Elegante Psycho-Kräfte von Flordelis ================================================================================ [Dojo-Zeit] – Soll ich dir etwas über meine Familie erzählen? ------------------------------------------------------------- [LEFT]Als Kind war er zwar bereits imstande, Objekte mit der Kraft seines Geistes zu bewegen, aber da er weder zur Teleportation noch Telepathie fähig ist, gilt er in seiner Familie als Enttäuschung.[/LEFT] [LEFT]Ich las diesen einen Satz auf der Rückseite von Saverios Ligakarte immer wieder. Er klang einfach so traurig, dass ich ihn nicht damit vereinbaren konnte, wie Saverio wirklich war. Okay, er war ein bisschen unfreundlich zu den Schülern, er konnte sich meinen Namen nicht merken und reichte Aufgaben immer an mich weiter, aber mich störte das nicht. Ich war überzeugt, dass es ihm nur schwerfiel, neue Kontakte zu knüpfen. Und diese Karte, die er mir – sogar mit Autogramm – überlassen hatte, bestätigte mir das.[/LEFT] [LEFT]Voldi wühlte im Sandstrand nach etwas Essbarem, nicht weit von ihm lag ein Flegmon schlafend in der Sonne. Deswegen saß ich so gern hier am Strand, denn Flegmons ließen mich auch immer an Saverio denken – immerhin mochte er dieses Pokémon, das stand auch auf seiner Karte.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich jaulte Voldi auf und rannte zu mir zurück. Aus dem von ihm gebuddelten Loch krabbelte ein empört dreinblickendes Krabby, das sich leise grummelnd von uns entfernte.[/LEFT] [LEFT]Ich sah Voldi tadelnd an. »Du sollst doch die Pokémon in Ruhe lassen. Der Meister hat gesagt, ich darf hier noch nichts fangen.«[/LEFT] [LEFT]Vor zwei Wochen waren Saverio und ich ins Dojo gekommen. Wir hatten beide den ersten Kampf nicht geschafft, aber bei mir hatte es daran gelegen, dass ich nur Voldi hatte. Nach dieser Erkenntnis und meiner Erklärung für meine Anwesenheit war Meister Mastrich kaum noch aus dem Lachen herausgekommen. Mir war erlaubt worden zu bleiben und ebenfalls unter ihm zu lernen, aber den ersten Monat sollte ich damit verbringen, mich um die Pokémon des Dojos zu kümmern. Sobald ich zeigte, dass ich etwas davon verstand, bekäme ich die Erlaubnis, auf der Rüstungsinsel Pokémon zu fangen. Mir machte das Spaß, also störte ich mich nicht daran. Auch nicht daran, dass Saverio mich immer das Geschirr spülen ließ, obwohl er das machen sollte.[/LEFT] [LEFT]»Vol~!«, war die einzige Antwort, aber immerhin wirkte Voldi schon wieder fröhlich.[/LEFT] [LEFT]Er kletterte auf meinen Schoß und schnüffelte an der Ligakarte. »Vol~.«[/LEFT] [LEFT]»Richtig~. Du und ich werden ihm beweisen, dass er ein ganz toller Kerl ist. Ist uns doch egal, was seine blöde Familie denkt, oder?«[/LEFT] [LEFT]Darauf schleckte Voldi mir das Gesicht ab. Ich wertete das als Zustimmung.[/LEFT] [LEFT]Als sich uns Schritte näherten, sprang er von meinem Schoß herunter, um den Besuch in Augenschein zu nehmen.[/LEFT] [LEFT]»Da bist du ja.«[/LEFT] [LEFT]Voldi begrüßte Saverio mit fröhlichen Vol-Ausrufen. Saverio nickte ihm lediglich zu. Als er neben mir stehenblieb, stand ich auch auf. »Hast du mich gesucht?