Stichflamme von Coronet (Der Aufstieg des Phönix) ================================================================================ Kapitel 34: Vom (un)reinen Erbe ------------------------------- Der nächste Morgen kam mit feinem Nieselregen einher. Die Eule, die pünktlich zum Frühstück ans Küchenfenster des Urquart-Anwesens klopfte, schüttelte ihr nasses Gefieder, sodass es spritzte, bevor sie ihr Bein mit Archies Brief ausstreckte. Das limonengrüne Wappen St. Mungos war ein unverkennbarer Farbfleck. Schmunzelnd verfolgte Minerva, wie Elphinstone den Vogel leise, aber liebevoll schalt. Ein Eulenkeks und Schnabelkraulen brachten das Tier davon ab, seinem Unmut ein weiteres Mal Luft zu machen, und mit einem Schwung von Elphinstones Zauberstab verschwanden die Wassertropfen, die bis auf den Tisch zu ihrer Teetasse gespritzt waren. Eine einfache Geste, doch dass er Erfolg dabei hatte, wärmte ihr Herz. Den gestrigen Abend hatten sie beide stundenlang unter Eileans Aufsicht damit verbracht, ihre neuen Zauberstäbe auszuprobieren. Auf Anraten Ollivanders sollten sie durch simple Zauberkunst eine Verbindung zu ihrem Werkzeug aufbauen. Offenbar war es die eine Sache, im Alter von Elf einen Stab zu erhalten, mit dem man gemeinsam lernte und aufwuchs, aber eine ganz andere, Jahrzehnte später mit einem neuen Kern zusammenzuarbeiten. In der Folge waren Minervas erste Zauber deutlich über das Ziel hinausgeschossen, als würde der Zauberstab sich besonders fleißig erweisen wollen. Aus der harmlosen Fontäne, die sie heraufzubeschwören gedacht hatte, war eine zehn Meter hohe Wassersäule erwachsen, die den armen Nessie zu Tode erschreckt hatte. Doch mit etwas gutem Zureden – sich selbst oder dem Stab, da war sie unsicher – hatte es zusehends mehr Spaß bereitet. Nach ein paar Übungsrunden waren ihr die Zauber geradezu federleicht aus der Hand geflogen. Selten hatte es sich derart befreiend angefühlt, den Zauberstab zu schwingen und Magie zu erschaffen. Keine Duellzauber; keine Angriffs- oder Verteidigungsflüche. Nur pure Wunder. Schwebezauber und Verwandlungen, heraufbeschworene Windströme und erblühende Pflanzen. Schöne, reine Magie, die niemanden verletzte. Minerva wusste, dass sie sich diese Ignoranz nicht leisten konnte. Sie brauchte Flüche und Gegenflüche; musste gewidmet sein für das, was die Lestranges – und andere – ihr entgegensetzen würden. Die Situation im Land machte es unabkömmlich. Aber sie hatte es gestern nicht über sich gebracht, dem Zauberstab nur Stunden nach dem Kennenlernen solch finstere Magie zu entlocken. Geschweige denn, ihn zur Übung gegen Eilean oder gar Elphinstone zu erheben. Letzterer hatte ohnehin mehr zu kämpfen als sie. Die Bemühungen, seine Magie zu kontrollieren, hatten Elphinstone im Gegensatz zu ihr Schweißperlen auf die Stirn getrieben. Seine daraus resultierende Verzweiflung hatte ihn wiederum zu immer energischeren Bewegungen verleitet, die natürlich nicht das gewünschte Ergebnis brachten. Und jeder Erfolg ihrerseits hatte seinen Frust weiter angeheizt, bis nichts von der Freude über den neuen Zauberstab verblieben war. Erst nachdem Eilean dazu übergegangen war, Nessie in sicherem Abstand sein Abendbrot zu servieren, hatte Elphinstone sich überreden lassen, es unter Minervas Anleitung auf die Schulbuchart zu versuchen. Damit waren ihm zumindest substanzielle Zauber gelungen, gleichwohl es denen an der Finesse fehlte, zu der er sonst imstande war – wie Minerva nur zu gut wusste. Das Schlimmste war, dass sie keine Erklärung dafür hatte, warum es ihm nicht gelang. Er befolgte ihre Anweisungen peinlich genau und trotzdem schien ... etwas zu fehlen. Ausgerechnet in dieser Situation hatte Minerva sich ein ums andere Mal dabei ertappt, wie sie Elphinstone angesehen hatte, einen einzigen Gedanken im Kopf: Wie gerne sie ihn wieder küssen wollte. Die Spiegelung bunter Zauberfunken in seinen Augen hatte ihr Herz schneller schlagen lassen – und das nicht bloß vor Freude, weil ihm dieser Zauber gelungen war. Das, was sie ablenkte, waren letztlich Eileans Nähe und die schwarzen Fluchspuren, die unaufhaltsam Elphinstones Hals emporkrochen. Dennoch war sie mehr als einmal versucht gewesen, das Gespräch zu beginnen. Das Ungesagte zwischen ihnen musste früher oder später besprochen werden, dessen war sie bewusst – und trotzdem fand sie nicht die