Requiem von _Scatach_ (Teil Drei der BtB Serie) ================================================================================ Kapitel 3: No sense and no solution...just ghosts ------------------------------------------------- Er hatte sie dort aufgesucht, wo er sie vor fünfundzwanzig Jahren zum ersten Mal gesehen hatte. Ihr in zarten Winkeln skulpturiertes Gesicht behielt noch immer seine Jugend und das trotz des vernarbten und verwitterten Steins; schräge Augen waren noch immer weich, geschwungene Lippen noch immer zu diesem schwachen, wissenden Lächeln verzogen.   ‚Ich bin seine Mutter. Vergiss, dich an irgendetwas anderes zu erinnern, Shikaku, aber wage es nicht, das zu vergessen. Ich bin seine Mutter.‘   Shikaku strich mit seinen Knöcheln unter sein Kinn und musterte die Granitgöttin von seinem Platz auf der steinernen Bank; die Ellbogen auf den Knien aufgestellt, den Kopf geneigt und die Augen abgeschirmt. Der Frieden, den er hier einst gefunden hatte, entzog sich ihm jetzt. Keine Überraschung, keine Enttäuschung. Nur Akzeptanz. Geübte Akzeptanz; denn nicht alles, was mühelos erschien, kam einfach so.    Aber die Stille schon.    Versteckt unter dem tropfenden Baldachin eines riesigen roten Ahorns und verhüllt von überwuchertem Blattwerk und Wurzeln, blieb die stille Grotte trotz des Ruhmes dieser weitläufigen Gärten größtenteils vergessen. Sie war unbedeutend und belanglos geworden…genau wie der Schrein und die davor stehende Statue.   Kwan Yin.    Shikaku hatte die exakte Sandsteinnachbildung für seine eigene Residenz in Auftrag gegeben, als Yoshino nach dem Tod des Sandaime in einen ihrer seltsamen Banne verfallen war. Jetzt, da ein weiterer Sarutobi gegangen war, nahm sie eine ganz andere Bedeutung an…viel profunder und schmerzvoller als die ursprüngliche Absicht von Shikaku, irgendeine Art Schutz bieten zu wollen. Irgendeinen Ort, an dem Yoshino ihren Kummer und Schmerz ablegen konnte; ihre Gebete. Irgendeinen Ort, der nicht der kalte Altar von Shikakus Brust war…irgendeinen Ort, um ihre Tränen ungehemmt fließen zu lassen…um es loszulassen, es raus zu lassen…   ‚Ich brauche es, dass du es rauslässt, Shikaku…‘   ‚Du weißt, warum ich das nicht tun kann.‘   Shikaku blinzelte und drehte eine abgebrannte Zigarette zwischen den Fingern, bevor er sie an die Lippen hob und mit einer Hand seinen Mund abschirmte. Er nahm einen flachen Zug, sog es nicht komplett in die Lungen – nur gerade weit genug, um einen Hauch von dem alten Gift zu erhaschen. Beinahe sofort atmete er wieder aus; eine raue Wolke durch die Nase. Seit Jahren hatte er nicht mehr geraucht. Hatte versprochen, dass er es nicht machen würde. Hatte versucht, nicht daran zu denken, wie oft er während dieser seltenen Shogi Partien, als Asuma noch ein junger, rebellischer Halbstarker gewesen war, auf das glühende Ende der Zigarette des Sarutobi gestiert und den Drang nieder gekämpft hatte, um einen Zug zu bitten.    War nicht deine Zeit, Asuma.   Leise atmete Shikaku in den Regen.    Bei weitem nicht.   Die Schüsse kamen weiterhin. Und Shinobi fielen weiterhin. Eine knappe Sache führte zu einem Tod zu viel. Und selbst dann ging das Töten weiter. Unaufhörlich. Wie die Gezeiten eines mentalen Geplänkels in Shikakus Geist. Unaufhörlich. Wie das irritierende Kribbeln an seinem Nacken.    Er mochte es nicht, beobachtet zu werden.    Doch er hatte auch nicht erwartet, die Zeit hier unbemerkt verbringen zu können. Ehrlich gesagt wäre er enttäuscht gewesen, vielleicht sogar verstört, wenn das der Fall gewesen wäre.    Shikaku schnippte die Zigarette in den Nieselregen und sah zu, wie das feuchte Ende in den Schlamm zu seinen Füßen stürzte, während er sich auf die Präsenz hinter sich konzentrierte. Er hatte den Mann in dem Augenblick bemerkt, in dem er die Schwelle zu der privaten Grotte vor schätzungsweise fünf Minuten übertreten hatte. Shikaku hatte ihn ignoriert und darauf gewartet, dass der andere Ninja den ersten Zug machte.    Nach einer weiteren angespannten Minute zahlte sich seine Geduld schließlich aus.    „Deine Arroganz ist verblüffend, Shikaku.“   Shikakus Lippen kräuselten sich, während er den Blick auf die Statue gerichtet hielt. „Und dennoch bewunderst du meine Arroganz äußerst voyeuristisch seit den letzten fünf Minuten.“ Und dann, einfach um alter Zeiten willen, fügte er hinzu: „Jenseits jeder Reichweite und Möglichkeit zum Tadel.“   Ein leises Summen rollte in die Stille. „Eine leere Drohung, Nara? Sogar zurückhaltende Hyūga Männer machen bei so etwas eine Ausnahme in ihrer Attitüde.“   Shikaku schmunzelte bei diesem geisternden Echo ihrer vor einigen Wochen gesprochenen Worte zueinander. Er hatte nicht gedacht, dass Hiashi mitspielen würde – und deswegen bemerkte er auch die dünn verschleierte Gefahr. „Bemerke ich da einen lange verlorenen Sinn für Humor?“   „Du hast alle deine Sinne lange verloren, wenn du glaubst, dass ich einfach so dastehe und diese Impertinenz toleriere.“ Shikaku klopfte sachte neben sich auf die Bank. „Dann setz dich.“   Hiashi zuckte nicht einmal angesichts dieser Frivolität; sein Schatten blieb hart gegen das blasse, taufeuchte Gras fixiert. Sofort machte Shikaku eine Bestandsaufnahme der Stimmung und wog sie vorsichtig ab. Immerhin war das hier Hyūga Gebiet. Hiashi würde niemals zulassen, dass er irgendwo anders gespielt oder positioniert wurde als genau dort, wo er sich entschied zu stehen – oder zu brodeln. Sein Missfallen war wie ein greifbares Wesen in Shikakus Rücken. Und dennoch entspannte der Nara seine Wachsamkeit ein wenig. Er entschied sich, dass sie sich löste und entfaltete. Es schadete immerhin nie, die Dinge auch ein wenig dem Zufall zu überlassen. Es bestand allerdings die Möglichkeit, dass die Fähigkeit zu mauern des Hyūga die Fähigkeit des Nara, das Hirn loszulösen und abzuschalten, ausstach.   Und im Moment fühlte sich Shikaku alles andere als losgelöst.    Kindisch.   Regen zischte in die folgende Stille; höhnend wie das ‚Shhh‘ eines Erwachsenen. Gott, aber es fühlte sich wirklichkindisch an. Hier zu sitzen und abzuwarten, um unter diese undurchdringliche Hyūga-Haut zu gelangen. Und auf gewisse Weise fand Shikaku sogar einen flüchtigen Trost darin. Dieselbe Art von Befreiung, die Inoichi gefühlt haben musste, als er vorher verbal so um sich geschlagen hatte. Doch das Gefühl war fort, bevor er es zu fassen bekam…oder mit ihm gehen konnte.    Und dann sprach Hiashi endlich; seine glatte Stimme so neutral wie Wasser, ohne auch nur die geringste Welle einer Emotion. „Mein Bruder hat dir diesen Ort gezeigt.“   Shikaku nickte. „Ich erinnere mich, wie begeistert du davon gewesen bist.