Die Werwölfe vom Weihnachtswald von KiraNear ================================================================================ Kapitel 4: Ende gut, alles gut ------------------------------ Die Busfahrt dauerte nicht lange und so standen TKKG kurze Zeit später an der Haltestelle Wandallee. Während Karl auf seinem Handy nach der genauen Adresse des Immobiliengeschäfts suchte, versuchten der Rest von TKKG sich eine Übersicht über die Gegend zu verschaffen.  Sie sahen sich ein Haus nach dem anderen an, doch sie konnten nichts Auffälliges erkennen. Nicht ein Bürogebäude war zu sehen, was an sich schon ziemlich merkwürdig war. Kurz bekamen sie Zweifel, ob sie sich nicht vielleicht doch in der Straße geirrt hatten oder ob Buntschweif sie möglicherweise auf eine falsche Fährte geschickt hatte. Karl konnte ihnen jedoch alle Bedenken nehmen. „Laut meiner Kartenapp sind wir ganz in der Nähe der Immobilienhaie“, sagte Karl, blickte aber nicht von seinem Display auf. Stattdessen drehte er sein Handy so um, dass nun auch seine Freunde einen Blick darauf werfen konnten. Sie sahen eine Karte der näheren Umgebung, und auch einen kleinen Punkt, der wohl den Standort des Immobiliengeschäfts markieren sollte. „Das ist wirklich nicht sehr weit von hier, gerade mal sechs Häuser entfernt“, stellte Gabi fest. „Dann sollten wir uns auf den Weg machen und uns die ganze Sache mal näher ansehen“, meinte Tim und ging voran, seine Freunde folgten ihm. So richtig wussten sie noch nicht, was sie tun würden, sobald sie das Haus erreicht hatten. Aber sie waren sich sicher, dass ihnen noch etwas einfallen würde. Wenige Minuten später standen sie vor einem kleinen, hellen Haus mit Vorgarten. In diesem befand sich eine einzelne Pflanze, Gabi vermutete, dass es sich dabei um einen Haselnussstrauch handelte. Zumindest kannte sie diese Pflanze von ihrer Tante, die sie hin und wieder zusammen mit ihren Eltern besuchte. Die Jungs schenkten der Pflanze dagegen keinerlei Beachtung, viel mehr nahmen sie das Haus in Augenschein. Es wirkte normal und unauffällig, lediglich das kleine Schild neben der Eingangstür und auch weiter vorne am Zaun wies auf das Immobiliengeschäft, welches hier seinen Sitz zu haben schien. „Häuserglück und Wohnfreude – ja, ich denke, wir sind fündig geworden“, las Karl den Namen vom Schild ab und steckte sein Handy weg. Unsicher sahen die Freunde sich an, Dass sie nicht einfach zur Haustüre spazieren und dort klingeln konnten, war für TKKG sonnenklar. Doch auch konnten sie ewig auf der Stelle stehen bleiben. Hochrangige Wohngegenden hatten oft Nachbarn, die nur zu gerne die Polizei riefen, wenn sie irgendeine verdächtige Person in ihrer Nähe sahen. Außerdem liefen die vier Freunde Gefahr, dass die Besitzer selbst aus dem Haus herauskommen und sie sehen konnten. Ein Plan musste also her und das schnell. Da fiel Tims Blick auf das Fenster, dass sich in der Nähe des Haselnussstrauchs befand. „Hey, Freunde seht doch mal“, sagte er und deutete auf das Fenster. Nun sahen sie es sich ebenfalls genauer an. Es war das einzige Fenster, aus welchem Licht herausschien, offenbar hielten sich die Immobilienhaie einzig und allein in die dem Raum auf. Tim nickte seinen Freunden zu und sie verstanden. Leise öffnete er die Tür, die das Grundstück vom Rest der Welt trennte und sie schlüpften so schnell wie möglich hindurch. Dann verschloss Tim die Tür wieder und sie schlichen dicht an der dicken Backsteinmauer entlang, bis sie am dicken Haselnussstrauch angekommen waren. Zu ihrem Glück war das Fenster gekippt und sie konnten jedes Wort verstehen, welches im Inneren gesagt wurde. Stumm sahen sich die Vier an, bevor sie die Ohren spitzten und versuchten, das Gespräch der Haie aufzuschnappen. Ihnen sollte nicht ein einziges Wort entgehen, dass dort gewechselt wurde.   „Und, wie laufen die Vorbereitungen, Jonas?