«[/LEFT] [LEFT]»Enia schickt mich«, erklärte er. »Ich soll dich zum Abendessen holen.«[/LEFT] [LEFT]Er richtete seine Brille. »Eigentlich bin ich nicht für solche Botengänge geeignet. Ich hoffe also, du weißt zu schätzen, dass ich das tue.«[/LEFT] [LEFT]»Natürlich~. Danke, Saverio.«[/LEFT] [LEFT]Er lächelte zufrieden. Dann fiel sein Blick auf die Ligakarte in meiner Hand. »Oh, bewunderst du mein großartiges Bild? Es ist sehr gut geworden, nicht wahr?«[/LEFT] [LEFT]»Eigentlich habe ich eher den Text gelesen.«[/LEFT] [LEFT]Sein Gesicht verzog sich, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Das musst du nicht weiter ernst nehmen. Meine Talente werden total in den Schatten gestellt.«[/LEFT] [LEFT]Zur Demonstration ließ er die Pokébälle um seine Hand kreisen.[/LEFT] [LEFT]»Ja, aber hier steht, du beherrscht weder Teleportation noch Telepathie. Ist das wahr?«[/LEFT] [LEFT]Er runzelte seine Stirn, seine Augen schienen noch eine Spur heller zu werden als sonst. »Ist das denn so wichtig?«[/LEFT] [LEFT]In diesem Moment wirkte er unglaublich angespannt. Die Pokébälle schwebten weiter, verharrten aber in der Luft, dafür vibrierten sie ein wenig.[/LEFT] [LEFT]»Für mich nicht.« Ich lächelte. »Ich finde trotzdem, dass du toll bist.«[/LEFT] [LEFT]Er entspannte sich wieder, die Bälle setzten ihre Bahnen fort. Er lächelte ein wenig. »Warum hängst du dann solch trübsinnigen Gedanken nach? Gelüstet es dich nach Amnesie?«[/LEFT] [LEFT]»Nein, ich hab nur über ein paar Dinge nachgedacht. Warum du bist wie du bist, zum Beispiel.« Ich neigte den Kopf. »Es fällt mir aber echt schwer, das nachzuvollziehen. Also … würdest du mir was über deine Familie erzählen?«[/LEFT] [LEFT]Er hob eine Augenbraue. »Wozu die Mühe? Ein so einfacher Verstand wie deiner wird niemals in der Lage sein, mein Genie zu verstehen.«[/LEFT] [LEFT]Solche Gemeinheiten waren es, die dafür sorgten, dass es zwischen ihm und den anderen Schülern zu Reibereien kam. Und um herauszufinden, woher diese kamen, musste ich mehr über ihn wissen. Aber wenn er nicht anfangen wollte …[/LEFT] [LEFT]»Soll ich dir etwas über meine Familie erzählen?«[/LEFT] [LEFT]Seine Augenbraue blieb oben. »Warum sollte mich das interessieren?«[/LEFT] [LEFT]»Na ja, ich will unbedingt so viel wie möglich über dich wissen. Aber du willst ja von dir aus nichts erzählen. Also dachte ich, wenn ich anfange, redest du irgendwann auch.«[/LEFT] [LEFT]Er wandte sich von mir ab und starrte auf den Ozean hinaus. Die hinter uns untergehende Sonne warf lange Schatten, was besonders bei Saverio und seinem Zylinder ein interessantes Bild abgab; sein Schatten schien sich bis zum Horizont zu erstrecken.[/LEFT] [LEFT]»Manchmal«, murmelte er, »ist es besser, nicht zu viel zu wissen.«[/LEFT] [LEFT]Bevor ich darauf reagieren konnte, drehte er mir den Rücken zu. »Wie auch immer, jetzt komm endlich, Enia wartet mit dem Abendessen. Und denk daran, dass du danach das Geschirr spülen wolltest, Isa.«[/LEFT] [LEFT]»Iva.