War of Hearts von Rajani ================================================================================ Kapitel 7: Schmerzhafte Erinnerungen ------------------------------------ Drew McDuff war in seinem Büro und überprüfte die Finanzen. Er stand auf, als er vor der Tür Schritte hörte und legte eine Hand auf den Schreibtisch, als die Tür sich öffnete. Jonathan trat ein und ließ die schwere Holztür ins Schloss fallen. Drew bedachte ihn mit einem herausfordernden Blick. Er hasste es, wenn Jonathan die Türen knallen ließ. Letztlich konnte er es ihm aber auch nicht abgewöhnen. Er war eben so und er sagte schon lange nichts mehr dazu. „Berichte.“, befahl er. „Ich bin Alec gefolgt, wie du gesagt hast. Und wir haben ein Problem.“ „Was denn für ein Problem?“ „McIntyre…“, brummte Jonathan. „Wer?“ „Der Rothaarige, der deinem Sohn den Kopf verdreht hat!“ Drew McDuff runzelte die Stirn. „Willst du mich verarschen? Du hast dich doch darum gekümmert!“, erwiderte er. „Ja hab ich auch. Aber er ist da! Ich habe ihn gesehen!“ „Das kann nicht sein… Du hast mir doch alles berichtet, das ist unmöglich! … Es sei denn, du-“ „Ich habe nicht gelogen! So wie ich es dir gesagt habe, habe ich es auch getan! Ich kann mir das nicht erklären!“ Jonathan war fast außer sich. Drew McDuff schaute mit zusammengekniffenen Augen aus dem kleinen Fenster. Wie kann das sein? „Bring ihn her! Ich will es selbst sehen!“ Jonathan trat heran. „Das ist vielleicht nicht nötig. Soweit ich mitbekommen habe, weiß er von nichts und Alec ist für ihn auch nicht mehr interessant, wie es aussieht.“, beschwor er seinen Herrn. Drew McDuff drehte sich so schnell zu ihm herum, dass Jonathan erschrak und einen Schritt rückwärts ging. „Bring ihn her! Ist mir egal, ob er sich nicht erinnert! Wenn er es doch irgendwann tut, dann sind wir am Arsch!“ „Naja, also eigentlich wäre nur ich-“, setzte Jonathan an. „Tust du nur so oder bist du wirklich so dumm?“ „Was?“ „Wenn er dich identifiziert, dann weiß auch Alec Bescheid und Alec ist nicht bescheuert. Er kann eins und eins zusammenzählen! Er weiß, dass ich seinen Rotschopf nicht leiden konnte! Dass ich ihn hasste! Glaubst du nicht, dass er sich denken kann, was das heißt? Wofür du hier angestellt bist? Das weiß er sehr wohl! Er ist nicht dumm, merk dir das! Sieh zu, dass dieses kleine rothaarige Miststück hierher kommt! Du weiß wohin!“, knurrte Drew McDuff ihn bedrohlich an. Jonathan nickte und ging. Er wusste, wo er ihn finden würde. Nachdem Alec aufgetaucht war und ihm das alles erzählt hatte, war Matthew so verwirrt, dass er Eilan entschuldigend erklärte, er müsste sich kurz ausruhen. Der Gedanke, dass Alecs Geschichte mit seinen scheinbaren Erinnerungen in irgendeiner Form zusammenpasste, überforderte ihn doch mehr, als er zugeben wollte. Er legte sich auf sein Bett und versuchte zum ersten Mal bewusst in seinen Erinnerungen zu graben, doch das brachte gar nichts. Er stand noch einmal auf und zog die Vorhänge zu, dann legte er sich wieder hin und drehte sich zur Wand… ...Er hörte leise Schritte, sah aber nicht auf. Er wusste, es gab nur noch wenige Möglichkeiten, wer freitags um die Zeit in den Stall kam. Der Hausherr würde es nicht sein und einer seiner Butler wohl auch nicht. Es konnte nur Alec sein. Und er hatte Recht. Er genoss es, wie sie sich gegenseitig beobachteten, als würde der andere es nicht bemerken. Seine schwarzen Haare hatte er wie immer perfekt gestylt. Er sah einfach umwerfend aus. Das Spielchen wollte er aber nicht die ganze Zeit spielen. „Hat dein Vater dich geschickt?