On the Cusp von _Scatach_ (Teil Zwei der BtB-Serie) ================================================================================ Kapitel 13: I'm sorry --------------------- Diesmal weckte ihn die Kälte.    Eine Kühle, die schärfer schnitt als eine Rasierklinge und über seine Haut kribbelte.    Shikamarus Wimpern hoben sich flatternd und eiskalte Glieder spannten sich an, als er seinen Kopf in die kurvige Armlehne des Sofas presste und sich die Seite seines schmerzenden Schädels rieb.    Ein Rechteck grellen Lichtes zog seinen halb verschlossenen Blick durch den Raum.    Der Fernseher war an, aber Chōji hatte ihn auf stumm gestellt.    Der Akimichi saß auf dem Boden und mampfte irgendetwas, das nicht knusperte. Gegen das Licht anblinzelnd verschränkte Shikamaru die Arme und rollte sich etwas mehr auf die Seite.    „Hey.“, grüßte Chōji ihn, hielt den Blick aber weiter auf den Bildschirm gerichtet.    Shikamaru brummte; seine Stimme war viel zu heiser, um mehr als ein Grunzen zustande zu bekommen. Und außerdem hätte er dafür seinen Kopf heben müssen und er wusste, dass sein Nacken um nichts in der Welt bei einer solchen Bewegung kooperieren würde. Sein Hals war heftiger verspannt als sein Gesichtsausdruck, als er es versuchte.    Argh…   Während er seinen Kopf zurück gegen die Armlehne sinken ließ, wanderten seine schläfrigen Augen durch das Zimmer und registrierten etwas, das das letzte Mal, als er aufgewacht war, noch nicht da gewesen war. Fetzen aus flieder- und indigofarbenem Geschenkpapier lagen auf den Tatami Matten verstreut. Es sah aus, als hätte sich eine lilane Schlange auf dem Boden gehäutet.    Seine träge Musterung folgte der Spur bis zu einem riesigen Nest aus Laken.    Ino lag zusammengerollt auf einem Futon, den Chōji in die Mitte des Raumes gezerrt hatte und umklammerte ihren Bauch, als versuchte sie, ihr Inneres daran zu hindern, sich nach außen zu ergießen. Sie schlief.   „Warum?“, krächzte Shikamaru mit schwerer rauer Stimme.    „Huh?“   Shikamaru ließ eine Braue nach oben wandern und knetete seinen Arm. „Ino…“   „Sie hat ihre restlichen Geschenke ausgepackt, während du im Koma warst.“, antwortete Chōji, wandte den Blick aber nicht von dem dramatischen Moment ab, der sich gerade auf dem Bildschirm abspielte. „Dann ist sie weggepennt. Ihr habt mich beide hängen lassen. Oh und sie hat gesagt, dass du das eine Geschenk nicht aufmachen darfst, bevor sie wach ist.“   Shikamaru spähte zu dem eingewickelten Gegenstand auf dem Tisch; er hatte Größe und Form eines Schuhkartons. „Wieso?“   „Das Beste soll bis zum Schluss aufgehoben werden.“, erklärte Chōji und raschelte mit seiner Snackverpackung.    Shikamaru hingegen war sich ziemlich sicher, dass das letzte Geschenk, das er erhalten hatte, bereits das Beste gewesen war.    Und es war kein Gegenstand gewesen.   Während Magic 8 Bälle, Ananasse, Kissen und irgendein schräges Buch über Narkolepsie von nützlichen Ninja Werkzeugen und einem atemberaubenden Sonnenuntergangsgemälde von Sai ausgeglichen worden waren, war für den Schattenninja nichts Materielles der Höhepunkt des Tages gewesen. Es stimmte schon, er war nicht der Typ, der großspurige Aussagen darüber machte, wie glücklich er sich fühlte oder was für eine tolle Zeit er gerade hatte, aber es gab eine unverkennbare Möglichkeit, zu erkennen, wenn er es war.    Und zwar schloss er dann die Augen, wenn er lachte.    Und wenn er sie wieder öffnete, dann würden seine schokoladenfarbenen Seen immer noch lächeln.    Das war der Fingerzeig. Denn erzwungenes Lächeln und Lachen waren leicht zu erreichen, doch Shikamaru konnte nie diesen natürlichen Ausdruck erzwingen, der ihn überkam, wenn er wirklich glücklich war. Er bot ohnehin schon äußerst selten ein verwässertes Lächeln an. Schließlich war es viel zu anstrengend, eine vollständige Kaschierung des Mangels an ehrlichen Gefühlen zu erzwingen. Ein Grinsen genügte.   Sein Lachen war ein rarer Klang; aber ein vielsagender.   Und was ebenfalls vielsagend war, war seine Päsenz. Er war letzte Nacht präsent gewesen. Und das war höchstwahrscheinlich das beste Geschenk, das Chōji und Ino ihm gemacht hatten; sie hatten ihn aus seinem eigenen verdammten Kopf fern gehalten – und ihn dabei sogar dazu gebracht, zu lachen.    Seine Lider glitten etwas weiter auf und er spähte zwischen seinen Teammitgliedern hin und her.    Völlig egal, wie distanziert er sich in den letzten beiden Wochen verhalten hatte; er verlor den Kampf, sie weiterhin auf Armeslänge auf Abstand zu halten. Sie taten das, was Asuma unermüdlich versucht hatte.    Sie versuchten, ihn zu erreichen.    Und jedes Mal, wenn sie das taten, ließ es Shikamaru mit einem rostigen verknoteten Ball aus Schuldgefühlen zurück. Einer, der wie ein Metallschwamm kratzend in ihm herum rollte.    Es zerriss ihn an einem Ort, den er mit aller Mühe verheilen lassen wollte, ohne dass irgendjemand in die Wunde bohrte.    Er wollte nicht darüber sprechen.   Er wollte es vergessen.    Zwei Wochen waren vergangen, doch die Zeit hatte nichts in dieser Richtung angeboten. Und genauso wenig hatte er noch etwas übrig, das er im Gegenzug anbieten könnte. Nichts mehr übrig an einem Ort in ihm, der sich schlafen gelegt hatte und sich selbst distanzierte.    Ich will nicht geweckt werden…   Es war in der Sekunde passiert, als Nejis Finger vor zwei Wochen über seine Augen gegeistert waren, um sie zu schließen. Ein Teil von ihm war in einen komatösen Zustand abgedriftet, von dem er sich nicht frei rütteln konnte. Asuma, Chōji und Ino versuchten ununterbrochen, ihn daraus zu wecken. Doch er wollte nichts mehr, als diesen Teil seines Selbst in einen tiefen, unberührbaren Schlummer sinken zu lassen.    ‚Ich schaffe es nur auf diese Weise, das zu tun, Shikamaru…‘   Ich weiß…   Sich von dieser Erinnerung abwendend reckte Shikamaru mit einem Wimmern den Nacken nach hinten und spähte zu der Shojitür, die ein wenig aufgeschoben war. Jenseits der Veranda erblickte er Türme aus Grau; nicht ein einziger Streifen von Blau am Himmel. Das fahle Licht stahl der Welt jedwede Farbe und tauchte alles in äscherne Schattierungen.    Shikamaru presste die Lider aufeinander, bis bunte Flecken in seinem Sichtfeld wirbelten. „Wie spät ist es?“   „So gegen vier?“ Chōji stellte ab, was auch immer er gegessen hatte und sah endlich zu ihm hinüber. „Hast du einigermaßen schlafen können?“   Shikamaru war dankbar für die Kälte in der Luft, denn sie gestattete ihm, sein Erschauern als nichts weiter als ein Frösteln abzutun. „Jo.“   „Warum hast du überhaupt auf dem Sofa gepennt? Ino hatte recht, weißt du? Die Futons hier sind wirklich wie Wolken. Da hättest du besser geschlafen.“   Leicht zog Shikamaru das Kinn nach unten und grunzte erneut, ohne eine Antwort zu geben.    