“   „Ich gebe zu, dass es mich irritiert hat“, sagte Hiashi mit gemilderter Aggression…was dafür sorgte, dass er für einen Moment beinahe umgänglich klang. Doch dann erholte er sich. „Er hat deine indolente Anwesenheit aus Gründen toleriert, die sich mir entziehen.“   „Was entzieht sich dir sonst noch, Hiashi?“, erwiderte Shikaku. „Dein Neffe, vielleicht?“   „Und erneut gehst du viel zu weit. Das hast du immer getan, wenn es um meine Familie ging.“   Der Nara strich sich mit einer Hand über den Mund, um seine Belustigung zu unterdrücken, doch er konnte sie nicht aus seiner Stimme verbannen. „Der Versuchung eines unlösbaren Rätsels konnte ich noch nie widerstehen.“   „Hn. Und mein Bruder war töricht genug, deine Spielchen mitzuspielen.“   „Ah, aber weißt du…“ Dieses charakteristische, leise Rauch-über-Fels Lachen löste sich aus Shikaku, während er sich erhob und umwandte. Ein ironisches Schmunzeln zupfte an einem seiner Mundwinkel. „Hizashi war nie das Rätsel, Hiashi. Du warst es.“   Hiashis Kiefer zuckte heftig und seine weißen Augen kristallisierten sich zu undurchdringlichen Glassplittern – ein Einwegspiegel. „Du stehst auf sehr dünnem Eis, Nara.“   Und gleichzeitig mit dieser Drohung schien sich der Boden zwischen ihnen zu verschieben; er entwurzelte versteckte Taktiken, widerwillige Waffenstillstände, eine frühere Farce und ein nicht gekennzeichnetes Grab, gefüllt mit bitteren Skeletten, die es auszunutzen galt.    Shikaku beherrschte sich bis aufs Äußerste.    Deswegen war er nicht hierher gekommen. Selbst in der Vergangenheit hatte er es vermieden, Hizashis Opfer als Speerspitze in irgendeiner seiner Konfrontationen mit Hiashi auszunutzen. Was war auch der Sinn darin, einen Krieg über ein bitter verschwendetes Leben zu beginnen? Das Feld war bereits mit viel zu vielen frischen Leichen übersät.    Kein Grund, die Toten nicht zu respektieren.   Er und Hizashi waren sich nie wirklich nahe gestanden, aber sie waren für eine gewisse Zeit verbunden gewesen…bis sich Hizashi von allem und jedem abgekapselt hatte.  Damals hatte es Shikaku hart getroffen, wie parallel ihre Wege verlaufen waren.    „Neji“, lenkte Shikaku seine Gedankengänge um und wandte sich energisch von dieser versperrten Straße ab. „ANBU will ihn haben.“   Hiashi blinzelte sehr langsam. „Es ist mir bekannt, dass ihm ein Angebot gemacht wurde.“   „Ist dir auch bekannt, dass er akzeptiert hat?“   Nicht einmal ein Tic in dem eisernen Kiefer. Hiashi sagte nichts. Verriet nichts. Am allerwenigsten, wo genau Neji im Verhältnis zum Rest des Clans stand.    Erstaunen wand sich seinen Weg in Shikakus Verstand und ließ einen unmittelbaren Verdacht aufkommen. Das hatte er mit Sicherheit nicht erwartet. „Dieses Auge, das du dich entschieden hast zuzudrücken…“, begann er, beobachtete, wog seine Worte ab. „Wird das von den Ältesten genauso gehandhabt?“   Hiashis Schmunzeln war eiskalt. „Du magst vielleicht Jōnin Kommandant sein, aber du bist weit davon entfernt, die Macht zu besitzen – egal wie hinterhältig ausgeführt – um dein kleines gerissenes Skalpell bis in das Herz meines Clans oder dessen Politik ausdehnen zu können.“   „Dass du deine Familie mit Politik in Verbindung bringst ist exakt der Grund, aus dem solch hinterhältige Maßnahmen ergriffen werden.“ Shikaku neigte vorwurfsvoll den Kopf. „Wir würden doch nicht wollen, dass sich Geschichte selbst wiederholt.“   Ein Tiefschlag. Und er traf mitten ins Schwarze.    Hiashis Nasenflügel bebten, doch mit demselben Atemzug brachte er sich wieder zu Contenance. „Sei sehr vorsichtig, mit wem du uns in Verbindung bringen willst, Nara. Die Uchiha waren von ganz anderem Schlag.“   „Mit ähnlichen claninternen Tendenzen.“ Shikaku hob eine Hand, als wollte er die Wucht seiner nächsten Worte abmildern. „Es ist nichts Persönliches, Hyūga. Nach dem Uchiha Zwischenfall mit Itachi ist jeder Clan, der eine Geschichte strikter traditioneller Praktiken aufweist, verdächtig, wenn es dazu kommt, dass daraus ANBU Agenten rekrutiert werden. Besonders dann, wenn diese Praktiken Konflikte und Störungen zwischen Mitgliedern dieses Clans auslösen.“   „Und du nennst diese unverschämte Einschätzung unpersönlich?“ Hiashis Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Schmunzeln, das so anmutig geformt war, dass es ebenso kultiviert aussah wie ein Lächeln. So hässlich Ressentiments auch waren; sie berührten nicht die mächtige und elegante Art, in der die Hyūga sie ausdrückten. „Wie einfach es für dich sein muss, zu urteilen“, sagte Hiashi leise. „Der zuverlässige Jōnin Kommandant, dem alle vertrauen…stets über jedes Misstrauen erhaben und niemals unter dem Messer davon.“   Kein Schlag hätte zielsicherer – oder tiefer – treffen können, als das.    Shikakus Augen flogen weit auf, strahlend weiß um die Iriden, bevor sich sein Blick zu zwei onyxschwarzen Splittern zusammenzog. Ohne nachzudenken drehte er den Kopf, um die Narben zu zeigen, die in sein Gesicht geschnitten waren. Die ganze Zeit über lösten sich seine Augen niemals von Hiashis und zwangen ihre Blicke, sich an einem beinahe schon verletzlichen Winkel zu verhaken – als würde Shikaku eher die Kehle bloßlegen statt sein Gesicht. „Du denkst, ich bin diesem Messer entkommen, Hyūga?“, raunte er. „Du denkst, ich habe diese Narben in einem gerechten, fairen Kampf erhalten?“   Hiashi versteifte sich bei diesen heiseren Worten und bedachte die Streifen zerklüfteten Narbengewebes mit einem einzigen Blick. In einem flüchtigen Bruch zeigte sich Unsicherheit als leichte Falte zwischen den Brauen des Hyūga, bis das Eis um seine schneeweißen Augen aufzutauen begann.    Shikaku sprach schnell und riss die Kontrolle an sich, um sich davon abhalten zu können, sich zu fragen, ob er gerade kurzzeitig die Fassung verloren hatte. „Neji hat bereits mit der Einführungsphase begonnen.“ Mit abgeschirmten Augen schob er eine Hand in die Tasche. „Psychologische Evaluation und Reprogrammierung stellen während dieser Vorbereitungsstufe einen fortlaufenden Prozess dar. Es kann zwischen sechs Monaten und zwei Jahren dauern, vorausgesetzt, der Kandidat ist stabil genug, um das durchhalten zu können.“ Er machte eine Pause, die es Hiashi gestattete, zu intervenieren. Als er das nicht tat, fuhr Shikaku fort: „Allerdings ist Erfahrung der wahre Lehrmeister. Es beginnt und wird immer härter von da an. Manchmal ist das auch der Punkt, an dem es vollkommen endet.“   Für einen langen Moment sagte Hiashi nichts, seine Stirn war aber immer noch gerunzelt. „Ich verstehe den Zweck dieser Unterhaltung nicht, Nara. Warum erzählst du mir das?“   Shikaku dachte kurz über die Frage nach und beobachtete, wie der Regen wie Funken von Hiashis Schulter abprallte, bevor er wieder den Blick hob. „Du bist das nächste an einem Vater, was der Junge hat.