“, fragte er schnippisch mit einem Schmunzeln. Alec grinste. „Nein, hat er nicht.“ Ein Nebel legte sich um sie, Matthew wollte sie verstehen, doch es war nicht möglich. Er sah sie reden, aber hörte nichts. Er sah sich im Nebel rudern, in der Hoffnung, es würde etwas bringen. Doch es half nur bedingt, bis der Nebel sich von selbst ein wenig lichtete... Er legte den Striegel weg und kam zur Stalltür. Ein hauchte einen sanften Kuss auf Alecs Wange. Er liebte es, wenn Alec mit diesem wohligen Seufzen reagierte. Sie mussten endlich einmal stillen Ort finden, dieses Katz und Maus Spiel gefiel ihm immer weniger. Er wollte mehr und er wusste, Alec wollte das auch. „Tut er aber nicht… Und das hier weiß er auch nicht…“, flüsterte er. „Zum Glück.“, meinte Alec. „Aber wie lange bleibt das so…“, dachte er laut. Er seufzte. „Wovor hast du Angst?“ Wieder legte sich der selbe Nebel auf das Geschehen und Matthew wurde wütend, dass er nichts mehr richtig hören oder erkennen konnte, bis der Nebel sich ein weiteres Mal verzog... Alec kam schnellen Schrittes zu ihm, nahm sein Gesicht zwischen seine Hände und küsste ihn. „Ich liebe dich, Matt! Scheißegal, was mein Vater davon hält…“, flüsterte er ihm ins Gesicht. Er erwiderte den Kuss, dann nahm er Alecs Hand und zog ihn aus dem Stall. Er wollte ihn. Unbedingt… Matthew schreckte aus dem Schlaf hoch. Dieses Gefühl in seinem Bauch war ihm neu. Er fühlte sich flattrig, seine Hände zitterten. Er wischte sich schweißnasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er schwitzte und rang nach Luft. Er konnte nicht denken. Er schwang sich aus dem Bett und suchte sein Handy. Soll ich das Alistair sagen?… Er legte es wieder hin. Lieber nicht… Das kann ich jetzt nicht brauchen… Ich will das nicht… Er atmete tief ein und wieder aus. Dann zog er sich um und ging nach unten. „Matthew!“ Eilan hielt ihn an der Treppe an. „Willst du raus? Die Tiere sind schon gefüttert.“ „Ist sonst noch was zu tun?“, fragte er. „Aah ja… Ein Zaun muss repariert werden. Darum wollte ich dich morgen eigentlich bitten. Ich hatte nicht mehr mit dir gerechnet.“, sagte sie. „Dann mach ich das noch. Wo ist es?“ „Jetzt noch? Ich mache gerade das Abendessen.“ „Stell es für mich weg.“, meinte er lächelnd. „Okay… Rechts am Waldrand entlang. Es ist nicht weit.“ Mit dem gleichen Lächeln ging er hinaus. Innerlich hingegen war er froh, dass er raus konnte. Er brauchte Luft. Frische Luft. Er ging in den Geräteschuppen, holte Draht und Werkzeuge und folgte dann dem Weg am Waldrand bis zur der Stelle im Zaun. Es war nicht sehr groß, aber die kleinen Ziegen würden da auf jeden Fall hindurch passen, wenn sie es denn wollten. Er machte sich daran den Zaun zu reparieren und war schon fast fertig, als er aus dem Augenwinkel jemanden kommen sah. Er erkannte ihn nicht genau, aber er hoffte, es wäre nicht schon wieder Alec. Er wollte sich gerade aufrichten, als ein heftiger Schmerz in seinen Nacken schoss und er das Gefühl hatte in einem schwarzen Nichts zu versinken. Eilan ging hinunter zur Küche um zu sehen, ob Matthew schon zurück war. Aber das Essen stand noch immer im Kühlschrank. Sie sah auf die Uhr und war sich sicher, dass er schon längst hätte zurück sein müssen. Ob er sich bei den Arbeiten am Zaun verletzt hat? Aber das kann eigentlich nicht sein, das ist ihm noch nie passiert… Aber er war heute Mittag ziemlich komisch… Vielleicht hat er nicht aufgepasst. Ob er bei Dr. McGawyn ist deswegen? Ich könnte ihn ja mal anrufen… Die Polizei brauche ich jedenfalls jetzt noch nicht anrufen… Vielleicht weiß Dr. McGawyn ja was. Sie holte das Telefon und wählte die Nummer des Arztes. „McGawyn.