Stichflamme von Coronet (Der Aufstieg des Phönix) ================================================================================ Kapitel 38: Maskerade --------------------- »Bereit?« Eileans Stimme überschlug sich vor Freude geradezu. Sie stand auf halber Treppe, ein Stück vornübergebeugt und hielt Ausschau nach Elphinstone, der unten im Wohnzimmer wartete. Die ganze Angelegenheit war absolut albern in Minervas Augen, aber Eilean hatte es sich nicht nehmen lassen, ihre Verwandlung mittels Vielsafttrank zur großen Überraschung aufzubauschen. Die kurzerhand selbsternannte Expertin für den »grässlich-hässlichen Modestil der Hexe von gestern« hatte Minerva nicht nur mit ihrer Schminke geholfen, sondern ihr auch diverse Kleider zusammengesucht, die sie in eine respektable Reinblüterin verwandelten. In Anbetracht ihres fertigen Werkes gebar sie sich nunmehr äußerst stolz. »Es wird dich umhauen, Elph!«, frohlockte Eilean und winkte Minerva näher heran. Diese gab sich Mühe, ein Augenrollen zu unterdrücken. In den vergangenen Stunden hatte sie genug von Eileans überdramatischer, lauter Art erlebt. Während ihr Haar unter der Zuhilfenahme diverser magischer Mittel in eine Betonfrisur à la Elladora verwandelt worden war, hatte Eilean sie mit der Strenge eines Alston Mulciber ausgefragt. Über ihre Zeit in der Strafverfolgungsabteilung, das Leben in Hogwarts, ihre Familie und das Verhältnis zu Elphinstone. Vor allem über das Verhältnis zu Elphinstone. Vermutlich hatte Eilean diesen Staatsakt überhaupt nur als Vorwand für die Befragung ersonnen, nachdem sie Minerva und Elphinstone des Morgens im Wohnzimmer vorgefunden hatte – tief schlafend. Laut eigener Aussage hatte sie »noch nie etwas derart Niedliches gesehen« wie Minerva, die auf dem Sofa lag, den Umhang Elphinstones als Decke über sich, ihre Hand fest in eben dessen. »Euer Anstand bringt mich um«, hatte Eilean verkündet und somit dafür gesorgt, dass Elphinstone vor Schreck gegen den Wohnzimmertisch gestoßen war, da er – erfüllt von diesem potentiell tödlichen Anstand – aufrecht an dem Sofa lehnend eingeschlafen war. Der Blick, mit dem er seine Schwester daraufhin bedacht hatte, stand jenem Elladoras in nichts nach, was die Kälte darin anging. Es war eine unangenehme kleine Grundsatzdiskussion der beiden Geschwister aufgekommen, in der Sätze gefallen waren wie »Du bist genauso empfindlich wie deine blöden Flitterblumen« und »Es wäre nett, wenn du einfach mal die Klappe hältst«, gefolgt von »Entschuldige, dass ich mich für dein Leben interessiere« und schließlich »Es gibt Niffler, die haben mehr Beherrschung als du!«. Immerhin hatte Minerva auf diesem Weg herausgefunden, dass die Mauer zwischen ihr und Elphinstone endgültig fort war. Sämtliche selbstauferlegten Grenzen, die ihr vorher Kopfschmerzen bereitet hatten, waren eingerissen und kamen im Morgengrauen nicht zurück. Anstatt sich ertappt zu fühlen, hatte sie Elphinstones Hand erneut ergriffen und damit vor allem Eilean aus dem Takt gebracht. Es hatte Minerva durchaus vergnügt, den Rädern hinter Eileans Stirn beim Rattern zuzusehen, als Elphinstone nüchtern erklärt hatte, dass es ihnen nicht eilig war, irgendjemandes Erwartungen an ihre Beziehung zu erfüllen. Genug, damit es Eileans folgendes Verhör wert gewesen war. Besser war nur die Gewissheit, die sie angesichts von Elphinstones Lächeln erfüllt hatte. Er war wirklich noch ihr bester Freund – alles Weitere konnten sie bei Zeiten herausfinden. Gemeinsam. Bis dahin genoss Minerva dasselbe Kribbeln wie in der Nacht, das keine Zelle unberührt ließ, und atmete das tiefe Vertrauensgefühl ein, das von Elphinstone ausging wie Frühlingssonnenstrahlen. Alles war offengelegt und bei Merlin, es fühlte sich gut an. Auf einmal verstand sie die verliebten Teenager, die in den Schlossecken hockten und mit einem Dauerklebefluch aneinandergehext schienen, erschreckend gut. Elphinstone erneut zu küssen, sobald Eilean den Abgang gemacht hatte, war jedenfalls lange nicht genug gewesen. Wenn ihnen doch nicht bereits der nächste Einsatz bevorstünde – noch dazu in fremder Haut, die eine ganz andere Art von Hürde darstellte als Minervas Bedenken zuvor. Eilean bekümmerte all das wenig, was sich daran zeigte, dass sie die Treppe wieder ein Stück heraufkam und Minerva energisch heranwinkte. »Na los, komm schon«, rief sie ungeduldig, »zeig Elph unser Werk!« Minerva schenkte ihr ein schmales Lächeln, bevor sie an ihr vorbei ins Wohnzimmer hinabstieg. Die Absätze ihrer geliehenen Pumps klapperten unerträglich laut auf den Steinstufen und einmal unten angekommen, wäre sie am liebsten direkt in den Kamin gestiegen. Davor wartete allerdings Elphinstone, der genau wie sie nicht wiederzuerkennen war. Anstatt seiner warmen grauen Augen musterte sie ein blau-grünes Paar in einem glatten Gesicht, das wirkte, als hätte es nie ein Lächeln hervorgebracht. Die feinen Fältchen, die sonst immerzu an Elphinstones Strahlen erinnerten, fehlten, ebenso wie die verblassten Sommersprossen. Das dunkelblonde Haar, das streng gescheitelt auf seinem Kopf ruhte, tat sein Übriges. »Oh Merlin«, murmelte eine fremde Stimme, die erstaunlich tief war für den schlanken Körper, dem sie entstammte. »Das ist wirklich ... verflucht, Eily, was hast du nur getan?« »Es ist perfekt, nicht wahr?« Eilean, die hinter Minerva den Raum betreten hatte, warf sich in einen Sessel und strahlte wie ein Kind, das im Süßwarenladen freigelassen worden war. »Hach Merlin, so wie ihr ausseht bekomme ich direkt Angst, dass ihr gleich etwas vom Ausschuss für die Beurteilung der Gefährlichkeit von Tierwesen faselt und mir das Leben schwer macht.« Ein hohes, schnaubendes Geräusch ertönte. Es brauchte einen Moment, bis Minerva begriff, dass es von Elphinstone kam und ein Lachen war. Damit nicht genug – sie musste, zum ersten Mal in ihrem Leben, den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufzusehen. Die Spenderin ihres vorübergehenden Körpers war deutlich kleiner als Minerva, sodass jetzt gut fünfzehn Zentimeter Unterschied zwischen ihr und Elphinstone bestanden. »Ich hasse es«, murmelte sie und warf einen bösen Blick auf Elphinstones schwarzen Umhang, unter dem er die zauberertypische Variante eines Anzugs trug – ein dunkles Hemd, darüber eine reich verzierte Weste, die am besten im 19. Jahrhundert geblieben wäre, und Hosen mit einer Bügelfalte, an der man sich hätte schneiden können. Sie vermisste seine 50er-Jahre Anzüge und bunten Krawatten jetzt schon. »Ich bin auch alles andere als zufrieden«, gab Elphinstone zurück und zog eine Grimasse. Immerhin etwas, das Minerva wiedererkannte. Und je länger sie ihn ansah, desto mehr fiel ihr auf, wie etwa die Art, auf die er seine Hände in die Hüfte stützte. »Min, ich würde dir ja gerne sagen, dass du gut aussiehst, aber verdammt ...