“   Wenn Hiashi überrascht war, dann versteckte er es gut. Kein subtiles höhnisches Schmunzeln oder eine einschränkende Haltung; keine abstoßenden äußerlichen Zeichen über die Emotionalität dieser Bemerkung. Er erwiderte einfach nur schweigend Shikakus beständigen Blick, während er eine Hand über das hölzerne Bokken gefaltet hielt, das er bei sich hatte. Die andere verschwand in einer ordentlichen Falte seiner Robe.    Er bot überhaupt nichts an, um die Stille zu durchbrechen.    Doch Shikaku bemerkte eine subtile Kommunikation in der Art und Weise, wie Hiashis Augen langsam nach links wanderten. Es ließ darauf schließen, dass er vielleicht seine Vergangenheit Revue passieren ließ – oder vielleicht sah er auch einfach nur zu der Statue. Es war immer eine Herausforderung, Hyūgas anhand ihrer Augen zu lesen. Das Fehlen von Pupillen sorgte oft dafür, dass feinste Nuancen missverstanden wurden.    Als Hiashi endlich das Wort ergriff, war seine Stimme sehr leise. „Du hast uns fehlerhaft gespielt, als du versucht hast, dein Rätsel zu lösen.“   Es brauchte eine ganze Menge, um sich davon abzuhalten, sich zu fragen, woher zur Hölle das jetzt kam. Shikaku hob eine mentale Braue und stellte sicher, dass er seinen Tonfall flach hielt. „Euch fehlerhaft gespielt?“   „In dieser Hinsicht warst du kein bisschen anders als die Ältesten.“ Hiashi hielt inne und legte den Kopf schief, als würde er seine Anschuldigung revidieren. „Obwohl ich mir vorstellen kann, dass deine Intentionen irgendwo auf der Seite eines noblen Ziels lagen…zumindest was Hizashi betraf. Aber du hast denselben Fehler gemacht, den die meisten Strategen bei Zwillingen begehen, wenn man versucht, sie voneinander zu isolieren.“ Der Hyūga brach ab, als seine blassen Augen zurück zu Shikaku geisterten. „Kannst du erraten, was es war?“   Unmittelbar, blendend, wie ein Blitz durch seinen Verstand.    Shikaku musste nicht raten. Er wusste es. Und dieses Wissen überschwemmte ihn mit Kälte. Mit schlagartiger, erschreckender Präzision passte es alles in seinem Geist zusammen; an die richtigen Plätze geschoben von raschen Händen des Rückblicks. Es war so spotthaft simpel, so offenkundig klar, dass es nur von der Arroganz der Jugend oder der Dickköpfigkeit des Alters übersehen werden konnte. Kein Wunder, dass Hiashi ihn mit diesen alten Bastarden verglichen hatte, kein Wunder, dass der Hyūga ihn damals verabscheut, gemieden und verflucht hatte…   Und kein Wunder, dass wir genau dort angekommen sind, wo wir uns heute befinden…   Hiashi musste bemerkt haben, wie sich die Erkenntnis über das Gesicht des Nara stahl, denn er hob langsam das Kinn, tippte mit dem Bokken auf den Boden und drehte es in die Erde wie ein Messer in eine alte Wunde. „Sag mir, was du getan hast, Nara.“   Shikakus Augen schlossen sich zitternd und ein vergebliches Lachen geisterte von seinen Lippen; es war hohl und ohne irgendeinen Humor. „Ich habe euch gegeneinander ausgespielt. Obwohl ihr doch nie dazu gemacht oder bestimmt wart, im Konflikt zueinander zu stehen…“   Ein eingesogener Atemzug – als hätte Hiashi eine sehr lange Zeit darauf gewartet, diese Worte zu hören – und dann beugte er den Kopf, eine Seitwärtsneigung, die ihm nicht gestattete, Shikaku zuzustimmen; nur die traurige Wahrheit in den Worten anzuerkennen. „Wir waren schließlich aus demselben Holz geschnitzt, aus demselben Stoff gemacht.“   Derselbe Stoff. Dieselbe Zelle.   Shikakus Brauen zogen sich weich zusammen, als sich seine Lider hoben. „Warum sagst du mir das?“   „Damit du mit unerschütterlicher Gewissheit weißt, dass du meinen Bruder niemals wirklich verstanden hast und dass jede Hoffnung, die du jemals hattest, mich zu verstehen, mit ihm gegangen ist, als er starb.“   Eine finale Linie. Und alles in allem markierte sie eine faire Grenze.    Kopfschüttelnd seufzte der Nara. „Ich hätte dich nicht als unlösbares Rätsel bezeichnet, wenn ich jemals gedacht hätte, ich könnte dich verstehen, Hyūga. Manchmal besteht das Spiel einfach nur aus dem Rätselraten.“   Vielleicht war es die Gewandtheit dieses Kommentars, die es auslöste, aber Hiashis Schläfen zuckten heftig und die Haut um seine Augen explodierte zu einem Netzwerk pulsierender Venen.    Auf alles vorbereitet, richtete sich Shikaku steif auf und schob sich seitwärts.    Hiashi machte einen einzigen Schritt nach vorn, führte mit einer breiten Schulter, hatte den Kopf gesenkt; ein Tier, das bereit war anzugreifen, bevor er hart blinzelte und das Byakugan zurück in den Ruhezustand verbannte. Zurück zur Kontrolle. „Reicht es dir nicht, der Beobachter der Konflikte meines Clans zu sein? Oder wirst du erst dann zufrieden sein, wenn du ein aktiver Teilnehmer bist?“, knurrte Hiashi. Seine Stimme war so angespannt wie eine Sprungfeder und die eisige Beherrschung bekam um die Linien seines Mundes und an den Augenwinkeln Risse. „Warum bestehst du immerzu darauf, mich herauszufordern?“   Shikakus Augen waren inzwischen zu Schlitzen zusammengezogen. „Weil du die Schuld so weit zurück schieben kannst wie du willst. So viele Generationen zurück wie du willst, um zu rechtfertigen, warum du dich immer noch daran gekettet fühlst; aber es muss aufhören.“ Shikaku ruckte mit dem Kinn in Richtung des Hyūga Areals, das jenseits der Grotte lag. „Und dieses Ende muss irgendwo anfangen.“   „Allerdings“, erwiderte Hiashi kühl. „Aber es fängt nicht hier an.“ Und er unterstrich die Endgültigkeit dieser Aussage, indem er dem Nara mit straffer Wirbelsäule und breiten Schultern den Rücken zuwandte. „Stell dich mir in dieser Angelegenheit nicht noch einmal in den Weg, Shikaku. Das nächste Mal, wenn du es tust, werde ich den Kampf beenden, den du und Hizashi nie zu Ende gebracht habt. Und du wirst verlieren.“   Wenn es nicht so unglaublich traurig gewesen wäre, hätte Shikaku angesichts der Vertrautheit dieses Versprechens vielleicht gelächelt. Doch so wie es war, schüttelte er nur den Kopf. „So sei es.“   ~❃~   Einbrechen…   Naja, er hatte sich auf jeden Fall ohne einen einzigen Blick zurück in die Rolle des Schulschwänzers gestürzt.    „Was jetzt?“, fragte Pakkun und suchte Schutz unter dem Baum, gegen den sich Kakashi gerade lehnte, bevor er unter den Rollen zusammengezogenen Fells zu dem Kopierninja hoch blinzelte. „Brandstiftung? Entführung? Vielleicht willst du, dass ich auf Genmas Kissen defäkiere?“   Kakashi neigte den Kopf hinunter zu seinem Ninken. „Wir müssen deinen Stuhlgang wirklich nicht diskutieren, außer er verhilft dir dazu, dich aus Lüftungsschächten zu befreien, um meinen Anweisungen folgen zu können.“   „Kakashi, worum geht es hier?