kunikida, kannst du mich nicht an Land bringen?“ Der junge Detektiv hob seinen Kopf ein kleines Stück mehr und als er begriff, was er sich da besah, begannen seine Augen, unwillkürlich zu zucken. So wie Ranpo auf ihm im Trockenen hockte, hockte Dazai auf Kunikidas Rücken und der arme Idealist lag, unter Dazais Gewicht begraben, im Schlamm. Ein wütendes Stöhnen ertönte und Kunikida hob sich von neuem mit aller Kraft aus dem Morast. „Steig gefälligst von mir runter und bring dich selbst an Land!!“ „Aber dann werden meine Schuhe nass …“ Mit Kräften, von denen Atsushi sich fragte, wo der Blonde diese nun herholte, versuchte Kunikida, sein klagendes, ungewolltes Gepäck von sich zu schütteln. - Was das Gepäck eher amüsierte und sich noch stärker an seinem unfreiwilligen Lastenträger festklammern ließ. „Atsushi“, sagte Ranpo derweil, „ich möchte wieder trockenen Boden unter den Füßen haben.“ „Ah! Ja! Sofort!“ Der Junge stand auf und Ranpo legte zeitgleich seine Arme um seinen Hals, sodass Atsushi ihn huckepack aus dem Schlamm tragen konnte. Nur wenige Sekunden, nachdem er den Älteren am wenige Meter entfernten Gewässerrand abgesetzt hatte, erreichten auch die beiden anderen Kollegen mit der exakt gleichen Technik – Dazai wurde zufrieden lächelnd von Kunikida auf dem Rücken getragen - die Stelle außerhalb des Morastes. „Was ist passiert?“, fragte Atsushi verdattert, als sie wieder alle beieinander standen. Kunikida wischte notdürftig seine Brille ab und versuchte, sich selbst eher schlecht als recht von dem Schlick zu befreien. Er hatte sich schütteln wollen, um den Matsch von sich zu kriegen, dies allerdings wieder eingestellt, als Ranpo meckerte, dass ein Spritzer ihn erwischt hatte. Atsushi war sich bewusst, dass er selbst wahrscheinlich ebenso gerade wie ein Sumpfmonster aussah. Lediglich Ranpo und Dazai sahen noch vorzeigbar aus. „Wir sind in einem Reisfeld gelandet“, stellte der Meisterdetektiv fest und in der Tat, sie standen am Rand eines gefluteten Reisfeldes. Um sie herum befanden sich noch weitere Reisfelder und in der Ferne waren ein paar einfache Hütten zu erkennen. Wo auch immer sie waren – sie waren nicht mehr in Yokohama, so viel war sicher. „Wo sind wir?“ Baff sah sich Atsushi um. Hatte sie jemand aus der Stadt herausteleportiert? Aber wer? Und wohin? Und warum? Die drei Älteren begannen ebenso, sich umzusehen. „Irgendetwas“, begann Kunikida und klang dabei, angesichts der unklaren Lage, in der sie sich befanden, äußerst verstimmt, „ist hier seltsam.“ „Oh nein. Nein. Nein. Nein!“ Ranpos erschrockene Ausrufe wurden mit jedem Nein lauter und sein Blick panischer, was Atsushi in Alarmbereitschaft versetzte und auch Kunikida blickte besorgt zu dem schwarzhaarigen Kollegen. „Ranpo? Was ist? Was hast du?“, hakte der Jüngste der Gruppe nach. „Nein! Nein! Das können die mir nicht antun! Das ist unmenschlich!!“ Mit dieser Antwort konnte Atsushi nichts anfangen. Was versetzte den Meisterdetektiv so in Panik? Hilfesuchend wandte er sich an Dazai. „Was hat Ranpo nur?