“, wollte eine harte und knochige Stimme wissen. Offenbar hatten sie sich erst vor kurzen zusammengefunden. Ein Glücksgriff für TKKG, freudig ballte Tim die Faust. Dann hatten sie offenbar noch keine wichtigen Details verpasst. Jetzt sollten sie sich nur ruhig genug verhalten, damit sie nicht aufflogen. Gleichzeitig hoffte er, dass sie nicht bereits von den Nachbarn gesehen worden waren. „Natürlich hervorragend, was denkst du denn? Heute Nacht steigt das große, letzte Ding. Das sollte diesen Freaks den Todesstoß verpassen. Das wird große Wellen schlagen, bis ganz nach oben! Das wird selbst der Bürgermeister nicht mehr länger ignorieren können. Und dann, dann sind wir endlich am Ziel angekommen!“, sagte er und lachte derartig harsch, dass es Gabi eine Gänsehaut verpasste. „Dann ist ja gut“, sagte die knochige Stimme und man konnte hören, wie einen tiefen Atemzug nach . Ein langes Ausatmen folgte und Tim schlussfolgerte, dass die Knochenstimme wohl gerade an einer Zigarette gezogen haben musste. „Sehr gut, dann hätten wir das ja erledigt. Die Kostüme stehen bereit, nicht wahr?“ „Das tun sie, Markus, das tun sie. War echt ein Schnäppchen, als ich die auf dieser asiatischen Seite gefunden habe. Ein Stück für gerade mal hundert Euro, keine Ahnung, warum die Freaks da so herumtun, wenn man es auch so günstig haben kann“, antwortete die Stimme. Sie gehörte offenbar zu der Person, die als Jonas angesprochen worden war. Dadurch kannten TKKG die Namen beider Täter. Doch was hatten sie vor? Wen genau meinten sie mit den Freaks? Noch waren zu viele Fragen offen. „Hey! Wer hat dir erlaubt, hier drin zu rauchen? Wie oft soll ich es noch sagen, es hängt sich in die Tapete und dann bekommen wir es für Jahre nicht mehr raus. Weißt du, wie teuer es ist, Anti-Rauchfarbe zu kaufen? Nein? Gut, dann darfst du demnächst in den Baumarkt laufen und sie kaufen, vielleicht wird dir ja das eine Lehre sein“, konnten TKKG nun eine dritte, elegant klingende Stimme vernehmen. Markus Stimme wurde einen Ticken zu elegant. Würde er sich noch mehr Mühe geben, hätte sein Ton eine fast schon schleimige Spur. Was sie auch gleichzeitig passend machte, zu dem, was er war. Offenbar war sie auch der Kopf der Bande, denn nun schien Markus ein wenig kleinlaut zu werden. „Verzeihung, Boss, alte Gewohnheit, du verstehst?“, sagte er und drückte eilig seine Zigarette in einem Aschenbecher aus. Der weibliche Boss ging nicht näher darauf ein und wandte sich direkt an ihre Untergebenen. „In Ordnung. Heute Abend werden wir die Kostüme das letzte Mal benutzen. Wenn wir nachher fertig sind, werden diese Tierfreaks keinen festen Boden mehr unter den Füßen haben. Die stehen jetzt schon mit einem Bein im Gefängnis. Das Spektakel haute Abend wird dann die berühmte Kirsche auf der Torte sein.“ „Ja, Boss und dann werden wir uns endlich das Grundstück unter den Nagel reißen können.“ Diese Vorstellung schien den drei Männern zu gefallen, zumindest klang Jonas mehr als zufrieden. „In der Tat. Nur, weil diese Freaks dort jeden Samstag ihre dämlichen Treffen mit ihren peinlichen Kostümen abhalten, kann sich die Stadt nicht von dem Grundstück trennen. Dabei ist es der perfekte Standpunkt für mindestens drei unserer Kunden! Was man da alles bauen könnte! Da ist es doch egal, ob dabei ein paar alte Hütten und hässliche Bäume draufgehen, von einem Hotel oder einem Einkaufscenter hat die Menschheit doch viel mehr, oder nicht?“ Der Boss lachte laut auf und die anderen beiden stimmten ein. Sie lachten eine kurze Weile, ehe sie sich wieder beruhigten. „Gut, dann gehen wir noch einmal den Plan durch. Die Kostüme stehen bereit. Die Waffen auch?“, wollte der Boss nun von Jonas wissen. „Natürlich, Boss, ich bin immerhin ein Profi und weiß, was man von mir verlangt.