Überwindung, den lauen Frühherbstabend damit zu stören. Mit Worten, die sie nicht einmal zu Ende gedacht, geschweige denn gefunden hatte. Was sollte sie Elphinstone sagen? Er war schon so lange ihr Freund. Ihr bester Freund. Und gleichzeitig besetzte er einen Platz in ihrem Herzen, den man mit jenem Pomonas nicht ansatzweise vergleichen konnte. Damit war er nicht der Erste, aber gegenwärtig der Einzige. Dougal hatte sie bereits verloren. Dem hatte sie sich versprochen – und ihr Wort gebrochen. Ihn verletzt. Von sich gestoßen. Die letzte Brücke zu diesem wundervollen Menschen für immer zerstört. Ein weiteres Mal konnte sie einen solchen Verlust nicht ertragen. Ohnehin verdiente sie keine Lie- Heißer Tee tropfte über ihre Finger. Erstarrt blinzelte Minerva, bis sie wieder die Tischplatte vor sich fokussierte, mitsamt dem Porzellantässchen auf seinem passend geblümten Unterteller. Durch das Muster schottischer Disteln zog sich ein feiner Riss, aus dem beständig Tropfen quollen und über ihre Hand rannen. Ein paar Sekunden zu lang sah sie dabei zu, wie die Teetropfen eine heiße, rote Spur auf ihren Fingern hinterließen. Erst dann zog sie diese langsam von dem gesprungenen Porzellan zurück. Elphinstone las noch Archies Brief und bekam nicht mit, dass sie die Tasse mit einem wortlosen Reparo wieder zusammensetzte. Zum Glück. Dass Minerva ihre Magie so wenig unter Kontrolle hatte, war ebenso neu wie der Krieg von Herz und Kopf. Und sie mochte es kein Stück. Sicher, der blaue Schutzschild im Anwesen der Lestranges hatte Elphinstone – und ihr – das Leben gerettet, aber Teetassen zerspringen lassen? Das war ... überzogen. Kitschig, dramatisch, larmoyant. Und doch war sie eine Frau, die Liebesbriefe unter ihrem Bett aufbewahrte, Jahr für Jahr Tränen um den Mann vergoss, den sie verstoßen hatte, und die seit Ewigkeiten über die Heiratsanträge ihres besten Freundes scherzte, anstatt deren Bedeutung zu hinterfragen. Sie war eine hoffnungslose Selbstbetrügerin. Und endlos dankbar für Elphinstone, der ihren inneren Kampf einfach durchbrach. »Minerva? Archie bittet uns, heute gegen zwölf ins Hospital zu kommen. Dann ist Pause und die Angestellten sind mit dem Mittagessen beschäftigt. Er muss uns dringend etwas zeigen. Wir sollen uns einfach wieder in die gleichen Rollen verwandeln wie gestern, schreibt er.« Minerva trocknete ihre Finger beiläufig an einer Serviette. »Klingt gut. Sollen wir bis dahin noch weiter üben?« »Ah ... dein Unterricht in allen Ehren, aber ich würde lieber in Ruhe mit Eilean sprechen. Das hätte ich gestern schon tun sollen. Sie verdient es, dass ich wenigstens einmal vernünftig mit ihr über Ella und alles andere spreche, bevor es die große Runde macht.« Gerade so unterdrückte Minerva ein Seufzen. Natürlich hatte Elphinstone recht, auch wenn sie es sich anders wünschte. Doch Elladora war höchstoffiziell wieder frei. Es stand zwischen den diversen Ankündigungen im Innenteil des Tagespropheten, dass das Gamot ihre Ingewahrsamnahme nicht länger aufrechterhalten konnte. Entgegen allen Bemühungen von Albus Dumbledore. Dessen Eule kam keine fünf Minuten, nachdem Elphinstone Archies Vogel mit ihrer Zusage zurückgeschickt hatte. Wie immer hatte Albus sich kurz gefasst. Er bedankte sich bei Minerva für die Informationen zu den Umtrieben der Lestranges und versicherte ihr, dass er einige alte Bekannte aktiviert hatte, welche die Bewachung aller muggelgeborenen Kinder außerhalb Hogwarts übernehmen würden. Ein paar Zweifel hatte Minerva, ob Dädalus Diggel die beste Wahl dafür war, ahnungslose Muggelfamilien zu beschützen, aber wenn Albus diesem vertraute, würde sie ihm wohl oder übel glauben, dass der exzentrische kleine Zauberer diese Aufgabe ernst nahm. Von dem anstehenden Treffen mit Riddles Anhängern hatte sie Albus in ihrem Brief leider nicht berichten können, sodass es hier keine guten Neuigkeiten gab. Sie hatte sich den Kopf über diverse Formulierungen zerbrochen, die den Zungenverschluckfluch umgehen könnten, doch am Ende aufgeben müssen. Der Fluch war wasserdicht, wie sich spätestens gezeigt hatte, als ihre Feder das Pergament mit Tintenflecken verschandelte, weil ihre Hand bereits bei dem Gedanken an die Worte so sehr ins Zittern geriet. Es würde reichen müssen, wenn sie und Elphinstone alleine bei dem Treffen aufkreuzten. Dass Albus überhaupt so schnell Leute gefunden hatte, um die muggelgeborenen Kinder im Land zu schützen, war immerhin ein Anfang.   