Zum ersten Mal seit zwei Jahren beunruhigte ihn der Gedanke an Schlaf; besonders, wenn es bedeutete, in etwas wie dem Albtraum von letzter Nacht eingeschlossen zu sein. Ein Gefangener zu sein, der in den Windungen des eigenen Verstandes in der Falle saß.    Es ist nicht real…   Ein lautes Klopfen an der Tür schreckte ihn auf.    Shikamarus Gedankengänge wurden abrupt unterbrochen und er hob den Kopf, um über Chōjis Scheitel hinweg in Richtung des Foyers zu spähen. Das Klopfen ertönte erneut; lauter. Ino rührte sich nicht und Chōji machte keinerlei Anstalten, sich aus seiner Position auf dem Boden zu erheben. Snackkrümel lagen wie ein Heiligenschein um ihn herum, als befände er sich gerade mitten in einem religiösen Ritual.    Was nur dich übrig lässt…   „Mann, das nervt…“, seufzte Shikamaru.    Der Akimichi grinste breit. „Deine Geburtstags-Sonderbehandlung hört heute auf. Jetzt ist Ino dran.“   Während er versuchte, die Knoten in seinen Gliedern zu lösen, krabbelte Shikamaru von der Couch und zerrte den roten Yukata, der ihm halb vom Körper hing, wieder an Ort und Stelle. Mit langen Schritten durchquerte er das Zimmer und streckte die Waden, als er das Foyer betrat und die Tür aufzog.    Blutunterlaufene Bronzeaugen sahen zu ihm herab.    Und für den kürzesten Augenblick versteifte sich Shikamaru gegen den Türrahmen und sein Atem geriet in seiner Kehle heftig ins Stocken. Im selben Moment stellte er sich vor, wie das Rot in diesen Augen die warmen Iriden vollständig verdunkelte.    „Okay, ich weiß, dass ich aussehe, wie aufgewärmte Scheiße“, grummelte Asuma mit einer Zigarette zwischen den Lippen, „aber du kannst jetzt aufhören, mich anzustarren, als wäre ich etwas Ansteckendes.“   Shikamaru stierte ihn ausdruckslos an und brachte sein Hirn und seinen Mund irgendwie dazu, etwas zu antworten. „Du bist früh dran…“   „Jo, ich dachte mir, dass wenn ich die Zeit schon nicht anhalten kann, dann schlage ich sie zumindest, bevor ich im Shogi verliere.“   ‚Man kann die Zeit nicht anhalten.‘   Shikamaru blinzelte hart; aufgeschreckt von dem Echo dieses Traumes. Des Traumes von roten Wolken, die um seinen karmesinäugigen Sensei herum schwappten wie blutgetränkter Nebel. Ausdruckslos starrte er vor sich hin, als Asuma ihm ein Shogi Spielbrett gegen die Brust schob und mit dem Beutel rasselte, in dem sich die Spielsteine befanden.    „Du solltest hierfür lieber wach sein, denn ich habe mich extra deswegen von Schmerzmitteln und einem ausgiebigen Nickerchen weggezerrt.“ Asuma legte den Kopf auf die Seite und sein schiefes Grinsen schwenkte die Zigarette nach oben. „Mit von der Partie?“   Shikamaru hob eine Braue und brachte ein leichtes Schmunzeln zustande, das den erschreckten Ausdruck aus seinen Augen verjagte. „Immer.“   ~❃~   Chakra flammte in dem kalten steinernen Bauch des Hyūga Areals auf wie ein Blitz und zweifache Schreie wurden von den hohen Mauern zurückgeworfen.    „KAITEN!“   Zwei glühende Risse spalteten die feuchte Luft auf dem Innenhof und explodierten nach außen, bis sich der Helix aus Energie zu zwei Kuppeln aus blauweißem Chakra formte.    Beide waren stabil, beide waren stark.    Hinatas war stabiler.    Aber Hanabis war stärker.    Neji blinzelte und sein Byakugan zog sich gegen das Flimmern und die Spirale der Energie zusammen, als er zusah, wie sie sich ausbreitete und sich wie ein dichtes leuchtendes Miasma um die beiden kämpfenden Geschwister legte, während sie sich näher kamen…und noch näher…   Ihre Kaiten Schilde krachten aufeinander.    Nasser Sand wurde wie ein illuminierter Kranz durch die Luft und in die Drehung von zwei Sphären katapultiert, die gegeneinander arbeiteten. Gefährliche, riesige Zahnräder, die sich unnachgiebig in entgegengesetzte Richtungen bewegten. Chakrafunken sprühten, verpufften und flammten wieder auf; greller, heißer.    Nejis Kiefer zuckte.    Unter dem lockeren Fall seiner Roben hielt er seine Glieder steif angespannt und die weißen Falten flatterten in der Böe, die ausgelöst von der Wucht des Kaiten Ninjutsus über den Innenhof fegte.   Die Kuppeln hielten und keine von beiden gab für volle zwei Minuten auch nur einen einzigen Zentimeter an Boden auf.    Und dann begann Hinatas Sphäre dünner zu werden.    Sofort ging Hanabi in die Offensive und trieb ihre Schwester nach hinten.    Neji verkrampfte die Muskeln seiner Schenkel, um sich davon abzuhalten, vor bis an den Rand der Veranda zu treten. Er atmete  Nebelschwaden aus und die durchnässte Luft des Spätnachmittags wurde vom Chakra nur noch schwerer. Der Regen hatte aufgehört, doch die Wolken hielten sich weiterhin tief und dunkel.    Die Kaiten Sphären flackerten heller.    Langsam hob Neji das Kinn und die Venen um seine Augen spannten sich an. Aufmerksam beobachtete er, wie sich die beiden Kuppeln auf einer unsichtbaren Linie vor und zurück bewegten, die dem Durchmesser des Kreises entsprach, in dem sie kämpften. Bisher hatte er nie einen Kampf zwischen den beiden Schwestern miterlebt.    Nur die Nachbeben…   Doch jetzt im Moment war es genau die Art intensiver Ablenkung, die er brauchte.    Nara Shikaku zu sehen, hatte jeden einzelnen seiner Nerven bis zur Spannung einer Bogensehne straff gezogen. Er hatte vergessen zu atmen; und das für die vollen paar Augenblicke, die er gebraucht hatte, um die Bedeutung seiner Situation vollkommen zu verarbeiten und zu begreifen wie unglaublich viel komplizierter sie damit geworden war.    Wie blind konnte ich sein zu denken, dass es wirklich so simpel sein würde?   Sein ganzes Leben lang hatte er nach seinem jetzigen Rang gestrebt und dabei kometengleiche Fortschritte gemacht. Doch er hatte auch geblutet, geatmet und sich selbst in die notwendigen Teile zerbrochen, um die physische Kraft und die mentale Fähigkeit zu erlangen, die Voraussetzung waren, um den Rang eines Jōnin erreichen zu können.    Er hatte vorgehabt, dasselbe zu tun, wenn es um ANBU ging, denn es war ihm wirklich so simpel erschienen.    Sie hatten ihn rekrutiert. Er hatte akzeptiert. Jetzt mussten nur noch die notwendigen Evaluationen bestanden werden.    Wie ignorant anzunehmen, dass es wirklich auf so eine einfache Art vonstatten gehen würde.   Er hatte sich entsetzlich verkalkuliert.   Warum habe ich nie daran gedacht, dass der Jōnin Kommandant in einer solchen Angelegenheit natürlich auch ein Wörtchen mitzureden hat?   Ein essentieller Spieler, von dem er es vollkommen versäumt hatte, ihn in das Puzzle einzufügen, zu dem seine Zukunft geworden war. Er hatte all die Scherben in eine Reihe gelegt, alle Risse und Brüche berücksichtigt, aber vollkommen die Möglichkeit außer Acht gelassen, dass er einen ernsthaften Konflikt riskierte, der nichts mit den Ältesten der Hyūga Hauptfamilie zu tun hatte. Der Druck all dieser Stolperdrähte und Fallen seines eigenen verdammten Clans war schwierig genug zu ertragen – und jetzt wurde er auch noch von Augen beobachtet, die mindestens genauso scharf waren wie die eines jeden Hyūga.   