“ Der Brünette lächelte belustigt, was sowohl Atsushi als auch Kunikida fassungslos machte. Wie konnte Dazai jetzt so lächeln, wenn Ranpo gerade augenscheinlich eine Krise durchmachte? „Ihm wird gerade etwas klar“, antwortete Dazai und klang dabei so, wie er dreinblickte. „Huh?“, machte Atsushi überfordert. „Was wird ihm klar?“ „Das ist nicht lustig, Dazai!“, rief Ranpo erbost aus. „Das ist eine ernste Krise! Nein, eine Katastrophe!“ „Was ist eine ernste Krise?“, fragte nun Kunikida. „Weißt du, was hier los ist?“ „Da mache ich nicht mit.“ Ranpo kreuzte bockig die Arme vor der Brust und zog eine Schnute. „Dazai“, Kunikida fauchte den Kollegen nun an, „sag wenigstens du uns, was hier gerade passiert.“ Der Angesprochene zuckte amüsiert mit den Schultern. „Atsushi, kam dir dieses Surren und Zischen und Flimmern in der Luft nicht bekannt vor?“ „Öh ...“ Er dachte angestrengt nach. „Doch, irgendwo habe ich das schon einmal gesehen … …“ Die Augen des Jungen wurden größer und größer, als ihm einfiel, wann und wo er dies bereits einmal gesehen hatte. „Das kann nicht sein! Wells?? War das ein Zeitportal??“ Erschrocken starrte Kunikida ihn nach dieser Äußerung an. „Ein Zeitportal? Soll das heißen … wir sind durch die Zeit gereist?“ „Sind wir“, erklärte Dazai. „Und ich vermute, wir haben gut eintausend Jahre zurückgelegt.“ Kunikidas Kiefer klappte zum zweiten Mal an diesem Tag nach unten. „Eintausend Jahre?!“ Er blickte sich erneut um. „In die Vergangenheit?!“ „Bei unserer letzten Begegnung wollte Wells die zwei Hofdamen nach Hause geleiten. Es spricht viel dafür, dass wir dieses Mal die Positionen getauscht haben. Nicht die Damen sind bei uns in der Zukunft gelandet, sondern wir bei ihnen in der Vergangenheit.“ Von Dazais Erklärung wurde Atsushi fast schwindelig. Waren sie wirklich durch die Zeit gereist? „Aber … wieso? Ist das etwa wieder ein Fehler von Wells Fähigkeit? Und wo ist der Kerl überhaupt?“ „Tja, da bin ich leider auch nicht schlauer als ihr. Vielleicht hat Ranpo eine Idee, wenn er sich wieder eingekriegt hat.“ „Was ist denn mit ihm?“, hakte Atsushi ein weiteres Mal nach. „Eintausend Jahre!!“, meckerte der Betroffene an dieser Stelle. „Versucht mal, in dieser Zeit ein paar vernünftige Snacks und Süßigkeiten aufzutreiben!! Ich habe nicht einmal einen Vorrat dabei. Ich werde hier elendig verhungern!“ Der silberhaarige Junge fiel beinahe vor Fassungslosigkeit vornüber, als er dies hörte. Das war Ranpos Problem? „Wells … Zeitportale … Zeitreisen … Anomalien ...“, murmelte Kunikida derweil vor sich hin und sah abwechselnd an seinen beiden Armen herunter. „Ich glaube, ich merke schon etwas … da! Oder? Nein, das sieht noch richtig aus … aber das …?“ Kunikida stellte sich neben Dazai und führte seine flache Hand von seinem Kopfscheitel zu dem des verdutzt blinzelnden Kollegen. „Das passt noch ...“, murmelte er weiter. „Oder war der Abstand vorher größer gewesen?“ „Äh“, äußerte Atsushi besorgt. „Kunikida? Ist alles in Ordnung?“ Oder hast du den Verstand verloren?, ergänzte er in Gedanken. „Atsushi“, sagte der Brillenträger streng und mit fester Stimme. „Sehe ich für dich aus wie immer?“ „Häh?“ „Ahh~“, machte Dazai vergnügt, „Kunikida hat Angst, wieder Windeln tragen zu müssen.