On the Cusp von _Scatach_ (Teil Zwei der BtB-Serie) ================================================================================ Kapitel 12: The person to convince ---------------------------------- Der fahle Schein von Gaslampen erhellte dämmrig die Dunkelheit; ein schwefelartiger Gelbton, der vor seinen Augen zu verrotten schien, je tiefer er in den Raum starrte.    Ich kenne diesen Ort…   Die Lampen umstanden eine weite Grube und warfen abgestandenes Licht in ein plumpes Quadrat. Es war in das Zentrum eines riesigen unterirdischen Kellers gegraben worden.    Oja, er kannte diesen Ort.   Nein…   Die Grube war tief und an den Rändern mit Planken schimmelnden Holzes verkleidet; die Risse klafften weit und tropften rot.    So viel Rot.    Es ist nicht real.   Shikamaru blinzelte gegen das Stechen von Rauch an.    Ein Dunst hing über dem Loch; schwer und verdorben.   Moder – Shikamaru konnte ihn riechen, wie er verschiedene Arten von Gestank untermalte. Alle davon fluteten seine Nase und verstopften seine Kehle. Das saure Stechen von Schweiß, sowohl tierisch als auch menschlich, vermischt mit einem Hauch von Alkohol und etwas Chemischen und alles gesättigt in einer vollmundigen Wolke aus Rauch.    Seine Augen brannten und seine Lungen schwollen mit der abgestandenen, ranzigen Luft schmerzhaft an.    Er versuchte, sich zu bewegen, schaffte es aber nicht.    Und dann war er in der Grube.   Fuck…   Etwas presste sich gegen seine Beine, kratzte an seiner Haut. Er versuchte, das Gewicht zu verlagern und etwas schmatzte und knackte und platzte unter seinen Füßen.    Es ist nicht real.   Er sah nach unten.    Seine Augen weiteten sich und seine Kehle verschloss sich krampfartig.    Er stand bis zu den Knien in Leichen.    Die verstümmelten Körper von Ratten und Hunden und Katzen…die Kiefer in grässlichen Grimassen verschlossen, Fangzähne gebleckt, die Gaumen schwarz, hängende Zungen, Körper verzerrt und verdreht in gebrochenen Winkeln…Maden krochen umher…Fellbüschel verklebt mit klumpig geronnenem Blut…Eingeweide verstreut wie dicke, aufgedunsene Würmer…verschrumpelte Kadaver bluteten aus…   „Wir fügen Brodifacoum hinzu…wringt sie aus, bis sie komplett trocken sind…“   Er gefror an Ort und Stelle zur Salzsäule, als er diese Stimme vernahm.   Alles…einfach alles in ihm verschloss sich und erstarrte…einzig und allein die Panik in ihm bewegte sich…der Druck stieg an der Rückseite seiner Kehle auf.    Das ist nicht real…   Fangzähne und Klauen gruben sich in sein Schienbein…   Das ist nicht real.   Ruten und Körper schlangen sich um seine Knöchel…   Vergangenheit…es ist nicht real…   Über ihm tanzten Schatten und Gesichter glitten in und aus dem gelblichen Rauch; grotesk und verzerrt in diesem kränklichen Licht. Hände bewegten sich, Ryo wurden zwischen fetten, gierigen Fingern hin und her geschoben; Wetten wurden abgeschlossen und die Einsätze stiegen…Stimmen begannen zu einem Lärm anzuschwellen.    Die Leichen begannen sich zu bewegen.    DAS IST NICHT REAL!   Menschliche Zähne kratzten gegen sein Ohr. „Immer noch mit von der Partie, Junge?“      WACH AUF!   Und das tat er.    Shikamaru wurde mit einem strangulierten Schrei aus dem Albtraum gerissen und rollte sich scharf auf die Seite. Krampfartig packte er die Kante seines Bettes und senkte den Kopf, als müsste er sich übergeben. Doch nichts stieg seine Kehle empor oder verließ sie, außer einem zerfetzten zitternden Atem.    Sein Herz hämmerte wie Donner.    Schweiß tropfte seine Nase hinab.    Scharfe Strähnen aus Schwarz hingen ihm in die Augen, da sie dem Chaos seines Pferdeschwanzes entkommen waren. Hatte er sich so sehr im Schlaf herumgewälzt? Sein Magen schien sich zu drehen und zwang ihn dazu, heftig die Augen zusammenzupressen. Er hielt sich am Rand des Bettes fest und sog die Luft ein, bevor er sich bebend aufsetzte. Mit den Fingern strich er durch die hängenden Strähnen seines Haares und schob sie von seinem Gesicht fort.    Fuck…   Er zitterte am ganzen Leib; zumindest innerlich.    Wachsam musterte er die Schatten und sah zu, wie sich die phosphoreszierenden Rinnsale des Mondlichtes am Ende des Gästebettes sammelten.    Gästebett…Ryokan…Ino…Chōji…   Mit den Fingern strich er über die Seidendecke des Futons und seine schwitzige Handfläche blieb an den Laken kleben.    Traum…   Shikamaru schälte sich aus seinem feuchten Shirt, während er sich aufrichtete; die Muskeln in seinem Oberkörper spielten und Rippen hoben sich, als er keuchte. Er stellte sich fest hin und krümmte die Zehen in den plüschigen Teppich.    Hätte in mein eigenes Zimmer gehen sollen…   Er hatte nur das Glück gehabt, dass diese riesigen luxuriösen Suiten einen zusätzlichen Bereich für Gäste besaßen. Energisch ignorierte er die Kälte, die seine Haut abkühlte und Härchen aufstellte, während er den Futon umrundete und den Schrank nach einem Yukata durchwühlte. Eine von zwei burgunderfarbenenen Roben zerrte er heraus und versuchte sein Möglichstes, diese blutige Farbe mit nichts aus seinem Traum in Verbindung zu bringen.    Albtraum…   Einen, wie er ihn seit zwei Jahren nicht mehr gehabt hatte.   Er band den Gürtel des Yukata fest und schlüpfte aus dem Gästebereich, um den Korridor zurück zum Hauptraum der Suite zu folgen. Schon von weitem konnte er das leise Brummen des Fernsehers hören und das schummrige Leuchten des Bildschirms war das einzige Licht, um darin die Bewegungen koordinieren zu können. Bedacht hielt sich der junge Nara in den Schatten und stützte sich mit der Schulter gegen den Schieberahmen; dunkle Augen richteten sich auf seine Teamkameraden.    Chōji und Ino saßen beide auf der Couch.    Ino hatte ihren Kopf gegen die Schulter des Akimichi gelehnt, die Beine unter sich gefaltet und sich eine dunkle Decke um die eigenen Schultern gelegt. Der Stoff floss zusammen mit ihrer gelösten flachsfarbenen Mähne hinunter über die Ränder des Sofas.    Sie schien zu dösen.    Chōji hingegen blieb vollkommen wachsam und folgte dem abgehackten Aufblitzen des Bildschirmes, die seine faszinierten Züge in ein scharfes Relief warfen. Geräuschvoll mampfte er eine Schüssel mit Tiercrackern, die auf Inos Schoß stand. Die Yamanaka nuschelte irgendetwas. Großzügig bot Chōji ihr einen Keks an und mit einem Stöhnen drehte sie ihr Gesicht weiter in seine Schulter.    Shikamaru schmunzelte leicht und trat aus den Schatten.    Und etwas bewegte sich mit ihm...   Es zog sich gegen den Stoff seines Yukata; eine seltsam statische Empfindung, die über seine Haut kribbelte. Beinahe wie Chakra. Stirnrunzelnd spähte er nach unten. Die Schatten um ihn herum schienen anzuschwellen und zurück zu schrumpfen; wie schwarze Wasser, die versuchten, ihn in sich zu ziehen.    