Immer dienstags von DieLadi ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Dieser Mann macht mich wahnsinnig!“, schimpfte Detektiv Inspector Gregory Lestrade. Er hatte gerade wütend die Hände auf den Tisch geknallt. Jetzt stützte er sich mit vorgebeugtem Oberkörper auf beiden Händen ab, atmete langsam und tief und versuchte, sich zu beruhigen. „Bremsen Sie ihn“, sagte er, „bremsen Sie ihn, Doktor Watson, oder ich bringe ihn um!“ „Ich werde mein Bestes versuchen“, sagte John Watson, „aber Sie wissen doch, wie er ist.“ Greg seufzte. In der Tat. Sherlock war brillant, niemand konnte das bestreiten. Er löste Fälle im Handumdrehen, an denen Greg selber verzweifelte, und dabei war er selber doch alles andere als dumm. Doch wo er nur tote Spuren und Dunkelheit sah, genügte Sherlock oftmals ein Blick, um Licht in die Angelegenheit zu bringen. So weit, so hilfreich. Doch, darüber hinaus war Sherlock eben ein absolut unerträgliches ... Arschloch. So. Punkt. Und so, wie er hier eben gerade Greg beleidigt und seine angebliche Dummheit und Inkompetenz in den schillerndsten Farben geschildert hatte und darüber hinaus mit den eigenen Fähigkeiten angegeben hatte wie eine Lore Affen, wunderte sich Greg, dass man bisher noch nicht den Mord an Sherlock Holmes hatte untersuchen müssen. Im Augenblick fühlte sich Greg, als würde er selber Sherlock abmurksen, wenn es Doktor Watson nicht gelingen sollte, seinen Lebensgefährten ein bisschen zur Raison zu bringen. Himmel, wie hielt es der so ruhige und freundliche Arzt nur mit Mr. Sherlock Holmes aus? „Ich meine das ernst, Doktor“, sagte Greg. „Wenn es jemand hinkriegt, dass dieser Kerl sich halbwegs menschlich aufführt, dann Sie. Und wenn er mich noch einmal beleidigt, kann er froh ein, wenn er den Tag überlebt, und mit nichts schlimmerem davon kommt, als dem Entzug sämtlicher Fälle und dem Verzicht auf seine Mitarbeit für mindestens die nächsten drei Jahre!“ „Ich werde ihn mir vornehmen“, sagte John Watson, „den glauben Sie mir, Detektive Inspector, das würde ihn innerhalb der kürzesten Zeit soweit bringen, dass vermutlich ich derjenige bin, der ihn umbringt.“ Watson seufzte. „Schon klar“, sagte Greg, der langsam wieder etwas klarer denken konnte. „Wundert mich sowieso, dass Sie ihn noch nicht erschossen haben. Oder am Dachsparren von 221B Baker Street aufgehängt haben.“ „Nun, was das betrifft“, sagte John, „lasse ich wohl besser Mrs. Hudson den Vortritt. Obwohl die ihn vermutlich eher mit der Bratpfanne erschlägt.“ Sie lachten. „Ob dieses Verhalten wohl in der Familie liegt?“, fragte Greg und sah Dr. Watson neugierig an. Der kicherte. „Vielleicht sollten Sie mal seinen Bruder kennen lernen!“ Greg runzelte die Stirn. „Sherlock hat einen Bruder? Er erzählt nie von seiner Familie.“ „Ja, hat er“, sagte Watson, „und der ist in gewisser Hinsicht noch schlimmer.“ „Schlimmer als der da?!“, fragte Greg und schnaubte. „Oh, verstehen Sie das nicht falsch“, sagte Watson. „Mycroft Holmes ist so ganz anders.“ „Mycroft“, kicherte Greg. „Mit Namen wie Peter, Paul und Mary hat es die Familie wohl nicht so.“ „Nicht wirklich“, sagte Watson. „Sherlock hat mir mal in einen Anfall von... nun er hat mir mal verraten, dass sein Bruder Mycroft Julius Cesar Holmes heißt. Ich glaube das erklärt eine ganze Menge.“ Wieder lachten sie beide. „Nun, jedenfalls“, sagte Watson, „Mycroft Holmes ist höflich und zurückhaltend und eiskalt. Und während er dir vordergründig sein gefrierendes Lächeln schenkt, rammt er dir hinterrücks einen feingeschliffenen Dolch zwischen die Spinalwirbel.“ Greg schauderte. „Na, wie es aussieht, werde ich mich also nicht gerade um die Bekanntschaft des Herren Imperators reißen.“ „Nun gut“, sagte Watson. „Ich glaube, ich sollte mich mal aufmachen, meine hauseigene Nervensäge aufzusammeln, bevor er noch Donovan und Anderson zu einem Mordkomplott inspiriert und dafür sorgen, dass er am Stück mit mir in der Baker Street ankommt.“ Er streckte sich. „Tun Sie das“, sagte Greg, „Bringen Sie ihn heile hier weg. Immerhin hat er ja trotz allem mal wieder meinen Fall gelöst. Aber sagen Sie ihm nicht, dass ich ihm dankbar bin. Wir wollen ihn ja nicht zu noch mehr Größenwahn verleiten, nicht wahr?“ „Oh, glauben Sie mir, Lestrade, wenn ich heute Abend mit ihm fertig bin, dann wird nichts großspuriges mehr an ihm sein“, sagte der Doktor, zwinkerte und grinste dreckig. „Oh Gott, so genau will ich das gar nicht wissen“, schnaubte Greg und machte mit den Zeigefingern das Kreuzeszeichen in Richtung des Doktors. Der lachte und verschwand mit einem „Schon gut, schon gut!“ aus der Tür von Gregs Büro. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, streckte sich Greg und ließ die Glieder knacken. Der Tag war also geschafft. Der Fall war gelöst, nach komplizierter und anstrengender Hetzjagd, und ja, zugegeben, ohne Sherlocks Hilfe wären sie noch lange nicht so weit. So jedoch konnte er ihn abschließen und er hatte Sherlock ein weiteres Mal ertragen, ohne ihn umzubringen. Und jetzt, in Hinblick auf den wohlverdienten Feierabend, verblassten die Mordgelüste so langsam. Nun, er würde jetzt noch eben seinen Schreibtisch aufräumen. Den Papierkram konnte er getrost auf morgen verschieben und die Pressekonferenz übernahm dankenswerter Weise sein Vorgesetzter. Der würde damit zwar auch die Lorbeeren ernten, aber das war Greg egal. Er war einfach nur froh, einen weiteren Mörder von Londons Straßen geholt zu haben. Der Ruhm bedeutete ihm nichts. Feierabend also. Und das bedeutete im Normalfall eine Dusche, bequeme Klamotten, ein Bier und mit ein bisschen Glück ein Fußballspiel im Fernsehen. Und irgendwas vom Chinesen. Oder Pizza. Doch nicht heute. Heute war Dienstag, und seit einigen Wochen hatte er jeden Dienstag Abend eine Verabredung. Er grinste erfreut, als er daran dachte. Ja, heute war Dienstag. Und dienstags abends traf er sich mit Marc. Kapitel 2: ----------- Marc. Während Gregory sein Auto durch die wie immer vollgestopften Straßen Londons lenkte, dachte er daran zurück, wie er und Marc sich kennengelernt hatten. Es war in diesem kleinen Kaffee-Shop gewesen, den er morgens auf dem Weg zur Arbeit öfter aufsuchte, um sich vor dem ersten Ärger des Tages noch ein bisschen Koffein und ein wenig Ruhe zu gönnen. Er hatte seinen üblichen Latte macchiato ausgewählt, doch vor ihm in der Reihe war noch ein anderer Kunde gewesen, und zwar der einzige, der es fertig brachte, in diesem Kaffeeladen einen Tee zu bestellen. Man schien ihn hier bereits zu kennen, denn wie es aussah, hielt man extra für ihn einen guten Tee bereit und und gab sich Mühe mit der Zubereitung. Greg hatte grinsen müssen, denn das war doch tatsächlich eine Art von Exzentrik, die er ein wenig bewunderte. Wie auch immer, während der Tee des anderen noch zog, hatte der sich schon mal an einen der Tische gesetzt. Greg hatte seinen Latte bestellt, und gerade als er den in die Hand gedrückt bekam, war der Tee ausgerufen worden. „Marc, Ihr Earl Grey ist fertig!“ Ein bisschen hatte es Greg erstaunt, dass man dem Manne aufgrund seiner natürlichen aristokratischen Ausstrahlung den Tee nicht gleich am Tisch serviert hatte. Jedenfalls hatte er seinen Kaffee entgegengenommen, und hatte sich umgedreht, dabei hatte der andere im Weg gestanden, sie waren zusammen gestoßen und der frisch gebrühte Kaffee hatte sich über den makellosen Anzug seines Gegenübers verteilt. „Oh Gott, das tut mir leid ... Herrjeh ...“, hatte Greg gestottert und sofort mit ein paar Servietten versucht, den anderen zu reinigen. Eigentlich hatte er damit alles nur noch schlimmer gemacht. Marc jedoch hatte ihn nur warm angelächelt und gesagt: „Hab so schlimm, ich bin ohnehin auf dem Weg in meinen Club. Dort habe ich Wechselkleidung und werde mich umziehen.“ Greg hatte sich noch mehrfach entschuldigt, doch der andere schien ihm seine Ungeschicklichkeit nicht übelgenommen zu haben. Im Gegenteil, er hatte dem Barista zugerufen: „Bitte, Michael, bereiten Sie dem Herren noch einmal ein gleichartiges Heißgetränk!“ Ja, genau so hatte er sich ausgedrückt. Und dann hatte er Gregory gebeten, sich zu ihm an den Tisch zu setzen. Schmunzelnd hatte er gesagt: „Normalerweise lernt man sich ja erst kennen bevor man seine Flüssigkeiten über den anderen ergießt, aber wir machen es dann eben umgekehrt ...“ Greg hatte sich fast verschluckt bei diesen Worten und war rot geworden wie eine Tomate. Der andere hatte gelacht und sich dann vorgestellt. „Marc Anthony“, hatte er gesagt und Greg die Hand gereicht. Greg hatte gestottert: „Gregory Lestrade!“ Und dann hatten sie sich zusammen gesetzt und sich sehr gut miteinander unterhalten. So gut, dass sie sich für den nächsten Morgen wieder um die gleiche Zeit verabredet hatten. So gut, dass Greg an diesem Tag wirklich spät dran war, als er im Büro eintraf. Sie hatten sich noch ein paar mal morgens in dem Kaffeeladen getroffen, doch dann hatte Londons Unterwelt wohl beschlossen, Kriminellenkirmes zu feiern, jedenfalls wurden er und seine Kollegen mit neuen Fällen überhäuft, und da er nun immer schon viel früher morgens in sein Büro fuhr, hatte er Marc seine Nummer zukommen lassen, indem er den Barista Michael anrief und ihn bat, seine Nummer an den Herrn mit dem Tee weiterzugeben. Michael hatte seine Aufgabe getreulich erfüllt, und noch am gleichen Tag hatte Marc ihn angerufen, es war ein Dienstag gewesen, und ihn gebeten, abends mit ihm Essen zu gehen. Es war ein wunderbarere Abend gewesen, und er hatte Klarheit über eine Sache gebracht, die Greg schon seit einigen Tagen umtrieb. Nämlich der Frage, ob Marc ihn einfach nur mochte, oder ob er ihn MOCHTE. Also mehr als nur mochte. Ob er interessiert an ihm war. Eben nicht nur freundschaftlich, sondern auf sexueller und romantischer Ebene. Und die Antwort auf diese Frage war ein eindeutiges Ja. Nun, das traf sich bestens, denn Gregory ging es ganz genau so. Er mochte Marc sehr, und nun, nach einigen Wochen, in denen sie sich jeden Dienstag Abend getroffen hatten, war er sich darüber im klaren, dass er dabei war, sich in den Mann mit dem Tee, Marc Anthony, zu verlieben. Während er den Blinker setzte und einen Blick in den Rückspiegel warf, um abzubiegen, grinste er