Ein letztes Geheimnis von Sharry ================================================================================ Kapitel 5: Kapitel 5 - Schuld ----------------------------- Kapitel 5 – Schuld   -Zorro- Er betrachtete die brennende Insel nicht weit entfernt von der Thousand Sunny. Eine leise Stimme in seinem Hinterkopf versuchte ihn daran zu erinnern, wie er solche Flammen schon mal erlebt hatte, wie sie sich auf seiner Haut, in seinem Rachen angefühlt hatten, aber er ignorierte sie getrost. Es wäre wohl verständlich, wenn der Anblick der Insel ihn in Panik versetzen würde, ihn kurzatmig lassen werden würde, aber das tat es nicht. Zorro sah diese Insel an, bewusst was damals geschehen war, und fragte sich welches neue Abenteuer auf sie wartete. Immer noch strahlten diese Flammen eine seltsame Faszination auf ihn aus; er wusste genau, wie sie sich anfühlten, kannte ihre Hitze nur zu gut, aber ängstigen taten sie ihn nicht. Während seiner Zeit auf Kuraigana hatte Zorro sich immer wieder vorm Kaminfeuer gefunden und während des ultimativen Trainings des Samurais hatte er sich auch wilden Flammen stellen müssen und jede Form von Angst, die vielleicht noch bestanden hatte, hatte er überwinden müssen. Also stand er hier, während seine Crewmitglieder berieten, ob sie nun an Land gehen sollten oder nicht, und fühlte sich ungewohnt abwesend. Es war schon irgendwie seltsam, dass die erste Insel auf dieser Seite der Red Line, die er mit seinen Crewmitgliedern betreten sollte, genauso in Flammen stand, wie die letzte Insel auf der anderen Seite der Red Line, auf der er von den anderen getrennt worden war. Wenn er ein Mensch wäre, der an das Schicksal glauben würde, wäre dieser Anblick für ihn wohl wie eine Mahnung, aber wenn er ganz ehrlich war, so fragte er sich nur, ob sein Glück heute wieder auf die Probe gestellt werden würde. Irgendwer von den anderen hatte entschieden, dass sie Lose ziehen würden, um zu entscheiden, wer Ruffy auf das brennende Land begleiten würde und als er sein eigenes Los betrachtete, schmunzelte Zorro. Er konnte es kaum erwarten sein Glück herauszufordern. Vielleicht war diese Insel seine Möglichkeit, seine Chance. Nach der enttäuschenden Schlacht auf der Fischmenscheninsel wäre es vielleicht wieder eine brennende Insel, auf der er seine Fehler von damals würde gutmachen können, indem er dieses Mal auf seinen Kapitän aber auch auf sich selbst aufpassen würde. Vielleicht hatte er auch das Glück endlich ein Kampf führen zu können, der ihn nicht langweilen würde. Der nervige Samurai würde es wohl Schicksal nennen, aber Zorro nannte es einfach nur Glück. Gleichzeitig war er sich sehr deutlich jenes nervigen Blicks bewusst, den er schon seit Stunden versuchte zu ignorieren, während Robin ebenfalls mit einem leisen Lächeln ihr Los zeigte und Lysop neben ihr eine Herzattacke zu haben schien. Das seltsame Naturphänomen, welches sie von ihrem Kurs abgebracht und hierher verschleppt hatte, hatte den anderen nur für wenige Minuten abgelenkt, aber jetzt konnte Zorro dieses Starren wieder auf sich spüren. Augenrollend entschied er wieder einmal den Koch zu ignorieren. Er hatte keine Lust sich mit der nervigen Küchenschabe auseinanderzusetzen. Sollte der andere ihn doch weiterhin böse anglotzen und leise schnauben, solange er seinen Mund nicht aufmachte und sagte, was für ein Problem er mit Zorro hatte, würde Zorro ihn ignorieren. Es war nicht seine Aufgabe sich