Oder war es ein Trugbild ausgelöst durch das Licht des Fernsehers? Oder durch seinen Verstand?   Energisch schüttelte er die Anspannung ab und durchquerte den Raum hinüber zum Sofa. Ino hob den Kopf und blinzelte schläfrig, während sie aus geschwollenen, geröteten Augen zu ihm aufsah.    „Du sollst doch schlafen.“, tadelte sie immer noch ein wenig lallend.    Shikamaru hob eine Braue und erwiderte mit müde-heiserer Stimme: „Du auch.“   Ino lehnte sich lächelnd gegen den Akimichi. „Chōji ist mein Kissen.“   Ohne die Augen vom Bildschirm abzuwenden, reckte Chōji den Kopf etwas nach oben. „Ich dachte, du wolltest ins Koma fallen.“, triezte er leicht.    Kopfschüttelnd versuchte Shikamaru, die Bilder zu ignorieren, die sein Hirn ununterbrochen hoch würgte. Verzweifelt rammte er eine mentale Tür zu und verriegelte sie so gut er konnte.   Ablenkung; das war es, was er gerade dringend brauchte.    Er setzte sich auf den Boden und stellte ein Knie auf, um seinen Unterarm darauf abzulegen. Seinen Fokus richtete er auf den Bildschirm und er gab sich Mühe, sich auch wirklich auf den Film zu konzentrieren. Hinter ihm veränderte Ino die Position und er beugte sich nach vorn, um einem Tritt auszuweichen, als sie ihre Beine unter sich heraus zog.    Dann spürte er ihre Hand an seiner Schulter. „Deine Haare haben sich etwas gelöst.“   Shikamaru schüttelte sie ab. „Mn.“   „Darf ich sie wieder für dich zusammenbinden?“   Chōji schnaubte. „Niemand berührt die Ananas.“   „Halt die Klappe.“, seufzte Shikamaru, doch seine Lippen kräuselten sich leicht.    Ino schnippte an ein paar der dichten scharfen Strähnen, die an seinem Kiefer hingen. Sofort zog Shikamaru auf defensive Art eine Schulter an sein Ohr und verzog zornig das Gesicht wegen der Berührung.    „Ino…Nicht!“, murmelte er leise, aber nachdrücklich.   „Wir sind früher als Genin oft lange aufgeblieben und haben uns Gruselfilme angeschaut…“, sagte sie.   Shikamaru senkte seine Schulter leicht und ein beinahe schon liebevoller Ausdruck der Erinnerung huschte über sein Gesicht. „Ja…“   „Und du hast alle verschlafen.“, bemerkte Chōji kichernd. „Sogar das ganze Geschrei. Ich war irgendwie echt beeindruckt.“   „Sie gehen sowieso alle gleich aus.“, argumentierte Shikamaru und streckte einen langen Arm aus, um die Schüssel mit den Keksen zu finden, denn er brauchte dringend etwas, um das Rumoren in seinen Eingeweiden zu stoppen.    Ino schlug seine Finger beiseite, sortierte alle Hirschförmigen Cracker heraus und legte sie ihm in die Hand. „Hier, dein Harem.“, giggelte sie.    Shikamaru schnaubte. „Wie originell. Aber das sind keine Ricken.“   Schmollend schob Ino die Unterlippe vor und Chōji musste die Keksschüssel in Sicherheit bringen, als sie sich nach vorn lehnte, um über Shikamarus Schulter auf die Cracker in seiner Handfläche zu schielen. „Ricken?“   „Jo, das sind keine Hirschkühe.“, erklärte der Schattenninja und zeichnete mit einem Streichen seines Fingers die Details von Geweihen auf den Crackern nach. „Siehst du? Böcke.“   „Ooooh.“   Shikamaru schmunzelte und reichte ihr einen der Cracker, damit sie sich ihn genauer ansehen konnte.    „Daaaw, es ist ein kleiner Shika.“   Chōji brachte sie mit einem genervten ‚Pssst‘ zum Schweigen. „Hey, hey, da ist ein Typ mir einer verrückt aussehenden Maske, jetzt kommt der beste Part.“   Shikamaru opferte einen weiteren Hirsch an Inos Inspektion und ließ einen Keks wie eine Münze über die Knöchel seiner Finger tanzen; vor und zurück, vor und zurück.   Und während er ausdruckslos auf den Bildschirm stierte, führte er diese Bewegung fort.    Für volle zehn Minuten schaffte er es, der Handlung zu folgen, versunken in dieser abwesenden Zone aus träger Fokussierung…Fokussierung, die zu entgleiten begann…bis es so weit war, dass er den Schauspielern zwar zusah, wie sie sich bewegten, aber der Geschichte oder den Dialogen keinerlei Beachtung mehr schenkte. Seine Augen wurden glasig und die Figuren begannen zu verschwimmen, bis der Bildschirm zu etwas wurde, das nur ein verwaschener Dunst an der Peripherie seiner Wahrnehmung war.   Und dann begann sich eine ganz andere Szene in seinem Kopf abzuspielen.    Eine, die er bis in die hintersten Winkel seines Verstandes gespult hatte und sie für Jahre auf ‚Pause‘ gehalten hatte.    Zwei Jahre.   Und mit einem Schlag setzte sich der Film in Bewegung; eine Rolle verblichenes Filmband, das immer mehr Definition annahm.   Nein…   Immer wieder ein Aufblitzen des Albtraumes; Phantome der Vergangenheit.   Es ist nicht länger real.   Invertierte Bilder, deren Farben einst ausgewaschen worden waren…jetzt bluteten sie wieder zurück.   Stop.   Verzweifelt versuchte er, in seinem Hirn auf ‚Pause‘ zu drücken und kämpfte darum, das zurück zu spulen, was gerade in seinem Kopf abzulaufen begann. Er kannte die zerebrale Technik der Abkopplung. Er hatte sie erlernt, ausgeführt und perfektioniert; und das innerhalb von nur zwei Wochen als er fünfzehn Jahre alt gewesen war.    Mach es nochmal. Du weißt, wie es geht…   Shikamaru begann, den Keks schneller über seine Knöchel wirbeln zu lassen und seine Atmung beschleunigte sich zu einem leichten Keuchen. Sein Kiefer verschloss sich und seine Augen verloren den Fokus.    Fuck…ich kann nicht…   „Shikamaru…“   Der Nara zuckte heftig zusammen.   Mit einem lauten Knacken zerbrach der Cracker zwischen seinen Fingern.    Als hätte man ihnen die Energiezufuhr abgeschnitten, schrumpften die Erinnerungen in seinem Verstand zurück zu einem Schwarz.    Inos Finger lagen spinnengleich auf seinem Kopf und schoben ihn ein bisschen nach links, damit sie einen besseren Blick auf den Fernseher hatte, als sie sich anders hinsetzte.    „Rutsch rüber, Shikaaaaa.“   Viel zu erschüttert, um die Verkürzung seines Namens überhaupt zu registrieren, lehnte er sich fort und schob sich auf die Füße; die kleinen Hirschkekse glitten durch seine Finger und fielen zu Boden.    „Bist du okay?“, fragte Chōji und sah zu ihm auf.    „Jo.“ Shikamaru nickte und schob seine Hand an den Nacken, während er sich der Tür zuwandte, die auf die Veranda führte. „Ich brauche nur etwas frische Luft.“   Langsam schritt er durch den Raum, zog die Papiertüren zurück und schlüpfte nach draußen, bevor er sie hinter sich zuschob. Der Wind traf wie zahllose winzige Nadeln auf seine Haut, hakte sich in den gekreuzten Saum seines Yukata und zog den Stoff beiseite wie kalte Finger, die nach seiner Brust suchten.    Er machte sich nicht die Mühe, den Yukata wieder zurecht zu ziehen.    