«[/LEFT] [LEFT]»Ja, das sagte ich doch.«[/LEFT] [LEFT]Als er davonging, sah ich ihm noch eine Weile hinterher. Da war dieser kurze Moment der Verwundbarkeit gewesen, der mir sagte, dass ich mit meinem Verdacht richtig lag. Etwas war mit seiner Familie im Argen – ich musste nur noch herausfinden, wie ich ihn dazu bringen könnte, mir mehr zu erzählen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Wie üblich nahmen wir das Abendessen alle zusammen in der Küche ein, alle Schüler, Meister Mastrich und natürlich Enia. Man tauschte sich über die Ergebnisse des Tages aus, lauschte dem ein oder anderen Scherz von Mastrich und beschloss, morgen zu einem noch besseren Tag zu machen. Ich hatte bei diesen Abendessen nie etwas zu erzählen, hörte aber aufmerksam zu – anders als Saverio, der auch nie etwas sagte und noch dazu nie zuzuhören schien. Er wirkte immer in seine eigenen Gedanken versunken. Worüber dachte jemand wie er wohl nach? Das hätte ich zu gern gewusst, aber er weigerte sich, mir zu viel zu verraten.[/LEFT] [LEFT]Im Anschluss zerstreuten sich alle, um ihren eigenen Dingen nachzugehen, nur ich blieb in der Küche zurück, um das Geschirr zu spülen, wie ich es Saverio versprochen hatte.[/LEFT] [LEFT]Während ich bis zu den Ellenbogen in seifigem Wasser Schüsseln schrubbte, kam Enia in die Küche zurück. Sie schüttelte seufzend mit dem Kopf. »Iva, Liebes, es ist schön, wie viel Einsatz du zeigst, aber ist das nicht eigentlich Saverios Aufgabe?«[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte ihr entgegen. »Das ist schon okay. Ich hab auch zu Hause immer das Geschirr gespült, da stört mich das gar nicht.«[/LEFT] [LEFT]»Darum geht es doch nicht«, erwiderte sie. »Dieses Dojo hier dient der Entwicklung, für Pokémon und Menschen. Wenn du Saverio immer alles abnimmst, wird er sich doch aber nie entwickeln können.«[/LEFT] [LEFT]Das klang recht logisch.[/LEFT] [LEFT]»Aber ich will, dass er mich mag.«[/LEFT] [LEFT]Das war nicht logisch.[/LEFT] [LEFT]Enia legte eine Hand an ihre Wange. »Ich frage mich das ja schon eine Weile … warum willst du das denn? Ich bin sicher, Saverio ist eigentlich ein vernünftiger Junge, aber er merkt sich nicht einmal deinen Namen. Findest du das nicht respektlos?«[/LEFT] [LEFT]Bei jeder anderen Person hätte ich vielleicht zugestimmt, aber Saverio war besonders, das erklärte ich Enia auch direkt. Sie zog die Brauen zusammen. »Etwa wegen seiner Telekinese?«[/LEFT] [LEFT]»Ja, aber nicht nur. Er ist auch so total elegant. Außerdem tut es mir leid, dass seine Familie ihn als Enttäuschung betrachtet. Da sollte man zumindest Freunde haben, die zu einem stehen. Er hat aber Probleme damit, sich Freunde zu machen, also helfe ich ihm dabei.«[/LEFT] [LEFT]»Hmm.« Enia schien darüber nachzudenken. »Das ist doch hoffentlich kein Helferkomplex?«[/LEFT] [LEFT]Ich wusste nicht einmal, was das bedeuten sollte.[/LEFT] [LEFT]»Glaube ich nicht. Ich will nur, dass andere Leute auch sehen können, wie toll er ist.