Ein letztes Geheimnis von Sharry ================================================================================ Kapitel 19: Kapitel 19 - Begegnung ---------------------------------- Kapitel 19 – Begegnung   -Zorro- Ächzend ließ er die Gewichte fallen und rieb sich den Schweiß von der Stirn. Egal, was Dulacre auch davon halten mochte, Zorro mochte simples Muskeltraining und es gab kaum etwas Besseres zum Entspannen, als nach einer harten Einheit die Gewichte abzulegen und das leichte Brennen des Fortschritts im ganzen Körper zu spüren. Er war sich bewusst, dass ein ausgewogenes Training aus mehr als nur Muskeltraining bestand – eine der vielen Sachen, die sein Lehrmeister ihm die vergangenen zwei Jahre eingeprügelt hatte – aber dennoch mochte er es am meisten. Es war gut dafür geeignet, den Kopf frei zu machen oder etwas Frust abzubauen. Allerdings musste Zorro sich eingestehen, dass er zwar etwas besser gelaunt war als zuvor, aber die dunkle Wolke herrschte immer noch über seine Gedanken, ließ ihn nicht ganz los. Dennoch, es war etwas besser und da er wirklich langsam hungrig wurde, entschied er, den Feierabend einzuläuten, schließlich war es bereits mitten in der Nacht und immerhin hatte er auch seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Während er sich den Schweiß vom Körper rieb, überlegte er, ob er die Nacht nutzen sollte, um sich in Loreen zu verwandeln. Die meisten Nächte waren sehr ruhig und niemand würde ihn stören, da mittlerweile alle Anwesenden – sowohl Crewmitglieder als auch Gäste und Gefangene – zu Bett gegangen waren, auf der anderen Seite lag seine letzte Verwandlung noch nicht lange zurück und er würde wohl noch ein paar Tage problemlos aushalten, ehe das unangenehme Ziepen ihn wieder an seine Grenzen erinnern würde. Aber wer wusste schon, ob er in ein paar Tagen die Ruhe haben würde, sich ungesehen verwandeln zu können. Innerhalb von Sekunden verflog dieses bisschen hart erarbeitete gute Laune und selbst die wie üblich aufwendig hergerichtete Zwischenmahlzeit des Kochs und der billige Sake konnten daran nicht viel ändern. Er hatte schlichtweg keine Lust, sich schon wieder verwandeln zu müssen, hatte keine Lust darauf, sich danach wieder zurückverwandeln zu müssen, und noch viel weniger Lust hatte er darauf, dass er irgendwann seiner Crew reinen Wein einschenken musste. Aber gar keine Lust hatte er gerade auf die Gedanken, die nun über ihn hereinbrachen, die seit dem vergangenen Tag wie dunkle Schatten um ihn herum gewabert hatten und nun mit jeder Stunde klarer wurden. Zorro hatte sich überschätzt, so viel war ihm mittlerweile bewusst, er hatte sich und sein strategisches Denken überschätzt. Wenn ihm der vergangene Tag eines gelehrt hatte, dann, dass sein Plan viel zu riskant war. Zorro war nicht bereit so viel für einen Plan zu riskieren, der höchstwahrscheinlich nicht erfolgreich sein würde, nicht, wenn er einen anderen Weg einschlagen konnte, und das konnte er. Doch warum zweifelte er dann immer noch so? Nein, warum zweifelte er jetzt sogar noch mehr als zuvor? In einem schwächlichen Versuch seine Gedanken zu ignorieren, entschied Zorro, das kleine Buch zu Ende zu lesen, welches die dämliche Kringelbraue vor zwei Jahren mit sich herumgetragen hatte, aber natürlich war diese Lektüre alles andere als unterhaltsam. Es überraschte ihn nicht, als er das Holz vor sich knarzen hörte, und er sah noch nicht mal auf, sondern griff noch ein Reisbällchen und konzentrierte sich auf die langweiligen Zeilen vor ihm. „Solltest du nicht schlafen“, murmelte er unbeeindruckt und biss in seinen Snack. „Ach, ich bin früh ins Bett gegangen und wollte die ruhigen Morgenstunden nutzen, um etwas zu lesen, so wie du es tust.