“ Der Boss schien damit zufrieden zu sein. „In Ordnung. Heute Abend, um 20:30, wenn die meisten Menschen auf dem Markt sind, legen wir los. Wir werden alles kaputt machen und uns Geiseln nehmen. Am besten, wir observieren den Markt vorher mit dem Fernglas ein wenig, damit wir die perfekten Opfer heraussuchen können. Vielleicht sollten wir auch ein wenig herumschießen, natürlich nicht direkt auf andere Menschen, wir müssen es ja nicht gleich übertreiben.“ Sie machte eine kurze Pause, doch da keiner zu lachen schien, redete sie schließlich unberührt weiter. „Dann, wenn das Chaos perfekt ist, werden wir uns aus dem Staub machen. Der gestohlene Fluchtwagen mit den gefälschten Kennzeichen steht doch auch bereit, nicht wahr? Als Abschluss werden wir mit den Geiseln davonfahren und sie irgendwo aussetzen. Danach werden wir Wagen und Kostüme los, versammeln uns wieder hier und beobachten dann in den nächsten Tagen, wie diese Freaks verhaftet werden. Die Öffentlichkeit wird sie auseinandernehmen und die Presse sowieso! Dann müssen wir nur noch warten, bis die Stadt eine öffentliche Ausschreibung macht und zack, können wir die Schlinge endgültig zuziehen.“   Tim sah seine Freunde an und sie dachten wohl das Gleiche wie er. Zwar hatten sie gehofft, dass sie den einen oder anderen Hinweis bekommen würden. Die Tatsachte, dass die Immobilienhaie die tatsächlichen Täter waren, das hatten sie allerhöchstens vermutet. Doch nun hatten sie die Beweis, wenn auch nicht zum Greifen nahe. Im Zweifelsfall stünde es Aussage gegen Aussage und solange sie keinen handfesten Beweis hatten, würden sie nichts unternehmen können. Karl warf einen Blick auf sein Handydisplay. Es war 19:30, in einer Stunde würden die Gangster loslegen. Wieder sahen sie sich an. Sie mussten jetzt handeln, und zwar so schnell wie möglich. Tim riskierte einen Blick am Busch vorbei, blickte in das Fenster und erkannte etwas. Schnell kehrte er zu seinen Freunden zurück. „Wir müssen uns beeilen. Bleibt am besten hier, ich werde mich außen rumschleichen.“ „Aber Tim, wie willst du denn ins Haus kommen? Und wie willst du gegen drei von ihnen ankommen? Deine Kampfkünste in allen Ehren, aber…“, flüsterte Karl, doch er wusste, dass Tim sich von seinem Plan nicht mehr abbringen lassen würde. „Ich habe einen Weg gefunden, wie ich reinkommen werde, macht euch um mich keine Sorgen“, sagte Tim und erreichte damit bei Gabi das Gegenteil. Doch auch sie wusste, dass er sich nun nicht mehr aufhalten lassen würde. Daher blieb ihnen nichts anderes übrig als weiter zu lauschen und zu hoffen, dass Tim das Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte. „Gabi, am besten ist es, wenn du deinem Vater eine kleine SMS schickst. Wer weiß, wozu die Kerle fähig sind“, sagte Tim und Gabi nickte. Sofort zückte sie ihr Handy und tippte, so schnell sie konnte, ein paar Zeilen an ihren Vater.   Tim dagegen schlich sich langsam, aber auch vorsichtig um das Haus herum und versuchte, so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Da der Schnee allerdings komplett unberührt war, fiel es ihm alles andere als leicht. Erst, als er die Rückseite und damit eine Terrasse erreicht hatte, konnte er ein wenig aufatmen. Er wartete einen kurzen Augenblick, doch da er keine Reaktion aus dem Hausinneren hören konnte, entschloss er sich, weiterzugehen. Kurz darauf sah er durch die Terrassentür hindurch, sie war, wie er zuvor erkannt hatte, ebenfalls auf Kipp offen. Offensichtlich hatten die Kriminellen das Bedürfnis nach Frischluft verspürt. Das konnte ihnen nun zum Verhängnis werden. Vorsichtig und darauf achtend, dass man ihn nach wie vor nicht hörte, schob Tim seine Hand durch die schmale Öffnung und versuchte, die Tür von ihnen zu öffnen. Doch er kam nicht an die Klinke heran, sein Arm war zu kurz und durch den Winkel konnte er seine Hand nicht so bewegen, wie er es geplant hatte. Frustriert zog er seinen Arm zurück und ging ein paar Schritte zur Seite, damit er außer Sichtweise war. Überlegte, wie er sich nun Zugang ins Haus verschaffen könnte. Gleichzeitig fiel ihm ein, dass er Karl möglicherweise sein Dietrichset bei sich trug. Doch nun konnte