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Requiem

Teil Drei der BtB Serie
von

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Unfinished past

Ein Bauer ist tausend goldene Generäle wert.

 

Lange, schlanke Finger legten den Shogi Bauern ab. Ein einziger Zug. Entscheidend. Bereits festgelegt. Bereits erledigt. 

 

Aber ohne Gold in der Hand gibt es keine Defensive. 

 

Dieselben Finger strichen über ein breiteres Teil…zögerten…schwebten.

 

Aber silberne Generäle haben mehr Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. 

 

Dunkle tiefbraune Iriden glitten über das Gitter; die Strategie entfaltete sich hinter zusammengezogenen, intelligenten Augen. Doch er dachte nicht, als wäre er im Hier und Jetzt; stattdessen zerrte er an der Vergangenheit. Oder vielleicht zerrte die Vergangenheit auch an ihm. Ein Tauziehen. Schlachtfelder auf dem Spielbrett.

 

Silberne sind die Angelpunkte von Angriff und Verteidigung.

 

Er nahm den silbernen General auf und versuchte, sich nicht vorzustellen, es wäre ein Voodoo-Stein – persönlich, repräsentativ. In einer schrägen Bewegung rückte er vor. Ein geborgter Zug. Ein Zug, den er niemals machen würde. 

 

‚Dieser Zug ist ziemlich riskant. Das passt gar nicht zu dir.‘

 

‚Wenn man es mit einem besonders starken Gegner zu tun hat, muss man manchmal einen kühnen Zug riskieren.‘

 

Beinahe hätte Shikamaru der Erinnerung geantwortet – dem Geist. Seine Lippen teilten sich und sein Atem stockte an den Worten, von denen er sich so sehr wünschte, er hätte sie gesagt. Er räusperte sich, doch der heisere Klang schaffte es kaum, die Stille des kleinen Zimmers zu durchdringen. Kein Licht außer das des Mondes fiel durch die offene Shojitür.

 

Eine Eule kreischte schrill wie der Schrei einer Frau.

 

Er sah zu, wie sie auf die Knie fiel; verwundete karmesinrote Augen, die auf ihn gerichtet waren, aber direkt durch ihn hindurch stierten.

 

Blinzelnd fokussierte sich Shikamaru wieder auf das Spielbrett. Langsam stellte er ein Bein auf und lehnte sich nach vorn, bis seine Brust gegen sein Knie stieß. Energisch bemühte er sich, seine Atmung zu beruhigen. 

 

Konzentrier dich. Der silberne General opfert sich, um einen Bauern mit einer verheerenden Wirkung voranzubringen. Vergeltungsmaßnahmen des Feindes sind unvermeidbar.

 

Seine Finger hoben sich. Langsam brachte er die gegnerischen Teile in Position und legte einen feindlichen Bauern über den lebenswichtigen silbernen General.

 

‚Silber anzustreben. Das ist nicht gerade eine Rolle, die zu dir passt.‘

 

Er stierte auf das Opferstück, das so bedrohlich wirkte wie ein Ouija-Spielstein…bereit dazu, aus vollkommen eigenem Antrieb über das Brett zu gleiten und ein Schicksal auszusprechen, das er nicht kontrollieren konnte.

 

‚Ich werde mich doch nicht opfern, keine Sorge mein Freund. Ich habe doch dich, gemeinsam sind wir beide stark.‘

 

Ja…und sieh, wie weit ich dich gebracht habe…

 

Shikamarus Kehle zog sich zusammen. Schmerz verfing sich wie ein Fels und zwang ihn, seine Kiefer zu öffnen, bis er in den Gelenken einen warnenden Stich verspürte. Er versuchte, sich zu konzentrieren und gleichzeitig zu vergessen, machte Raum für einen Bruch, der einen leisen Schluckauf verbannter Gedanken zuließ.

 

‚Tu es. Mach deinen Zug, Shika. Nichts ist einfacher.‘

 

Die Worte bebten durch ihn, ließen Härchen aufstellen, sein Blut frösteln und trieben sein Herz panisch und ruckartig in seine Kehle.

 

‚Tu es.‘

 

Ein schrilles Kreischen von draußen. 

 

Shikamaru zuckte zusammen und sein Kopf ruckte so schnell nach oben, dass seine Augen jede Richtung verloren und hektisch hin und her schwangen, bis sie auf einen flatternden Schatten trafen. Ein verschwommenes und wässriges Blinzeln später kam der Missetäter in den Fokus. 

 

Zitternd atmete er aus. „Dämlicher Vogel.“

 

Der Wanderfalke legte den Kopf schief, um ein Onyxauge auf Shikamaru zu fixieren. Seine Krallen kratzten über die Veranda, als er einen Schritt nach vorn hüpfte und den Regen aus seinen Federn schüttelte. Er spreizte die Flügel von seinem schmalen Körper ab und plusterte sein Brustgefieder in empörter Beschwerde auf – ganz so, als ob die Reise, um den Schattenninja zu belästigen, weder die Mühe noch die unfreiwillige Dusche wert gewesen war. 

 

Langsam fuhr sich Shikamaru mit dem Handrücken über seine Stirn und versuchte, sich daran zu erinnern, was genau ihn so aufgeschreckt hatte, doch er fand nichts außer Leere in seinem Hirn…und dann Asumas Gesicht, das sich in qualvollen Wirbeln auflöste…Erinnerungsfetzen verwandelten sich drehend von Rauch zu einem ausgewachsenen Smog…dicht wie die Attacke des ‚Brennenden Aschehaufens‘, die nach hinten losgegangen war und Asuma blutig und verbrannt zurück gelassen hatte. 

 

Ich hätte es aufhalten können.

 

Aber er hatte es nicht aufgehalten. Hatte es nicht einmal kommen sehen. Sein Blick wanderte zurück zu dem Shogiteil, das schwer auf dem Brett lag…auf seinen Zug wartete…den Zug, den er niemals gewollt hatte. Den Zug, den er würde machen müssen. 

 

Nein.

 

Doch. Kein Weg drum herum. So ging es den Bach runter. Damals und jetzt. Jedes Mal. Wieder und wieder. 

 

„Nein“ Sein Mund formte das Wort, ohne ihm eine Stimme zu geben. 

 

Es musste einen anderen Weg gegeben haben. Das gab es. Das würde es geben. Er musste es finden. Oder entwerfen. Es wieder gut machen.

 

‚Ich kann es nicht wieder gut machen…‘

 

‚Was wieder gut machen?‘

 

Der Falke schlug mit den Flügeln und taumelte mit einem frustrierten Squawken in das Fusama Paneel. 

 

Die Ablenkung holte Shikamaru zurück. Er knurrte leise, aber es lag keinerlei zornige Hitze in dem Klang. Mit finsterer Miene stierte er auf den unwillkommenen Gast und rieb sich hart über die Schenkel. Der Falke vollführte einen seiner sinnlosen kleinen Kreise und fächerte seine Schwanzfedern auf. 

 

Shikamaru neigte den Kopf und atmete langsam aus. „Es ist wie ein gottverdammtes Uhrwerk mit dir, oder?“

 

Ein weiteres Rascheln. Ein weiteres ungeduldiges Squawken. 

 

Shikamaru schmunzelte leicht, bevor er sich auf die Füße stemmte, um sich dem lästigen Vogel zu nähern. „Ich hab kein Futter“, sagte er rau. 

 

Der Falke nickte heftig mit dem Kopf. 

 

Als Antwort seufzte Shikamaru nur. „Wie lästig.“

 

Doch lange nicht so lästig wie das tiefe Röhren, das durch den Narawald hallte und wie ein Ruf auf das Haus zurollte. Shikamaru versteifte sich und seine Nerven zogen sich an seinem Nacken straff. Seine Augen wanderten an dem Vogel vorbei zu den Grenzen des Gartens und dem taufrischen Grün dahinter, bevor sie noch weiter zur Baumlinie glitten.

 

‚Ich werde niemals sterben…Nicht einmal dann, wenn du meinen Körper zerstörst und ich nichts mehr habe außer meinem Kopf…Irgendwie werde ich entkommen…und wenn ich das tue, dann werde ich dich finden und dir die Kehle mit den Zähnen heraus reißen!‘

 

Dunkle Augen verengten sich zu Schlitzen. 