«[/LEFT] [LEFT]Die Antwort genügte ihr anscheinend endlich, denn sie fragte nicht weiter. Dafür kam sie auf ein anderes Thema zu sprechen: »Deine Freunde sind auf Arena-Challenge, nicht wahr?«[/LEFT] [LEFT]Dort, wo ich eigentlich auch hätte sein müssen. Die entsprechende Nachricht von Victor, in der er sich darüber beklagte, dass ich nicht in Engine City aufgetaucht war, belastete mich immer noch, obwohl ich mich schon mehrmals entschuldigt hatte. Rae, Gloria und Hop (und sogar meine Mutter) waren da schon verständnisvoller. Aber Victor war eben der Verantwortungsvolle.[/LEFT] [LEFT]»Wie läuft die Challenge denn für sie?«, fragte Enia, während sie sich ein Handtuch nahm, um das Geschirr abzutrocknen.[/LEFT] [LEFT]»Für Rae, Hop und Victor läuft es gut«, antwortete ich und seufzte dann. »Aber Gloria hat gegen Kabu verloren.«[/LEFT] [LEFT]Das hatte sie mir am Telefon erzählt, nachdem sie sich von den anderen drei verabschiedet hatte. Mir war kaum etwas eingefallen, um sie zu trösten, darin bin ich einfach nicht gut. Vielleicht saß sie gerade immer noch in Engine City und trauerte der Challenge hinterher, während Rae, Hop und Victor in der Naturzone campierten.[/LEFT] [LEFT]»Wie traurig. Kabu ist aber auch ein sehr starker Arenaleiter. An ihm scheitern viele Challenger.«[/LEFT] [LEFT]Das hatten Rae und Hop mir auch erklärt. Aber das machte es dennoch nicht besser für Gloria, die natürlich am Boden zerstört war.[/LEFT] [LEFT]»Die Arena-Challenge ist eine ganz besondere Zeit für viele«, sagte Enia. »Bereust du es, stattdessen hierher gekommen zu sein?«[/LEFT] [LEFT]Darum ging es in diesem Gespräch also. Egal, das brachte mich nicht aus der Ruhe. »Ein wenig vielleicht. Aber ich finde es schön hier. In diesem Dojo, auf der Insel – und mit Saverio~.«[/LEFT] [LEFT]»Es ist erstaunlich, wie vernarrt du in ihn bist.« Enia lachte. »Irgendwann wirst du einen Mann mal sehr glücklich machen. Aber überlege doch wenigstens, ob es Saverio sein muss.«[/LEFT] [LEFT]»Ich bin zehn«, erwiderte ich irritiert.[/LEFT] [LEFT]»Also hast du noch viel Zeit zum Nachdenken.« Sie lächelte mich an. »Ein Vorteil der Jugend ist es, Fehler machen zu dürfen. Aber daraus sollte man auch lernen. Denk darüber nach, ja?«[/LEFT] [LEFT]Ich verstand immer noch nicht, was genau sie da von mir verlangte. Dabei wollte ich Saverio doch nur ein wenig helfen, wenn es sonst keiner tat, nicht einmal seine eigene Familie. Aber da ich nun fertig mit dem Geschirr war, wollte ich dieses Gespräch auch nicht weiter fortsetzen. Immerhin müsste ich mich um die Pokémon kümmern, damit sie schlafen gehen könnten.[/LEFT] [LEFT]»Okay«, sagte ich, »ich werde darüber nachdenken. Danke, Enia.«[/LEFT] [LEFT]»Keine Ursache, Liebes. Nun geh, kümmere dich bitte um deine Aufgabe.«[/LEFT] [LEFT]Ich nickte und ging zu den Pokémon hinüber, die mich bereits erwarteten, allen voran Voldi, der hechelnd an mir hochsprang. Lachend ging ich in die Knie, um ihm und den anderen zu erklären, dass es nichts zu essen gäbe, sondern es Zeit fürs Bett wurde. In Gedanken war ich dabei aber immer noch bei der Frage, wie ich Saverio helfen könnte, endlich ein wenig offener zu werden – und wenn es nur mir gegenüber war.