Tim nicht mehr zurückgehen. Er hoffte, dass er einen anderen Weg hineinfinden würde und blickte nun wieder durch die Terrassentür. Dann sah er die drei Gangster im Nebenraum, wie sie über einen Tisch gebeugt standen und sich über irgendwas unterhielten. Einer von ihnen, kräftig wie ein Schrank und Schultern so breit wie ein Stier, schien sich am meisten an der Diskussion zu beteiligen. Der zweite Mann, eher dünn und mit einem unauffälligen Gesicht, hörte vermehrt zu, gab nur hin und wieder einen Kommentar dazu. Die dritte im Bunde hörte zu und gab Anweisungen. Dabei deutete sie immer wieder auf etwas und sagte den beiden ihre Meinung dazu. Tim war sich sicher, dass es sich bei ihr um den Boss handeln musste. Zumindest hatte er jetzt zu den Stimmen auch Gesichter, doch das brachte ihn nicht ins Haus hinein. Schließlich kam ihm eine Idee. Er musste einen der drei zu sich locken, am besten einer der beiden Männer. Tim musste ihn dazu bringen, die Terrassentür zu öffnen, um ihn schnell und lautlos überwältigen zu können. Das würde zwar auch die anderen beiden anlocken, aber mit ihnen würde Tim leichter fertig werden. Zwei auf einmal waren leichter zu bekämpfen als drei. Tim nahm tief Luft, und überlegte. Ging sämtliche Optionen durch, die ihm einfielen, bis er schließlich eine fand, die ihn überzeugte. Schnell kratzte er ein wenig Schnee zusammen, formte ihn zu einem Ball und entfernte sich seitlich von der Terrassentür. Als er genug Distanz zwischen sich und die Tür gebracht hatte, nahm er den soeben geformten Schneeball, zielte auf die Glasscheibe und warf. Der Ball hinterließ einen kleinen Abdruck, wie auch ein dumpfes Geräusch, als er mit der Scheibe kollidierte. Tim beobachtete die Terassentür aufmerksam, doch es schien sich ihr niemand zu nähern. Zumindest kam Tim zu diesem Schluss. Sofort wollte er einen weiteren Ball werfen, kam jedoch nicht dazu. Tim bemerkte, wie sich der bullige Typ der Terrassentür näherte und diese mit einem finsteren Blick ansah. Tim war sich sicher, dass dieser Mann nicht die hellste Kerze auf dem Geburtstagskuchen war. Dennoch würde selbst dieser Mann es als verdächtig einstufen, wenn mitten aus dem Nichts Schnee an die Fensterscheibe geworfen werden würde. Zumal sich auch eigentlich niemand im Garten aufhielt. Und Tim behielt recht. Der bullige Typ zählte sofort eins und eins zusammen, öffnete die Tür und sah sich nach ein paar Schritten näher um. Da Tim sich hinter ein paar kleineren Büschen versteckt hatte, konnte er ihn zuerst nicht sehen. Es gab jedoch etwas anderes, dass der bullige Typ dafür umso besser erkennen konnte. Es waren Tims Fußabdrücke, die er im Schnee unweigerlich hinterlassen hatte und den Typen direkt zu ihm führten. Der bullige Typ begann zu grinsen. „Wow, da war jemand aber besonders schlau. Aber ich kann sehen, wo du hingegangen bist. Ich kann deine Schritte im Schnee sehen. Da hast du aber jetzt wirklich Pech gehabt“, sagte der bullige Typ und näherte sich Tim. Dass der Gangster ihm damit genau in die Hände spielte, konnte er sich nicht vorstellen. Weshalb es für Tim auch ein leichtes Spiel war, den bulligen Typen von der Seite anzugreifen. „Vielleicht war diese Spur ja auch Absicht von mir, hast du darüber schon einmal nachgedacht?“, fragte Tim ihn, doch er ließ den Gangster nicht mehr zu Wort kommen. Der verdutzte Blick des Verbrechers war ihm Antwort genug. Während dieser schnell versuchte, sich zu verteidigen, hatte Tim ihn bereits mit wenigen Tritten in die Ohnmacht befördert. Mal wieder hatte sich für ihn bewiesen: Nur, weil jemand groß und kräftig aussah, musste das noch lange nicht bedeuten, dass dieser das auch war. Schnell kontrollierte Tim den Puls des Mannes, dieser fühlte sich normal an. Schnell zog Tim den weggetretenen Mann auf die Terrasse, fesselte ihn mit seinem eigenen Gürtel und machte sich bereit, die anderen beiden Verbrecher zu stellen.   