 

Mit stoischer Miene trat Shikamaru hinaus auf die Veranda, während er durch die tropfende Dunkelheit stierte. Hinter ihm versprach die Geborgenheit des Zimmers eine freundlichere Zelle als die dort draußen.

 

Ein weiteres Röhren erscholl lang und tief. 

 

Für einen langen Moment stand er an der Türschwelle und ließ den Ruf des Hirsches durch sich vibrieren, während seine Augen in einem leeren Starren voraus gerichtet waren. 

 

Ein scharfer Schrei und der Vogel flog auf; ein schemenhafter Pfeil in die Nacht. 

 

Shikamaru brach aus seinem Starren, trat weiter auf die Terrasse und schlüpfte in seine Sandalen, um die unvollendete Vergangenheit in dem schimmernden hellgelben Plastik eines Zuges ruhen zu lassen, den er nicht machen konnte. 

 
 

~❃~
 

 

Ino wachte allein auf. Überraschung machte sich rasch bemerkbar; ein leichtes Rucken in ihrer Brust. Langsam schob sie ihr Haar von ihren Augen fort und fuhr mit einem Arm über den leeren Platz neben ihr, wobei Fingerspitzen über verhedderte lilane Laken strichen. Nichts. Niemand. 

 

Aber es war schließlich auch nicht so, dass Geister Wärme hinterließen.

 

Sensei…

 

Sie hatte geträumt.

 

Von Asuma. In meinem Zimmer. Auf meinem Bett. Oh mein Gott.

 

Betretenheit wogte schlagartig durch sie. Sie umfasste ihre warmen Wangen, rollte sich auf den Rücken und stierte durch ein Gewirr flachsfarbener Strähnen. Es brauchte einen weiteren langen Moment, bis sie sich in der Dunkelheit fokussieren konnte. Mit geröteten und geschwollenen Augen hob sie die Hand, um mit einem Daumen unter jedes davon zu fahren, während ihr Blick über die Pockennarben an der Decke wanderte; Überbleibsel der im Dunkeln leuchtenden Aufkleber, die sie als Kind auf ihre Wand gepflastert hatte. Die meisten schälten sich bereits ab. Kleine Halbmonde und zerbrochene Sterne…die, bei denen sie sich immer etwas gewünscht hatte. 

 

Wenigstens bin ich nicht schreiend aufgewacht…

 

Ein einziger Wunsch in einer Reihe ungehörter Gebete war wahr geworden. Diesmal war sie dem Albtraum entkommen. Kein Drama, keine Tränen, keine Türen, die mit elterlichem Getue aufflogen – und was noch viel wichtiger war: keine Fragen. Sie konnte den besorgten Blick und das Schnellfeuerverhör ihres Vaters nicht mehr ertragen. Und dann war da auch noch ihre Mutter…die ihr sagte, sie solle leise in ein Taschentuch statt in ihre Hände weinen. 

 

‚Ssh, Mädchen. Leise. Hab etwas Würde.‘

 

Schmerz erblühte wie eine frische Wunde. Ino verzog das Gesicht und zerrte die Laken bis an ihr Kinn, während sie gleichzeitig die Knie anzog. Die Stille der Morgendämmerung gestatte ihr einen Moment, um über die phantomhaften Geschehnisse der Nacht nachzudenken. 

 

Nicht der übliche Albtraum.

 

Eigentlich überhaupt kein Albtraum. Kein Blut, keine verbrannte Haut, die Blasen warf, keine angestrengte Atmung oder ein schwindender Herzschlag. Diesmal hatte sich Asumas Anwesenheit wegen all ihrer Beiläufigkeit, ihrer Unbeholfenheit, ihrer…Zuneigung real angefühlt. Er hatte sich auf diese seltsame und unangekündigte Manier materialisiert, in der die meisten Personen in Träumen auftauchten. Ino hatte Rosendornen aus ihren Füßen und Händen gezogen, als er sich neben sie auf das Bett gesetzt hatte…unbeholfen und unsicher, während er sich in dieser vertrauten Geste der Verlegenheit den Hinterkopf gekratzt und sich hilfesuchend umgesehen hatte. Aber dann hatte er sich ebenso schnell in die Unterhaltung entspannt…ohne dass sich Ino an ein einziges Wort daran erinnern konnte. 

 

Verdammt!

 

Mit einer Faust hämmerte sie gegen die Laken, bevor sie die Hände hinein krallte und den Stoff verdrehte. „Warum?“, wisperte sie und biss sich auf die Lippe, als die Tränen in ihr aufstiegen und ihre Kehle überfluteten. „Verdammt.“

 

Es musste wichtig gewesen sein. Bedeutsam. Vielleicht sollte sie darüber meditieren. Sie hatte es geübt, sich an Träume zu erinnern und sie war die nächtlichen Schrecken durchgegangen, die ihr Unterbewusstsein immer wieder hochwürgte. Verzerrte Erinnerungen. Verdrehte Wahrheiten. Komisch, wie der Verstand arbeitete, die Ereignisse übertrieb, das Grauen darlegte und Wunden schlug, wo es gar keine gegeben hatte. Sie erinnerte sich an Asumas Wunden; jedes getroffene Organ, jeden blutenden Schnitt, jede Verbrennung dritten Grades. 

 

Sensei…

 

Ihre Handflächen kribbelten, wurden klamm und kalt. 

 

Nein. Nein. Nein.

 

Ino zog ihre Decke über ihren Kopf, legte sich auf die Seite und rollte sich zu einem Ball zusammen, während sie dieselbe Entschuldigung wimmerte, die sie jede Nacht seit dem Tod ihres Senseis heraus geschrien hatte. 

 

Es tut mir so leid, dass ich nicht schneller gelaufen bin…es tut mir so leid, dass ich zu spät war…

 

Chōji würde ihre Schuldgefühle verstehen. Doch Shikamaru würde sie dafür hassen. Aber sie wollte es ihm sagen, wollte sich entschuldigen, wollte wenigsten ein einziges Mal sehen, dass er reagierte, auf etwas einging, etwas preisgab…Traurigkeit, Zorn…irgendetwas…

 

Mehr als alles…lass mich…einfach nicht allein hierbei…

 

Rastlos und verängstigt krabbelte sie an den Rand des Bettes und ließ ihren Kopf über den Rand hängen, bis ihr vom Blutrausch schwindelig wurde. Lieber das Pochen in ihrem Kopf, als das drehende Gefühl in ihrem Magen. Langsam krümmte sie einen Arm über ihrem Bauch. Sie hatte Gewicht verloren. Ihre Mutter hatte es bemerkt und mit einer Kombination aus Kritik und Anerkennung reagiert. Ino empfand es als unmöglich, einzuschätzen, ob es nun Besorgnis oder Konkurrenzdenken war, das die fortlaufenden Kommentare ihrer Mutter zu ihrem Erscheinungsbild befeuerte. Aber es war nicht wirklich die Schuld ihrer Mum. Seit der Beerdigung befand sie sich am Rande von einem ihrer Anfälle.

 

Für sie ist es bestimmt auch nicht einfach…

 

Ino war sich nicht so sicher, wie oder warum das stimmt, aber ihr Gewissen – kindlich und verängstigt – versicherte ihr, dass es so war. Dieselbe unschuldige Stimme sagte ihr auch, dass Mom wie eine Orchidee war; von einzigartiger und zarter Wesensart. Schön, elegant, temperamentvoll.

 

Bewegungen den Gang hinunter; ein Streichen von Hausschuhen über Tatami.

 

Mom ist auf.

 

Angestachelt von der unüblichen Aktivität kletterte Ino aus ihrem Bett, bevor sie die Shorts und das Oberteil ablegte, in dem sie eingeschlafen war. Rasch fuhr sie sich mit den Fingern durch lange verhedderte Strähnen, zog sich eine lila Unterhose an und schlüpfte in ein riesiges rotes Shirt mit dem Akimichi Clansymbol. Chōji hatte es bereits vor Monaten hier vergessen, als er übernachtet hatte und er hatte es nie zurück verlangt. Es hing bis hinunter zu Inos Knien und der Kragen war weit genug, um unbeabsichtigt eine Schulter zu zeigen. Süß. Sie hatte es behalten. Auch wenn sie es jetzt im Moment vorgezogen hätte, von einer Akimichi-Umarmung eingehüllt zu werden…selbst ein unbehagliches Nara-Tätscheln auf den Kopf wäre ihr jetzt lieber gewesen, oder diese seltsame Umarmung von der Seite, zu der Shikamaru sie zwang, wenn er ihr nicht direkt begegnen wollte. 