vergnügt vor sich hin. Heute Abend würden sie sich in einer netten kleinen Trattoria treffen. Marc schien eine Menge bezaubernder kleiner Restaurants zu kennen, die abseits der Touristenpfade lagen und bodenständige, ehrliche Küche boten. Das „Arlecchino e Colombina“, in das sie heute Abend gehen würden, wurde von einem jungen Mann geführt, der die bodenständige Küche seiner „Nonna“ mit modernen Ansätzen verband und so etwas ganz eigenes schuf. Kunst auf dem Teller, sozusagen. Gregory jedenfalls liebte dieses Lokal, das geradezu ein Geheimtipp zu sein schien. Doch noch mehr als auf das vorzügliche Essen freute er sich auf die Gespräche mit Marc. Der Mann war intelligent und humorvoll. Er war charmant und warmherzig. Und er flirtete meisterhaft. Auf eine Weise, die nicht im geringsten aufdringlich oder platt war, sondern feingeschliffen und elegant, und die doch keinen Zweifel an seiner Bewunderung und Zuneigung Greg gegenüber ließ. Er genoss es einfach, so hofiert zu werden, denn das war ihm bisher im Leben noch nicht passiert. Sowohl in seiner Ehe als auch in anderen Beziehungen war es immer Greg gewesen, der sich um die Partnerin (oder den Partner, ja, in jungen Jahren hatte es schon mal eine Beziehung mit einem Mann gegeben...) bemüht hatte. Sich jetzt einmal in der Position desjenigen zu befinden, der umworben wurde, war ein neues und doch wunderbares Gefühl. Greg strahlte geradezu, als er das Auto in seine Einfahrt bog und beschloss, heute Abend die edle Jeans zu tragen, die besonders gut saß und seinen Hintern besonders gut zur Geltung brachte. Marcs offen zu Schau getragene Bewunderung für ihn durfte schließlich auch mal belohnt werden. Er pfiff fröhlich vor sich hin, als er seine Schritte zur Haustür lenkte und nach einem langen Tag endlich sein Zuhause betrat. Kapitel 3: ----------- Der Abend verlief wunderbar. Gregory hatte sich zurechtgemacht, unaufdringlich aber doch deutlich mit der Absicht, dem anderen zu gefallen. Die gut sitzende Jeans, ein passendes Hemd, dessen Farbe seine warmen, braunen Augen unterstrich. Die silbergrauen Haare gestylt, nun ja, silbergrau, man war eben nicht mehr der jüngste ... Jedenfalls hatte er sich gut gefühlt in seinem Outfit. Er sah gut aus, das wusste er, und als er das Restaurant betrat, den Mantel an die Garderobe hängte und Marc, der schon an ihrem reservierten Tisch saß, ihn mit funkelnden Augen anschaute, da fühlte sich diese offene Bewunderung einfach großartig an. Marc war wie immer sein charmantes, höfliches Selbst. Er rückte Gregory den Stuhl zurecht, und sagte: „Es ist schön, dass du da bist, mein Lieber.“ Greg strahlte und dachte: keine zehn Pferde hätten mich davon abhalten können zu kommen. Sie plauderten, bis der Kellner kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Wie es sich in den letzten Wochen eingespielt hatte, überließ Greg Marc die Bestellung: immer wieder überraschte der ihn mit seiner Auswahl, doch jedes Mal war es köstlich. Marc schien zu spüren, was Gregory mochte. So auch heute wieder. Die Antipasti waren ein Gedicht. Die Pasta mit Trüffeln und Kalbsfilet mit Worten nicht zu beschreiben. Der Wein schmeckte wie das Blut der Erde. Und während sie speisten, plauderten sie, flirteten, scherzten – es war eine warme und angenehme Stimmung, die Greg einfach unglaublich genoss. Während sie auf das Dessert warteten, wurde Marc etwas in sich gekehrter. Er schien mit sich zu ringen, und dann ... ja, dann legte er sanft und vorsichtig seine Hand, die sich unmerklich über die Tischdecke geschoben hatte, auf Gregorys Hand und sah ihn abwartend an. Greg schluckte aufgeregt und zog zu Marcs Freude seine Hand nicht weg. Er spürte, wie Hitze in ihm aufstieg. Sicher war er jetzt wieder einmal rot bis zu den Ohrenspitzen. Marcs Daumen begann, seine Hand zu streicheln, und Greg ließ auch jetzt seine Hand dort, wo sie war. Er hob den Blick, den er bis eben auf die Tischdecke geheftet hatte und lächelte Marc beinahe schüchtern an. Dieser begann daraufhin, geradezu siegessicher zu strahlen. Eine Weile sagten sie nichts, genossen einfach nur, bis der Kellner mit der Nachspeise, einer vorzüglichen Weincreme, dazwischen platzte. Die Stimmung zwischen ihnen war nun eine andere geworden. Sie lachten, scherzten und plauderten weiterhin, ja. Doch die knisternde Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, war nun nicht mehr wegzudenken und Gregory dachte hektisch darüber nach, wie man es anstellen konnte, dass der Abend nicht so bald endete. Normalerweise hatten sie immer nach dem Dessert noch einen Espresso getrunken und dann, da er selber ja früh raus musste und auch Marc, der irgendeinen Verwaltungsposten innehatte, nicht bis ultimo schlafen konnte, den Abend ... ihr Date beendet und hatten sich vor der Tür des Restaurants verabschiedet. Zu mehr war es nie gekommen bisher, obwohl ihnen beiden klar war, dass da durchaus Potential und Wille zu mehr vorhanden war. Doch heute ... heute wollte Greg nicht, dass alles so sang- und klanglos vorbei ging. Der Espresso kam und wurde geleert. Die Rechnung kam und wurde beglichen, diesmal von Greg, da sie sich abwechselten. Er hatte darauf bestanden, obwohl Marc offenbar wesentlich begüterter zu sein schien als er selber, und zu Anfang wie selbstverständlich die Rechnungen für sich vereinnahmt hatte. Doch Gregory wollte nicht ausgehalten werden und legte wert auf seine Eigenständigkeit und hatte daher energisch auf die abwechselnde Bezahlung gedrängt. Marc half ihm in seinen Mantel, oh Mann, dieses umsorgt werden war wunderbar. Dann traten sie vor die Tür, wo sie sich sonst immer verabschiedet hatten. Und nun sagte Gregory einfach das, was ihm grade durch den Kopf ging: „Marc, ich … ich möchte nicht, dass unser Abend schon vorbei ist.“ Marc nahm seine Hände. „Ich möchte dich auch gern noch länger um mich haben, Gregory, doch, ich denke es wäre nicht klug. Wir beide müssen früh raus und unsere Pflichten erfüllen.“ Greg seufzte. Der andere hatte ja recht. „Können wir nicht wenigstens noch ein paar Schritte gemeinsam gehen?“, fragte er. Marc zögerte. Doch dann nickte er. „Gut. Lass uns bis zum Westfalia Place laufen. Dort bekommst du ein Taxi“, sagte er. Greg nahm sein Hand. „Einverstanden. Sag mal, wie kommst du eigentlich nach Hause? Ich habe dich nie in ein Taxi steigen sehen ...“ Marc schluckte. „Nun ich ... werde abgeholt. Mein Chauffeur ist auf Abruf.“ Chauffeur, dachte Greg und schmunzelte. Ja, das passte zu Marcs aristokratischer Art. Sie schlenderten gemütlich bis zu besagtem Platz. Dort standen ein paar Taxis in Reihe. Greg jedoch wollte sich nicht lösen. Er nahm Marcs Hände in seine, schaute ihn an und sagte: „Ich danke dir für diesen Abend. Und für jeden anderen Dienstag Abend, seit wir uns kennen. Und ich hoffe, ich wünsche mir ein bisschen, dass es irgendwann vielleicht mehr sein kann als nur ein Abend die Woche ...?“ Marc lächelte. „Vielleicht. Sicher. Irgendwann.“ Er strich über Gregs Wange. „Doch vorerst ... bist du der wichtigste Punkt in meinem wöchentlichen Terminplaner. Jeden Woche. Immer Dienstags.“ Und dann beugte er seinen Kopf zu Greg herab und senkte er vorsichtig seine Lippen auf die des kleineren Mannes. Greg bebte. Marcs Lippen waren weich und warm und stark zu gleich. Es fühlte sich traumhaft an. Als Greg kurze Zeit später aus dem Taxi stieg und die paar Schritte zu seiner Haustür ging, da meinte er, nicht zu gehen, sondern zu schweben. Kapitel 4: ----------- Als Greg am nächsten Morgen in den Yard kam, pfiff er fröhlich vor sich hin. Er hatte gute Laune, und man konnte nicht darin fehlgehen, ihm die auch anzusehen. Er strahlte und selbst der Anblick vom yardeigenen Quoten-Dummkopf Anderson konnte ihm die gute Stimmung nicht verderben. In seinem Büro angekommen, fiel sein Blick auf den Stapel Papierkram auf seinem Schreibtisch. Doch selbst der war heute kein Ärgernis für ihn. Jetzt, da der letzte Fall, der sie lange in Atem gehalten hatten, gelöst worden war, war endlich Zeit, sich diesem ganzen Zeug zu widmen und damit die Seelen in Ablage und Verwaltung zu befriedigen, die auf die Erledigung lauerten. Zufrieden brummend machte er sich an die Arbeit. Er kam effektiv und gut voran. Seine Laune schien ansteckend zu sein, denn irgendwie jeder, der ihn zu Gesicht bekam, sei es sein Chef, sei es Donovan oder der Paketbote, erwiderte das jungenhafte Grinsen auf seinem Gesicht mit einem Lächeln. Donovan brachte ihm Kaffee von einer nahegelegenen Bäckerei mit, und der erste Schluck des köstlichen Getränkes erinnerte ihn wiederum an Marc und den vergangenen Abend und ließ ihn noch mehr Strahlen. Das Strahlen hielt auch noch an, als später am Vormittag John und Sherlock im Yard aufkreuzten. Kaum hatten die beiden Gregs Büro betreten, da sagte Sherlock: „Ich sehe Sie hatten einen schönen Abend, Gavin.“ Selbst der falsche Name machte Greg heute nichts aus. Dr. Watson jedoch stieß seinen Partner mit dem Ellbogen an und sagte: „Sherlock, benimm dich!“ Sherlock grinste schief und sah seinen Lebensgefährten liebevoll an. „Gut, John, aber nur weil du es bist.“ Watsons schnaubte. Dann wandte sich sein Blick zu Greg. „Sie sehen in der Tat sehr zufrieden aus, Detektive Inspector. Darf ich daraus und aus den Worten meines Detektivs schließen, dass Sie gestern ein Date hatten?“ Greg grinste nur. „Also, wie heißt denn die glückliche Dame?“ hakte John nach. Greg schüttelte den Kopf. „Da ist keine Frau.“ „Ach kommen Sie schon“, sagte Watson. „Mir könnten Sie vielleicht etwas vormachen, aber Sherlocks Schlüssen haben wir doch alle gelernt zu vertrauen, nicht wahr?“ Greg wollte zum Sprechen ansetzen, doch Sherlock war schneller: „Wirklich, John. Du hast ihn zwar gehört, aber wieder mal nicht richtig zugehört. Er hat gesagt, dass da keine Frau wäre. Nicht, dass er kein Date hatte.“ John verschluckte sich und hustete. „Was?“ „Herrgott, John“, sagte Sherlock, „dass Männer sich auch mit Männern daten, sollte für dich doch nun wirklich keine Überraschung mehr sein, nachdem ich dich mit meinem unnachahmlichen Charme von deiner 'Ich bin hundertprozentig hetero, selbst wenn alle Welt was anderes behauptet'- Attitüde kuriert habe?