Die beiden kamen ihm jedoch zuvor, als sie sich ebenfalls der Terassentür näherten. „Sag mal, Markus, was soll denn der Lärm da draußen… hey, wer bist du denn? Wer hat den Bengel hier reingelassen? Und was ist mit Markus?“, wollte der Dürre nun von ihm wissen, während einer seiner Hände hinter seinem Rücken verschwand. Tim zuckte nur mit den Schultern. „Ich an eurer Stelle würde mir einen besseren Komplizen suchen. Denn euer Freund hat sich hier draußen in den Schnee zum Schlafen hingelegt. Das ist nicht sehr hilfreich, wenn ihr mich fragt. Aber bevor ihr euch um solche Dinge kümmern müsst, werdet ihr erstmal ein paar Jahre lang sitzen. Und zwar im Gefängnis“, sagte Tim mit so viele Selbstbewusstsein, wie in seinem gesamten Körper steckte. Gleichzeitig brachte er sich in eine Grundposition, behielt die beiden Ganoven im Auge und machte sich bereit, den ersten Schlag zu tun. Oder sich zur Not zu verteidigen, was auch immer von Nöten war, er wäre bereit dafür. Doch die Dritte im Bunde, der offensichtliche Boss, rümpfte nur die Nase. „Jetzt sieh dir mal den kleinen Halbstarken an. Kaum hat er einen von uns fertig gemacht, glaubt er schon große Töne spucken zu können. Dass du Markus überrumpeln hast können, nun, das überrascht mich nicht. Er denkt, er hat was im Köpfchen, dabei hat er es nur in den Armen und Beinen. Ich bin mir sicher, es war ein leichtes für dich.“ Sie ging ein kleines Stück näher an Tim heran, dabei ließ er sie nie aus den Augen. Schließlich fixierten ihre Augen die von Tim, was ihm ein ziemliches Unbehagen bereitete. „Ich bin mir nicht sicher, wie viel du von unserem Gespräch gehört hast, aber es war mit Sicherheit genug, was nicht für deine kleinen, ach so unschuldigen Ohren bestimmt war. Hoffentlich hast du genug Zeit mitgebracht, denn du wirst die nächsten Wochen hier im Keller verbringen. Wir werden auch gut für dich sorgen, immerhin sind wir Menschen mit einem gewissen Niveau. Bei uns stirbt niemand so schnell. Du wirst dich zwar für ein paar Wochen nicht bewegen können und auch kein Tageslicht zu sehen bekommen, aber du bist jung, du wirst das schon verkraften.“ Noch immer durchbohrte der Blick der Anführerin Tim mit einer solchen Kraft, dass dieser unweigerlich zurückwich. Wieder ging der weibliche Boss ein paar Schritte weiter in seine Richtung, um die Distanz zwischen ihnen zu verringern. Schließlich fiel Tim ein leichtes Glänzen in der linken Hand der Gangsterin auf, er konnte erkennen, dass diese ein Messer gezückt hatte. „Nun sei ein braver Junge und lass dich fesseln. Zwinge mich nicht, dir den einen oder anderen Schnitt zu verpassen. Du bist doch ein hübsches Kerlchen und glaub mir, du willst in deinen jungen Jahren keine Narben im Gesicht haben, oder? Nein, das würdest du nicht wollen, wenn du schlau genug bist“, sagte sie und hob bedrohlich ihr Messer. Tim überlegte, versuchte alle Informationen, die seine Augen aufschnappten, zu sichern und zu verarbeiten. Doch ihm fiel nichts ein. Er musste es mit einem direkten Angriff versuchen… „Mein Kleiner, was glaubst du, was das hier werden sollen?“ Tim hatte zu einem harten Karateschlag ausgeholt, kaum, dass er an die Frau herangestürmt war und wollte sie auf diese Weise wie den Verbrecher zuvor in die Ohnmacht schicken. Doch dem Boss war es gelungen, Tims Handgelenk abzufangen. Mit einem festen Griff packte die Frau Tims Handgelenk und drückte fest, sehr fest zu. Tim stöhnte auf, während der Boss ihn ein wenig anlächelte. „Ich muss sagen, die Technik sieht gut aus, aber an deiner Kraft musst du noch ein bisschen feilen. Nun denn, bereit für den ersten Schnitt?