 

Emotionaler Krüppel.

 

Sie lächelte traurig. 

 

Ein Schlurfen ertönte draußen vor dem Fenster und den schweren Schritten folgte das Klirren von Schlüsseln. 

 

Pa?

 

Rasch warf sie einen raschen Blick auf die Uhr und zog die Brauen zusammen. 

 

05:40 morgens.

 

Nerven flatterten durch ihren Magen. Oder vielleicht war es Galle. Sie hatte nichts mehr gegessen seit…wann? Ein weiteres Rascheln von Bewegungen und Inos Eingeweide gurgelten erneut. Und dann hörte sie es; das gewisperte Zischen. 
 

„Inoichi! Was denkst du eigentlich, wie spät es ist?“

 

Auf den Zehenspitzen näherte sich Ino ihrer Zimmertür und schlich dabei über die Reste eines alten lilanen Teppichs, der inzwischen mehr fadenscheinig als flauschig war. Sie ließ eine Hand auf dem Türknauf ruhen und lehnte ihren Kopf gegen das Holz, um nach der Antwort zu lauschen. Die Stimme ihres Vaters rumpelte von irgendwo weiter unten herauf. Seine Worte waren gedämpft, doch das Timbre unverkennbar angespannt. Frustriert. Verschlissen. 

 

So wie er in den letzten Tagen auch ausgesehen hat.

 

Mit zitternden Knien krümmte sie ihre Faust gegen die Tür. Gott! Scheiß drauf, einen auf stark zu machen. Sie schaffte es nicht mehr, das einfach wegzuwischen. Sie brauchte eine Schulter. Vorzugsweise zwei Schultern…und wenn das nicht möglich war, dann vielleicht zwei sture Köpfe, die sie aneinander schlagen konnte. 

 

‚Chōji und Shikamaru sind manchmal noch ziemlich hitzköpfig wie du weißt. Gib auf sie acht.‘

 

Für einen langen Moment lehnte Ino ihre Stirn gegen die Tür und schloss ihre Augen gegen den Ansturm von Emotionen. Als sie ihre Beine genug unter Kontrolle gebracht hatte, wandte sie sich ihrem Kleiderschrank zu und begann, darin herum zu wühlen. Ihre stillen und ruhigen Bewegungen standen in hartem Kontrast zu den Geräuschen, die die Treppe hinauf getragen wurden; das Kratzen von Stuhlbeinen, das hohle Klacken einer Tasse, das Knallen eines Geschirrschrankes, gefolgt von dem scharfen, dominierenden Keifen ihrer Mutter. 

 

Etwas hämmerte; eine Faust auf der Theke. 

 

Und als das Schreien begann, glitt Ino bereits aus dem Fenster. 

 
 

~❃~
 

 

Er glitt zurück ins Bewusstsein, aber es war dunkel. Unmöglich dunkel. Und feucht. Seine Glieder kribbelten wie durch kleine Nadelstiche und machten es schwer, zu unterscheiden, wo genau er Schmerzen hatte, etwas gebrochen war oder er blutete. Er konnte seinen Körper nicht wirklich spüren. Doch die Paralyse alarmierte ihn nicht so sehr wie die sensorische Deprivation. 

 

Jemand löste die Stöpsel aus seinen Ohren. 

 

Geräusche erblühten in schwachen und weit entfernten Bändern, um lose Muster zu formen. Das Summen von etwas, das nach einem Mosquito klang, brummte hinein und hinaus. Aber da war kein Echo oder eine Veränderung in der Lautstärke, was es schwierig machte, Distanz oder Dimension einzuschätzen. 

 

Er versuchte, sein Byakugan zu aktivieren. Zumindest das hätte möglich sein müssen. 

 

Unmöglich.

 

Der Schmerz, der in seinem Kopf explodierte, gestattete es ihm nicht. Ächzend versuchte er, sein Kinn zu drehen und spürte, wie sich Stacheln in seine Schläfen bohrten…und dann kam die Stimme erneut; ein tiefer Bariton rollte gegen sein Ohr. 

 

„Ich kann dafür sorgen, dass es aufhört. Oder anfängt. Genau wie du.“

 

Neji erstarrte und stierte in die Schwärze der Augenbinde, während er noch einmal versuchte, sein Chakra zu kanalisieren, doch stattdessen fühlte er ein heftiges Pulsieren hinter seinen Augen wie ein Wirbeln aurischer Blitze…wie der Ansturm einer Migräne. Langsam atmete er durch die Nase aus. 

 

„Wie groß ist eure Teamstärke?“, forderte die Stimme. 

 

Neji leckte sich über aufgeplatzte Lippen. „Hyūga Neji, Jōnin.“

 

„Wer hat euch angeheuert?“

 

Neji wiederholte seinen Namen und Rang. 

 

„Wo willst du dich mit deinem Team treffen?“

 

Neji sagte nichts. 

 

„Du hast eine ziemlich hohe Schmerztoleranz, nicht wahr? Aber sogar die Nerven schalten sich irgendwann ab. Bei deinen ist das bereits der Fall. Ich weiß, dass du deinen Körper nicht mehr spüren kannst.“

 

Neji schmunzelte grimmig. „Hyūga Neji, Jōnin.“

 

„Lass uns das noch einmal versuchen, okay?“

 

Neji erwartete eine weitere Runde aus Fragen, eine langsame Rückkehr zu Gefühl und Schmerz, ein gebrochenes Körperteil nach dem anderen…nicht den seltsamen Druck an seiner Schädelbasis, der sich aufbaute, aufbaute…bis zu der qualvollen Agonie eines Aufwärtshakens, der sich durch Knochen und Mark grub und wie aus dem Inneren seines Kopfes explodierte und sich gegen seine Stirn rammte. 

 

Das Fluchsiegel brannte. 

 

Neji ruckte spastisch, aber die Fesseln, die er nicht spüren konnte, schränkten seine Bewegungen ein, bis sie nichts weiter waren, als ein jämmerliches Zucken auf einem Folterrad. Rad? Ah, ja. Jetzt erinnerte er sich. Auch wenn er sich nicht entsinnen konnte, ob er daran hing oder mit gespreizten Gliedern darauf fixiert war. Wie lange war er bereits hier? Stunden?

 

Tage?

 

„Ich kann dafür sorgen, dass es länger dauert“, sagte die Stimme sanft, beinahe mitfühlend. „Du kannst dafür sorgen, dass es schneller vorbei ist.“

 

Er spürte, wie sich der Schmerz in seinem Kopf wie eine Zange um sein Hirn zusammenzog und drohte, ihn aufzuknacken wie eine Walnuss. Es war nicht dasselbe wie der Schmerz von dem Fluchmal. Das hier war ein gescheiterter Versuch der Replikation. Aber gottverdammt, wenn es nicht weh tat. 

 

Bastard.

 

„Übrigens waren meine Eltern glücklich verheiratet, als ich gezeugt wurde“, sagte die Stimme und nahm dabei einen vollkommen anderen Tonfall an – weniger listig, mehr plaudernd. „Sollen wir über deinen Vater sprechen, Hyūga Neji? Er hätte eigentlich auch genauso gut ein Bastard sein können, wenn man bedenkt, dass er von der Hauptfamilie ausgeschlossen wurde.“

 

Neji presste die Lippen aufeinander, fühlte, wie die geplatzte Haut noch weiter aufriss und saugte an dem Blut, bevor er seine Worte an blutigen Zähnen vorbei presste. „Hyūga Neji, Jōnin.“

 

„Jōnin? Das ist nicht die Stellung, die du haben willst, nicht wahr? Sag mir, was du willst.“

 

Hyūga Neji, Jōnin.