Angesichts des Nieselregens und der doch eher knapp bemessenen Zeit stand für heute kein Flug nach London in Aussicht. Fürs Apparieren war es eine zu kräftezehrende Strecke und so blieb Flohpulver als vernünftigstes Reisemittel. Nur ein paar Sekunden, dachte Minerva angestrengt. Ein paar Sekunden Enge, ein wenig kitzelnde grüne Flammen und dann wären sie im St. Mungo. Sie hatte diese Art Reise schon hundert Mal angetreten, ohne darüber nachzudenken. Der offene Kamin im Wohnzimmer des Urquart-Anwesens war sogar ein besonders prächtiges Exemplar – kein schmaler Stadtkamin, sondern eine ausladende, mittelalterliche Variante. Genug Platz für zwei oder auch vier Erwachsene nebeneinander. Und trotzdem verklumpte das Flohpulver bei diesem Anblick in ihrer schwitzigen Handfläche. Enge und grüne Flammen. Für ein paar Sekunden. Es war nicht das glitzernde Pulver in ihrer Hand, das juckte. Sondern die unzähligen verheilten Brandblasen. Egal wie sehr sie es auch versuchte, Minerva konnte den Gedanken an ihr Nahtoderlebnis im Anwesen der Lestranges nicht verdrängen. »Gemeinsam?« Elphinstone trat an ihre Seite und richtete den Kragen eines Umhanges, den Lior ihm geliehen hatte. »Bitte.« »Sieh mich an, nicht die Flammen, okay?« Elphinstones Finger schoben sich zwischen ihre und am liebsten hätte sie gar nichts mehr gesehen. Da lag so viel in seinem Blick, dass sie sich dafür hasste, immerzu an ihren Worten zu verzweifeln. Auch jetzt wieder. Es gab genug, was sie sagen sollte, doch sie schwieg und versuchte zu ignorieren, wie erst auf Elphinstones zweiten Zauberstabschwenk orangene Flammen im Kamin vor ihr aufloderten. »Wir können das«, murmelte er leise und ergriff ihre Hand mit dem Flohpulver. Strich über ihre Fingerrücken, bis sich ihre eiserne Umklammerung endlich löste und das Pulver seinen Weg ins Feuer fand. Und sie sagte immer noch nichts, als er sie hinter sich in die grünen Flammen zog, seine Arme um ihre Taille schlang und die Adresse des St. Mungo aufsagte. Ohne die Augen von ihr zu lösen. Sie lehnte die Wange an seine Schulter und hasste es, dass alles nach Asche stank, genauso wie sie sie seine Anwesenheit liebte. Die Flammen loderten auf – zusammen mit der Versuchung, einen erneuten Kuss hier zu wagen, in diesem Wirbel aus Magie, der sie an einen anderen Ort zog, und in dem niemand außer ihnen beiden existierte. So rasch, wie der Gedanke gekommen war, versank er auch in dem Strudel vorbeiziehender Kaminfeuer. Alles, was Minervas Lippen streifte, war wildes Flohfeuer. Nur ein Blinzeln später sah sie das Foyer des Hospitals vor sich. Stimmengewirr drang aus dem Wartebereich an ihre Ohren. Egal, was eben gewesen war, diese Gelegenheit gehörte der Vergangenheit an. Ein Knistern erinnerte sie an das Feuer zu ihren Füßen und so schnell es ging, stolperte sie aus dem engen Ankunftskamin. Elphinstone folgte ihr dicht auf und beseitigte mit einem Auffrischungszauber die gröbsten Aschespuren auf ihren Kleidern. Wie selbstverständlich ergriff er anschließend wieder ihre Hand, auf deren Rücken sein Daumen erneut beruhigende Kreise beschrieb. Falls er bemerkt hatte, wie sie sich im Feuer nach ihm gestreckt hatte, so zeigte er es nicht. Archie wartete bereits neben dem Empfang auf sie. Bei ihrem Anblick setzte er sich umgehend in Bewegung. »Hier entlang«, raunte er ihnen ohne Begrüßung zu. »Das Zeitfenster ist nicht gerade groß und ich würde Überraschungen gerne vermeiden.« Anstatt nach oben führte er sie durch eine verriegelte Tür in ein zweites Treppenhaus, das dem Personal vorbehalten war. Im Gegensatz zum öffentlichen Bereich gab es hier eine Kellertreppe, die Archie ansteuerte. »Ihr wart beide schon hier, oder?