Happy Holidays von Tiaiel (Eine Puppyshipping-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Setos Geburtstag --------------------------- Es war ein Sonntag im Oktober. Ein Monat, in dem der Herbst seine schönsten Farben zeigte und an einen Ausflug ohne Jacke nicht mehr zu denken war. Verträumt schlenderte Jonouchi durch die Straßen der Stadt, denn heute war einer der wenigen Tage, an dem er einfach mal nichts vor hatte.    Kein Job, bei dem er pünktlich erscheinen musste.  Keine Termine oder Treffen mit Freunden.  Und das Allerbeste: Keine Hausaufgaben, denn aktuell hatten sie Herbstferien.    Yuugi und sein Großvater waren während dieser Woche im Urlaub. Natürlich in Ägypten, wo auch sonst. Folglich hatte der Laden geschlossen, sodass sich der Blonde gezwungen sah, im Game Center im Stadtinneren nach neuen Duel Monsters Karten Ausschau zu halten. Zufrieden mit seiner Ausbeute in der Hand verließ er schließlich den benannten Laden bereits wenig später wieder und wollte schon den Heimweg antreten, als er eine bekannte Stimme vernahm.   „Hallo Jonouchi-kun”, begrüßte ihn Mokuba, der soeben in den Wagen auf der ausgewiesenen Parkfläche direkt neben ihm einsteigen wollte. „Hey, Mokuba. Was treibt dich denn hierher?”, erwiderte der Blonde die freundliche Begrüßung. „Nichts Besonderes. Ich war gerade auf dem Weg zu Seto. Wir werden heute die neuen Attraktionen im Freizeitpark nochmal testen, bevor wir sie morgen offiziell eröffnen.”   ‘Stimmt, da war ja was’, erinnerte sich der Blonde und bei dem Wort “Freizeitpark“ leuchteten seine Augen plötzlich auf. Es war schon eine ganze Weile her, dass Kaiba den Park eröffnet hatte und er selbst war bisher noch kein einziges Mal dort gewesen. Dabei liebte er die vielen verschiedenen Fahrgeschäfte wie beispielsweise die Achterbahn oder auch den Autoscooter. Wären seine Freunde jetzt da, würde er ihnen direkt vorschlagen, einen Ausflug dorthin zu machen.    „Ja, das wäre genau das Richtige…”, brabbelte er seine Gedanken laut vor sich hin. Interessiert sah der Schwarzhaarige Jonouchi an und konnte die Euphorie direkt aus dessen Gesicht ablesen. Vielleicht konnte er ja… Auch wenn sein Bruder davon bestimmt nicht begeistert sein würde... „Sag mal”, begann er neugierig seinen Satz, „Hast du vielleicht Lust mitzukommen? Die Beurteilung eines Außenstehenden würde uns sicher von Nutzen sein.”   Mit kugelrunden Augen und einem etwas zweideutigen Blick sah er den Blonden erwartungsvoll an. ‘Wie konnte Kaiba diesem Jungen auch nur irgendeinen Wunsch abschlagen?', fragte sich der Angesprochene und ihm blieb beinahe keine andere Wahl, als sich dem zu ergeben. Dass diese glückliche Fügung auch genau seinem Wunsch entsprach, musste er ja nicht zwingend preisgeben. Ihm war  durchaus bewusst, dass Kaiba wohl nicht sehr erfreut über sein Auftauchen sein würde. Gerade am heutigen Tag. Wer arbeitete denn schon an seinem Geburtstag, wenn er doch sicher mehr als genug Personal besaß, um einen Nachmittag mal mit Anwesenheit zu glänzen? Natürlich nur der Herr Firmenchef, der Workaholic durch und durch.   Ja, Jonouchi wusste, dass Kaiba am 25. Oktober Geburtstag hatte. Genau drei Monate vor ihm selbst. Denn er interessierte sich durchaus für den Jungunternehmer, auch wenn es offensichtlich nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. So war es ihm eine heimliche Freude, Mokubas unverhofftes Angebot anzunehmen und in die noble Karosse mit einzusteigen.   Auf dem Weg zum Freizeitpark beschäftigte ihn jedoch weiterhin die Frage, warum Kaiba diesen Tag nicht wie alle anderen auch mit Torte und Geschenken feiern wollte oder sich wenigstens diesen einen Tag mal frei nahm. Neugierig wandte er sich an Mokuba in der Hoffnung, dass er ihn aufklären würde: „Sag mal, Mokuba. Wieso arbeitet dein Bruder eigentlich an seinem Geburtstag? Ich habe immer angenommen, dass er den Tag groß und pompös feiern würde.”   Etwas überrascht sah ihn der Schwarzhaarige an. Er hätte nicht gedacht, dass Jonouchi wusste, dass heute der Ehrentag seines großen Bruders war, wo sie doch immer nur zankten und stritten. Die Verwunderung war ihm direkt anzusehen, weshalb der Blonde wieder das Wort ergriff: „Erstaunt dich, dass ich sein Geburtsdatum kenne? Immerhin hat er genau drei Monate vor mir. Das merkt man sich. Außerdem hängt so ein Geburtstagskalender in unserer Klasse, für den besseren Zusammenhalt oder so…"   ‘Nein, tut man nicht. Schon gar nicht, wenn man sich angeblich nicht leiden kann’, dachte der Angesprochene und fühlte sich in seiner Annahme bestätigt, dass da noch etwas mehr dahinterstecken könnte. Kurz zögerte er, bis er Jonouchi tatsächlich wahrheitsgemäß auf die gestellte Frage antwortete.   „Du musst wissen, dass wir unsere Geburtstage nie mehr richtig gefeiert haben beziehungsweise es nicht konnten, nachdem wir adoptiert wurden. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern und unser Stiefvater sah für diese Feierlichkeiten keine Notwendigkeit. Wer nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, kann auch keine Geburtstagsparty feiern.” Letzteres sagte der Schwarzhaarige in einem seltsam strengen Tonfall, zuckte anschließend mit den Schultern und sah etwas zerknirscht zu Jonouchi hinüber. Demzufolge hatten die Kaibas also in ihrer Kindheit nie eine vernünftige Geburtstagsfeier gehabt.   „Allerdings”, fuhr der Jüngere fort, während sich ein verstohlenes Lächeln in sein Gesicht schlich, „hat Seto, wenn er von der Schule nach Hause kam, dann immer ein Stück Torte mitgebracht, die er von seinem Taschengeld bezahlt hatte.” Mokuba seufzte auf, als er sich an diese längst vergangene Zeit zurückerinnerte.   „Tja. Deswegen feiert er nach wie vor keinen seiner Geburtstage. Da ist er wie immer stur. Vermutlich hat er ihn auch mal wieder vergessen und es fällt ihm erst heute Abend auf, wenn er sein Geschenk von mir bekommt”, grinste er etwas schief, da er keine andere Wahl hatte, als es zu akzeptieren. „Ich verstehe, was du meinst”, antwortete Jonouchi darauf und wenige Momente später kamen sie auch schon am Zielort an.   Als der Blonde aus dem Wagen stieg, begannen seine Augen zu leuchten und man konnte ihm die Vorfreude deutlich ansehen. Sein letzter Besuch in einem Freizeitpark war schon eine ganze Weile her. Vielleicht konnte er ja den muffeligen Kaiba die ein oder andere Runde in den Fahrgeschäften abringen, wenn er schon einmal hier war. Und vielleicht, aber nur vielleicht könnte er dem zugeknöpften Herrn Firmenchef damit sogar eine kleine Freude bereiten.   „Sag mal, können wir auch eine Runde mit der Achterbahn fahren?”, fragte er vorsichtig bei Mokuba an, der jedoch nur mit den Schultern zuckte. „Ich weiß zwar, dass Seto heute keine weiteren Termine hat, wage aber zu bezweifeln, dass er sich dazu überreden lässt.” Ja, das ergab durchaus Sinn. Schon allein aus dem Grund, weil es Jonouchis Wunsch war, würde er sicher ablehnen. Doch einfach so aufzugeben, ohne es probiert zu haben, stand ihm nicht an. Vielleicht würde sich doch noch ein günstiger Moment ergeben.   Als sie jedoch bei dem Älteren ankamen und dieser den ungebetenen Gast bemerkte, verfinsterte sich seine Miene schlagartig. Da würde Jonouchi wohl schlechte Karten haben. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen und versuchte sein Glück mit Trick 17. „Hallo Kaiba, lange nicht gesehen. Was für ein Zufall”, ließ er fröhlich verlauten, um im besten Fall ein paar Pluspunkte zu sammeln. Doch der Angesprochene wandte sich, ohne den blonden Chaoten weiter zu beachten, direkt an seinen Bruder.   „Mokuba, was habe ich dir über das Auflesen streunender Hunde gesagt?” Okay, das war mal wieder äußerst unnett von dem arroganten Schnösel. Nebst der Tatsache, dass der Ältere ihn komplett ignoriert hatte, wurde er auch gleich wieder als Hund betitelt. Zugegeben, er mochte Kaibas stolze, jedoch leider auch herablassende Art irgendwie und ja, vielleicht auch die ständigen Hundevergleiche auf so eine ganz seltsam verquere Art. Warum, wieso, weshalb? Das wusste er leider nicht. Doch wie immer wollte er es natürlich nicht auf sich sitzen lassen und blies zum Gegenangriff.   „Sehr lustig Kaiba, zum Schießen. Aber genug der Freundlichkeiten. Mokuba hat mich eingeladen, die neuesten Attraktionen hier im Park auszuprobieren. Anscheinend braucht ihr eine unabhängige Meinung, die ich dir hiermit gern zur Verfügung stelle”, provozierte er den Brünetten nun und funkelte ihn herausfordernd an. Ach, wie liebte er es doch, sich so leidenschaftlich mit ihm in der Wolle zu haben. Eine stille Freude, die er mit niemandem außer ihm teilte.   „Als wenn ich auf deine Beurteilung angewiesen wäre”, war die schroffe Antwort darauf.  „Stimmt natürlich. Deine Genialität sucht seinesgleichen und da du ja unfehlbar bist, muss ja alles, was du anfasst, ein Erfolg werden. Das haben dir deine Mitarbeiter sicher auch so verklickert. Sie müssen ja nicht Angst haben, dass sie gefeuert werden, wenn dir ihre Ansichten nicht in den Kram passen”, grinste er ihm frech ins Gesicht. Ganz so unrecht hatte er da natürlich nicht. Hatte er doch gerade einen Mitarbeiter gefeuert, der ein Design für ein Getränk entwickelt hatte, welches ihm nicht zusagte. Seine eigene Genialität stellte er selbstredend gar nicht erst in Frage.   „Nii-sama”, mischte sich der Schwarzhaarige mit ein und erhaschte damit die Aufmerksamkeit seines älteren Bruders, noch bevor sich dieser zu dem eben Gesagten äußern konnte, „ich habe ihn unterwegs getroffen und dachte, dass eine unabhängige Meinung durchaus von Nutzen sein könnte. Es war einfach Zufall.”   Kaiba überlegte kurz bevor er das Folgende in einem desinteressierten Ton verlauten ließ: „Von mir aus. Dann pass aber auf, dass er folgsam an der Leine bleibt und nicht überall herum streunt.” Mokuba, der sichtlich zufrieden mit der Aussage war, wandte sich freudestrahlend an den Blonden. Dieser zwang sich ein Lächeln auf und versuchte, die wie immer liebevoll verpackte Spitze gegen sich gekonnte zu ignorieren.    Ihr erstes Ziel war das Geisterhaus, das im östlichen Teil der Anlage stand. Ganz in der Nähe der Achterbahn, mit der der Blonde bereits wieder liebäugelte. Irgendwie musste er den Firmenchef davon überzeugen, eine Runde damit zu drehen und am liebsten sofort! Vielleicht käme ihm ja eine bahnbrechend geniale Idee während seines Besuchs im Gruselkabinett.    Dieses wurde durch Absperrungen noch teilweise verdeckt, sodass die Besucher nicht zu viel davon im Vorfeld zu sehen bekamen. Dahinter erschloss sich ein komplett in schwarz-grau gehaltenes Gebäude mit einer verfallenen Holzverkleidung umgeben von einem verwahrlosten Grundstück mit angedeutetem Friedhof an der Seite, um dem Thema einen Rahmen zu geben.   Bei Tag wirkte es nur wie ein verfallenes Haus. Jedoch war sich der Blonde sicher, dass Kaiba einige Showeinlagen für die Abendstunden bereithalten würde. Kurz blieb er stehen und ließ seinen Blick über das Geisterhaus schweifen. Generell war der Blonde mit gemischten Gefühlen an die Sache herangegangen. Denn auch wenn er nicht an Geister und Gespenster glaubte, gruselte er sich doch relativ schnell. Die meiste Arbeit übernahm dabei natürlich sein Verstand, in dem ihm seine blühende Fantasie gern Streiche spielte. Jedoch würde er sich vor dem Herrn Parkbesitzer keine Blöße geben, jetzt wo er bereits hier war. Außerdem war es schon etwas Besonderes, denn er wäre der Erste, der dieses Geisterhaus betreten würde.    Die Kaibabrüder waren inzwischen an besagtem Haus angekommen, als der Ältere bemerkte, dass ihnen Jonouchi nicht folgte.  ‘So wird aus ihm nie ein braves Schoßhündchen werden’, verdrehte er gedanklich die Augen. „Spank*, wo bleibst du denn? Oder hat es dir vor Angst die Sprache verschlagen?”, foppte er ihn und meinte einen kurzen Moment der Unsicherheit beim Jüngeren erkannt zu haben.   „Auf gar keinen Fall!”, posaunte dieser lautstark heraus, um seine Nervosität sowie die Tatsache, dass sie offenbar inzwischen zu neuen Kosenamen übergegangen waren, zu überspielen. Der Firmenchef jedoch empfand die Reaktion einen Tick zu überschwänglich, sodass er sich in seiner Annahme bestätigt fühlte. Ein fieser Gedanke drängte sich ihm auf und es juckte ihn in den Fingern, diesen schnellstmöglich umzusetzen.   „Gut, dann kannst du sehr gern hineingehen, um dir eine Meinung darüber zu bilden”, erwiderte der Brünette überfreundlich, hatte dabei jedoch ein zweideutiges Lächeln auf den Lippen, das Grund zur Sorge bereitete. Mokuba schaltete inzwischen die Maschinerie ein und die Schrift über dem Eingang leuchtete auf. Dem Blonden wurde es gleich noch etwas mulmiger. Jetzt musste er sich beweisen und tat den ersten Schritt in sein baldiges Verderben. Die Haustür mit den rostigen Scharnieren knarrte laut, als er sie langsam öffnete und in die Dunkelheit hinein sah. Nichts war zu sehen und das konnte wohl kaum etwas Gutes bedeuten.   „Was ist los? Doch Angst bekommen?”, foppte ihn der Brünette aus dem Hintergrund. Okay, jetzt hieß es, Arschbacken zusammenkneifen und los gehts. Langsamen Schrittes verschwand er in das Dunkel und die Tür knarrte erneut gut hörbar, als sie hinter ihm ins Schloss fiel. „Mokuba”, richtete der Brünette das Wort an den Schwarzhaarigen ohne ihn dabei anzusehen, während sein gehässiges Grinsen immer breiter wurde, „schalte doch bitte die Beleuchtung in den Räumen komplett aus und dreh die Lautstärke etwas mehr auf.” Mit diesen Worten suchte er sich in der nebenstehenden Box noch ein, zwei Kleinigkeiten heraus und folgte dem Schisshasen in das Spukhaus.   Drinnen konnte Jonouchi die Hand vor Augen nicht sehen und stolperte blindlings in irgendeine Richtung. Wenigstens eine Taschenlampe hätte man ihm ja mitgeben können, aber dann wäre auch der Gruselfaktor für die Katz. Nach einem weiteren Schritt kam er an einer Wand an und tastete sich daran weiter nach vorne. Um sich herum konnte er Geräusche von Wind wahrnehmen, der pfeifend durch die Räume zu ziehen schien. Jedoch war kein Luftzug zu spüren, also wurde es offenbar nur über die Lautsprecher ausgegeben. Zu diesen schaurigen Geräuschen gesellte sich kurz darauf der dumpfe Ton eines Klaviers, auf dem vereinzelt tiefe Saiten angeschlagen wurden.   ‘Okay, das ist ja nichts Schlimmes. Allenfalls etwas unheimlich, aber immer noch okay.‘ Doch kaum hatte er den Gedanken beendet und den nächsten Raum betreten, sah er zu seiner Rechten ein altes Klavier, an dem ein Pianist mit seinem knochigen Skelett in einem halb zerfallenen Frack die schaurigen Töne spielte. Wie nicht anders zu erwarten, wurde dieses natürlich direkt in den Raum projiziert. Es sah so täuschend echt aus, dass man herantreten und es berühren wollte. Jonouchi jedoch war eher gewillt, schreiend davor wegzulaufen, wenn er es nicht besser gewusst hätte.   Da hatte Kaiba mal wieder keine Kosten und Mühen gescheut, um alles so unheimlich wie möglich zu gestalten. ‘Alter Angeber’, dachte sich der Blonde und trat näher an das Trugbild heran. In dem Moment hielt der Pianist inne und der letzte dunkle Ton verstummte im Raum. ‘War ja dann doch nicht so schlimm wie gedacht’, belächelte Jonouchi sich selbst.   Aber das währte nicht lang. Kaum hatte er den Satz gedanklich beendet, wandte sich das Hologramm zu ihm. Dem Blonden kam es so vor, als schaute ihn der schaurige Pianist für einen kurzen, unheimlichen Moment direkt in die Augen, nur um ihm direkt darauf mit einem lauten “Willkommen in meinem Spukhaus!” beinahe eine Herzinfarkt zu verpassen.   Erschrocken fuhr er zusammen und sprang an die hinter ihm liegende Wand, die sich als äußerst löchern herausstellte und eigentlich aus Gitterstäben bestand. Im selben Moment stiegen auch schon Gespenster aus einem Friedhofsgrab empor und wollten nach ihm greifen. Es ertönte lautes Gelächter von dem Geisterpianisten, der sein konfuses Klavierstück mit einem “Holt ihn euch, meine Kinder!” begann. Da fiel der Blonde beinahe über seine eigenen Füße und stolperte nach vorn weiter in die Dunkelheit hinein.   Was für ein Schreck. Für Kinder war das definitiv nichts. Für ihn selbst eigentlich auch nicht, aber da musste er jetzt wohl oder übel durch. Er holte noch einmal tief Luft, versuchte sich damit zu beruhigen und schlich immer weiter in die Dunkelheit hinein, die kein Ende nehmen wollte. Hinter sich hörte er Schritte, die ihn zu verfolgen schienen, und immer wieder hallte ein dunkles Gelächter durch die Finsternis, die ihn umgab. Leise, beinahe nur gehaucht, konnte er die Worte “Gib acht” und “Schau auf deinen Weg” hören.   Bei diesen nicht vorhandenen Lichtverhältnissen war es ihm jedoch unmöglich auf irgendetwas zu achten, außer es sprang ihm direkt ins Gesicht. Trotzdem sah er nach unten, den Hinweisen folgend. Doch mehr als Schwärze konnte er nicht erkennen. Diese Aussage korrigierte sich jedoch bereits beim nächsten Schritt, als unter ihm etwas aufleuchtete und mit lautem Geschrei und Getöse Hände nach oben schnellten, um ihn zu fassen zu bekommen.   Mit einem Urschrei, der seinesgleichen suchte, sprang er fast bis an die Decke in die vermeintliche Sicherheit, als direkt neben ihm ein weiteres Hologramm erschien und eine Geisterbraut versuchte, ihn mit den Worten “Endlich bist du bei mir, mein Geliebter” an sich zu reißen. Vor Schreck hielt er die Luft an und rettete sich schnellstmöglich aus der Situation, doch es wollte nicht helfen. Ein Schreck folgte dem Nächsten und jagte ihn durch dieses Horrorhaus, gespickt mit Fallen und Irrwegen in der Dunkelheit.   