“ Nun sah er doch auf und begegnete ihrem Schmunzeln mit hochgezogener Augenbraue. Robin hielt ein kleines Büchlein in ihren Händen, dessen Einband dem Buch ähnlich war, welches Zorro gerade las. Sie zeigte wie so oft diesen wissenden Blick und legte das Büchlein auf das Sofa neben die halbgeleerte Bentobox. „Ich hätte nicht gedacht, dich hier anzutreffen“, gestand sie dann leise ein und klaubte sich ein Radieschen aus Zorros Lunchpaket. „Soweit ich weiß, ist Chopper schon seit einigen Stunden im Bett und das Krankenzimmer dunkel.“ „Ich habe Nachtwache“, entgegnete Zorro schlicht und senkte seinen Blick wieder auf die letzten Seiten des anödenden Buches. Er hatte Robin nicht darum gebeten ihm Bücher rauszulegen und er fragte auch nicht, was sie darüber dachte, dass er solchen Schund las, oder warum sie ihm ein neues Buch gebracht hatte. „Nun ja, die Nacht ist beinahe vorüber und ich wollte etwas an Deck lesen, wenn du also mit deinem Training fertig sein solltest und deinen Posten verlassen möchtest…“ Sie sprach nicht weiter, sondern zeigte nur ihr übliches geheimnisvolles Lächeln, welches Zorro nur zu gut deuten konnte. „Ich danke dir für dein Angebot, aber ich denke, ich bleib noch etwas hier oben“, entgegnete er und hielt ihrem bohrenden Blick stand, „wobei ich mich gerne eine Runde ausruhen würde.“ Sie nickte nur und wandte sich zum Gehen, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren. Sie hatte wohl erfahren, was sie hatte wissen wollen. Aber Zorro war diesen Tausch ausnahmsweise bereitwillig eingegangen. Schließlich wusste er nun, dass er die nächsten paar Stunden im Ausguck ungestört sein würde. Seufzend schloss er das Buch und legte es zur Seite, dann stand er auf und reckte sich, ehe er die Stiefel auszog und seinem Körper erlaubte, sich zu verändern.   -Sanji- Es war früh am Morgen, als Sanji wie jeden Tag in der Küche am Werkeln war. Zu seiner Überraschung war das Licht im Ausguck hell erleuchtet gewesen, das Krankenzimmer auf der anderen Seite jedoch nicht. Es schien also, als hätte die verdammte Moosbirne ausnahmsweise mal die Pflichten eines Crewmitglieds wahrgenommen und nicht die ganze Nacht am Bett irgendeines verfluchten Samurais verbracht. Auf seinem Weg zur Kombüse hatte Sanji auch Robins Umrisse auf der Steuerterrasse im fahlen Licht eines nahenden Sonnenaufgangs gesehen. Er hatte sich gewundert, was sie um diese Uhrzeit schon draußen gewollt hatte, aber er hatte ihr ihren Frieden gelassen; Ruhe war schließlich ein wertvolles Gut auf diesem Schiff voller Chaoten. Die derzeitigen Gäste machten die Situation leider nicht viel besser. Franky, Brook und Lysop verbrachte ihre meiste Freizeit damit, abwechselnd Caeser zu bewachen, während Kinemon und Momonosuke sich etwas zu sehr für Sanjis Geschmack eingewöhnt hatten – insbesondere der Jüngere der beiden verbrachte in Sanjis Augen viel zu viel Zeit mit seiner Namilein – und sich äußerst gut sowohl mit Robin als auch mit Ruffy verstanden. Law auf der anderen Seite gehörte eher zur schweigsamen Sorte wie der Marimo, stellte Sanji aber mit seiner Abneigung gegenüber Backwaren und seinen Ansprüchen bezüglich Reisbällchen regelmäßig vor neue Herausforderungen. Er mochte zwar für eine Crew von Vollidioten – und zwei bezaubernde Engel – kochen, aber niemand innerhalb der Crew war wirklich wählerisch oder mäkelig, wenn es um die von Sanji zubereiteten Speisen ging; zumindest soweit er wusste. Ansonsten verbrachte der ehemalige Samurai die meiste Zeit damit, düster vor sich hinzustarren oder mal wenige Worte mit Nami oder Chopper zu wechseln. Dieser wiederum schien voll und ganz darin aufzugehen für seinen neuesten Patienten zu sorgen. Erst am vergangenen Abend hatte er sich mit Sanji zusammensetzten wollen, um einen Ernährungsplan für Falkenauge zu erstellen. Einen verdammten Ernährungsplan! Okay, Sanji mochte ja einsehen, warum dieser Dreckskerl nicht draufgehen sollte, aber warum zur Hölle sollte er einem Feind, oder zumindest dem Rivalen eines seiner Crewmitglieder, auch noch bei einem gesunden Lebensstil helfen? Es interessierte ihn nicht, ob der andere sich bis zur Besinnungslosigkeit besaufen und dabei draufgehen würde oder nicht, solange er damit noch wartete, bis Zorro ihn besiegt hatte. Am vergangenen Abend mochte Sanji zwar mit Zorro eine Waffenruhe ausgehandelt haben, aber das eine hatte ja kaum etwas mit dem anderen zu tun. Das eine waren Probleme innerhalb ihrer Crew, die den Samurai nichts angingen, und das andere war die verdammte Anwesenheit Falkenauges, der auf diesem Schiff eigentlich absolut nichts zu suchen hatte. Nein, Sanji wünschte ihm natürlich nicht den Tod an den Hals, aber er brauchte ihn auch nicht da zu haben. Mit de Flamingo, Big Mom und Zorros eigenartigem Verhalten hatten sie bereits genug Probleme am Hals, sie brauchten nicht noch einen bettlägerigen Samurai, welcher im schlimmsten Fall einem oder allen von ihnen nach dem Leben trachtete. Im Gegensatz zu scheinbar allen anderen Anwesenden misstraute Sanji Falkenauge zutiefst. Er hatte nie verstanden, warum dieser ihnen vor zwei Jahren beim Hinterhalt der Marine geholfen hatte, warum er die bezaubernde Lady Loreen begleitet hatte, warum sie eine Botschaft des Marimos nur für Ruffy gehabt hatten, nur damit Falkenauge dann wenige Tage später auf dem Schlachtfeld von Marine Ford sich gegen Ruffy stellen würde. Sanji war sich ziemlich sicher, dass dieser aalglatte Mistkerl ein doppeltes Spiel trieb, und Zorro war vermutlich zu schlicht, um so etwas zu bemerken, war wahrscheinlich so fokussiert darauf gewesen, wieder gesund und stärker zu werden, dass er im Zweifel gar nicht bemerkt hatte, falls Falkenauge ihn wie eine Spielfigur übers Schachbrett manövriert hatte. Je länger Sanji darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher war ihm, dass der Samurai – die man nicht umsonst Hunde der Weltregierung nannte – vermutlich ihr Feind war und sie jederzeit angreifen konnte und er hatte sich das Vertrauen des einen Crewmitgliedes erschlichen, das aus Prinzip erstmal jedem misstraute, selbst eigenen Crewmitgliedern, um so Zugang zu den anderen zu erlangen. Dieser Gedanke machte plötzlich viel Sinn für Sanji. Als Falkenauge ihnen vor zwei Jahren gegenübergestanden hatte, waren sie alle misstrauisch gewesen, hatten damit gerechnet, dass er im Namen der Weltregierung gekommen war, um das zu vollenden, was Bartholomäus Bär nicht geschafft hatte. Nun jedoch schien keiner von ihnen zu glauben, dass Falkenauge noch ein Feind sein könnte, nur weil Zorro ihn hergebracht und Chopper angefleht hatte, ihn zu retten. Dass Ruffy, als der naive Vollidiot, der er war, die Motive des Samurais nicht hinterfragte, überraschte Sanji nicht, Ähnliches