 

Ich kann alles hören…vielleicht sollte ich noch etwas tiefer graben, deinen Verstand von innen nach außen zerren und all deine Geheimnisse auf dem Tisch ausbreiten. Deinen Stolz zur Schau stellen, deinen Schmerz, all deine schuldhaften Vergnügungen. Ich kann dich dazu bringen, dass du es willst, es mir zu erzählen. Du glaubst mir doch, oder?

 

Der Schmerz in Nejis Kopf wurde noch heftiger. Er spürte, wie sein Gesicht vor all dem Druck anschwoll, in seinen Ohren schrillte es, bis er diese Stimme nicht mehr hören konnte. Feuchtigkeit brannte in seiner Nase und etwas Warmes und Nasses rann über seine Oberlippe. Seine Zunge fuhr nach oben. Blut. 

 

Und dann sprach ein anderer Mann; ein rostiger Nagel in Nejis Hirn. „Das reicht.“

 

Der Schmerz stoppte. Schlagartig wurden jede Pein und Qual aus seinem Körper gesogen, als würde heiße Luft aus einem Schnellkochtopf entweichen. Es ließ ihn einem Zustand seltsamer Schwerelosigkeit zurück…schwebend…leer…

 

Und dann war da ein Nadelstich aus Licht. Es schnellte zur Seite und riss die Dunkelheit fort. Er brauchte einen Moment um zu realisieren, dass die Augenbinde fortgezogen worden war. Ächzend musste er die Augen gegen das aufschreckende Licht schließen. 

 

Jemand trat näher und er spürte kühle Finger an Handgelenk und Hals, die seinen Puls überprüften. Ein feuchter Stoff, der unter seine Nase getupft wurde. Ein weibliches Wispern und ein ruppiges Brummen der Zustimmung. 

 

„Mach die Augen auf, Hyūga.“

 

Blinzelnd hob Neji die Wimpern. 

 

Ibikis Gesicht ragte über ihm auf und seine vernarbten Gesichtszüge wirkten in dem grellen Licht übertrieben definiert. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „Wie fühlst du dich?“

 

Wie fühlte er sich? Wund, schwitzig, krank…marginal vergewaltigt. Erneut presste Neji die Lider aufeinander, während er darauf achtete, wie sein Körper langsam zum Fühlen zurückkehrte – und zur Realität. Er war in Schweiß gebadet, seine Muskeln waren steif und schmerzten, die Handgelenke und Knöchel roh von dem unterbewussten Kampf, den sein Kopf gegen die Fesseln geführt hatte, als er unter dem Bann gestanden hatte. Es war schwer zu sagen, wie viel real und wie viel Phantomschmerzen von dem Genjutsu war. 

 

„Konzentrier dich“, befahl Ibiki. „Weißt du, wo du bist?“

 

Blinzelnd hob Neji das Kinn von seiner Brust und nickte, bevor er wegen des Chaos aus feuchten Strähnen, die über seinem Gesicht klebten, die Miene verzog. Sein Stirnband war entfernt worden. Doch die Offenlegung des Fluchsiegels störte ihn weniger als die Tatsache, dass Ibiki darüber nachgedacht hatte, es gegen ihn einzusetzen. Doch auf der anderen Seite war es auch nicht allzu überraschend, wenn man den Sinn und Zweck dieser Übung bedachte. 

 

Kannst du immer noch meine Gedanken lesen?

 

Keine Antwort.

 

Gut. Sadistischer Bastard.

 

Neji bewegte die Finger und stierte hinunter auf seine Füße. Ah, ja. Er stand. Naja…hing. Und außerdem war nicht nur das Fluchmal bloßgelegt. Sehr verspätet stolperte sein Hirn über seinen nackten Zustand.

 

Ibiki schnaubte. „Schüchtern?“

 

Mit vernichtender Miene spannte sich Neji gegen das Rad an, als die Medic-Nin, die seinen Puls überprüft hatte, damit begann, seine Fesseln und die Blockaden in seinen Tenketsu zu lösen. Er spürte Ibikis unverhohlenen, spöttischen Blick und ließ seine Augen nach oben zucken, sodass sich mondsteinhafte Seen in die pechschwarzen Augen des Tokubetsu Jōnin bohrten. 

 

Ibiki summte und ein Aufflackern von Belustigung zupfte an seinen Lippen. „Danke.“

 

Stirnrunzelnd krächzte Neji hervor: „Wofür?“

 

„Für was auch immer du getan hast, um Nara Shikaku derart anzupissen. Es hat unser kleines Stelldichein so viel unterhaltsamer gemacht.“

 

Neji öffnete die Lippen um zu antworten, nur um nach vorn zu sacken, als seine Arme befreit wurden. Es war nicht gerade seine anmutigste Erholung. Aber seine Glieder fühlten sich auch wie Blei an. Schwer und unempfänglich. Die Medic-Nin fing ihn ab und legte sich einen seiner Arme um die Schultern. 

 

„Langsam“, riet sie ihm milde. 

 

Ibiki stieß ein grimmiges Lachen aus. „Ich würde ja sagen, dass du einfach spazieren gehen sollst, bis es vorbei ist, aber du wirst wahrscheinlich eine Weile brauchen, bis dein Hirn zu deinem Körper aufholt. Setz dich hin. Mach dich wieder mit der Kontrolle vertraut, die ich dir überlasse.“

 

Neji funkelte ihn durch sein dunkles Haar und mit eisweißen Augen an. Er fand nicht einmal Worte, um sich gegen Ibikis arrogante Behauptung zu wehren…und auch keine Überzeugung, um sie zu bestreiten. Soweit er wusste, hätte Ibiki seine Drohung durchaus wahrgemacht, Nejis metaphorisches Hirn bis zum letzten auf dem Tisch auszuleeren. Und in diesem sadistischen Spiel war das Signalwort das, was auch immer Shikaku für richtig hielt…

 

Shikaku…

 

Verdammt. Er wusste, dass er dieses rostige Timbre erkannt hatte. 

 

‚Das reicht.‘

 

Neji sank zu Boden und ignorierte die Medic-Nin, als sie damit anfing, seine Augen zu überprüfen und ihm eine rasche Spritze in die Armbeuge gab. Noch immer haderte über das Wissen, dass Shikaku hinter einem dieser Einwegspiegel hinter Ibiki stand. War Shikaku während der gesamten Trainingssitzung anwesend gewesen? Wäre er auch weiterhin geblieben, wenn Ibiki angefangen hätte, Nejis Hirn auszubeuten? Die Panik, die in ihm aufstieg, ließ Nejis Gesicht um einige alarmierende Schattierungen erbleichen und brachte die Medic-Nin schlagartig dazu, ihn noch einmal durchzuchecken und seinen Puls zu überprüfen. Götter, wenn Shikaku einen Blick auf das erhascht hätte, was hinter den Barrieren in seinem Verstand lag, dann wäre er nicht einfach nur aufgehängt worden…man hätte ihn auf die Streckbank gepackt und blutig gevierteilt.

 

Das darf auf keinen Fall passieren.

 

Er würde einen Weg finden müssen, seinen Verstand zu trainieren und alle Schwächen in seiner Verteidigung zu stärken, die ausgenutzt werden könnten…und ihm fielen nur zwei Personen ein, die ihm bei einem solchen mentalen Training behilflich sein könnten. Ein Kandidat wurde sofort ausgeschlossen – und das aus Gründen, die viel zu tiefgründig und roh waren, um jetzt darüber nachdenken zu können. Und das ließ nur noch eine unvorhersehbare, blondhaarige, großmäulige und blauäugige Shinobi übrig…eine Voraussicht, die mehr Unsicherheit als Zuversicht in ihm auslöste. Aber auf der anderen Seite hatte er auch schon vorher Menschen unterschätzt. 

 

Außerdem war es nicht gerade so, als hätte er eine Wahl. 

 

Neji schmunzelte trocken bei diesem Gedanken. 

 

Geschichte meines Lebens.

 
 

~❃~
 

 

„Es tut mir leid, Kakashi-senpai, aber du brauchst eine Erlaubnis der Hokage, um die Untergeschosse betreten zu dürfen.“

 

Kakashi warf einen Seitenblick auf den Chūnin, der ihm den Weg blockierte, bevor seine Augen weiter zu der zweiten Person glitten. Unschuldig hob er die Hände und lud den anderen Mann dadurch ein, sich zu entspannen. 