“ Watson schaute Sherlock sprachlos an. „Und jetzt komm mir nicht“, fuhr Sherlock fort, „mit 'aber er war doch viele Jahre mit einer Frau verheiratet!' Nun, du hast, wenn ich mich nicht täusche, vor mir auch nur Frauen gehabt, oder?“ „Du bist so ein Idiot!“ brummte der Doktor, aber es klang zärtlich. „Mag sein, aber ich bin dein Idiot“, sagte Sherlock und schaute ausgesprochen mit sich selbst im Reinen drein. Dann fiel sein Blick auf Greg. „Und wer ist nun also der Kerl, der Scotland Yards besten Mann aussehen lässt, wie ein verliebter Teenager?“ „Sherlock!“, schimpfte John leise, aber nun ja, zugegeben, neugierig war er auch. Deswegen ließ er es auch unkommentiert zu, dass sein Lebensgefährte Greg nun musterte, um aus den Kleinigkeiten, die nur er selbst zu bemerken schien, seine Schlüsse zu ziehen. „Er trifft sich regelmäßig, John. Alle paar Tage. Vielleicht einmal die Woche? Ja? Gut.“ Er nahm Gregs bestätigendes Nicken mit größter Selbstverständlichkeit hin. „Ein Mann, ein wenig jünger als Lestrade. Aber nur ein wenig. Berufstätig, in hoher Position ... über die er aber nicht viel redet, nicht wahr ...? Gut. Also weiter. Er lädt Sie in elegante Restaurants ein ... nein, nicht unbedingt elegant, sondern einfach gut. Wo man eher auf hervorragende Küche wert legt, als auf ein scheinendes Äußeres ... okay. Er würde Sie gerne jedes mal ausführen, aber Sie bestehen darauf selber zu bezahlen ...“ Sherlock stockte. Sein Gesicht nahm einen etwas zögernden Ausdruck an. Gregory und John hatten keine Ahnung, wie er zu diesen einzelnen Erkenntnissen kam; aber das hatten sie nie, wenn Sherlock diese Show abzog, und es hatte sich immer als richtig erwiesen. Also zweifelte John auch diesmal nicht, zumal Greg nicht einem einzigen Punkt widersprach. Sherlocks Blick glitt weiter über den Mann, der da vor ihm hinter dem Schreibtisch saß. „Ihr Date selber ist von elegantem Äußeren. Gut gekleidet ... dezent, aber von edelster Qualität, nicht wahr? Aha. Bisher eher zurückhaltend mit ... körperlichen Zuneigungsbezeigungen. Wenngleich gestern ein erster Schritt erfolgte ...“ Wieder nickte Greg. „Und er ist begütert ... mit Chauffeur ... er ...“ Sherlock stockte. Er riss die Augen auf. „Oh Gott.“ Er jappste und schnappte erschrocken nach Luft. „Was ist los?“, fragte Greg erstaunt. „Oh Gott ...“, wiederholte Sherlock. „Das ... ist nicht Ihr Ernst, oder? Das kann nicht Ihr Ernst sein...“ „Sherlock, was soll das?“, fuhr nun Watson dazwischen, der die Veränderung in der sonst so erhabenen Ausstrahlung seines Freundes natürlich auch bemerkt hatte. „Gregory“, sagte Sherlock nun mit eindrücklicher Stimme, „Wie heißt er? Sagen Sie mir auf der Stelle, wie Ihr Date heißt?!“ Greg schüttelte verständnislos den Kopf. „Er heißt Marc. Marc Anthony ...“ „Anthony!“, hatte Sherlock gleichzeitig mit ihm den Familiennamen ausgesprochen. Dann sprang er auf. „John? Dein Handy! Sofort!“ Dr. Watson, der wusste, dass sein Partner kein eigenes Handy hatte, sondern sich immer derer anderer Leute bediente, zuckte mit den Schultern und nahm das gewünschte Mobiltelefon aus seiner Manteltasche. „Ich muss telefonieren! Allein!“, schnaufte Sherlock und stürmte aus dem Büro. „Was zum Teufel soll das denn jetzt?“, fragte Gregory, aber John hatte keine Ahnung und konnte nur genau so verständnislos dreinschauen, wie der Polizist. Kapitel 5: ----------- Mycroft Holmes saß an seinem Schreibtisch, als sein Handy klingelte. Das private Handy, dessen Nummer nur ausgewählte Personen hatten. Er schaute auf das Display. Sherlock. Er verdrehte ein wenig die Augen. Es kam so gut wie nie vor, dass der ihn freiwillig anrief. Eigentlich nur, wenn er in Schwierigkeiten steckte oder wenn er seine Hilfe brauchte. Von Schwierigkeiten war derzeit nichts zu ahnen, daher vermutete Mycroft eher letzteres. Und so ging er an sein Telefon und nahm das Gespräch entgegen mit den Worten: „Was willst du?“ Einen Augenblick lang hörte er Sherlock nur schnaufen, doch dann schrie der geradezu ins Telefon: „Mycroft! Das kann nicht dein Ernst sein!“ Mycroft runzelte die Stirn. „Was?!“ „Bitte, Bruder“, sagte Sherlock sichtlich genervt, „sag mir, dass das nicht dein Ernst ist!“ „Sherlock, wovon in Gottes Namen redest du?“ Einen winzigen Augenblick schwieg Sherlock, dann sagte er mir offenbar mühsam unterdrücktem Ärger: „Du datest MEINEN Inspektor?“ Wie bitte? Mycroft glaubte sich verhört zu haben. „DEINEN Inspektor? Wir reden hier von Gregory Lestrade, mein Lieber. Ja, ich date ihn. Aber wie kommst du dazu, ihn als 'Deinen' zu bezeichnen?! Ich möchte gerne wissen, was Dr. Watson dazu zu sagen hätte!“ „Unfug“, schnaufte Sherlock. „Ich arbeite mit ihm zusammen. Er ist der einzige im Yard, der annähernd intelligent genug ist, um nicht daran zu verzweifeln. Und der daher klug genug ist, zu erkennen, dass dieser inkompetente Verein auf meine Hilfe angewiesen ist. Also ... ist er mein Inspektor, was die Arbeit betrifft. John weiß das.“ Mycroft schmunzelte. „Sherlock“, sagte er dann, „was genau ist jetzt dein Problem?“ „Ich ...“ Es war erstaunlich, dass ausgerechnet Sherlock jetzt keine Worte fand. Mycroft trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die polierte Edelholzfläche seines Schreibtisches. „Sprich dich aus, Bruder, oder lass mich meine Arbeit weitermachen. Es ist ja nicht so, als ob ich nur auf deinen Anruf gewartet hätte.“ „Nun gut“, sagte Sherlock, „Marc Anthony. Ha. Wie lächerlich. Warum hast du ihm nicht gesagt, wer du wirklich bist?“ Mycroft schwieg. „Mycroft, ich kenne Lestrade nun schon einige Zeit, und ich weiß, dass er nicht so ist wie du und ich. Er ist in vieler Hinsicht ein ganz gewöhnlicher Mensch ...“ Mycroft schnaubte protestierend, doch Sherlock ließ ihn nicht zu Wort kommen. „... nein nein, ich meine damit: er leidet wie die meisten unter diesen chemischen Defekten, die sich 'Gefühle' nennen. Er wird an deiner Eiseskälte kaputt gehen! Ein bisschen mit ihm spielen, ein bisschen Sex haben, und ihn dann fallen lassen, wie du es immer tust ... das kannst du mit ihm nicht machen. Er zerbricht daran!“ Mycroft schüttelte sich. „Hör zu, kleiner Bruder, ich habe keinesfalls vor ...“ Doch Sherlock fuhr dazwischen. „Ach hör doch auf! Du bist doch gar nicht fähig, echte Gefühle zu empfinden, also gaukele mir hier nichts vor! Schon allein, dass du ihm einen falschen Namen genannt hast und deine Identität verschwiegen hast. Was meinst du denn wie er damit umgehen wird? Hintergangen zu werden?“ „Nun, ich würde es nicht gleich hintergehen nennen ...“ „Das ist es aber! Hör zu, ich weiß, ich bin kein Experte, was menschliche Gefühle betrifft. Dennoch haben ich nicht zuletzt Dank John eine Menge gelernt. Und ich kann dir eines sagen: Er wird das nicht einfach verzeihen.“ Sherlock schnaubte. „Mycroft, sag mir eins. Was genau sind deine Absichten?“ Mycroft musste nicht lange überlegen. „Ich weiß, das ist für dich schwer vorstellbar. Aber ... zum ersten Mal in meinem Leben ist hier ein Mann, von dem ich gerne mehr möchte als nur ein wenig Vergnügen. Gregory bedeutet mir etwas. Ich möchte mir mit ihm etwas aufbauen. Aber ... ich weiß nicht, ob ich dazu fähig bin. Ich weiß es einfach nicht. Und das ist dann auch auch der Grund, weshalb ich ihm mein Pseudonym genannt habe.“ „Sag es ihm“, sagte Sherlock. „Was?!“ „Sag ihm, wer du bist. Wenn du wirklich ernste Absichten hast, sag ihm deinen Namen. Und warum du das getan hast. Er ist kein Mann, der es verträgt, belogen zu werden. Und je länger die Lüge andauert, desto schwerer wird er sich damit tun, sie zu verzeihen. Glaub mir.“ „Gut ...“, sagte Mycroft zögernd. Und dann: „Ich kann es nicht glauben, dass mein eigener kleiner nerviger Bruder mir Beziehungstipps gibt.“ „Und ich kann es nicht glauben, dass mein großer, ach so überlegener, eiskalter Bruder überhaupt eine Beziehung anstrebt!“ Wieder schwiegen sie einen Moment, dann sagte Mycroft: „Danke, Sherlock.“ Einen Augenblick lang war Sherlock versucht, zu spotten: Ach, mein Herr Bruder bedankt sich? Geht jetzt etwa das Abendland unter? Doch dann verkniff er es sich. Das, was da gerade zwischen ihnen schwang, fühlte sich irgendwie … gut an. Und er wollte es nicht kaputt machen. „Schon gut“, sagte er daher nur. Dann grinste er und dachte: irgendwie war das jetzt beinahe ein 'Wenn du ihm weh tust, bring ich dich um' – Gespräch. Ach verdammt. John ist Schuld. John macht mich einfach zu weich. Und während er einhängte, ging ihm durch den Kopf: Nein. Nicht zu weich. Das ist schon gut so wie es ist. Und das Lächeln auf seinem Gesicht wurde überaus zärtlich, als er an seinen Doktor dachte. Kapitel 6: ----------- Mycroft ließ sich die Sache durch den Kopf gehen. Und so ungern er es zugab: sein kleiner Bruder hatte vermutlich recht. Eigentlich wusste er selber nicht genau, warum er zu Beginn seiner Bekanntschaft mit Gregory einen falschen Namen genannt hatte. Denn zu diesem Zeitpunkt war er ja noch in keinster Weise an einem Punkt gewesen, an dem er gewusst hätte, dass er sich mehr von Gregory wünschte, als einen Flirt und vielleicht ein wenig unverbindlichen Sex. Es war eine beinahe automatische Reaktion gewesen. Nun, wie auch immer, es war an der Zeit, reinen Tisch zu machen. Denn jetzt, hier und heute wusste er: Gregory war der erste Mann in seinem Leben, der ihm wirklich und wahrhaftig etwas bedeutete. Er, Mycroft, war nicht der Mensch, der Liebe empfand. Bisher. Nun gut, er kümmerte sich um seine Eltern, aber das war mehr Pflichtgefühl als wirkliche Kindesliebe. Denn wenn man ehrlich war, waren sowohl Vater als auch Mutter Holmes nicht gerade Vorbilder, wenn es um zwischenmenschliches ging. Irgendwo mussten er und Sherlock ihre Unfähigkeit, mit Gefühlen umzugehen, ja schließlich herhaben, nicht? Und, ja, er sorgte sich um Sherlock. Und, zugegebenermaßen, war das mehr als nur empfundene Verpflichtung. Sherlock hatte er in seinem Herzen einen besonderen Platz, auch wenn er das dem gegenüber niemals zugeben würde; was vermutlich auch nicht nötig sein würde, denn er war sich sicher, dass Sherlock das auch wiederum wusste und nur seinerseits nicht eingestand. Aber darüber hinaus? Nein, es hatte bisher niemanden gegeben, der sein Herz dazu gebracht hätte, etwas anderes als kurzfristiges Begehren oder dergleichen zu empfinden. Doch dann war Gregory in sein Leben gestolpert. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und hatte ihn mit seinem Charme, dem Blitzen seiner Augen und dem schönsten Lächeln südlich des Nordpolarkreises geradezu von den Füßen gerissen. Und daher, ja, zum Teufel, es war so, daher fühlte er sich zum ersten Male in seinem Leben unsicher und wusste nicht, wie er vorgehen sollte. Er war Meister darin, unsichtbare Fäden zu ziehen und Menschen zu manipulieren, um zu bekommen, was er wollte. Aber das würde hier nicht funktionieren. Die Gefühle, ja die Liebe eines Menschen konnte man nicht auf diese Weise erringen. Das war selbst ihm klar. Also beschloss er, bei ihrem nächsten Dienstagsdate Gregory reinen Wein einzuschenken. * * * Gregory Lestrade seinerseits hatte Sherlocks seltsame Reaktion zu denken gegeben. Dass der Mann ziemlich viel über seinen Liebhaber herausgefunden hatte, hatte ihn nicht weiter verwundert. Woran auch immer der das nun wieder erkannt hatte, er hatte mit all seinen Schlussfolgerungen richtig gelegen. Doch dann war er offenbar durch etwas in seinen Erkenntnissen ganz schön erschüttert gewesen, und Gregory hätte nun zu gerne gewusst, um was es dabei ging. Immerhin betraf ihn die Sache ja nun an aller erster Stelle! Was also hatte Sherlock so durcheinander gebracht? Langsam aber sicher ließ Gregory das ganze Gespräch, oder genauer genommen Sherlocks Monolog, vor seinem inneren Auge Revue passieren. Der hatte viel über Marc herausgefunden, und hatte erstaunlicherweise, als er ihn, Greg, nach dessen Namen gefragt hatte schon gewusst was kommen würde, denn er hatte den Familiennamen von Marc, Anthony, gleichzeitig mit ihm ausgesprochen. Er hatte also an dem, was er über Gregs Date herausgefunden hatte, erkannt, um wen es sich dabei handelte. Ganz konkret um wen. Was den Schluss erforderte, dass Sherlock Marc tatsächlich kannte. Sherlock Holmes kannte Marc Anthony. Die Erkenntis durchfuhr Greg wie ein Blitz. Sherlock kannte Marc. Aber woher? War Marc ein Klient? Ein ehemaliger vielleicht? Oder gar ein Verbrecher, den Sherlock einmal zur Strecke gebracht hatte ... oder eher noch nicht? Oh Gott. Eine kalte Furcht griff nach Greg. Doch dann schüttelte er den Kopf. Nein, das war doch eher unwahrscheinlich. Denn so, wie Sherlock den ihm bis dahin noch unbekannten geschildert hatte, war er nicht so außergewöhnlich, vielleicht nicht gerade durchschnittlich, aber solche Männer gab es doch immerhin durchaus nicht nur einen einzigen. Elegant, zurückhaltend, mit Chauffeur etc. Nein, da musste mehr dahinter stecken. Der Mann, Marc, sein Marc, musste Sherlock näher bekannt sein als nur ein Kli... Und dann traf es ihn. Konnte das wirklich sein? Aber ... Marc Anthony. Marcus Antonius. Julius Cäsar. Marcus Anthonius – Julius Cäsar. Mycroft Julius Cesar Holmes. Greg spürte, wie alles Blut aus seinem Kopfe wich. Konnte das tatsächlich sein, dass Marc, der warmherzige, freundliche, charmante und fürsorgliche Mann, den er jeden Dienstag traf, Mycroft Holmes war? Mycroft Holmes, Sherlocks Bruder, den Dr. Watson so eiskalt und manipulativ geschildert hatte? Gregory wusste nicht, was er denken sollte. Er atmete langsam ein und aus, damit ihm nicht die Knie weg sackten, wenn er gleich aufstehen und sein Büro verlassen würde. Er würde in die Baker Street fahren, jawohl, um Sherlock zur Rede zu stellen. Das würde er tun. Das war das beste was er tun konnte. Oder? Kapitel 7: ----------- Nun, Gregory war sich nicht sicher. Sollte er wirklich Sherlock darauf ansprechen? Oder sollte er bis Dienstag warten und Marc zur Rede stellen? Das würde bedeuten, sich noch beinahe eine ganze Woche mit dieser Ungewissheit herumzuschlagen. Und wenn er sich täuschte? Wenn er Sherlocks Reaktion komplett falsch ausgelegt hatte? Oh Gott, den Spott des Detektivs mochte er sich gar nicht vorstellen. Außerdem, wenn man es recht bedachte, wäre es nicht eher fair, Marc selber die Chance zu geben, ehrlich zu sein? Wenn der denn überhaupt unehrlich zu ihm gewesen war. Vielleicht hieß er ja wirklich einfach nur Marc Anthony und Sherlocks Reaktion hatte sich auf etwas ganz anders bezogen. Denn, überlegte er seufzend, eigentlich konnte das doch nicht sein. Er konnte seinen warmherzigen fürsorglichen Marc nicht mit dem unter einen Hut bringen, was Dr. Watson über Mycroft Holmes angedeutet hatte. Kalt, arrogant, herzlos. Das passte doch in keinster Weise zu dem Mann, den er jeden Dienstag traf! Was also sollte er tun? Vor lauter Grübelei hatte er gar nicht bemerkt, dass er den Weg inzwischen schon so gut wie zurückgelegt hatte. Es wurde ihm erst bewusst, als er den Wagen in die Baker Street lenkte. Nun, wo ich nun schon einmal hier bin, kann ich auch hochgehen, dachte er. Und dann entscheide ich, was ich anspreche oder nicht. Also stieg er aus und machte sich gleich darauf an der Türklingel zu schaffen. Die liebe, wenngleich überaus neugierige Mrs. Hudson öffnete ihm. „Oh, Detektiv Inspector, welch eine Freude, Sie mal wieder hier bei uns zu sehen!“, sagte die Frau mit einladendem Lächeln. „Mrs. Hudson, ich freue mich ebenfalls!“ „Ich nehme an, Sie wollen zu Sherlock? Ich fürchte, da haben Sie Pech, lieber Inspector, der ist vor zehn Minuten aus dem Haus gegangen, und der Himmel weiß, wohin er diesmal wollte, aber nun ja, unser lieber Dr. Watson ist zu Hause.“ „Danke, Mrs. Hudson“, sagte Greg und trat ein, als die alte Dame ihm die Tür aufhielt und Platz machte. Sie begleitete ihn die Treppe hinauf. Er klopfte und Dr. Watson erschien an der Wohnungstür. „Lestrade!“, sagte er. „Bitte, kommen Sie herein!“ Die alte Dame winkte dem Doktor zu, als Greg in die Wohnung trat. „Ich bringe Ihnen ein Tablett mit Tee und Keksen, Dr. Watson. Aber nur ausnahmsweise, weil Sie so lieben Besuch haben!“ Und schon verschwand sie in der unteren Etage. Gregory schmunzelte. „Sie ist schon etwas besonderes, nicht wahr?“ Dr. Watson nickte. „Oh ja, immerhin hält sie es mit Sherlock als Mieter aus, da muss sie schon ein dickes Fell haben!“ Er lachte. Dann gestikulierte er Greg in die Wohnung hinein. „Nehmen Sie Platz, Lestrade.“ Greg machte es sich auf dem Sessel, Watson gegenüber, gemütlich und räusperte sich. „Also“, sagte Dr. Watson. „Was kann ich für Sie tun?“ Greg atmete tief durch. „Ich möchte bitte, dass Sie mir ... etwas mehr über Mycroft Holmes erzählen." „Mycroft?!“ Erstaunt sah Dr. Watson sein Gegenüber an. „Nun, ja. Ich möchte wissen, wie er so ist.“ „Okay ...“ Der Doktor schien sich ein wenig zu sammeln. Es klopfte und herein rauschte eine fröhliche Mrs. Hudson mit dem versprochenen Tablett mit Erfrischungen. Nachdem der Tee eingeschenkt und die Qualität ihrer hausgebackenen Plätzchen ausgiebig gelobt worden war, segelte sie wie eine Fregatte unter voller Takelung wieder davon. „Also“, setzte Dr. Watson an, als Ruhe eingekehrt war. „Er ist ... anders als Sherlock. Und doch auch wieder so ähnlich ... Er hat auch diese Fähigkeiten, Menschen zu deduzieren, allerdings hat er keine Lust, damit so anzugeben, wie unser geschätzter Lockenkopf. Er ist ein hohes Tier in der Politik und nutzt die Deduktionen, um Politische Gegner, oder wohl besser Freund und Feind nach seinem Willen zu manipulieren.“ Watson nahm einen Schluck Tee. „Was genau er eigentlich treibt, weiß wohl niemand. Sherlock behauptet, er sei 'Die britische Regierung', und ich neige dazu, ihm zu glauben.“ Greg klopfte nervös einen ungeduldigen Rhythmus mit den Fingern auf der Sessellehne. „Aber wie ist er ... menschlich gesehen?“ Der Doktor lachte auf. „Nun, wenn man Sherlock glauben mag, ist nicht viel menschliches an ihm.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. „Ich habe ihn inzwischen auch kennengelernt“, fuhr er dann fort. „Und ich kann tatsächlich nur sagen, dass er kalt ist. Gegenüber Sherlock von einer Eiseskälte, die mich erschüttert. Auch wenn ich sicher bin, dass ihm an Sherlock liegt, aber ... er zeigt das nicht. Seinen Angestellten und Untergebenen gegenüber ist er von ebenso kalter Sachlichkeit. Da gibt es kein freundliches Wort. Aber auch keine bösen Worte. Er ist fair und gerecht ihnen gegenüber, hält sich genau an Regeln und das in Arbeitsverträgen geschriebene Wort. Das muss man zugeben.“ Watson überlegte. „Auf dem politischen Parkett ... nun, das weiß ich natürlich nur vom Hörensagen, aber ... er leistet sich keine Gefühle, er ist sachlich und eisig, doch er spielt eine Freundlichkeit, mit der er die Leute einfach wie Puppen tanzen lässt, nach seinem Willen handeln lässt, und dabei glauben lässt, sie würden aus eigenem Antrieb handeln. Wenn es je einen Manipulator gegeben hat, dann ihn. Er beherrscht diese Kunst.“ Gregory schüttelte den Kopf.. Das alles passte so gar nicht zu Marc. Marc, der ihn umwarb. Mit liebevollen Gesten überschüttete. So zärtlich berührt hatte. Mit soviel Fürsorge und … Oh. Moment mal. Was, wenn das alles nicht echt war? Wenn das alles dazu diente, ihn, Gregory, zu manipulieren? Aber ... wozu? Nun, Greg musste Gewissheit haben. „Dr. Watson, hat ... hat Sherlock ein Foto von ihm hier? Irgendwo?“ Kapitel 8: ----------- „Ein Foto?“ Watson zog die Augenbrauen hoch. „Du lieber Himmel, das ist tatsächlich eine gute Frage.“ Er überlegte einen Augenblick. „Nein. Ich fürchte, Detektiv Inspector, es gibt in diesem Haushalt keine Familienfotos, jedenfalls nicht von Sherlocks Familie.“ Dann sah er Greg neugierig an. „Darf ich fragen, warum Sie wissen möchten, wie Mycroft Holmes aussieht?“ Greg zuckte mit den Schultern, doch dann schüttelte er den Kopf. „Mich triezt da ein Gedanke“, sagte er unsicher, „allerdings weiß ich nicht recht ...“ Einen Augenblick dachte er nach, dann fiel sein Blick auf Johns Laptop. „Sagen Sie“, bat er eifrig, „könnte ich Ihren Computer benutzen? Dann könnte ich nach ihm googeln.“ „Klar“, sagte der Doktor. „Allerdings bezweifle ich, dass Sie Erfolg haben werden. Nach Sherlocks Aussage gibt es kaum jemanden, der so viel Macht in diesem Lande hat, wie er, mit Ausnahme der Königin vielleicht. Dennoch oder besser gerade deswegen bleibt er im Hintergrund. Es würde mich sehr wundern, wenn sie im Internet bei einer Suche nach seinem Namen tatsächlich auf Bilder von ihm stoßen.