um die Probleme des Kochs zu kümmern und wenn dieser glaubte, dass Zorro sich von so einem Gehabe beeindrucken ließ, dann irrte er sich aber gewaltig. Nicht umsonst hatte Zorro zwei Jahre unter dem harten Blick Falkenauges gelebt, im Vergleich zu diesen Augen interessierte ihn das Starren des Kochs nicht mehr als der Blick einer vorbeifliegenden Möwe. Zorro hatte nicht vor dem anderen bei was auch immer sein Problem war zu helfen. Dafür fehlte ihm sowohl die Geduld als auch das Interesse, also entschied er, dass die brennende Insel eine schöne Abwechslung sein würde, bei der er zumindest für kurze Zeit sich nicht um den Koch scheren musste. Aber als er dann endlich die Sunny verließ, konnte er diesen Blick immer noch auf sich spüren und diese leise Stimme, die ihn bereits vorher genervt hatte, war zurück und fragte ihn wie lange er wohl seine Crew – seine Freunde – weiterhin belügen konnte und ob er es nicht nur schlimmer machte. Vielleicht wusste der Koch ja etwas, vielleicht starrte er ihn deshalb die ganze Zeit so an, versuchte das Bild der liebreizenden Lady Loreen mit dem Piratenjäger Lorenor Zorro in Einklang zu bringen. Eine Sekunde lief es ihm kalt über den Rücken, als die erste Hitzewelle der Flammen vor ihnen ihn erreichte. Anders als Brook, da war er sich sicher, würde der Koch sich nicht zurückhalten, sollte er einen Beweis für seine Vermutungen finden, und anders als Brook, würde der Koch nicht zögern die anderen einzuweihen, oder? Zorro wusste es nicht. Damals, nach Thriller Bark hatte Sanji nichts gesagt, hatte nicht erwähnt, dass Zorro so beschämend schwach gewesen war, dass er Ruffy nur dadurch hatte retten können, dass er sein Leben für ihn dargeboten hatte. Damals hatte Sanji geschwiegen, es noch nicht mal ihm gegenüber zur Sprache gebracht. Plötzlich erinnerte Zorro sich wieder. Auch damals schon hatte der Koch ihn so komisch beäugt. Es war ihm nicht wirklich aufgefallen, da er damals mit ganz anderen Problemen zu kämpfen gehabt hatte, aber jetzt erinnerte er sich wieder daran. Als er aufgewacht war, als er die Verbände abgerissen und zu trainieren angefangen hatte, aber auch in ihrer gemeinsamen Zelle, auf ihrer Flucht, selbst auf dem brennenden Turm, immer hatte Sanji ihn angestarrt, manchmal unauffällig, manchmal unverhohlen. Schulterzuckend tat Zorro es seinem Kapitän gleich und zog seinen Proviant hervor, ignorierte die ungesagte Mahnung darüber, wie unklug es wäre bereits jetzt zu essen. Es war unsinnig sich über den Koch den Kopf zu zerbrechen. Wer wusste schon was die Kringelbraue dachte, und was auch immer sein Problem war, solange er es nicht ansprach, sah Zorro gar nicht ein sich damit beschäftigen zu müssen. Also ignorierte er Lysops Gejammer und sah der brennenden Insel entgegen. Ja, er hatte ein gutes Gefühl, auf dieser Insel würde er sich selbst beweisen können, dass er nicht mehr der Mann von vor zwei Jahren war. Sein Blick fiel auf Ruffy, der vergnügt seine Verpflegung verputzte, und so unbeschwert wie eh und je wirkte. Ja, heute war der Tag, an dem Zorro wieder die Rolle übernehmen würde, die er damals dem Koch übertragen hatte, weil er gedacht hatte, dass er selbst nicht mehr in der Lage dazu sein würde. Damals hatte er versagt, hatte nach Thriller Back und den Senichi Inseln endgültig auf der G6 versagt, aber nun würde er diese Schande begleichen und vielleicht, nur vielleicht, würde er dabei auch noch die Chance auf einen interessanten Kampf bekommen.   -Sanji- Ungeduldig kaute er auf dem Filter seiner Zigarette herum. Die brennende Insel nur wenige Meter vor ihnen machte ihn unruhig, erfüllte ihn mit Bildern der Vergangenheit. Gerade in diesem Moment verabscheute er den Geruch der Flammen, verabscheute das Flackern ihres Lichtes und wie sie den Himmel verfärbten und am Meer leckten. Die schreiende Stimme über die Teleschnecke hallte in seinem Kopf nach, begleitet von den anderen sterbenden Stimmen, die ihn fast jede Nacht heimsuchten und wann immer er die Augen schloss, sah er diese verdammten sanften Augen, das kaum wahrnehmbare Lächeln vor sich. Lebe, Sanji! Er zerdrückte den Zigarettenstummel an seinem Schuhabsatz und rieb über seine Unterschenkel, spürte die vielen kleinen Narben von damals unter seinen Fingerspitzen, die selbst jetzt noch bei hellem Licht sichtbar waren. Dann ergriff er sein Feuerzeug und zündete sich eine weitere Zigarette an. Erst vor wenigen Minuten hatten sie Lose gezogen und er wusste nicht was ihn mehr überrascht hatte, die unglaubliche Erleichterung, dass er nicht hatte mitgehen müssen, oder die noch größere Panik, dass Zorro musste und sich augenscheinlich auch noch darauf gefreut hatte. Nun stand Sanji an der Reling und starrte dem winzigen Boot hinterher, welches zwischen dem brennenden Eiland bereits nicht mehr auszumachen war. Zorro schien ein besserer Schauspieler zu sein als Sanji ihm zugestanden hatte. Während sie der Insel immer näher gekommen waren, hatte der andere sich sichtlich unbeeindruckt gegeben, als würde dieses Bild am Horizont ihn nicht an jene furchtbare Nacht von vor zwei Jahren erinnern, als würden die Flammen ihn nicht jede Nacht in seinen Träumen heimsuchen. Sanji fühlte sich schuldig. Als er sein Los gesehen hatte war ihm ein viel zu schwerer Stein vom Herzen gefallen. Natürlich wäre er gegangen, wenn das Los so entschieden hätte, und natürlich hatte er sich in den letzten zwei Jahren wieder mit dem Feuer angefreundet – als Koch war ihm gar nichts anderes übrig geblieben – aber als er diese brennende Insel gesehen hatte, die mit den um Hilfe schreienden Menschen ihn so sehr an die Marinebasis G6 erinnert hatte, da war er einfach nur dankbar gewesen, dass er nicht in diese Hölle zurückkehren musste. So dankbar, dass er für eine Sekunde nicht an den Schwertkämpfer gedacht hatte. Als Sanji aufgeblickt und den roten Papierfetzen in Zorros Hand gesehen hatte, war sein Herz dann beinahe stehen geblieben. Er hatte sich so egoistisch über sein eigenes Los gefreut, dass er noch nicht mal auf die eine Person geachtet hatte, die wohl am wenigsten an Land gehen wollte, abgesehen von Lysop natürlich. Wie zu erwarten gewesen, hatte Zorro sich nichts anmerken lassen, hatte wie so oft leise geschmunzelt und seine lockeren Sprüche gerissen, ehe er Ruffy gefolgt war, loyal wie er nun mal war. Aber Sanji war sich sicher, dass dieses lockere Gehabe nur ein überraschend gutes Schauspiel war. So beschränkt und einfältig der andere war, selbst die Moosbirne würde eine brennende Insel nicht ansehen können, ohne sich an damals erinnern zu müssen. Nein, er wollte gar nicht wissen, was der andere gerade durchmachen musste. Sanji hatte sogar überlegt mit ihm zu tauschen, aber er hatte gewusst, dass Zorro für so etwas zu stolz sein würde. Egal was Sanji gesagt hätte, Zorro wäre zu stur gewesen, um diese Chance zu ergreifen, und natürlich wollte Sanji