« Elphinstone trat einen Schritt rückwärts und musterte Minerva von den Drachenlederpumps bis zur auftoupierten, hellbraunen Haarpracht. »Ich hab das Gefühl, du bist geradewegs dem Titelblatt der Hexenwoche entsprungen, als Geschäftshexe des Jahres oder so. Das ist unheimlich. Absolut unheimlich.« »Jackpot«, kam es aus Eileans Richtung, doch sie beide ignorierten ihr selbstgefälliges Kichern. Vorsichtig umrundete Elphinstone Minerva, wie eine skeptische Katze, die sich nicht zwischen Streicheleinheiten oder Flucht entscheiden konnte. Zusehends nervöser zupfte Minerva an dem schweren Collier, das Eilean ihr aufgezwungen hatte, ganz gleich wie unpraktisch das Gewicht war. »Sag mal«, hob Elphinstone schließlich an, »ist das ... ein Kostüm meiner Mutter?« »Eilean hat es größer gehext.« Entschuldigend verzog Minerva das Gesicht und strich den engen, grauen Rock glatt. Mrs Urquart musste eine winzige Person sein, denn die Kleidung hätte im Originalzustand nicht einmal Pippa gepasst und die war nun wirklich zierlich. »Oh Merlin.« Elphinstone schüttelte den Kopf. »An Ma sah es in meiner Erinnerung nie so ... streng aus. Da hast du wirklich ganze Arbeit geleistet, Eily.« »Stets zu Diensten.« Grinsend verbeugte Eilean sich, bevor sie pfeifend den Raum verließ. Minerva war ziemlich sicher, dass es sich bei der Melodie um Celestina Warbecks aktuellen Hit Du hast mein Herz verflucht handelte. Wenigstens war sie so stark geschminkt, dass jegliche Röte keine Chance gegen die Schichten nobler Blässe hatte. »Oh, ich hasse es wirklich«, gestand Elphinstone unumwunden, kaum, dass seine Schwester aus dem Raum war. »Du siehst großartig aus – auf eine furchterregende Art und Weise. Wie so eine richtige Vorzeigereinblüterin. Merlin, ich sehne mich jetzt schon nach dem Moment, wenn du wieder du bist.« »Und ich erst.« Minerva kämpfte gegen den Drang an, die Arme vor der Brust zu verschränken – das war in dem engen Kostüm mitsamt Umhang nämlich gar nicht so einfach. »Ganz abgesehen davon, dass dein Anblick auch nur schwer zu ertragen ist. Ich will diesem Mann, in dessen Körper du steckst, ja nicht zu nahe treten, aber dieser Aufzug aus dem letzten Jahrhundert tut nichts für ihn.« »Zum Glück wird er das nie erfahren, da er ein Muggel ist.« Die fremden Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das es dennoch vollbrachte, elphinstonehaft zu sein. »Trotzdem, dieser Umhang ist fast so grässlich wie die Heilerumhänge des St. Mungo.« Elphinstone, der gerade das Kästchen mit Flohpulver vom Kaminsims nahm, hielt inne. »Was hast du denn gegen die?« »Sie sind limonengrün. Das ist eine furchtbare Farbe. Ich meine – sieh dir Archie an. Dieses Grün steht einfach niemandem.« Erneut füllte Elphinstones fremdgewordenes Lachen das Wohnzimmer. »Oh je, lass ihn das bloß nicht hören! Er hatte schon immer eine angeborene Skepsis gegenüber Umhängen – wenn er das hört, kündigt er lieber seinen Job und wird Muggelarzt, anstatt noch einmal einen Umhang zu tragen.« »Ach, es gibt durchaus attraktive Umhänge«, brummte Minerva. »Das ist wahrscheinlich das einzig Positive, was man über die Abteilung für Strafverfolgung sagen kann. Die dunkelblauen Umhänge dort sehen schon edel aus – und sie sind deutlich vorteilhafter geschnitten.« »Okay ...?« Elphinstone hob eine Augenbraue. »Erzähl mir mehr darüber, was du an meiner Berufsbekleidung nett findest.« »Das konkrete Wort war attraktiv.« Starr sah Minerva geradeaus, doch sie fühlte, wie Elphinstones Augen auf ihr lagen, während sie beide zeitgleich erröteten. Einen Moment herrschte Schweigen, dann gluckste Elphinstone leise. Er löste den Blick nicht von ihr, sondern betrachtete sie mit einem breiten Grinsen, fast genauso breit wie Eileans Süßwarenladen-Strahlen. »Du magst also schöne Umhänge«, stellte Elphinstone fest. Seine fremde Stimme vibrierte voll unterdrückten Vergnügens. »Auch mit Spitzhüten dazu?« Minerva schnaubte. »Du hast kein Hutgesicht. Und nein, nicht mit Spitzhüten.« »Aha. Uuuund ... was hältst du von schönen, spitzenbesetzten Rüschenhemden?« »Du machst dich über mich lustig.« »Würde ich niemals tun!« Versöhnlich streckte Elphinstone eine Hand nach ihr aus und Minerva ließ sich von ihm in Richtung Kamin ziehen. Anstatt das Flohpulver endlich hinein zu streuen, sah Elphinstone sie allerdings mit einem vorwitzigen Ausdruck an, der auf seinem wahren Gesicht sicherlich charmant gewirkt hätte. »Ich versuche nur zu ergründen, womit man dich so beeindrucken kann, Min. Für, äh ... nicht näher bezeichnete zukünftige Gelegenheiten.« Schmunzelnd stupste Minerva Elphinstone an die Brust. »Hiermit.« »Mit ... einem grässlichen alten Hemd, das eigentlich ein zweites Leben als Putzlappen führen sollte?« Diesmal konnte Minerva das Augenrollen nicht zurückhalten. »Natürlich nicht. Ich meine deine inneren Werte. Aber Hemden sind auch gut, nur nicht dieses. Ich mag deine normalen Hemden und Anzüge. Aber du weißt selber, dass du darin gut aussiehst, immerhin trägst du sie ständig.« Sie erwartete fast, Dampf aus Elphinstones Ohren kommen zu sehen, so rot lief er an. Das Flohpulver in seiner Handfläche hatte er längst vergessen und ein paar Flocken segelten unbeachtet zu Boden. »Du ... du meinst das ernst?«, stammelte er mit großen Augen. Es musste der Gryffindormut sein, der Minerva zu einem kühnen Schmunzeln veranlasste. »Falls es gestern noch nicht deutlich geworden ist – ja, ich finde dich attraktiv. Ziemlich sogar und das nicht nur vom Inneren her. Egal ob mit oder ohne Umhang.« Elphinstones Blick fiel auf das Pulver in seiner Handfläche. »Verflucht«, sagte er, »ich halte es immer für unmöglich, mich noch weiter in dich zu verlieben und dann passiert genau das.« Nun doch verlegen sah Minerva zu ihren frisch lackierten Fingernägeln herab, die auf dem Verschluss ihrer Handtasche auf und ab trippelten. »Also ... gehen wir?