“   Das Auge des Kopierninjas funkelte in diesem viel zu strahlenden Lächeln. Das, das dazu gedacht war, einen Gegner für die Schatten zu blenden, die hinter dem Licht entlang huschten. Er salutierte seinem Hund, stieß sich von seiner rechten Hüfte ab und schlenderte mit den Händen in den Taschen vergraben und mit in den Nacken gelegtem Kopf hinüber zu dem Apartmentgebäude. Eine widersprüchliche Überlegung zu Vermeidung und Handlung.    Pakkun stieß ein grummelndes Seufzen aus. „Willst du immer noch, dass ich nach diesem Kleinen sehe?“   Kakashi streckte einen Arm nach außen und präsentierte ein ‚Daumen hoch‘, ohne sich umzudrehen. Seine gesamte Aufmerksamkeit war auf den Gebäudetrakt direkt vor ihm gerichtet. Seine Augen scannten die Reihe an Balkonen des oberen Stockwerkes, bis sein nicht zusammenpassender Blick auf den Raum ganz links fiel.    Da.   Obwohl er wusste, wo sie zu finden war, war er niemals in Asumas Wohnung gewesen. Nicht, dass Einladungen unbedingt nötig waren. Tatsächlich hatte dieser ganze ‚Einbruch-bei-Anbruch-der-Morgendämmerung‘-Plan etwas von poetischer Gerechtigkeit an sich…wenn man bedachte, dass vor Jahren einmal Kakashis Tür von dem Dropkick des betrunkenen Sarutobi eingetreten worden war.   ‚DYNAMISCHER EINBRUCH! SHIT!‘   ‚Du hast gerade nicht wirklich meine Tür eingetreten.‘   ‚Amida, ich habe mir gerade mein verficktes Bein gebrochen…‘   ‚Das erspart mir dann immerhin die Mühe.‘   ‚Argh…Moment…K-Kakashi? W-Was machst du hier?‘   ‚Ich wohne hier.‘   ‚…Dann ist Gai-?‘   ‚Fünf Türen weiter.‘   ‚…Oh wow. Biste dir sicher?‘   Kakashi schmunzelte bei dieser Erinnerung, verzog aber das Gesicht wegen des schmerzhaften Kummers. Abrupt kam er unter der Markise der Erdgeschosswohnungen zum Stehen, um nach Luft zu schnappen. Die Traurigkeit kam schnell und rollte unaufhaltsam von dem hohen Regal, auf dem er sie abgelegt hatte. In seinem Verstand fing er sie wie ein Glasornament auf, hüllte sie in Ablenkungen ein und steckte sie weg in die verschließbare Box, während sich seine Brust zusammenzog.    Später.   Ein leises Miauen zog seinen Blick schräg nach unten.    Eine dreifarbige Katze beobachtete ihn mit zuckendem Schwanz aus den Schatten und ihre vipern-grünen Augen waren in tierischer Faszination auf ihn gerichtet. Es war nicht direkt eine schwarze Katze, die seinen Weg kreuzte, aber Kakashis exzentrisches Hirn verdrehte das Bild und er zuckte innerlich zusammen. Während er energisch dem Drang widerstand, auf Holz zu klopfen, neigte er den Kopf und ließ sein Sharingan wirbeln.    Der Anhänger mit dem Namen des Tieres blitzte auf: JIGSAW   Naja, er nahm an, dass es irgendwie passend war, wenn man bedachte, wie die Natur das Fellmuster der Katze zusammengesetzt hatte. Als würde sie seine Belustigung spüren, legte die Katze die Ohren an und ein tiefes Jaulen rumpelte in ihrer Kehle.    Freundlich hielt Kakashi eine Handfläche nach oben, bevor ihm klar wurde, wie blöde – und unwirksam – diese Geste war und er sie in seiner Tasche wieder zur Faust ballte. Er ignorierte die Todesblicke, die die Katze ihm zuwarf und spähte umher, um die unmittelbare Umgebung zu mustern. Er schätzte die Uhrzeit auf etwa acht Uhr morgens.    Nicht gerade die beste Zeit für einen Einbruch.    Wann ist die denn überhaupt?   Er brauchte ein Alibi oder einen Komplizen.    Wachsam linste er zurück zu der Katze, die ihn mit äußerster Verachtung beäugte. Auch wenn er einen Hund bevorzugt hätte, würde sich jedes Haustier als nützlich erweisen. Unter dem Vorwand erwischt zu werden, ein verlorenes Tier zurück zu bringen, würde vielleicht die Strafprügel von Tsunade abmildern. Sollte das nicht funktionieren, könnte er immer noch einen furchtbaren Wortwitz über Katzenalarmanlagen reißen, der ihn direkt in die Notaufnahme befördern würde, um einem Verhör zu entgehen. Kein unwahrscheinliches Ergebnis, wenn man die derzeitige Gemütsstimmung der Hokage bedachte; im Moment war sie schnell dabei, jeden Kielholen zu lassen, der dabei erwischt wurde, wie er Zeit und Ressourcen verschwendete – völlig ungeachtet des Ranges und der Reputation. Und obwohl er all das wusste, war er trotzdem hier auf einer aussichtslosen Suche, während die Bedrohung durch Akatsuki immer noch enorm war – und stetig zunahm.    Wer A sagt, muss auch B sagen.   Außerdem würde er mehr als genug Zeit haben, darüber nachzudenken, was für eine unglaublich blöde Idee das gewesen war, wenn er im Krankenhaus am Tropf hing und seine geliebteste Buchserie schmökerte. Er müsste sich nur zuerst ein Halsband schnappen und einen Erfolg verbuchen.    Das könnte interessant sein.   Kakashi schürzte die Lippen, wandte sich der Katze zu und machte sich für eine peinliche Reihe an ‚Pspspsps‘-Geräuschen bereit. Doch er hatte kaum die Luft dafür eingesogen, als die Katze zu ihm herüber gehüpft kam. Sofort in Alarmbereitschaft versteifte sich Kakashi, als sich das Tier an sein Beine schmiegte und sie mit einer geschwungenen Acht umkreiste, als sie sich an seinen Waden rieb und tief aus der Kehle schnurrte.    Das war…leicht.   Zu leicht. Kakashi ging in die Hocke, klemmte sich die Katze unter den Arm und wiegte sie unbeholfen. Und gerade als er dachte, er könnte vielleicht sein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber Katzen aus dem Weg räumen, vergrub Jigsaw ihre Krallen blutvergießend in seinem Rollkragenoberteil.   Kakashis Augen zuckten.    Hunde sind einfach besser.   ~❃~   Im Inneren des Yamanaka Blumenladens kläffte ein Hund.    Und es war nicht der riesige weiße Köter, der ausgestreckt an der Türschwelle lag.    „Ich habe zwei Tage damit verbracht, mir den Hintern wund zu arbeiten, um für einen Scheiß bezahlen zu können, der nicht funktioniert!“   Kiba.   Neji hielt am Eingang inne und stützte eine Handfläche gegen den Türpfosten ab, während sein rechter Fuß über Akamaru schwebte. Er würde eher über den Hund stolpern als in dieses Drama. Denn besagtes Drama nahm die Form eines Inuzuka Kiba an, der mit den Händen flach auf den Kassentresen gestemmt dastand und seine Zähne einem hochgewachsenen Rotschopf entgegen bleckte, die hinter der Theke stand.    „Ich will verfickt nochmal mein Geld zurück.“   Das Mädchen gönnte sich einen langen streitlustigen Augenblick, um einen Kaugummi zwischen ihren Kiefern zu zerkauen und eine riesige neonpinke Blase in Kibas Gesicht zu pusten. „Keine Rückerstattung.“   „Ich habe den dämlichen Kassenzettel.“   „Keine Rückerstattung. Wir können das Produkt ersetzen.“   „Bist du taub oder blöde?  Ich habe gerade gesagt, dass es nicht funktioniert.“   „Alle Yamanaka Produkte sind geprüft und getestet.“   Kiba riss den Kopf nach hinten und griff in seine Jacke.    