ihn nicht bloßstellen. Also hatte er zugesehen, wie Zorro von Bord gegangen war, ohne etwas zu unternehmen, und er schämte sich. Er schämte sich dafür, dass er nicht das tat, was Zorro ihm damals aufgetragen hatte. Er schämte sich dafür, dass er es wieder mal Zorro überließ die anderen zu beschützen, wohl wissentlich was es für eine Qual für Zorro sein musste diesen Flammen nahe kommen zu müssen. Und er schämte sich dafür, dass trotz allem, dass er trotz allem gerade einfach nur erleichtert war, dass er nicht derjenige war, der mit Ruffy hatte mitgehen müssen. „Verdammt!“ Leicht schlug er gegen den eigenen Oberschenkel und wandte sich ab, konnte diesen Flammen nicht mehr länger zusehen. Er hatte gedacht, er hätte sich mit diesem Element wieder angefreundet, gerade als Koch war er eigentlich sehr vertraut mit der Hitze des Feuers und in den letzten zwei Jahren hatte es ihn eigentlich nie gestört. Aber hier und jetzt, mit dieser Kulisse in seinem Rücken, die ihn so sehr an damals erinnerte, schienen ihn die Bilder, die Geräusche, die Gerüche wieder einzuholen. Er glaubte verbrennendes Fleisch riechen zu können, glaubte immer noch den schreienden Mann über die Teleschnecke hören zu können, konnte selbst jetzt mit geschlossenen Augen die tanzenden Flammen vor sich sehen, und seine Unterschenkel begannen nervenaufreibend zu jucken. Er nahm einen weiteren tiefen Zug seiner Zigarette, aber das Nikotin brachte nur wenig. Natürlich wusste er, dass er sich keine Sorgen um die anderen machen brauchte. Sie alle waren in den vergangenen zwei Jahren so viel stärker geworden und dennoch… Feuer war kein Element, welches man mit bloßer Muskelkraft besiegen konnte. Er zweifelte nicht daran, dass sie alle in den letzten zwei Jahren stärker geworden waren. Er zweifelte nicht daran, dass Zorro in den letzten zwei Jahren stärker geworden war. Aber ganz gleich wie stark der andere nun sein mochte, eine brennende Insel war kein Gegner mit einem Schwert, ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Gerade in diesem Moment befand der andere sich im Schlund einer einzigen Naturgewalt, dieser ganz alleine ausgesetzt und… Sanji unterbrach seinen Gedankengang als er realisierte, dass seine ganze Sorge gerade dem verfluchten Marimo galt, nicht Ruffy, seinem Kapitän, nicht Lysop, seinem Freund, noch nicht einmal Robin, dem Traum seiner schlaflosen Nächte. Bis gerade hatte er kaum einen Gedanken an die anderen verschwendet. Überrascht starrte er die Zigarette in seiner Hand an. Er hatte kaum mitbekommen wie Robin und Lysop wohl auf ihr Los reagiert hatten, so beschäftigt war er mit seiner eigenen Erleichterung und seiner Sorge um den Schwertkämpfer gewesen. Warum sorgte er sich überhaupt um den verdammten Säbelrassler? Früher hätte er das nie getan. Früher hatte Sanji nie angezweifelt, dass Zorro selbst die gefährlichste Situation mehr oder minder unverletzt – naja, meistens lief der Kerl so blutig rum, als ob er es zu verschenken hätte – überstehen würde. Selbst jetzt war er wieder da, obwohl er doch eindeutig vor Sanjis eigenen Augen gefallen war. Warum also konnte er nicht einfach blauäugig wie die anderen akzeptieren, dass nichts so schnell den Säbelrassler umbringen würde und zu seinen Alltagssorgen zurückkehren? Warum also stand Sanji jetzt hier, dieser brennenden Insel den Rücken zugekehrt, und konnte nicht aufhören zu zittern, weil er sich so sehr… nein, weil er wirklich Angst um den anderen hatte? „Es ergibt keinen Sinn.