«, fragte sie vorsichtig. Nicht, dass sie es wirklich wollte, aber Aufschieben brachte nichts. In diesem fremden Körper würde sie den Teufel tun und Elphinstone küssen, wie sie es andernfalls sicher getan hätte. Ihm schien es ähnlich zu ergehen, zumindest hielt er einen Moment inne, ehe er das Flohpulver in die Flammen streute. »Leider ja. Aber diese Unterhaltung merke ich mir.« Zum zweiten Mal rollte Minerva die Augen – allerdings mit einem Lächeln. »Tu das. Nur sag Archie nichts von dem Umhang.«   Eine Reise durch die Flammen später verblasste Minervas gute Laune wie das Grün der Blätter im Herbst. Nicht einmal das Flohfeuer konnte den kalten Schauer, der ihr über den Rücken jagte, aufhalten. Und das, obwohl sie goldener Lichtschein und fröhliches Stimmengewirr empfingen. Vor ihr und Elphinstone lag eine geräumige Eingangshalle, die wie jene im Anwesen der Lestranges den Prunk vergangener Zeiten verkörperte. Anstelle von Staub lag jedoch ein floraler Geruch in der Luft und anstatt rostiger Schwerter oder schimmeliger Porträts waren die Wände mit bodentiefen Fenstern versehen, die den Blick auf die untergehende Sonne über dem Meer freigaben. Direkt hinter dem Kaminrost erwartete sie ein Mann in dunklem Umhang, eine Geheimnisaufspürsonde in den Händen. Wortlos fuhr er sie damit von Scheitel bis Sohle ab. Asche sammelte sich juckend auf Minervas Haut, aber dann leuchtete die Spitze der Sonde grün auf und mit einem Nicken ging der Kerl beiseite. An seine Stelle trat ein Hauself, dessen Rücken so gebeugt war, dass seine Nase fast den Fliesenboden berührte. »Bitte verlassen Sie den Kamin zügig, werte Ma’am, werter Herr«, schnarrte er. In den Händen hielt der Elf ein Silbertablett mit Getränken, das er ihnen entgegenstreckte, kaum dass sie über den Rost gestiegen waren. »Und bitte genießen Sie die Annehmlichkeiten des Hauses, Ma’am, Sir!« Beschämt wollte Minerva ablehnen, da hatte Elphinstone bereits zwei Gläser geschnappt und reichte ihr eines davon. Anstatt dem armen Elfen auch nur ein Wort des Dankes hinzuwerfen, drückte er sie mit einer Hand am Rücken in den Raum hinein. »Nicht«, murmelte er ihr ins Ohr, als sie ein paar Schritte zwischen sich und den Kamin gebracht hatten. »Denk dran, wer wir sind.« Mit einem Blick in ihr Glas – Goldlackwasser – seufzte Minerva. Eine Katze zu mimen fiel ihr deutlich leichter als diese Scharade. Überhaupt – wessen Gesellschaft musste sie sich anpassen? Wer gab Riddle diese Bühne im eigenen Hause? Anzeichen dafür, wer in diesem Anwesen residierte, erkannte sie keine. Ein Stück weit hatte sie gehofft, dass ein riesiges Wappen an einer Wand prangen würde, um sie zweifelsfrei zu informieren, welche Familie sich für so eine Veranstaltung hergab. Aber es wirkte, als seien sämtliche Hinweise feinsäuberlich versteckt worden. Der helle Fliesenboden war derart blank geputzt, dass sich die Lichter darin spiegelten, und die wenigen Bilder an den Wänden zeigten ausnahmslos Landschaften. Von der morbiden Atmosphäre eines verfallenden Herrenhauses – oder gar Schwarzmagierverstecks – war dieses Anwesen weit entfernt. Überwältigt von so viel Prunk, wanderte Minervas Blick durch die Gegend und schließlich wie magisch angezogen zur Decke. Dort hing ein ausladender Kronleuchter, dessen Arme geformt waren wie Nixen – obwohl, nein, sie sah genauer hin – das waren eher Meerjungfrauen, wie sie in Muggelmärchen vorkamen, und keine Nixen wie jene, die im Schwarzen See lebten. Doch damit nicht genug: Jede der Märchenfiguren hielt eine Glühlampe empor, die einer Kerze nachempfunden war. Minerva sog Luft durch ihre Zähne. Sie packte Elphinstones Ärmel und zupfte daran, damit er sich zu ihr herunterbeugte. »Ein Muggelhaus?«, zischte sie. »Du siehst es doch auch, oder?« Er folgte ihrem Blick, begleitet von einem kleinen Schnauben. »Oder jemand hat die Vorzüge der Muggeltechnik entdeckt.« »Wer’s glaubt ...« Prüfend musterte Minerva die Menschenmenge direkt unter dem eindeutig elektrischen Lüster. Eine ganze Schar Hexen und Zauberer drängte sich dort, und nicht einer schien zu bemerken, dass über ihnen keine Zaubersphären leuchteten. Im Gegenteil, es wurde gelacht, einander kennengelernt und reichlich Goldlackwasser getrunken. Unter anderen Umständen hätte das hier ein Opernfoyer während der Pause sein können – wären da nicht die unverhohlen geringschätzigen Kommentare über ‚Schlammblüter‘ an Minervas Ohren gedrungen. Wobei ... wenn sie recht überlegte, passte sogar das in die magische Oper von Bath. Es war gut, dass Eilean so viel Zeit in ihre und Elphinstones Aufmachung investiert hatte, denn die meisten Anwesenden waren ähnlich vornehm gekleidet, mit Ausnahme eines Grüppchens aus bürgerlich anmutenden Hexen und Zauberern. Teurer Schmuck funkelte überall, wohin Minerva sah. Ein ganz besonders dickes Collier ruhte um Walburga Blacks noch viel kräftigeren Hals. Abgesehen von ihr erspähte Minerva wenig Bekannte. Ein paar Gesichter waren ihr aus der Schulzeit geläufig, aber mit niemandem davon hatte sie je freundschaftliche Beziehungen gepflegt. Dafür erkannte sie durchaus Leute, die sie nicht leiden konnte – allen voran die Juniorenreporterin des Tagespropheten. Rita Kimmkorn stach in ihrem geschmacklosen lila Satinumhang aus der Menge hervor wie eine Riesin unter Hauselfen. Ihr fehlte es an Eleganz, aber das hinderte sie nicht daran, sich lautstark in Gespräche einzumischen, ihre giftgrüne Schreibfeder im Anschlag. Damit war sie die Einzige der anderen, die sich in den Kreis der Reichen und Reinsten vorgewagt hatte. Oder war es vielleicht umgekehrt und sie wurde als Einzige dort geduldet? Die weniger feinen Hexen und Zauberer hatten sich jedenfalls in stummer Solidarität eine Ecke erobert, aus der sie nervös das Geschehen beobachteten. Unter ihnen erkannte Minerva auch die Dame im grünen Wollumhang wieder, die erst am vorgestrigen Tag von Druella und Elladora rekrutiert worden war. Die beiden Frauen konnte sie allerdings nirgends erspähen, genauso wenig wie Gideon Rosier. Damit waren sie nicht die Einzigen, die Minerva vermisste. Sie hatte so fest mit den Lestranges gerechnet, dass ihr Fehlen sie kein bisschen beruhigte. Elphinstone schien ebenfalls auf der Suche nach ihnen, denn seine Schritte wurden immer kleiner, je näher sie ‚ihren‘ Leuten kamen. »Na, wenn das nicht meine beiden Lieblingsgäste sind«, rief plötzlich jemand von der Seite. »Wurde auch Zeit, dass ihr euch blicken lasst, ich habe um ein Haar angefangen, euch zu vermissen ...