 

„Ich bin nicht hier, um durch Daten zu schnüffeln. Ich folge nur einer losen Leine.“

 

Kotetsu stierte ihn ohne zu lächeln an. „Geht nicht. Einer ‚Leine‘ zu folgen setzt trotzdem eine Autorisierung voraus. Zugang zu den Archiven für investigative Zwecke erfordert die Zustimmung der Hokage.“

 

Kakashi zog ein wenig den Kopf zurück und knickte die Hüfte ein, während er in die Gürteltasche an seinem Rücken griff. So wie Kotetsu offizielles Vokabular statt seiner trägen Umgangssprache nutzte, zeigte das Kakashi deutlich, wie weit er nicht kommen würde, wenn er das hier locker versuchen würde – was ihn nicht davon abhielt, eine Hundeleine aus seiner Tasche zu ziehen und sie den beiden entgegen zu strecken. 

 

Kotetsu runzelte die Stirn und seine geröteten Augen blinzelten irritiert. „Was ist das?“

 

„Meine lose Leine.“

 

„Versuchst du, witzig zu sein?“

 

„Überhaupt nicht. Was normalerweise an diese Leine gebunden ist, rennt gerade lose durch den Keller.“

 

Kotetsu tauschte einen raschen Blick mit Izumo aus, bevor er Kakashi mit einem argwöhnischen schlitzäugigen Blick bedachte. „Die einzige Sache, die lose ist, ist die Schraube in deinem Kopf, wenn du ernsthaft glaubst, dass wir darauf reinfallen.“ 

 

Ein schrilles Heulen echote durch die tieferen Heiligtümer der Bibliothek. 

 

Beide Chūnin schnellten herum wie aufgeschreckte Rehe. 

 

Für einen Moment beobachtete Kakashi, wie sie ins Straucheln gerieten, bevor er seine Haltung änderte und sich ihre Unsicherheit zunutze machte, um einen festen Ansatzpunkt zu finden. Mit einer einzigen Bewegung geschmeidiger Muskeln verwandelte sich seine gesamte Aura und sein laxer Stand richtete sich auf, während seine Miene hart wurde, sich seine Schultern zurückzogen und seine Brust vorschob. Seine lockere Stimme nahm eine gefährliche Kante an. „Nun, wenn ihr schon so besorgt um Sicherheit seid, dann wollt ihr vielleicht auch etwas Zeit darin investieren, die Lüftungsschlitze in der Umgebung zu überprüfen, um Bedrohungen zu vermeiden. Wie gut, dass es nur mein Ninken ist, der da unten verloren gegangen ist und nicht irgendein dubioser, datenklauender Spion ohne Genehmigung.“

 

Kotetsu wirbelte herum, während sein Kiefer nach unten klappte; bereit dazu, eine bissige Erwiderung hervor zu blaffen. Doch Kakashis erhobene Braue stoppte den Chūnin schlagartig und für einen Moment sah Kotetsu perplex aus; ganz so, als wäre er von seiner eigenen Vehemenz überrascht. Er wich einen halben Schritt zurück und spähte zu Izumo; eine unbewusste Suche nach Bestätigung.

 

Izumo sah jedoch nicht viel anders aus, als sein sichtbares Auge weit aufflog. Beide erschienen von ihrer Unfähigkeit, ein Tier vom Gelände fernzuhalten, beschämt zu sein. Doch Kakashi spürte, dass ihr Gefühl des Versagens viel, viel tiefer ging. Die Transparenz ihrer Ablenkung und ihrer Trauer brachte den Kopierninja beinahe dazu, sein Vorgehen zu überdenken. 

 

Sorry, Jungs. Ich hab nicht die Zeit, fair zu spielen.

 

Sein graues Auge verengte sich in kaum verhohlener Ungeduld. „Also wenn ihr mich jetzt meinen entlaufenen Hund holen lasst, dann bin ich auch schon weg.“

 

Izumo räusperte sich kopfschüttelnd. „Wir brauchen immer noch-“

 

Seufzend warf Kakashi in leichtfertiger Ablehnung eine Hand nach oben. „Tut euch keinen Zwang an, ihr könnt meinen Welpen auch gerne selber da raus holen. Ihr würdet mir einen Gefallen tun.“

 

„Welpe?“, sagte Kotetsu. 

 

„Gefallen?“, fügte Izumo hinzu. 

 

Kakashi summte und stierte genervt himmelwärts. „Sechs Monate. In dem Stadium bestehen sie quasi nur aus ungezügelten Hormonen, scharfen Zähnen und manischer Energie.“ Er sah wieder nach unten und beugte sich etwas vor. „Noch ein Wort der Warnung, bevor ihr loslegt. Ihr solltet euch ihm nicht von hinten nähern, oder zulassen, dass er hinter euch kommt…wenn ich jetzt so drüber nachdenke…er mag es eigentlich auch nicht besonders gern, von vorn in eine Ecke gedrängt zu werden. Ihr werdet ihn von oben fangen müssen, was allerdings interessant werden könnte, wenn er wirklich irgendwie in den Lüftungsschächten feststeckt.“

 

„In den Lüftungsschächten feststeckt“, plapperte Kotetsu nach. „Ernsthaft?“

 

Izumo schnaubte, als er etwas von seinem Selbstvertrauen wiedergewann, das er verloren hatte. „Wenn er so klein ist, dann denke ich, dass wir mit ihm klar kommen.“

 

Kakashi blinzelte ausdruckslos wie immer. „Es kommt nicht auf seine Größe an…sondern darauf, was er damit macht.“

 

‚Du musst wirklich aufhören, diese Bücher zu lesen.‘

 

Der Geist von Asumas Worten kam so plötzlich und so unerwartet, dass Kakashi beinahe ein verlegenes Lachen ausgestoßen hätte, bevor er sich ermahnte, dass er gerade mitten in einer Mission war. Er hob eine Hand, um sich den Nasenrücken zu kratzen und dabei lässig und kontrolliert zu wirken. Der kummervolle Stich hinter seinen Rippen stahl ihm beinahe den Atem.

 

„Mist“, zischte Izumo und spähte über seine Schulter, bevor er seinen Nacken kratzte und in einem Augenblick innerer Debatte gefangen war. Kakashi kannte diesen Ausdruck. Es war der, den er selbst immer trug, wenn er Gewissen, Zweckmäßigkeit und das Regelbuch gegeneinander abwog. 

 

Kotetsu teilte die tiefe Überlegung seines Partners aber offensichtlich nicht und ließ seinen Blick stattdessen ein einziges Mal zwischen Kakashi und der Tür hin und her wandern, bevor er den Kopierninja in das Gebäude winkte. „Geh schon.“

 

Izumo versteifte sich. „Kotetsu.“

 

„Ich werde mir sicher nicht am Hintern kauen oder mein Bein rammeln lassen von einem pubertierenden Köter“, fauchte Kotetsu. „Es ist Kakashi-senpais Problem. Er kommt damit klar.“

 

Wenn irgendjemand mit seinen Problemen klar kommen musste, dann war es Kotetsu. Aufmerksam musterte Kakashi jeden der beiden Chūnin und eine sanfte Welle des Verstehens spielte hinter der stählernen Barriere seines kühlen grauen Blicks. 

 

Asumas Tod hat sie hart getroffen.

 

Kotetsu wandte sich ihm wieder zu und winkte ihn noch einmal vorwärts. „Wir haben dich nicht gesehen; oder dein Hündchen.“

 

Halbherzig zuckte Kakashi mit den Schultern und zog eine zielgerichtete Show ab, indem er sich die Leine um das Handgelenk wickelte, bevor er an ihnen vorbei trottete. Er spürte, wie sich Izumo drehte und machte sich schon darauf gefasst, dass sein Zugang erneut blockiert wurde, nur um zu hören, wie Kotetsu hinter seinem Partner her blaffte und die Richtung des anderen Chūnin umlenkte. 