“, meldete sich dieser. „Hallo Doktor. Eilan hier.“ „Eilan, hallo. Ist alles in Ordnung? Ist etwas mit deiner Mutter?“ „Nein, ihr geht es soweit gut. Es ist etwas anderes.“ „Und was?“ Sie seufzte. „Vielleicht reagiere ich über… Matthew wollte vor über einer Stunde einen Zaun am Waldrand reparieren, nicht weit weg. Er ist immer noch nicht zurück. Ich dachte, vielleicht hat er sich verletzt und ist bei Ihnen?“ „Er ist nicht bei mir. Vielleicht arbeitet er ja noch daran.“ „Das kann nicht sein. Der Zaun war nur gering beschädigt, das wäre in einer halben Stunde machbar. Und es war wirklich nicht weit weg. Keine zehn Minuten Fußweg. Ich habe die Stelle ja selbst gesehen. Er müsste schon längst zurück sein… Ich mache mir Sorgen. Vielleicht ja umsonst… Ich wollte nur nachfragen.“, sagte sie. „Nein schon gut. Vielleicht ist wirklich irgendwas. Ich fahr mal hin, wenn dich das beruhigt.“ „Oh danke, ich kann Mom ja nicht allein lassen… Das ist wirklich nett von Ihnen.“ Sie legten auf und Eilan schaute besorgt aus dem Fenster. Sie konnte die Weiden hinter dem Hof nur begrenzt erkennen. Die Stelle mit dem kaputten Zaun reichte schon nicht mehr bis in ihr Blickfeld. Alistair fuhr mit dem Auto bis zum Hof und hielt am Waldrand. Dort stieg er aus und folgte dem Weg am Waldrand. Das war auch der Weg den er entlang gefahren war, um Alec zu sagen, dass Matthew nicht mehr mit ihm trainieren wollte. Nach nur wenigen Minuten fand er die Stelle am Zaun. Das Werkzeug und der Draht lagen dort im Gras. Der Zaun war auf jeden Fall geflickt, Matthew hätte also tatsächlich längst zurück sein sollen. Alistair sah sich um, konnte aber nichts entdecken, was ihm geholfen hätte. Er dachte nach. Wen gibt es, der Interesse an seinem Verschwinden hätte? Alec war doch der einzige Außenstehende, der Kontakt mit ihm hatte. Sonst keiner. Er nahm sein Handy und rief Eilan an. „Haben Sie ihn gefunden? Ist er verletzt?“, fragte sie sofort. „Nein, er ist nicht mehr hier. Nur das Werkzeug liegt hier.“ „Was? Soll das heißen, er ist verschwunden?“ „Sieht so aus… Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er weglaufen würde… Wohin sollte er? Und ich bin mir sicher, hätte er das vorgehabt, er hätte die Werkzeuge zurückgebracht und hätte irgendwelche seiner Sachen mitgenommen. Hast du schon versucht ihn auf dem Handy anzurufen?“ Eilan seufzte. „Ja, vorhin… Es liegt in seinem Zimmer.“ „Wunderbar… Also gut. Ich glaube, es gibt nur eine Möglichkeit. Ich muss zu den McDuffs. Immerhin war Alec McDuff der einzige, der als Außenstehender Kontakt zu ihm hatte. Vielleicht weiß er was…“, sagte Alistair. „Okay… Kann ich irgendwas tun?“, fragte Eilan. „Erst einmal nicht. Ich melde mich, sobald ich etwas weiß.