“ Und tatsächlich. Nach einer halbstündigen Suche gab Greg auf und klappte resignierend das Laptop wieder zu. „Vielleicht würde jemand, der sich besser mit so was auskennt, mehr Erfolg haben“, sagte er seufzend. „Aber es geht hier um etwas privates. Ich kann daher schlecht die IT Experten des Yard einspannen ...“ Er stützte den Kopf grübelnd in die Handflächen. „Etwas privates?“, fragte Watson erstaunt. Da erst bemerkte Greg, dass er den letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte. „Ja ... gewissermaßen ...“, stotterte er verlegen. Und John, der entgegen der Ansicht von zum Beispiel Anderson und Donovan, die ihn für Sherlocks bloßen Sidekick hielten, alles andere als auf den Kopf gefallen war, begann in diesem Augenblick, eins und eins zusammen zu zählen. „Du liebes Bisschen“, sagte er und musste husten. „Wollen Sie damit sagen, dass Sie glauben, dass Ihr neues Date ... Mycroft Holmes ist?!“ Greg wurde rot bis in die Ohrenspitzen. „Ich weiß, es kling abwegig. So wie Sie mir Mycroft geschildert haben ... und so wie ich Marc erlebe, das sind zwei völlig andere Menschen. Andererseits ist da Sherlocks merkwürdige Reaktion. Und alles, was Sherlock über Marc gesagt hatte, stimmt, und trifft wohl ebenso auf Mycroft zu. Und dann die Namen, Marc Anthony und Julius Cesar ... Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll.“ John war wirklich perplex. „Du meine Güte. Was machen wir jetzt?“ Greg zuckte wiederum mit den Schultern. „Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht mal, ob ich es wirklich herausfinden will. Ich möchte es natürlich wissen, aber ... will ich es herausfinden, oder will ich lieber warten, bis er selber mir die Wahrheit sagt? Ich weiß es nicht. Denn wenn er es ist, hat er sicher gute Gründe dafür, dass er mir einen falschen Namen genannt hat. Andererseits ... wie könnte ich ein weiteres Date mit ihm wirklich genießen, wenn mich die ganze Zeit die Zweifel plagen, ob der Mann, der mir da gegenüber sitzt, tatsächlich der ist, der er vorgibt zu sein?“ Er wischte sich mit der Hand über die Stirn. „Hinzukommt, dass ich nicht weiß, warum er sich verstellt. Und wenn ... wenn nun das ganze einzig dem Zweck der Manipulation dient? Sherlock sagt ja, sein Bruder wäre ein Meister darin ... Andererseits, was sollte ein hohes Tier wie Mycroft in dieser Hinsicht von einem abgehalfterten alten Cop wie mir wollen?“ „Na, nun stellen Sie mal Ihr Licht nicht unter den Scheffel“, sagte Watson. „Sie sind das beste, was der Yard zu bieten hat. Das hat selbst Sherlock gesagt, und das soll schon was heißen. Aber ... nun ja, Ihre Frage kann ich allerdings auch nicht beantworten.“ Dr. Watson zog nachdenklich die Stirn kraus. „Wir könnten warten, bis Sherlock wieder hier ist und ihn dann einfach fragen.“ „Nein!“ Das kam für Greg nicht in Frage. „Okay“, sagte der Doktor. Plötzlich sprang er auf. „Ich glaube ...“, sagte er und schon lief er in Richtung der Wohnungstür. „Kommen Sie, Greg!“ Greg lief schon hinter ihm her. Was dem Doktor wohl eingefallen war? Nun, er würde sehen. Watson war die Treppe hinuntergerannt und stand jetzt unten, vor der Wohnungstür seiner Vermieterin. Greg folgte ihm, wenngleich er keine Ahnung hatte, wie die alte Dame ihnen helfen sollte. „Mrs. Hudson?!“, rief Watson und klopfte. Als sich nicht gleich etwas rührte, klopfte er erneut. Ungeduldiger, diesmal. „Ich komme ja schon, ich komme ja schon!“ Mrs. Hudson öffnete die Tür, die Hände voller Mehl und eine Schürze vor den Leib gebunden; dennoch sah sie gepflegt aus wie immer und ihre Frisur saß wie eine Eins. „Du lieber Himmel, Dr. Watson, ist etwas passiert? Geht es Sherlock gut? Er hat doch nicht wieder etwas angestellt?“ „Nein, nein“, sagte John, „diesmal nicht. Aber, Mrs. Hudson, vielleicht können Sie mir helfen.“ „Nun kommen Sie doch erst einmal herein“, sagte die Dame, „und Sie natürlich auch, lieber Inspector. Ich habe frische Kekse sind gebacken, die ersten sind fertig und bereits abgekühlt.“ Und so saßen die beiden Männer kurze Zeit später in Mrs. Hudsons Küche, tranken noch mehr Tee und aßen von ihren köstlichen Plätzchen. „Also“, sagte Martha Hudson, „was kann ich für Sie tun?“ Und sie schaute von einem zum anderen. „Na ja“, sagte Watson, „Sie haben doch letzte Weihnachten diese neue Kamera bekommen, nicht wahr?“ Sie nickte. „Und haben die ausprobiert, indem Sie zu ziemlich alles fotografiert haben, was Ihnen vor die Linse kam?“ Wieder nickte sie, nun etwas verlegen. „Und, Mrs. Hudson, einmal sind Sie oben in die Wohnung geplatzt, als Sherlocks Bruder gerade da war, nicht war? Und haben ihn fotografiert, ohne dass er es bemerkt hat, weil er so beschäftigt war, sich ein heftiges Wortgefecht mit Sherlock zu liefern?!“ „Ja“, sagte Mrs. Hudson, „also, nun, es tut mir leid, ich wollte nicht ...“ „Mrs. Hudson“, fiel John ihr ins Wort, „haben Sie das Foto noch?!“ Erstaunt sie sie ihn an. Dann nickte sie. „Aber ja, Dr. Watson. Ich muss doch mal schauen, wo ich es hingelegt habe ...“ Kapitel 9: ----------- Und sie begann zu suchen. Zuerst suchte sie das Geschirrhandtuch, um sich die Hände noch einmal zu reinigen, die inzwischen schon wieder von Mehl bestäubt waren. Das Handtuch fand sich nach wenigen Augenblicken: Sie hatte es an ihre Schürze geknotet. Dann suchte sie ihre Brille. Und auch die fand sich, allerdings erst nach einiger Aufregung: sie hatte sie auf dem Küchenschrank hinten den Brotkasten gelegt - „Du lieber Himmel, dort liegt sie sonst nie!“ Die Brille wurde nun umständlich auf ihre Nase genestelt, und dann ging die Suche weiter. Diesmal die Suche nach dem Bild. Himmel, wo hatte sie die Fotos nur hingelegt? Bei den Zeitungen – nein. Bei ihren Fotoalben – nein, auch nicht, da es nur Schnappschüsse zum Testen der Funktionen ihrer Kamera waren und keine ihr wichtigen Fotos, die sie wirklich aufbewahren wollte. Hatte sie sie überhaupt aufbewahrt? Also, sie war sich da wirklich nicht mehr sicher, beim besten Willen ... Und dann fand sie sie. Sie lagen als kleiner Stapel neben ein paar Briefen und Rechnungen im Wohnzimmerschrank. Und gleich das oberste war das gesuchte Bild. Sie gab es dem Doktor, der einen Blick darauf warf. „Ja“, sagte er, „Mycroft Holmes ist hierauf gut zu erkennen.“ Und dann reichte er das Bild an Greg weiter. Zögernd nahm Greg die Hochglanzfotografie entgegen. Der Doktor hatte sie ihm mit der Rückseite zuoberst gereicht. Nun hielt Greg es in der Hand und überlegte einen Augenblick. Dann drehte er es um. Das Bild zeigte Sherlocks Rückansicht und wild gestikulierende Hände, und schräg ihm gegenüber stand der Mann, mit dem er offenbar wütend stritt. Mycroft Holmes. Marc Anthony. Ja, nun gab es keinerlei Zweifel mehr. Wenn der Mann auf dem Bild tatsächlich Sherlocks Bruder war, und daran gab es wohl nichts zu deuteln, dann waren Mycroft und Marc ein und die selbe Person. Greg stöhnte, und der Doktor wusste nun auch Bescheid: Gregs Gesichtsausdruck war eindeutig. „Geht es Ihnen gut, Detektiv Inspector?“, fragte Mrs. Hudson besorgt. „Nicht ... nicht wirklich“, stöhnte Greg. Mrs. Hudson wollte fragen, was los sei, doch Doktor Watson legte seine Hand auf ihren Unterarm und schüttelte den Kopf. Es war ein schlechter Zeitpunkt für die neugierigen, wenn auch sicher gut gemeinten Fragen der lieben alten Dame. Greg stand auf. „Ich ... ich muss ...“ Er stolperte aus ihrer Küche und ließ die anderen beiden ein wenig ratlos zurück. Sein Wagen stand vor dem Haus, er stieg ein und steuerte ihn in den Verkehr, ohne zu Wissen, wohin er ihn eigentlich lenken wollte. Zu Marc, um ihn zur Rede zu stellen? Das war das erste, was ihm in den Sinn kam, aber ... er hatte keine Ahnung, wo Marc ... Mycroft lebte. Er konnte Sherlock fragen ... nein. Jetzt war es vielleicht besser, wenn er erst einmal nach Hause fuhr und ein wenig zu sich selbst fand. Nach Hause. Ja, das wäre sicherlich vernünftig. Er steuerte sein Auto ganz automatisch durch den Londoner Stadtverkehr, die Handgriffe geschahen geradezu mechanisch, ohne dass er darüber nachdachte, und so bemerkte er erst, als er auf den Parkplatz einbog, dass sein Unterbewusstsein ihn zum Yard geführt hatte. Bin ich denn schon so arbeitsbesessen, dass der Yard mein zu Hause geworden ist?, dachte er und musste trotz der widerstreitenden Gefühle und des schmerzhaften Ziehens in seinem Herzen ein wenig schmunzeln. Nun gut, Arbeit gibt es genug, dachte er und lenkte seine Schritte in das Gebäude, um mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock zu fahren, wo sein Büro sich befand. Dort saß er dann kurze Zeit später an seinem Schreibtisch, das Gesicht auf die Hände gestützt. Auf die Arbeit konnte er sich nicht konzentrieren. Der Papierkram vor ihm hatte schon lange genug gelegen, da kam es auf einen Tag mehr oder weniger auch nicht an. Seine Gedanken kreisten immer wieder um das selbe: Marc Anthony. Mycroft Holmes. Und: Warum?! Er wurde zorniger, je mehr er darüber nachdachte. Er steigerte sich regelrecht in die Sache hinein. Sein Herz schmerzte stärker mit jeder Minute. Sein Stolz fühlte sich verletzter mit jedem Augenblick, der verfloss. Er wurde mit jeder Sekunde überzeugter, dass Marc ... Mycroft mit ihm spielte und ihm die ganze Sache nicht so viel bedeutete, wie Greg. Und obwohl, oder besser gerade weil er ein einfacher Mensch war und sich in vieler Hinsicht sicher nicht mit einem Ma... Mycroft Holmes messen konnte, war das etwas, was er nicht hinnehmen konnte und wollte. Und so beschloss er, der ganzen Sache ein Ende zu machen. Seufzend nahm er sein Handy zur Hand. Er scrollte durch seine Nummern, bis er die des guten Doktors fand. Er wollte wählen, doch dann spürte er, dass ihm der Hals zugeschnürt war und er vermutlich kein Wort herausbringen würde. Also öffnete er Whatsapp und schrieb. Watson, sind Sie da? Ja...Greg, geht es Ihnen gut? Was denken Sie denn, wie es mir geht?! Nein, verdammt es geht mir nicht gut. Lestrade, wo sind Sie? Was kann ich tun? Ich bin im Yard und arbeite. Das lenkt ab. Aber Sie können tatsächlich etwas für mich tun. Was immer Sie wollen... Gut. Watson, lassen Sie bitte Sherlock an seinen Bruder weiterleiten, dass ich das nächste Dienstagsdate absage. Und auch alle weiteren. Und nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte. Danke. Greg, sind Sie sicher? Greg? Greg??!! Aber Gregory hatte sein Handy ausgeschaltet. Er wollte weder mit dem gut meinenden Doktor noch mit sonst jemandem weiter über die Sache diskutieren.       