Jonouchis Herz raste, als wäre er einen Marathon gelaufen. Wieso hatte er sich dazu nur überreden lassen und sich erschwerend dazu auch noch so dermaßen aufspielen müssen? Wie so oft war sein freches Mundwerk wiedereinmal schneller als das Köpfchen gewesen. Da stand er nun mutterseelenallein und völlig orientierungslos in diesem gespenstischen Spukhaus. Verloren in einem Labyrinth aus Räumen und Gängen mit schockierend realistischen Hologrammen versuchte er weiterhin den Ausgang zu finden, als er erneut eine tiefe Stimme vernahm.   „Komm zu mir”, flüsterte sie ihm zu und obwohl er wusste, dass er garantiert gleich wieder einen halben Herzkasper erleiden würde, so war ihm auch bewusst, dass sich dort mit Sicherheit ein Ausgang befand. Zaghaft schlich er weiter nach vorne der Stimme entgegen, als er bemerkte, wie etwas seine Schulter berührte.    Sofort zuckte er zusammen, erstarrte in seiner Bewegung und war sich nicht sicher, ob er wirklich in Erfahrung bringen wollte, wer oder was ihn da anfasste. Hinter sich hörte er ein tiefes Brummen, als wollte ihn jemand höhnisch auslachen, weil er es gewagt hatte, sich in dieses Haus zu begeben. Der Druck auf seiner Schulter wurde fester und eine tiefe Stimme drang an sein Ohr: „Hab ich dich…“   ‘Okay, jetzt ist es genug,‘ dachte er und wollte gerade die Beine in die Hand nehmen, als er ein belustigtes “Bitte recht freundlich” hörte und just in diesem Moment über ihm ein Licht aufflackerte. Sofort erschrak er fürchterlich vor der Person, die gefühlt aus dem Nichts direkt vor ihm erschien.   Einen kurzen Moment dauerte es, bis er realisierte, dass es lediglich sein Spiegelbild gewesen war, das ihn so in Angst und Schrecken versetzte. Offenbar war direkt vor ihm an der Wand ein Spiegel mit einem Bewegungsmelder darüber angebracht worden, um den Gästen zum Schluss einen letzten Schrecken einzujagen und das witzigerweise vor sich selbst.   Allerdings konnte er in dem Spiegel auch noch etwas Anderes erkennen. Etwas, das direkt hinter ihm stand. Wie in Zeitlupe drehte er seinen Kopf zur Seite und als das Licht erneut über ihm aufleuchtete, sah er auf seiner Schulter eine skelettierte Hand und das knochige Gesicht oder besser gesagt den Schädel des Besitzers hinter sich. In dem Moment kreischte er schrill wie ein Mädchen, das Angst vor einer gerade gesichteten Spinne mit gefühlt 300 Beinen und einem Körper so groß wie ein Felsbrocken hatte, und sprang zur Seite, um schließlich in die Freiheit zu gelangen.   Draußen hechtete er ein paar Schritte von dem Horrorhaus fort und versuchte, seinen Puls, der inzwischen schon Lichtgeschwindigkeit angenommen hatte, zu beruhigen. Direkt darauf verließ auch das gespenstische Skelett, das ihn verfolgt hatte, mit schallendem Gelächter das Gebäude. Natürlich war es Kaiba, der sich einen Spaß daraus gemacht hatte, den Blonden zu Tode zu ängstigen. Er zupfte sich belustigt die Handschuhe mit dem Skelettaufdruck von den Fingern und entledigte sich der Totenkopfmaske auf seinem Gesicht.    ‘Was für ein Genuss! Das war ja beinahe noch besser als ihn verbal in die Knie zu zwingen!’, erfreute sich der Brünette gedanklich an den Reaktionen des Blonden. Diesen Spaß würde er definitiv nicht so schnell vergessen und er gab Mokuba recht, dass eine unabhängige dritte Meinung hier durchaus von Nutzen war.   „Gut gebrüllt, Löwe!”, brachte er noch immer lachend seine Gedanken zum Ausdruck. Offenbar hatte er mit dem Geisterhaus alles richtig gemacht, was ihm die angsterfüllte Stimme des Anderen deutlich bestätigte. Man möchte meinen, dass es für dessen Ego ein absoluter Todesstoß war. Wie so oft, wenn er mit Kaiba im Clinch lag. Doch viel mehr erstaunte Jonouchi dieses unbeschwerte und, was besonders wichtig war, durch ihn verursachte Lachen des Brünetten.    Gut, der eigentliche Auslöser war eher die Tatsache, dass er sich voller Panik von ihm durch dieses Horrorhaus hatte jagen lassen. Dennoch musste er zugeben, dass er ihn bisher zu keiner Zeit so herzlich hatte lachen sehen. Die einzige Ausnahme war lediglich dieses verächtlich fiese Grinsen, das er sonst immer an den Tag legte, um ihm seine Überlegenheit zu demonstrieren. Folglich musste er ihm das anschließende Zugeständnis machen: „Zugegeben, damit habe ich nicht gerechnet. Die Effekte waren beängstigend gut. Als unabhängige dritte Person kann ich dir sagen, dass dein Geisterhaus den Test definitiv bestanden hat.”   Ja hoppala, was hörte der Herr Firmenchef denn da aus dem sonst so frechen Mund des Anderen? Er fühlte sich ja direkt gebauchpinselt von dem, was Jonouchi da sagte. Heute war wohl verkehrte Welt oder er hatte endlich eingesehen, dass er ihm in puncto Intelligenz und Genialität nicht das Wasser reichen konnte. Ja, das würde es wohl sein. Zumindest stellte ihn diese Antwort äußerst zufrieden. Mokuba schaltete derweil die Apparatur wieder ab, sodass sie weitergehen konnten Richtung Riesenrad.   Auf dem Weg dorthin kamen sie direkt an der Achterbahn vorbei, an der Jonouchi mit einem Leuchten in den Augen hängen blieb. Genau damit wollte er so unbedingt fahren! Verstohlen sah er zu dem Firmenchef hinüber, der bereits weitergegangen war, und wollte Wiedergutmachung von dem Brünetten für die Schreckmomente in dessen Geisterhaus.   „Was sagst du da, Mokuba? Kaiba fährt keine Achterbahn? Er hat doch nicht etwa Angst davor?”, sagte er gut hörbar für alle Anwesenden zu dem Schwarzhaarigen, der sich direkt darauf umdrehte. „Wie war das?”, kam es direkt von dem Brünetten zurück. Dass Mokuba das natürlich nicht gesagt hatte, war ihm dabei völlig klar. Aber solch ein Gerücht in die Welt zu setzen, kratzte an seinem Ego. „Na, stimmt doch, oder? Oder kannst du mir das Gegenteil beweisen?” So so, daher wehte also der Wind. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er das Vorhaben des Blonden durchschaut, als wäre er aus Glas, und antwortete wissend.   „Bemüh dich nicht. Ich weiß genau, was du damit bezweckst.” „Also hast du doch Angst. Pah. Wer hätte das vom großen Seto Kaiba gedacht”, stichelte Jonouchi weiter und auch wenn der Brünette wusste, dass er ihm nur eine Fahrt abringen wollte, ärgerte ihn diese unverschämt dreiste Lüge, die er im schlimmsten Fall auch noch verbreitete. Also zog er ein VIP Bändchen aus seiner Tasche und hielt es dem Anderen vor die Nase, damit er endlich Ruhe gab. Sofort glänzten dessen Augen vor Freude und er nahm es ehrfürchtig entgegen. Dieses Band öffnete ihm hier Tür und Tor. Himmel, das musste er definitiv nutzen! Er band es sich um und bedachte den Brünetten mit einem breiten Grinsen. So ganz wollte diesem der Ausdruck im Gesicht des Blonden nicht gefallen. Irgendwas Verqueres ging doch da wieder in dem Spatzenhirn vor sich und lange musste er auch nicht auf die Präsentation ebendessen warten.   „Na dann mal los”, kündigte er sein Vorhaben an und griff nach dem Arm des Parkbesitzers, um ihn zu dem Fahrgeschäft seines Interesses zu zerren. Perplex über diese unlogische Handlung ließ dieser sich einfach mitziehen und sein Blick fiel auf Mokuba zurück, der ihm mit einem Lächeln zuwinkte. Moment. War er hier jetzt im falschen Film? Er fing sich nach wenigen Schritten wieder und stoppte die spontane Entführung, wollte sich aus dem Griff des Blonden loseisen. Jedoch gab dieser nicht nach und hielt das Handgelenk des Brünetten fest wie ein Schraubstock.   „Was glaubst du, was du da tust?”  Der Angesprochene grinste den Älteren daraufhin verheißungsvoll an und war durchaus gewillt, ihm seine Frage zu beantworten: „Das Bändchen ist ja nicht schlecht. Dennoch haben wir beide noch eine Sache zu klären.” Achso? Welche Sache hatten sie denn bitte zu klären? Kaiba war nicht zum Spielen und Spaßhaben hierher gekommen. Immerhin gab es auch in den Ferien und am Wochenende noch genug für ihn zu tun. Und jetzt brachte der Blonde seinen ganzen Tagesablauf durcheinander und stahl ihm somit seine äußerst kostbare Zeit. Dass er den restlichen Tag nichts Weltbewegendes mehr vorhatte, spielte dabei natürlich keine Rolle.    Als ihm dieser Gedanke in den Sinn kam, musste er Jonouchi jedoch schon fast recht geben. Eigentlich stand heute nichts weiter an. Er wollte nur nochmal die neuen Attraktionen begehen und das wäre es dann auch schon gewesen. Seltsam, dass er heute nicht mehr Termine in seinem Kalender eingetragen hatte. Das nächste große Ereignis wäre morgen die Eröffnung von Geisterhaus und Riesenrad.    „Du weißt, wovon ich rede, oder?”, wurde er jäh aus seinen Gedanken gerissen. „Du schuldest mir für die Sache im Geisterhaus eine Fahrt mit der Achterbahn. Oder hast du doch zu viel Angst vor den vielen Kurven und Loopings?”, grinste er ihn herausfordernd an und war gespannt auf die Reaktion.   „Hmh. Also ob”, war die blasierte Antwort, als sich ein schiefes Grinsen in Kaibas Gesicht schlich. Na also, da hatte er den mürrischen Firmenchef doch genau da, wo er ihn haben wollte. Dass er es nicht hinnehmen konnte, wenn Jonouchi an seinem Stolz kratzte, war ihm natürlich glasklar.  „Gut, dann beweis es mir!”, rief er dem Firmenchef, nachdem er einige Schritte gegangen war, euphorisch zu und verschwand in der Menschenmenge vor dem Fahrgeschäft. Das ließ den Brünetten unwillkürlich Schmunzeln. Bereits zum zweiten Mal an diesem Tag brachte der Bonkotsu ihn zum Lachen. Noch im selben Moment wunderte er sich direkt über diese so untypische Reaktion seinerseits und begab sich dann ebenfalls zur Achterbahn.    Mit dem VIP Band am Handgelenk konnte sich der Blonde direkt an das vordere Ende der Warteschlange begeben und wartete dort ungeduldig auf die Ankunft der nächsten Bahn, welche bereits zu hören war, sowie auf Kaiba, der sich seines Erachtens nach extrem viel Zeit zu lassen schien. Als die Bahn gerade zum Stehen kam und die Insassen diese verließen, war nun auch endlich der Parkbesitzer eingetroffen, der sich über die Hibbeligkeit des Blonden ungesehen amüsieren musste. Schon wieder.   Wie auf glühenden Kohlen tänzelt dieser vor der Bahn herum und würde sicher bald platzen vor Aufregung. Vielleicht hätte er doch noch etwas langsamer gehen sollen, um ihn noch mehr zu reizen? Ach wie liebte er es doch, wenn sich der Andere ärgerte. Am Schönsten war es, wenn er ihn verbal in die Knie zwingen konnte. Dieses herrliche Gesicht, das er dabei immer an den Tag legte, erhellte seine Stimmung jedes Mal aufs Neue. Und die Sache mit dem Geisterhaus war definitiv sein Highlight des Tages gewesen.   Jonouchi, der inzwischen natürlich ganz vorn in die Bahn eingestiegen war, nötigte den Brünetten zur Eile, während er ihn mit hastigen Handbewegungen heranwinkte und auf den leeren Platz neben sich deutete. Noch immer war Kaiba sich nicht bewusst, was Jonouchi mit dieser Aktion, ihn hier in die Achterbahn zu locken, bezweckte und es beschäftigte ihn mehr, als er es zugeben wollte nebst einer unerklärlichen Unruhe, die sich nicht abschütteln ließ.    An der Bahn angekommen, zog der Blonde ihn direkt neben sich auf den Sitzplatz und strahlte ihn freudig erregt an, als würde man einem Kind einen monströsen Lolli vor die Nase halten. Dass dieses Strahlen nicht ihm, sondern der bevorstehenden Fahrt galt, wusste der Brünette natürlich und ließ der Sache daher keine weitere Bedeutung zukommen. Direkt darauf schlossen sich auch schon die Sicherungen, damit die Fahrgäste nicht während der Fahrt verloren gehen konnten und die Achterbahnfahrt begann.   Langsam wurde der Wagen nach oben gezogen und die Freude über diesen Abstecher stand dem Blonden ins Gesicht geschrieben. Kaiba wiederum war abermals erstaunt, wie euphorisch sein Sitznachbar doch sein konnte. Dabei war es nur eine simple Fahrt mit einer Achterbahn.    In einem Moment passierten sie noch quälend langsam die höchste Stelle der Schienen und im nächsten sauste der Wagen auch schon mit einem Affenzahn nach unten. Dabei stellte der Brünette fest, dass er die letzte Achterbahnfahrt doch anders in Erinnerung hatte und seine Hände umfassten unwillkürlich die Schulterbügel, welche als Sicherheitsmaßnahme um seinen Körper angebracht waren.   Wobei, bisher war er eigentlich noch nie Achterbahn gefahren. Wann auch? Das Einzige, was dem auch nur im Entferntesten gleich kam, war das kurze Stück, das der Firmenchef mit seinem Bürostuhl zum Papierkorb rollte, um wertlosen Schriftverkehr zu entsorgen. Mehr Erfahrung gab es da nicht. Und das war, wie er jetzt feststellen musste, nicht sehr hilfreich.   Der erste Looping kam und wirbelte die bereits zerzausten Haare der beiden wild durch die Luft. In Jonouchis Augen sammelten sich durch die hohe Geschwindigkeit ein paar Tränen und ein heiser Schrei entwich seiner Kehle. Natürlich waren das Freudentränen, wie man direkt an dem zufriedenen Ausdruck in seinem Gesicht erkennen konnte, während sich das Adrenalin in seinem Körper ausbreitete. Es war doch immer wieder ein wahnsinniges Gefühl, das mit keinem anderen vergleichbar war. Dieses herrliche Kribbeln im Bauch, der Wind, der einem um die Ohren pfiff, während die Fahrgäste kreischten und sich wie Jonouchi an der Geschwindigkeit erfreuten. Momente, in denen man alles andere vergessen konnte und einfach nur Freude an der Sache hatte. Kaiba müsste lügen, würde er behaupten, dass ihn diese Achterbahnfahrt kalt ließe.   Eine Kurve jagte die nächste und kurz vor Ende der Strecke wurde von den Insassen noch einmal ein Beweisfoto ihrer Anwesenheit geschossen. Nicht selten kamen dabei kuriose Gesichtsausdrücke zum Vorschein und Jonouchi beschloss, sich dieses direkt nach er Fahrt zu besorgen. Als die Bahn schließlich wieder zum Stillstand kam und sie das Fahrgeschäft verlassen hatten, musste Kaiba erneut unwillkürlich Schmunzeln. Und das schon wieder wegen dem Streuner, dessen Haare kreuz und quer in alle Richtungen abstanden. Nicht, dass seine Mähne sonst akkurat lag, aber das hier toppte die Sache um Längen. Den seltsam fremden Gesichtsausdruck bemerkte auch der Blonde und stellte ihn zur Rede.   „Was ist bitte so lustig?” „Das Vogelnest auf deinem Kopf”, war die freche Antwort. Doch das ließ Jonouchi sich natürlich nicht gefallen und sah den Brünetten überlegen an. „Vielleicht solltest du mal in einen Spiegel schauen, bevor du mit nacktem Finger auf angezogene Leute zeigst?”, feixte er zurück mit Blick auf Kaibas zerzaustes Haar.   Ja, nach so einer Fahrt geriet schon mal so einiges durcheinander, nicht nur die Haare. Doch mit wenigen Handgriffen war das Chaos auch schon wieder beseitigt, zumindest beim Firmenchef, denn bei Jonouchi war nicht viel zu retten. Zu schade eigentlich, denn mit der verwuschelten Frisur gefiel ihm der Brünette fast besser. Es machte ihn irgendwie menschlicher, wo er doch sonst immer seine unnahbare Seite zeigte.   Doch heute hatte er ihn tatsächlich bereits zum zweiten Mal zu einem unbeschwerten Lachen gebracht, auf seine Kosten natürlich. Aber was solls. Er war nicht unzufrieden mit dieser Tatsache. Und vielleicht schaffte er das ja auch nochmal. Jetzt wollte er jedoch erst mal das Foto abholen, auf dem sie hoffentlich gut getroffen waren. Kaiba verließ indes den Bereich der Achterbahn und gesellte sich zu seinem Bruder zurück.   „Und, wie war die Fahrt?”, grinste dieser ihn an. „Unspektakulär”, war die nicht zufriedenstellende Antwort seines älteren Bruders. Natürlich war er dabei nicht ganz ehrlich. Tatsächlich hatte es auch ihm Spaß gemacht, als sie in einem Affenzahn mit der Bahn hinunter sausten und sich durch die Kurven und Loopings schlängelten. Wenn er sich an das selten dämliche Gesicht des Blonden neben ihm erinnerte, musste er gleich noch einmal darüber schmunzeln. Offenbar war der Streuner doch zu was gut.   Direkt nachdem er seinen Satz gedanklich beendet hatte, gesellte sich Jonouchi zu den beiden, was für Kaiba ein Zeichen war, sich auf den Weg zum Riesenrad zu machen. Als er einige Schritte entfernt war, kam der Blonde bei Mokuba an und beugte sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu selbigem hinunter. In der Hand hielt er das Foto von der Achterbahnfahrt, dass er ihm nicht vorenthalten wollte. Darauf war ein Firmenchef mit komplett verwüstetem Haar zu sehen, wie er sich in die Schulterbügel krallte.   „Das sieht ja wie ein Vogelnest aus”, kicherte der Schwarzhaarige, während er sich witzigerweise der gleichen Wortwahl wie sein Bruder bediente, und bedachte diesen mit einem Schmunzeln. Die stechenden Blicke der beiden bemerkend drehte er sich um und gebot den Zurückgelassenen Eile. Trödelei war etwas, das er so gar nicht mochte, denn Zeit war bekanntlich Geld. Also ließ der Blonde den Schnappschuss in seiner Jacke verschwinden und sie schlossen zu dem Ältesten auf.   Auf ihrem Weg kamen sie an allerlei Ständen vorbei, die sowohl Naschwerk als auch deftige Speisen anboten. Hier würde er nach der nächsten Fahrt garantiert nochmal aufschlagen, da war sich Jonouchi sicher. Überall baumelten zudem diese bunt verzierten Lebkuchenherzen mit den allseits beliebten Sprüchen herum. Interessiert las der Blonde die darauf geschriebenen Worte, die wie immer mega kitschig waren.   „Schau mal Kaiba, da hängt ein passendes Lebkuchenherz für dich. Soll ich es dir kaufen?”, grinste Jonouchi den Brünetten frech an und deutete auf ein Lebkuchenherz mit blauer Verzierung auf dem ‘Zicke’ stand. Ob er gut finden sollte, dass es an den Ständen in seinem Park auch solche frechen Sprüche gab, musste der Brünette dabei glatt nochmal überdenken. „Ich verzichte”, war die abschmetternde Antwort. Sein Blick glitt an der aufgezeigten Leckerei vorbei und er wurde ebenfalls fündig. “Für dich gibt es hier auch was”, deutete er ein paar Herzen weiter zu einer rot verzierten Variante auf dem ‘Feige Socke’ stand. „Haha, sehr witzig”, grummelte der Blonde auf den Konter, mit dem ihm wieder das Geisterhaus ins Gedächtnis gerufen wurde.    