galt für Chopper, aber die anderen waren normalerweise nicht so gutgläubig. Aber vielleicht überdeckten sie ihr Misstrauen auch nur gut genug. Sanji zweifelte nicht daran, dass gerade Nami, Franky und Robin in der Lage wären, sich nichts anmerken zu lassen. Brook und Lysop auf der anderen Seite… Plötzlich wurden seine Grübeleien unterbrochen, als Sanji aus dem Augenwinkel bemerkte, wie das Licht im Krankenzimmer aufflammte. Wenn man vom Teufel sprach, entweder war der Samurai gerade aufgewacht oder aber Zorro war zu ihm gegangen. Doch ein Blick aus dem Fenster verriet Sanji, dass auch im Ausguck noch Licht brannte, also wohl eher Ersteres. Verdammt, da fiel ihm ein, dass Chopper ihn auch darum gebeten hatte, dem Samurai eine Karaffe mit Wasser vorbeizubringen, als wäre er der Butler. Jedoch wusste Sanji genau, wie wichtig Chopper die Genesung seiner Patienten nahm und nur ein Dummkopf – also der Marimo - würde sich seinen Anweisungen entgegenstellen. Entnervt aufstöhnend ließ Sanji von seiner Arbeit ab, steckte sich eine Zigarette an und füllte eine Karaffe ab. Wenn er Chopper glauben mochte, schien dieser Samurai zumindest die grundlegenden Manieren zu besitzen, sodass er diese Aufgabe wahrscheinlich mit ein, zwei höflichen Worten hinter sich bringen konnte, ohne sich mit dem unerwünschten Gast länger als nötig beschäftigen zu müssen. Er stellte Karaffe und Glas auf ein Tablett und entschied, die unliebsame Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, sodass er sich wieder mit den wichtigen Dingen im Leben beschäftigen konnte, Kaffee für sein geliebtes Robinlein aufsetzen zum Beispiel. Mit der Zigarette in der Hand klopfte er an, ehe er einfach eintrat. Auf der anderen Seite grüßte ihn ein seltsames Bild. Wobei, es war gar nicht so eigenartig, der Samurai saß in seinem weißen Leinenhemd aufrecht gegen einen Berg von Kissen gelehnt im Bett und las die Zeitung – wo auch immer er die wohl herhatte – aber es war wohl seltsam, weil Sanji nicht daran gewöhnt war von diesen eiskalten Falkenaugen angestarrt zu werden. Nein, normalerweise war es die Moosbirne, die ihn in solchen Momenten so abwertend betrachten würde. „Morgen“, brachte Sanji zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Er konnte diesen Typen absolut nicht ausstehen, der dort saß, wie ein König im Bett, während sein Bediensteter zum Ankleiden hereingekommen war. „Chopper meinte, du müsstest was Wasser trinken. Bitte sehr.“ Er stellte Karaffe und Glas auf das kleine Nachttischchen und würdigte das knappe Nicken des andere nicht mal einer Bemerkung, ehe er sich wieder umwandte und beinahe in die pechschwarze Klinge des Samurais hineinlief. Kurz erschrak er und machte einen Schritt zurück, fort von der Spitze des riesigen Schwertes, welches ohne Scheide oder sonstige Verpackung ganz unverhohlen auf Choppers Arbeitsplatz lag. Genau diese Klinge hatte Zorro damals beinahe umgebracht. „Was verdammt nochmal…?!“, knurrte er und ging noch etwas mehr auf Abstand. „Warum zur Hölle liegt so eine Waffe hier offen rum? Da könnte sich jemand dran verletzen.“ Ein heiseres Lachen ließ ihn herumschnellen. „Als gäbe es eine Schwertscheide, die mächtig genug wäre, Yoru zu beschränken.“ Mit einem bösen Schmunzeln funkelte Falkenauge ihn an. Seine Stimme war rau, wie nach einer zu langen Nacht mit zu viel Alkohol, aber ansonsten klang er genauso galant und aalglatt wie in Sanjis Erinnerung. Nein, er mochte diesen Typen wirklich nicht. „Aber keine Sorge, Yoru hat kein Interesse an deinem Blut.