«, fragte er leise. Stumm nickten sowohl Minerva als auch Elphinstone. Die Gelegenheiten, bei denen Minerva diese Treppe hinabgestiegen war, konnte sie an einer Hand abzählen. Drei Mal in ihrer Funktion der Nachwuchsstrafverfolgerin, jedes Mal mit einem Knoten im Bauch. Die Rechtsmedizin im Keller war der eine Ort des Hospitals, den sie noch weniger leiden konnte als die Krankenstationen. Elphinstone musste diesen Weg viel öfter genommen haben und trotzdem wurde seine Hand in ihrer schwitzig. Irgendwo war es beruhigend, dass er sich in all den Jahren nicht hieran gewöhnt hatte. Archies Gelassenheit erschien zwar stark, aber nicht erstrebenswert für Minerva. Schon nach der ersten Treppenwindung wurde die Luft irgendwie ... süßlich und schwer von den unzähligen Desinfektionszaubern. Kühlzauber hielten die Temperatur in den unteren Stockwerken beständig niedrig, sodass Minerva ein Schauer über den Rücken lief, je tiefer sie kamen. Die Erinnerung an den Keller der Lestranges machte den Weg nur schlimmer. »Ich weiß nicht, welchen meiner Kollegen ich in dieser Sache trauen kann«, erklärte Archie, während er sie durch das verwinkelte Treppenhaus führte, »deswegen müssen wir das hier unbeobachtet machen. Ich habe mich nämlich auf der Notfallstation umgesehen und es hat tatsächlich jemand Mulcibers Gedächtnis gelöscht. Und nicht nur seines. Sämtliche Muggel, die ihr gerettet habt – nichts. Sie erinnern sich an überhaupt nichts. Da war jemand ganz gründlich.« »Bist du dir sicher?« Elphinstone tastete nach dem Zauberstab in seinem Umhang. »Kann Mulciber dich nicht irgendwie ... getäuscht haben? Du weißt, dass er ein Experte für Gedächtniszauber ist.« »Dann müsste er sich selber obliviiert haben. Und für derart abgebrüht halte ich ihn dann doch nicht. Nein, da hat jemand anderes seine Finger im Spiel. Womöglich jemand unter den Heilern, die vom Ministerium vor Ort geschickt wurden. So oder so, wir müssen uns beeilen.« Sie erreichten den Flur am Ende der Treppe, ein langgestreckter, hellgrün gefliester Schlauch, gesäumt von schweren Eisentüren. Der Geruch war überwältigend. Am liebsten hätte Minerva einen Kopfblasenzauber angewendet. Sie musste die Augen nicht einmal schließen, damit Bilder der letzten Tage in ihr aufstiegen. Von einem leichten Schwindel erfasst hielt sie inne und drückte die Finger an ihre Stirn. Elphinstone bemerkte ihr Unwohlsein und blieb ebenfalls stehen. Er brauchte nichts sagen, sie wusste, dass er an das Gleiche dachte. Archie war bereits einige Schritte weiter den Flur hinab, wobei Zaubersphären unter der Decke aufflammten, doch Elphinstone zog Minerva in seine Arme und drückte seine Lippen auf ihren Haaransatz. »Wenn das hier vorbei ist, gönnen wir uns einen ganzen Honigkuchen bei Madam Puddifoots. Oder nein, am besten zwei.« In einem Kichern brach sich Minervas Anspannung Bahn. »Hattest du nicht vor ein paar Tagen noch Angst, die Dekoration in dem Laden könnte zeitnah jemanden umbringen?« »Ach, der Kuchen ist es wert.« Minerva verbarg ihr Lächeln in Elphinstones Umhang. Entgegen aller Gewohnheit schluckte sie den bissigen Kommentar dazu, ob sie beim Genuss des Honigkuchens einen elften Heiratsantrag zu befürchten hätte, hinunter. Als sie sich schweren Herzens aus der Umarmung löste, stellte sie fest, dass Archie stehen geblieben war und sie musterte. Ihre Hand immer noch in Elphinstones, holte sie rasch auf, doch Archie ging nicht weiter. »Ich hoffe, ihr könnt mir die Indiskretion nachsehen, aber ... seid ihr eigentlich ... na ja, ein Paar?« Zumindest besaß Archie die Verlegenheit, unmittelbar nach der Frage fortzusehen. Elphinstone drückte derweil Minervas Hand fester. Sein Blick zuckte zu ihr, als käme es alleine auf sie an. Und einmal mehr verschanzte sie sich hinter feigem Schweigen. Nur die Röte in ihren Wangen sprach für sie. »So würde ich das nicht ausdrücken, nein«, murmelte Elphinstone schließlich an seine Schuhspitzen gewandt. Diese Antwort kam zögerlich und trotzdem zu schnell für Minervas Geschmack. »Okay, ähm – ich wollte euch auch gar nicht in eine unangenehme Situation bringen. Entschuldigt.« Archie ging gesenkten Kopfes einige Schritte weiter, wo er sich vor einer der Eisentüren postierte. »Ich wollte nur sichergehen, dass ich heute keine falschen Annahmen treffe«, erklärte er und zog eine goldene Marke aus seinem Umhang, die er in den Schlitz steckte, der anstelle eines Türknaufs im Eisen prangte. »Da bist du der Erste.« Eine Grimasse in Form eines Lächelns zeichnete sich auf Elphinstones Gesicht ab. »Gerade Eilean hat sich mächtig in die Teufelsschlingen gesetzt mit ihren ... Annahmen.