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Das Frühstück verlief meist genau wie das Abendessen, nur mit anderen Nahrungsmitteln, und statt über den morgigen Tag sprach man darüber, den heutigen besser zu machen. Außerdem wurden am Ende alle losgeschickt, um ihr Training zu beginnen oder ihre Aufgaben zu erfüllen. Dadurch wurde es vormittags sehr still im Dojo, da um diese Zeit so gut wie alles draußen stattfand, während die Gräser noch mit Tau bedeckt waren.[/LEFT] [LEFT]Ich ging auch an diesem Tag wieder dem Geschirr spülen nach (obwohl Saverio mich nicht ausdrücklich darum gebeten hatte), als plötzlich jemand in die Küche zurückkehrte.[/LEFT] [LEFT]»Habt ihr was vergessen?«, fragte ich, ohne von der Arbeit aufzublicken.[/LEFT] [LEFT]»Ich darf dich darauf hinweisen, dass ich nie etwas vergesse.«[/LEFT] [LEFT]Nun hob ich doch den Blick, nur um mich selbst davon zu überzeugen, dass es wirklich Saverio war, der da in der Tür stand. Er richtete gerade seine Brille, durch die er mich schmunzelnd musterte. »Weißt du nicht, ob du deinen Augen trauen kannst? Ja, es kann schwer sein, meine Genialität anzuerkennen, ich weiß.«[/LEFT] [LEFT]Ich lächelte ihn an. »Warum bist du hier?«[/LEFT] [LEFT]»Oh, ich dachte mir …« Sein Blick wanderte durch die Küche, bis er das Geschirrtuch entdeckte, das er sofort in die Hand nahm. »Ich dachte mir, ich könnte dir heute großzügigerweise helfen.«[/LEFT] [LEFT]»Bei deiner eigenen Aufgabe?«[/LEFT] [LEFT]Er räusperte sich, statt darauf einzugehen. Dafür nahm er mir eine Schüssel ab, die ich ihm reichte. Während er mit größter Konzentration das Geschirr trocknete, schwieg er. Aber aus den Augenwinkeln konnte ich beobachten, wie er immer wieder zum Reden ansetzte, nur um es dann doch zu lassen. Erst als er wohl bemerkte, dass wir langsam fertig wurden, gab er sich einen sichtlichen Ruck und räusperte sich noch einmal. »Nun, Isa-«[/LEFT] [LEFT]»Iva.«[/LEFT] [LEFT]»Ja ja. Jedenfalls habe ich nachgedacht. Wenn es dir ein solches Bedürfnis ist, mir von deiner Familie zu erzählen, werde ich dir gnädigerweise zuhören.«[/LEFT] [LEFT]»Wirklich?«[/LEFT] [LEFT]Er seufzte theatralisch. »Als Erwachsener ist es meine Pflicht, mich um die jüngere Generation zu kümmern. Besonders wenn sie so leicht beeinflussbar ist wie du.«[/LEFT] [LEFT]Woher kam sein Sinneswandel? Egal, solange er mir zuhören und vielleicht mehr über sich erzählen würde, wollte ich nicht zu neugierig sein. Mein Opa sagte früher schließlich immer, einem geschenkten Galoppa schaut man nicht ins Futter … oder so ähnlich.[/LEFT] [LEFT]»Meine Mutter und ich wohnen in Furlongham, da gibt es nichts außer viele, viele Wollys.«[/LEFT] [LEFT]»Stammt Delion, der Unbesiegbare, nicht auch von dort?«[/LEFT] [LEFT]Ich strahlte regelrecht über diese Zwischenfrage, die mir bewies, dass er nicht sofort abgeschaltet hatte. »Ja, genau~. Wir wohnen in der Nachbarschaft. Ich bin auch mit seinem jüngeren Bruder befreundet. Da haben wir aber nicht immer gewohnt. Ursprünglich lebten wir mit meinen Großeltern in Claw City.