Kapitel 10: ------------ Nun, Dr. Watson wählte nicht den Weg über Sherlock. Im Gegenteil, er fand, es sei besser, seinen Freund und dessen zynische Bemerkungen, egal in welche Richtung sie in diesem Falle auch gehen würden, da raus zu halten, und sich direkt an Mycroft zu wenden. Und da er es für nicht sonderlich zielführend hielt, das am Telefon zu besprechen, zog er sich an, ging vor die Tür, rief sich ein Taxi und machte sich auf den Weg zum Diogenes-Club, da er annahm, Mycroft Holmes dort vorzufinden. Man kannte ihn inzwischen dort. Auf Grund einiger in der Vergangenheit stattgefundener, nicht immer ganz einvernehmlich verlaufender Gespräche in diesen Räumlichkeiten ließ man ihn zwar einerseits nicht zu Mycroft vor, wies ihn aber immerhin auch nicht an der Pforte ab. Man führte ihn in den Besucherraum, bot ihm einen Tee an, den er ablehnte und bat ihn, zu warten. Und natürlich ließ Mycroft ihn eine ganze Weile warten. Wobei - eine halbe Stunde war bei jemandem wie Mycroft fast schon als übereifrige Höflichkeit zu werten, dachte Watson und schmunzelte, als ein Clubbediensteter ihn schließlich bat, ihm zu folgen, und ihn in Mycrofts privates Zimmer zu begleiten. Mycroft saß hochherrschaftlich hinter seinem Schreibtisch. Er nickte dem Angestellten zu, der aus der großen silbernen Kanne auf dem kleinen Beistelltischchen eine zweite Tasse einschenkte und sie Dr. Watson reichte. Als der Mann dann das Zimmer verlassen hatte und Mycroft und John allein waren, nickte Lestrades angeblicher Marc Anthony dem Doktor zu und sagte: „Mein lieber Dr. Watson, was kann ich denn für Sie tun?“ Ist der Mann wirklich so arrogant, dachte Watson, oder ist das nur Fassade? Er räusperte sich und sagte: „Nun, das ist sicher eine Frage der Sichtweise, Mycroft, aber ich habe vielmehr das Gefühl, dass diesmal ich etwas für Sie tun kann.“ Holmes krauste fragend die Stirn. „Was soll das heißen, Dr. Watson?“ „Das soll heißen, dass Sie, wenn Sie sich nicht ganz schnell etwas einfallen lassen, weder am kommenden Dienstag noch an irgendeinem anderen zukünftigen Tage ein Date mit unserem allseits geschätzten Detektiv Inspector Gregory Lestrade haben werden.“ Die Verblüffung, die sich in den sonst so erhaben und distanziert wirkenden Gesichtszügen des Mannes ausbreitete, war geradezu unbezahlbar, fand Dr. Watson. Allerdings kippte sie relativ schnell um in unverhohlenen Zorn. „Sherlock!“, schimpfe Holmes. „Hat mein kleiner Bruder also doch sein Mundwerk nicht halten können!“ Watson schüttelte den Kopf. „Mycroft, sie unterschätzen Lestrade, und wenn Ihnen auch nur etwas an dem Manne liegt, dann ist das ein Fehler, den sie nicht wiederholen sollten. Lestrade ist von ganz allein darauf gekommen, wer sich hinter dem mysteriösen Marc Anthony verbirgt, und Mrs. Hudson hatte ein Foto von Ihnen, das seine Schlüsse bestätigt hat.“ Mycroft schnaufte. Ein Foto!? Wie hatte ihm eine solche Unachtsamkeit nur passieren können? Nun, einer seiner Leute würde der Dame mit etwas Überzeugungskraft im Gepäck einen Besuch abstatten müssen, um dessen habhaft zu werden. Und da er wusste, wie sehr seinem Bruder an Mrs. Hudson lag, würde die Überzeugungskraft in diesem Falle nicht aus Drohungen bestehen, sondern ... nun, er müsste herausfinden, was die alte Dame begehrte, welchen Herzenswunsch man ihr erfüllen konnte. Aber jetzt erst einmal zurück zu den wichtigeren Dingen. „Er ... er weiß also, wer ich bin?“ „Ja“, sagte Watson. „Allerdings ist er nicht sehr glücklich damit, dass Sie ihn offensichtlich beschwindelt haben.“ Holmes seufzte. „Nun, dann sollte ich ...“ Tja, was sollte er tun? Er, der ganze Länder zum Erzittern bringen und Regierungen nach seiner Pfeife tanzen lassen konnte, wusste an der Stelle nicht weiter. „Hören Sie, Mycroft“, sagte der Doktor. „Ich weiß ja nicht, was ihre Intentionen sind, Lestrade betreffend. Fest steht jedenfalls, der ist ein guter Mann. Ein guter Mensch. Und sicher haben Sie ihm als Marc Anthony eine Fassade vorgespielt, die nicht Ihrer wahren Natur entspricht. Lassen Sie besser die Finger von ihm.“ „Was? Dr. Watson, was erlauben Sie sich?“ „Er eignet sich nicht für Ihre Spielchen, Holmes.“ „Ich habe nicht vor, Spielchen mit ihm zu spielen.“ Sie schwiegen sich wütend an. Dann fuhr Mycroft fort: „Dr. Watson, entgegen Ihrer und wahrscheinlich auch der Annahme der meisten anderen Menschen ist das, was sie 'Fassade' genannt haben, meine wahre Natur. Ich habe nicht etwa Gregory etwas vorgespielt. Ich spiele tagtäglich auf der Bühne der Politik. Und bei Gregory war ich zum ersten Male in der Lage, mein wahres Ich zu leben. Das kann ich sonst nirgends, nicht einmal bei meinen Eltern oder Sherlock ...“ Seine Stimme verschwamm ... Dr. Watson sah ihn interessiert an. Es schien, als sagte der Mann die Wahrheit, so erstaunlich das auch war. „Nun, ich kann es niemandem verdenken“, fuhr Mycroft fort, „dass man im allgemeinen dieses Bild von mir hat. Ich habe ja schließlich alles daran gesetzt, um dieses Bild zu erzeugen. Doch jetzt steht es mir im Wege, und ich muss eine Möglichkeit finden, Gregory davon zu überzeugen, dass der Mann, den er als Marc kennengelernt hat, wahrhaftig ist und keine Lüge.“ Watson atmete tief durch. „Nun, wenn das so ist ...“, sagte er langsam. „Wenn das so ist, werde ich Ihnen helfen. Aber ich warne Sie, Mycroft. Es gibt nicht viele Menschen, die ich in einem solchen Ausmaße wertschätze wie Lestrade. Und wenn Sie ihm weh tun, sollten Sie besser dafür sorgen, mir nicht so schnell wieder über den Weg zu laufen.“ Mycroft musste nun trotz allem schmunzeln. Dr. Watson war nun also schon der zweite, der ihm das „tu ihm nicht weh, sonst tu ich dir weh!“ - Gespräch verpasste. Gregory hatte offenbar gute Freunde, denen etwas an ihm lag. Nun, das sprach nur für ihn. Er seufzte. Ob wohl irgendwann einmal irgendjemand ein solches Gespräch mit Gregory führen würde? Um seinetwillen? Er bezweifelte es, und ein kleines bisschen tat sein Herz weh bei dem Gedanken. Doch er schüttelte das ab und wandte sich wieder an den Doktor. „Ich wäre für Ihre Unterstützung sehr dankbar, werter Doktor“, sagte er und gab sich weidlich Mühe, nicht ganz so sehr wie das kalte, arrogante Bild seiner selbst zu klingen. Kapitel 11: ------------ Dr. Watson nickte. „Ich will Ihnen gerne helfen.“ Watson war ein warmherziger, freundlicher Kerl; und selbst dann, wenn er sich kämpferisch gab, und ja, er war durchaus in der Lage knallhart zu sein, wo es galt, seine oder die Interessen ihm nahestehender Personen durchzusetzen, selbst dann jedenfalls konnte er seine gutherzige Natur nicht verleugnen. „Gut“, sagte Mycroft langsam, „was ... meinen Sie denn, was sollte ich nun tun?“ Er merkte selber, dass seine Stimme einen leicht verzweifelten Beiklang hatte. Aber was sollte man machen. Gregory bedeutete ihm mehr, als er selber in der relativ kurzen Zeit erwartet hatte, und er wusste einfach nicht, wie er mit der Situation, in die er sich ja selber hineinmanövriert hatte, umgehen sollte. „Ich denke, das beste wäre“, sagte Watson, „dass Sie ihn anrufen. Ihn um ein Gespräch bitten. Drängen Sie ihn zu nichts, machen Sie keine Versprechungen. Aber sagen Sie klipp und klar, dass Sie ihm gegenüber nicht ehrlich waren, dass sie ab sofort ehrlich sein werden, bitten Sie ihn um diese Chance und stellen Sie ihm anheim, im Anschluss an dieses Gespräch zu entscheiden, wie es weiter geht.“ Mycroft schluckte. „Aber ... was, wenn er danach ... nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte ...?“ Watson seufzte. „Ich fürchte, das werden Sie dann akzeptieren müssen.“ Er sah Mycroft aus seinen freundlichen blauen Augen an. „Hören Sie, Holmes. Sie wären nicht der erste und würden nicht der letzte sein, der unter Liebeskummer leidet. Und so sehr ich weiß, wie das schmerzt. Wenn das Objekt Ihrer Begierde Sie nicht will, dann bleibt Ihnen nichts, als das hinzunehmen. Gregory Lestrade ist ein erwachsener, eigenständiger Mensch und hat das Recht dazu, anständig behandelt zu werden und selber zu entscheiden.“ „Ich weiß“, sagte Mycroft leise. „Es würde nur so furchtbar wehtun.“ Watson, der immer noch eine leichte Skepsis empfand, seufzte erneut. „Jemanden lieben heißt, ihn seinen Weg gehen zu lassen, auch wenn dieser Weg nicht ein gemeinsamer ist.“ Mycroft nickte. „Sie haben recht, Dr. Watson. Es ist einfach alles neu für mich.“ Watson schmunzelte. Der Eismann, und so verliebt – ja, das war in der Tat neu. Und tief in seiner Seele wünschte er Mycroft, dass er mit Gregory sein Glück finden würde. Denn Eismann hin oder her, Mycroft schien ehrlich an einer Beziehung zu Lestrade interessiert zu sein, und ein bisschen Glück, fand er, hatte einfach jeder verdient. * * * Nachdem der Doktor gegangen war, saß Mycroft noch eine ganze Weile nachdenklich an seinem Schreibtisch. Er hatte vor, Johns Rat zu befolgen und Gregory um ein Gespräch zu bitten. Auf seinem Schreibtisch lag ein Riesenstapel Arbeit, und der Premierminister erwartete seinen Anruf. Der Konsul irgendeiner afrikanischen Republik bestand auf ein persönliches Treffen und der Brexit brachte Schwierigkeiten und Probleme mit sich zu Angelegenheiten, bei denen man es nicht im geringsten vermutet hätte ... Dennoch. All diese Dinge waren ihm in diesem Augenblick unwichtig, er fühlte sich nicht in der Lage, sich auf irgendetwas davon zu konzentrieren. Sein ganzes Arbeitsleben lang hatte er sich bisher immer um all das gekümmert und alles private dem geopfert. Höchste Zeit also und volle Berechtigung, fand er, einmal selbstsüchtig zu sein. Am liebsten wäre er zum Yard gefahren und hätte bei Gregory persönlich vorgesprochen. Doch damit hätte er ihn überrumpelt, und er hatte das Gefühl, dass das seiner Sache nicht zuträglich gewesen wäre. Also doch besser ein Anruf? Nun, vermutlich. Zuerst jedoch bat er Anthea, seine hochgeschätzte Assistentin, zu sich in sein Schreibzimmer. „Meine Liebe“, sagte er, „wären Sie so freundlich, für heute alle Termine und Gespräche abzusagen und neu zu vereinbaren? Teilen Sie bitte allen mit, ich sei unpässlich, würde aber ab morgen wieder für alle Erfordernisse zur Verfügung stehen.