“ Tim begann zu schwitzen, sein Herz pochte und er überlegte fieberhaft, wie er sich befreien könnte. Doch so sehr auch an seinem Arm zog, er bekam ihn nicht aus dem festen Griff heraus. Und so schnell würde er sich auch nicht ducken können, oder sich anderweitig verteidigen können. Er konnte nur hoffen, dass er das Messer mit dem Arm abfangen und den Schaden zumindest abmildern können würde. Seine Gedanken gingen zu seinen Freunden und er wünschte sich, er hätte sie mitgenommen. Wenigstens einen von ihnen. Er überlegte, ob er nach Hilfe rufen sollte. Doch sie würden es nicht schaffen. Sie wären nicht rechtzeitig hier. Ob sie ihn noch durch das Fenster hindurch beobachten konnten? Ob Gabi vor Schreck die Hände vor dem Mund halten würde, mit den Tränen kämpfend? Würde Willi die Fäuste ballen? Würde Karl blass vor Angst werden? All dies fuhr Tim durch den Kopf, während er sah, wie sich das Messer langsam, aber sicher seinem Körper näherte. Vorsichtig hob er seinen linken Arm, in der Hoffnung, noch irgendwas ausrichten zu können. Sich wenigstens ein Stück weit verteidigen zu können. Das Rauschen in seinen Ohren nahm zu und er machte sich bereit für den Schmerz, der in jeder Sekunde kommen würde…   Doch er kam nicht. Alles, was er mitbekam, war ein lautes Krachen, gefolgt von vielen eiligen Schritten und lauten Rufen. „Polizei, Hände hoch! Lassen Sie das Messer fallen! Gehen Sie umgehend von dem Jungen weg! Ergeben Sie sich, Sie sind umstellt!“, konnte Tim die laute und kräftige Stimme von Kommissar Glockner hören, wie sich dieser mit gezückter Pistole von der Seite näherte. Sofort stoppte die Verbrecherin mit ihrem Angriff, lies das Messer fallen und befolgte ohne Widerstand jedem seiner Befehle. Tim sah es ihm an, dass diese sich nur mehr als ungern ergab. Doch auch diese Verbrecherin wusste, wann Schluss war. Sofort ging Tim ein paar Schritte zurück, stellte sich neben Kommissar Glockner, dessen Blick alles andere als zufrieden mit ihm war. Tim wusste, er würde sich noch auf eine väterliche Standpauke einstellen dürfen. „Leonarda Cabrio und Jonas Hügel, ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so bald wieder sehen würden. Dabei sind Sie doch erst vor einem Jahr aus dem Gefängnis entlassen worden. Aber offenbar hatten Sie so eine große Sehnsucht nach dem Verbrecherleben, dass Sie es nun mit diesem Immobiliengeschäft versucht haben. Ich weiß längst über alles Bescheid, und wir werden noch herausfinden müssen, welcher Ihrer bisherigen Geschäfte auf komplett legalem oder illegalem Weg abgelaufen sind. Wo ist eigentlich Ihr anderer Komplize, Markus Robbe, wo haben Sie den denn gelassen?“ Einer der Polizisten, welcher zur Absicherung der Situation in den Garten gegangen war, rief Kommissar Glockner die Antwort zu. „Kommissar, Markus Robbe befindet sich noch hier draußen, er ist ohnmächtig und gefesselt, aber es scheint ihm gut zu gehen!“ Beeindruckt sah Emil Glockner nun zu Tim hinüber, der nicht anders konnte als verschämt zu grinsen. Herr Glockner wusste sofort, wer den Gangster dort draußen im Garten erledigt hatte und kam nicht umhin, sich ein wenig stolz zu fühlen. Auf der anderen Seite ärgerte es ihn auch, dass der Teenager sich viel zu sehr auf seine Kampfküste und seinen Mut verließ, und damit regelmäßig sein Leben in Gefahr brachte. Auch das würde er ihm wieder einmal vorhalten. Doch zunächst musste die Arbeit erledigt werden. „Jungs, legt den Verbrechern Handschellen an. Leonarda Cabrio, Jonas Hügel und, auch wenn er mich nicht hören kann, Markus Robbe, Sie alle drei sind vorläufig festgenommen. Sie dürfen mich aufs Präsidium begleiten, wo wir Sie als Hauptverdächtige vernehmen werden.“ Während er selbst sich beugte, um mit der behandschuhten Hand das Messer aufzuheben, gingen seine Kollegen dem Befehl nach und legten den Verbrechern die Handschellen an. Im gleichen Atemzug führten sie die gefesselten Verbrecher zur Tür, während zwei andere von ihnen den ohnmächtigen Markus Robbe hinterhertrugen. Kaum waren Tim und Emil Glockner allein im Haus, atmete letzterer tief ein und aus. „Tim, du weißt, dass ich nicht über deine Alleingänge glücklich bin. Doch dazu später. Zuerst einmal möchte ich alle Details von dir wissen, die ihr in Erfahrung gebracht habt. Zwar hat mir Gabi in ihrer SMS eine Menge erzählt, doch ich möchte vollumfänglich informiert werden. Also, was wisst ihr über Cabrios Bande und die Überfälle auf den Weihnachtsmärkten?