« Minerva wich seinem Seitenblick aus und gab ein unbestimmtes Seufzen von sich. Es stimmte, die ständige Einmischung nervte – ganz ab davon, dass sie ihr nicht half, das Gefühlschaos zu sortieren. Aber das hier, dieses traurige »Nein«, war nicht minder unangenehm. Archie brummte mitleidig. »Für die Wenigsten ist es vorstellbar, dass auch zu einer Freundschaft Zuneigung und Intimität gehören können. Deshalb die Nachfrage, irgendwie muss ich meinen unhöflichen Eindruck von gestern ja revidieren. Manchmal geht das am besten über ehrliche Fragen. Und ehrliche Antworten.« Er lächelte Minerva zu, die es mit einem müden Zucken der Mundwinkel quittierte. Obwohl Archie nur nett sein wollte, reizte diese ganze Unterhaltung sie. Erst als Elphinstone auf ihre Hände hinabsah, merkte sie, dass sie drauf und dran war, seine zu zerquetschen wie überreifes Obst. Und trotzdem zog er sie nicht zurück, sondern antwortete mit sanften Daumenkreisen. »Tja, diese Leute wissen nicht, was ihnen im Leben fehlt«, sagte Elphinstone leise, einen Kreis auf ihren Handrücken malend. Vielleicht war es auch ein verkapptes Herz. Damit schien für Archie alles geklärt, denn die verlegene Dunkelheit schwand aus seinem Gesicht und er drückte den Zauberstab gegen die Tür vor ihm. Mit einem Klicken schwang sie auf und schon offenbarte sich ihnen der größte Obduktionssaal der Rechtsmedizin. Minervas Gedanken über komplizierte Gefühle rückten in weite Ferne. Beschienen von einer grellweißen Zaubersphäre schwebte mitten im Raum eine Bahre, über die ein blassgrünes Laken gebreitet war. Selbst wenn Minerva nicht gewusst hätte, dass hier Obduktionen durchgeführt wurden – die Formen eines menschlichen Körpers zeichneten sich deutlich unter dem Sichtschutz ab. Archies leises Räuspern hallte in dem kahlen Raum wider, kaum dass er die Tür hinter ihnen verschlossen hatte. Er trat mit einem Seufzen neben den aufgebahrten Körper und sah für einen Augenblick geradewegs in das gnadenlose magische Licht unter der Decke, das keine Schatten entstehen ließ. Dann suchte sein Blick Elphinstones. »Das hier ist die Leiche von Mrs Emily Winters.« Wieder ein kleines Seufzen, gefolgt von einer Grimasse. Archie befeuchtete seine Lippen, bevor er weitersprach. »Ihr wisst ja, wie sie zu Tode gekommen ist. Die anschließende Explosion hat ihr Übriges getan. Dementsprechend ... kein schöner Anblick. Aber –« Die Knöchel an Archies Fingern traten hell hervor, als er sie auf die Kante der Bahre stützte. Einen Sekundenbruchteil lang fürchtete Minerva, er könnte das Laken wegziehen, doch er starrte bloß auf den verhüllten Brustkorb und schien um die richtigen Worte zu ringen. »Ich fürchte, Mrs Winters ist der Schlüssel zu dem Ganzen, sonst hätte ich euch nicht hergebracht. Sie ist die Einzige, der wie Elphinstone der Ursprungsfluch – oder zumindest etwas, das ich dafür halte – injiziert wurde. Die Kinder habe ich selber untersucht und bei ihnen sieht es ganz anders aus. Sie sind ... gesund. Was immer bei ihnen versucht wurde, hat nicht zur Vollendung gereicht. Aber Mrs Winters ... sie hat dieselben Fluchspuren wie Elph. Tintenschwarz.« Ein tiefer Atemzug hob Archies Brust und er stieß sich von der Bahre ab. Er lüpfte nur eine Seite des Tuches, gerade genug, um eine geschwärzte Hand zu enthüllen. Wie ein Stück Kohle, das mit menschlicher Haut verschmolzen war. Minerva zuckte und Elphinstones Finger zwischen ihren spiegelten die Geste. Sie hörte, wie er schluckte, aber er wandte den Blick nicht ab – genauso wenig wie sie. »Der Blutfluch hat sich gegen Mrs Winters Zellen gerichtet«, erklärte Archie in demselben beruhigenden wie sachlichen Tonfall, den er Minerva bereits als Patientin gezeigt hatte. »Obwohl das Ergebnis nicht wie erhofft eingetreten ist, dürften Muggelgeborene an sich nie das primäre Ziel des Fluches gewesen sein. Sondern von Anfang an gewisse Reinblüter. Die Kinder waren mehr ... eine Art Kontrollgruppe, schätze ich. Eine Brücke, um den eigentlichen Fluch zu nähren.« Archie drehte das Handgelenk der Toten so, dass Minerva die Innenseite ihres Unterarms erkannte. Zwischen dem Schwarz verkohlter Haut hoben sich dieselben Spuren ab, die auch Elphinstone zeichneten – nur viel komplexer. Es war, als müsse Minerva ein Bild aus Scherben zusammensetzen, wie auf den Buntglasfenstern in Kirchen. Eine Schlange wand sich über den Arm der Frau – oder eher in ihrem Arm. Das Fluchschwarz hatte sich unter ihrer Haut ausgedehnt wie ein Ballon, in hunderten feinsten Verästelungen und schien sie im wahrsten Sinne des Wortes in seinem Würgegriff zu haben. Gehabt zu haben. Immerhin war sie tot. Minerva schluckte gegen den Würgereiz an und das Geräusch hallte Filibusters Feuerwerksknallern gleich im Obduktionssaal wider. »W-was ist das? Was bedeutet das?