Nara Shikaku. Von all den Shinobi, die ich hätte überzeugen müssen…Götter…   Neji schloss hart die Augen.    Warum hat er mir diesen Weg nicht jetzt schon vollkommen versperrt; nach allem, was ich Shikamaru angetan habe?   Es war eine der vielen, vielen Fragen, die wie ein Mahlstrom in seinem Hirn wirbelten. Er presste die Lider noch heftiger gegen den Druck in seinem Kopf und in seiner Brust zusammen.    ‚Du drängst dich selbst zu sehr.‘   Vielleicht lag Wahrheit in diesen Worten, auch wenn er es nur widerwillig zugeben wollte. Er war noch nicht vollständig genesen, doch er hatte genug Zeit damit verbracht, seine Grenzen neu zu definierten, um zu wissen, wann er aufhören musste, sich jenseits des Punktes ohne Wiederkehr zu treiben. Glaubte die Hokage, dass er sich selbst erneut zurück an diese Kante stoßen würde?   Lächerlich.   Das würde bedeuten, sich rückwärts zu bewegen. Und so etwas tat er grundsätzlich nicht. Er war schon immer nur in eine Richtung getrieben worden. Vorwärts. Er hatte sich noch nie von sich selbst abgewandt.    Ich werde nicht zulassen, dass mich meine Fehler meine Freiheit kostet.    Und wenn er sich bis über den Punkt von Shikakus Zustimmung und Akzeptanz treiben musste, um Zugang zu ANBU zu erhalten, dann würde er das tun.    Er musste.    Sein eigener Clan zerrte ihn immer weiter nach unten wie ein Anker auf hoher See. Er war bereits ins Schwimmen geraten. Und wenn er jetzt aufhören würde, dann würde er ebenso untergehen, wie jedes andere Zweigmitglied vor ihm.    Niemals!   Ein Ausbruch von Licht spielte über seine geschlossenen Lider. Seine Augen flogen auf, als seine Aufmerksamkeit von einer weiteren Drehung der Kaiten Kuppeln angezogen wurde.    Konzentrier dich.   Erneut aktivierte er sein Dōjutsu und definierte Pupillen fokussierten sich auf die kämpfenden Schwestern.    Hiashi war nicht anwesend, doch andere Mitglieder des Haupthauses sehr wohl. Für einen Moment scannte Neji aufmerksam die Peripherie des Innenhofes. Hyūga Älteste standen unter der Markise, die die umgebende Veranda bedeckte; mit steif aufgerichteten Rücken und gefalteten Armen unter dem Fall langer blasser Ärmel – formelle Betrachter bei einem Sportereignis.    Ihre weißen Augen sahen teilnahmslos zu; glanzlos wie blind gewordenes Glas.    So sehr Sklaven einer Tradition wie jedes Zweigmitglied…   Nejis Iriden zuckten mit einer Emotion, die er sofort erstickte, als sich eine dieser stoischen Gestalten aus der Gruppe löste und sich auf ihn zubewegte. Er musste den Kopf nicht drehen, um Hitaro wahrnehmen zu können. Seine Byakuganaugen folgten den Bewegungen des älteren Mannes mit Leichtigkeit, als der Älteste mit langsamen, vorsätzlichen Schritten die Veranda umrundete.    Auf dem Innenhof zerrissen die Kaiten und lösten sich auf.    Seine Cousinen stürzten sich stattdessen in Taijutsu.    Stur hielt Neji seine Augen auf sie gerichtet und strahlte eine ruhige fokussierte Aura aus, als Hitaro an seiner Seite zum Stehen kam. Eine mangelnde Begrüßung bedeutete für diesen Mann auch immer einen mangelnden Respekt und so bewegte sich Hitaro nur noch näher zu ihm und drang in den persönlichen Bereich des jungen Hyūga ein, als er keine Anstalten machte, sich zu verneigen.   Neji hielt den Blick nach vorn gerichtet.    Hitaro war ein hochgewachsener Mann, der die 1,80 m weit überschritt, hatte ein breites Kreuz und einen weiten Brustkorb. Sein Körper verjüngte sich zu einer schmalen Taille und Hüfte; wie ein auf den Kopf gestellter Triangel. Sein Gesicht war flach und sein Kiefer kantig. Und sein Mund kommunizierte alles, selbst wenn er nicht sprach. Jetzt im Moment waren seine vollen Lippen schon wieder nach unten geneigt; in diesem höhnischen Ausdruck der Missbilligung, mit dem er Neji schon sein ganzes Leben lang bedachte.    „Du hast Hinata sehr gut trainiert.“, bemerkte Hitaro in seiner tiefen, irgendwie gestelzten Stimme.    Neji blinzelte ein einziges Mal und bot keine Erwiderung auf diese Worte an. Die Aussage war rhetorisch genug – wenn auch auf eine gewisse Weise mit etwas aufgeladen. Hitaro verteilte keine Komplimente. Alles, was er verteilte, waren kalkulierte Einleitungen. Ein sadistischer, pontifizierender Bastard, der in all den weiten Spielraum vernarrt war, den seine Position ihm gewährte. Und nur um das zu bestätigen kam er noch näher, sodass sein Schatten über Neji fiel.    „Es muss dir so an die Nieren gehen“, begann Hitaro und sein Blick richtete sich auf die kämpfenden Geschwister, „wenn man bedenkt, dass du nie die Chance hattest, um einen anderen Platz, als den, in den du geboren wurdest, kämpfen zu dürfen.“   Ein Muskel in Nejis Kiefer zuckte. Wie oft musste er heute noch daran erinnert werden? Als wäre es nicht genug, ein ganzes Leben lang jedes Mal daran erinnert zu werden, wenn er in den Spiegel sah.    Hitaros Lippen schürzten sich in spöttischem Bedauern. „Es ist alles ziemlich unfair, nicht wahr? Nicht einmal Hizashi hatte die Chance, die Hanabi jetzt hat.“   Nejis Miene geriet nicht ins Wanken, aber die Sehnen in seiner Hand bewegten sich ruckartig und seine Finger krümmten sich hart gegen seine Handfläche, bis sich seine stumpfen Nägel in das Fleisch gruben und Blut vergossen. Hitaros Gift, das ihm ins Ohr geträufelt wurde, war wirklich das Letzte, was er jetzt brauchte.    Konzentrier dich.   Auf dem Innenhof krachte Hanabis Ferse in Hinatas Kiefer. Die ältere Schwester stolperte rückwärts und wischte sich mit dem Handgelenk übers Gesicht. Blut tropfte ihr aus dem Mundwinkel.    Langsam ließ Hitaro seine Zunge über seine Oberlippe wandern. „Und falls Hizashi jemals diese Chance gehabt hätte, wer weiß schon, ob es dann nicht Hiashi gewesen wäre, der gefallen wäre? All dieser Zorn hätte am Ende vielleicht doch gewonnen.“   Nejis Nägel bissen sich noch tiefer und seine Augen nahmen den eiskalten Ausdruck polierten Stahls an. Energisch zwang er sich dazu, den Blick auf die Schwestern gerichtet zu halten; dem verschwommenen Tanz ihrer Arme zuzusehen, als sie sie so schnell herum schwangen und zuschlugen, dass sie sich in einem rapiden Zusammenspiel bewegten – eine wilde Geschwindigkeit, die drohte, ihre Auseinandersetzung über die Grenzen eines schlichten Trainingskampfes hinaus zu treiben.    Hitaro senkte ein wenig die Stimme. „Aber du weißt schließlich alles über solchen Zorn, nicht wahr; Neji?“   Doch Neji machte sich nicht Mühe, diese Behauptung zu widerlegen und genauso wenig reagierte er darauf. Seine Aufmerksamkeit blieb auf den Kampf fixiert und folgte der hässlichen Wendung, die er gerade zu nehmen begann.    Hinata verlor die Kontrolle über die Distanz.    Und Hanabi verlor die Kontrolle über sich selbst.    