“ „ÜBER DIESE ANGELEGENHEIT WIRD STILLSCHWEIGEN BEWAHRT!!“, schnaubte der Blondschopf. „Wir müssen zwei Dinge festhalten“, warf Ranpo mit immer noch nörgelnder Stimme ein, „erstens, kann es durchaus passieren, dass wieder Anomalien auftreten und zweitens … werde ich bei keinem von euch die Windeln wechseln.“ Atsushi schluckte. Wenn wieder das gleiche Chaos wie beim letzten Mal ausbrach … dann wäre das wirklich eine Katastrophe. „Die Lage verhält sich allerdings ein wenig anders als beim letzten Mal“, ergänzte Ranpo. „Nun sind wir diejenigen, die selbst eine Anomalie darstellen, so wie es damals die beiden Damen Sei und Murasaki in unserer Zeit waren. Wir gehören schließlich nicht hierher, aber da wir uns in der Vergangenheit befinden, wird es Auswirkungen auf die Gegenwart haben, wenn wir hier einen falschen Schritt machen.“ „Auswirkungen?“ Atsushi sah ängstlich zu dem Meisterdetektiv. „Nehmen wir ein extremes Beispiel“, antwortete dieser. „Angenommen du bringst hier aus Versehen jemanden um. Und dieser jemand ist ein Vorfahre von Kyoka. Dann könnte es passieren, dass Kyoka nie geboren wird.“ „Oder eine Frau, die eigentlich jemand anderen heiraten soll“, schaltete Dazai sich in die Erklärung ein, „verliebt sich hier in dich und plötzlich wirst du nie geboren, weil sie nie mit demjenigen zusammenkommt, mit dem sie eine Familie gründen sollte und derjenige einer deiner Vorfahren war. Und schon ist deine gesamte Existenz ausgelöscht.“ „Au-ausgelöscht?“ Ranpo nickte. „Das waren jetzt extreme Beispiele, aber jede Kleinigkeit, die wir in der Vergangenheit unternehmen, könnte zu einer Veränderung der Gegenwart führen.“ „Das heißt“, warf Kunikida ein, „selbst wenn wir in unsere Zeit zurückkehren, könnte uns dort eine ganz andere Realität erwarten, als die, die wir kennen.“ „So ist es“, bestätigte Ranpo ihm. „Wir müssen sehr vorsichtig sein.“ „Aber Wells ist hier, oder?“, fragte Atsushi. „Dann müssen wir ihn nur schnellstens finden. Vielleicht können wir irgendwo fragen, ob jemand ihn gesehen hat …?“ „Wir sollten mit so wenigen Leuten wie möglich in Berührung kommen“, entgegnete Ranpo. „Allein wie wir aussehen und wie wir sprechen, könnte schon zu Problemen führ-“ Schritte ließen ihn abrupt verstummen. Die vier Detektive drehten sich in die Richtung, aus der die Geräusche kamen und blickten auf zwei jungen Frauen, die mit einfachen, einfarbigen Oberteilen und Hosen aus grob gewebtem Stoff bekleidet und Hacken zur Feldarbeit in den Händen haltend, gerade des Weges kamen. Der Verdacht lag sofort nahe, dass sie zwei Farmerinnen waren, die nach ihren Feldern sehen wollten. Die Frauen blieben erschrocken stehen und starrten auf die aus der ländlichen, altertümlichen Umgebung wie leuchtende Neonreklamen herausstechenden Fremden, die sie nervös anblinzelten. Niemand sagte ein Wort. Man hätte die Luft mit einem Messer zerschneiden können. Atsushi spürte wie der Schweiß vor Anspannung seinen Rücken hinunterlief. Kunikida tropfte derweil immer noch der Schlamm aus seinen langen Haaren. Als wäre ihre fremdartige Kleidung nicht schon auffällig genug, sahen er und der Ältere ja zudem auch noch aus wie Sumpfmonster. Jede Bewegung, die sie machten, jedes Wort, das sie sagten, könnte in eine Katastrophe führen. Sie mussten mehr als vorsichtig sein. Sie mussten mit dem größtmöglichen Feingefühl vorgehe- „EINEN SCHÖNEN GUTEN TAG, MEINE DAMEN!