Der Schrecken saß noch tief. Aber spaßeshalber würde er beim nächsten Besuch Yuugi und die Anderen dort hinein locken. Immerhin kannte er jetzt die Effekte und würde sich an den Reaktionen der Anderen sicher erfreuen können. Ja, der Plan war gut. Doch jetzt mussten sie langsam weiter, denn der mahnende Blick des Brünetten sprach Bände.   Der gute Vorsatz währte allerdings nicht lang, als sie an einer der Schießbuden vorbeikamen. Zwar war Schießen nicht sein Fachgebiet -aus irgendeinem Grund fehlte ihm einfach die nötige Ruhe dafür und natürlich war das viel zu brutal-, aber den nebenstehenden Dosenberg würde er bewältigen können. Um es besonders spannend zu gestalten, wollte er einen kleinen Wettbewerb daraus machen. Da bot sich doch Kaiba direkt als Kontrahent an, so wie eigentlich immer. Irgendwann musste er ihn schließlich mal besiegen. Irgendwann. In irgendetwas. Ganz egal was.   „Hey Kaiba”, rief er den Brüdern hinterher, die gar nicht bemerkt haben, dass er stehen geblieben war. „Ich wette, ich treffe mit weniger Bällen als du”, forderte er den Firmenchef heraus. Ein Blick auf die Uhr verriet diesem, dass er eigentlich bereits ganz woanders sein wollte. Doch andererseits drängte ihn ja auch nichts. Und wenn er den vorlauten Streuner mal wieder in seine Schranken weisen konnte, wieso sollte er dieses verlockende Angebot einfach ausschlagen?   „Davon träumst du wohl”, war schließlich die Antwort des Brünetten, der die Herausforderung annahm. Jedoch widerstrebte es ihm, ein so banales Spiel wie Dosenwerfen dafür zu wählen. Da war ihm das Zielschießen direkt daneben doch eher gelegen. „Wir machen es so”, begann er zu erklären, „Jeder spielt eine Runde und wer zum Schluss alle Ziele getroffen hat, gewinnt.” Ja, klang fair. Beim Dosenwerfen hatte Jonouchi 3 ganze Versuche, um die Dosen umzuhauen. Kaiba hatte wiederum fünf Schuss, um die Ziele zu treffen. Also fünf Versuche, bei denen er vielleicht eher mal einen daneben setzen würde. So zumindest Jonouchis Logik. „Also gut“, bestätigte der Blonde den Vorschlag und der Wettbewerb begann.   Bereits beim ersten Wurf des Blonden fielen die meisten Dosen zu Boden und nur eine einzige blieb stehen. ‘Perfekt‘, freute er sich und traf sein letztes Ziel. Innerlich jubelte er, dass er die Wette bereits gewonnen hatte und durfte sich zum Sieg eine Kleinigkeit als Preis aussuchen. Seine Wahl fiel auf einen niedlichen kleinen Schlüsselanhänger, der ihm äußerst passend als Souvenir erschien. Danach flanierte er vergnügt zum Brünetten hinüber, um ihm seinen Erfolg unter die Nase zu reiben.   Dieser stand direkt vor der Schießbude. Seine Körperhaltung war gerade und angespannt, während er das Luftgewehr an seine innere rechte Schulter angelegt hatte. Bereit, den ersten Schuss abzufeuern. Seine Atmung war flach und er hochkonzentriert, als er sein Ziel ins Visier nahm. Mit dem geschlossenen linken Auge konnte er Jonouchi wiederum nicht herankommen sehen. Dieser verlangsamte seinen beschwingten Schritt, als er die Anspannung des Anderen spürte, und vergaß darüber ganz seine Euphorie über den vermeintlichen Sieg. Jedoch hatte der Firmenchef bisher noch keine Kugel abgefeuert, also sollte er sich nicht zu früh freuen.   In dem Moment fiel der erste Schuss und traf zielsicher einen der Tonsterne an der gegenüberliegenden Wand. Während er sein nächstes Ziel ins Auge fasste, lud er in einer fließenden Bewegung die Waffe nach und legte erneut an. Er zielte und schoss. Wieder ein Volltreffer. Jonouchi war direkt beeindruckt von der Treffgenauigkeit des Brünetten. Irgendwie gab es nichts, was er nicht konnte. Wobei es ihn schon interessiert hätte, warum er so gut im Schießen war. Vielleicht war er nebenberuflich Scharfschütze und erledigte Geheimaufträge im Auftrag Ihrer Majestät oder entledigte sich so seiner Konkurrenz und lästigen Reportern. Würde irgendwie zu ihm passen.   Mit dem Blick auf Kaiba gerichtet, driftete der Blonde mal wieder in seine eigene kleine Welt ab und stellte die wildesten Theorien auf, als plötzlich noch ein dritter Schuss fiel und ihn wieder in die Realität zurückholte. Natürlich war auch dieser ein Treffer und der eben noch so sicher geglaubte Sieg rutschte in weite Ferne. Aber vielleicht ließ sich da ja noch was machen.   „Offenbar muss ich mich vor dir in Acht nehmen, du bist ja ein echter Sniper”, trat der Blonde näher an den Älteren heran, als der vierte Schuss fiel, und hatte dabei einen seltsam schmeichelnden Unterton in der Stimme. Der Brünette nahm das Luftgewehr von seiner Schulter und lud ein letztes Mal nach. Irgendwie kam ihm die Sache hier langsam etwas komisch vor und er wusste nicht, woran es lag.   Statt den üblichen Streitigkeiten, die nie lang auf sich warten ließen, war der Blonde heute so lammfromm. Zusätzlich dazu tat er ihm heute auch erstaunlich oft schön. Und das war sonst definitiv das Letzte, was ihm einfallen würde, wenn sie aufeinandertrafen. Ein befremdliches Gefühl, dass er etwas Wichtiges vergessen hatte, beschlich ihn wieder und er kam einfach nicht drauf, was es sein könnte. Ohne sich etwas anmerken zu lassen von seiner gedanklichen Odyssee, antwortete er wie immer mit einem monotonen: „Keine wirkliche Herausforderung.“   „Ja, vielleicht hast du recht“, war daraufhin die nachdenkliche Antwort Jonouchis. So konnte er seinen Sieg vielleicht noch retten. Er hatte mal gehört, dass es sehr schwierig sein sollte, diese künstlichen Rosen zu ergattern, die in den kleinen Röhrchen steckten. Das Ziel sei relativ schmal und böte daher nicht viel Angriffsfläche. Kaiba hatte nur noch eine Kugel übrig und das wollte der Blonde für sich nutzen.   „Wie wäre es, wenn du versuchst, eine der Rosen zu schießen?“, deutete er auf die kleinen künstlichen Blümchen, die neben der Wand mit den Tonsternen aufgereiht waren. Dem Fingerzeig folgend, besah sich Kaiba das vorgeschlagene Ziel.   ‘Soso, erst bringt er meinen Terminplan durcheinander, indem er einfach uneingeladen hier auftaucht, dann werde ich genötigt Achterbahn zu fahren und jetzt soll ich ihm also Rosen schenken.’ Sein Blick glitt zu Mokuba hinüber, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.    Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er meinen können, dass hier gerade ein Date stattfand. Ein Blinddate im aktuellen Fall. Allerdings war es nicht ganz falsch, dass die Röhrchen der Rosen im Gegensatz zu den Tonsternen ein schwierigeres Ziel waren. Also spielte er ausnahmsweise den stillen Rosenkavalier. Natürlich nur, um sein Können unter Beweis zu stellen.   „Und welche soll es bitte sein?”, fragte er den Blonden, während er das Luftgewehr wieder anlegte und die potentiellen Ziele ins Visier nahm. ‘Rot, gelb, orange oder doch weiß? Die Blaue sieht auch schön aus. Vielleicht Violett?’ Die Momente vergingen und Jonouchi grübelte über diese scheinbare Belanglosigkeit als wäre es ein Mathetest.   „Was ist nun?”, wurde der Brünette langsam ungeduldig. „Moment, ich habs gleich.” Da hatte er nun die Wahl, welche Rose ihm Kaiba schießen sollte und konnte sich nicht entscheiden. Mal davon abgesehen, dass diese Situation so absurd war, dass sie ihm keiner seiner Freunde geglaubt hätte. Doch für ihn war es etwas Besonderes, auf diese bereits erwähnte und seltsam verrückte Art und Weise.   „Diese blass Lilafarbene da”, fiel die Entscheidung dann doch eher spontan als überlegt. „Mauve”, bestätigte der Brünette die Auswahl, was Jonouchi empört aufbegehren ließ. „Wer ist hier doof?”, schimpfte er beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist MAUVE! So heißt die Farbe”, verdrehte Kaiba die Augen und musste ob der Unwissenheit und der Reaktion des Blonden trotzdem kurz schmunzeln.  „Oh. Achso”, blinzelte der Jüngere daraufhin und entschuldigte sich mit einem kleinlauten „Sorry.”   Jetzt galt es nur noch, das Objekt der Begierde auch zu ergattern. Etwas zwiespältig beobachtete Jonouchi den CEO, der sich erneut positionierte und das Luftgewehr anlegte. Einerseits hoffte er, dass er sie verfehlte, damit er siegreich aus dieser Schlacht herausgehen konnte. Auf der anderen Seite wollte er die kleine künstliche Blume jedoch nur zu gern haben. Keinen Muskel konnte er rühren, während Kaiba sein Ziel ins Visier nahm. Quälend lange Sekunden der Anspannung verstrichen, bis schließlich der Schuss fiel und ein heller Ton erklang.    ‘Getroffen!‘, bestätigte der Brünette sich gedanklich den Sieg.   „YES!”, ließ Jonouchi seinem ersten Gedanken direkt freien Lauf und freute sich über den Treffer. Ironischerweise schoss Kaiba die von ihm gewählte Rose und gewann damit ebenfalls die vereinbarte Wette. Das rief natürlich den Schützen wieder auf den Plan. „Als wenn auch nur der geringste Zweifel daran bestand, dass ich treffen würde”, war die blasierte Aussage zu der intuitiven Reaktion des Blonden.    „Natürlich. Du bist unfehlbar”, scherzte sein Gegenüber daraufhin. Die Ironie war dabei deutlich herauszuhören, doch statt auf die Aussage einen Streit vom Zaun zu brechen, war der Brünette doch recht erstaunt, dass Jonouchi sich über den Treffer freute. Immerhin war die Wette somit hinfällig. Beide gingen als Sieger und gleichzeitig als Verlierer hervor. Das erste Mal, dass es ein Unentschieden gab.    Jedoch würde zumindest Jonouchi einen Gewinn einfordern können. Der Betreiber der Schießbude hob die geschossene Rose auf und hielt sie dem Blonden mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht entgegen, was Kaiba direkt wieder belustigte. Ob der Mann um die Bedeutung der Farbe wusste, konnte er nur erahnen. Vielleicht amüsierte er sich auch über die kindliche Freude des Gewinners. Der Ausdruck in seinem Gesicht sprach auf jeden Fall Bände.    Der Blonde wiederum verstand nicht ganz, was es damit auf sich hatte. Er nahm die Rose mit einem verlegenen Ausdruck entgegen, wobei er selbst nicht genau verstand, woher diese Verlegenheit eigentlich rührte. Offenbar wusste der Blonde auch nicht um die Bedeutung der Farbe, sonst hätte er sicher eine andere gewählt: Mauve stand nämlich für Sehnsucht und postive geheime Wünsche. Ob das einer Tatsache entsprach, blieb für die Anwesenden allerdings ein Geheimnis.   Inzwischen war es Abend geworden und die Gäste verließen erstaunlich früh das Gelände des Freizeitparks. Zumindest empfand es der Blonde als früh, was ihm ein prüfender Blick auf die Uhr bestätigte.   „Es ist erst 17:30 Uhr und der Park ist beinahe leer”, ließ er seinen Gedanken freien Lauf und erregte damit Mokubas Aufmerksamkeit. „Heute schließen wir früher, weil das Riesenrad noch eine letzte Testfahrt mit den ersten Insassen machen wird. Und dreimal darfst du raten, wer mitfahren wird”, grinste der Schwarzhaarige Jonouchi verheißungsvoll an, bevor sein Blick direkt darauf zu seinem Nii-sama schweifte, der nur wenige Schritte vor Ihnen lief.   Kurz überlegte der Blonde, bis es schließlich “Klick” machte und er verstand, dass ihm diese Ehre ebenfalls zuteil werden würde. Seine Augen begannen erneut zu leuchten und die Freude stand ihm wie so oft am heutigen Tag ins Gesicht geschrieben. Riesenrad fahren war im Allgemeinen zwar eher was für verliebte Pärchen und Familien, aber er liebte den wunderbaren Ausblick auf die Stadt einfach.   Dass er und Kaiba in keine dieser Sparten passten, war ihm selbstverständlich klar. Jedoch störte er sich daran eher wenig, da er tatsächlich so irgendwie zumindest und auch nur ein kleines Bisschen für diesen selbstgefälligen Firmenchef übrig hatte. Es war... wie sollte man es ausdrücken… kompliziert. Doch er musste zugeben, dass die zufällige Begegnung mit Mokuba das Beste war, was ihm heute passieren hatte können.   Die Zeit, die er mit dem Älteren verbracht hatte, war angenehm und witzig gewesen und hatte ihm andere, bisher unbekannte Seiten am Älteren aufgezeigt. Da war dieses unglaubliche Lächeln, das er bei ihm noch nie gesehen hatte. Wo er ihn sonst immer nur für seine Art der Herangehensweise belächelte und aufzog, war es diesmal dagegen so völlig anders.    Einige kurze Momente durfte er hinter die Fassade des sonst so gefassten Firmenchefs blicken. Eine Seite an ihm, die sonst bestimmt nur Mokuba zu Gesicht bekam, wenn überhaupt. Kurz bemerkte er, dass sein Herz einen unerwarteten Satz machte, während er sich an diese Szenen zurückerinnerte.   Auch die Geschichte seines Bruders ging nicht ganz so spurlos an ihm vorbei, wie er es sich gewünscht hatte, und regte ihn zum Nachdenken an. Heute war Kaibas Geburtstag, den er selbst nie richtig feiern hatte können. Statt sich einen Tag frei zu nehmen, ging er lieber arbeiten. Festgefahren in seinen Gewohnheiten spielte er das Protokoll wie in jedem Jahr ab. Wieder und wieder.    Doch was vergangen war, konnte nicht mehr geändert werden. Die Gegenwart jedoch war wandelbar. Wieder spürte er ein unerwartetes Gefühl, dass ihm einen Stich versetzte. Nein, niemand sollte seinen Geburtstag so verbringen müssen. Auch nicht Seto Kaiba.   Natürlich war Jonouchi klar, dass er das nicht ändern konnte. Immerhin ließ sich der Jungunternehmer von ihm bekanntlich nichts sagen. Das beruhte wie immer auf Gegenseitigkeit, wie er nur zu gut wusste. Aber manchmal brauchte man einfach mal einen Stups in die richtige Richtung.   Sie kamen an einigen Ständen vorbei, die gerade ihre letzten Köstlichkeiten ordentlich verstauten und sich auf die morgige Eröffnung vorbereiteten. Kurz blieb der Blonde gedankenverloren stehen und wandte sich dann an Mokuba, der ebenfalls wenige Schritte später kurz stehen blieb und Jonouchi fragend ansah.   „Ihr geht jetzt direkt zum Riesenrad, oder?” Ein Nicken vom Schwarzhaarigen diente als Antwort. „Gut. Das ist groß genug. Das werde ich einfach finden. Ich komme gleich nach”, lächelte er den Jüngeren an und rannte den Weg, den sie gerade gekommen waren, zurück.   Mokuba wiederum schloss zu seinem Bruder auf. „Was hat er denn jetzt schon wieder für einen Floh im Ohr?“, bewertete dieser die plötzliche Abwesenheit des Blonden in einem desinteressierten Ton. „Wenn ich das nur wüsste…“, grübelte der Jüngere. Dabei drängte sich ihm eine weitere Frage auf. „Nii-sama”, begann er den Satz nachdenklich, „Weißt du eigentlich, wann Jonouchi Geburtstag hat?” Etwas verwundert über diese Frage sah er ungläubig zu seinem Bruder hinüber und antwortete uneindeutig mit einer Gegenfrage: „Warum willst du das wissen?” „Ach, nur so…”, ließ Mokuba die Sache auf sich beruhen. Offenbar wollte sein Bruder nicht direkt darauf antworten.    Irgendwie waren die Aussagen und das Benehmen der beiden seltsam. Jonouchi wusste, dass sein Bruder heute Geburtstag hatte. Ob er deswegen zugestimmt hatte, mitzukommen? Immerhin brachte er seinen Bruder zum Lachen, wie er ihn lang nicht mehr lachen gehört hatte. Und Seto ließ sich untypischerweise darauf ein, obwohl er offensichtlich nicht mal wusste, welcher Tag heute eigentlich war. So oder so war es eine sehr befremdliche Situation. Die Sache beschäftigte den Schwarzhaarigen noch den restlichen Weg zum Riesenrad.   Dort angekommen, nahmen sie es direkt in Betrieb. Stück für Stück leuchteten die Lichter an den Trägern auf und tauchten den Platz zusätzlich zur untergehenden Sonne in ein buntes Farbenmeer. Das Gestell wurde in Bewegung gesetzt, sodass eine der Gondeln direkt vor ihnen zum Stehen kam, bereit, seine ersten Fahrgäste mit sich in die höchsten Höhen zu nehmen.   In dem Moment bog der Blondschopf um die Ecke und erntete von Mokuba neugierige Blicke. Diese bemerkend schwieg er sich jedoch über seinen kurzen Ausflug aus und grinste ihn nur freudig an. Stimmte ihn jetzt die bevorstehende Fahrt mit dem Riesenrad fröhlich oder war es doch etwas Anderes? Es war aus seinem Blick jedenfalls nicht herauszulesen.   Indes öffnete Kaiba die Tür der vor ihm stehenden Gondel. „Was ist? Wollt ihr da Wurzeln schlagen?”, wandte er sich an die beiden, die sich offenbar nonverbal zu unterhalten schienen. „Ich wäre soweit”, kam ihm der Blonde entgegen und nahm in der großen Gondel Platz. Ein fragender Blick schweifte zu Mokuba, der jedoch kopfschüttelnd ablehnte.   Er wollte unten bleiben und noch ein paar "Besorgungen" machen. Dabei lächelte er seinen Bruder verschmitzt zweideutig an. Was dieser ihm damit sagen wollte, wusste der Ältere nur allzu gut. Dennoch erwiderte er nur mürrisch:„Pass auf, dass deine Fantasie nicht mit dir durchgeht. Ich finde deine Hypothesen mehr als besorgniserregend.”   „Wenn du das sagst, Nii-sama”, antwortete der Jüngere kichernd, während er zu Jonouchi hinüber schielte. Ein genervtes Seufzen war vom Brünetten zu hören, da er genau wusste, dass er seinen Bruder von diesem Hirngespinst nicht befreien konnte. Sicher, der Tag war unerwartet angenehm verlaufen, obwohl der Blonde in seiner Nähe war. Oder viel mehr gerade weil ebendieser dabei war, aber das würde er wohl kaum zugeben.   Also betrat er die Gondel, schloss die Tür und setzte sich auf die freie Bank gegenüber seines Fahrgastes. Direkt darauf setzte sich das Riesenrad in Bewegung, sodass die Gondel leicht ins Schwanken geriet und langsam aufstieg. Die Abenddämmerung setzte bereits ein und gewährte ihnen einen atemberaubenden Ausblick über Domino City.   Langsam verschwand die Sonne hinter dem weiten Horizont und tauchte den Himmel in ein wunderbares Abendrot umgeben vom flammenden Wolkenmeer. Aus den kleinen Gebäuden der Stadt wurden schleichend schwarze Silhouetten, deren finstere Schatten die Straßen verschlangen, um schließlich in der Dunkelheit zu verschwinden. Das Riesenrad überwand mühelos sämtliche Höhe und ließ seine Insassen die Wärme der Sonnenstrahlen an diesem goldenen Oktobertag genießen.   