“ Tim, welcher sich bereits auf ein väterliches Donnerwetter gefasst hatte, ging zum Tisch hinüber und sah Kommissar Glockner an. „In Ordnung, ich werde Ihnen mitteilen, was wir herausgefunden haben. Aber vorher möchte ich bitte meine Freunde hereinholen.“ Und Kommissar Glockner gab dieser Bitte nach.   ~   „Wow, vielen Dank, ohne euch wären wir vermutlich verloren gewesen!“, konnten sie Thomas aufgeregte und fröhliche Stimme hören. Erneut kam ihr Klassenkamerad während der großen Pause auf sie zu und sprach TKKG während des Mittagessens an. Dabei wirkte er viel locker und unbeschwerter, als noch wenige Tage zuvor. „Und ich soll euch auch von der gesamten Gruppe unseren größten Dank ausrichten. Wenn wir uns bei dafür bei euch revanchieren oder bedanken können, lasst es uns wissen!“ Doch Tim schüttelte mit dem Kopf. „Nein, das ist absolut nicht nötig. Immerhin sind wir Detektive und wir helfen gerne anderen Menschen. Fälle zu lösen, das machen wir, um der Gerechtigkeit zu helfen, nicht, um dafür irgendeine Belohnung zu kassieren. Es ist aber schön zu höern, dass es euch nun besser geht.“ Thomas nickte ein wenig und lächelte mehr als zufrieden. „Ja, das haben wir größtenteils deinem Vater, dem Kommissar zu verdanken. Er hat uns alle als Zeugen vernommen und dann versprochen, dass er höchstpersönlich dafür sorgen will, dass die Wahrheit als Tageslicht kommt. Dass die Medien das Bild richtigstellen, und zwar auf der Titelseite, nicht nur in einer kleinen Kommentarspalte, wo es keiner zu Gesicht bekommt.“ „Richtig, das stimmt, daran kann ich mich erinnern. Es war ein riesiger Aufmacher in der Mittwochsausgabe“, erinnerte sich Karl laut. „Es wird zwar ein wenig dauern, aber zumindest dürften die meisten Leute bald keine schlechte Meinung mehr von uns haben. Wenn doch noch etwas sein sollte, dann können wir einfach auf den Zeitungsartikel hinweisen. Der Herr Kommissar hatte uns auch angeboten, uns zur Seite zu stehen und Menschen aufzuklären, sollten sie uns nicht glauben. Wir sind uns sicher, einem Polizisten werden sie mit Sicherheit glauben.“ Thomas kratzte sich ein wenig nervös an der Nase und die Vier sahen sich an. Auch sie waren froh, dass sich am Ende wieder alles zum Guten gewandt hat. Dennoch hatten sie den Eindruck, dass das nicht alles, was Thomas von ihnen wollte. Es dauerte allerdings ein paar Augenblicke, bis dieser wieder zu Wort fand. „Außerdem wollte ich euch auch noch was fragen… also, als ihr das letzte Mal bei uns wart… wie fandet ihr es? Hat es euch gefallen? Könntet ihr euch vorstellen, auch einen Fursuit zu tragen?“, stellte Thomas nun die Fragen, die doch recht offensichtlich im Raum standen. Doch TKKG mussten verneinen. „Danke, das Angebot ist sehr nett und die ganze Subkultur ist an sich auch sehr interessant. Ich befürchte nur, dass es nichts für uns ist. Auch wäre es für mich rein finanziell nicht drin, einen Fursuit zu tragen. Dennoch freue ich mich für jeden, der das Furry-Fandom für sich als Hobby entdeckt und sich darin ausleben kann“, sagte Tim freundlich und seine Freunde nickten zustimmend. Thomas, der inzwischen ein wenig rosa im Gesicht geworden war, lächelte die Vier nervös an. „Keine Angst, ich nehme euch das nicht krumm, ich hatte nur zunächst ein wenig Angst euch zu fragen, weil ich nicht wusste, wie ihr darauf reagieren würdet. Klar, natürlich spricht es nicht jeden an, aber ich war einfach mal neugierig. Danke euch für eure ehrliche Meinung. Und ja, wir alle haben Spaß daran, ich kann aber auch verstehen, wenn jemand sagt, dass es nichts für einen ist. Falls ihr uns doch noch einmal besuchen wollt, ihr seid jederzeit willkommen. Immerhin habt ihr noch die Tierohren von mir.