Die jüngere Schwester ließ sechs Kunai fliegen und stürzte sich mit scharfen Stößen und angewinkelten Tritten in den Schatten ihres Angriffes. Es war unmöglich, ihr strategisches Repertoire einzuschätzen; ununterbrochen veränderte sie ihre Haltung. Keine Fluidität. Kein sinnhaftes Schema ihrer Attacke. Nur reine boshafte Reaktion.    Neji runzelte die Stirn.    Hinata hatte enorme Schwierigkeiten, dem entgegen zu wirken und versuchte, auf die traditionellen Lehren der Hyūga Techniken zurück zu greifen. Eine martialische Philosophie war im Taijutsustil des Clans unerlässlich. Es hielt die Balance aufrecht; genau wie bei dem Symbol von Yin und Yang, das so wichtig für die Hyūga war. Selbst die separaten Häuser, egal wie grausam in ihrer Dynamik, repräsentierten die zwei Hälften des Hyūga-Ganzen.    Balance innerhalb einer Kluft.    Doch unglücklicherweise begann das Gleichgewicht dieses Kampfes zu kippen.    Neji schätzte, dass es zwei Minuten dauern würde, bis das Ergebnis schwer von Hinatas Fähigkeit, ihr Können zu steigern, abhängen und sie entweder Ninjutsu anwenden, oder sich zurückziehen würde. Denn Abstand war die beste Verteidigung gegen eine Nahkampfattacke von einem Hyūga. Ohne Distanz musste man sich einzig und allein auf Schnelligkeit verlassen, um sich zu verteidigen oder den Gegner zurückzudrängen – und während Hinata zwar schnell war, war sie einfach nicht wild genug.    Wehr dich.   Es bestanden immer noch Chancen, den Lauf des Kampfes zu verändern. Hanabi fing an, sich immer mehr offen zu lassen, doch Hinata machte einfach keinerlei Anstalten, sie außer Gefecht zu setzen.    „Man muss sich schon fragen, warum sie es überhaupt versucht.“, bemerkte Hitaro und hob eine Braue.    Neji fluchte innerlich.    Verdammt nochmal. Schlag zurück, Hinata.   Hinata stolperte zurück und Strähnen ihres Mitternachtshaares flatterten, als Hanabi mit einem Kunai in Richtung ihrer Kehle hieb und dabei ein paar dichte Locken der Mähne ihrer älteren Schwester abschnitt.    Nejis Augen verengten sich und sein Körper neigte sich ein paar Grade nach vorn.    Schlag zurück!   „Weißt du, welches Mittel unser Überleben am besten sichert, Neji?“, summte Hitaro ominös. „Angst. Auch darüber weißt du schon ein bisschen, hab ich recht?“   Neji warf dem Ältesten aus verengten Augen einen scharfen Blick zu, während sich die Muskeln in seinem Hals straff zogen.    Bastard.   „Entweder ist es eine Frage des Verlangens zu überleben oder aber der Verzweiflung dazu.“ Hitaro feixte mit herabhängenden Wimpern. „Was glaubst du, was dein Vater am meisten gefürchtet hat zu verlieren? Kami weiß, dass es nicht du warst.“   Nejis Lider schlossen sich langsam gegen den Kummer und den Schmerz.    Er versucht, dich zu reizen; lass es los.   Bedächtig fing er an, tief durchzuatmen.    Hitaro machte eine Effektpause. „Verlangen oder Verzweiflung? Was hat dich angetrieben?“   In dem Sekundenbruchteil, den Neji brauchte, um seine Augen zu öffnen, steckte Hinata einen weiteren harten Schlag ein. Sie ging in die Knie und der Rückschlag traf sie quer im Gesicht, sodass Hinatas Kunai einen tiefen Schnitt von Kinn zu Wange hinterließ und die blasse Haut wie Papier durchtrennte. Die Wucht des Hiebes ließ sie herum wirbeln und sie traf hart, Regenwasser verspritzend und durch den glitschigen Schlamm schlitternd auf dem Boden auf.    Leise fluchend verzog Neji minimal das Gesicht.   Schwer keuchend richtete sich Hanabi auf.    Es ist vorbei.   Oder zumindest dachte er das.    Hanabi schob ein Bein nach hinten und ein Rucken ihres Handgelenks löste ein weiteres Kunai aus dem Holster; sie gab Hinata nicht einmal die Gelegenheit, wieder auf die Beine zu kommen. Der Fuß der Jüngeren schnellte durch die Luft – ein direkter harter Tritt in das Brustbein ihrer Schwester, der Hinata heftig nach hinten katapultierte.   Verdammt.   Nejis Miene verfinsterte sich und gerade wollte er nach vorn treten, doch Hitaros Handfläche presste sich gegen seine Brust, um ihn einen Schritt nach hinten zu zwingen. „Verlangen oder Verzweiflung, Neji? Was ist es, was ein Zweighaustier antreibt?“   Scharf sog Neji die Luft ein; die Situation ging ihm durch und durch und seine Augen waren starr auf seine Cousinen fixiert.    Hinata rollte sich auf die Seite und spuckte Blut. Mit dem Gesicht zu einer grotesk knurrenden Grimasse verzogen führte Hanabi einen weiteren harten Tritt aus, sodass Hinata auf dem Rücken landete. Und um den gesamten Innenhof herum machte nicht einer der Ältesten Anstalten, einzuschreiten.   Bastarde. Das reicht jetzt!   Neji bewegte sich erneut nach vorn, doch Hitaro blockierte seinen Weg; diesmal warf er seinen ganzen Arm nach außen.    „Du wirst nicht einschreiten.“   Nejis Augen flammten auf. „Der Kampf ist vorbei.“   „Ist er das?“, konterte Hitaro.   Abrupt hob Hanabi das Messer und packte mit der anderen grob Hinatas Haar, um sich die blauschwarze Mähne um ihre Faust zu schlingen. Hinata schrie schrill auf und presste die Augen gegen den Schmerz zusammen, als ihr Kopf brutal in einen unnatürlichen Winkel gezerrt wurde.   Hanabis Augen waren wild, weit und ohne jede Kontrolle.    Neji kannte diesen Blick.    Mit wachsendem Entsetzen sah er zu, wie Hanabi das Kunai an Hinatas Nacken legte; bereit, das Haar ihrer Schwester von der Wurzel des Schädels aufwärts abzuscheren.    „Ah…ja…“ Hitaro kicherte leise und tief in der Kehle; ein harter und gestelzter Ton. „Verzweiflung.“   Nein!   Ohne nachzudenken schlug Neji Hitaros Arm beiseite und stürzte nach vorn.    Hanabi positionierte die Klinge, erhielt aber niemals die Chance, sie auch zu benutzen.    Wie zwei Vipernköpfe schlugen Nejis hohle Hände zu, bevor die junge Hyūga reagieren konnte. Sie schossen unter Hanabis Armen hindurch, eine legte sich um ihre Kehle und die andere schloss sich um ihr Handgelenk. Sein Daumen grub sich hart gegen die feinen Knochen ihrer Hand und er packte zu, bis ihre Finger in einem Spasmus zuckten und sich das Kunai aus ihrem Griff löste.   Geräuschvoll schlug die Waffe auf dem Boden auf.   Fuchsteufelswild brüllte Hanabi ihren Zorn heraus.    Doch Neji zog ihren Arm einfach nur zur Seite, ließ ihren Hals los und umfasste stattdessen ihren Kiefer. In einem festen Griff zog er ihren Kopf zurück und ahmte die Umklammerung nach, die sie an ihrer Schwester hatte; die Position war schmerzhaft genug, dass sie wimmerte.    Langsam führte er seine Lippen an ihr Ohr. „Der Kampf ist vorbei. Lass deine Schwester los.“   Hanabi keuchte erstickt und stierte wütend in den Himmel.    Sie machte keinerlei Anstalten, sich zu fügen.    Neji streckte sein linkes Bein hinter sich aus und beugte das rechte Knie, um sich zu drehen und seinen ganzen Körper zu nutzen, um Hanabi unter sich zu einer gebeugten Haltung zu zwingen, während er ihren Arm noch immer nach oben und außen hielt. Das Neigen gestatte Hinata den Freiraum, den Kopf zu wenden.    