“ Überrascht sah er auf. Nur wenige Meter neben ihm stand Nami, rieb sich die Unterarme als hätte sie kalt, während sie die brennende Insel ansah. Die Flammen spiegelten sich in ihren Augen und für einen Moment hätte Sanji fast geglaubt ungeweinte Tränen zu sehen. „Es ergibt einfach keinen Sinn.“ „Nami?“ Nun sah sie zu ihm hinüber und es war offensichtlich, dass sie ebenfalls nicht bemerkt hatte, dass er da schon seit einer Weile stand. „Wovon redest du?“ Eine Sekunde wurden ihre Augen groß, dann schüttelte sie den Kopf und winkte unwirsch ab, ehe sie sich ebenfalls von der Insel abwandte und sich gegen die Reling lehnte. Tief atmete sie ein, zeigte deutlich wie unzufrieden sie mit der Situation war, doch dann sah sie Sanji an und seufzte leise. „Von Zorro natürlich, wovon sonst?“ Augenblicklich musste Sanji zurück an jenen Tag zurückdenken, als sie von der Aufhebung von Zorros Kopfgeld erfahren hatten. An jenem Tag war es Nami gewesen, die ihn und Robin zur Vernunft gebracht hatte, als sie beide sich eingeredet hatten, dass diese Aufhebung zwielichtige Hintergründe gehabt hätte, die für sie nur Sinn ergeben hätte, wenn Zorro überlebt hätte. Damals hatte Sanji sich im Nachhinein für seine Hirngespinste geschämt und selbst jetzt musste er sich eingestehen, dass Namis Worte damals sehr viel wahrscheinlicher gewesen waren als seine Wahnvorstellungen. „Du also auch?“, bemerkte er nur und seufzte ebenfalls. „Ich dachte ich wäre der Einzige, der den eigenen Verstand anzweifelt. Aber du hast auch das Gefühl, dass irgendetwas komisch ist, oder?“ Leise schnaubte sie auf. „Du meinst abgesehen davon, dass der Kerl, den ich vor zwei Jahren habe sterben sehen, wiederauferstanden ist und so tut als wäre nichts passiert?“ Sanji nickte nur und sah sie ernst an. Sie traf den Nagel auf den Kopf. „Dir hat er also auch nichts gesagt?“ „Ach, Sanji, als ob er mir etwas sagen würde. Ich glaube ihm wäre am liebsten wir alle würden das ganz schnell vergessen und so tun als wäre die G6 nie geschehen.“ Nun war es Sanji, der sich umwandte, um die brennende Insel wieder anzusehen. Als ob er die G6 und alles was damals vorgefallen war je vergessen könnte. Lebe, Sanji! Als ob er jene Worte je vergessen könnte. „Du meinst so wie die anderen?“ Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie sie nickte. „Glaubst du wirklich, dass die anderen Zorros Rückkehr so einfach mit einem Schulterzucken hinnehmen und nichts hinterfragen? Selbst sie können nicht so naiv sein und so tun als wäre die Vergangenheit nie passiert.“ Er spürte, dass sie ihn ansah. „Ich glaube, dass wir alle damals unglaublich gelitten haben, Sanji, ich glaube keiner von uns kann jene Bilder je wirklich vergessen. Aber…“ Sie holte tief Luft. „Mit der Zeit werden die Erinnerungen schwächer, verändern sich. Ich erinnere mich noch genau daran, wie er damals die Tür von unserer Zelle aus den Angeln gerissen hat, aber ich frage mich die ganze Zeit, ob ich mir seine schmerzverzerrte Miene, den Schweiß auf seiner Stirn, die Art wie er seine Seite die ganze Zeit hielt, ob das wirklich so geschehen ist oder ob ich mir eingeredet habe, dass er bereits vom Kampf gegen die Marine so schwer verwundet gewesen war, dass er den Ausbruch so oder so nicht überlebt hätte. Vielleicht war er wirklich so schwer verletzt, vielleicht habe ich mir das aber auch nur die vergangenen zwei Jahre eingeredet, damit die Last etwas leichter wurde, die Schuld etwas weniger schwer wog.