“ Dann legte er auf und ging zu seinem Wagen zurück. Er saß eine Weile im Auto und versuchte zu verstehen, was vor sich ging. Was auch immer es war, nach Matthews Erzählungen konnte es nicht Alec sein, der daran Schuld hatte. Matthew hat ihn als freundlich beschrieben. Und zwar wirklich freundlich und nicht vorgetäuscht. Vielleicht steckt ja Alecs Vater dahinter… Vielleicht sieht er nicht gern, was sein Sohn so tut…Aber das macht doch keinen Sinn... Er betätigte die Kupplung und fuhr an. Er fuhr langsam den Weg entlang und suchte nach irgendwelchen Hinweisen. Oder dem Schlimmsten. Er hoffte, er würde Matthew nicht tot an einem Baum wiederfinden. Dem alten McDuff war sowas wahrscheinlich auch noch zuzutrauen. Er hasste Kopfschmerzen. Im Moment hatte er sie viel zu oft. Nur diesmal schmerzte sein Nacken mindestens genauso heftig. Langsam erinnerte er sich, dass ihn jemand niedergeschlagen hatte. Aber er hatte ihn nicht erkennen können. Er hatte nur einen Schatten wahrgenommen, noch bevor er sich aufrichten konnte. Matthew blinzelte kurz und versuchte sich umzusehen, doch es war äußerst wenig, dass er erkennen konnte. Dafür konnte er riechen, dass er sich nicht in irgendeinem verdunkelten Zimmer befand. Dafür roch es zu muffig und zu feucht. Und er konnte auch sonst nichts finden, was einem Zimmer ähnelte. Ein paar Meter vor sich konnte er eine Art Gitter sehen. Dahinter sah mehr. Er konnte eine diffus beleuchtete, steinerne Treppe ausmachen. Er kam sich vor, als hätte man ihn durch ein Tor ins Mittelalter geschubst. Seine Schultern fingen an, weh zu tun. Er merkte, dass er sie kaum anderes bewegen konnte und sah nach oben. Was zur Hölle ist hier los? Was soll das? Seine Hände waren in rostige alte Ketten gelegt worden. Er zog daran, aber die alten Dinger schienen immer noch erstaunlich stabil zu sein. Sie gaben seine Hände jedenfalls nicht frei, dafür rasselten sie, als würde ein Geist über ihm schweben. Er fluchte leise und nur Sekunden später hörte er eine quietschende Tür und Schritte. Niemand sprach, aber er musste auch nicht lange warten, bis er zwei Männer auf der Treppe sah, die zu dem Gittertor kamen. Jetzt war ihm klar, was das hier war. Ein Kerker. Ein sehr alter Kerker. Nur wusste er noch nicht, warum er hier war. Und die beiden Männer, von denen einer gerade eine Fackel in eine alte Halterung steckte, erkannte er auch nicht. Einer wirkte wie ein Landstreicher mit seinen struppigen Haaren. Das war der, der die Fackel an der Wand angebracht hatte. Der andere erinnerte Matthew eher an einen Mafiaboss, so wie er dastand und ihn musterte. Er warf seinem Lakaien einen Blick zu und der sprang sofort, wie ein unterwürfiger Diener und schloss das alte Gittertor auf. Er trat gemächlich ein. Dieser Mann, das ahnte Matthew schon, war sich sehr sicher, in dem was er tat und er wusste schon jetzt, dass er nichts gegen ihn ausrichten könnte. „So so… McIntyre… Du lebst also noch…“, murmelte er mit einer tiefen Stimme. „McWer?“, knirschte Matthew. „Sieh an, du kannst dich nicht mal an deinen Namen erinnern?“ „Mein Name ist Matthew, mehr weiß ich nicht.“ „Interessant…“ „Was soll das hier? Warum bin ich hier?“, fragte Matthew. „Oh, das kann ich dir erklären.“, sagte sein Gegenüber in einem süffisanten Tonfall. „Vielleicht erinnerst du dich ja an Alec?“ Matthew war irritiert. „Was hat denn Alec damit zu tun?“ Er konnte ein Grinsen auf dem Gesicht des älteren Mannes erkennen. „Alec ist mein Sohn. Und ich weiß, was zwischen euch war. Sehr genau. Und weil ich das nicht tolerieren kann, hatte ich eigentlich dafür sorgen wollen, dass du verschwindest!“ „Was?“ „Oh, du hast mich schon verstanden!“ McDuff kam so schnell näher, das Matthew erschrocken zurückwich und mit dem Kopf gegen die Steine hinter sich stieß. „Wie zur Hölle konntest du überleben?“, zischte er ganz nahe an Matthews Gesicht. „Ich hab keine Ahnung wovon Sie reden!