Bedächtig trat er an den Rand des Balkons und stützte seine Ellbogen auf der hölzernen Balustrade ab, bevor er den Kopf tief hängen ließ und nach hinten griff, um seine Finger an seinem Nacken zu verschränken. Er drückte einmal zu; nahm und entließ einen langen, langsamen Atemzug durch die Nase.    Ganz ruhig…   Während er die Hände sinken ließ, richtete er sich ein wenig auf.    Atme…   Und als er seinen Herzschlag dazu lockte, sich zu beruhigen, musterte er die Laternen, die die Gärten beleuchteten, durch die er vorhin mit Temari spaziert war; mit abgeschirmten Augen zeichnete er den Steinpfad nach. Sein Blick folgte den Pflastersteinen auf und ab und irgendwie fand er eine Ablenkung in ihrer akkuraten Anordnung; aber keinen Frieden. Und dann glitt sein Blick himmelwärts, unausweichlich hinauf gezogen zu der glühenden Sphäre, die die Welt unter sich weißwusch.    Der Mond war noch nicht ganz voll; ein schmaler Schatten hing an der einen Seite.    Shikamaru sog scharf die Luft gegen den Stich in seiner Brust ein und kämpfte ihn nieder.    ‚Götter, du bringst mich dazu, nicht mehr kämpfen zu wollen…‘   Er presste hart die Lider zusammen, als die Erinnerung an diese tiefe volltönende Stimme durch seinen Geist rollte; sich kummervoll durch ihn zog.    ‚Du bringst mich dazu, mich nach einer Ruhe zu sehnen, von der ich mir nicht erlauben kann, sie zu brauchen, Shikamaru.‘   Bedürfnis. Er fühlte es. Es glühte auf wie Funken und versengte und durchstach das rohe Organ, das schwer und kummervoll schmerzend in seiner Brust schlug.    Das Geräusch der Türen, die aufgeschoben wurden, riss ihn von der Erinnerung fort.    Seine Wimpern hoben sich bebend.   „Ich habe dir Tee gebracht.“, sagte Ino leise und klang dabei immer noch etwas benommen.    Er drehte sich ein kleines Stück und neigte seinen Kiefer von dem wabernden Dampf fort, als sie ihren Arm auf seiner Schulter ablegte und ihm die Teetasse unter die Nase schob. Das duftende Aroma von Jasmin wurde von dem warmen Nebel mit sich getragen. Langsam hob er die Hand und nahm das angebotene Getränk entgegen. Das warme Porzellan taute die Kälte seiner Finger auf.   „Danke.“, krächzte er und hob die Tasse an die Lippen.    Doch er bekam keine Chance, einen Schluck zu nehmen. Seine Zähne klackten hart gegen den Rand, als Ino gegen seinen Rücken zusammensackte und ihren Arm in einer halben Umarmung über seine rechte Schulter gehakt hielt. Die langen Trompetenärmel ihres lilanen Yukatas flatterten in der Brise.    Er hatte nicht einmal die Energie, sie abzuschütteln; er fühlte sich zu roh, um verärgert zu sein und war zu müde, um sich gegen lockere und unkomplizierte Zuneigung zu wehren, auch wenn sie ungerechtfertigt war. Langsam richtete er den Blick zurück auf die Gärten.    „Du kannst schon wieder nicht schlafen?“, murmelte Ino gegen seine Schulter.    Shikamaru presste die Lippen zusammen. „Nein…“   „Armer Shikamaru…Morgen wirst du furchtbar aussehen…“   Er grinste schief. „Danke.“   „Es liegt an deinem riesigen Hirn…“   Shikamarus Atem stockte für einen Moment und der Dampf seiner Tasse erzitterte. „Ino…“   „Mmmhmmm?“   Er richtete seine Aufmerksamkeit auf eine der Laternen unter sich und schätzte, dass jetzt vermutlich der beste Moment war, sie noch einmal zu fragen. Eine Lüge würde er leicht genug erkennen und in ihrem jetzigen Zustand hätte sie es ohnehin viel schwerer, sich eine auszudenken.    „Hast du vorhin versucht, mich zu lesen?“   „Du glaubst doch nicht an Sternzeichen…“, seufzte sie.    „Das meine ich nicht. Hast du versucht, in meine Gedanken einzudringen?“   „Pfft.“ Inos Schnauben streckte sich zu einem Gähnen. „Ich will auf gar keinen Fall in deinem Hirn verloren gehen…“   Er konnte keine Lüge entdecken – fand aber auch keine Antworten.   Verdammt.   Blicklos stierte Shikamaru auf die Silhouette eines Ahornbaumes und schob rabiat alle unmittelbaren Gedanken außer den kalten harten Fakten von sich, während er seine Reaktion auf ein Minimum beschränkte und einzig und allein die rationalen Schlussfolgerungen ansprach.    Ich bin müde. Ich habe mein Limit erreicht. Ich habe die Kontrolle verloren. Ich habe genug über diesen Mist gelesen, um Bescheid zu wissen.    Er hatte die Lektionen gelernt und begriffen, wie er dieses Wissen anwenden musste. Die Techniken, die über die letzten beiden Jahre hinweg wieder und wieder funktioniert hatten, waren inzwischen vollkommen unterbewusst und automatisch geworden. Also musste er einfach nur die Methoden erneut in einer Schleife in seinem Verstand ablaufen lassen und sicherstellen, dass sich die Muster diesmal noch tiefer in ihm verwurzelten.    Mehr muss ich nicht machen.   Dämlich. Simpel.   Als sich etwas von seiner Anspannung löste, hörte er nicht, wie sich die Shojitür öffnete. Er bemerkte nicht einmal die semi-vergrößerte Hand, bis sie neben ihm schwebte – mit einer schäbig aussehenden Kamera zwischen die großen Finger geklemmt. Das Plastik hatte Risse und war zerkratzt, aber die Linse hatte überlebt.    Shikamarus Blick glitt zur Seite und er schüttelte marginal den Kopf. „Nun, ich werde wohl verdammt sein.“   „Gelegentlich verblüffe ich mich selbst.“ Chōjis Stimme nuschelte durch die Shojitüren. „Allerdings ist dieser Winkel ziemlich beschissen.“   Schmunzelnd hob Shikamaru eine Braue, während er die Kamera musterte und seine Stimme etwas hob, sodass sie über seine Schulter rollen konnte. „Wo hast du sie her?“   „Der Vogel mag mich.“, sagte Chōji leichthin.    „Wie lästig.“   „Ach komm schon. Nur ein Schnappschuss von den Geburtstagskindern.“   „Ich möchte eins.“, murmelte Ino schläfrig.    Shikamarus Braue bog sich etwas weiter, als er aus dem Augenwinkel zu ihr spähte.    Der Kamerablitz ging los.    Und bis die explodieren Punkte aus Shikamarus Sichtfeld verschwunden waren, hatte sich Chōji bereits siegreich zurückgezogen und lachte etwas, dass verdächtig nach ‚Eins für das Buch‘ klang.    Buch?   Ino gähnte. „Alles Gute zum Geburtstag, Shikamaru.“ Sie drückte ihn leicht.    Als Antwort grunzte er nur, doch er zog sich nicht zurück.    Eine entspannte Stille legte sich über sie und zerrte einen Kummer und eine Traurigkeit in Shikamarus Augen, die Ino nicht sehen konnte.    „Dir auch.“, sagte er letztendlich.   ~❃~   Der phantomhafte Geruch von Regen hing schwer in der Luft.    Neji schritt wie ein Schemen durch den Nebel und schien durch den Dunst zu schweben, der wie ein Laken über Konohas Dächern lag. Die feuchten Roben des Hyūga schmiegten sich an die starken Konturen seines Körpers, klebten nass an seinem Rücken und pressten eine Kälte über seine Wirbelsäule.    