Hanabi versuchte energisch, gegen ihn anzukämpfen.    Als Reaktion zwang Neji sie noch tiefer und sein langes Haar floss über ihre Schulter. „Lass deine Schwester los.“   „Lügner.“, hustete Hanabi, während ihr Arm in Nejis Griff bebte. „Beschützer…nur für sie…“   „Und für dich…auch wenn ich größeren Anlass dazu habe, dich vor dir selbst zu schützen als deine Schwester.“   Neji übte den leichtesten Auswärtsdruck gegen die Innenseite von Hanabis Handgelenk aus und nahm ihr immer mehr die Balance, bis er sie tief genug beugte, dass ihre Wange über Hinatas Schulter hinweg auf gleicher Höhe mit der ihrer Schwester war.    Hanabi verzog das Gesicht und schloss die Augen. „Hör auf…“   „Nein. Sieh sie dir an. Du hast das Blut deiner Schwester vergossen und jetzt auch noch ihre Tränen; was willst du denn sonst noch?“, murmelte Neji in ihr Ohr. „Ihre Würde?“   Hinata warf einen Seitenblick auf ihre Schwester, während Blut aus dem Schnitt in ihrer Wange und über ihr Gesicht rann. Ihre Augen schimmerten. „Lass sie los, Neji-niisan…“   Doch Neji ignorierte Hinata und sprach erneut direkt in Hanabis Ohr. „Sieh sie dir an.“   Hanabis Augen öffneten sich flatternd und richteten sich auf die Wunde, die sie auf dem Gesicht ihrer Schwester hinterlassen hatte. „Ich…“   Langsam drehte Hinata ihren Kopf ein wenig mehr. „Hanabi…“   Und in der Sekunde, als sich ihre Blicke trafen, wurde Hanabis Miene schlaff und verängstigt; als wäre ihr eben erst bewusst geworden, dass sie diesen Schaden verursacht hatte. Sie begann zu zittern und ihr Atem bebte.    Nejis Gesichtsausdruck wurde weich und die Kälte in seinen Augen taute auf.    „Lass sie los, Hanabi-sama.“, wisperte er sanft und lockerte seinen Griff um ihr Handgelenk.   Hanabi streckte ruckartig die Finger aus, als hätte sie einen Schock erlitten.    Hinatas Haar fiel frei nach unten und sie drehte sich auf den Knien, um hinauf in das gerötete Gesicht ihrer Schwester zu sehen, während sich Tränen in ihren Augen sammelten.   „Es tut mir leid…“, wisperte Hanabi rasch mit einer atemlosen und bis ins Innerste entsetzten Stimme. „Es tut mir leid…es tut mir leid…“   „Atme.“, wies Neji sie zaghaft an.    Hanabi versuchte es, schluckte schwer und atmete stockend, bis sie viel zu stark zitterte, um sich selbst auf den Beinen halten zu können. Leise seufzend dirigierte Neji Hanabis Arm vorsichtig nach unten und innen und schlang seinen eigenen umarmend um sie, als er sie an seine Brust zog.   „Hanabi-sama.“ Er drückte sie kurz und das lange Weiß seines Ärmels legte sich wie ein schützender Flügel um sie. „Die Scham, die du fühlst. Sei dankbar dafür. Denn dadurch weißt du, dass das hier nicht das ist, wer du bist.“   Hanabi schluchzte auf und sackte zusammen.    Und Neji ließ sie los, um sie in Hinatas ausgestreckte Arme sinken zu lassen, die Hanabi mit einer Intensität hielten, die sie nicht in ihren Kampf gelegt hatte.    Der Wille zu beschützen...   Neji richtete sich mit kratzenden Sandalen über dem nassen Boden auf. Stumm sah er zu, wie Hinata ihre verletzte Wange gegen Hanabis Stirn legte, ohne auf ihren eigenen Schmerz zu achten und ihre Schwester in den Armen wiegte wie ein Kind.    Sie ist ein Kind…   Neji trat einen Schritt zurück und atmete lange aus.    Er spürte nicht die Präsenz, die sich ihm von hinten näherte, bis Hinatas Augen geschockt nach oben zuckten.    Neji wandte sich um.  Hitaros Rückhandschlag traf ihn so heftig im Gesicht, dass sein Kopf hart zur Seite gerissen wurde.    „Hitaro-sama!“, kreischte Hinata und drückte Hanabi noch fester an sich.    Doch Hitaro bedachte sie mit einem Blick, der so vor Verachtung triefte, dass sie schlagartig verstummte. Auf der Veranda versteiften sich die versammelten Zweigmitglieder, während die Angehörigen des Haupthauses einfach nur schweigend zusahen.    Den Kopf immer noch zur Seite gewandt bewegte Neji seinen Kiefer in einer Kreisbewegung von Seite zu Seite und seine Miene war von den dichten Strähnen über seinem Gesicht verdeckt. Der Schlag hatte ihn in einem Winkel getroffen, der nur haarscharf davon entfernt gewesen war, seinen Kiefer auszurenken. Langsam fuhr er mit der Zunge über seine Lippen und fing Blut auf, als es sich an seinem Mundwinkel sammelte.    Hitaro schnaubte. „Halte auch die andere Wange hin, Neji. Ich brenne darauf, dir deinen unverschämten Kopf wieder zurecht zu rücken.“   Energisch biss Neji die Zähne zusammen und Schmerz flammte auf, bis er das Stechen eines Brennens spürte, das sich wie heiße Asche über seine Kieferlinie zog.    Hitaros Faust war in Chakra gehüllt gewesen.    Bastard.   Nejis Kiefergelenk verkrampfte sich und Muskeln zuckten heftiger, als das ruckartige Schnappen seiner Finger, die sich zu zwei Fäusten ballten. Langsam atmete er ein und hielt die Luft tief in sich, bis sich sein Zorn beruhigte. Seine Finger lösten sich wieder; einer nach dem anderen – ein mentaler Countdown. Während er seine Kontrolle zusammensammelte, blinzelte er und drehte seinen Kopf mit tödlich ruhigen Augen zurück; und sie waren weißer und kälter als das Eis aller Hyūga Augen, die auf ihn gerichtet waren.   Doch er erwiderte nur einen einzigen dieser Blicke.    Hitaro hob eine Braue und stierte auf ihn herunter.    Und Neji starrte zurück; dichte Strähnen noch immer im Gesicht klebend, die die scharfen Neigungen seines Wangenknochens und Kiefers säumten. Hitaro wurde für einen Moment vollkommen regungslos und las das unausgesprochene ‚Fick dich‘ mit einem Kräuseln der Nase, das ein höhnisches Grinsen ankündigte. Langsam ließ er seinen Blick über Nejis kühn herausforderndes Antlitz wandern und hielt kurz an den Füßen des Jōnin inne, bevor er ihn wieder nach oben richtete, um in diese frostigen Augen zu starren.    „Was auch sonst.“, spie Hitaro aus und seine Lippen bogen sich nach unten. „Es ist genauso wie damals als du ein Kind warst und nichts mehr wolltest als etwas zu beschützen, von dem du niemals auch nur hoffen konntest, es retten zu können.“   Neji blinzelte nicht; seine Miene war von undurchdringbarem Eis maskiert. Doch in seinem Inneren zog er sich einen bösen Bruch zu. Eine Erinnerung blutete durch den Riss; das Echo der Stimme seines Vaters…   ‚Wer hat dir das angetan?‘   ‚Hitaro-sama hat gesagt, dass ich die Hauptfamilie beschützen muss.‘   ‚Warum hat er dich geschlagen?‘   ‚Weil ich gesagt habe, dass ich dich zuerst beschützen würde.‘   Als hätte er einen heftigen Schalg gegen das Herz einstecken müssen, breiteten sich spinnennetzartige Frakturen schmerzhaft in Nejis Brust aus. Und dennoch blieb seine Maske fest und hart an ihrem Platz; hielt seine Gesichtszüge zu sturem Stein verhärtet. Er wollte verdammt sein, bevor er sich noch einmal vor diesem Bastard verneigte.    Vom Boden schwebte Hinatas Wispern zu ihm hinauf.    „Neji…“, flehte sie und bat ihn damit inständig, seinen Platz einzugestehen – um zu verhindern, gewaltsam dorthin verwiesen zu werden.    Und wenn man der Wahrheit ins Gesicht sah, dann konnte er sich keinerlei Verletzung oder Unverschämtheit erlauben. Seine Zukunft war viel zu zerbrechlich. Sein Schicksal hing an einem seidenen Faden, von dem er es sich nicht leisten konnte, dass er ihm durch die Finger glitt.    Und trotz dieses Wissens – hob Neji sein Kinn und verschloss den Kiefer.    Gequält schloss Hinata die Augen.    Belustigung schlich sich in den Abwärtsbogen von Hitaros Mund und krümmte ihn an den Winkeln nach oben. Es war ein Kräuseln, das viel zu hässlich und drohend war, um wirklich als Lächeln bezeichnet werden zu können. „Ah, ich hatte gehofft, dass du dich mir widersetzt.“   ~❃~   „Was ist denn damit passiert, dass du es mir diesmal etwas einfacher machst?“   „Das mach ich doch.“   Na super, das ist echt peinlich.   Asuma grunzte und kratzte sich am Hinterkopf. „Und wie einfach genau?“   Shikamaru grinste; er hatte sein Kinn in einer Handfläche abgelegt, während er seinen Shogi Spielstein umdrehte und seinen Springer damit zu den Fähigkeiten eines goldenen Generals beförderte. „Dämlich simpel einfach.“   Asuma schnaubte und musterte das Brett, während er die Asche seiner Zigarette in seine Teetasse klopfte. „Und du wolltest mich ernsthaft einer öffentlichen Demütigung aussetzen.“   Achselzuckend schmunzelte Shikamaru hinter seinen Fingern. „Nah, ich wollte einfach nur das Preisgeld.“   „Ah, da ist wohl ein Spielsüchtiger in der Mache. Was zur Hölle fördere ich hier eigentlich?“   Shikamaru lachte leise, während seine Augen über das Spielbrett wanderten.    Aufmerksam beobachtete Asuma ihn durch eine Rauchwolke und spürte deutlich, dass sein Schüler alle möglichen Züge kalkulierte, wobei ihm dabei weniger daran gelegen war, zu gewinnen, als viel mehr abzuschätzen, wie er das Spiel verlängern könnte. Der Sarutobi war sich ziemlich sicher, dass Shikamaru ihn bereits vor sechs Zügen hätte Schachmatt setzen können.    Ein liebevolles und wissendes Lächeln schlich sich in Asumas Augen und erwärmte die brandyfarbenen Seen.    Sie hatten sich von Inos Suite in die des Schattenninjas begeben. Im Grunde waren die Zimmer identisch was das Interieur anging, doch es fehlten die Blumendekoration und das Rollbild in dem Alkoven. Die beiden hatten eine der Shojitüren offen gelassen; mehr, um Asumas Rauch zu vertreiben, als Licht herein zu lassen und eine kalte Brise schlich über die Veranda herein. Der Sonnenuntergang war noch circa eine Stunde entfernt, aber durch die dichte Wolkendecke würden sie ihn ohnehin nicht sehen können. Stattdessen warfen Stehlampen ein bernsteinfarbenes sanftes Glühen über die Fusama Paneele in den Raum; Flecken aus hellem Karamell über Pergament.   Asuma schob seinen Springer ein Feld nach links. „Hattest du Spaß auf der Party?“   „Es war interessant.“ Statt einen von Asumas Spielsteinen zu schlagen, machte Shikamaru einen Zug auf die rechte Seite des Brettes.    „Also nicht lästig?“   „Das habe ich nie gesagt.“   „Das hast du wirklich nicht. Und das bringt die Summe der Male, in denen du es in Situationen wie diesen nie gesagt hast immerhin zu einer Punktzahl von eins.“, bemerkte Asuma mit einem schwachen Lächeln. „Muss heute wohl ein ganz besonderer Tag sein.“   Der Schattenninja hob eine Braue. „Also technisch gesehen, ist das Ganze noch gar nicht vorbei, auch wenn Ino dieses Jahr diejenige ist, die alles verpennt. Wie steht es hierbei mit Ironie?“   „Karma.“, kicherte Asuma rumpelnd und nahm einen Zug seiner Zigarette, um den Rauch für einen langen Herzschlag in den Lungen zu halten. „Da wir gerade von schlafen sprechen. Schaffst du es denn, zwischen all dem Training auch mal die Augen zuzumachen?“   Shikamarus Mund zuckte in einem kaum wahrnehmbaren Schmunzeln, doch seine Iriden verharrten auf dem Brett. „Na klar. Wie witzig.“   Asuma summte und musterte aufmerksam die dunklen Ringe unter den Augen seines Schülers und die tieferen Furchen, die sich unter seine Wangenknochen gruben. „Nicht wirklich.“   Shikamarus Schmunzeln verschwand. Seine Finger gerieten ins Zögern und schwebten für einen Moment über seinem Shogispielstein, bevor sie fest nach unten drückten und einen Turm vertikal über das Brett schoben.    „Du kennst mich. Schlaf ist nie ein Problem.“   „Ja…ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass Schlafmangel sehr wohl ein Problem für dich ist.“   Shikamaru hob den Blick; seine Augen waren scharf und suchend. „Ino hat dir was gesagt, huh?“   Das musste sie gar nicht.   Asuma richtete seine Aufmerksamkeit nach unten auf das Shogibrett und tat so, als würde er sein Hirn mit dem nächsten Zug anstrengen.    Was für ein schlechter Scherz; denn er betrieb keinerlei Aufwand mit einem Versuch zu gewinnen.    Alles, woran er denken konnte, waren Kurenais Worte – und die Worte, die er zu ihr gesagt hatte und an die er sich nicht mehr erinnern konnte. Nicht, dass er dafür ein mentales Protokoll benötigt hätte. Er kannte die Worte im Grunde in- und auswendig. Er wusste und bewahrte sie seit zwei langen Jahren. Und er hatte die letzten beiden Wochen damit verbracht, sich an sie zu erinnern und sie noch ein weiteres Mal festzuhalten.    „Was ist los?“, fragte Shikamaru und wurde vollkommen still.    Eigentlich sollte wirklich ich derjenige sein, der diese Frage dir stellt, auch wenn ich keine Antwort bekommen werde…vor zwei Jahren hätte ich diese Frage wieder und wieder stellen sollen…bis du mir eine gegeben hättest…   Kopfschüttelnd strich Asuma mit dem Daumen über die Spitze seines Bartes, während Rauch von seinen Lippen rollte. Eine Methode wäre auf jeden Fall gewesen, sich wieder zu betrinken. Sake in sich hinein zu schütten würde vielleicht dazu führen, dass er das, was gesagt werden musste, ausschüttete, ohne dass er sich dabei Sorgen machte, dass sich Shikamaru schlagartig aus dem Staub machte.    Es gibt nicht genug Ninken, die ich mir ausleihen könnte, sollte er wirklich nochmal so einen Ausweichtick abziehen.   Shikamaru setzte sich etwas aufrechter hin. „Asuma-sensei…“   Langsam stützte sich der Jōnin mit dem Handballen an der Kante des Shogibrettes ab, seine Zigarette klemmte ihm zwischen den Fingern. Er hielt sein Schweigen lange genug aufrecht, dass die Asche zusammen zu schrumpeln begann und sich den Glimmstengel entlang zog. Deutlich spürte er, wie sich Shikamarus Blick in ihn bohrte.   Immer auf Zack.   Er entschied sich für einen indirekten Weg und ließ seine Worte fast schon beiläufig fallen. „Du hast mitbekommen, dass es in letzter Zeit immer wieder Angriffe in benachbarten Ländern gab, oder?“   „Jo…“ Shikamaru runzelte die Stirn. „Immer von einem Zweimannteam, stimmt’s?