“, rief Ranpo heiter aus und ließ Atsushi zusammenzucken. „Mit einem wahrlich herrlichen Wetter sind wir heute gesegnet, nicht wahr?“, fuhr der Meisterdetektiv fort und der silberhaarige Junge staunte, wie gewählt der Ältere sich plötzlich ausdrückte. „Wir sind Reisende aus dem Ausland und gar unglücklich vom Wege abgekommen“, sprach Ranpo weiter. „Zwei meiner etwas dümmlichen Diener sind zudem in dies Feld hier gefallen.“ Dümmliche Diener?, schoss es Atsushi durch den Kopf. Na ja, Ranpo hatte ihnen allen schon schlimmere Namen gegeben. Aber ob die Frauen ihnen diese Geschichte von Reisenden aus dem Ausland wirklich abkaufen würden? Die Farmerinnen blinzelten Ranpo und schließlich die anderen drei mit großen Augen an, was Atsushi ein verzweifeltes Grinsen entlockte. Kunikida stand wie vom Donner gerührt da und traute sich nicht, auch nur ein Wort zu sagen, während Dazai einfach nervös lächelte. „Aus dem Ausland?“, fragte eine der beiden schließlich und etwas eingeschüchtert klingend. „Seid Ihr ein Gast des Kaisers?“ „Oh ja!“, erwiderte Ranpo voller Überzeugung. „Der Kaiser persönlich hat mich und mein Gefolge eingeladen.“ Die Frauen zogen vor Verwunderung scharf die Luft ein. Dass ihnen hier draußen auf dem Land eine solch wichtige Person begegnen würde! Nie im Leben hätten sie das für möglich gehalten. Schnell senkten sie ihre Köpfe und verbeugten sich tief, um dem fremdländischen jungen Mann Respekt zu zollen. Hielten sie Ranpo etwa für einen Adligen? Atsushi wusste nicht, ob das seinem Ego nicht noch mehr Rückenwind verleihen würde. „Würden die Damen mir verraten, wie weit es noch bis zur Hauptstadt ist?“ „Zu Fuß ist es von hier in weniger als einem halben Tag zu schaffen“, antwortete die andere Frau und zeigte, ohne ihre untertänige Haltung aufzugeben, in die Richtung, aus der sie und ihre Begleiterin gekommen waren. „Sagt, wo ist denn Euer Wagen? Ihr seid doch sicherlich nicht zu Fuß unterwegs?“ „Gewiss nicht.“ Ranpo schüttelte den Kopf. „Meine Diener tragen mich.“ „Atsushi, dein Stichwort“, zischte Dazai ihm leise zu und der Junge stutzte kurz, ehe er zögerlich zu Ranpo ging, sich zaghaft vor ihm verneigte und rücklings vor ihm niederkniete. Eine Sekunde später hatte er sich den Älteren auf den Rücken geladen. „Ich bedanke mich für die Auskunft“, sagte Ranpo den verdattert dreinblickenden Frauen. „Dienerschaft, wir gehen!“ Dazai winkte den Damen im Vorbeigehen noch zu, bevor sie sich von den beiden entfernten. Erst nachdem sie die Felder weit hinter sich gelassen hatten und den vor ihnen liegenden Weg so weit überblicken konnten, dass sie sich sicher sein konnten, niemandem zu begegnen, atmete Kunikida aus. „Hast du etwa bis jetzt die Luft angehalten?“, fragte Dazai erstaunt. „Ich …“, keuchte Kunikida, „ich dachte … ich sterbe vor Anspannung. War das nicht bereits zu gefährlich? Aus welchem Land sollen wir bitte sein? So wie wir gekleidet sind und in dem es normal ist, dass jemand sich huckepack fortbewegt?