“ Zusammen mit den bleichen Gesichtszügen und den stechenden Augen hatte diese Aussage doch etwas Gespenstisches an sich, allerdings konnte selbst der Samurai nicht mit dem Grauen mithalten, welches Sanji die letzten zwei Jahre hatte erleben müssen, daher nahm er solch melodramatische Worte eher mit einem Augenrollen hin. Auch der Marimo sprach immer von seinen Schwertern, als hätten sie einen eigenen Willen – und er konnte richtig wütend werden, wenn man das eine Schwert mit dem roten Griff ungefragt anfasste – aber solche Sprüche hatte selbst er noch nicht abgelassen. „Du willst mir sagen, dass dein Schwert Blut sehen will? Und wessen? Das vom Marimo?“, entgegnete er sarkastisch und stopfte seine freie Hand in die Hosentasche. „Wenn du dich mit deiner plumpen Wortwahl auf Lorenor beziehen willst, dann ja, durchaus. Allerdings ist selbst Yorus Gier nach seinem Blut nicht so groß wie die meine.“ Der Samurai lächelte ihn beinahe charmant an, während Sanji wiederum ein kalter Schauer über den Rücken fuhr. Er hatte es erwartet, befürchtet, gefürchtet, aber gerade hatte der andere es so gut wie gestanden. Als wüsste Falkenauge genau, dass niemand Sanji glauben würde und er deshalb kein falsches Spiel mit ihm spielen brauchte. „Du willst Zorro töten?“, fragte Sanji erneut mit gespieltem Sarkasmus nach, während er in seiner Hosentasche nervös mit dem Feuerzeug, welches Zorro ihm erst vor wenigen Tagen geschenkt hatte, herumspielte. Je nachdem, wie dieses Gespräch verlaufen würde, musste er mit einem Kampf rechnen. Erneut lachte der Samurai beinahe erheitert auf, als hätte Sanji etwas absolut Lächerliches gesagt. „Denkst du, dass ich das will, Smutje von der Strohhutbande?“ Falkenauge klang, als wäre er ein Raubtier, welches mit seiner gefangenen Beute spielte. „Oder ist es das, was du willst, das ich will?“ Sanjis Blut gefror und gleichzeitig wurde ihm unsagbar heiß vor Zorn. „Was soll der Scheiß?!“, fauchte er den anderen an. „Bist du wahnsinnig, oder was? Erst laberst du davon, dass du nach dem Blut vom Marimo gierst und nun wirfst du mir vor mein eigenes Crewmitglied verraten zu wollen?! Sag mal, hast du sie noch alle?! Suchst du Streit?!“ Der Ältere schien ihn gar nicht ernst zu nehmen, schmunzelnd faltete er seine Zeitung. „Oh bitte, ich hege keinerlei Interesse an jemandem wie dir. Meinetwegen könntest du tot umfallen, aber du wärest mir weder die Mühe noch die Zeit wert. Deshalb erscheint es mir nur umso unbegreiflicher, warum Lorenor jemanden wie dich bereitwillig beschützt hat.“ Für einen Moment hatte Sanji keine Ahnung, was der andere meinte, doch dann machte es leise klick. „Du weißt, was auf der G6 passiert ist?“, fragte er und ignorierte für den Augenblick die Beleidigungen des anderen, während vor seinem inneren Auge heiße Flammen aufloderten. „Gewiss“, entgegnete Falkenauge, immer noch so hässlich breit am Grinsen, „schließlich hat Lorenor mir selbst erzählt, was auf den Senichi-Inseln vorgefallen ist.“ Lügner! Zorro sprach nie über irgendetwas, er würde nicht ausgerechnet seinem Feind Dinge erzählen, die nur die Crew angingen, erst recht nicht Dinge, die er noch nicht mal innerhalb der Crew erzählen würde. „Und selbstredend auch, was danach passiert ist.“ Er konnte sehen, wie diese stechenden Augen aufblitzten, der andere spielte mit ihm. „Lügner“, widersprach Sanji gezwungen ruhig, „Zorro hat dir nichts - rein gar nichts - gesagt. Du willst mich nur provozieren.