“ Er nickte TKKG noch einmal zu und wollte sich gerade von ihnen verabschieden, als sich Karl von seinem Sitzplatz erhob. Jetzt war Thomas nicht mehr allein mit seinem rosa Gesicht, denn auch Karls Wangen hatten sich ein wenig verfärbt. „Um ganz ehrlich zu sein, das Furry-Fandom wäre auch nicht das meine. Aber ich habe mich mit dem anderen Thema beschäftigt, dass ihr bei unserem Treffen erwähnt habt und muss sagen, dass ich doch auf so manche interessante Punkte gestoßen bin.“ „Das andere Thema? Oh, du meinst doch nicht etwa das Larpen, oder?“, wollte Thomas von ihm wissen und seine Augen begannen ein wenig zu strahlen. Ein unsicheres Lächeln lag auf Karls Lippen. „Doch, genau das. Ich habe mir im Internet Fotos von den unterschiedlichen LARP-Events angesehen, die Buntschweif mir genannt hatte und auch, was man im Groben über LARP wissen muss. Dann hat mein Vater davon Wind bekommen und wir glauben beide, dass das eventuell etwas für unsere Familie wäre. Meine Eltern suchen schon seit längerem eine neue Beschäftigung und das wäre mal etwas komplett anderes. Zumal mein Vater sich wünscht, dass meine Mutter endlich von den vielen esoterischen Büchern wegkommen würde, die sie immer liest.“ Karl seufzte ein wenig, seine Freunde wussten nur zu gut, wie leicht seine Mutter Scharlatanen und deren nutzlosen Büchern auf den Leim ging. „Es wäre nett, wenn meine Eltern und ich euch zu so einem Event oder zumindest zu einem euer LARP-Abenden begleiten könnten. Damit wir uns ein Bild davon machen können, ob wir dafür geeignet wären oder nicht.“ Thomas kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und auch Karls Freunde blickten ihn mehr als überrascht an. Doch Karl zuckte nur mit den Schultern. „Nur, weil mein Spitzname Computer ist, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht auch Aktivitäten im Freien genießen kann.“ „Ja, doch, sehr gerne, das würden wir sehr gerne machen.“ Thomas‘ Stimme überschlug sich vor Vorfreude und er raufte sich ein wenig die Haare. Dann zwang er sich, zu einer normalen Atmung zurückzufinden. „Wir haben ja gegenseitig unsere Nummern. Dann kläre ich das mit Buntschweif und melde ich mich bei dir, wie wir das am besten machen könnten.“ Karl war damit einverstanden. „In Ordnung, ich freue mich schon auf deine Rückmeldung.“ Thomas strahlte nach wie vor über das ganze Gesicht und nachdem er sich von TKKG verabschiedet hatte, bekamen die Teenager das Gefühl, dass Thomas geradezu aus der Kantine herausschwebte. Interessiert sah Tim nun seinen Freund an. „Wow, ich hätte nicht gedacht, dass dich mal solche Dinge interessieren würden, Karl“, sagte er und nahm daraufhin einen großen Schluck aus seinem Wasserglas. „Erwiesenermaßen können sich mit dem fortschreitenden Alter die Interessen ändern…“, sagte Karl, sein Blick fiel auf die Armbanduhr und er zog eine unzufriedene Miene auf. „Ich denke, wir sollten uns auch langsam beeilen. Die Pause ist bald vorbei und wir haben danach Mathe. Wenn ich Tangentes Warnungen, ähm, Andeutungen richtig interpretiert habe, dann wird sie bereits heute die korrigierten Mathetests herausgeben.“ Willis Gesichtsausdruck machte den Eindruck, als hätte man ihm soeben erklärt, dass die Firma seines Vaters bankrottgegangen wäre. „Was? Aber das ist doch noch nicht so lange her! Tim, ich will nicht, sag ihr doch einfach, dass ich…, dass ich krank bin! Bitte, alles nur das nicht!“, sagte er, doch Tim ließ sich nicht erweichen. „Tut mir leid, mein Freund, aber da müssen wir alle zusammen durch. Auch du“, sagte er, nahm seinen besten Freund am Arm und verließ mit ihm zusammen die Kantine. Sie alle mussten sich nun dem schrecklichen Mathetest-Ergebnis stellen, was sich für TKKG unheimlicher anfühlte als das Verfolgen von hundert Verbrechern auf einmal. Doch auch das würden sie überstehen, das wussten sie. Auch wenn sie noch keine Ahnung hatten, wie sie es anstellen sollten. Sie mussten es einfach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)