“ „Ganz ruhig, Kunikida“, wandte Ranpo, immer noch auf Atsushis Rücken verharrend, ein. „Du musst bedenken, dass das einfache Landvolk kaum Zugang zu Bildung hatte. Sie werden nicht überprüfen, ob unsere Geschichte stimmt und selbst wenn sie anderen von uns erzählen, wird das nicht mehr als ein verwundertes 'Oh' bei ihnen auslösen. Und immerhin wissen wir jetzt, wo wir sind, was meine anfängliche Theorie bestätigt.“ „Und“, warf Atsushi ein, „wo sind wir?“ „In der Nähe der Hauptstadt“, antwortete Ranpo knapp. „Tokyo?“ „Kyoto.“ Der Schwarzhaarige stöhnte angesichts seiner Bemerkung. Was war der Junge mal wieder schwer von Begriff! „Du denkst, sie hätten uns mit Absicht hergeholt?“, fragte Dazai und der Meisterdetektiv nickte. „Es sieht ganz danach aus, aber unser Freund Wells hat wahrscheinlich mal wieder seine Fähigkeit nicht ganz unter Kontrolle.“ „Absicht?“, hakte Kunikida perplex nach. „Wer soll uns mit Absicht hergeholt haben?“ „Sei und Murasaki“, erläuterte Ranpo, als wäre es selbstverständlich. „Wenn die zwei Hofdamen in ihrer Zeit ein Problem hätten und Wells immer noch in dieser Epoche herumlungert, dann kämen sie mit Sicherheit auf die Idee, uns mit seiner Hilfe herzubeordern.“ Atsushi versuchte, das gerade Erfahrene zu verarbeiten. „Wie bist du so schnell darauf gekommen, dass wir in der Nähe von Kyoto sind?“ „Die Frauen fragten direkt, ob wir Gäste des Kaisers seien, also kann der Kaiserpalast nicht allzu weit weg sein.“ „Das … das heißt ...“, Atsushi wurde ganz nervös bei dem Gedanken, „wir gehen jetzt zum Kaiser??“ Ein lautes, meckerndes Stöhnen hallte durch das alte Japan. Der silberhaarige Junge konnte es zwar nicht sehen, aber er spürte geradezu, wie Ranpo mit den Augen rollte. „Natürlich nicht! Wir können doch nicht einfach in den Palast latschen! Glaubst du, man kann da einfach gegen ein Eingangstor klopfen und die lassen einen rein? Wir suchen selbstverständlich Wells, der wird sich in Kyoto herumtreiben und zwar sehr wahrscheinlich in der Nähe des Kaiserhofs, um Kontakt zu Sei und Murasaki zu halten.“ „Ja, selbstverständlich“, murmelte Atsushi entschuldigend, „aber sag mal, Ranpo?“ „Was denn noch?“ „Wo hast du denn gelernt, dich auszudrücken wie ein Adliger aus der Antike?“ „Das hat mich auch schon gewundert“, warf Kunikida ein. „Pfffff“, machte der Meisterdetektiv müde, „der Chef war früher der Meinung, ich hätte zu wenig klassische Bildung erhalten und mich dazu gezwungen, irgendwelche uralten Schinken zu lesen.“ „Gut für uns“, sagte Dazai laut und fügte in einem leiseren Ton zu dem neben ihm gehenden Kunikida hinzu: „Schlecht für uns ist allerdings, dass Ranpo so langsam unterzuckert klingt.“ „Sehr schlecht für uns.“ Kunikida warf zum wiederholten Mal einen prüfenden Blick auf die Länge seiner Arme und obwohl zu seiner Erleichterung dort immer noch alles nach der richtigen Größe aussah, seufzte er schwermütig. „Ich habe nur irgendwie so ein Gefühl, dass das nicht unser einziges Problem bleiben wird.“ Hosted by Animexx e.V. 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