Für einen entsetzlichen Moment dachte Neji, der Hundeninja würde eine Waffe ziehen. Doch stattdessen zerrte Kiba einen violetten Rüschenbeutel hervor. Wie ein Anwalt, der vernichtende Beweise vorlegte, donnerte er ihn auf den Tresen.    „Ich weiß nichts über geprüft und getestet, aber ich kann für simples Ausprobieren bürgen“, fauchte er. „Dieser Mist ist doch dazu gedacht, für einen ruhigen Schlaf zu sorgen, oder nicht?“   Der Rotschopf drehte eine Locke um ihren Finger, warf einen flüchtigen Blick auf den Beutel und blies eine weitere Kaugummiblase. „Steht das denn auf dem Etikett?“   Kiba funkelte sie zornig an, bevor er sich das Täschchen schnappte. Er ruckte mit dem Handgelenk und linste auf das blumenförmige Etikett, das zierlich an der pudrig-blauen Kordel hing, bevor er ein höhnisches Grinsen aufsetzte. „Sorgt für einen erholsamen Schlaf – am Arsch.“ Seine animalisch zusammengezogenen Augen wandten sich wieder der Frau zu. „Dieses Zeug sorgt nur dafür, dass sie sich überall hin übergibt!“   Die stumpfsinnige Miene des Rotschopfes änderte sich nicht und ihr langes Kinn wackelte von Seite zu Seite, als sie wie ein Wiederkäuer mit den Zähnen die klebrige Süßigkeit malträtierte, bevor sie schon wieder eine Blase zwischen den Lippen hervor drückte. „Vielleicht ist sie allergisch.“   Kibas Augenlider zuckten. „Sie ist nicht allergisch. Sie ist schwanger.“   „Und?“   „Und das bedeutet, dass ihr Geruch total durcheinander ist! Ich weiß, wie das ist.“   „Schwanger zu sein?“, frotzelte das rothaarige Gör.    Mit mahlenden Zähnen presste Kiba die Lider aufeinander, als er energisch versuchte, sich unter Kontrolle zu halten. „Sie muss sich ausruhen. Es ist nicht gut für das Baby. Sie ist…“ Er brach ab, räusperte sich und versuchte es erneut mit einer Stimme, die so kratzig war, dass Neji die Ohren spitzen musste. „Pass auf. Sie macht eine Menge durch…emotional.“   Das Mädchen schnaubte. „Na, wenn sie so überempfindlich ist, dann war es ziemlich bescheuert, ihr sowas wie Lavendel zu besorgen. Ist ein Zeichen von Misstrauen.“   Aggression fraß sich animalisch hinter schmalen Iriden über Kibas Gesicht. Seine Stimme wurde eiskalt. „Hol sofort Ino hier runter.“   „Sie ist nicht da.“   „Dann geh und such sie.“   „Pfft. Schick doch deinen Köter, um sie aufzuschnüf-“   „HALTS MAUL!“ Kibas Faust donnerte nach unten und Büschel dünner blaugrauer Blätter explodierten aus dem gesprengten Duftbeutel. Die junge Frau stierte ihn fassungslos an, eine dicke pinke Blase zerplatzte auf ihren Lippen und zerschrumpelte um ihren Mund herum. Sämtliche Farbe wich aus ihren Wangen.    Und Kiba stürzte sich quasi auf sie; seine Knie trafen krachend auf die Theke und seine Fingernägel streckten sich zu Klauen, um tiefe Risse in das Holz zu ritzen. Seine Fangzähne waren in verlängerten Spitzen gebleckt, als er sie anbrüllte: „Ich habe das ganze verfickte Set dieser Scheiße gekauft und ich werde NICHT gehen, bis du mir-!“   „Kiba!“   „WAS?“, fauchte der Inuzuka und wirbelte mit ausgestreckten Händen herum, als wollte er jemanden erdrosseln.    Neji stand halb in Schatten getaucht im Türrahmen und hielt friedvoll eine Handfläche nach oben. „Beruhige dich“, sagte er sanft.    Kibas Brust hob sich für die vollen fünf Sekunden, die es brauchte, bis er registrierte, was Neji gerade gesagt hatte – und dann schnellte er herum, wobei sein Arm nach außen schlug, um den Lavendel-Geschenkkorb durch die Gegend zu pfeffern, den er bei seiner Ankunft auf den Tresen gestellt hatte.    Das Mädchen kreischte und ihre Arme flogen instinktiv nach oben, um ihren Kopf zu schützen.    Noch einmal wandte sich Kiba ihr zu und stach mit einem Finger in ihre Richtung; seine Pupillen hatten inzwischen eine fast schon schlangengleiche Form angenommen. „Das vergesse ich nicht!“, grollte er, bevor er seine mörderische Miene mit wild glühenden Augen zu Neji herum schwingen ließ, als suchte er etwas, das er anknurren konnte, nur um seine Hände gleich darauf mit einem rauen ‚GRAH!‘ in die Luft zu schmeißen. Er stürzte an dem Hyūga vorbei auf die Straße und bewegte sich dabei mit dem Körper tief am Boden – wie ein Tier.    Akamaru sprang hinter ihm her.    Auch Neji wandte sich um, folgte ihm und schloss die Distanz in drei langen Schritten. „Kiba!“   Ruckartig blieb der Hundeninja stehen und seine Schultern schlugen wie Hacken aneinander – aber er drehte sich nicht um. Und das überraschte Neji genug, um ihn innehalten zu lassen. So viel zu Vorhersehbarkeit. Bis zu diesem Moment hatte er sich darauf verlassen.    „Kiba“, versuchte er es noch einmal.    Als der Hundeninja nicht reagierte, kam Akamaru an seine Seite und sein großer weißer Kopf senkte sich tief und legte sich auf eine Seite, um Kiba mit einer Intensität zu mustern, die weit über Sorge hinaus ging. Der Hund sah vorsichtig aus.    Das ließ Neji noch länger pausieren. Er wich einen Schritt zurück.    Kibas Finger zuckten, während sich seine Krallen verlängerten und wieder zurückzogen.    Neji beobachtete ihn schweigend und wachsam.    Inzwischen hatte es aufgehört zu nieseln, aber der Himmel blieb bedeckt und die Wolken waren schwer und bleiern wie Stahl. Ein feuchter Regengeruch hing in der Luft und kämpfte mit dem zarten Blumenduft, der aus dem Laden wehte.    Irgendwo über ihnen zwitscherte ein Vogel, aber alles, was Neji hören konnte, war Kibas raue Atmung. Seine Lungen mühten sich mit dieser simplen Aufgabe ab, als wären die wenigen kurzen Schritte, die er gemacht hatte, gleichbedeutend mit gesprinteten Meilen.    „Du bist besorgt um das Kind“, sagte Neji letztendlich.    Kiba versteifte sich, nickte aber ruckartig. Seine Knie zuckten, als wollte er zu einer Hocke zusammensacken.    Ein Frösteln jagte über Nejis Haut. „Ist etwas passiert?“   „Hatte nur so ein Gefühl“, murmelte Kiba und die Worte rumpelten seltsam aus seiner Kehle, was ihn mehr nach einem Biest als nach einem Menschen klingen ließ. „Ich erwarte nicht, dass du das kapierst.“   Einst, vor gar nicht so langer Zeit, hätte der Biss in diesen Worten Blut vergossen. Doch alles, was sie jetzt auslösten, war ein ungewolltes Gefühl der Empathie. Neji lächelte trotz seines Unbehagens und war froh, dass Kiba es nicht sehen konnte. „Nein, ich vermute auch nicht, dass du das erwarten würdest.“   Kiba legte angesichts des seltsamen Tonfalls den Kopf schief. Sekunden später zogen sich seine Klauen zurück und sein Körper schüttelte die Anspannung in einem einzigen Schaudern ab. Er stieß einen langen langsamen Atem aus und drehte den Kopf. Ein Aufblitzen einer tätowierten Wange. „Ich habe noch so eine andere Ahnung, dass du nicht wegen Blumen hierher gekommen bist.“ Seine Stimme war inzwischen ruhiger. „Was ist das Problem?