«[/LEFT] [LEFT]»Oh, eine sehr elegante Stadt. Warum seid ihr von dort weg?«[/LEFT] [LEFT]»Als meine Großeltern gestorben sind, konnten wir es uns nicht mehr leisten. Also sind wir nach Furlongham.«[/LEFT] [LEFT]Normalerweise bekam ich an dieser Stelle Mitleidsbekundungen, obwohl die Zuhörer meine Großeltern gar nicht gekannt hatten, aber bei Saverio blieben sie aus. Was ich besser fand, denn inzwischen war es Jahre her, seit das passiert war. Ich erinnerte mich kaum noch an meine Großeltern oder Claw City, also hatte mich das alles nie gestört. Und in Furlongham hatte ich mich schnell mit Hop und Raelene angefreundet, also gab es keinen Grund, traurig zu sein.[/LEFT] [LEFT]»Was ist denn mit deinem Vater?«[/LEFT] [LEFT]Eine weitere Nachfrage! Er hörte wirklich zu![/LEFT] [LEFT]Ich zuckte mit den Schultern. »Mama hat mir nie wirklich viel von ihm erzählt. Sie sagte, er ist kurz nach meiner Geburt in eine andere Region gegangen, um dort Arbeit zu finden. Aber dann hat sie nie wieder was von ihm gehört.«[/LEFT] [LEFT]»Hmm, klingt als wäre er einfach abgehauen.« Saverio schüttelte mit dem Kopf. »Wie unelegant.«[/LEFT] [LEFT]»Vielleicht. Ich denk da nie drüber nach. Ich meine, ich kenne ihn ja nicht mal, also fehlt er mir auch nicht.«[/LEFT] [LEFT]Und seltsamerweise hatten auch Raelene, Hop, Victor und Gloria keinen Vater. Vielleicht zog man nur nach Furlongham, wenn einem der Vater abhanden gekommen war.[/LEFT] [LEFT]»Ich erinnere mich aber, dass meine Großmutter immer meinte, mein Vater wäre von einem Geister-Pokémon entführt worden. Davon war sie jedenfalls überzeugt. Aber sie war geistig nicht mehr ganz fit, deswegen hat Mama immer gesagt, ich soll das ignorieren.«[/LEFT] [LEFT]Saverio nickte bedächtig. »Manchmal ist es ohnehin besser, nicht zu viel Familie zu haben. Oder zu viel darüber zu wissen. Das erspart einem manche Schmach.«[/LEFT] [LEFT]»Klingt so, als kennst du dich damit aus.«[/LEFT] [LEFT]Für einen Moment schwieg er wieder. Aber das hielt er nicht lange aus. Nach einem Seitenblick zu mir rollte er mit den Augen und erklärte: »Du kennst ja den Text meiner Ligakarte. Meine Urahnen waren sehr begabte Seher, die sich auch anderer Fähigkeiten, wie der Teleportation, der Telepathie und der Telekinese, bedienen konnten. Natürlich hat man da viel von mir erwartet.«[/LEFT] [LEFT]Und er war dahinter zurückgeblieben und deswegen eine Enttäuschung.[/LEFT] [LEFT]»Aber es ist doch nicht deine Schuld, dass du nicht das alles kannst«, wandte ich ein.[/LEFT] [LEFT]Er wischte das mit einer Handbewegung beiseite, wobei auch eine Schüssel von der Arbeitsplatte gefegt wurde. Sie prallte gegen die Wand und zerbrach dort klirrend. Saverio sah erschrocken hinüber, aber ich versicherte ihm, dass ich mich darum kümmern würde. Mit dem Spülen war ich ohnehin fertig, da könnte ich direkt die Scherben aufsammeln.[/LEFT] [LEFT]»Nun, wo war ich?