« Erschrocken wirbelte Minerva herum. Neben ihr stand ein breitschultriger Kerl, der sein langes, schwarzes Haar in einem Zopf trug und damit die Narbe auf seiner Wange prominent betonte. Der Unbekannte prostete ihr mit einem Glas zu, als wären sie alte Freunde. Zu ihrer Überraschung erwiderte Elphinstone die Geste, ein Lächeln im Gesicht. »Unsere Konkurrenz ist ja auch nicht besonders berauschend, wenn ich mich so umsehe«, sagte er süffisant. »Wie wahr, wie wahr ...« Das Narbengesicht bleckte die Zähne und beugte sich ein Stück zu Minerva. »Schicker Aufzug im Übrigen. Würde die Kinder im Schloss sicher noch mehr das Fürchten lehren als so schon.« Der Kerl zwinkerte, als er den Rand seines Glases gegen ihres stieß. Das helle Klirren wirkte wie ein Weckruf. Minerva zwang ein damenhaftes Lächeln auf ihr Gesicht, bevor sie sich zu ihrem neuen Bekannten vorlehnte, eine Hand scheinbar vertrauensselig auf dessen Unterarm gelegt. »Fick dich, Mulciber«, hauchte sie und nahm einen Schluck ihres Goldlackwassers. »Ich wusste gar nicht, dass wir deinen Anstand schon zu Grabe getragen haben«, entgegnete der verwandelte Mulciber und lachte trocken auf. »Ich dachte, das steht für heute auf dem Plan. Wenn das der werte Schulleiter wüsste ... minus zwanzig Punkte für Gryffindor. Mindestens.« Für eine gepfefferte Erwiderung blieb keine Zeit, denn mit einem Knall öffnete sich auf der Galerie im ersten Stock eine Tür und Druella trat heraus. Sie trug ein weinrotes Kleid, das sie noch blasser wirken ließ als ohnehin schon, und verkündete mit magisch verstärkter Stimme, dass sich alle hinauf in den Saal begeben sollten, die Veranstaltung würde in Kürze beginnen. Das falsche Lächeln schmolz von Minervas Lippen. Bewegung kam in die Menge und es trug sie zwischen den Männern die Treppe hinauf. Oben angelangt wurden sie erneut untersucht. Gleich aus mehreren Handtaschen konfiszierten Riddles Anhänger kleine Zaubertrankphiolen und sogar Handcremes. Zum Glück hatte Mulciber ihren Notfallvielsafttrank laut Elphinstone unten deponiert, verborgen von den Blättern einer Zimmerpflanze, deren Namen Minerva sich nicht merken konnte. Nach der Untersuchung wurden allen Gästen die Zauberstäbe abgenommen. Diese Behandlung rief einigen Unmut auf den Plan, der von den Türwächtern mit Achselzucken und dem Angebot, umgehend die Rückreise anzutreten, beantwortet wurde. Nach intensiven Diskussionen gehorchte selbst Walburga – aber nur aus gutem Willen, wie ihre durchdringende Stimme jeden wissen ließ. Einer zur Zeit durften die Gäste schließlich über die Türschwelle treten, bei der man sich offenbar an ähnlichen Bannen bedient hatte wie Bellatrix’ Gruppe in Leeds. Zumindest verloren ein paar der Anwesenden urplötzlich ihre Haarfarbe oder offenbarten ihr wahres Alter auf andere Art. Minerva grub die Fingernägel ins Drachenleder ihrer Handtasche, als sie an der Reihe war. Sie meinte ein Flimmern in der Luft vor sich zu erkennen, doch vielleicht war das auch nur Einbildung. Jetzt lag es nicht mehr an ihr, ob alles gut laufen würde. Den Atem angehalten, ging sie Elphinstone und Mulciber voraus. Der Zauberbann glitt wie Wasser über sie. Einige Sekunden war sie komplett von seiner unsichtbaren Präsenz umhüllt, dann verschwand der kühle Hauch. Es kitzelte bloß in Minervas Nacken – ein paar Haarsträhnen hatten sich aus dem Kosmetikzauber gelöst, mit dem Eilean sie gebändigt hatte. An ihrer Gestalt jedoch hatte sich nichts geändert. Erleichtert atmete Minerva aus. Wenn das hier vorbei war, würde sie Mulciber tatsächlich für seine Voraussicht mit dem Vielsafttrank danken. Hinter dem Bannschutz erwartete sie ein großer Salon, dessen Wände von Bücherregalen geziert wurden. An der Stirnseite des Raumes befand sich eine Erhöhung, auf der Druella, Gideon Rosier und weitere Anhänger ihrer Gruppe warteten. Mit derart vielen Sympathisanten Riddles hatte sie nicht gerechnet. Noch dazu allesamt Menschen mit bedeutenden Nachnamen, die ranghohe Ämter bekleideten, teils im Zaubergamot dienten – Nott beispielsweise oder Avery ... Elphinstone, der ebenfalls unbeschadet den Bann durchschritten hatte, trat hinter sie und reckte den Kopf, doch Elladora war weiterhin nirgends zu sehen. »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Druella und wies auf eine Vielzahl Polsterstühle, die jeweils in Grüppchen um kleine Beistelltische arrangiert waren. Magische Flämmchen brannten in den Öllampen darauf und beschienen den Einband der Büchlein, die daneben auslagen. Zielstrebig sicherte Mulciber ihnen einen Tisch ganz hinten, mit dem Rücken zur Wand, während der Großteil der Gäste nach vorne strömte, um möglichst nah bei der Bühne zu sitzen. Vom Ende des Raumes bot sich Minerva und ihren Begleitern dafür ein hervorragender Blick auf die Anwesenden, genauso wie auf beide Ein- und Ausgänge. Selbst die Fensterfront hatten sie von ihrem Platz im Visier. Draußen verschwand die Sonne inzwischen hinter dem Meer und ließ den Raum im Grau der heraufsteigenden Nacht zurück. In diesem schummrigen Licht erinnerte das Anwesen Minerva schon eher an jenes der Lestranges. Um die ungebetenen Gedanken zu verscheuchen, besah sie sich das schmale Büchlein, das auch auf ihrem Tisch auslag. Eine Gemeinschaft, eine Vision – von der wahren Macht unserer Magie, prangte in silbernen Lettern auf dem Einband. Mit spitzen Fingern blätterte Minerva durch die Seiten. Die Schrift war klein, die Sprache hochgestochen und der Inhalt ebenso schwarz wie die Tinte, in der er gedruckt war. Ein starkes Großbritannien bedarf einer gesamtheitlichen, magischen Führung, hieß es da unter anderem. Die Muggel sind weder fähig, noch willens, dieses Land angemessen zu regieren. Mit welchem Recht begründen sie also, dass wir unser Leben in ihrem Schatten führen, stets in Angst vor einer Verletzung des Geheimhaltungsabkommens? Mit welchem Recht begründen wir unseren Kindern gegenüber, dass sie ihre Fähigkeiten verbergen müssen? Mit welchem Recht begründen wir uns selber, dass die niederen Muggelstämmigen ein Recht auf unsere Magie haben? So ging es eine ganze Weile, bis die Einleitung zu einem Schluss kam: Es gibt nur eine Konklusion, wie das vorliegende Werk beweisen wird: Die Muggel bedürfen zum Wohle aller der Führung durch jene, die ihnen gemäß der Natur überlegen sind – Hexen und Zauberer. Es