“   Da er sich sicher war, dass die gewaltbereite Bedrohung vorüber war, entspannte Neji ein wenig seine Haltung. „Ich wollte zu Ino“, gab er zu und spähte über die Schulter. „Ich hatte Schwierigkeiten, sie zu finden. Dachte deswegen, dass ich mein Glück hier versuche.“ Er seufzte. „Aber wie es aussieht, muss ich wohl woanders suchen.“   Kiba grunzte und klang dabei gelangweilt. „Und?“   Stirnrunzelnd beäugte Neji ihn. „Und was?“   „Und brauchste Hilfe dabei oder was?“   Das Angebot klatschte Nejis Hirn in seinem Schädel seitwärts. Sprachlos blinzelte er. „Was?“   Kiba streckte eine Hand nach hinten, um mit den Fingern durch Akamarus Fell zu wuscheln, bevor er es für einen kurzen Moment heftig packte. „Ja oder nein?“   „Was lässt dich glauben, dass du sie irgendwie schneller finden kannst als ich?“   „Lass es uns einfach so eine Ahnung nennen. Entscheide dich oder ich bin weg.“   Neji spähte himmelwärts. „Ich schätze, es würde nicht schaden, wenn du mir helfen würdest.“ Erstaunlich, wie sehr es schmerzte, das wirklich zuzugeben. Aber nach Ibikis kleiner SM Session mit seinem Hirn, wusste Neji nur zu gut, dass sein Chakra viel zu niedrig war, um mit aktiviertem Byakugan ganz Konoha zu durchkämmen. Als Kiba nichts erwiderte, war er gezwungen, „Ja“ hinzuzufügen.    Als wäre es das Zauberwort, zog Kiba leicht die Hosenbeine hoch und schwang einen Schenkel über Akamarus Rücken. „Na dann heb mal deinen Stock auf, Hyūga.“   Perplex runzelte Neji die Stirn. „Meinen Stock?“   „Jo, du weißt schon…“ Mit fast schon warmen Augen drehte sich Kiba um und ein langsames Schmunzeln stahl sich über sein Gesicht, bevor es zu einem ausgewachsenen Grinsen aufbrach. „Der, der dir dahinten aus dem Arsch gefallen ist.“   Direkt wieder in Form; wie eines dieser mechanischen Spielzeuge, die stehen blieben, innehielten und wieder zurück auf ihre Füße sprangen.    Neji schüttelte den Kopf. „Eloquent wie immer, Inuzuka.“   Kiba zuckte mit den Achseln. „Ich nennen die Dinge nur beim Namen.“ Mit einem leichten Druck in die Flanken des Hundes sprang Akamaru mit wedelnder Rute und hechelnder Zunge die Straße entlang. „Weiter so, Hoheit!“   ~❃~   Die ausgefeiltesten Pläne…   Liefen meistens furchtbar schief.   Der Plan war gewesen, alle verstohlenen Routen zu meiden, aber die Katze hatte da offensichtlich andere Vorstellungen. Nachdem sie ihr winziges Set an einziehbaren Klauen aus Kakashis Brust gelöst hatte, war Jigsaw auf die Schulter des Kopierninjas gesprungen, seinen steifen Rücken hinunter gekraxelt und über davon gehuscht, um auf der anderen Seite des Gebäudes zu verschwinden.    Und so war Kakashi zu der alten Feuertreppe gekommen; ein Klettergerüst aus korrodierten Metallleisten und Geländern, die an einer Seite des Gebäudes angebracht waren. Allerdings präsentierten sie sich eher als gefährlich statt hilfreich.   Tetanus wäre doch ein klasse Mitbringsel dieses Erlebnisses.   Kakashi spähte hinauf durch die offenen Stahlgitter und beobachtete Jigsaws Schatten, der über den ersten Treppenabsatz strich und die nächsten Stufen hinauf glitt.    Das Ächzen rostiger Bolzen erklang wie eine Totenglocke.   Doch das hielt Kakashi nicht davon ab, Chakra in seinen Füßen zu sammeln. Mit einem resignierten Seufzen veränderte er seinen Stand, ließ sich mit zusammenziehenden Oberschenkelmuskeln in eine Hocke nieder. Einen anmutigen Satz und ein paar Zickzack-Schwünge später kam er schneller beim obersten Stockwerk an als die Katze. Er sprang von dem alten Geländer und klopfte sich Flocken oxidierten Metalls von den Handflächen.    Prompt erschien Jigsaw, hüpfte die letzte Stufe hinauf und tigerte vor der Notausgangstür auf und ab, die in den Wohnkomplex führte.    Kakashi wandte sich um und musterte die Tür für einen langen Moment.    ‚DYNAMISCHER EINBRUCH!‘   Nein. Aber ach die Ironie.   Kopfschüttelnd vollführte er mit seinen Fingern drei rasche Zeichen und versteifte seine Handfläche wie eine Klinge. Ein leises Summen und Knistern im Zentrum seiner Hand, gefolgt von einem Hauch von Blitzen über seinen Knöcheln. Blinzelnd verengte er das Chakra zu einer feinen Spitze und drückte seine Fingerspitzen gegen die Mitte der Tür. Er spürte die geladene elektrische Spannung, die auf der anderen Seite summte, das sengende Reißen von Stahl und sah ein flüchtiges Aufflackern von blauweißem Licht, bevor die Metallfeder des Sturzbügels mit einem blechernen Knacken entriegelt wurde.    Jigsaw fauchte und machte sich mit einem vielfarbigen Flaschenbürstenschwanz die Feuertreppe hinunter aus dem Staub.    Cleverer Zug.    Langsam zog Kakashi die Tür auf und trat in das Gebäude, wobei er bei dem langgezogenen Kreischen der Angeln das Gesicht verzog. Es klang wie eine Frage; was machst du hier? Was denkst du dir nur dabei?   Einen Fuß vor den anderen, immer weiter hinein in den dämmrigen Korridor.    Ein weiteres Rucken seiner Finger, ein weiteres elektrisches Knistern, ein weiterer Hieb seiner Handfläche und die Tür zu Asumas Wohnung öffnete sich klickend. Für einen Herzschlag hielt Kakashi inne, hörte keine Schritte. Dennoch spähte er den Gang hinunter, bevor er hinein schlüpfte.    Stille überschwemmte ihn.    Ein Druck in seinem Kopf; wie phantomhafte Hände, die sich über seine Ohren legten.    Einen Moment lang stand er vollkommen regungslos da und lauschte. Nichts. Nicht einmal das zeitweilige Brummen von Gerätschaften. Ein seltsames Gefühl verwurzelte sich in Kakashis Brustbein, ließ eiskalte Ranken hinunter bis in seine Magengrube sinken.    Ich kenne dieses Gefühl…   Er verharrte im Foyer und versuchte, die Empfindung zu identifizieren, die sich an ihn krallte. Er hatte sie schon einmal verspürt. Konnte sich nicht erinnern, wann oder wo…suchte seine Vergangenheit ab und kehrte mit leeren Händen zurück.    Egal. Du bist nicht hierher gekommen, um dorthin zurück zu gehen.   Er betätigte den Lichtschalter neben der Tür.    Nichts.    Langsam schritt Kakashi fort von dem Foyer, glitt schweigend an dem Badezimmer und der Reihe aus Fusama Paneelen vorbei, die die gegenüberliegende Wand säumten. Er lief weiter den Gang entlang, spähte links in Richtung des Schlafzimmers, wandte sich stattdessen aber nach rechts und hielt an der Schwelle zum Wohnzimmer inne; eine große Höhle, überflutet von Dunkelheit. Herunter gezogene Rollos und Schatten, die dorthin zurück fielen, wo die großen Balkontüren sein würden.    Eine kribbelnde Empfindung ließ Gänsehaut über Kakashis Arme kriechen.    