“ „Tze, und warum sollte ich meine Zeit mit dir verschwenden? Ich sage die Wahrheit; ob du mir glaubst oder nicht, liegt nicht in meiner Hand und auch nicht in meinem Interessenbereich.“ „Dann beweise es!“ Sanji trat auf den anderen zu, welcher, obwohl er im Bett saß und Sanji stand, auf ihn herabzuschauen schien. „Und wie soll ich das bitte tun? Indem ich weitergebe, was Lorenor mir im Vertrauen offenbart hat? Sicher nicht. Aber du kannst natürlich ihn fragen, warum er einem Außenstehenden anvertraut, wovon sonst nur die Crew wissen sollte.“ Er konnte regelrecht hören, wie die Falle zuschnappte. „Oder kann es etwa sein, dass du gar nicht weißt, was geschehen ist? Könnte es sein, dass Lorenor seinem eigenen Crewmitglied noch nicht mal genug vertraut, um dir zu sagen, wie er überlebt hat?“ Sanji hatte das Gefühl, dass ihm die Luft zum Atmen abgeschnürt wurde. Gleichzeitig sah der Samurai so aus, als hätte er absolute Kontrolle über diesen Wortwechsel und wäre nur zu erfreut über das, was er hörte. Doch Sanji verstand nicht, warum der Samurai überhaupt diese Fragen stellte. Was nützen ihm solche Informationen, wenn er die Crew angreifen wollte? Warum zettelte er einen Streit an oder schmiedete gar crewinterne Konflikte, wenn er mit seiner Stärke allein sie vermutlich alle problemlos besiegen konnte, so wie es Bartholomäus Bär damals beinahe getan hatte? Aber das war egal! Sanji durfte sich nicht von ihm einlullen lassen. Er musste die Wahrheit herausfinden, ganz egal wie, und wenn dieser Mann sie wusste, dann würde Sanji ihn nun zum Reden bringen, ganz gleich, was Falkenauge mit dieser Falle bezwecken wollte, ganz gleich, was er ihm noch an den Kopf werfen würde. „Du weißt, wie Zorro überlebt hat? Sag es mir!“ Schallend lachte der Samurai auf, woraufhin seine angekratzte Stimme einen Ton abwürgte, doch dann sah er Sanji an und jedes Grinsen, jedes Schmunzeln oder auch nur Griemeln war verschwunden und plötzlich verstand Sanji die Redewendung über Blicke, die töten konnten. „Du bist ein anmaßendes, einfältiges Balg, dass du glaubst mir etwas befehlen zu können. Du wärest nicht mal in der Lage Lorenor zuzuhören, selbst wenn er dir die Wahrheit sagen würde, so wenig wie du in der Lage warst und immer noch bist ihn beschützen zu können, und du willst die Wahrheit wissen? Wofür? Welchen Sinn hätte es, wenn du wüsstest, was geschehen ist? Welches Anrecht hast du zu erfahren, was er erlebt hat? Du hast Lorenor zum Sterben auf diesem brennenden Turm zurückgelassen und was willst du jetzt? Die Wahrheit? Eine zweite Chance sein Vertrauen erneut zu missbrauchen? Eine zweite Chance nochmal zu versagen?“ Sanji stolperte mehrere Schritte zurück, als Falkenauge die Decke zur Seite warf und sich erhob. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie groß der andere war und seine bleiche Haut ließ seine Augen noch deutlicher hervorstechen. „Du verdienst die Wahrheit über Lorenor nicht, du unverschämtes Gör. Du hast vor zwei Jahren versagt und Lorenor musste für deine Schwäche büßen, und jetzt stehst du vor mir und verlangst von einem Fremden die Wahrheit über die Vergangenheit, als hättest du auch nur irgendetwas getan, um sie zu verhindern. Während Lorenor die letzten zwei Jahre das Unmenschliche möglich gemacht hat, um für diese Crew von Nutzen zu sein, hast du dich kaum verbessert, obwohl du doch genau weißt, dass deine Unzulänglichkeit schuld an Lorenors Leid war!