Doch er spürte es kaum.    Die Enden seines Haares tropften noch immer und die scharfen, nassen Ecken seiner Ärmel waren von Tropfen durchtränkt, die wie funkelnde Nadelstiche herab fielen.   Der Regen war heftig in den frühen Morgenstunden nieder gegangen und der Nebel war von dem Hokageberg herab gerollt. In einer bleichen Kaskade war er über die Gesichter und Köpfe gezogen, die in den alterslosen Stein gemeißelt waren.    Nejis Byakuganaugen kartierten die vernebelten Dächer und gestatteten es ihm, gefahrlos die Kante entlang zu laufen, die er schon seit einer halben Stunde beschritt. Vor und zurück, vor und zurück wie ein Panther, der zu einem rastlosen Gang getrieben wurde.   Über dem Geruch des Regens konnte er deutlich das steinsalzige Aroma der Heißen Quellen ausmachen.    Er war viel zu nah gekommen.    Die Nacht hatte er unter einem Laken aus Sternen verbracht und er hatte die weit entfernten Funken beobachtet, bis sich vollkommen ungebeten eine gähnende Leere in ihm geöffnet hatte. Er hatte sie vielen verschiedenen Dingen zugeschrieben; der Tatsache, dass er nichts gegessen hatte, der Unsicherheit seiner Zukunft oder der Müdigkeit in ihm, die den Drang verstärkte, einfach anzuhalten und sich für eine Weile auszuruhen. Und der Gedanke an Ruhe hatte sich in Augenblicke verwandelt, die in seiner Erinnerung eingerahmt waren; Fragmente, die an seinem Herzen hingen.    ‚Du bringst mich dazu, mich nach einer Ruhe zu sehnen, von der ich mir nicht erlauben kann, sie zu brauchen, Shikamaru…‘   ‚Ja…und es tut mir nicht leid.‘   Diese Worte hatten ihn heimgesucht, bis der letzte Stern hinter den dunklen Wolken, die über das Dorf rollten, verloren gegangen war. Die Morgendämmerung hatte den Regen mit sich gebracht, doch statt zur Hyūga Residenz zurückzukehren, hatte er sich noch näher an den Ort begeben, um den er eigentlich einen weiten weiten Bogen schlagen sollte.    Er hatte überhaupt kein bewusstes Verständnis dafür gehabt, wo er sich selbst hinführte.   Er hatte einfach zugelassen, dass ihn der Impuls leitete.    Und sein Verstand hatte ihn bei jedem Schritt gewarnt, umzukehren.    Doch jeder Schritt wurde mit diesem logischen Teil schwerer zu koordinieren. Er hatte mit seiner Vernunft gerungen, indem er es ignoriert hatte und war den Warnungen mit unzähligen Verleugnungen begegnet, die ihn zu zahllosen weiteren Schritten getrieben hatten.    Er hatte keinen Zielort gehabt, also hatte es auch keine Rolle gespielt, wohin er lief.    Oder zumindest hatte es keine Rolle gespielt, bis ihn seine Füße über Markisen und die eleganten Neigungen von Ryokandächern getragen hatten, bis er schließlich realisiert hatte, wohin zur Hölle er sich gezogen fühlte.    STOP.   In seinem Hinterkopf war eine Reißleine gezogen worden und ruckartig war er zum Stehen gekommen, hatte einen Kreis der Verwirrung vollführt, seine Schritte zurückverfolgt und war hektisch auf das gegenüberliegende Gebäude gesprungen.    Und das hatte ihn hierher geführt.    Zu diesem Moment.    Und für die letzte halbe Stunde war er hier und lief langsam auf und ab.    Ich kann nicht hier bleiben…   Es war schockierend zu wissen, dass er, obwohl ihm ein ganzes Dorf zur Verfügung stand, in dem er bis zu seiner nächsten Mission ziellos umher wandern konnte, unterbewusst zu dem einen Ort, zu der einen Sache – zu der einen Person getrieben worden war, von der er sich fernhalten musste.    Ich muss gehen…schon wieder…und nochmal…bis es aufhört…   Plötzlich hörte Neji auf zu laufen.    Er hielt mitten in einer Drehung inne; der Ballen seines Fußes war auf die Kante gestützt und die Ferse erhoben.    Aufmerksam hielt er sich starr, hatte den Kopf zur Seite geneigt – lauschte.    Und dann hörte er es erneut.    Das leise Kratzen und Klacken von Nägeln auf Ziegeln.    Seine Byakuganaugen senkten sich und zogen sich zusammen, während sie das Dach scannten und durch den Nebel stachen. Er sah das sich nähernde Tier und entspannte sich, bevor er sich dem kleinen Hund zuwandte, gerade als das Tapsen der Pfoten von Kakashis kleinstem Ninken verhallte.   „Pakkun.“, grüßte Neji, während die Venen um seine Augen schrumpften und sich glätteten.    Die kurzschnäuzige Nase des Mopses zuckte in einem kurzen Schnuppern und der Hund verzog das Gesicht, als er zu Neji hinauf spähte. „Hyūga. Du riechst toxisch.“   Eine von Nejis Brauen wanderte nach oben. „Wie bitte?“   „Ich habe dich einzig und allein anhand dieses Geruchs aufgespürt.“ Die Augen des Hundes senkten sich und die Falten zwischen seinen Brauen wurden noch tiefer, als er erneut in die Luft schnüffelte. „Zeig mir deine Hand.“   Neji ging vor dem Tier in die Hocke und legte einen Arm auf dem verschlossenen Muskel seines Schenkels ab, während er den anderen mit der Handfläche nach unten ausstreckte. Pakkun tapste etwas näher, wobei seine Pfoten auf dem glitschigen Rand des Gebäudes scheinbar mühelos Halt fanden.   Eine nasse Nase stupste Nejis Fingerspitzen an und die Schnauze des Hundes zuckte erneut.    Und dann biss der Mops ihn.    Neji zischte und zog ruckartig und mit einem finsteren Ausdruck auf dem Gesicht seine Hand zurück. „Und was sollte das?“   Pakkun schüttelte sich mit einem Knurren und das Beben lief über seinen kleinen Körper bis zum Ende seiner Rute. Hängende Lefzen zogen sich in einer Miene nach unten, die so nah an einem düsteren Blick war, wie es ein Hund zustande bringen konnte. Seine Zunge rollte und leckte durch die Luft, dann um seine Lippen und versuchte, den Geschmack von Nejis Blut loszuwerden.    „Ugh. Du hast Gift in dir, Junge.“   „Ich weiß.“, erwiderte Neji knapp und sah zu, wie sein Blut über die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger rann. „Brodifacoum. Es wird noch etwas dauern, bis es meinen Kreislauf vollkommen verlassen hat.“   Pakkun ließ ein bellendes Husten hören. „Schmeckt schlimmer als es riecht.“   „Charmant.“, murrte Neji und wischte das Rinnsal aus Rot an dem schwarzen Schurz seiner Roben ab. Zumindest begann das Blut inzwischen wieder, normal zu gerinnen.    „Mein Biss ist schlimmer als mein Bellen.“, gab Pakkun zu und sein Hitai-ate blitzte auf, als er den Kopf nach oben neigte. „Man hat nach dir rufen lassen. Lass uns gehen.“   „Rufen lassen?“ Neji runzelte die Stirn und beäugte den Hund misstrauisch. „Die Godaime oder Kakashi-senpai?“   Pakkun blinzelte nur träge und wandte sich ab, um davon zu trotten. „Beeil dich.“   ~❃~   Schmerz.    Zorniger, qualvoller, lästiger Schmerz.    