Stirnrunzelnd zog er die Taschenlampe hervor, ließ sie kurz über seine Knöchel wirbeln und ließ den Lichtkegel die Finsternis wie eine Klinge durchschneiden, bevor er ihn an eine Seite des Raumes richtete, als wollte er sich nicht einzig und allein auf die Illumination verlassen. Er wartete, bis sich seine Sicht den Lichtverhältnissen anpasste, fühlte, wie sein Sharingan zuckte und die schwarzen Tomoes wie ein Windrädchen wirbelten…   Und dann kam alles in einen verstörenden Fokus.    Alles davon…und nichts davon. Nichts von dem, was er sich vorgestellt, was er erwartet hatte; die verstreuten Bücher, umgeworfenen Möbel und aufgeschlitzten Kissen. Alles legte sich wie eine sehr feine Staubschicht hinter Kakashis Augen und zwang ihn dazu, all die Fantasien von Beweisspuren wegzublinzeln…zwang ihn dazu, die Realität zu akzeptieren, die auf der Hand lag.    Die Realität, dass einfach nichts hier fehl am Platz war – abgesehen von ihm.    Alle Gegenstände befanden sich genau da, wovon er ausging, dass sie dort auch hingehörten; der weite Maru-Sofatisch stand exakt so, wie man es erwarten würde, wenn Asuma auf der niedrigen Couch saß und seinen behelfsmäßigen Hocker in Reichweite seiner langen Beine hielt, um die Fersen auf dem vernarbten Holz abzulegen. Ein riesiger Aschenbecher beherrschte das Zentrum des Tisches; rund und flach wie ein konkaver Stein, in dessen gewölbter Mitte mehrere Zigarettenstummel ruhten – ein Standbild, das ebenso ungestört war wie die Luft.    Seine Augen wanderten weiter und der Lichtkegel glitt in einem breiten Schwung voran, bevor er an den langen eleganten Stielen zweier Yoko-Stehlampen brach. Sorgfältig katalogisierte der Kopierninja nacheinander jedes einzelne Möbelstück; zwei beinlose Zaisu Stühle, ein kahles Shogibrett, ein Bild von Team 10, das in einem leicht beschwipsten Winkel an der Wand hing, ein fassbäuchiger lachender Buddha, der den kleinen Fernseher krönte, der in die modernisierte Nische des Tokonoma geschoben war. Eine buddhistische Schriftrolle dominierte den Alkoven und umrahmte die schmale Stelle zwischen einer Reihe von versetzten Zen-ähnlichen Regalen. Eines davon enthielt vier dicke Wälzer und einige Videobänder.    Die restlichen Simse waren leer.    Leer wie der hohle Raum, der sich in seiner Brust nach außen ausdehnte.    Kakashi wich rückwärts aus dem Raum; ehrfürchtig auf eine Weise, die er noch nie in irgendeinem Tempel gezeigt hatte. Was war dieses Gefühl? Ein dünner Schweißfilm benetzte seine Haut. Stirnrunzelnd sah er hinunter auf seine feuchten Handflächen, als wäre er ein Fremder für sich selbst. Vielleicht war er das auch. Noch vor einer Woche hätte er sich nie für fähig gehalten, so vollkommen untypisch involviert zu werden, so lachhaft –    Verwickelt.   Langsam hob er die Augen, spähte ein letztes Mal durch den Raum und stellte fest, dass es Asumas Abwesenheit war, nicht die Relikte seiner Anwesenheit, die ihn rief.    Jetzt verliere ich wirklich den Verstand.   Er löschte die Taschenlampe; ließ den schwarzen Vorhang aus Schatten über die Szene fallen.    Was hatte er denn auch erwartet, was er finden würde?   Langsam atmete er gegen den Druck in seiner Brust an, brauchte eine sofortige Ablenkung und ohne irgendeinen wirklichen Sinn oder Plan bewegte er sich seitwärts durch den Gang. Seine Hand hielt er ausgestreckt, bis sie über die Schlafzimmertür strich und für ein paar Herzschläge innehielt, bevor er sanft über die Holzmaserung strich und den Knauf in lange Finger nahm. Sehr langsam drehte er ihn und – erstarrte mit nach oben zuckendem Kopf.    Die Tür explodierte nach außen.    Ein Schatten folgte.    Kakashi krachte hart auf den Rücken und trotz der Schmerzen drehten sich bereits seine Hüften, sein Körper schnellte mit ausschlagenden Beinen herum; eine rapide Abfolge dreier umgekehrter Rundumtritte – tiefer, mittel, höher. Und bei seinem letzten Kick traf seine Ferse. Der nachhallende Treffer auf Fleisch.    Hab ich dich.   Ein leises ‚fft‘ und ein brutales Stechen explodierte in seiner Schulter.    Kakashi geriet ins Taumeln, hatte keine Zeit mehr, dem heranstürzenden Schatten auszuweichen. Er traf ihn frontal und trieb das Senbon noch tiefer in die Wunde. Weißglühende Pein; dann wurde sein linker Arm taub. Seine Reaktionen verzögerten sich. Er krümmte sich zusammen, spürte, wie sein rechter Arm hart hinter seinen Rücken gebogen wurde. Eine Armbeuge hakte sich um seine Kehle und riss seinen Kopf in einem Würgegriff nach hinten.   So schnell!   Und so verdammt abgelenkt, es überhaupt so weit kommen zu lassen!   Ein brutales Rucken und seine Atemwege zogen sich zusammen, die Luftröhre schloss sich. Die Sehnen in seinem Hals traten pulsierend hervor. Er spürte, wie ein Gesicht über seinen Nacken strich. Ein Wispern, so sanft als wäre es intim, erklang an seinem Ohr. „Lass los, Kakashi.“   Genma.   Kakashis Augen weiteten sich, bevor sie sich zusammenzogen und seine Iriden seitwärts zuckten. Er sah nichts, außer das verräterische Knistern von Punkten, die die Ränder seiner Sicht überschwemmten. Energisch versuchte er, sich von seinem Fuß abzustoßen. Doch der Shiranui vereitelte die Bewegung gekonnt, indem er seinen Fuß in Kakashis Kniebeuge rammte und sich mit seinem gesamten Gewicht gegen den Kopierninja stemmte.    Makellos ausgeführt sorgte die Neigung der Körpermasse dafür, dass Kakashi keine Hebelwirkung aufbringen konnte, um ihn loszuwerden.    „Lass los…“, wiederholte Genma mit leiser, beständiger Stimme; so alarmierend ruhig. Als wäre das hier nicht grenzwertig wahnsinnig. Als würde er gerade nicht einem Kameraden die Luftzufuhr abschneiden. „Lass los…“   Kakashi bog sich nach hinten, doch Genma bewegte sich mit ihm, riss ihn hinunter auf die Knie und hielt ihn fest gegen seine Brust gedrückt; die Lippen an Kakashis Ohr, die Körper nah aneinander gepresst, beide zitternd und schweißüberströmt. Wie Tiere, die in einer brutalen Paarung zusammengeschlossen waren. Morbid, surreal…   Scheiße…das…ist übel…   Kakashi begann, Sterne zu sehen, blinzelte weitäugig und sein Hirn geriet ins Trudeln.    Er spürte eine heftige Kompression; ganz ähnlich dem Schmerz, den er gefühlt hatte, als Kakuzus Fäden auf der Suche nach Koronararterien und Pulmonalvenen seine Brust durchstochen hatten.    SEHR übel…!   Sein geschwächtes Herz gab einen erschütternden Schlag von sich und die Klappen verkrampften sich.    Er presste die Lider aufeinander, als sein ganzer Körper spastisch zu zucken begann.    Genmas Kopf schnellte angesichts des Anfalls nach oben und die Bewegung erschuf einen Spalt zwischen ihren Körpern.    In einem letzten verzweifelten Versuch stürzte sich Kakashi auf diese Öffnung. Er verdrehte das Handgelenk, das Genma hinter seinem Rücken fixiert hielt, krümmte seine Finger und rammte sie wie Stahlklauen unter das Brustbein des Shiranui, drückte aufwärts und konzentrierte sich dabei, über Fleisch und Knochen hinaus zu stechen und –   Genma stieß ein blutiges Husten aus und sackte nach vorn.    