liegt in der Verantwortung der Reinsten und Stärksten, unser Erbe und Land zu beschützen, ehe der Muggel die Magie derart verwässert hat, dass sie diese Welt für immer verlässt. Das Schlucken fiel Minerva schwer. Auf den weiteren Seiten waren Bilder, von aufgeschnittenen Gehirnen. Echten, menschlichen Gehirnen, die aufzeigen sollten, wie unzureichend die Gedächtnisleistung der Muggel war. Oder wie die Überschrift des Abschnittes es formulierte – Die verkümmerte Natur des Muggels. Eine Hand legte sich auf ihre und zog sie von dem Papier weg. Wortlos drückte Elphinstone ihre Finger. Sein Blick flehte sie an, das Werk nicht weiter durchzublättern, doch die kochende Wut in Minervas Eingeweiden zwang sie dazu, es wieder aufzuschlagen. Die Wirklichkeit mit eigenen Augen zu erblicken. Ein Schleier aus Wut und Tränen trübte ihren Blick. Das war Irrsinn! Wie konnte irgendwer glauben, dass Muggel niedere Menschen waren? Sie müssten nur ihren Vater kennenlernen – er konnte Reden halten wie kein Zweiter. Er war klug, witzig und liebevoll, aber ohne Chance, sich zu verteidigen. Oder erst jüngst Detective Hammond und seine Männer von der Polizei! Selbst im Angesicht schwarzer Magie hatten Mut und der Sinn für Gerechtigkeit sie nicht verlassen. Die Selbstlosigkeit Hammonds bewies doch genau das Gegenteil – wahre Größe. Minerva ballte die Hand zur Faust. »Abscheu-« Mulciber zog ihr das Buch unter den Fingern weg. »Wie reizend, dass es sogar eine kostenfreie Begleitlektüre gibt«, sagte er, sodass der Rest ihres Fluches in seinen Worten unterging. »Sehr umfangreich – und oh, sieh nur, da ist ein ganzer Abschnitt, der sich mit Reformen für Hogwarts beschäftigt. Mehr Stellen für Lehrpersonal, höheres Budget für Unterrichtsmaterialien ... das klingt doch wunderbar vernünftig.« Er warf Minerva einen scharfen Blick zu und blätterte weiter durch die Seiten. Das Gesicht hinter dem Einband verborgen, setzte er im Flüsterton hinzu: »Reiß dich zusammen.« Sie wandte den Blick ab und drückte Elphinstones Finger, die erneut den Weg zwischen ihre gefunden hatten. Mulciber hatte ja recht, aber sie verabscheute ihn trotzdem dafür. Überall um sie her lachten die Gäste, tauschten sich rege über das Buch aus, nickten gar anerkennend ... Die Luft vibrierte voller Vorfreude auf die Rede Riddles und ihr war speiübel. Lange musste sie allerdings nicht aushalten, denn Druella vorne erhob unter einem Sonorus-Zauber erneut die Stimme. »Vielen Dank für Ihr zahlreiches Erscheinen heute Abend. Wir sind uns der unbequemen Art unserer besonderen Vorkehrungen bewusst und sind hocherfreut, dass Sie alle die Notwendigkeit solcher Maßnahmen begreifen. Wir leben in unruhigen Zeiten, daher benötigen wir alle eine Absicherung, damit dieses Treffen erfolgreich stattfinden kann.« Walburga Black schnaubte und murmelte etwas von »der eigenen Verwandtschaft misstrauen, lächerlich«, was Druella mit einem gezierten Lächeln überging. »Im Folgenden möchte ich Sie eindringlich bitten, während der gesamten Veranstaltung an Ihrem Platz zu bleiben und von Zwischenrufen sowie Störungen aller Art abzusehen. Es wird noch gesondert Raum für Ihre Fragen geben, seien Sie unbesorgt. Nun aber wollen wir recht herzlich unseren Redner des heutigen Abends begrüßen!« Druella trat zur Seite und wies auf eine schmale Tür zwischen zwei Regalen hinter der Empore. Ihr Pathos rief einiges verstecktes Kichern hervor, doch davon ließ sie sich nicht beirren. Wenn möglich, reckte sie ihr Kinn nur noch höher. »Er hat ungeahnte Tiefen der Magie studiert, ferne Länder auf der Suche nach ihren Geheimnissen bereist, hat die seltensten Wunder ergründet und in den letzten Jahren mehrere Artikel über die Ursprünge der Magie geschrieben. Seinen umfangreichen Forschungsbericht finden Sie bereits als kleine Aufmerksamkeit vor sich – denn wir alle sind der Meinung, dass bahnbrechende Erkenntnisse nicht nur im kleinen Kreis an magischen Universitäten geteilt gehören, sondern dass Sie alle ein Anrecht auf diese Informationen haben. Begrüßen Sie also mit mir den Begründer unserer Organisation und Vorreiter einer neuen, magischen Welt – den hochgeschätzten Lord Voldemort!« Vorne klatschte jemand in die Hände und zögerlich folgte der Rest des Raumes. Trotzdem hörte Minerva genau, wie eine Hexe am Nebentisch ihren Begleiter fragte, woher dieser Lord Voldemort überhaupt kam und weshalb sie noch nie von ihm gehört hatte, wenn er doch so viel erreicht hatte. Am liebsten hätte Minerva ihr gesagt, dass Tom Riddle sicher kein Lord, sondern nur ein völlig durchschnittliches Würstchen war, das in einem Antiquitätenladen zweifelhaften Rufes gearbeitet hatte und maximal an Größenwahnsinn litt. Der bloße Gedanke zerfiel allerdings zu Staub, als er – tatsächlich und wahrhaftig – auf die Bühne trat. Sie hatte sich getäuscht. Riddle war vielleicht kein echter Lord, aber auch nicht länger der Mann, den Elphinstone und sie 13 Jahre zuvor erfolglos des Mordes verdächtigt hatten. Und selbst damals war er, so ungern sie es zugab, gefährlich gewesen; allen anderen einen Schritt voraus – sonst säße er heute in Askaban ein. Nein, dieser Tom Riddle vorne auf der Bühne war nurmehr eine Maske, dem Monster im Menschen mehr schlecht denn recht übergestülpt. »Autsch«, fluchte Elphinstone leise. Minervas Fingernägel bohrten sich in seinen Handrücken, während sie das Wesen in Riddles Haut anstarrte. Seit dem Ende der 50er-Jahre hatte sie den Mann nicht mehr gesehen und hätte sie dank Albus nicht gewusst, dass er hinter Lord Voldemort steckte, wäre sie nie auf den Gedanken gekommen. Seine Erscheinung war beinahe überzeugend menschlich – wenn nicht an der ein oder anderen Stelle etwas gänzlich Fremdartiges durchgeblitzt hätte. Sie sah es nur aus dem Augenwinkel und sobald sie genauer hinsah, war es fort. Und doch ... es wirkte, als würde Riddles Maske Falten werfen, einen Riss offenbaren ... Minerva nahm nur am Rande wahr, wie Elphinstone sich ihrem eisernen Griff entwand, denn Riddle trat vorne an die Kante der Empore, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, und betrachtete die Zuschauer. Aus tiefroten Augen. Trog das Licht sie? Sie blinzelte. Einmal. Zweimal. Doch ihre Sinne spielten ihr keinen Streich. Riddle hatte Iriden wie Rubine. Kalt und hart. Unmenschlich. Niemand sprach. Selbst das letzte Rascheln war versiegt – nicht mal Walburga Black