« »Ich kann nur Vermutungen auf Basis der Sachlage anstellen«, sagte Archie leise, doch mit der Bestimmung eines Wissenschaftlers. »Der Fluch ist ziemlich unsauber gewunden, das erschwert die Beurteilung. Von der Wirkung ausgehend lässt sich schwer sagen, was das tatsächlich angestrebte Ziel war – aber unter Beachtung eurer Schilderungen vermute ich, dass er Reinblüter treffen soll, die Nachkommen mit ... mit Muggeln zeugen. Oder sich zumindest nicht ihrem Ruf als ... ‚würdig‘ erwiesen haben.« »Blutsverräter«, flüsterte Elphinstone bitter, ein Echo von Bellatrix’ Worten aus der jüngsten Vergangenheit. »Hexen und Zauberer wie ich, die nichts dazu beitragen, ihre ach so feine reinblütige ‚Überlegenheit‘ aufrechtzuerhalten. Ich wusste es. Deswegen kann ich nicht mehr vernünftig zaubern, nicht wahr? Sie sind so überzeugt davon, dass Muggel irgendwie Magie von uns stehlen können – das haben sie versucht als Waffe gegen mich zu nutzen, richtig?« »Phin, nicht –« Jetzt lag es an Minerva, beruhigende Kreise auf seinen Handrücken zu zeichnen, einen Arm um ihn gelegt. Aber egal wie oft sie schluckte, die Blockade in ihrem Hals schwand nicht. Sie wandte sich an Archie. »So differenziert kann doch kein Blutsfluch wirken, oder?« »Schwerlich. Ich habe einige Blutflüche in meinem Studium kennengelernt und die meisten verlaufen sehr geradlinig als vererbliche Nervenkrankheit, die meist zum Tod führt. Doch dieser Fluch ist anders; nichts was ich je zuvor gesehen habe. Grundsätzlich hat er sich ebenso in Mrs Winters Stammzellen ausgebreitet wie andere Flüche auch – und sich somit auf ihr ungeborenes Kind übertragen. Bei dem übrigens keine Schäden festgestellt werden konnten durch die behandelnden Heilerinnen. Und damit hören die Gemeinsamkeiten zu gewöhnlichen Blutflüchen auf. Dieser Fluch hat wie ein Tumor sämtliche Zellen in Mrs Winters Körper befallen und schleichend verändert. Und ja, ich fürchte, Elph hat recht – die Mutation betrifft das, was man gemeinhin als Mrs Winters Magie bezeichnen würde.« Ein verzweifeltes Auflachen Elphinstones durchschnitt die eingetretene Stille. Er legte den Kopf in den Nacken und fuhr sich mit der freien Hand übers Gesicht. Im Schein der Zaubersphäre sah Minerva es verdächtig auf seinen Wangen glänzen. »Also hat der Fluch versucht, ihr sämtliche Magie zu – zu entreißen und sie dabei ... verstümmelt?« Minervas Worte an Archie waren ein Flehen, ihr doch zu widersprechen. Genau wie bei Minerva galt auch Archies Blick zunächst Elphinstone. Der Heiler schlang die Arme um seinen eigenen Oberkörper, während er sich bedächtig von einer Seite zu anderen wiegte. »Grob gesagt ... ja; aber dieses Ausmaß wird eher unabsichtlich herbeigeführt worden sein. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Fluch aus dem Blut mehrerer Personen mit unterschiedlichem Blutstatus gewoben wurde. Vermutlich sollte dem Fluch auf diese Art ‚beigebracht‘ werden, die Magie zu reduzieren, sodass sie keinesfalls an nicht-reinblütige Nachkommen weitergegeben wird. Ich finde für dieses Ziel keinen besseren Ausdruck als ... magische Kastration.« Die Worte schienen in riesigen, schwarzen Lettern mitten im Raum zu hängen und die Luft zu verdrängen. Elphinstone atmete hörbar gegen die Tränen an und Minerva schlang hilflos ihren zweiten Arm um ihn. Sie strich in Kreisen über seinen Rücken und hoffte, dass es ihm ebenso half wie ihr sonst. »Misslungene, magische Kastration«, setzte Archie weicher hinzu, den Blick auf die Bahre gesenkt. »Der Fluch funktioniert nicht, wie er erdacht ist, weil er auf irrigen Annahmen über magisches ‚Blut‘ beruht. Wobei der Begriff ‚Blut‘ schon falsch gewählt ist in diesem Kontext, denn letztlich geht es gar nicht um Blut, sondern um Gene. Die Forschung in der magischen Genetik steckt noch in den Kinderschuhen, aber wenn wir Heiler etwas aus der klassischen Schulmedizin gelernt haben und die Fähigkeit zur Ausübung von Magie wirklich durch eine spontane Genmutation abgebildet wird, dann hat dieser Fluch, der in erster Linie ‚weniger‘ magische Kinder verhindern soll, sich auf unvorhergesehen Art gegen seine Trägerin gewandt. Das ist reichlich theoretisch und klingt schrecklich, ich weiß – aber habt noch einen Moment Geduld. Ich will nur, dass ihr versteht.