“, antwortete Matthew leise. McDuff sog scharf die Luft durch die Nase ein und so schnell, wie seine Faust in Matthews Magengrube gelandet war, so schnell hatte er sie auch wieder zurückgezogen. Matthew blieb die Luft weg. Er rang nach Atem und hustete. „Ich weiß es nicht…“, japste er. „Ich weiß noch nicht mal, was das hier soll!“ „Ich habe schon gehört… Du weißt von nichts. Das können wir ändern. Jonathan!“ Als er seinen Lakaien rief, klang es fast wie ein Bellen. Jonathan kam in den Kerker geschlendert und blieb bei McDuff stehen. „Erzähl ihm doch alles, der arme Junge kann sich an sich nichts mehr erinnern. Da können wir ihm doch helfen, nicht wahr?“, sagte McDuff mit purem Sarkasmus in der Stimme an Jonathan gewandt und sah dann zu Matthew. „Du willst es doch ganz bestimmt wissen?“ Matthew reagierte nicht auf die Frage. Er wusste, egal was er sagte, Jonathan würde es ihm sowieso erzählen. „Ich habe alles beobachtet und berichtet, was du und Alec gemacht habt. Und irgendwann musste das ein Ende haben. Du konntest doch nicht wirklich glauben, das es unbemerkt bleibt?“ Jonathan lachte. Matthew sagte nichts dazu, er hörte einfach zu. Eine andere Wahl hatte er sowieso nicht. „Ach ja… Du weißt ja nichts. Nun ja, egal. Das will ich auch gar nicht alles erzählen. Das ist unwichtig. Interessanter ist es doch, wie du überleben konntest, was ich getan habe!“, blaffte Jonathan. „Und was war das?“, brachte Matthew hervor. Jonathan richtete sich auf, atmete tief ein und sah aus, als würde er nachdenken. „Ich glaube… das zeige ich dir lieber. Prägt sich besser ein…“, meinte er dann und holte einen alten rostigen Schlüssel aus der Tasche. Er schloss die Ketten auf, ließ den Schlüssel fallen und schnappte sich blitzschnell Matthews Handgelenke. Er drehte sie ihm auf den Rücken, sodass Matthew ein schmerzverzerrtes Gesicht machte und versuchte sich möglichst so zu halten, dass es weniger weh tat. Jonathan schob ihn grob aus dem Kerker und McDuff folgte ihnen gemächlich. Alistair war am Anwesen der McDuffs angekommen. Es war eine alte Burg, die wieder hergerichtet worden war. Seitlich konnte man Ställe erkennen. Das Gelände war mit einem eisernen Zaun umringt, man konnte die gepflegten Rasenflächen und einige Bäume erkennen. Am Gebäude selbst wuchsen Rosen und Hortensien. Er überlegte, wie er überhaupt hineinkommen sollte. Einfach fragen, ob Matthew hier war, das erschien ihm ziemlich dumm. Wenn er hier war, dann würde man ihn so ganz sicher nicht reinlassen. Er dachte an Alec und dass er vermutlich von nichts wusste. Also könnte er vielleicht über ihn ins Gebäude kommen. Oder er verlangte einfach nach ihm und fragte ihn. Irgendwie musste es ihm gelingen, aber Alec schien die Lösung für sein kleines Problem zu sein. Das Tor stand noch offen, doch Alistair wollte nicht mit seinem Wagen vorfahren. Er stieg aus und folgte dem Weg zum Haupteingang. Ein großes Anwesen und doch gab es eine gewöhnliche Klingel. Alistair wäre belustigt gewesen, wäre es nicht ernst. Er läutete und kurze Zeit darauf öffnete ein älterer, aber freundlich aussehender Mann. „Ja bitte?“, fragte er. „Ich bin Dr. Alistair McGawyn. Ich wurde von Mr. McDuff gerufen. Dem jungen McDuff.“, sagte er. Der Alte sah ihn fragend an. „Davon weiß ich gar nichts.“ „Er hat mich angerufen. Ist noch nicht lange her. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich würde Sie bitten, mich zu ihm zu bringen.