 

Kakashi sah nicht zurück, sondern setzte seinen Weg fort. Schnurstracks lief er zu einer Seitentür am Ende des hintersten Korridors, um eine lange weite Treppe zu nehmen, die in scharfen Winkeln und breiten Plateaus nach unten abstieg und sich immer weiter verengte, bis Kakashi die riesige Eisentür zum Kellergeschoss erreichte. Er schob den schweren Riegel zurück und drückte. Metall ächzte und Scharniere kreischten. Der starke Geruch von Schimmel und verstaubter Papiere überfiel ihn…zusammen mit dem Bruchteil einer Sekunde des Zögerns. 

 

‚Du musst nicht die Schule schwänzen, nur weil ich das mache, Kakashi.‘

 

‚Ich würde es mir lieber so vorstellen, des Teufels Advokaten zu spielen.‘

 

‚Des Teufels Advokaten, huh? Meine Güte, macht mich das zum Bösewicht?‘

 

‚Klingt für mich eher danach, als würdest du versuchen, den Bösewicht zu fangen.‘

 

Bevor Kakashi noch weiter über dieses Gespräch nachdenken oder überlegen konnte, was zur Hölle er zu fangen versuchte – außer einem Geist – trat er hinein in den engen Gang. Der lange, feuchte Tunnel erstreckte sich vor ihm in einem Fleckenteppisch aus Dunkelheit und fahlem Licht. Glühbirnen summten an den Wänden und ihr schwaches, staubiges Glühen flackerte und verblasste weiter den Flur entlang. 

 

Kakashi schob die Leine zurück in die Tasche und zog eine Taschenlampe hervor, auf der er mit dem Daumen den Knopf drückte. 

 

Ein greller Lichtstrahl schnitt durch die Finsternis und wies ihm den Weg, als er begann, den Korridor entlang zu schreiten. Aufmerksam achtete er auf all die Nebengänge, die sich abzweigten, in offene Räume und verschlossene Archive führten. Beinahe wie in einem Kaninchenbau. Er könnte hier unten für Stunden verloren gehen…fragte sich – flüchtig – ob Asuma hier gestanden und dasselbe Gefühl der Vergeblichkeit angesichts einer solch ungewissen Aufgabe verspürt hatte. 

 

Eine Aufgabe, die absolut nichts mit mir zu tun hat…

 

Und dennoch war er hier und es hatte überhaupt keinen Wert zu trödeln. 

 

Kakashi stieß einen leisen Pfiff aus. Der Klang stach durch die Dunkelheit, als würde er dem Pfad des Kegels der Taschenlampe folgen. Für einen Moment war da nichts außer dem Brummen der sich abmühenden Glühdrähte. Und dann erklang das sanfte Tapsen von Pfoten, das von den Wänden widerhallte und von der Stille verstärkt wurde. 

 

„Bitte mich nie wieder darum, das zu tun“, beschwerte sich eine grummelige und kratzige Stimme aus den Schatten.

 

Kakashi neigte das Handgelenk und ließ das Lampenlicht direkt neben den kleinen Mops scheinen, der in der Mitte des Ganges saß. „Wenn der Besen passt…“, begann der Kopierninja. 

 

Pakkun schnaubte halb und nieste halb, was Staubpartikel und Schleim auf dem billigen Linoleum verteilte. „Ugh. Ich bezweifle, dass dieser Ort in den letzten Jahrzehnten einen Besen gesehen hat. Ich werde sicher nicht nochmal durch diese Lüftungen kriechen.“

 

„Du hast ein ordentliches Durchlüften nötig gehabt.“

 

Der Mops erschauerte und sein Fell stellte sich seinen Nacken entlang auf. „Du hast ja keine Ahnung. Ich bin dadrin stecken geblieben. Hat mich eine Menge Energie gekostet, mich da raus zu kriegen.“

 

„Ach echt?“, fragte Kakashi gedehnt. „Wie hast du es denn geschafft?“

 

„Hab richtig hart gefurzt.“

 

Stille herrschte für die vollen fünf Sekunden, die Kakashi brauchte, um sich das vorzustellen…bildlich. Er warf seinem Hund einen bösen Blick zu.

 

Pakkun schnaubte. „Du hast gefragt. Ich habe geantwortet.“

 

Kopfschüttelnd wechselte der Kopierninja das Thema. „Hast du irgendwas gefunden?“

 

Pakkun schnupperte in die Luft und wurde sehr still, als würde er ein weiteres Niesen nieder kämpfen, bevor er grunzte. „Der Geruch ist schwach, aber Asuma war definitiv hier unten.“

 

„Wo?“

 

„Bist du dir sicher, dass du das wissen willst?“

 

„Ich frage. Du antwortest.“

 

„Das passt nicht zu dir, Kakashi.“

 

„Da stimme ich dir zu. Und jetzt zeig mir, wo.“

 

Pakkun musterte für einen Moment die Ballen seiner Pfoten, bevor er den Kopf schief legte und zu seinem Herren aufsah. „Wie heißt das Zauberwort?“

 

„Sei nicht so mopsig.“

 

Pakkun verzog bei dem schrecklichen Wortspiel das Gesicht. „Oh, du bist urkomisch“, grummelte er. Aber dann wurde die Miene des Hundes weicher. „Das solltest du öfter machen, weißt du.“

 

Kakashis Belustigung verschwand schlagartig. Ungeduldig ruckte er mit dem Handgelenk und nutzte seine Taschenlampe zum Signalisieren.

 

Augenrollend stieß Pakkun ein langes leidvolles Seufzen aus, bevor er sich umwandte, um den Korridor entlang zu trotten. „Mir nach.“

 

Der Kopierninja folgte und ließ den schmalen Strahl der Lampe über die Wand gleiten. Seinen Blick hielt er auf das Schimmern von Pakkuns Hitai-ate fixiert, als der Hund voran tapste und Kakashi zwei gewundene Korridore hinunter führte, bevor er nach links in einem offenen Raum verschwand. 

 

„Hier.“

 

Kakashi trat hinter ihm ein und ließ das Licht durch das Zimmer wandern. 

 

Der Strahl prallte von Reihen von Aktenschränken ab, die den Raum zu beiden Seiten flankierten. Fensterlos, stickig, die niedrigen Ecken der Decke eingehüllt in Spinnweben. Kakashi ließ das Licht zurück nach unten schwingen und traf auf einen umgeworfenen Tisch an der einen Seite des Zimmers. Er war in der Mitte gespalten. Umgeschmissene Kisten lagen in der unmittelbaren Nähe verstreut; Opfer des schlagartigen Kenterns des Tisches. Ein paar Schritte entfernt lag ein umgestürzter Metallstuhl und ein paar Schwanenhalslampen lagen in kaltem Schlaf und mit zersplitterten Birnen da. 

 

Na schön, Asuma…Zeit, aus dem Nähkästchen zu plaudern.

 

Gähnende Leere, abgesehen von dem Gurgeln der Rohre hinter den Mauern. 

 

Pakkun trat teilweise in den Kegel der Taschenlampe und seine faltigen Brauen zogen sich zu einem tierischen Stirnrunzeln zusammen. „Es war noch eine andere Person hier, aber sie haben einen Tarnduft genutzt. Ein Drüsenextrakt. Hirsch…zumindest demzufolge, was ich riechen kann.“

 

Kakashi summte abgelenkt, auch wenn sein Verstand diese Information sofort katalogisierte. Er schob sich um ein paar Kisten herum, suchte nach Hinweisen, schwang das Licht über die staubige Metalloberflächen der Aktenschränke, warf einen Blick auf Papierablagen und weggeworfene Stifte, bis der Lichtstrahl auf einen massiven Krater traf. 

 

Da.

 

Kakashi trat hinüber und hob eine Hand, um sein Sharingan freizulegen. Das rote Auge fokussierte sich und richtete sich auf das riesige gezackte Loch, das in einen der Schränke gerammt war. Beständig hielt er das Licht in seiner Linken, während er mit der freien Hand über die ausgefranste Delle strich und seine Finger die sägezahnförmigen Kanten der Einstichstelle nachzeichneten.

 

Eine gezackte Klinge.

 

Er stellte die naheliegende Vermutung an, dass Asumas Grabenmesser wohl in Aktion gewesen waren. Aber aus welchem Grund hätte er sie hier drinnen einsetzen sollen? Kakashis Blick verharrte auf dem Schrank, während er verschiedene Szenarien durchging. 