Shikamarus Rücken gab die Beschwerde an sein Hirn weiter. Und sein Hirn rollte sich herum wie ein Hund, der sich tot stellte. Er versuchte, diesem Beispiel zu folgen, doch sein Nacken verkrampfte sich, seine Wirbelsäule verschloss sich und der Spasmus schoss unter sein Schulterblatt wie ein glühendes Messer.    Verdammt…   Er knurrte ein krächzendes Stöhnen hervor und das Geräusch wurde von dem plüschigen Gewebe der Couch gedämpft, auf der er sich zusammengefaltet hatte.    Nicht der beste Platz, um ein Schläfchen zu machen.    Er grub sein Knie in die Lehne und versuchte, seinen Körper in einen anderen Winkel zu schieben, um die Knoten aus seinem Rücken zu lösen. Doch diese unbeholfene Position ließ ihm keinerlei Bewegungsfreiraum und so rollte er mit der Schulter und zischte gegen das protestierende Ächzen von Muskeln.    Zu schade, dass es nicht der einzige Teil von ihm war, der schmerzte.    Sein Fuß fühlte sich an, als hätte man einen Nagel hindurch gerammt – der Dank dafür war Inos Absätzen zuzuschreiben. Sein Wadenmuskel hatte sich verkrampft und der Arm, der unter ihm gefangen war, schien jedes Gefühl verloren zu haben.    Klasse.   Während er all diese lästigen Beschwerden katalogisierte, streckte Shikamaru seinen freien Arm hinter sich und tastete blind nach dem Rand der Couch, um zu verhindern, dass er herunterrollen würde, wenn er sich umdrehte. Langsam ließ er sich auf seiner anderen Seite nieder und seine Wimpern sanken tief, als er mit trüben Augen durch die Ryokan Suite linste.   Wie spät ist es?   Ein rußiges düsteres Licht hielt sich wie staubige Holzkohle in dem Zimmer; es war ein lausiges Indiz auf die Zeit, aber eine gute Vorahnung auf das Wetter. Shikamaru schielte auf die Shojitüren, die zur Veranda führten.    Immer noch bewölkt…   Es hatte während der Stunden der Dämlichen Uhrzeit heftig geregnet und das Wasser war härter als Hagel auf die Terrasse niedergegangen.   Trotz seiner Erschöpfung war Shikamaru zusammen mit seinen Teamkameraden auf geblieben.   Sie hatten sich gemeinsam irgendeinen Film angesehen, der eine ganze Menge Gekreische enthalten hatte, die von Inos gelegentlichen Besuchen des Badezimmers unterbrochen worden waren – was letztendlich dazu geführt hatte, dass Shikamaru ihr Haar zurück gehalten hatte, als sie ihren Mageninhalt hoch gewürgt hatte. Und Chōji hatte den Schattenninja vollkommen damit allein gelassen, sich um sie zu kümmern, indem er sich strikt geweigert hatte, irgendwie zu helfen. Da dieses Verhalten vollkommen untypisch für den Akimichi war, ging Shikamaru stark davon aus, dass es alles Teil des Plans von seinem besten Freund war.    Er fragte sich ernsthaft, ob es vielleicht Asuma gewesen war, der ihn auf diese Idee gebracht hatte.    Nachdem Inos explosionsartige Erbrechensepisoden vorüber waren, hatten sie es sich wieder gemütlich gemacht, um einen weiteren Film anzusehen, den sie allerdings bereits nach fünfzehn Minuten auf stumm gestellt hatten.    Stattdessen hatten sie sich unterhalten.    Und sie hatten gelacht. Sie hatten auf eine Art und Weise gelacht, wie es schon sehr lange nicht mehr vorgekommen war.    Es hatte sich gut angefühlt; vertraut.    Er hatte es vermisst. Und in der Erkenntnis, dass er es vermisst hatte, realisierte er auch, dass es nicht das Einzige war, was er vermisste. Es war dieselbe grausame Erkenntnis, zu der er gekommen war, als er versuchte hatte, Neji ‚wieder hinzukriegen‘. Die bittere Wahrheit, dass vielleicht auch er selbst fehlende Teile hatte.    Verrückt…   Zwei Wochen, nachdem Neji den einen Weg eingeschlagen hatte und er einen anderen, dachte Shikamaru eigentlich, er hätte die vergangenen Teile seines Selbst begraben, die losgerüttelt worden waren. Er dachte, er hätte sie zurück in die Schatten gezerrt.    Doch er konnte diese Kontrolle nicht in seinen Träumen aufrecht erhalten.    Und jetzt sogar in meinen verdammten wachen Stunden…   Der Gedanke an die Panikattacke, die ihn mitten während der Party getroffen hatte, ließ seine Eingeweide heftiger zusammenkrampfen, als seine steifen Muskeln. Bei allem, was er bei Neji versuchte hatte, wieder zu richten, fühlte es sich an, als ob sich ein sadistischer, unterbewusster Drang durch seinen Kopf krallte und ihn dazu zwang, mal über die Löcher in seinem eigenen Herzen nachzudenken.    Nein.   Shikamaru spürte, wie ein Schmerz an der Basis seiner Kehle anzuschwellen begann.    Dir zu helfen hatte nichts damit zu tun, zu versuchen, etwas in mir selbst zu richten…   Scheiße, wie hätte es auch so sein können? Neji hatte ihn erneut vollkommen aufgebrochen.    Erneut…   Energisch schüttelte er den Gedanken ab, indem er seinen Arm knetete und das Kribbeln von Nadelstichen linderte, nur um seinen Verstand davon abzuhalten, sich noch tieferen Schmerzen zuzuwenden, die er nicht erreichen konnte.    Als wäre es von Belang. Es ist getan.   Er schloss die Augen.    Die Vergangenheit war vorbei. Es war nicht von Belang. Es durfte nicht von Belang sein.    Weil ich mich darum gekümmert habe.   Doch es war die eine Sache für ihn, das zu wissen; und eine vollkommen andere, es auch wirklich zu glauben.   ~❃~   „Asuma…“   Der Ruf seines Namens rollte durch Asumas Hirn wie ein tonnenschwerer Stein und nahm schneeballartig an Lautstärke zu, als er begann, sich zu rühren. Sein Kopf pochte. Es fühlte sich an, als würde eine Abrissbirne von einer Schläfe zur anderen schwingen und ein Pendel nachahmen. Er war sich ziemlich sicher, dass seine Leber gerade eher Blut statt Galle ausstieß.   Super cooler Erwachsener am Arsch…   Eine Hand legte sich an seinen nackten Rücken; kühl gegen seine heiße Haut.   Stöhnend zuckte er auf dem Bett.    Diese Hand glitt seine Wirbelsäule hinauf und weiche Fingerspitzen zeichneten eine große ausgefranste Narbe nach, die sich zickzackartig über sein Schulterblatt zog. Er spürte, wie ein Pinselstrich aus Haar über seinen Rücken kitzelte und dann warme Lippen, die sich gegen seine Schläfe drückten.    „Asuma, es ist Zeit aufzustehen.“, wisperte Kurenai und schlang ihren Arm mit einem leichten Druck um ihn, als er erneut stöhnte. „Was für eine Schande, denn es war wirklich schwer genug, dich letzte Nacht in das Bett zu bekommen.“   „Das ist `ne Lüge…“, murmelte Asuma wimmernd.  Das schroffe Rumpeln seiner eigenen Stimme frischte den Kater auf, den er seit den letzten paar Stunden bekämpfte.    „Du bist durch das Fenster gefallen, Asuma…“   „Bin ich das?“, grunzte er. „Wie zur Hölle bin ich überhaupt zum Fenster gekommen?“   „Auf kreative Weise.“, vermutete Kurenai und strich ihm gönnerhaft über den Kopf. „Du hast mir Geschenke gebracht und mir sogar ein Ständchen gesungen.“   Asuma öffnete einen Spalt breit ein Auge und erstarrte. „Oh Gott…“, krächzte er.    „Es war grauenvoll.“, gestand Kurenai. „Aber sehr süß.“   „Ich kann nicht singen.“   „Der Hund meines Nachbars hat dir da zugestimmt.“   Asuma schnitte eine Grimasse und drehte mit einem lauten Seufzen das Gesicht in das Kissen, während er den Kopf schüttelte. Und während sich sein Ego zu einer Fötushaltung zusammenrollte, dachte er ernsthaft darüber nach, sich selbst zu erwürgen. Als das Bedürfnis nach Luft die Oberhand gewann, hob er den Kiefer und presste stattdessen knurrend seine Wange in das Kissen.    „Kakashi ist ein toter Mann…“   „Aww, fühlst du dich ein bisschen matschig heute Morgen?“, triezte Kurenai und blies einen kühlen minzigen Atem über seine Haarlinie.   Der Geruch von Zahnpasta brachte Asuma dazu, seine Zunge über den Film wandern zu lassen, der seine eigenen Zähne bedeckte. Sein Mund schmeckte nach Asche und abgestandenem Sake. Langsam schluckte er ein Gähnen hinunter und tastete herum, um die Hand in Kurenais Kniebeuge zu haken und ihr Bein über die starke Mulde seines Rückens zu ziehen.    „Du bist unmöglich.“, tadelte Kurenai und unternahm einen halbherzigen Versuch, sich zurück zu ziehen.    Asuma grinste und zog sie sofort wieder zu sich. „Lass mich nicht mit mir allein…“   Sie überraschte ihn, indem sie sich rittlings auf seine Hüften setzte und sich auf seinen Rücken fallen ließ, was ihm mit einem plötzlichen Rausch die Luft aus den Lungen presste.   „Au…sei lieb…“, würgte Asuma hervor und versuchte, nicht zu grinsen.    Kurenai küsste ihn zwischen die Schultern und kicherte, während sie seinen unteren Rücken mit geübten Fingern massierte. „Du musst aufstehen…“   Asuma öffnete ein Auge und feixte. „Oh, ein Teil von mir steht bereits.“   Kurenai hob eine Braue und grub ihre Finger in seine Rippen.    Asumas Lider flogen auf. „NEIN!“, jaulte er mit einem strangulierten Lachen und wand sich auf dem Bauch hin und her, während er aussichtslos versuchte, den kitzelnden Fingern zu entgehen. Es war ihm peinlich, dass er wirklich durch etwas so Bescheuertes entwaffnet und gefoltert werden konnte.    Und Kurenai kannte keine Gnade.    Asuma befand sich im schlechtmöglichsten Winkel, um irgendwie gegen ihren Angriff angehen zu können. Seine kleinen Macken hörten niemals auf, Kurenai zu amüsieren. Keine noch so große Menge an Muskeln, Machogehabe, Maskulinität oder Kraft konnte diese Attacke abwehren. Kurenai empfand es als überaus liebenswert und urkomisch, daran zu denken, dass jemand, der körperlich so stark war, durch so eine kindische Taktik auf einen Haufen um sich schlagender Gliedmaßen reduziert werden konnte.    „Kurenai!“   Doch sie lachte nur und ließ ihn für eine weitere qualvolle Runde unter ihren Händen leiden, die damit endete, dass er vor Lachen auf den Laken bebte und Tränen in den Augen hatte. Er sah nicht, wie Kurenais karmesinrote Seen schimmerten und sich mit Emotion füllten, die sie als Hormone abtat.    Doch das war es nicht.    Sie fuhr mit den Fingern durch das dichte dunkle Durcheinander seiner Haare und lehnte sich nach unten, um sich gegen die gerötete Haut zu kuscheln und seine Schulter mit Küssen zu übersäen.    Asuma summte tief mit Zuneigung. „Das ist gut. Kümmere dich um den Schwerverletzten…“   Kurenai stach ihm in die Rippen, doch die Drohung verwandelte sich rasch in ein zärtliches Streicheln ihrer Hände, als sie sie unter seinen Körper schob, um sich noch fester an ihn zu pressen.    Für ein paar Minuten blieben sie einfach so liegen.   Asuma entspannte sich und war sich vage der alltäglichen Aktivitäten bewusst, die sich jenseits der Wohnungswände abspielten. Trotz des miserablen Tages befand sich das respektable Konohavolk auf den Beinen und nahm den Morgen in Angriff; fleißig und unbezwingbar.    Verantwortungsbewusst.    Asuma konnte sich nicht einmal daran erinnern, die Bar letzte Nacht verlassen zu haben. Er hätte überall hingehen können; alles mögliche anstellen können.    Ich frage mich, ob ich den kleinen Scheißkerl aus dem Ryokan um die Ecke gebracht habe…auf jeden Fall werde ich Kakashi umbringen…   Denn während er keinerlei Erinnerung daran hatte, sich von dem Kopierninja verabschiedet zu haben, konnte er sich sehr wohl ins Gedächtnis rufen, dass der silberhaarige Ninja Genma zu dem Trinkfest eingeladen hatte. Das letzte, woran sich Asuma außer an eine ganze Menge Lachen und ein paar tiefe suchende Blicke in seinen Sakebecher noch erinnern konnte, war der Drang, nach Hause zu gehen.    Nach Hause.   Ein winziges Stückchen Nüchternheit hatte ihn zu Kurenai geführt. Wahrscheinlich hatte es bereits gedämmert, als er durch das Fenster gestolpert war. Er hatte keine Ahnung. Langsam hob er die Lider und warf einen spekulativen Blick auf die Vorhänge. Durch einen Spalt in den Gardinen fiel ein trister Lichtstrahl herein und tauchte den Raum in schattenhafte Farbtöne.    „Wann bin ich durch das Fenster gefallen?“ Seine Stimme schreckte sie auf.    Kurenai holte Luft, als wollte sie etwas sagen, doch stattdessen hielt sie den Atem.    Asuma spähte über die Schulter und musterte sie aus dem Augenwinkel. „Mn?“   Kurenai zögerte, bevor sie sich noch näher an seine Wärme drückte und ihr Gesicht war nur noch gerade so sichtbar, als sie ihre Wange gegen sein Schulterblatt drehte. „Ziemlich früh morgens.“   „Scheiße…habe ich dich geweckt?“   „Ich bin froh, dass du das getan hast.“   Sonst sagte sie nichts und ließ stattdessen ihr Schweigen für sich sprechen. Es presste sich um die beiden, bis Asuma spürte, dass es nicht voll von unausgesprochenen Worten war, sondern viel eher mit Worten, an die er sich nicht mehr erinnern konnte.    Für einen Moment beäugte er sie und rang mit sich selbst. „Ich habe dir nicht nur vorgesungen, oder?“   Kurenai blinzelte etwas zu schnell und zauberte ein wackeliges Lächeln auf ihre Lippen. „Du hast auch Regenwasser über meinem ganzen Teppich verteilt.“   Stirnrunzelnd zog Asuma die Ellbogen unter sich und fing an, sich umzudrehen. Kurenai rutschte auf den Knien zurück und gab ihm genug Freiraum, um sich gegen das Kopfbrett aufzusetzen.    Ihre Lippen krümmten sich zu einem leichten Lächeln. „Also…Team Typ braucht noch einen Knackarsch-Typ, oder wie soll ich das verstehen?“   Asuma blinzelte weitäugig.   Team Typ?   Das brachte ein paar peinlich laute Glocken in seinem Hirn zum Klingeln. Er hatte keine Ahnung, wieso, aber er schaffte es irgendwie, eine entspannte Miene beizubehalten. Automatisch wanderte seine Hand auf der Suche nach seinen Zigaretten zum Nachttisch. Kurenai beobachtete ihn aufmerksam und sagte kein Wort; ihre eigene Hand strich über ihren Bauch. Sofort änderte Asuma die Richtung seines Armes und kratzte sich stattdessen den Kiefer.    „Also…habe ich zwischen meinem Gesang auch noch ein paar andere Sachen gesagt, huh?“   Sie lächelte und tiefe Zuneigung machte ihre Stimme weich und den Ausdruck in ihren Augen sanft. „Du hast eine ganze Menge Dinge gesagt.“   Eine Grimasse zupfte an Asumas Mundwinkeln. „Wie zum Beispiel?“   Kurenai biss sich auf die Lippe, bevor sie wieder nach vorn rutschte, um sich auf seinen Schoß zu setzen. Liebevoll schlang er einen Arm um ihre Taille und ließ den Kopf nach hinten kippen, als sie mit ihren Fingern durch sein Haar fuhr, um dunkle Strähnen von seinen Augen fort zu streichen.    Und dann richtete sie kopfschüttelnd einen suchenden Blick auf ihn. „Du bist ein guter Mann, Asuma.“   Die Augen des Sarutobi zuckten in reflexartigem Schuldbewusstsein.    Was um alles in der Welt hatte er gesagt, um diesen Haken auf der Checkliste seines Charakters zu verdienen?   Vorsichtig drehte er die Worte in seinem Kopf herum, um den wahrscheinlichsten Kontext herauszufinden, in dem sie standen. Was auch immer er gesagt hatte, um sich dieses Kompliment zu sichern; es war ein Punkt zu seinen Gunsten, von dem er nicht sicher war, ob er ihn auch wirklich verdient hatte. Doch Kurenais Augen hielten dieses weiche zärtliche Glühen in sich. Ein Glühen, das einen unangenehm dumpfen Schmerz in Asumas Magengrube hervorrief…als könnte er welche Wunde auch immer spüren, die sich zweifelsohne geöffnet haben musste, damit er seine emotionalen Eingeweide herauf würgen konnte.    „Ah Shit, sag mir nicht, dass ich geflennt habe.“, neckte er und versuchte, die Kante aus seinem Unbehagen zu nehmen.    Doch seine Worte brachten sie nicht zum Schmunzeln und sie fuhr einfach nur fort, beruhigend mit den Fingern durch sein Haar zu streichen. Und diese Berührung war, was ihn am meisten beunruhigte. Er brauchte keinen Trost, oder? Scheiße…hatte er wirklich?   Asuma verzog das Gesicht. „Bitte sag mir, dass ich mit mehr Würde geheult habe, als ich gesungen habe.“   Kurenai schüttelte den Kopf. „Du hast nicht geweint.“   Oh Kami sei Dank!   „Aber ich weiß, dass es dich schmerzt.“, fügte Kurenai hinzu.    Aus Gründen, die Asuma lieber nicht benennen wollte, versteifte er sich gegen den plötzlichen Drang, jeden Beweis auszulöschen, den sie hatte, um diese Aussage zu unterstützen. Stattdessen griff er nach oben, um seine Finger um ihre Handgelenke zu schlingen und ihre Bewegungen zu stoppen.    „Mich schmerzt?“, echote er und spielte sein Unbehagen mit einem unbeholfenen Lächeln herunter, während er sie verwirrt ansah.    Kurenai nickte und umfasste seine Wangen, als sie ihre Blicke verband. „Du hast niemanden im Stich gelassen.“   Das Lächeln fiel schlagartig aus Asumas Gesicht.   Seine Stirn legte sich in Falten und er zog den Kopf zurück, um ihn gegen das Brett sinken zu lassen. Brandyfarbene Augen fixierten sich auf ihr Gesicht, als Kurenai mit dem Daumen über seine Knöchel strich.    Jemandem im Stich gelassen…?   Abgesehen von seinem Vater gab es nur eine einzige Person, bei der er das Gefühl hatte, sie wirklich im Stich gelassen zu haben.   Shit.   Ein eingezogener Atem und plötzlich konnte Asuma die Frage nicht mehr aufhalten, die aus ihm stolperte.    „Was habe ich zu dir gesagt?“   Kurenai lächelte traurig. „Was du zu Shikamaru sagen musst.“   ~❃~   „Du musst es ruhiger angehen, Hyūga.“   „Ruhiger…?“   An seinem peripheren Sichtfeld sah Neji, wie sich Kakashi mit den Fingerspitzen über seinen maskierten Mund fuhr.    Ich bin froh, dass zumindest einer das hier so amüsant findet.    Während er die Godaime anstarrte, spiegelte der Ausdruck auf Nejis Gesicht seine Meinung über ihre Aussage deutlicher wider als irgendein antwortendes Wort. Seine eleganten Brauen zogen sich scharf zusammen und seine Lippen wurden zu einer schmalen Linie, als sich die Haut über seinen Wangenknochen ebenso straff zog wie die Linie seines Kiefers.    „Du bist gerade erst aus Hanegakure zurück gekommen.“, betonte Tsunade.    „Von einer Gesandtenmission. Das ist wohl kaum anstrengend.“   „Du befindest dich immer noch in medizinischer Regeneration.“, argumentierte Tsunade. „Und zu dem kommt auch noch das.“ Mit dem Kopf nickte sie in Richtung der Schriftrolle auf ihrem Schreibtisch. „Du hast dich sofort für sechs neue A-Rang Missionen eingetragen, inklusive zwei, die dich viel zu weit ins Feld führen.“   „Ich habe mich genug erholt, um wieder auf dem Niveau zu operieren, auf dem ich immer gearbeitet habe. Und diese Missionen sind alle in Nachbarländern.“, begründete Neji.    Eine von Tsunades feinen Brauen wanderte nach oben. „Das heißt nicht, dass sie weniger weit entfernt sind. Obwohl ich so ein Gefühl habe, dass dich das überhaupt nicht stören würde, oder?“   Mit steinernem Gesicht starrte Neji sie an.    Tsunade klopfte mit den Nägeln auf das ausgerollte Papier auf ihrem Tisch und deutete damit auf die Missionsliste und den ordentlichen Schwung seines Namens daneben. Stur hielt Neji seine Augen auf sie gerichtet; nicht dazu bereit, auch nur einen Bruchteil seiner Aufmerksamkeit dem zukommen zu lassen, von dem sie versuchte, seine Zustimmung zu erhalten.    Nein. Ich kann nicht hier bleiben.   „Erholung ist wichtig, Hyūga.“   „Wenn ich verwundet wäre.“, konterte Neji und passte seinen Tonfall seiner todernsten Miene an. „Das bin ich nicht.“   „Aber das warst du. Und genau aus dem Grund, weil du es übertreibst.“, erinnerte Tsunade ihn und setzte die Ellbogen auf der Kante ihres Schreibtisches ab. „Und jetzt bist du wieder mitten im Spiel. Ginge es hier um irgendjemanden sonst, dann wäre ich von diesem Enthusiasmus beeindruckt. Aber in deinem Fall ist es ein Anlass zur Sorge.“   Ein Spur Panik trieb sich wie eine Nadel in Nejis Herz.    Nimm mir das nicht weg.   Er brauchte es, weiter voran zu kommen und nach mehr zu streben. Wenn er nicht bewies, dass er stabil war und fähig genug, um ANBUs Maske zu tragen, dann würde sie ihm weggenommen werden. Stillstand war keine Option. Er war so stolz auf diese Entschlossenheit, die ihn zu dem machte was er war und ihn so weit gebracht hatte.    „Hyūga? Hörst du mir zu?“   Neji neigte leicht den Kopf; gerade weit genug um zu signalisieren, dass er sie gehört hatte, aber nicht, dass er dem zustimmte.    Tsunade runzelte die Stirn und spähte zu Kakashi. Das kürzeste Lächeln machte sich auf Kakashis Gesicht unter der Maske bemerkbar, doch es war sofort wieder fort. Genervt verdrehte Tsunade die Augen zur Decke und schüttelte den Kopf. Als sie ihren Blick wieder senkte, legte sich eine lange und bedeutungsschwere Paus über sie.    „Du drängst dich selbst zu sehr, Neji.“   Neji sah direkt neben Tsunades Kopf, um ihre Augen zu meiden und atmete bedächtig ein; zog die Luft langsam und stet durch die Nase ein, um sich vom Schnauben abzuhalten.    Ich habe mich schon immer so hart vorwärts gedrängt.    Er konnte es sich nicht leisten, sich nicht so hart zu drängen.    Sich selbst zu strapazieren, um zu tun, was notwendig war, war viel besser, als einfach nur rumzuliegen und darüber nachzudenken, was getan werden müsste. Und Tsunade schien seinem Gedankengang ebenfalls zu folgen, denn sie seufzte leise und beobachtete ihn über ihre verschränkten Finger.    Die Stille hielt sich für einen angespannten Herzschlag.    „Was sind deine Motive, Hyūga?“, fragte sie letztendlich.    Diese Worte erschütterten Neji bis ins Innerste.    Schon wieder diese vermaledeite Frage!   Nach außen veränderte sich seine Miene nicht, die Richtung seines Blickes aber schon. Aus den Augenwinkeln sah er scharf zu Kakashi. Der Kopierninja verlagerte sein Gewicht und spähte mit einem gelangweilten Blick nach draußen, während er die Hüfte gegen das Fensterbrett lehnte.    „Meine Motive sind dieselben wie immer.“, antwortete Neji und hob etwas die Stimme, um sie bis zu Kakashi tragen zu lassen und fügte einen spitzes Funkeln hinzu.    Das graue Auge des Kopierninjas observierte ihn in der Scheibe, doch der silberhaarige Shinobi wandte nicht den Kopf um. Nejis Aufmerksamkeit wanderte zurück zu Tsunade. Die Hokage sah zwischen den beiden hin und her, als versuchte sie, die Signale zu entschlüsseln, die vermittelt wurden und was sie mit den gesammelten Informationen anfangen sollte.    Sie zog die Brauen zusammen. „Erklär dich etwas näher.“   Neji senkte den Blick hinunter auf ihren Schreibtisch. „Diesem Dorf meinem besten Können nach zu dienen, Tsunade-sama.“   „Deinem besten Können nach zu dienen, hmn?“ Kakashis Stimme verharrte bei einem luftigen Tonfall mit nur dem Hauch einer herablassenden Belustigung. „Ich dachte, es hätte mehr mit Notwendigkeit zu tun.“   Neji sträubte sich gegen die lässige Art, mit der der andere Jōnin seine Worte abtat oder sie verdrehte – als wäre diese ganze Situation irgendein halbwüchsiges Spiel, das nur gewonnen wurde, indem man den Weisheiten seiner Vorfahren nachgab.   Er war von der ‚Weisheit‘ seiner Vorfahren sein ganzes Leben lang kontrolliert worden.    „Diese Ziele bedingen sich gegenseitig, Senpai.“   „Tun sie das?“ Kakashi legte den Kopf in den Nacken und warf einen spöttisch-meditativen Blick zur Spitze des Fensters. „Notwendigkeit ist ein ideologisches Konzept, das mit Überleben assoziiert wird statt mit Dienstbarkeit.“   Neji biss die Zähne zusammen und die Kadenz seiner Worte veränderte sich zu etwas Knappem und Abgehacktem. „Mir war nicht klar, dass es ein festgelegtes ideologisches Skript gab, dem ich hätte folgen sollen.“   „Oh, ich denke, dass deine Vorstellung von Notwendigkeit weniger damit zu tun hat, dass du einem festgelegten Skript folgst, Neji.“ Kakashi fing seinen Blick im Fenster auf. „Und alles damit, deine festgelegte Rolle darin zu ändern.“   Clever.   Vor zwei Wochen hätte er wahrscheinlich darauf reagiert. Und zwar explosiv. Doch angesichts des Empfindens von Ruhe und Verständnis, das er unter der Führung des Tempelmönches erlangt hatte, war er inzwischen in der Lage, die Wellen des Zorns zu beruhigen, bevor sie nach außen brechen konnten. Seine Gesichtszüge verloren ihre angespannte Kante und glätteten sich zu etwas Gelassenerem, aber auch Kälterem.    Kakashis Augen hielten die seinen im Glas. „Du glaubst wirklich, dass ANBU das Beste in dir zum Vorschein bringen wird?“   Neji neigte den Kopf. „Offensichtlich war das bei dir ja nicht der Fall, Senpai.“   „Neji.“, warnte Tsunade.    Doch Kakashis Auge bog sich in einem ehrlichen Schmunzeln, während er ihn immer noch mithilfe der Reflexion musterte. „Er hat nicht unrecht.“   „Das war jetzt genug Gerede über ANBU.“, knurrte Tsunade. „Dieses Thema steht erst vollständig zur Diskussion, wenn du den notwendigen Beweis erbracht hast, dass du dich auf festem Boden befindest, statt dich an gefährlichen Abgründen zu bewegen, Hyūga.“   Neji schloss die Augen und beugte den Kopf. „Ich verstehe. Gewähre mir die Chance, die Missionen abzuschließen, für dich ich mich eingeschrieben habe und ich werde dir und Kakashi-senpai alle erforderlichen Bestätigungen liefern.“   Tsunades Augenbrauen wanderten nach oben und ein leises Lachen löste sich hinter ihren Händen und drehte sich, um nach ihrem Tee zu greifen. „Oh, du musst weder mich, noch Kakashi überzeugen, Hyūga.“   Nejis Lider flogen ungläubig auf und sein Blick zuckte nach oben. „Was?“   Kakashi spähte zu ihm hinüber; ein Sinnbild abgestumpften Desinteresses, als er in einem halben Achselzucken eine Schulter hob. „Täusch dich nicht. Das hier hat überhaupt nichts mit mir zu tun – als Ratgeber wider Willen, der ich bin.“   Tsunade schnaubte spottend und augenrollend in ihren Tee.    „Ratgeber…“, echote Neji vage und mochte den Geschmack dieses Wortes überhaupt nicht; oder was es implizierte.    Was zur Hölle ist das hier? Irgendeine Art Inquisition meiner psychischen Gesundheit?   Kakashis Auge verzog sich mit einem Lächeln zu einem Halbmond. „Der, den du überzeugen musst, steht im Rang weit über mir.“   Neji hob eine Braue. „Und wer wäre das?“   Kaum hatte er diese Frage ausgesprochen, fiel auch schon ein Schatten von außen und hinten über Tsunades Schreibtisch. Eine schlanke, drahtige Gestalt schwang sich an das Fenster, um einen Unterarm an dem oberen Rand des offenen Fensters abzustützen. Der Kopf des Shinobi senkte sich gerade weit genug, dass er von unter seinem Arm und durch halb geschlossene Augen in den Raum spähen konnte.    Nejis blasse Augen weiteten sich und seine Lippen teilten sich zu einem scharfen angespannten Atemzug.    Das vernarbte Gesicht des Ninjas fiel halb in die Schatten und die sichtbare Seite seines Mundes bog sich ein winziges Stück nach oben. Doch es lag nicht der geringste Hauch von Humor in diesen rasiermesserscharfen, nicht blinzelnden Augen.    „Das wäre ich.“, sagte Shikaku gedehnt.     _____________________ Tja Neji...da hast du jetzt wohl ein...kleines...Problem... Aber es war denke ich klar, dass Shikaku auch im Zusammenhang mit Neji nochmal die Bühne betritt. Und tada, hier ist er ;)  Und Shikamaru, ja, er bekommt immer mehr Risse und die Vergangenheit sickert durch... Ich hoffe natürlich wie immer sehr, dass es euch gefallen hat und würde mich sehr über Meinungen freuen! Vielen Dank auch an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)