“   Asuma nickte langsam und sah zu, wie sich die Asche an seiner Zigarette sammelte, während er überlegte, wie er das Gespräch am besten steuern könnte. Unter dem Schirm seiner Wimpern konnte er spüren, wie Shikamaru sein Gesicht inspizierte und so viele Informationen wie möglich sammelte, um die Relevanz des Themas vorauszuahnen und wohin es wahrscheinlich führen würde.    Da wirst du nicht hingehen wollen. Und diese Tatsache ist schlimmer für mich als der Gedanke, dich trotzdem dazu zu bringen.   Asuma streckte seine freie Hand aus und machte einen Zug, der seinem Springer einen Vorteil verschaffen würde. „Kakashi geht davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bevor sie auch das Land des Feuers ins Visier nehmen.“   „Sieht ganz danach aus.“, stimmte Shikamaru mit einem Tonfall zu, der sehr nah an Wachsamkeit oder Argwohn lag.    „Könnte sich ziemlich sicher um Akatsuki handeln.“   „Das erklärt auf jeden Fall die Sklaventreiberei mit den Nijū Shōtai.“ Shikamarus Humor hielt sich kaum in seiner Stimme.    Normalerweise hätte Asuma sofort nach diesem Strohhalm aus Humor gegriffen und ihn in sein Vorhaben mit einbezogen; völlig egal, wie schwach er war. Doch er schaffte es nicht, das leichter zu machen, was viel zu schwer auf seinem Herzen lag. Und als er nichts darauf erwiderte, erstarrten Shikamarus Finger über dem Shogiteil, das er gerade verschieben wollte. Asuma bemerkte es sofort und lächelte beinahe bedauernd.    Shikamaru beobachtete ihn noch immer und Besorgnis grub sich in den verwirrten Knoten auf seiner Stirn. „Asuma…?“   Leicht verzweifelt kam es Asuma kurz in den Sinn, die „Kakashi Methode“ auszuprobieren. Eine Methode, die eine ganze Menge Wendungen und Drehungen beinhalten würde, die Shikamaru in einem Ablenkungsmanöver verschiedenste mentale Pfade entlang führen würden, bevor Asuma ihn mit dem eigentlichen Problem überrumpelte.    Gott, wie ich diesen Psycho-Spielchen Bullshit hasse.    Und wie zur Hölle er es schaffen wollte, dass diese Technik bei Shikamaru auch wirklich funktionierte, war geradezu lachhaft.   Und falsch.   Er hatte diese Art psychologischer Spielchen niemals mit dem jungen Nara gespielt, weil es eben auch nie Shikamarus Verstand war, den er ansprechen musste, sondern der Teil des Schattenninjas, der wegen seines überragenden Intellekts litt.   Was zur Hölle denke ich mir eigentlich dabei, seinen Kopf gegen ihn zu verwenden?   Er hatte dem Gedanken abgeschworen, jemals diese kalkulierten Seelenklempner Techniken anzuwenden. Allein die Tatsache, dass er es wirklich in Betracht gezogen hatte, traf seine Eingeweide wie ein Ziegelstein aus Schuldgefühlen, den er kaum verdauen konnte. Und da er feststellen musste, dass er vollkommen unfähig war, damit fertig zu werden, stolperten seine nächsten Worte aus ihm heraus, bevor ihm überhaupt bewusst wurde, dass sich sein Mund bewegte.    „Es tut mir leid.“   Es war wie ein Schluckauf – plötzlich, ungeplant, unkalkuliert und unkontrollierbar.   Shikamarus Augen weiteten sich ein wenig. „Was?“   Asuma stierte auf seine Zigarette. Inzwischen war sie bis zum Ende abgebrannt.    „Ich war nicht da. Aus welchem Grund auch immer. Was auch immer passiert ist. Und es tut mir leid.“   Shikamaru sagte nichts, doch seine Augen wurden noch größer.    Kopfschüttelnd nahm Asuma einen langsamen Atemzug. „Du musst das Gefühl gehabt haben, als hätte ich es einfach nicht versucht. Dass ich es einfach habe verstreichen lassen. Als hätte ich dich einfach so verstreichen lassen. Ich hatte keine Ahnung, wie um alles in der Welt ich dich erreichen konnte…und ich habe es nicht rechtzeitig geschafft, herauszufinden, wie ich es hätte tun sollen. Und bis dahin hattest du dich bereits selbst zurück gezogen. Aber du hast das ganz allein getan. Und es hätte niemals so sein dürfen, dass du das alleine tun musst.“   Stille.    Asuma hob den Blick.    Jegliche Farbe war aus Shikamarus Gesicht gewichen und ließ ihn grau und ausgezehrt zurück. Das Weiß seiner Augen war um seine Iriden herum vollständig sichtbar, als er vor sich hin starrte wie ein panisch aufgeschrecktes Tier.    Es war so qualvoll, das sehen zu müssen.    Sorge traf Asuma noch härter als die Schuld und er zwang sich energisch dazu, weiter zu machen. „Dir vor zwei Wochen einen Ninken hinterher schicken? Ich hätte das vor zwei Jahren machen sollen. Ich hätte ein ganzes verficktes Rudel aussenden sollen und noch dazu eine Kavallerieeinheit, aber das habe ich nicht.“   Ausdruckslos stierte Shikamaru auf Asumas Brust; die Augen starr fixiert und ohne zu blinzeln.    „Das habe ich nicht.“, wiederholte Asuma. „Es tut mir leid.“   Und beim letzten Wort schlossen sich Shikamarus Lider. Aufmerksam hielt Asuma die Aufmerksamkeit auf sein Gesicht gerichtet, da er Angst davor hatte, den Blick abzuwenden. Er hatte Angst davor, dass wenn er es täte, etwas entschlüpfen und er es verpassen würde.    „Ich habe dir gesagt, dass es die schwerste Prüfung war, mit der ich jemals als dein Sensei konfrontiert wurde.“, murmelte Asuma mit einem Timbre, das zerfetzt war von Reue. „Deswegen habe ich es nicht geschafft. Ich habe dich im Stich gelassen.“   Der Schattenninja sagte nichts, machte nicht das geringste Geräusch und Asuma spürte das Gewicht jeder stummen Sekunde, das sich auf ihn legte und ihn nieder drückte. Es presste sich härter gegen ihn als der Verschluss von Shikamarus Lidern.    Und dann schüttelte der Schattenninja den Kopf.    „Du hast mich nie im Stich gelassen, Sensei.“, wisperte Shikamaru mit einer Stimme, die heiser kratzte und in seiner Kehle bebte. „Nicht ein einziges Mal.“   Asuma biss hart die Zähne gegen den Ansturm von Kummer zusammen, den er für seinen Schüler empfand. Als er Shikamaru jetzt so betrachtete, sah er nicht den siebzehn Jahre alten Chūnin, der seinem Alter so weit voraus war – stattdessen sah er den verängstigten zwölfjährigen Jungen, zu dem er einst erst noch Vertrauen hatte aufbauen müssen.    „Aber warum kannst du es mir jetzt - nach zwei Jahren – immer noch nicht erzählen?“, fragte Asuma sanft und richtete sich etwas auf, um sich davon abzuhalten, eine Hand auszustrecken. Er wollte nicht zu sehr drängen und gab sich der utopischen Hoffnung auf eine Antwort hin.    Es dauerte einen qualvoll langen Moment, bevor Shikamaru ein wenig die Augen öffnete. Die dunklen nassen Wimpern verbargen den flüssigen Obsidian seiner Augen.    „Weil du mich hören würdest.“, raunte er heiser.    Diese lebenswichtigen Worte. Der Grundstein des Vertrauens und des Bandes, das sie erschaffen hatten.    Asuma schüttelte den Kopf und eine tief verzweifelte Sorge fraß sich in seine Stirn. „Shikamaru.“   Doch Shikamaru presste erneut die Lider aufeinander und kämpfte zurück, was auch immer so nah dran war, sich Bahn zu brechen. Vollkommen unfähig mehr zu tun, als einfach nur zu hoffen, saß Asuma regungslos und stumm da; beobachtete, wartete, und wünschte sich so sehr, dass er irgendetwas tun könnte.    