«, fragte er nachdenklich. »Ach ja~. Auf Drängen meiner Eltern wurde ich dennoch Trainer in der Psycho-Arena. Welch Schmach! Da war es mir vorherbestimmt, der Leiter eben jener Einrichtung zu werden, in der ich nun als kleiner Trainer meinen Dienst tun sollte! Das ging natürlich gar nicht, das verstehst du doch sicher, oder?«[/LEFT] [LEFT]Prinzipiell waren Trainer auch wichtig, aber ich verstand, was er meinte. Deswegen stimmte ich ihm zu, was ihm zu gefallen schien, denn er fuhr direkt fort: »Jedenfalls hat man mich wegen einer unbedeutenden Kleinigkeit schließlich entlassen.«[/LEFT] [LEFT]Er hob den Kopf ein wenig und sah trotzig zur Decke. »Mich, den Erben des Arenaleiter-Postens, einfach zu feuern, ist unerhört!«[/LEFT] [LEFT]»Was hast du denn getan, was so so schlimm war?«[/LEFT] [LEFT]Er grummelte leise. »Ich habe Herausforderer, die mich besiegt haben, ein bisschen … herumgewirbelt. Niemand wurde dabei verletzt, also sollte das doch okay sein, oder?«[/LEFT] [LEFT]Die Pokébälle rotierten etwas schneller. Mit den Scherben in der Hand stand ich vorsichtig wieder auf, konnte meine Begeisterung aber nicht verbergen. »Du kannst auch Menschen mit Telekinese beeinflussen?!«[/LEFT] [LEFT]Saverio zuckte zurück. »J-ja, natürlich kann ich das. Warum? Ist das wichtig?«[/LEFT] [LEFT]»Kannst du das mit mir auch machen?«[/LEFT] [LEFT]Sein Blick verriet mir, dass er gerade an meinem Verstand zweifelte. Das kannte ich bereits von einigen anderen Erwachsenen, die von mir überfordert waren. Deswegen störte es mich auch nicht weiter, wenn er mich genauso ansah.[/LEFT] [LEFT]»Ich habe dir gerade gesagt, dass ich für so etwas entlassen wurde«, sagte er. »Warum solltest du also wollen, dass ich das bei dir mache?«[/LEFT] [LEFT]»Weil das lustig klingt~. Außerdem hast du auch gesagt, dass niemand verletzt wurde.«[/LEFT] [LEFT]Er sah wieder auf das Geschirr hinab und schnaubte. »Vergiss das lieber. Vorerst mache ich das bestimmt nicht noch einmal. Wolltest du außerdem nicht etwas über meine Familie wissen?«[/LEFT] [LEFT]»Ja, richtig~. Also erzähl mir bitte mehr.«[/LEFT] [LEFT]Ich warf die Stücke der kaputten Schüssel in den Müll, dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder ganz ihm zu. Die Pokémon müssten kurz auf ihr Bad warten.[/LEFT] [LEFT]»Nun, jedenfalls habe ich also beide Eltern, keiner von ihnen wurde entführt. Dabei würde es sich bei meiner Familie lohnen, wir sind sehr reich, wie du an meinem eleganten Ensemble erkennen kannst.«[/LEFT] [LEFT]Abgesehen von seiner Uniform trug er exzentrische Stiefel und eine Stoffkrawatte – und natürlich den großen Zylinder. War daran wirklich Reichtum erkennbar? Dafür fehlte mir die Erfahrung.[/LEFT] [LEFT]»Aber wie auch immer«, fuhr er fort. »Ich habe außerdem eine jüngere Schwester – und sie ist das Wunderkind der Familie.«[/LEFT] [LEFT]Er runzelte seine Stirn. »Schon als Kleinkind gelang es ihr, Dinge mit der Kraft ihrer Gedanken zu bewegen und Telepathie zu benutzen. Deswegen hat sie erst spät sprechen gelernt, aber wer braucht schon Sprache, wenn er mittels Gedanken kommuniziert, nicht wahr?