Kakashi rollte in dem Momentum mit und warf Genma über seine Schulter. Er kollabierte vorwärts auf seinen rechten Arm und Knie, hustete heftig und schluckte schnappende bebende Atemzüge. Zitternd riss er sich das Senbon aus der Schulterkurve, fühlte, wie die Nerven entlang seines tauben Arms kribbelten und zuckten. Die Pein in seiner Brust kroch bis hinauf in seine Kehle, kletterte seinen Kiefer entlang bis direkt zu seinen Schläfen, um seinen Schädel vollkommen auszufüllen. Kurzzeitig verschwamm seine Sicht, aber dann übernahm das Sharingan und festigte seinen Fokus.    Eine Silhouette schmolz in die Schatten des Wohnzimmers.    Energisch zwang Kakashi seinen Verstand zum Arbeiten und sein Körper folgte, als Adrenalin den Schmerz zu einer Nadelspitze zertrümmerte. Schlagartig stand er mit gezogenem Kunai an der Türschwelle. Sein Blick durchstach die Schatten in der entferntesten Ecke des Raumes, wo ein dünner Lichtstreifen durch die Jalousien fiel und einen sauberen Schnitt über abgeschirmte Augen warf, die ihn anstarrten; ihr Weiß war kühl und glänzend.    „Du hättest vorher anklopfen sollen“, sagte Genma.    Kakashi stierte ihn an und schluckte rau. „Du wusstest…“   „Ich mutmaße nie.“   „Und vorhin? Kuren-“   „Ich bin davon ausgegangen, dass er Kurenai mit diesen Informationen niemals in Gefahr gebracht hätte. Aber ich musste sicher gehen.“   Wie ein harter Schlag gegen die Schläfe. Kakashi konnte die schwindelerregende Empfindung nicht aufhalten. Er schnappte dagegen nach Luft und lehnte sich schwer gegen den Türpfosten. „Du bist zu Kurenai gegangen…für Rekognoszierung? Für schlichte Aufklärung?“   „Es macht Sinn, dass er sich stattdessen an dich gewandt hat.“   Kakashi biss seine unmittelbare Erwiderung darauf zurück und stierte in diese abgeriegelten Augen, während er den Kopf schüttelte. „Und das hier?“ Er ruckte mit der Hand zwischen ihnen hin und her; doch die Bedeutung davon ging viel weiter, sie ging weit über die Grenzen dieser Wohnung und der Geschehnisse hinaus, die innerhalb dieser Wände stattfanden. „Wo liegt der Sinn hierin?“   „Sinn?“ Das Wort war kaum mehr als ein Hauch auf Genmas Lippen. „In nichts davon ist irgendein Sinn zu finden, Kakashi. Kein Sinn und auch keine Lösung. Nur Geister.“ Genma hielt inne, als hätte er etwas verletzt – Asumas Erinnerung, Kurenais Schmerz, seine eigene Menschlichkeit? Er verzog seine blutigen Lippen, wobei sein Senbon ominös aufblitzte. „Geister und eine ganze Menge Kummer und Trauer. Davon geht im Moment mehr als genug um. Denkst du nicht auch?“   Kakashis Miene wurde finster, doch seine Brauen zogen sich mehr aufgrund von kummervollem Schmerz zusammen statt wegen Zorn. „Du standest dort…hast zugesehen, wie sie diese Blumen auf sein Grab gelegt hat.“ Und dann, mit all dem Gift, das in seiner Kehle brannte, fügte er hinzu: „Wie erleichtert du gewesen sein musst.“   Etwas huschte flackernd durch Genmas Augen; phosphoreszierend und flüchtig, ein Irrlicht in der Nacht. Viel zu schnell fort. Sein Blick wurde klarer und er sah zu Kakashi, ohne seinen Kopf zu drehen. Nur seine Augen bewegten sich und wanderten in einem langsamen Schwung vom Scheitel bis zur Sohle über den Kopierninja. Einer seiner Mundwinkel zuckte trocken. „Du kämpfst immer noch wie du fickst. Schmutzig.“   Kakashi hätte bei all der Reaktion, die er darauf zeigte, genauso gut eine Statue sein können.    Langsam hob Genma eine Hand und strich mit dem Daumen gegen die Unterseite seiner Lippe, um das Blut zu verschmieren. Bedächtig verrieb er es zwischen seinen Fingern. „Hätte schwören können, dass es dich angemacht hat, das Blut von deinen Händen zu waschen.“   Und wie eine blutige Hand, griff die Vergangenheit nach ihm. Verrottete Finger streckten sich ihm entgegen. Doch Kakashi hatte bereits die Hand eines anderen Skelettes gepackt, das zu der Vergangenheit eines anderen gehörte. Mit seiner nächsten Frage lenkte er das Thema um. „Wen beschützt du, Genma?“   Beinahe abgelenkt wandte sich Genma dem Balkon zu…als hätte man von jenseits der Glastüren nach ihm gerufen. In einem langsamen Streichen glitten seine Finger über die Jalousie und zogen sie ein Stück beiseite. Er neigte den Kopf fort von dem Licht und dunkle Strähnen strichen über seine Schultern.    Gebannt sah Kakashi zu. „Ist es Shikamaru?“   Genma sagte nichts und starrte einfach nur weiterhin mit einem weit entfernten Blick nach draußen.    Das war ein Ausdruck, an den sich Kakashi erinnerte. Ein Ausdruck, den sie vor langer Zeit gemeinsam gehabt hatten, als Regeln nichts weiter gewesen waren als ausgewaschene Tinte auf einer blutgetränkten Seite. Keine Rechtschaffenheitsverpflichtung, keine Verurteilung ihrer Verbrechen; nur Gesichter ohne Namen…   Kakashis Augen wurden rund. Und sein Mund bewegte sich, bevor sein Hirn einschreiten konnte. „Wer ist Naoki?“   Wie ein Bruch in den Wolken, wurden Genmas Augen klar und sein Kopf hob sich ein Stück – gerade genug, um Kakashi wissen zu lassen, dass er auf Gold gestoßen war – oder auf ein Grab. Ihre Blicke hielten sich für einen Augenblick. Ein Augenblick, in dem Kakashi den schimmernden Anflug von Emotionen sah, der über Genmas Gesicht huschte und seine Brauen qualvoll zusammenziehen ließ, bevor sie sich glätteten.    „Hn“, schnaubte der Shiranui und seine Zunge strich in einem langsamen Rollen über das Senbon, als er über etwas nachgrübelte. Seine Augen wanderten zurück zum Balkon und wurden erneut distanziert. „Asuma hat dir wirklich vertraut.“   „Er hat auch dir vertraut.“   „Nicht genug“, schnappte der Shiranui und seine Stimme brach ein wenig; es war das erste wirkliche Aufkommen von Emotionen, bevor sie zu ihrem monotonen Tonfall zurückkehrte. „Nicht genug.“   Kakashi schüttelte den Kopf und seine Augen zuckten in einem unaussprechlichen Konflikt. „Genma, wir müssen das hier nicht tun.“   Ein freudloses Schmunzeln und Genmas Brauen hoben sich traurig und resigniert. „Doch Kakashi“, seufzte er und das Licht traf auf das Schimmern in seinen Augen, bevor er die Jalousie fallen ließ. „Das müssen wir.“     _____________________ Aaah, ich LIEBE die Szene zwischen Shikaku und Hiashi. Sie ist so...voller Mystik, Geheimnissen, kryptischer Anspielungen und Analogien. Ich hoffe sehr, dass sie euch genauso gut gefallen hat wie mir, auch wenn sie denke ich wieder einige Fragen (vor allem in Bezug auf Shikaku und Hizashi) aufwirft ;) Ein paar Meinungen dazu würden mich natürlich wieder wahnsinnig freuen! :)  Vielen lieben Dank an alle meine Review/innen und Leser/innen!     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)