“ Sanji schüttelte den Kopf. Nein, er wusste ganz genau, was er damals gesehen hatte. Ja, natürlich war ihm bewusst, dass Erinnerungen sich mit der Zeit veränderten, dass man anfing sich selbst einzureden was man zu sehen geglaubt hatte, aber das stimmte bei ihm nicht. Er hatte die Wunde gesehen - sie sich nicht schlimm geredet! - hatte gesehen wie Zorro ihn angelächelt hatte, ihm aufgetragen hatte, von nun an die Crew zu beschützen aber unter dieser Last nicht selbst zum Monster zu mutieren. Lebe, Sanji! Nein, diese Worte hatte er sich gewiss nicht eingeredet. All das war genauso geschehen, wie er es in Erinnerung hatte, oder? „Ich denke den anderen geht es ähnlich. Natürlich haben wir alle gesehen, wie der Turm damals zerfallen ist, aber es ergibt halt einfach keinen Sinn, wenn man es logisch betrachtet. Zorro ist hier, ihm geht es gut, ergo kann er damals nicht gestorben sein. Ergo hatte Ruffy von Anfang an Recht gehabt, ergo hatten Lady Loreen und Falkenauge die Wahrheit gesagt, ergo müssen die eigenen Erinnerungen, die mir sagen, dass Zorro damals auf jeden Fall gestorben sein muss, falsch sein. Nur so kann es Sinn ergeben, nur so kann diese ganze beschissene Sache auch nur irgendwie halbwegs Sinn ergeben.“ Er sah das alles allerdings ganz anders. Ja, er hatte seine Zweifel, ja, vielleicht hatte er sich das ein oder andere eingeredet, hatte das ein oder andere nicht mehr so in Erinnerung, wie es tatsächlich geschehen war, aber er war sich sicher, dass nicht seine Erinnerungen an damals die Ungereimtheit in Zorros mystischem Überleben waren. Lebe, Sanji! Nein, er war sich ganz sicher, dass seine Erinnerungen nicht das Problem waren. „Das würde ich zumindest gerne sagen“, sprach Nami mit einem Seufzen weiter und wandte sich ebenfalls wieder der Insel zu. „Die Wahrheit ist aber, dass ich nicht so einfach wie die anderen akzeptieren kann, dass meine Erinnerungen falsch sein sollen.“ Sie starrte ihre zur Faust geballte Hand an, ehe sie wieder zu den Flammen aufsah. „Nein, ich weiß genau, was ich damals gesehen habe. Ich weiß, dass ich mich damals gewundert habe, wie beschissen er aussah und dass er vermutlich schwer verletzt sein musste, weil dieser Vollidiot nie unverletzt aus einem Kampf herauskommt. Ich weiß, dass ich mich damals kaum getraut habe ihm zu widersprechen, weil ich mir so Sorgen um ihn gemacht habe. Ich weiß noch genau wie das Tor hinter Lysop zugefallen ist und ich nur so dachte jetzt gleich sind sie tot.“ Zitternd schüttelte sie den Kopf und holte tief Luft. „Ich erinnere mich genau an die Explosion, Ruffys bewusstloses Gesicht, an die Schreie – manchmal höre ich sie immer noch – und an euch auf dem Turm. Ich weiß noch genau wie du ins Wasser gefallen bist und wie der Turm Feuer gefangen hat. Ich weiß noch genau wie er da stand und dann…“ Beinahe fassungslos sah er Nami an. Noch nie hatte er sie darüber reden gehört, zumindest nicht so. Damals vor zwei Jahren hatte Sanji nicht über das Geschehene reden wollen, hatte es kaum aushalten können, wenn Ruffy Zorro immer wieder zur Sprache gebracht hatte. Entschieden sah Nami ihn an und dieses Mal wusste er, dass sie mit den Tränen kämpfte. „Es mag einfacher sein, dennoch werde ich nicht wie die anderen so tun, als wäre die G6 nie geschehen, das kann ich nicht. Aber Zorro wird nicht darüber reden, nicht mit mir, nicht mit dir, weil er mit niemandem über seine Gefühle redet, weil es letzten Endes keinen einzigen Menschen gibt, mit dem Zorro offen über seine Gefühle redet, weil er ein verdammter Vollidiot ist. Ich wollte sogar sein Los austauschen, aber er hat zugegriffen, bevor ich bereit war, so ein verdammter Vollidiot.