«[/LEFT] [LEFT]Seine Stimme klang reichlich bitter. Wahrscheinlich war das etwas gewesen, mit dem seine Eltern erklärt hatten, warum seine Schwester dennoch die Beste war.[/LEFT] [LEFT]»Später hat sich auch gezeigt, dass sie teleportieren kann. Und außerdem kann sie in die Zukunft sehen. Nur begrenzt, aber das ist schon mehr als meine Eltern beherrschen.«[/LEFT] [LEFT]Er schnaubte. Es musste frustrierend sein, mit jemandem aufzuwachsen, der alles besser konnte als man selbst. Zum Glück war ich ein Einzelkind – sonst hätte ich am Ende noch Geschwister, die sich nicht von allem ablenken ließen. Wäre meine Mutter dann auch von mir enttäuscht?[/LEFT] [LEFT]»Das ist jedenfalls meine Familie. Bist du nun zufrieden?«[/LEFT] [LEFT]»Ja, danke~.« Ich lächelte ihn an. »Jetzt weiß ich mehr über dich~.«[/LEFT] [LEFT]Und dieses Wissen könnte ich nutzen, um ihm zu helfen. Irgendwie. Ich fände bestimmt noch heraus, wie genau das funktionieren würde. Vielleicht sollte ich einen meiner Freunde danach fragen.[/LEFT] [LEFT]Saverio seufzte und hängte das Geschirrtuch wieder an seinen Platz. »Gut. Dann müssen wir zukünftig ja nicht mehr über meine Familie reden. Oder über deine.«[/LEFT] [LEFT]Er richtete seine Brille, während er mich anschmunzelte. »Ab sofort musst du auch meine Aufgaben nicht mehr übernehmen. Ich erledige sie allein, mit Eleganz.«[/LEFT] [LEFT]Nach diesen Worten deutete er eine Verbeugung an, die wirklich sehr elegant war. Aber bekäme er auch den Abwasch hin? Vielleicht würde er seine Telekinese dafür einsetzen! Das klang aufregend. Ich müsste sicherstellen, ihn dabei zu beobachten.[/LEFT] [LEFT]»Okay, wenn du das sagst. Und ich kann dich wirklich nicht überreden, mich schweben zu lassen?«[/LEFT] [LEFT]»Absolut nicht«, erwiderte er mit gerunzelter Stirn. »Und jetzt husch, kümmer dich um deine eigenen Sachen, du hängst ohnehin schon hinterher.«[/LEFT] [LEFT]Ich nickte motiviert und begab mich direkt zu den Pokémon hinüber. Als ich einen Blick über meine Schulter warf, bemerkte ich, dass Saverio mich immer noch ansah. Erst in diesem Moment wandte er sich von mir ab und ging hastig davon.[/LEFT] [LEFT]Was hatte ihn am Ende dazu bewogen, doch mit mir zu sprechen? Hatte er vielleicht mein Gespräch mit Enia belauscht? Ihm diese Frage zu stellen war vermutlich nutzlos, so etwas würde er nie zugeben. Zu schade. Aber immerhin hatte ich bekommen, was ich wollte – und nun hatte ich sogar ein neues Ziel hinzubekommen: ihn dazu zu bringen, mich schweben zu lassen.[/LEFT] [LEFT]Ich ballte die Hände zu Fäusten und sprach mir selbst Mut zu. »Lassen wir uns ausnahmsweise nicht ablenken! Ich werde dieses Ziel auf jeden Fall erreichen!«[/LEFT] [LEFT]Voldi bellte zustimmend, als ich bei ihm ankam, obwohl er wahrscheinlich nicht einmal wusste, worum es überhaupt ging. Zufrieden nahm ich ihn auf den Arm. »Solange du mich anfeuerst, schaffe ich das bestimmt, Voldi~. Dankeschön.«[/LEFT] [LEFT]Und ich würde Saverio anfeuern, bis er endlich einsah, dass ich nur sein Bestes wollte – selbst wenn es Jahre dauern sollte.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)