“, sagte Alistair ernst, als würde er eine Operation leiten. Der Mann vor ihm nickte zögerlich und ließ ihn eintreten. „Wenn Sie mir folgen würden.“ Alistair lief dem alten Mann hinterher, eine Treppe hinauf und einen Gang entlang bis zu einer Tür. Der Alte wollte gerade anklopfen, als Alistair ihn zurückhielt. „Schon gut, ab hier komm ich allein zurecht.“ „Wie Sie meinen. Ich bin unten, wenn Sie mich brauchen.“ Alistair sah ihm nach. Er klang misstrauisch. Zurecht, wie er fand. Dann klopfte er an der Zimmertür und trat ein, als Alec drinnen brummte. Dieser sah nicht auf, als Alistair eintrat. Er lag auf dem Sofa und hatte das Gesicht verdeckt. Auf dem Tisch stand eine leere Flasche Wein. „Alec!“ Alistairs Stimme war schärfer als er beabsichtigt hatte. Der junge McDuff saß erschrocken kerzengerade auf dem Sofa und starrte ihn irritiert an. „Sie? Hier?“ „Ich suche Matthew.“, antwortete Alistair direkt. „Wie, Sie suchen Matthew? Hier? Ich glaube kaum, dass Sie ihn hier finden werden…“ Alec wollte wohl verärgert klingen, doch Alistair hörte, dass er eigentlich traurig war. Er überging das jedoch, trat an den Tisch heran und nahm die Weinflasche. Er besah sie sich, während er überlegte, wie er Alec das erklären sollte. „Du trinkst? Keine gute Idee!“ Alec stand auf und riss ihm die Weinflasche weg. „Ist doch meine Sache, oder? Also, was heißt das, Sie suchen Matthew? Warum?“ „Er ist verschwunden. Er wollte vor zwei Stunden einen Zaun reparieren, ist aber nicht zurückgekommen. Ich war nachsehen, weil Eilan nicht kann und habe nur das Werkzeug gefunden.“, erklärte Alistair. „Und warum bist du dann hier? Siehst du ihn hier irgendwo?“, blaffte Alec und wandte sich ab. „Fahr mal wieder runter…“, entgegnete Alistair und hob beschwichtigend die Hände. Alec wandte sich ihm wieder zu. Sein Gesicht war eine Mischung aus Ernst und Traurigkeit. „Ich wünschte, er wäre hier!“, presste er hervor und stellte die leere Flasche auf den Tisch zurück. „…Ist von gestern. Nicht dass du denkst, ich bin betrunken…“ „Dann kann ich also mit dir reden, wie mit einem vernünftigen Menschen?“ Alec schaute ihn wartend an. „Du warst der einzige Außenstehende der mit Matthew zuletzt Kontakt gehabt hatte. Ist irgendwas passiert?“, fragte Alistair. „Nein… Nichts, außer…“ „Außer was?“ Alec seufzte. Er wollte es nicht schon wieder erzählen müssen. Auch wenn es über ein Jahr her war, es tat immer noch weh. „Alec! Das ist wichtig! Matthew hat mir schon erzählt, dass du jemanden wie ihn kanntest. Er hieß auch Matthew und sah auch fast genauso aus. Aber war da noch mehr, was du ihm erzählt hast? Irgendwas?“, hakte Alistair drängend nach. „Ich habe ihn geliebt… Das habe ich Matthew erzählt. Und er weiß auch, dass mein Vater es nicht akzeptiert hat…“, antwortete Alec und wandte sich ab. „Das hilft mir nicht…“, sagte Alistair leise. Alec war ans Fenster getreten und sah hinaus. „Matthew…“ „Was?“ Alistair sah auf und Alec auf sich zulaufen. „Was ist denn-“ „Matthew! Los, schnell!“, rief Alec, packte Alistair am Arm und riss die Tür auf. „Wo willst du hin? Und was ist überhaupt los?“, schnappte Alistair während er ihm hinterher rannte. „Er ist hier! Du hattest recht! Ich wusste nichts davon!“ Alec jagte die Treppe hinunter und durch Gänge und Zimmer bis zu einem Wintergarten. Es interessierte ihn nicht, ob er Pflanzen umriss oder nicht. Alistair sprang erschrocken über die Scherben von Terracottatöpfen und hetzte ihm nach. „Wovon redest du?!