« Archie zückte seinen Zauberstab und zeichnete in bunten Leuchtspuren kleine Kreise und Hexagone in die Luft. »Wenn ich davon ausgehe, dass magische Begabung mit der vorgeblichen Reinheit des Blutes zusammenhängt, muss ich annehmen, dass es ein gewisses Magielevel gibt, das in einer reinblütigen Person vorherrscht. Alles darunter sind dann Halbblüter, Muggelstämmige, Squibs oder gleich Muggel, in absteigender Reihenfolge.« Die bunten Leuchtbilder wurden mit Prozentzahlen versehen und sortierten sich alleine in der Luft vor Minerva und Elphinstone. Violette Farbe umschloss die kleinen Punkte, welche die Magiepartikel darstellen sollten – der Fluch. »Als ideologisch verblendeter Zauberer will ich natürlich, dass mein Fluch an dieses gedachte Magiepotential anknüpft und entsprechend die Entstehung einer vermeintlich schwächere Generation verhindert.« Die unteren Hexagone färbten sich blutrot. Was das bedeutete, musste Archie nicht aussprechen. »Diese genetische Variation namens Magie ist aber viel einfacher gestrickt – ein Ein- oder Ausschalter, wenn man so will. Magie oder keine Magie, ohne jedwede Abstufungen. Man hat die Genmutation – hier Magiefähigkeit – oder eben nicht. Der Versuch, diesen Fluch an irgendwelche fiktiven Level von Magie zu knüpfen und daraus seine Wirkung abzuleiten ist schlicht unmöglich. Also wird er zu einem unberechenbaren Blindgänger.« Neben dem falschen Schaubild zeichnete Archie ein weiteres, das zwei DNA-Stränge zeigte, zwischen denen er einige gelbe Markierungen einfügte, um die Unterschiede hervorzuheben. »Es ist nach aktuellem Wissensstand höchstwahrscheinlich, dass zwei Mutationen zusammentreffen müssen, um vollen Zugriff auf Magie zu gewähren. Das würde das Auftreten von Squibs mit geringen magischen Fähigkeiten wie auch die allgemein kleine magische Population erklären. Es ist einfach verdammt selten, dass ausgerechnet diese beiden Mutationen spontan zusammen auftreten, sofern sie nicht durch mindestens einen Elternteil vererbt werden. Aber abgesehen davon haben alle mit dieser Mutationskombination das gleiche Potential, Magie zu wirken. Ein Fluch, der versucht, irgendwelche Bedingungen an den Magiegehalt im ‚Blut‘ zu knüpfen, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Er kann nur an vorhandene Zellen mit Magie anknüpfen und das trifft die Fluchträger unmittelbar. Dadurch wird deren Magiefähigkeit nicht bloß angegriffen, sie wird ausradiert.« Mit einem tiefen Atemzug durchbrach Archie seinen Vortrag, der Minervas Kopf zum Schwirren brachte. Der Heiler wischte seine Schaubilder mit dem Zauberstab fort und wandte sich wieder der Toten vor ihnen zu. »Auf diese rein ideologische Idee des Blutes zu setzen ist wissenschaftlich schlichtweg fehlgeleitet. Diese strikte Einteilung von Menschen in Kategorien, die letztlich nur von anderen Menschen definiert sind, immerzu gerechtfertigt durch eine völlig falsche Interpretation der ‚Natur‘ der Sache, ist einer der größten Feinde von Forschung. Anstatt menschliche Vielfalt zu akzeptieren, beschneidet man mit solchen Einordnungen den eigenen Horizont – und verletzt schlimmstenfalls die Schutzlosen. Kurzum – mit Wissenschaft hat diese Ideologie nichts zu tun. Das sind menschenverachtende Experimente, die eine vorgefertigte Meinung ‚beweisen‘ sollen, nichts weiter. Dass es nicht funktioniert, weil schon die zugrundeliegenden Annahmen falsch sind, wird munter ignoriert. Wenn sie dann doch, rein durch Zufall, ein ‚richtiges‘ Ergebnis erzielen, fühlen sich solche Leute auch noch bestätigt, ohne zu begreifen, dass Korrelation nicht gleich Kausalität ist.« Ein winziges Beben schüttelte Archies Schultern und er rieb sich mit geschlossenen Augen die Stirn, während er erneut Luft holte. Minerva nutzte die Pause, um Elphinstone fester an sich zu drücken. Keiner sagte etwas, solange Archies passionierte Rede nachhallte. »Anstatt vor allem das gemeinsame, halb-magische Kind mit einem Muggel zu verhindern«, fuhr Archie ruhiger fort, »oder diesem zumindest die Fähigkeit zur Magieausübung zu rauben, hat der Fluch nicht ‚bloß‘ die Magiefähigkeit seiner Trägerin ‚verunreinigt‘, wie es seiner Erfinderin offenbar vorschwebte, sondern seinen vermeintlichen Feind in Emily Winters magischem Zellgut gesucht. Er hat ihren Körper in einen ausweglosen Krieg mit sich selbst geführt.