“ Der Samurai trat einen Schritt nach vorne. „Mit welchem Gedanken hast du dieses Zimmer hier betreten? Hast du gedacht, ich wäre der Feind und du müsstest deine Crew und Lorenor vor mir beschützen?“ Wie ein Peitschenhieb schnalzte der andere mit seiner Zunge. „Tze, wie stumpfsinnig engstirnig. Wie soll jemand wie du Lorenor beschützen können? Du wirst nie auch nur im Ansatz mit ihm mithalten können, solange du nicht bereit bist deine eigenen Grenzen hinter dir zu lassen! Du hattest zwei Jahre Zeit, um Lorenors Opfer gebührend wertzuschätzen, aber das hast du nicht, immer noch nicht mehr als ein einfacher Mensch. Es ist eine Schande, dass er immer noch gewillt ist, für jemanden wie dich zu sterben, während du für ihn nicht einen Schritt mehr gehen würdest als unbedingt nötig.“ Es war kalt, als hätten die Worte des anderen jede Wärme aus dem Raum ausgesaugt, jede Farbe verblassen lassen. Sanji wusste nicht, welche Strategie Falkenauge verfolgte, welche Informationen er Sanji mit diesen Vorwürfen entlocken wollte, aber wenn er ganz ehrlich war, scherte ihn das gerade überhaupt nicht. Er traf eine Entscheidung, er traf eine Entscheidung, die er schon vor zwei Jahren hätte treffen sollen, auch wenn er die Konsequenzen absolut nicht mochte. Leise schnaubte er auf und nahm einen Zug seiner Zigarette. Überraschenderweise waren seine Hände ganz ruhig. „Oh man“, murrte er und genoss, wie der Qualm durch seine Lunge heizte und ihn von innen wärmte, „du hörst dich wirklich gerne selbst reden, nicht wahr, Falkenauge? Studierst du diese Monologe vorher ein oder ist das alles Improvisation?“ Sanji konnte sich nicht erinnern, je einem solchen Blick standgehalten zu haben. Alles in ihm schrie die Augen abzuwenden, während der Samurai schwieg. „Du bist ziemlich von dir eingenommen, weißt du das? Tust so, als wärest du der Einzige, der den Marimo kennt, nur weil er dir ein paar Dinge gesagt hat. Aber lass mich eins klar stellen: egal was der Mooskopf erzählt oder nicht, wir sind seine Crew und du bist nur irgendein Typ, den er eines Tages besiegen wird, also komm von deinem hohen Ross herunter. Du bist weder in der Position über diese Crew zu urteilen noch für Zorro zu sprechen. Am Ende des Tages bist du nur ein selbstgefälliger Schwätzer, bei dem Zorro für zwei Jahre trainiert hat, um stark genug zu werden um zu uns – seinen Freunden – zurückzukehren.“ Er konnte sehen, wie sich der Brustkorb des anderen deutlich hob und senkte, aber Sanji würde sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Er hatte sich entschieden. „Du meinst ich sei anmaßend, weil ich für Zorro nur Ballast sei? Mag sein, dann ist das halt so, dann sieht er mich halt nur als unnötigen Ballast an, aber weißt du was? Trotz allem ist er zurückgekommen, um diesen Ballast weiterhin zu tragen. Du dagegen warst nur seine Notlösung, um sein Ziel zu erreichen, nicht mehr als ein Mittel zum Zweck.“ Sanji trat seine Zigarette aus und stellte das Tablett neben sich im Schrank ab. „Allerdings hast du Recht, dass ich mich zu lange auf dem Wissen ausgeruht habe, dass Zorro immer bereit ist, diesen einen Schritt mehr zu gehen, sodass ich es nie tun brauchte.“ Sanji spannte seine Beinmuskeln an, wissend, dass er diesen Kampf verlieren würde, aber vielleicht würde sein Opfer dann den anderen zeigen, was für ein falsches Spiel Falkenauge mit ihnen trieb. Vielleicht konnte Sanji so auch endlich mal Zorro beschützen. „Aber diese Zeit ist nun vorbei!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)