“ Er war also nicht der Einzige, der solche Gedanken hegte. „Aber das ist egal. Es ist egal, ob Zorro uns die Wahrheit verrät oder nicht. Es ist egal, was an dieser ganzen Geschichte nicht stimmt. Es ist egal wie er überlebt hat. Jetzt ist er wieder da und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass so etwas noch mal passiert, ganz gleich ob er will oder nicht. Ist mir egal, wie oft ich sein Los austauschen oder ihn anlügen muss. Ich werde nie wieder zulassen, dass wir ihn verlieren könnten, ganz gleich wie er zurückgekommen ist.“ „Nami?“ Zornige Tränen rannen ihr Gesicht hinunter und sie schüttelte nur den Kopf. „Ich wusste ja gar nicht, dass…“ „Was?“ Sie zuckte mit den Achseln und rieb sich ihre Tränen aus dem Gesicht. „Dass du nicht der Einzige bist, der sich die Schuld für damals gibt? Dass du nicht der Einzige bist, dem das eigene Versagen schlaflose Nächte bereitet?“ „Aber, Nami, du…“ „Ich bin die Navigatorin, Sanji. Es ist mein Job zu wissen. Es ist mein Job uns die beste Route auszusuchen und sicher zu gehen, dass wir nie den Kurs verlieren. Ich mag nicht wissen können was für Gefahren uns auf irgendeiner Insel erwarten können, aber… aber ich hätte wissen müssen, dass die Senichi-Inseln nicht unbewohnt waren. Ich hätte wissen müssen, dass eine Marinebasis direkt um die Ecke ist, ist ja nicht so, als ob das ein Geheimnis wäre.“ Erneut rieb sie ihre Tränen weg. „Ich habe damals entschieden, dass wir vor Anker gehen würden, weil ich dachte, dass eine Feier an Land schöner wäre. Robin hatte noch bemerkt, dass wir so nahe der Red Line mit mehr Marine rechnen müssten. Aber nach… nach Thriller Bark wollte ich einfach nur einen schönen Abend haben.“ „Das wollten wir doch alle, Nami. Du hättest nicht wissen können…“ „Ich wusste es!“ Sie schüttelte entschieden den Kopf und ihre Tränen versiegten. „Ich wusste, dass eine Basis ganz in der Nähe sein musste und wenn ich mir die Zeit genommen hätte nachzuschauen hätte ich auch gewusst, dass es die Senichi-Inseln waren. Aber ich habe meinen Job nicht richtig gemacht. Ich wollte einen ruhigen Abend ohne Verpflichtungen und Verantwortungen haben und daher habe ich entschieden, dass wir dort vor Anker gehen können, ohne vorher in meinen Notizen nachzuschauen. Ich habe die kleinste, trostloseste Insel ausgesucht und behauptet sie sei unbewohnt.“ Tief holte sie Luft und straffte die Schultern. Dann sah sie Sanji ganz unverhohlen an und für diese eine Sekunde vergaß Sanji zu atmen. „Es war meine Schuld, Sanji. Ich sage das nicht, um Mitgefühl oder Nachsicht zu erhalten. Ich brauche niemandem, der mir auf die Schulter klopft und sagt, dass ich es ja nur gut gemeint habe, dass so etwas jedem passieren kann. Ich brauche nicht, dass Zorro mir sagt, dass er mir nicht die Schuld gibt.“ Sie stieß sich von der Reling ab. „Es ist nun mal Fakt, dass ich in meiner Position als Navigatorin versagt habe und eins hat zum anderen geführt und am Ende haben wir Zorro verloren.