Verträumt schaute der Blonde in die Ferne während Kaiba ihm mit verschränkten Armen stillschweigend gegenübersaß. Doch die Stille zwischen ihnen war keinesfalls unangenehm, sondern eher ungewohnt, wo sie doch sonst so lautstark und leidenschaftlich in ihre Streitereien vertieft waren. Generell empfand er die Anwesenheit des Blonden wie bereits erwähnt heute nicht wirklich als lästig, denn so ungern er es auch zugab: Es hatte einfach Spaß gemacht, zusammen mit ihm durch den Park zu laufen und die verschiedenen Attraktionen auszuprobieren.    Mehr als einmal huschte ein Schmunzeln über seine Lippen, ausgelöst durch die Anwesenheit des Anderen. Wenn er ehrlich war, beneidete er ihn insgeheim um dessen Sorglosigkeit, die er immer an den Tag legte. Er meisterte beharrlich die schwierigsten Situationen, indem er einfach aus dem Bauch heraus Entscheidungen zu treffen schien , während Kaiba selbst stets berechnend an die Sache heranging.   Ohne weiter darauf zu achten und noch immer die Worte seines Bruders im Ohr, ließ er seinen Blick zu seinem Gegenüber schweifen, der die Faszination der Abenddämmerung förmlich in sich aufsog. Durch die hellen Sonnenstrahlen begannen dessen Haare in einem wunderbaren Goldton zu schimmern. Seine honigfarbenen Augen erhielten in diesem schwindenden Licht eine bisher unbekannt schöne, rötliche Färbung und ließen sie gleich den Wolken wie eine Flamme lodern.    Dieses Feuer, das Katsuyas Leidenschaft entfesselte, mochte der sonst so kühle und beherrschte Firmenchef insgeheim an ihm. Es gab sogar Tage, an denen er ihn bewusst provozierte, um sich an diesen um sich greifenden Funken das kalte Herz zu wärmen.   Verloren in seinen eigenen Gedanken fiel ihm nicht auf, dass sich Jonouchi bereits von der eindrucksvollen Aussicht abgewandt hatte und ihn interessiert ansah. Doch obwohl sie einander anschauten, trafen sich ihre Blicke nicht, fast so als würde der Brünette durch ihn hindurchsehen. Eine Situation, die der Blonde bisher auch noch nicht bei ihm erlebt hatte.   Sein Gegenüber schien offenbar in seinen Gedanken versunken zu sein. Die Tatsache, dass er dabei zu ihm hinübersah, warf wiederum die Frage auf, ob diese vielleicht sogar ihm galten. Zu gern würde er es in Erfahrung bringen, ihn einfach danach fragen. Jedoch brachte er kein Wort über seine Lippen und fixierte ihn stattdessen wie gebannt.    Nur wenige Augenblicke später löste der Brünette den starren durchdringenden Blick, mit dem er seinen Gegenüber besah, und schaute unvermittelt in dessen leuchtende Augen, in denen sich noch immer das Abendrot widerspiegelte. Dieser Moment hielt bereits einige Sekunden an, ohne dass beide ein Wort darüber verloren, was in ihnen vorging. Je mehr Zeit verstrich, umso schwieriger wurde es, diese Situation zu erklären, das wussten sie beide nur zu gut.   Statt sich jedoch abzuwenden, schlich sich ein leichtes Schmunzeln in das Gesicht des Blonden. Sein Blick war freundlich und die sonst so lodernden Flammen strahlten eine wohlige Wärme aus. Ihre Gondel hatte bereits den höchsten Punkt erreicht und das Riesenrad kam zum Stehen. Das war der Moment, in dem die Fahrgäste normalerweise die Aussicht in vollen Zügen genießen konnten und Jonouchi beschloss, diesen Stillstand zu nutzen.   „Weißt du Kaiba, eigentlich sind wir uns gar nicht so unähnlich”, durchbrach er die Stille und ließ den Firmenchef aufhorchen. „Die Art wie du diesen Tag heute verbringst, erscheint mir zwar seltsam, aber ich kenne das Gefühl nur allzu gut, am Ende des Tages allein am Tisch zu sitzen. Ohne Freunde, mit denen die Zeit wie im Flug vergeht. Ohne Familie, mit der man sich vergnügt unterhalten kann. Ohne liebevoll verpackte Geschenke oder ein warmes selbstgekochtes Abendessen.”   Verträumt, als würde er sich an etwas Vergangenes erinnern, schweifte sein Blick über den menschenleeren Freizeitpark, der seine Pforten bereits geschlossen hatte. Nur sie waren noch übriggeblieben und fuhren ihre einsame Runde zu zweit. „Jedoch kann ich dir sagen, dass es nie zu spät ist, das noch zu ändern. Wir sind keine Kinder mehr und bestimmen unser Leben selbst.”   Er seufzte kurz auf, erhob sich von seinem Platz und kramte in seiner Jackentasche, während Kaiba ihn stillschweigend beobachtete. Auch ihm war bewusst, dass er den Jüngeren einige, vielleicht sogar verhängnisvolle, Sekunden zu lang angestarrt hatte. Da dieser jedoch als erster das Wort ergriffen hatte, beschloss er, sich dazu nicht weiter zu äußern und ließ alles Folgende einfach auf sich zukommen.   Im nächsten Moment holte Jonouchi ein kleines durchsichtiges Beutelchen hervor. Darin befanden sich drei mit weißer Schokolade glasierte Erdbeeren niedlich verpackt mit einer blauen Schleife an der ein kleiner Anhänger in Form eines Blauäugigen Weißen Drachen hing, die es an den hiesigen Ständen zu gewinnen gab.   „Happy Birthday, Kaiba. Ich hoffe, du hattest heute einen wundervollen Geburtstag”, lächelte er den Brünetten warmherzig an und überreichte ihm das kleine Präsent.    In dem Moment setzte sich das Riesenrad wieder in Bewegung und die Gondel wurde mit einem Ruck nach vorn befördert. Nicht vorbereitet auf diese plötzliche Bewegung, verlor der Blonde das Gleichgewicht und kippte direkt in die Arme seines Gegenübers. Ein kurzer Moment der Stille folgte, bis Jonouchi begann sich wieder aufrappeln.   „Und da ist die Stimmung dahin”, witzelte der Blonde kaum hörbar mit einem ironischen Unterton über den ungeplanten Sturz. Als wolle ihn das Schicksal Lügen strafen, wurde Katsuya aus seinen eben noch laut ausgesprochenen Gedanken gerissen und ärgerte sich direkt über über seine ehrlichen und aufrichtigen Worte, die er Kaiba so unverblümt darlegte, ihm seine Meinung damit aufzwang und ihn augenscheinlich eines Besseren belehren wollte.   Zudem noch die Tatsache, dass er ihm dieses unnütze Geschenk überreichen wollte, welches er soeben quer durch die Luft geschleudert hatte bei seinem Sturzflug. Dabei wusste er genau, dass sich Kaiba alles kaufen konnte, was er wollte. Was sollte er da mit diesen Süßigkeiten, die er sich auch selbst an jedem der Stände hier holen hätte können?   Garantiert würde der Brünette auch mit der Entscheidung, seinen Geburtstag nicht zu feiern, glücklich oder wenigstens zufrieden sein, sonst hätte er es doch längst geändert. Dieser Annahme folgend, stieß er sich resignierend von Kaibas Sitzbank ab und seufzte ein entschuldigendes „Sorry“ zu eben jenem.   Dieser reagierte jedoch gar nicht darauf und beugte sich stattdessen in einer fließenden Bewegung nach vorne, um das kleine Beutelchen mit den Erdbeeren darin aufzuheben. Die Glasur hatte einige Risse bekommen und bröckelte bereits an manchen Stellen ab. Die Verpackung war zerknittert und der Anhänger lag am Boden, da er sich von der Schleife gelöst hatte. Auch diesen hob der junge Firmenchef auf. Da die Gondel bisher nur von den beiden betreten worden war, hatte der Drache weder Schaden genommen noch war er schmutzig geworden.   Es stimmte. Heute war tatsächlich sein Geburtstag, bei dem er nach wie vor keinen Wert darauf legte, ihn zu feiern. Dass der Streuner ihm ausgerechnet an seinem Ehrentag über den Weg lief, hatte er wohl Katsuyas sogenannter Fortuna zu verdanken.    Kaiba besah sich das ungewöhnliche Geschenk des Blonden, welches einige Blessuren davongetragen hatte. Sicherlich war es nichts herausragend Spektakuläres, beinahe sogar wertloser Plunder, den man an jeder Ecke geschenkt bekam oder kaufen konnte, jedoch war es gleichzeitig eines der wenigen Geburtstagsgeschenke, das mit einem ehrlichen Wunsch verpackt worden war und vermutlich tatsächlich von Herzen kam. Mokubas Geschenke natürlich ausgenommen.    Dass es wiederum ausgerechnet von dem Bonkotsu stammte, gab ihm einen Denkanstoß in eine völlig neue Richtung. Sollte Mokuba doch recht gehabt haben? Er kannte die Antwort auf diese Frage nicht. Jedoch wollte er sich bemühen, diese auf schnellstem Weg zu finden.    Also öffnete er den Knoten der Schleife an der kleinen Verpackung und ließ sie achtlos zu Boden gleiten. Aufmerksam und ebenso gebannt von dessen Tun beobachtete Jonouchi dabei jede noch so kleine Bewegung des Anderen, während die Gondel ihren tiefsten Punkt passierte und sich erneut auf dem Weg nach oben zurück in die letzten verbliebenen Strahlen der Sonne machte.   Bedächtig, als wäre es etwas Zerbrechliches, nahm Kaiba sich eine der süßen Früchte heraus und begutachtete sie, als sich erneut ein Stück des weißen Überzugs löste und zu Boden fiel. Bevor sich jedoch noch mehr der süßen Glasur verabschieden konnte, ließ er die kleine Köstlichkeit in seinem Mund verschwinden. Jonouchi konnte wiederum seinen Blick nicht von dieser unglaublichen Szene abwenden. Zweifel und Bedenken, die ihn eben noch geplagt hatten, waren auf einmal wie weggeblasen und als die Erdbeere in Kaibas Mund verschwand, löste er sich aus seiner Starre, um blindlings einzugreifen.   „Warte, du musst das nicht essen. Sie ist sicher scheußlich. Ich meine, die sind auf den Boden gefallen und total zerbröckelt...“, begann er überstürzt zu sprechen und hätte am liebsten verhindert, dass sich der Firmenchef eine weitere Erdbeere genehmigte, die er bereits aus dem Beutelchen fischte. Jedoch war diese nicht für ihn selbst gedacht, wie der Blonde direkt darauf feststellen musste, da sie direkt in seinem Mund landete und so seine Einwände im Keim erstickte.   „Ich verstehe gar nicht, was dich zu dieser Annahme verleitet. Sie schmecken fantastisch. Zudem bin ich nicht gewillt, Essen zu verschwenden, nur weil es weniger ansehnlich ist“, war darauf die gespielt nüchterne Aussage des Brünetten. Auch wenn er sich jetzt unbeeindruckt zeigte, so wusste Jonouchi doch direkt, dass es eben nicht so einfach dahergesagt war. Wäre es unbedeutend, hätte er ihn damit aufgezogen oder die Süßigkeiten einfach entsorgt.   Stattdessen machte er sich die Mühe, sie aufzuheben und zu kosten, wohlwissend wie sie schmeckten. Immerhin war das sein Freizeitpark und es wäre ein Unding, wenn er nicht wenigstens einmal etwas von einem Süßigkeitenstand probiert hätte. Das allein hinterließ bei Jonouchi bereits ein Gefühl der Bestätigung, ihm offenbar doch etwas Gutes damit getan zu haben, und ließ ihn die letzten Zweifel abschütteln.   „Danke“, fügte der Brünette nach einer kurzen Pause an und er konnte sichtlich erkennen, wie dem Blonden beinahe das letzte Stückchen der Erdbeere im Hals stecken blieb. Wenn er in seinem Leben alles erwartet hätte, so kam dieses Danke aus dem Mund des Anderen für ihn mehr als überraschend.   Wiedereinmal bestätigte es ihm, dass er es nicht bereuen musste, auf sein Bauchgefühl gehört zu haben. Denn auch wenn es der Herr Firmenchef nicht direkt zeigte, unabhängig davon ob er es nicht konnte oder wollte, wusste Jonouchi dennoch um die Bedeutung in dessen Worten, was er dem Brünetten auch direkt mit einem warmherzigen Lächeln bestätigte. Daraufhin erhob sich Kaiba von seinem Platz und stand nun unmittelbar vor dem Blonden, dem er sich langsam mit einer verheißungsvollen Absicht näherte.    Just in diesem Moment stoppte die Gondel und Mokuba riss nur Sekunden später euphorisch die Tür auf. „Willkommen zurück!“, begrüßte er sie und besah sich das äußerst interessante Bild, das sich ihm dabei bot: Jonouchi in den Armen seines Nii-sama, während die Gondel langsam hin und her schaukelte.    Denn durch den plötzlichen Stopp des Riesenrads, auf den keiner der Insassen vorbereitet war, verloren sie beide das Gleichgewicht. Während sich Kaiba dabei gerade noch an der Halterung neben der Tür festhalten konnte, fiel der Blonde, ohne die Möglichkeit sich abzufangen, nach hinten und wäre auf der harten Sitzbank gelandet, hätte ihn Kaiba nicht noch im Flug an sich gezogen.   „Okay…“, ließ der Schwarzhaarige mit einem interessanten Unterton in der Stimme verlauten und besah sich diese einmalige Szene. Verlegen setzte Jonouchi dazu an, sich aus der Umarmung des Anderen zu befreien und die Situation aufzuklären. Jedoch verwehrte Kaiba ihm diese Möglichkeit indem er zuerst das Wort ergriff und den zappelnden Welpen weiterhin festhielt.   „Wir fahren noch eine Runde“, ließ er kurzerhand verlauten und schloss die Tür der Gondel wieder, während er von Jonouchi dafür nur ein irritiertes “Was?“ erntete. Sie waren doch gerade erst wieder unten angekommen. Warum wollte er denn jetzt nochmal fahren?   In dem Moment bemerkte er, dass sich das Riesenrad erneut in Bewegung gesetzt hatte und sie wieder nach oben fuhren. Auf dem Weg dorthin setzte der Blonde erneut zu einem Gespräch an: „Noch eine Runde? Hast du heut nicht noch was Wichtigeres vor?” Natürlich spielte er auf Kaibas Geburtstag an, den er ihm kurz zuvor wieder ins Gedächtnis gerufen hatte. Das nutzte der Brünette wiederum direkt, um eine Gegenfrage zu stellen ohne auf Jonouchis zu antworten.   „Du weißt also, dass ich heute Geburtstag habe. Hat dir das Mokuba verraten?” Interessiert sah er zu dem Blonden hinüber, der ihn etwas verwundert anblinzelte, sich jedoch im selben Moment wieder fing. „Hat er nicht. Das weiß ich auch so”, war die überraschende Antwort, während ein wissendes Grinsen seine Mundwinkel zierte.    Zugegeben, auch Kaiba wusste das Geburtsdatum des Anderen, was jedoch nicht bedeutete, dass er ihm jemals an diesem Tag gratuliert hätte. Er wusste es einfach, während er seinen eigenen Geburtstag wiederum regelmäßig vergaß. Ganz im Gegensatz zu Mokuba und offenbar auch Jonouchi. Eine interessante Tatsache, wie er fand.   „Überrascht?”, hakte der Jüngere nach, während er den Kopf etwas schief legte. „Vielleicht”, war die uneindeutige Antwort des Gefragten, der das freche Schmunzeln erwiderte. Erneut näherte er sich mit unverkennbaren Absichten, streckte seine Hand aus und vergrub sie in der blonden Mähne. Jonouchi wiederum ließ es einfach geschehen und schloss langsam seine Augen, als plötzlich ein Klingelton durch die Gondel schallte und diesen magischen Moment ein weiteres Mal unterbrach. Mit einem mürrischen Gesichtsausdruck hielt Kaiba inne und holte sein Handy aus der Tasche, um den Namen des Störenfrieds zu lesen: Mokuba. Er liebte seinen Bruder, keine Frage. Aber sein Timing war gerade mehr als miserabel.   „Willst du da nicht ran gehen? Scheint wichtig zu sein”, grinste ihn der Blonde verschmitzt an. Etwas zerknirscht schaute der Firmenchef auf sein Handy und nahm den Anruf schließlich entgegen. In dem Moment schnappte sich Jonouchi die letzte verbliebene Erdbeere, die sich noch immer in dem transparenten Beutelchen in Kaibas Hand befand, und schob sie in den Mund seines Gegenübers, während er ihm das Handy aus der Hand nahm.   „Mokuba?” „Jonouchi-kun? Was ist mit Seto?” „Isst grad beschäftigt. Soll ich ihm was ausrichten?”** „Ah, okay... Ich habe gerade eine Torte besorgen lassen. Lasst euch also nicht zu viel Zeit”, feixte der Jüngere in das Handy. „Alles klar, bis gleich”, beendete Jonouchi das Telefonat und konnte sich ein Schmunzeln ebenfalls nicht verkneifen, als er sich zu dem Besitzer des Handys wandte und es ihm wieder in seine Hand legte. „Es gibt Torte. Wir sollen nicht so lange rumtrödeln”, waren die wohl gewählten Worte des Blonden, womit er den Firmenchef gleich noch ein wenig damit aufziehen konnte, dass er es wohl heute nicht mehr schaffte, zum Punkt zu kommen.    Ganz unrecht hatte er damit nicht, denn es war heute bereits das zweite Mal, dass er sein Vorhaben nicht in die Tat umsetzen konnte. Allein die Tatsache, dass er sich überhaupt dazu hinreißen ließ, erstaunte ihn wohl mehr als jeden anderen, wie es an Jonouchis und Mokubas Reaktionen zu erkennen war.   Das Riesenrad befand sich bereits wieder auf dem Weg nach unten und in Kürze würden sie die Gondel wieder verlassen. Noch immer mit einem Schmunzeln im Gesicht trat der Blonde einen Schritt an den Älteren heran, streckte seine Hand nach ihm aus und berührte flüchtig dessen Lippen. Nur kurz und kaum spürbar. Ein Blick auf die Hand des Blonden zeigte ihm ein kleines Stück weiße Schokolade, das durch den vorangegangenen Erdbeer-Überfall an seinem Mund hängen geblieben sein musste.    Im nächsten Moment ließ er das kleine Überbleibsel mit einem genüsslichen Ausdruck zwischen seinen Lippen verschwinden, kurz bevor das Riesenrad zum Stillstand kam und somit ihre Fahrt beendete. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, öffnete Jonouchi die Tür der Gondel und ließ den überrumpelten Firmenchef darin zurück.   „Was ist? Kommst du?“, rief ihm der Blonde zu, als er bereits ein paar Schritte entfernt war und bedachte den Zurückgelassenen mit einem verschmitzten Ausdruck auf den Lippen.    Ja, warum eigentlich nicht? Heut war sein Geburtstag, er hatte ein unerwartetes Geschenk bekommen und zusammen mit Jonouchi einen, wie er schließlich zugeben musste, tollen Tag verbracht. Sein Blick fiel auf den Blonden, der ihn erwartungsvoll ansah und noch immer auf ihn sowie eine Antwort wartete. Ein Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen. Natürlich. So sollte ein Geburtstag wohl sein. Also...    „Nagut, dann lass uns Torte essen gehen”, war die bestätigende Antwort, als er ebenfalls die Gondel verließ und zum Blonden hinüber ging.  Einen ersten Schritt auf ihn zu.  Auf dem ungewissen Weg zu etwas Neuem.     Ende     * Ein Wink zu der damaligen Serie ‘Hallo! Kurt’. Im Original heißt er wiederum Spank, woraus sich das ‘Ohayō! Supanku’ (おはよう!スパンク), zu deutsch ‘Guten Morgen! Spank‘ ergibt.   ** Das “Isst” dient als beabsichtigtes Wortspiel zum Schmunzeln beim Lesen ;)  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)