“ Anthea war eine Spitzenkraft. Sie war so gut geschult, dass sie nicht einmal eine Augenbraue hob, geschweige denn sich herausnahm, nach Gründen zu fragen. Sie fragte nicht einmal, ob er ärztlichen Rat benötigte oder sein Chauffeur vorfahren sollte, denn würde etwas davon zutreffen, hätte Mr. Holmes schon von sich aus die Sprache darauf gebracht. So sagte sie nur: „Gerne, Mr. Holmes“, und verließ das Zimmer, um dem Clubbediensteten mitzuteilen, dass Mr. Holmes nicht gestört werden wollte. Das wiederum war etwas, was Mycroft nicht hatte aussprechen müssen; nein, sie hatte es seinen Worten und Anweisungen an sie entnommen. Anthea wurde fürstlich bezahlt, aber sie war jeden Penny wert. Gut, das war also erledigt. Mycroft würde sich heute um keine seiner üblichen Aufgaben mehr kümmern müssen. Er konnte sich nun voll und ganz auf das konzentrieren, was ihm wichtig war. Er saß also hinter seinem Schreibtisch und starrte das Telefon an. Das Telefon, mit dem er gleich nun Gregory anrufen sollte. Er seufzte, legte die Hand auf den Hörer und nahm ihn ab. Das Freizeichen ertönte in seinem Ohr, doch noch bevor seine Finger die etwas altmodischen Wahltasten drücken konnten, hatte er ein wenig scheu den Hörer zurück auf die Gabel gelegt. Feigling, schalt er sich selber. So wirst du Gregory nicht davon überzeugen, dass du der richtige für ihn bist. Also griff er erneut zum Hörer. Lauschte erneut dem Freizeichen. Lauschte ihm so lange, bis die freie Leitung unterbrochen wurde und das Besetztzeichen erklang. Himmel Herrgott noch mal, Mycroft. Nun stell dich nicht so an! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Also, Hörer wieder auf die Gabel, wieder an Ohr und noch einen Versuch. Diesmal wählte er Gregorys Nummer im Yard. Es läutete. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann Klickte es und er hörte die wohlbekannte und ihm so angenehme Stimme: „Detektiv Inspector Gregory Lestrade, Scotland Yard, Major Crime?“ Kapitel 12: ------------ „Gregory ...“, sagte Mycroft und hörte selber, dass seine Stimme krächzend klang. „Oh ...“ Der Mann am anderen Ende der Leitung schien erstaunt zu sein, ihn am Apparat zu haben. Und offenbar ebenso ratlos bezüglich dessen, was man jetzt sagen sollte, wie Mycroft selber. Mycroft riss sich als erster zusammen. „Gregory“, sagte er, „bitte, hör mir einen Augenblick zu, ja?“ „Nun ...“ Gregory schien zu zögern. Doch dann sagte er: „Nun gut. Sag, was du zu sagen hast, Marc ...“ Er räusperte sich. „... oder sollte ich besser sagen, Mycroft?!“ Gregorys Stimme klang schneidend und abweisend. Mycroft konnte es ihm nicht übelnehmen. „Gregory, es tut mir leid. Ich weiß, ich habe mich dir unter falschem Namen vorgestellt. Ich bedauere das, und ich möchte dir gern erklären, warum. Aber dafür bitte ich dich um ein persönliches Gespräch.“ „Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Gregory, „ob ich überhaupt mit dir reden möchte. Nein, falsch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich genau das nicht möchte.“ Mycroft stöhnte. „Ich verstehe dich, Gregory. Wirklich. Und du hast alles Recht, wütend auf mich zu sein. Dennoch ... dennoch bitte ich ich dich um ein Treffen. Ich möchte dir erklären, warum ... und ich verspreche dir, von nun an ehrlich zu dir zu sein. Und wenn du mich nach dem Gespräch nie wieder sehen möchtest, dann akzeptiere ich das natürlich und werde dich nicht wieder belästigen. Versprochen.“ Du lieber Himmel. Greg wusste nicht, was er davon halten sollte. Der Mann, der hier so verzweifelt bat, klang so sehr nach Marc und so wenig nach dem eiskalten Holmes, dem gewieften Politiker, dem herrschsüchtigem Despoten, dem strengen älteren Bruder, den er auf Watsons Beschreibung hin in Mycroft Holmes sah, dass es ihm nicht gelingen wollte, diese beiden so verschiedenen Persönlichkeiten miteinander in Einklang zu bringen. Es klang so sehr nach Marc, dass es einfach sein Herz rührte. Dennoch. So schnell wollte er nicht klein bei geben. „Nun, du wirst ohnehin meine Entscheidung akzeptieren müssen, ob ich einem Treffen nun zustimme oder nicht. Immerhin bin ich keiner deiner Untergebenen, die du herum scheuchen kannst.“ Wieder seufzte Mycroft. „Selbstverständlich, Gregory.“ „Du wirst es also hinnehmen, wenn ich dir jetzt sage, du sollst dich zum Teufel scheren? Und wirst mich nie wieder behelligen?“ „Nun, wenngleich mich das auch zutiefst betrüben würde ... welches Recht hätte ich, deine Entscheidungen nicht zu akzeptieren?“ Oh Himmel, diese geschwollene Redeweise ... Gregory mochte das. Er grinste. „Also ... ja?“, hakte er nach. „Ja“, sagte Mycroft mit belegter Stimme. Gregory spürte, dass der Ärger in ihm zu bröckeln begann. Natürlich war noch lange nicht alles gut, oh nein. Er würde Erklärungen fordern, jawohl, knallhart auf den Tisch. Und er würde ein paar Regeln aufstellen. Aber ... Er war zumindest bereit, die Brücken nicht komplett abzubrechen. Vielleicht war ja doch etwas da, was man retten konnte. „Nun gut. Wenn das so ist ... dann bin ich mit einem Treffen einverstanden.“ Man konnte das Aufatmen des anderen selbst durch die Telefonleitung deutlich hören. „Aber“, sagte Gregory, „zu meinen Bedingungen.“ „Selbstredend.“ „Du wirst mich ausführen. Ins Arlecchino e Colombina, da hat es mir am besten gefallen und ich fühle mich dort wohl.“ „Einverstanden.“ „Und ... dein Chauffeur wird mich abholen, und auch dann nach Hause bringen, wenn wir bei dem Gespräch auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.“ „Natürlich.“ „Und du wirst mir überlassen, wie es dann weitergeht. Keinerlei Beeinflussungsversuche, keine Ultimaten oder dergleichen Unsinn. Und ...“ Er schwieg einen Augenblick, bis Mycroft sich genötigt fühlte, nachzuhaken: „Ja, Gregory?“ „Keine Lügen.“ „Keine Lügen.“ „Egal, was ich dich frage, Ma.. Mycroft, du antwortest mir offen und ehrlich.“ „Nun“, sagte Mycroft zögernd, „ich werde dir eventuell nicht alles beantworten können, jedenfalls nicht, was meine berufliche Tätigkeit betrifft.“ „Nun“, sagte Gregory, „wir werden sehen.“ „Und“, sagte Mycroft leise, „wann ... möchtest du ...“ „Dienstag“, sagte Gregory. „Kommenden Dienstag, zur selben Zeit wie immer.“ „Ja“, antwortete Mycroft. „Das klingt wunderbar.“ Er räusperte sich. „Und ... danke, Gregory. Danke, dass du mich nicht abgeschrieben hast.“ „Bilde dir bloß nichts ein“, sagte Greg, „ich bin noch lange nicht versöhnt. Aber ... na ja, ein Anfang ist vielleicht gemacht.“ „Danke“, sagte Mycroft, und er klang hoffnungsvoll. „Bis Dienstag, mein ...“ Nein, mein Schatz zu sagen, wäre jetzt wohl nicht angebracht. Und so verschluckte er das Wort, das ihm auf der Zunge gelegen hatte und legte auf. Gregory stützte des Gesicht auf den Arm und dachte nach. Dienstag also. Dienstag würde er sich mit Mycroft treffen ... nein. Mit Marc. Der Mann, den er kannte war Marc. Und Marc hatte eben in ihm diese Gefühle aufgelöst ... diese Sehnsucht, die dafür gesorgt hatte, dass er am Ende einem Treffen zugestimmt hatte. Was der kommende Dienstag also wohl bringen würde? Nun, man würde sehen. Kapitel 13: ------------ Die Woche verflog. Das Wochenende verging geradezu im Fluge, weil wieder mal soviel Arbeit anstand, dass Greg auch Samstag und Sonntag im Büro erschien. Und ehe er sichs versah, war es Dienstag Abend. Bei Mycroft sah die Sache anders aus. Für ihn schienen diese paar Tage dahinzuschleichen wie Schnecken, und die Zeit schien einfach nicht vergehen zu wollen. Die ganze Welt schien sich verschworen zu haben, denn es war so friedlich wie lange nicht, was ja grundsätzlich eine gute Sache war. Die Lösungen für diverse Probleme schienen einfach zu funktionieren, neue Probleme tauchten nicht auf. Kein einziger Staat in Osteuropa, dem nahen Osten, Südamerika oder sonst wo machte irgendwelche dummen Dinge. Kein neuer Diktator tauchte auf, keiner der alten Diktatoren machte mehr Ärger als es allgemein üblich war. Wenig zu tun also für Mycroft Julius Cesar Holmes, dem Kopf hinter der britischen Regierung, und viel zu viel Zeit, zu grübeln und sich die Haare zu raufen. Das Wochenende wahr besonders schlimm. Nachdem er Anthea zum dritten mal unfreundlich angemotzt hatte, was er sonst nie tat, hatte sie ihn mit der Bemerkung, er sei ja schlimmer als sein Bruder, wenn dem langweilig sei, aus dem Büro geschmissen und ihn nach Hause geschickt. Er solle sich entspannen. Ha! Entspannen! Wie sollte das möglich sein mit der Ungewissheit, ob Gregory ihnen beiden noch einmal eine Chance geben würde? Aber was sollte man tun, es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Sache auf sich zu kommen zu lassen, und so lief er zu Hause auf und ab wie ein Tiger im Käfig und wartete, dass die Zeit verginge und es nun endlich Dienstag werde. Und schließlich war es soweit. Es war Dienstag, es war früher Abend, und es war Zeit, sich zurecht zu machen. Er gab sich besonders viel Mühe. Es war ihm klar, dass er nicht gerade durch klassische männliche Schönheit bestach. Nun, jedenfalls empfand er das so. Die Nase zu schmal, die Stirn zu hoch, das Haar zu schütter ... andererseits, was ihm hier fehlte, machten seine schlanke Figur und seine Eleganz wieder wett. Und so stand er lange vor dem Spiegel, länger als er das gewohnt war, denn normalerweise war er nicht von Selbstzweifeln geplagt, was seine Garderobe und ihre Anwendung betraf. Doch heute ... Schließlich nahm er die Hilfe seines Butlers George, der treuen Seele, in Anspruch, der ihm half, einen Anzug auszuwählen, der seine natürliche Eleganz unterstrich und edel war, dabei aber doch schlicht und dezent wirkte. Dazu selbstredend das passende Hemd sowie einen gut abgestimmte Krawatte. Schließlich war er zufrieden und konnte nur hoffen, dass sein Anblick Gregory gefiel. Also machte er sich auf zum „Arlecchino e Colombina“. Er ging zu Fuß, denn er wollte den Kopf frei kriegen und die frische Luft würde ihm dabei helfen. Seinen Wagen schickte er los, um Gregory abzuholen. Er betrat das Restaurant und wurde zu ihrem Tisch geleitet. Er bat