“ Sie sah wieder ernst zu ihm herüber. „Also nein, ich zweifle nicht eine Sekunde daran, was damals passiert ist, weil kein Tag vergeht, an dem ich nicht darüber nachdenke, was ich damals hätte anders tun können. Aber die Vergangenheit kann ich nicht mehr ändern. Ich kann nicht ändern, was damals geschehen ist, und ich kann nicht ändern, dass Zorro jemand ist, der sich nur zu gerne in die Schusslinie wirft. Aber ich kann jetzt handeln und verhindern, dass Zorro sich für mich in die Schusslinie werfen muss. Ich mag zwar nicht so stark sein wie er oder du, aber ich kann meinen verdammten Job richtig machen und ihn nicht in Situationen bringen, in denen er sich für andere versucht zu opfern. Ich kann mich nicht wie ein Schild vor ihn stellen und ihn beschützen, so wie er das bei mir tun würde. Aber ich bin es leid immer die zu sein, die von anderen beschützt werden muss, also werde ich im Rahmen meiner Möglichkeiten alles tun, um ihn zu beschützen, im Zweifel durch Lug und Betrug, wenn die Wahrheit bei diesem Sturkopf nicht funktioniert.“ Ihre Direktheit und Offenheit ließen ihn sprachlos werden. Ihm war nie bewusst gewesen unter welcher Last auch Nami die letzten zwei Jahre gelitten haben musste. Sie hatte sich damals deutlich besser behauptet als er selbst. Sanji hatte nie bemerkt, dass hinter all der Trauer und der Verzweiflung auch so viel Schuld und Hilflosigkeit gelegen hatte. Namis Gefasstheit beeindruckte ihn. Anders als er, der nicht aufhören konnte über die Vergangenheit zu verzweifeln, hatte sie entschieden daraus Konsequenzen zu ziehen und anders als damals zu handeln. „Du bist wirklich stark“, gestand er leise ein, „ich könnte das so nicht. Ich will die Wahrheit wissen, ich will ihn zur Rede stellen und herausfinden was wirklich passiert ist, damit es für mich einfacher wird aber du…“ Kopfschüttelnd lächelte er. „Aber du hast einfach entschieden, ihm auf deine Art zu helfen. Du weißt was für ein Sturkopf er ist und dass er nie die Hilfe anderer annehmen würde, daher machst du es so, dass er es nicht merkt, wofür er dir wahrscheinlich auch nie dankend wird. Ich wüsste nicht, ob ich das könnte.“ Nun zeigte auch sie ein leises Lächeln und zuckte mit den Schultern. „Aber Sanji, es ist Zorro. Es ist ja nicht so als könnte man ihn mit ein paar netten Worten zum Reden bewegen. Selbst wenn ich ihn zur Rede stellen würde, es würde nichts bringen und meine Schuld würde ich so auch nicht begleichen können, also mach ich es auf meine Art und du solltest es auf deine tun. Was hast du sonst vor? Du kannst ihn ja nicht einfach darauf ansprechen und im Zweifel so lange provozieren, bis er es ausspuckt.“ Mit großen Augen sah er ihr nach als sie mit einem halben Grinsen abwinkte und Richtung Kombüse schritt. „So schnell werden sie nicht zurück sein, das heißt ich werde jetzt meinen Job machen und gucken, ob ich weitere Funksprüche abfangen kann. Versuche dir nicht den Kopf zu sehr zu zerbrechen, okay?“ Sanji nickte nur und dann fiel sein Blick wieder auf die brennende Insel. Nami hatte absolut Recht. Genau das würde er tun. Sobald Zorro zurück war, würde Sanji ihn einfach zur Rede stellen und herausfinden was vor zwei Jahren tatsächlich geschehen war und im Zweifel würde er die Wahrheit aus dem anderen herauskicken. Anders als Nami würde Sanji sich nicht mit der Unwissenheit zufrieden geben. Ganz gleich was sie alle getan haben mochten, Zorro war derjenige, der sie zwei lange Jahre in Unwissenheit gelassen hatte. Er schuldete ihnen zumindest eine Erklärung. Hosted by Animexx e.V. 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