« »Und das passiert mit mir auch.« »Nein.« Minerva wandte das Gesicht zu Elphinstone, an dessen Hals nach wie vor das Fluchschwarz prangte, verborgen unter einer Schicht aus Eileans Make-up. Ihre Finger krallten sich in den Stoff seines Umhangs. »Es gibt immer einen Weg, es muss einfach ...!« Elphinstone rieb sich mit einem Stöhnen die rotgeäderten Augen. »Minerva ...« »Nein Elph, sie hat recht«, wandte Archie leise aber fest ein. »Das wird nicht passieren. Weil wir es verhindern können. Deshalb habe ich euch beide schließlich herbestellt. Ich würde es dir niemals so zeigen, wenn es keinen Ausweg gäbe.« Er trommelte mit den Fingern einen unbeständigen Rhythmus auf die metallene Bahre neben sich. Elphinstone betastete die Seite seines Halses und verschmierte damit den Abdeckstift über den Fluchspuren. Immer wieder hüpfte sein Adamsapfel auf und ab, doch das Unbehagen schwand nicht aus seinen Augen. Er räusperte sich, ohne seine Stimme wiederzufinden. »Dir wird nicht dasselbe passieren, Elph, das verspreche ich.« Archie wies auf den Arm der Toten, der wie ein groteskes Mahnmal in Richtung Minerva und Elphinstone zeigte. »Durch meine Untersuchung weiß ich jetzt, wie der Fluch die körpereigenen Zellen befällt und abtötet – und mit Minervas Hilfe können wir das hier und heute bei dir verhindern. Noch lässt sich der Fluch bekämpfen, bevor er zu viel Schaden angerichtet hat. Schließlich konnte Bellatrix ihn nie durch weitere Behandlungen verankern, dank deiner Flucht. Du solltest vorerst nicht zaubern, um dem Fluch keine Angriffsfläche zu bieten, aber wir kriegen das hin!« »Schön, nicht zu zaubern kriege ich hin, das funktioniert im Moment ohnehin mehr schlecht als recht.« »Wenn wir den Fluch erstmal zerstört haben, wird das alles kein Problem mehr sein. Das verspreche ich bei meiner Ehre als Heiler. Das Einzige, was ich dir nicht versprechen kann, ist, dass du danach noch eigene Kinder haben kannst –« Elphinstone unterbrach Archies hastige Rede mit einem gequälten Laut. »Ist doch egal. Das habe ich nie angestrebt und das weißt du auch. Tu was immer nötig ist, wenn es mich vor ihrem Schicksal bewahrt.« »Ich will nur, dass du dir bewusst bist, dass das hier keine Routinebehandlung ist. Ich weiß nicht, welche Nebenwirkungen das von mir ersonnene Verfahren im Detail haben wird. Leider fehlt uns die Zeit, um alle Möglichkeiten abzuwägen. Bei einem Fluch dieser Art ist es jedenfalls wahrscheinlich, dass die Reproduktionsfähigkeit beeinträchtigt wird, gerade bei männlichen Trägern.« Unwillkürlich schlang Minerva die Arme fester um Elphinstone. Dieses Thema überforderte sie, als wäre da nicht länger nur diese Mauer aus unausgesprochenen Dingen zwischen ihr und Elphinstone, sondern diese zusätzlich mit Dornen gespickt. Doch er sollte wissen, dass sie da war. Bis zum bitteren Ende, falls nötig. »Wenn es nur das ist ...« Elphinstone verzog die Stirn, als hätte er starke Kopfschmerzen. »Dann lasse ich das Schicksal gerne die Entscheidung für mich treffen. Was bleibt mir auch anderes übrig?« Archie hob die Schultern, erste Risse in seiner professionellen Fassade. »Du solltest es nur wissen«, seufzte er und presste die Lippen aufeinander. »Es ist immerhin keine Lappalie.« Er erweckte Minerva den Anschein, dass er Elphinstone gerne in den Arm genommen hätte, wenn sie ihn nicht in Beschlag nehmen würde. Doch so stand er nur da und sah betreten auf die Bahre, bis er seinen Zauberstab aus dem Umhang zog. »Gut, dann ...« Sein Blick traf Minervas. »Das beste Mittel gegen Gift ist ein anderes Gift. Normalerweise wäre das hier eine Behandlung für mehrere Heiler, aber so wie die Dinge stehen, würde ich dich bitten, mir zu assistieren. Ich muss einen Teil des Fluches aus Mrs Winters Körper isolieren, um daraus den Gegenfluch zu weben, der Elph heilt.« »Sag mir, was ich tun soll, und ich werde es tun.« Minerva sah Elphinstone an. »Solange das für dich in Ordnung ist?« »Natürlich.« Elphinstone lehnte seine Stirn gegen ihre und seufzte leise. Als er weitersprach, flüsterte er, sodass nur sie ihn hörte. »Wem sollte ich sonst mein Leben anvertrauen, wenn nicht dir? Niemand rettet mein Leben so schön wie du. Und Merlin verdamme mich, ich weiß, dass du es wieder einmal schaffen wirst.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)