 

Frust? Ein Kampf? Ein beeindruckend gescheiterter Versuch, ein verschlossenes Regal zu öffnen?

 

Du greifst nach Strohhalmen, Hatake.

 

Er sah etwas näher hin. Kein Einfluss von Chakra. Asuma hatte sich bei diesem Schlag zurück gehalten. Ein normaler Hieb hätte den gesamten Schrank halbiert. 

 

Wenn er die Klinge in Frustration hier rein getrieben hat, dann drängt das die Frage auf, warum er die Waffe überhaupt gezogen hat. Und wenn er die Waffe wegen einer Konfrontation gezogen hat, dann hätte dieser umgeleitete Schlag in den Schrank dafür gesorgt, dass er mit dem Rücken zu der Bedrohung steht. 

 

Das hätte ihn weit offen für einen Angriff von hinten gelassen. Unruhe verdrehte sich in Strömen in Kakashi, die ebenso eisig waren wie das Frösteln, das seine Wirbelsäule hinunter jagte. 

 

Es gibt nur einen Grund, aus dem er das tun würde…

 

Kakashi trat einen Schritt nach hinten und wandte sich halb um, wobei er seinen Oberkörper gerade weit genug drehte, um das Licht über seine Schulter werfen und direkt hinter sich sehen zu können. Er versuchte, sich vorzustellen, wer vermutlich dort gestanden und auf Asumas Rücken gestarrt hatte. Während sein Verstand sämtliche Möglichkeiten durchging, ließ er den Lichtkegel zu der gegenüberliegenden Reihe aus Schränken wandern, dann höher hinauf über die Wände, bis das Licht in einem winzigen Zwinkern zu ihm zurück reflektiert wurde. 

 

Kakashi erstarrte. 

 

Und in der Zeit, die das Zwinkern aus Licht brauchte, um sich bemerkbar zu machen, verstand er mit blendender Deutlichkeit, wer noch mit Asuma hier unten gewesen war. 

 

Aber er musste es mit Sicherheit wissen. 

 

Er ruckte mit dem Handgelenk und wurde mit demselben Aufflackern konfrontiert. Winzig. Ein bloßer Nadelstich gegen einen Hintergrund aus vergilbtem Putz und einer riesigen, sich abschälenden Karte.

 

Gegen jeden Instinkt und jeden Intellekt hoffend, schloss Kakashi die Distanz in langsamen, vorsichtigen Schritten. Sein Sharingan wirbelte, als er den Kopf auf eine Seite legte, um sich das Bild der Karte einzuprägen, die an der Wand hing. Langsam streckte er eine Hand aus und strich damit über den zerknitterten Atlas, bis seine Handkante gegen einen Nagel stieß. 

 

Wunschdenken.

 

Kein Nagel. Ein Senbon. Das tödliche Ende steckte in der Karte und markierte einen Ort direkt neben Kusagakure. Kakashi notierte sich mental die Stelle und zog dann die dünne Nadel aus dem Papier, um sie in seinen Fingern zu drehen und das stumpfe Ende zu studieren, bevor er mit dem Daumen gegen die scharfe Spitze tippte. 

 

Leise atmete er in die Stille aus. „Verdammt“, wisperte er. 

 

Pakkun hörte auf, in einer der Boxen herum zu schnüffeln und sah mit aufgestellten Ohren und zuckender Schnauze auf. „Was hast du gefunden?“

 

Das, wovon er gehofft hatte, es nicht zu finden. Aber von dem er ebenso sehr gewusst hatte, dass er es finden würde. 

 

„Genma.“

 

 

______________________

Da sind sie wieder...Shikamaru und Neji, wenn auch nur in einer jeweils recht kurzen Passage. Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen! Und ja, Kakashi fängt fleißig an, Detektiv zu spielen. Würde mich natürlich wie immer mega freuen zu erfahren, was ihr von dem Kapitel gehalten habt! :) 

Danke wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen. 
 

A./N.: Für alle, die nicht wissen, was sensorische Deprivation ist: Das beschreibt einen Entzug sämtlicher Sinneswahrnehmungen. Ein Vorgang, der vor allem zur Folter (Bsp. in Guantanamo) und Gehirnwäsche genutzt wird. Allerdings findet es auch Anwendung in Esoterik oder speziellen BDSM Praktiken, sowie zur Bewusstseinserweiterung. Wer die Serie 'Stranger Things' gesehen hat: Elfie macht in der ersten Staffel etwas ganz  ähnliches in dem Wassertank, um in die Parallelwelt zu gelangen und Kontakt zu dem Demogorgon herzustellen ;)



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Lady_Ocean
2023-04-25T05:48:21+00:00 25.04.2023 07:48
So viele Szenen in einem Kapitel. Hier war wirklich viel los. Shikamaru ... Ich hatte mich im Prolog gefragt, ob er vielleicht in einem ähnlichen Zustand des Entrücktseins gefangen ist wie Kurenai. Aber er hat sich in die Vergangenheit geflüchtet, um temporär dem psychischen Einschlag zu entgehen, der da auf ihn wartet. Aber unter der Oberfläche brodelt es sehr. Dass er mit sich selbst Shogi spielt, ist eigentlich nur an der Oberfläche ein Versuch, ein Stück weit der alten Normalität wiederherzustellen. Aber in diesen gewagten Spielzug, bei dem er seinen silbernen General opfern muss, schwappt auch die Vergangenheit mit rein. Zum einen vermute ich, dass er sich unbewusst fragt, ob Asumas Tod ein Teil seiner Strategie gegen Akatsuki gewesen ist. Er vergleicht es ja ein Stück weit mit dem Opfern des silbernen Generals. Gleichzeitig räumt er ja ein, dass er es nicht hat kommen sehen. Also schätzt er hier möglicherweise seine Strategie in Bezug auf Akatsuki als risikoreich und gleichzeitig unvollständig ein. Und in Form dieses Spielsteins zerbricht er sich nun den Kopf darüber, wie er so einen Ausgang hatte übersehen können. Wo eine weitere mögliche Option gesteckt hätte, die dieses Opfer vermieden hätte. Und ich denke, seine Erinnerungen reichen noch viel weiter.
‚Tu es. Mach deinen Zug, Shika. Nichts ist einfacher.‘
Dass die Stimme in seiner Erinnerung ihn hier mit "Shika" anspricht, deutet stark darauf hin, dass das ein Erinnerungsfragment aus seiner Gefangenschaft vor zwei Jahren ist. Er bekommt diese Erinnerung auch nicht mehr zu fassen, als sein Falke ihn ins Hier und Jetzt zurückholt (was für ein empathisches Tier). Dass man ihn damals zu ähnlich grausamen Entscheidungen (jemanden zu opfern oder zu töten) gezwungen hat. Vielleicht meint es dem Menschen, von dem Shikamaru Asuma bereits erzählt hat, dass er tot ist, weil Shikamaru ihn selbst getötet hat. Es könnte aber genauso gut jemand anderen meinen und besagter Peiniger, der damals diesen Satz ausgesprochen hat, saß irgendwo abseits und hat alles beobachtet. Zwei Tage waren es gewesen, die Shikamaru dort festgehalten worden war, oder?