Doch alles, was er tun konnte, war, da zu sein.    Und nach einem weiteren Moment strichen die Finger des Schattenninjas über ein Shogiteil und setzten das Spiel fort – und die ganze Zeit über hielt er die Augen von Asuma abgewandt.    In der Stille, die folgte, machte Shikamaru keine Anstalten, aufzustehen und zu gehen, wie er es getan hatte, als er ein Genin gewesen war.    Nicht, dass er es hätte tun müssen.    Denn er musste nicht gehen, damit Asuma spürte, dass ein Teil von ihm bereits fort war.    ~❃~   Der Sonnenuntergang blutete wie ein dunkles Hämatom über die rollenden Wolken. Donner grollte etwas weiter entfernt und wogte über den Hokageberg.    Und einen Herzschlag später; heulte die Rastlosigkeit in Neji auf.    Er antwortete auf diesen Ruf.    Es trieb ihn hinaus aus dem Hyūga Areal und zurück an einen Ort, an dem er oft seine Dämonen ausgelebt und den Zustand des eingesperrten Tieres angenommen hatte, als das er sich immer gesehen hatte.    Meine Rolle. Mein Platz. Mein Gefängnis.   Die Bühne war immer dieselbe.    Die Bambusheine.    In der hereinbrechenden Dunkelheit veränderte sich das Ambiente der Hyūga Gärten; wie ein Bühnenbild, das wechselte. Und auf dieser Bühne trug Neji niemals eine Maske. Er durchlief einfach nur die Bewegungen einer Szene, von der er feststellen musste, dass er sie immer wieder wiederholte. Er fiel mit einer Nahtlosigkeit zurück in diese Rolle, die von dem Wissen rührte, wie es alles angefangen hatte; wohin es geführt und wie es geendet hatte.    Und so bewegte er sich; hinein und hinaus zwischen den Reihen aus Bambushalmen.    Es war gleitender Tanz durch ungesehene Käfigstäbe.    Er sah sie jedes verdammte Mal.    Denn der Bambus sah im Mondlicht immer wie Stäbe aus; die gelblichen Farbtöne wurden fortgespült, als die Welt zu einer weißgewaschenen Farce von Frieden verkam. Ein Käfig mit einem anderen Namen.   Wie ANBU…   Neji knurrte und erhöhte seine Geschwindigkeit; Hüften drehten und Schultern neigten sich scharf in glatten Winkeln, als er die Reihen entlang einen Zickzack Weg beschrieb. Vor und zurück, links und rechts, schnell und fließend, als er seine eigene Rastlosigkeit hetzte.    Er ignorierte den Schmerz, der in seinem Rücken aufflammte.    Wie soll ich sie beide beschützen, wenn ich an eine Leine ohne irgendeinen Freiraum gelegt bin?   Sein Kiefer verkrampfte sich und ein heißer Ausbruch von Schmerz sengte sich über die scharfe verletzte Neigung bis hinauf zu seiner Augenpartie und weiter bis zu seinen Schläfen, bevor er sich wieder nach unten über seinen Wangenknochen zog.    Habe ich eine weitere Kette erschaffen, indem ich Beschützer spiele?   Er vollführte eine bösartige Drehung und wob noch schneller durch die Bambushalme. Die Worte, die durch sein Bewusstsein jagten und Hinata und Hanabi betrafen, waren wie Schreie aus Gräbern. Zahllose Gesichter von Hyūga Cousins und Geschwistern, die beiseite geworfen worden waren. Zweigmitglieder, die in ihren Käfigen gestorben waren; eingehüllt in den hohlen Komfort vertrauter Ketten, bei denen niemand auch nur daran gedacht hatte, sie zu zerbrechen.   Ich werde mich nicht den Reihen derer anschließen, die niemals ihren Frieden gefunden haben…   Neji wirbelte zu scharf herum und rammte dabei seine Schulter gegen einen Bambusstab.    Der Schmerz in seiner Wirbelsäule schoss weißglühend bis zur Wurzel seines Schädels hinauf.    Seine Augen flammten auf.    Mit einem Knurren schnellte er herum und hämmerte seine Faust in den unnachgiebigen Stock. Der Aufprall bebte durch seinen Arm. Der Bambus zerbrach nicht, aber er knackte. Doch Neji wollte, dass er zersplitterte, barst und zu winzigen Fasern explodierte.    Genug. Beruhige dich.   Neji nahm einen tiefen beständigen Atemzug und ließ den Zorn aus sich heraus sickern, bevor er in ihn sinken konnte. Er hatte gelernt, wie man es losließ. Doch dieses Wissen war ohne eine Anwendung nutzlos. Langsam atmete er einen Strom aus Nebel in die kalte Luft aus, bevor er die Lider hob.    Der Zorn ebbte ab und ließ ein angespanntes Pochen zurück.    Langsam atmend bewegte er die Finger und legte seine Handfläche flach gegen den frakturierten Bambus. Die aufgeplatzte Haut seiner Knöchel zog seine Aufmerksamkeit auf sich.    Im Mondlicht quoll sein Blut schwarz aus der Wunde.    Schwarz wie Schatten…   Neji neigte den Arm und sah zu, wie das Blut über seinen Handrücken lief.    Die Erinnerung an Schattenranken, die sich um seine Handgelenke geschlungen hatten, flackerte vor seinem inneren Auge wie eine Flamme auf. Sie sandte einen Hauch von Hitze über seine Haut und zur selben Zeit legte sie sich um die Rastlosigkeit, die in ihm auf und ab tigerte. Und dann erschien das Wispern einer Stimme, die sich in seine Erinnerung gebrannt hatte.    ‚Lass einfach los…‘   Neji atmete tief ein.    Er atmete tief genug, um es fühlen zu können; eine schwache Imitation des Friedens, nach dem er sich ebenso sehr sehnte wie nach seiner Freiheit.    Dieser Frieden, der ihn dazu drängte, Ruhe zu finden.    Ich kann nicht…   Denn diese ‚Ruhe‘ war zu einer Sehnsucht geworden, die in dunkle Siennaaugen und eine Stimme gehüllt war, die wie warmer Rauch um die Ränder eines trägen Lächelns glitt.    Verdammt seist du, Nara.   Und diese Sehnsucht nistete sich tief in die Risse, die Neji nicht kitten konnte und ließ ihn zurück mit Teilen, die immer nur dann einen Sinn ergeben hatten, wenn sie sich in den Händen eines anderes Ninjas befanden.    Törichterweise rief er sich diese Hände in Erinnerung.   Und für den flüchtigsten Augenblick fand ihn die Ruhe. Doch hinter dieser Ruhe kam der Kummer des Wissens, dass sie nicht real genug war. Diese Hände vor seinem inneren Auge zu sehen war nicht dasselbe, wie sie zu fühlen…an das Gefühl von ihnen zu denken…   Neji erschauerte und biss hart die Zähne zusammen.    Und dann kam der Schmerz…und die Hitze…   Die Begierde, das Bedürfnis.    Und in der Sekunde, in der sich Neji in Bewegung setzte, wusste er, dass er sich auf einer gefährlichen Linie bewegte.    Solange ich sie nicht überschreite.   Es kam ihm nicht in den Sinn, dass er das bereits getan hatte.      _________________________ Sooo, leider eine etwas 'größere' Pause, aber irgendwie war ich etwas ausgelaugt in den letzten Tagen...naja wie auch immer, jetzt geht es weiter mit Shikamaru und Neji und hier habt ihr wieder eine Szene, bei der ihr Hitaro aus vollem Herzen hassen könnt ;)  Und ja, ich denke, wir wissen alle, wohin Neji unterwegs ist und damit kommt wohl auch ein Augenblick näher auf den ihr (vermute ich einfach mal) schon lange gewartet habt ;) Ich würde mich wie immer sehr über ein paar Meinungen freuen! :) Und danke natürlich an alle meine Leser/innen und vor allem an meine Reviewer/innen. 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