fächelte sich länger mit ihrem Büchlein Luft zu. Elphinstones Daumen, der den Weg auf Minervas Handrücken gefunden hatte, strich in Kreisen darüber, doch seine Bewegungen waren fester – angespannter – als üblich. Einzig Mulciber saß noch zurückgelehnt da. Er hob an Minerva gewandt eine Augenbraue, ehe er seine Aufmerksamkeit Riddle zuwandte. Wobei Minerva nicht zu sagen vermochte, ob in diesem Mann auf der Bühne auch nur eine Spur von Tom Riddle verblieben war. Seine Haut schien bleich wie die eines transsilvanischen Vampirs und derart dünn, dass selbst aus der letzten Reihe jedes kleine Äderchen darunter zu erkennen war. Seine tiefgrüne, fast schon schwarze Robe bildete einen harten Kontrast zu dem wächsernen Äußeren. Im Keller des St. Mungo hätte er in die Reihen der Verstorbenen gepasst und trotzdem wirkte er nicht kränklich. Einst hatte man dem heutigen Lord Voldemort neben seinem Charme gutes Aussehen zuschreiben müssen, doch nun glich seine Erscheinung einem Raubtier. Je länger man ihn ansah, desto unwirklicher erschien er. Und dennoch hatte er immer noch – oder erst recht? – etwas an sich, das die Leute voller Ehrfurcht zu ihm aufsehen ließ. »Ich danke dir für deine kleine Vorstellung, Druella.« Mit einer sachten Geste wies Voldemort auf die Stühle hinter sich und Druella nahm hastig neben ihrem Bruder Gideon Platz. Voldemort indes verharrte einen Moment, als zählte er die Anwesenden, bevor er die Stimme erhob, ganz ohne Zauber. »Und ich danke natürlich Ihnen, die meiner Einladung so zahlreich gefolgt sind.« Die Worte verklangen in angespanntem Schweigen. Für einen Augenblick schien Voldemort beinahe zu lächeln. Zumindest flackerte etwas in seinen Glutaugen auf. »Sie mögen es mir nachsehen, aber ich sehe die vielen Fragen in Ihren Gesichtern geschrieben. Wozu sind wir hier – noch dazu unter diesen Vorkehrungen? Weshalb Sie und nicht Ihre Nachbarn, Freunde, Familie? Nun, die Antwort ist einfach. Unsere Gesellschaft ist entzweit. Schon viel zu lange beherrschen Streitigkeiten die magische Gemeinschaft. Sie kennen es aus dem Tagespropheten, die immergleichen Debatten über Riesenverfolgung, die Aufnahme der Kobolde in den britischen Magierat oder das Curriculum in Hogwarts. Sicher hat ein jeder von Ihnen unzählige Diskussionen ausgefochten, nur um sich alleine vorzufinden, ausgelacht und beschimpft.« Einige der Anwesenden erlaubten sich ein zustimmendes Seufzen, das Voldemort mit einem knappen Nicken quittierte. »Genau deshalb sind Sie hier. Sie mögen vielleicht denken, dass Sie und Ihren Sitznachbarn nicht viel eint, doch Ihr aller Blick gilt dem größeren Ganzen, davon haben sich meine treuen Unterstützer selber überzeugen können, bevor sie mit der Einladung zu dem heutigen Abend an Sie herangetreten sind. Sie alle lassen sich nicht blenden von unserem Ministerium und seinen unfähigen Marionetten. Sie haben unser wahres Problem erkannt und verlangen zu recht nach einer Lösung. Und deshalb bin ich hier. Um Ihnen die Lösung anzubieten.« Die ersten Blicke wurden im Publikum getauscht, zwischen wohlhabenden wie einfachen Hexen und Zauberern. Walburga fächelte sich wieder Luft zu und vereinzeltes Rascheln brachte das Leben zurück in den Raum. Einzig Minerva hatte das Gefühl, mit jedem Wort Lord Voldemorts weiter zu versteinern. Ihre Schultern schmerzten angesichts ihrer steifen Haltung, während hinter ihrer Stirn eine wütende Banshee sang. Voldemort fuhr in ruhiger, sachlicher Stimme damit fort, über die Spaltung der Gesellschaft, sowie die angeblichen Gründe dafür, zu referieren. Er sprach unterstützt von raumgreifenden Gesten und legte immer wieder kleine Pausen ein, wie auch Minervas Vater es während seiner Predigten zu tun pflegte. An der Oberfläche klang es nicht einmal verkehrt, dieser Traum von einer magischen Gemeinschaft, die zusammenhielt. In der das Ministerium funktionierte, weil es weniger, aber dafür klare Gesetze gab. Eine Welt, in der es für jeden eine Aufgabe gab, ausgewählt nach persönlichen Stärken. Viele im Publikum sahen Voldemort verträumt an, während dieser ihnen in knappen Worten das Paradies auf Erden herbeiredete. Sie schienen geistig bereits durch die Welt seiner Träume zu wandeln, denn bisher hatte Voldemort es unerwähnt gelassen, zu welchem Preis seine Pläne kamen. »So, wie unsere Gesellschaft im Moment strukturiert ist, werden wir diesen Zustand allerdings niemals erreichen«, beendete Voldemort schließlich ihre Träumerei. »Was aber tun?« Sein Blick wanderte von einer Seite zur anderen über alle Anwesenden. Auf den Stühlen wurde unruhig umhergerutscht. Wie in der Schule gab es jene, die sich kleiner machten, als fürchteten sie, aufgerufen zu werden, während andere leise tuschelten oder sich aufrichteten, bereit ihre Meinung mit der Welt zu teilen. Voldemort aber gab niemandem die Bühne, sondern sprach ungerührt weiter. »Meiner Ansicht nach gibt es drei eklatante Missstände, die momentan jede Besserung des Zustands verhindern. Das wären zum einen die ewigen Auseinandersetzungen mit den übrigen, magischen Wesen, die keinen Zauberstab führen. Zum zweiten die steten Bemühungen seitens der Regierung und Ministerin, uns mit Verboten und Reglements angesichts von Nichtigkeiten zu überziehen – und drittens, der wohl gewichtigste Grund: Die Macht des gemeinen Muggels über uns.« Manche Zuhörer nickten bestärkend, doch wieder andere sahen kritisch drein. Mit dieser Wirkung schien Voldemort allerdings gerechnet zu haben, denn er ließ seine Aussage einen Moment nachhallen, ehe er seine Arme ausbreitete und weitersprach. »Lassen Sie mich eines vorweg klarstellen, damit wir alle die Angelegenheit mit demselben Grundverständnis betrachten – das Streben nach Macht ist Kern jeglicher weltlicher Existenz. Ja, Sie mögen es sich nicht eingestehen wollen, aber wenn wir nichts bedeuten wollten, wären wir von Gleichgültigkeit beseelt. Wir würden dahinvegetieren und einem frühen Tod entgegensehen. Doch es gibt viele Formen der Macht und manch einer mag sich mit wenig zufriedengeben, wie beispielsweise der Bestimmungsmacht über die eigene Familie oder bloß dem eigenen Leben. Aber in unserer aller Gesamtheit ergibt sich ein Streben nach mehr.