Und Ino ... Hilfe, die kurze Szene bestätigt so einiges, was mir im vorherigen Kapitel zu ihr durch den Kopf gegangen ist. Dass die Art und Weise, wie ihr Vater Gespräche führt ("Schnellfeuerverhör"), sehr belastend sein muss, was sie bei Sorgen eher in die Arme ihrer besten Freunde treibt als in die ihrer Eltern. Durch den ziemlich kaputten Charakter ihrer Mutter wird das ja zusätzlich verstärkt. Die Mutter ist sich dessen wahrscheinlich selbst nicht bewusst, dass ihre Haltung bezüglich Inos Gewichtsverlust die Manifestierung eines Dilemmas zwischen Sorge um ihre Tochter und einem krass geschädigten Selbstwertgefühl ist. Und dieser Streit zwischen ihren beiden Eltern muss auch an der Tagesordnung stehen. Oooooh, das erinnert mich an meine eigenen Eltern. ^^° Daher verstehe ich diesen Teufelskreis, in dem Inos Eltern feststecken, mittlerweile ganz gut. Inos Mutter bräuchte eigentlich einen Ehepartner, der ihr Stabilität und sehr viel Anerkennung bietet. Und sie auch braucht. Aber wenn Inoichi ein Problem hat (und wahrscheinlich auch sonst einfach mit irgendwem reden will), dann verzieht er sich. Seine Frau (mit ihrer garstigen, giftigen, schuldzuweisenden Art) ist wohl die letzte Person, bei der er Halt suchen könnte. Sie zu ertragen, braucht auch so schon seine ganze Energie und viele Nerven. Deshalb zieht er sich zurück, wann immer er kann. Und diese Distanz tut ihr unglaublich weh, wo sie doch ohnehin schon unter Minderwertigkeitskomplexen, einem kaputten Selbstwertgefühl und fehlender Liebe und Anerkennung so sehr leidet, dass sie daran zugrunde geht. Und diese Mischung entlädt sich dann regelmäßig in hollywoodreifen Eskalationen. Und wer muss sich das alles anhören (oder eben nicht, denn sie hat ja inzwischen "gelernt", das Weite zu suchen, wenn es losgeht)? Ino.

Und nun geht Nejis ANBU-Prüfung richtig los. Zu Beginn der Szene mit ihm war ich total erschrocken und hatte mich gefragt: Was? Ist er bei dem Zusammenstoß mit Akatsuki in feindliche Hände geraten? Habe ich das total vergessen? Aber dann hat sich ja gezeigt, dass sich das hier alles "kontrolliert" innerhalb Konohas abspielt. Und es macht ja auch Sinn, dass ANBU-Anwärter gerade in ihrer psychischen Resilienz auf Herz und Nieren geprüft werden. Aber ich denke, Ibiki hat das durchaus ehrlich gemeint, als er sich dafür bedankt hat, dass er so viel "Spaß" mit Neji haben durfte. Was für ein Sadist. Wirklich, Gott sei Dank hat er nicht aufgedeckt, was da alles zwischen ihm und Shikamaru passiert ist. Es würde mich nicht wundern, wenn Shikaku sich seinen Teil denkt und vermutet, dass da ein besonderes Band zwischen Neji und Shikamaru existieren muss (wenn da nicht etwas Besonderes gewesen wäre, wäre Neji von Anfang an nicht auf so eine persönliche Blutrache aus gewesen. Und Shikamaru hätte niemals so belanglos auf diesen Angriff reagiert. Jeder andere hätte sich nach solch einem Überfall in der ein oder anderen Form rächen wollen). Und ich nehme an, die einzigen zwei Personen, die Neji eingefallen sind, wer ihm Techniken zum Schutz seines Verstandes beibringen kann, sind Shikaku und Ino. Und dass von den beiden Shikaku ausfällt, versteht sich von selbst. Schön, dass Neji auch langsam mal ein Stück weit von seinem hohen Ross runterkommt und die Möglichkeit, sich Hilfe von Ino zu holen, nicht auch von vornherein ausschließt, weil sie "unter seiner Würde" und "nicht fähig genug" ist. Im ersten Moment war ihm sein Hyuga-Stolz zwar noch im Weg, aber dann hat er es doch geschafft, seine Einstellung zu reflektieren und sein Urteil zu verschieben. Das erinnert mich an seine letzte "Aussprache" (für Nejis Verhältnisse war es das durchaus) mit Kiba. Die zwei waren sich bis dahin ja auch an die Kehle gegangen wie Hund und Katze (oder Affe, wie man im Japanischen sagen würde). Es wird langsam.

Dass Kakashi nun Asumas Spuren nachspioniert, ist vielleicht seine eigene Art der Aufarbeitung bzw. Buße. Buße für die Gelegenheiten, die er selbst immer wieder hat verstreichen lassen, nur um für sein weiteres Leben mit der Bürde zurechtkommen zu müssen, die ihm seine Passivität beschert haben. Aufarbeitung insofern, als dass auch er wahrscheinlich irgendeine Art von Zugang zu Asuma und dessen Tod braucht und er sich den Weg der emotionalen Auseinandersetzung mit dem Schmerz und Verlust erst einmal verboten (weggeredet) hat. Asumas Suche fortzusetzen, gibt ihm ein konkretes Ziel, auf das er sich erst mal konzentrieren kann. Das macht es leichter, andere Fragen und Probleme auszublenden. Auch wenn er diese Wahl wahrscheinlich nicht bewusst getroffen hat.
Antwort von:  Lady_Ocean
25.04.2023 07:49
Ah, eine sprachliche Frage habe ich noch:
"Und dennoch war er hier und es hatte überhaupt keinen Wert zu trödeln."
Ich kenne das nur als "und es hatte überhaupt keinen Sinn zu trödeln" (oder "er hatte überhaupt keine Zeit zu trödeln". Kann man das auch mit "Wert" übersetzen? Kenne ich so gar nicht.
Von:  SasukeUzumaki
2021-10-09T05:38:27+00:00 09.10.2021 07:38
Hey Scatach 😊

Uff es geht traurig weiter 😖 klar jeder muss den Tod von Asuma erstmal verarbeiten und verdauen... ich würde mit ihnen nicht tauschen wollen. 🥺

Pakkun ist der Wahnsinn: "ich habe einfach richtig gefurzt!" 🤣🤣🤣🤣🤣

Trotz allem ein tolles Kapitel, mach weiter so.

Liebe Grüße ❤

SasukeUzumaki
Antwort von:  _Scatach_
11.10.2021 22:45
Huhu :)

Ja, wie gesagt, diese Geschichte strotzt wirklich nicht vor Fröhlichkeit...:/
Und es geht eben auch genau darum, zu beleuchten, wie die verschiedenen Charaktere mit dem Tod von Asuma umgehen.

Haha, wenigstens konnte ich dich durch Pakkun ein bisschen erheitern ;)

Freut mich sehr, dass dir das Kapitel gefallen hat! :)
Vielen vielen Dank für das Review und sorry für die späte Antwort -.-
Ganz liebe Grüße <3
Scatach
Von:  Scorbion1984
2021-10-06T19:10:02+00:00 06.10.2021 21:10
Das hat denen ja richtig Spaß gemacht, Neji so zu foltern .Shikaku muss ihn wirklich verachten.
Asumas Tod wird sie wohl alle noch eine Weile begleiten.
Schlimm das es so kommen musste .
Was ist mit Inos Eltern los ,eine einigermaßen gute Ehe sieht wohl anders aus .
Antwort von:  _Scatach_
11.10.2021 22:44
Oja, das hat ihnen wirklich Spaß gemacht ^^ Shikaku hat definitiv ein ordentliches Hühnchen mit ihm zu rupfen.
Und du hast auf jeden Fall recht, der Tod von Asuma lässt sich auf jeden Fall nicht einfach so abschütteln.
Bei Inos Eltern hängt auf jeden Fall der Haussegen schief, wenn man es so nennen will, ja...das wird aber noch geklärt, was da so los ist ;)
Vielen vielen Dank für dein Review und sorry für meine späte Antwort wieder mal :/
Von:  swetty-mausi
2021-10-06T11:47:16+00:00 06.10.2021 13:47
Guten Tag,

ich habe heute gesehen das ein weiteres Kapitel veröffentlicht wurde. Musste ich es gleich lesen. Es wirklich traurig mit anzusehen/zu lesen. Wie jeder mit den Verlust fertig werden muss von Ausuma. Wenn alle es verarbeitet haben, wachsen die Charaktere daran.
Ich hoffe Neji geht bald wieder besser.
Antwort von:  _Scatach_
11.10.2021 22:42
Huhu :)
Sorry wieder mal für meine späte Antwort -.-

Ja, generell ist dieser Teil der Serie wirklich enorm düster und bedrückend, das stimmt schon :/
Aber genau darum geht es hier eben auch...zu zeigen, wie die verschiedenen Charaktere mit dem Verlust von Asuma umgehen.
Ja, Neji muss auf jeden Fall auch einiges mitmachen, das stimmt :/

Vielen lieben Dank für dein Review und liebe Grüße,
Scatach


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