um ein Glas Wasser, denn sein Hals war trocken, was sicher an der Aufregung lag. Würde Gregory wirklich kommen? Oder hatte er es sich womöglich anders überlegt, und würde ihn hier einfach sitzen lassen? Vielleicht hatte er das ja sogar verdient ... Doch nein, ein solches Verhalten würde nicht zu Gregory passen. Mycroft seufzte. Du liebes Bisschen, er benahm sich ja wie ein liebeskranker Teenager. Wenn seine Freunde und Feinde auf dem politischen Parkett ihn so sehen könnten, Gott bewahre! Er trank das Wasser mit einem Zug leer und bestellte ein weiteres. Und dann blieb ihm nur noch, zu warten. Jedes mal, wenn die Tür des Restaurants sich öffnete, hob er hoffnungsvoll den Kopf. Doch nein, es war nicht Gregory. Ein Paar trat ein, offenbar in romantischer Stimmung, denn sie gingen Hand in Hand zu ihrem Tisch, und schauten sich die ganze Zeit verliebt an. Eine Familie, Mutter, zwei Söhne, eine Schwiegertochter und ein Enkelkind. Die Mutter hat Geburtstag, dachte Mycroft, sie feiern, allerdings herrscht unangenehme Spannung zwischen ihnen ... die Schwiegertochter hasst die alte Dame, was auf Gegenseitigkeit beruht. Ihr geschätzter Gatte hat keine Ahnung von den Animositäten zwischen der Gemahlin und der Frau Mama. Der zweite Sohn ist nervös ... er will etwas wichtiges zur Sprache bringen, und er weiß nicht, wie die Familie, insbesondere die alte Matriarchin, das ganze aufnehmen wird ... es geht um ...oh, eindeutig, er will sich outen. Der nervöse junge Mann dort hinten an dem kleinen Tisch ist sein Freund und er will ihn den anderen vorstellen. Na, wenn das mal gut geht ... Wieder öffnete sich die Tür. Ein Mann trat ein, sah sich suchend um und verließ das Lokal wieder. Und Gregory war immer noch nicht da. Die verabredete Zeit war seit wenigen Minuten vorüber. Mycroft schluckte trocken und trank sein zweites Glas Wasser leer. Was sollte er tun, wenn Gregory tatsächlich nicht kam? Was konnte er überhaupt tun? Es würde ihm nichts weiter übrig bleiben, als es zu akzeptieren. Er würde ... ja, er würde Gregory einen letzten Blumenestrauß senden, mit einer Karte, auf der er noch einmal um einmal um Verzeihung bat. Und dann würde er ihn in Frieden lassen. Er würde trauern um die vergeben Chance. Er würde trauern um eine verlorene Liebe. Möglicherweise würde auch sein Herz zerbrechen. Und doch, er würde es akzeptieren und Gregory seinen Weg gehen lassen. Es war das einzige, was er mit Würde und Anstand tun konnte. Erneut öffnete sich die Tür. Mycroft hielt den Atem an. Es war bereits eine halbe Stunde über die vereinbarte Zeit hinaus, und es war unwahrscheinlich, dass es sich bei dem dort Eintretenden um Gregory Lestrade handelte ... und doch, Mycroft hoffte. Er hoffte so sehr. Wenn er das jetzt nicht ist, dachte Mycroft, dann werde ich aufstehen und gehen und das alles hinter mir lassen und nicht mehr zurück blicken. Er schloss kurz die Augen für ein Stoßgebet, und als er sie wieder öffnete ... … stand Gregory Lestrade vor ihm und lächelte sein schönstes Lächeln. Kapitel 14: ------------ Während des Essens, das wie immer vorzüglich war, redeten sie recht wenig. Sie wechselten höfliche, eher distanzierte Worte und merkten sich gegenseitig die Unsicherheit an. Ja, die Situation war für sie beide nicht angenehm, aber dennoch spürten sie auch wiederum, dass der jeweils andere bemüht darum war, das beste daraus zu machen, und das war doch immerhin etwas. Nachdem der Nachtisch abgeräumt war, sah Gregory Mycroft über den Rand seines Glases hinweg an. Dieser Blick aus seinen wunderbaren braunen Augen ging Mycroft direkt ins Herz. Also stellte er sein eigenes Glas auf den Tisch, atmete durch und sagte: „Gregory es tut mir wirklich leid.“ Gregory schwieg, also fuhr Mycroft fort: „Als ich dich kennenlernte, als du deinen Kaffee über mich verschüttet hast, war ich vom ersten Augenblick an hingerissen von dir. Von deiner Freundlichkeit. Deinem Charme. Zeitgleich hatte ich Angst. Es ist Jahre, man könnte fast sagen Jahrzehnte her, dass ich zuletzt eine Beziehung hatte. Ich hatte Angst verletzt zu werden und gleichzeitig auch, dich zu verletzen. Und, das muss ich ehrlich zugeben, es ist zu oft geschehen in der Vergangenheit, dass meine Feinde versucht haben, mich auf eine solche Weise zu manipulieren.“ Mycroft zuckte zusammen ob seiner eigenen Worte. Er hatte das Gefühl, beinahe zu viel gesagt zu haben. Gregory jedoch schien zu spüren, was im Augenblick in ihm vorging. Er schenkte Mycroft ein wissendes Schmunzeln. „Nun, mein Lieber“, sagte er, „dein untergeordneter Posten bei der britischen Regierung wird dir doch kaum so viele Feinde verschaffen, oder?“ Mycroft spürte einen Schauder über seinen Rücken laufen. Was sollte er nun tun? Er wollte Gregory nicht schon wieder belügen. Andererseits konnte er ihm einfach nicht mehr dazu sagen. Sein Job war nun einmal nicht zur öffentlichen Diskussion geeignet. „Schon gut“, sagte Gregory und fuhr mit verschwörerisch leiser Stimme fort: „Sherlock hat mir erzählt, dass du wesentlich mehr bist als das. Wenn man seinen Worten Glauben schenken mag, dann BIST du die britische Regierung, nicht wahr?“ Mycroft leckte sich verlegen über die Lippen. „Nun ...“, sagte er. Gregory schmunzelte immer noch. „Ist in Ordnung, wenn du mir diesen Punkt nicht mehr erzählen darfst. Ich werde, was das betrifft, nicht in dich dringen.“ „Nun, wie auch immer“, sagte Mycroft, „habe ich ganz instinktiv reagiert und dir einen falschen Namen genannt. Vielleicht kannst du dafür ein wenig Verständnis aufbringen. Allerdings hätte ich dir die Wahrheit sagen müssen, als wir uns weiterhin getroffen haben und ich nach und nach herausfand, dass du einfach der bist, der du zu sein vorgabst und das nichts an dir unehrlich oder unecht ist. Aber ich weiß nicht, ich habe einfach nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden.“ „Ich verstehe das ja“, sagte Gregory. „Ich gebe zu, es fällt mir nicht leicht. Als ich herausfand, dass du mich belogen hast, dass du nicht einfach nur jemand anders bist als der, der du zu sein vorgabst sondern dass du darüber hinaus auch noch der Bruder meines Detektiven warst, von Sherlock Holmes, mit dem ich zusammen arbeite; dass du also viel über mich wissen musstest und ich wusste nichts über dich, da war ich stinksauer, das muss ich ehrlich zugeben. Doch inzwischen verstehe ich, warum du so reagiert hast und ich bin ehrlich, ich habe eine Zeit lang überlegt, alles hinzuschmeißen und dich nie wiederzusehen. Aber ...“ 'Aber' hatte Gregory gesagt und Mycroft Herz klopfte wie verrückt. Gregory spielte mit dem Stiel seines Weinglases. Seine Augen waren auf das Tischtuch gerichtet. Doch dann blickte er wieder auf und sah Mycroft direkt ins Gesicht. „Aber ich gebe zu, ich habe dich vermisst in den paar Tagen, die wir uns jetzt nicht gesehen haben und auch keinen Kontakt miteinander hatten. Und ich hatte Sehnsucht danach, zu wissen, dass du da bist. Sehnsucht danach, mich auf dich zu freuen, auf unseren gemeinsamen Abend zu freuen. Und ich hatte einfach Sehnsucht nach dir.“ Gregory seufzte „Gregory, ich ...“ Mycroft stotterte. „Gregory, ich kann dir versprechen, dass ich dich nie wieder anschwindeln werde. Ich werde dir vielleicht nicht immer alles sagen können, nicht jede Frage beantworten können, sofern sie meinen Beruf betrifft. Aber ich werde dich nie wieder anlügen, und wenn es etwas gibt, das du mich fragst und das ich dir nicht sagen kann, dann werde ich keine Lüge erfinden, sondern werde dir offen und ehrlich sagen: Tut mir leid aber darauf kann ich dir keine Antwort geben. Und alles was unser persönliches Leben betrifft, sofern du mir die Chance gibst und wir beide ein gemeinsames persönliches Leben haben werden; alles wird von jetzt ein ehrlich sein, auch wenn es manchmal schmerzhaft ist. Denn auch wenn Ehrlichkeit manchmal weh tun kann, denke ich du hast recht. Ehrlichkeit ist immer noch besser als das, was entsteht wenn man sich anschwindelt.“ Er sah Gregory flehend an und hoffte so sehr, dass der ihn nicht abwies. „Mycroft“, sagte Gregory, „ich habe dich gern. Ich gebe zu ...“ Er schluckte. „... dass ich dabei bin, mich in dich zu verlieben.“ Seine Ohrenspitzen wurden rot. „Ich hatte mich bereits in Marc verliebt, bevor das alles über uns hereinbrach. Doch jetzt sitzt Mycroft hier vor mir, der genau so warmherzig und freundlich ist, wie Marc, und der doch noch viel mehr ist. Viel mehr darüber hinaus. Und ich bin dabei, mich in diesen Mycroft zu verlieben.“ Mycroft streckte vorsichtig seine Hand nach Gregory aus. „Oh, Gregory!“ „Aber“, sagte Gregory, „um eines muss ich dich noch bitten. Ich brauche ein wenig Zeit. Wir werden, wenn du es auch möchtest, eine gemeinsame Zukunft haben. Lass uns langsam Schritt für Schritt diesen Weg gehen und lass uns schauen wo er uns hinbringt.“ „Natürlich“, sagte Mycroft, „du sollst alle Zeit dieser Welt haben, Gregory, alle Zeit dieser Welt. Denn wenn ich weiß, dass da eine Zukunft auf uns wartet, dann bin ich bereit, auf dich zu warten, solange es nötig ist und solange du es dir wünschst.“ „Dann lass uns diesen Abend genießen“, sagte Gregory. „Bring mich nachher nach Hause, und dann ich brauche vielleicht ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen, bis ich mich melde. Und dann bitte ich dich um ein Date und wir beide fangen von vorne an.“ „Das klingt großartig“, sagte Mycroft, und in der Tat, das tat es. Das war weit mehr, als er sich erhofft hatte, weit mehr als er sich zu hoffen erlaubt hatte. Wenn Gregory es wollte, dann würde er warten, solange es notwendig war, wenn er nur wüsste, dass das Warten irgendwann ein Ende haben würde, und so wie es aussah lief es darauf hinaus. „Dann lass uns anstoßen“, sagte Gregory und erhob das Glas mit dem funkelnden Rotwein. „Ja, lass uns anstoßen“, sagte Mycroft, und das „Pling!“ ihrer Gläser klangt mit frohem, hellem Klang durch den Raum. Sie sahen sich in die Augen, und sie wussten beide, dass hierin der Beginn von etwas Gutem lag, und wenn sie sich umeinander bemühen würden, und an sich arbeiten und an ihrem Miteinander arbeiten würden, dann könnte irgendwann auch etwas wirklich Großes daraus entstehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)