« Das klang schon eher nach dem, wovor Minerva sich gefürchtet hatte. Das war der Lord Voldemort, dessen Flugblätter in der Winkelgasse verteilt worden waren. Nur hinterließen seine geschriebenen Worte nicht halb so viel Eindruck wie diese Rede, vorgetragen mit wohlklingender Stimme und dieser Andeutung eines Lächelns, das keines war, aber doch so wirkte. »Wir halten also fest«, erklärte Voldemort, »eine jede Lebensform sehnt sich danach, eine andere zu übertrumpfen. Selbst der Feuersalamander frisst die Eier der Aschwinderin. Doch allen voran in diesem Bestreben steht der gemeine Muggel. Er führt nicht einen Kampf, sondern hunderte. Wo er hingeht, triumphiert er über die Natur. Er nimmt sich, was ihm beliebt, und wenn er damit fertig ist, wendet er sich gegen seinen Nächsten. Alleine zu diesem Zweck erschafft der Muggel die gefährlichsten Waffen. Ich denke, die meisten hier Anwesenden sind alt genug, sich an die Verheerungen des Zweiten – oder gar des Ersten – Weltkriegs zu erinnern?« Betreten sah Minerva auf die Stuhllehne vor sich. Der Zweite Weltkrieg hatte ihre ganze Kindheit in Caithness bestimmt, war sie doch mitten in ihn hineingeboren worden. So etwas sollte sich freilich nicht wiederholen, aber hatte es überhaupt je aufgehört? Die Muggelwelt kannte auch jetzt, Jahre danach, keinen Frieden. Ein Blick in die Tageszeitung hatte es bestätigt. Terror in London, Unruhe in Irland. Ganz zu schweigen vom Rest der Welt. Sie sah zu Elphinstone, der diese zerrissene Kindheit noch besser kannte als sie. Doch er hatte die Stirn in Falten gelegt und schien nicht an die Einschränkungen durch Rationierungen oder Bombardierungen zu denken. »In der gleichen Zeit hat Grindelwald überall sonst die magische Welt in Brand gesteckt«, sagte er, ohne sich Mühe zu geben, die Stimme zu senken. »Da können wir uns wirklich nicht rühmen, besser zu sein.« Druella hinter Voldemort zog die Augenbrauen zusammen, als einige Köpfe sich Elphinstone zuwandten. Das Getuschel schwoll wieder an. Doch Voldemort selber neigte fast schon demütig das Haupt. »Ganz recht, Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund. Grindelwald hat die magische Welt ebenso in den Krieg geführt. Doch warum? Eben weil sie entzweit ist. Er hat einen Riss gesehen und anstatt ihn zu heilen, hat er ihn genutzt, um sich selber Macht zu veschaffen. Ungeachtet der Tatsache, dass er damit diese Wunde nur vergrößert hat. Er hat Familien auseinandergerissen in seinem Bestreben, Macht über die magische Welt zu erlangen. Denn sein größter Fehler war es, über seinesgleichen herrschen zu wollen.« Elphinstone starrte Voldemort an. Er presste die Kiefer fest aufeinander, die Hand um Minervas verkrampft. Seine Stimme erhob er trotzdem wieder. »Und über wen wollen Sie herrschen?« Das Rot in Voldemorts Augen glomm einen Moment auf. »Wer sagt, dass ich herrschen werde? Das haben Sie mir in den Mund gelegt. Sollten es wenn schon nicht eher wir sein, die herrschen?« Weitere Widerworte brodelten in Elphinstone, das fühlte Minerva an der Hitze seiner Hand auf ihrer, doch Mulcibers Zungenschnalzen schien ihn zur Besinnung zu rufen. In den vorderen Reihen wurde Voldemort derweil fleißig zugenickt und langsam schwand seine Aufmerksamkeit von Elphinstone. »Für mein Empfinden sollte überhaupt niemand herrschen«, murmelte Elphinstone dennoch trotzig. Mulciber sah nicht von Voldemort fort, zog aber eine Augenbraue hoch. »Anarchisch geht das Land zu Grunde.« »Findest du das etwa gut?« »Das reicht!« Minerva sah böse zwischen ihren Begleitern hin und her. »Wir sind nicht hier, um das zu diskutieren!« Elphinstone seufzte und wandte sich mit starrem Blick zu Voldemort, der sich wieder auf seine Rede besann. »Um zum gemeinen Muggel zurückzukehren – wir wären Narren, würden wir glauben, dass sie uns eines Tages nicht gefährlich werden. Nichts ist gefährlicher als der Machtdurst des einfachen Menschen. In blindem Herrscherdrang erfindet er Bomben, die ganze Städte in Sekunden ausradieren können. Dagegen ist Grindelwalds Krieg, mit allem Verlaub, weit weniger verheerend gewesen. Verschließen wir nicht länger unsere Augen vor der Wahrheit. Wir und die Muggel leben nicht in getrennten Welten, auch wenn es so wirken mag. Wir teilen uns diese Welt und wenn sie zugrunde geht, dann wir mit ihr.« Die Unruhe im Saal schwoll langsam aber sicher an. Doch Voldemort hatte seine Zuhörerschaft nicht verloren, nicht im Mindesten. Einige der Anwesenden tauschten geflüsterte Geschichten aus, wie ihre Stadthäuser bei der Bombardierung Londons zerstört worden waren und wie unheimlich die Angriffe gewirkt hatten – wie Drachen, gegen die ein einzelner Mensch selbst mit Magie wehrlos war. Jetzt war Minerva ganz sicher, dass Voldemort lächelte. Er schritt über die Bühne und sog stumm die Unterhaltungen in sich auf, bevor er eine Hand erhob. Die Stille kehrte mit voller Macht zurück. »Nun habe ich eine ganz einfache Frage an Sie – wollen wir darauf warten, dass die Muggel uns enttarnen und zu ihrem jüngsten Feind brandmarken? Wollen wir dem Moment entgegensehen, in dem sie uns einen nach dem anderen ausradieren? Oder gar einen Weg finden, unsere Magie gegen uns zu wenden?« »Und wie sollen die Muggel das anrichten?«, rief Walburga lautstark dazwischen. »Wir leben schließlich im Verborgenen, wie Sie erst eingangs kritisiert haben.« Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und starrte Voldemort an. »Fällt Ihnen da gar keine Möglichkeit ein?« Voldemort zog eine dünne Augenbraue in die Höhe. »Immerhin sind Sie doch eine Vorreiterin der Proteste im Ministerium, wenn ich mich recht entsinne. Geben Sie nicht regelmäßig Ihre Meinung über Muggel dort preis? Dann müssen Sie doch einiges über sie wissen.« Walburga schnaufte. »Ich weiß, dass sie dreckige Schlammblüter hervorbringen, die nicht einmal richtig zaubern können, das reicht mir. Wertloser Abschaum, mehr sind sie nicht!« Jemand räusperte sich. »Wenn ich dürfte – ich habe da nicht nur eine Vorstellung, sondern ich weiß aus erster Hand, wozu Muggel fähig sind. Und wie sie sich unserer Magie bedienen.« In der zweiten Reihe stand eine schmale Hexe auf. »Ich könnte es Ihnen sogar ... zeigen.« Minerva hielt die Luft an. Zeitgleich zückten Druella und ihre Sitznachbarn die Zauberstäbe. »Oh, bitte«, höhnte die Unbekannte, »das wird nicht nötig sein – Mutter.« Der Stab in Druellas Hand bebte. »Was – Wie ...?« Zur Antwort kicherte die Hexe. Und obwohl es nicht ihre Stimme war, das Geräusch erkannte Minerva trotzdem. Elphinstone an ihrer Seite versteifte sich ebenso. Niemand lachte wie Bellatrix Lestrange. »Ich weiß nicht, Mutter. Vielsafttrank vielleicht?