“, brüllte er Alec hinterher. „Mein Vater! Er hasste Matt und er scheint von Matthew zu wissen! Ich glaube, er denkt, er und Matt sind ein und derselbe! Sie sind bei den Klippen!“, hechelte Alec beim Rennen, kaum, dass Alistair ihn eingeholt hatte. Jonathan schob Matthew auf die Anhöhe hinauf, die zu den Klippen führte. Erst als er sich sicher war, dass Matthew nicht mehr davon laufen konnte ließ er ihn mit einem kräftigen Schubs los. Matthew landete im Gras und sah sich um. Der Abhang war nicht weit entfernt. Er schaute zu Jonathan und McDuff zurück. Jonathan zog ein Lederband aus seiner Tasche, mit dem er spielte. Matthew zog die Augenbrauen zusammen. Die Art, wie er damit spielte. Es kam ihm bekannt vor. „Es hat Spaß gemacht. Mir jedenfalls… Soll ich es dir zeigen?“, meinte er und zog das Lederband mit einem Ruck stramm, sodass es laut knallte. Matthew war nicht schnell genug aufgestanden. Er spürte das Lederband auf seinem Arm, als wollte es sich in seine Haut brennen. Er drehte sich weg, doch damit bot er Jonathan eine größere Angriffsfläche. Das Lederband schlug laut knallend auf seinem Rücken auf. Immer und immer wieder. Es brannte wie Feuer auf seiner Haut und Matthew schrie auf vor Schmerz. Er wollte weg, doch er kam nicht vorwärts. Stattdessen war er wie gelähmt. Er hatte das schon einmal erlebt. Die Erinnerungen daran schossen wie Blitze in sein Bewusstsein. Gleichzeitig war der Schmerz zu stark, als er dass er es noch lange aushalten würde können. Als Jonathan merkte, dass Matthews Widerstand nachließ, hörte er auf. „Genug davon… Schade, dass es gleich vorbei sein wird…“ Er zog Matthew auf die Beine. Einen Moment lang begutachtete er sein Werk im Halbdunkel. Matthews T-Shirt war zerrissen und blutig. Also hatte er es richtig gemacht. Er lächelte zufrieden. Hinter sich hörte auf einmal jemanden rufen. Matthew hörte es auch. Es war sein Name und die Stimme kannte er. Beide Stimmen kannte er. Es gelang ihm, sich umzudrehen. Es war Alistair und vor ihm Alec. Alec rannte wütend auf seinen Vater zu. Dieser wollte ihn aufhalten, doch Alec stieß ihn beiseite und jagte auf Jonathan zu. Jonathan langte an seinen Gürtel und zog etwas hervor, dass er Alec ins Gesicht stieß. Alec taumelte rückwärts und als er zu Jonathan schaute, sah er auf den Lauf einer Pistole. Alistair hielt direkt hinter Alec an. „Bleibt wo ihr seid!“, blaffte Jonathan. Alec knurrte wütend und wollte losstürmen, doch Alistair hielt ihn fest. „Lass das!“ „Scheiß drauf! Wenn er mich erschießt, ist er selber dran! Mein Vater wird das nicht zulassen!“, blaffte Alec und riss sich los. „Sicher?“, insistierte Jonathan, ohne sich zu bewegen. Alec hielt inne und sah kurz zu seinem Vater. Drew McDuff zeigte keine Regung und Alec verharrte unsicher. Das würde er nicht tun… Oder doch? Jonathan grinste. „Bleibt wo ihr seid.“, wiederholte er und schubste Matthew näher an den Abhang heran. Jonathan war sich sicher, dass Alec nichts mehr unternehmen würde. Dafür hatte er anscheinend zu viel Angst. Er wandte sich wieder Matthew zu, drehte seinen Arm auf den Rücken und schob ihn weiter an die Klippe heran. Matthew verstand, was er vorhatte. Jonathan wollte ihn da hinunter stürzen. Er stemmte sich gegen ihn, so gut er konnte, doch Jonathan war stärker. Je näher er dem Abgrund kam, desto größer wurde die Angst. Auch das kam ihm bekannt vor. Die panische Angst, die in ihm hochstieg. Er hatte das auch schon einmal gefühlt. Plötzlich fiel ihm alles wieder ein. Jonathan war das gewesen… ...Er hatte