« »Unglaublich, werte Schwägerin«, zischte Walburga Druella zu. Und lauter fügte sie an: »Damit habe ich nichts zu tun!« Voldemort widmete den beiden Frauen keinen Blick. Minerva bekam nicht einmal mit, wie er den Zauberstab zog, da richtete er ihn schon auf Bellatrix. Doch deren Kichern verklang selbst dann nicht, als sein Zauber sie traf und ihre Verwandlung dahinschwand, bis ihr wieder schwere, dunkle Locken über den Rücken fielen. Die Menge holte gemeinsam mit Druella Luft, als diese ihre älteste Tochter anstarrte. Einige Sekunden lang konnte man dabei zusehen, wie Druellas Fassade splitterte – dann ging sie zum Angriff über. »Du hast nicht hier zu sein!« Druella sprang auf und streckte eine Hand nach Bellatrix aus. In der anderen zitterte ihr Zauberstab. »Komm. Sofort.« Minerva sah Bellatrix nur von hinten, doch der Widerstand in ihrer Stimme war eindeutig. »Hast das wirklich du zu entscheiden? Ich bin volljährig und weiß, was ich tue. Es ist Schande genug, dass deine eigene Tochter sich unter falscher Identität einschleichen muss, damit sie die Chance hat, Teil bedeutender, gesellschaftlicher Veränderung zu sein!« Bellatrix wandte den Kopf von ihrer Mutter zu Voldemort. »Abgesehen davon richtet sich mein Angebot an jemand anderen. Es wäre mir neu, dass du für ihn sprichst.« Entrüstet straffte Druella die Schultern. »Bellatrix, du kommst jetzt sofo-« »Setz dich, Druella.« Voldemort erhob nicht einmal die Stimme. Er hatte den Zauberstab inzwischen wieder gesenkt und musterte interessiert Bellatrix, wie sie mit vorgerecktem Kinn ihrer Mutter die Stirn bot. »Und du –« Er wies auf Bellatrix. »Wenn du schon die Unverfrorenheit besitzt, diese Veranstaltung zu stören, werden wir alle darüber urteilen, ob deine Einmischung gerechtfertigt ist. Also, Miss –« »Mrs Lestrange bitte.« »Also dann, beeindrucke uns mit der Antwort auf die Frage, wie die Muggel sich unserer Magie bemächtigen, Mrs Lestrange.« »Mit Freuden.« Bellatrix ahmte Voldemorts Haltung nach und verschränkte ebenfalls die Hände hinter dem Rücken. »Wie ich ausführen wollte, bevor ich so unhöflich unterbrochen wurde – die Muggel bemächtigen sich der Magie, indem sie diese von wahren Reinblütern stehlen. Nichts anderes sind Schlammblüter und ihre Angehörigen: Diebe. Die Blutforschung lässt keinen anderen Schluss zu. Leider kann unser von Magie erfülltes Blut missbraucht werden, um gänzlich unbegabten Muggeln gewisse Fähigkeiten zu verleihen.« Voldemort sah von Bellatrix in sein Publikum, zu Walburga Black, die in ihrem Sitz schrumpfte. »Da hören Sie es, meine Damen und Herren. Unsere Gesellschaft wird in den letzten Jahren geradezu von Schlammblütern überschwemmt. Sollen wir es hinnehmen, dass plötzlich allen Ortes magisch begabte Kinder in Muggelfamilien geboren werden? Diese Kinder sind in sich doch schon ein Bruch des angeblich so hochgelobten Geheimhaltungsabkommens. Sie tragen das Wissen um unsere Welt in die Welt der Muggel, dabei sind sie nicht einmal vollwertige Hexen und Zauberer. Ganz zu schweigen von den fragwürdigen Quellen ihrer magischen Fähigkeiten, über die wenigstens Mrs Lestrange mir gut informiert scheint.« Druella verzog das Gesicht, ihren Zauberstab in beiden Händen umklammert. Sie sah aus, als wünschte sie, dass Bellatrix sich infolge dieses kleinen Triumphs wieder setzen würde, doch den Gefallen tat sie ihr nicht. »Oh, ich bin mehr als bloß gut informiert«, erwiderte Bellatrix, nach wie vor an Voldemort gewandt. Sie ballte die Hände am Rücken zu Fäusten. »Immerhin habe ich das Muggelblut selber erforscht. Über Monate hinweg, in mehreren Versuchsreihen, mit diversen Probanden. Bis in den letzten Bestandteil habe ich es aufgeschlüsselt. Und nicht nur das – ich habe die Möglichkeit gefunden, diese Weitergabe von Magie an Muggelabkömmlinge künftig zu vermeiden. Durch Blut und alte Magie.« Ein Flackern ging durch Voldemorts Glutaugen. Für einen Augenblick sahen alle stumm zu ihm auf, wie er den Kopf langsam zurück zu Bellatrix drehte und sie mit etwas musterte, das Minerva nur als Gier beschreiben konnte. Doch der Moment verflog, so schnell, wie er gekommen war. »Ein äußerst interessantes wie gewagtes Versprechen«, sagte Voldemort, keine Regung in seiner glatten Stimme. »In jedem Fall weiß ich das Feuer für die richtige Sache zu schätzen. Das, meine Damen und Herren, ist der Einsatz, der unsere Gesellschaft voranbringen wird.« Er sah hinüber zu Druella, deren Gesicht bleich geworden war. Sie hatte die Lippen zu einem Strich zusammengekniffen, hielt aber seinem Blick stand. »Ich denke, wir können es Mrs Lestrange ausnahmsweise vergeben, dass sie uns mit ihrer Verwandlung betrogen hat. Immerhin scheint es ganz so, als hätte sie uns einiges zu erzählen.« Bellatrix’ Fäuste entspannten sich wieder. Sie drückte ihre Schultern ein Stück weiter zurück und Minerva wusste auch ohne ihr Gesicht zu sehen, dass sie unfassbar stolz auf sich sein musste. »Lassen Sie mich dennoch meine Rede zu Ende bringen«, fuhr Voldemort wieder an sein Publikum gewandt fort. »Eben aufgrund dieser bereits existenten Gefahren sage ich, dass wir uns zusammenschließen müssen, bevor es zu spät ist. Die magische Gemeinschaft muss eine starke Einheit bilden, damit wir diesen Funken des Muggelaufbegehrens im Kern ersticken können, bevor er sich zu einer Flamme auswächst, die unsere ganze Welt in Brand setzt.« Er trat einen Schritt näher an die Kante vor und breitete seine Arme aus. »Lasst uns Retter dieser Welt sein.« Applaus brandete auf. Minerva schloss die Augen und sank tief in ihrem Stuhl zurück. Es durfte einfach nicht wahr sein. Die Leute konnten nicht so blind sein, dieser Rhetorik zu verfallen! Doch der Beifall hielt an, bis Voldemort ihn mit einem Räuspern unterband. »Wenn Sie, werte Damen und Herren, Teil der Lösung sein wollen, dann kehren Sie nach der nun folgenden Pause zurück und Sie sollen es nicht bereuen. Vielleicht sollten wir uns einmal ansehen, was Mrs Lestrange bereits vorzuweisen hat. Ich für meinen Teil hätte jedenfalls nichts gegen eine kleine Demonstration dieses Konzepts, von dem sie sprach. Wenn meine Worte Sie allerdings nicht überzeugen konnten, steht es Ihnen natürlich frei, gleich die Heimreise anzutreten.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)