ihn aus dem Stall gezerrt, als er auf Alec gewartet hatte. Jonathan hatte gewusst, dass er Matthew nicht einfach so aus dem Stall würde locken konnte. Matthew hatte auf Alec gewartet. Sie wollten sich vom Gelände schleichen, weil er einen Platz gefunden hatte, an dem sie mit Sicherheit niemand stören würde. Doch Jonathan machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er prügelte ihn bis zu den Klippen, wo er sein Lederband auspackte. Er spürte es auf sich nieder rasen und es brannte wie die Hölle. Jonathan machte den Eindruck, als wollte er gar nicht mehr aufhören, bis Matthew nachgab und seinen Widerstand ablegte, weil der Schmerz zu übermächtig wurde. Dann wurde er auf die Beine gezogen und vorwärts geschoben. Er sah erst wenige Meter vor dem Abgrund, wo er war und verstand was Jonathan vorhatte. Er drehte sich hastig zu ihm um, doch er konnte ihm nichts mehr entgegen schleudern. Jonathan trat rasch einen Schritt zurück und stieß ihn mit Schwung von sich. Matthew hatte keinen Halt mehr und er stürzte… Der Aufprall im Wasser raubte ihm einen Augenblick lang die Luft. Der Gedanke an Alec, das war das einzige, was ihn wach hielt, obwohl sein Verstand sagte, er sollte es sein lassen. Loslassen. Er kämpfte sich an die Oberfläche zurück und rang nach Luft. Das kalte Wasser schnürte ihm die Lunge zu, aber er dachte nur an eins. Alec! … „Hör auf!“, schrie Alec, als ihm klar wurde, was Jonathan vorhatte. Doch Jonathan reagierte nicht auf ihn. Er hatte langsam Mühe, Matthew weiter zum Abgrund zu drängen. Er wehrte sich deutlich mehr als damals. Alec hatte Angst. Angst um Matthew und es war ihm egal, was Jonathan mit ihm machen würde, wenn er ihn bemerkte, aber er rannte los und packte den Lakaien seines Vaters an der Schulter, um ihn von Matthew wegzuziehen. Doch er hatte ihm bereits einen Stoß gegeben und Matthew rutschte ab. Alec sah, wie Matthew stürzte und griff hastig nach ihm. Matthew sah gerade noch, wie Alec seine Hand nach ihm ausstreckte. Er griff zu und baumelte an Alecs Hand über der Klippe. Alec verzog das Gesicht, er hatte Mühe ihn zu halten. „Lass nicht los!“, knirschte er. Matthew schüttelte angestrengt den Kopf. Ganz sicher würde er nicht loslassen. Alistair hatte entsetzt zugesehen. Als Jonathan sich aufrichten wollte, zerrte er ihn hoch und stieß ihn noch weiter weg. Dann lief er zu Alec und half ihm, Matthew wieder auf den sicheren Boden zu ziehen. Als er sah, dass Alec den Rest allein schaffte, ließ er wieder los und wandte sich Jonathan zu. Er konnte nicht zulassen, dass er sich weiter einmischte. Er stürmte auf ihn zu und entriss ihm die Waffe. Er war nicht fähig etwas zu sagen, er sah ihn nur wutentbrannt an. Jonathan kroch rückwärts außerhalb von Alistairs Reichweite, bevor er aufstand. Dann folgte er McDuff, der bereits wortlos den Schauplatz verlassen hatte. Als sie weit genug weg waren, drehte sich Alistair zu Matthew und Alec um. Er und Matthew waren auf das Gras gerollt. Matthew lag auf dem Gras und Alec hatte sich über ihn gebeugt. Er sah zu Alistair. „Du musst ihm helfen! Wir müssen hier weg!“, sagte Alec zittrig und hielt Matthew am Arm fest. Alistair kam zu ihnen und sah auf die Wunden auf Matthews Rücken. Er drehte ihn zu sich, doch Matthew blinzelte ihn nur noch an, bevor ihm die Augen zufielen. „Komm!“, sagte Alistair und hievte Matthew auf seine Arme. Alec folgte ihm. Hosted by Animexx e.V. 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