Ein Wochenende in Hakone von _Delacroix_ ================================================================================ Ring!   Einen Moment lang starrten sie einander an. Kunzite das Geschirrhandtuch fest in der Hand, er die frisch gefüllte Tasse Tee. Dann landete das Handtuch unwirsch auf dem Tresen. «Ich geh schon», murrte Kunzite, während er in Richtung Wohnungstür abzog. Jedite war das egal. Vermutlich war es eh nur Neflite, der vor lauter Aufregung den Wohnungsschlüssel hatte liegen lassen. Stumm stellte er die Tasse auf das zuvor vorbereitete Tablett und hob selbiges an. Wenn das die Medikamente waren, kamen sie gerade zur rechten Zeit. Zwar glaubte er fest daran, dass man eine Grippe mit einer ausreichend großen Menge Grüntee und viel Schlaf behandeln konnte, doch auch er musste zugeben, dass ein paar Pülverchen das Leiden erheblich lindern konnten.   «Was zum ...», entfuhr es einer entsetzten Stimme auf dem Flur, unterbrochen von Kunzites stoischer Erwiderung. Was er genau sagte, konnte Jedite nicht hören, wohl aber die Schritte, die schlagartig in seine Richtung kamen. Wohlweislich blieb er stehen, um nicht mit dem Neuankömmling zu kollidieren, der an der Küchentür vorbei in Richtung Schlafzimmer stürmte. «Mamoru?!» hörte er eine weibliche Stimme rufen, gefolgt von etwas, was sich wohl am besten als Krächzen beschreiben ließ. Vorsichtig spähte er auf den Flur, entdeckte Kunzite, der träge mit den Schultern zuckte und folgte dann Selbigem zur Schlafzimmertür. In dieser stand, sichtlich geschockt, eine dunkelhaarige junge Frau in Freizeitkleidung. «Du siehst ja ganz furchtbar aus», stellte sie gerade fest. «Du hättest anrufen sollen. Ich hätte dir ein paar Medikamente vorbeigebracht.» Mamoru krächzte etwas als Antwort und Kunzite nutzte die Chance um sich an ihr vorbei in das dunkle Zimmer zu schieben. «Er hat ziemliche Halsschmerzen», erklärte er, «Er kann derzeit nicht viel reden.» Sie erlaubte sich einen mitleidigen Blick. «Er sieht wirklich nicht gut aus», stimmte sie zu. Jedite schob sich an den beiden vorbei, um das Tablett auf dem Nachttisch abzustellen. «Ich habe dir noch einen Tee gekocht», informierte er den Kranken. Mamoru krächzte etwas, was vermutlich ein «Danke» war, in seiner Verfassung aber auch alles andere hätte heißen können. «Versuch noch ein wenig zu schlafen», riet er ihm. Hinter ihm brummte Kunzite zustimmend. «Vielleicht sollten wir auf dem Flur weiter reden», schlug er vor und deutete auf die Tür. Einen Moment lang sah ihr Gast aus, als wollte er protestieren, doch schließlich wirbelte er doch herum und stapfe zurück auf den Gang. Jedite warf Kunzite einen skeptischen Blick zu, dann folgte er ihm ebenfalls wieder hinaus auf den Flur, wo ihr ungebetener Gast sie bereits mit verschränkten Armen erwartete.   «Also», begann die junge Frau, kaum das er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, «Was wird hier gespielt?» Kunzite schüttelte den Kopf. «Wir spielen nicht», versicherte er. «Mamoru ist krank und wir kümmern uns um ihn. Das ist unsere Pflicht.» Sie runzelte skeptisch die Stirn. «Eure Pflicht?», wiederholte sie, die Stimme so ungläubig, dass selbst Jedite es nicht ignorieren konnte. Doch Kunzite ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Betont langsam neigte er den Kopf. «Ich weiß, dass du mir nicht glaubst», entgegnete er ihr. Sie schnaubte abschätzig. «Natürlich glaube ich euch nicht», bestätigte sie seinen Verdacht, «Ihr habt mehr als einmal versucht, uns umzubringen. Und jetzt machst du hier fröhlich die Tür auf und erzählst mir was von Grippe.» «Ich erzähle nichts von Grippe», erwiderte Kunzite betont beherrscht. «Du hast ihn doch gesehen. Er ist eindeutig krank.» «Die Frage ist, ob mit oder ohne euer Zutun?» Kunzite schüttelte den Kopf. «Was hätten wir denn davon? Mamoru hat sich über Monate um uns gekümmert, während wir Steine und damit völlig hilflos waren. Selbst wenn wir ihm nicht verpflichtet wären, denkst du wirklich, wir würden so etwas einfach vergessen?» Einen Augenblick lang starrte sie ihn düster an, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. «Euch traue ich alles zu», entgegnete sie. «Wobei ich zugebe, dass Tod durch Grippe nicht wie eine eurer üblichen Taktiken klingt.» «Weil es keine ist», beeilte sich Kunzite noch einmal klarzustellen. «Und wenn du mir nicht glaubst, kannst du auch Mamoru fragen. Jedenfalls sobald er wieder antworten kann. Was mich zum eigentlichen Thema bringt: Was willst du hier?» Hätten Blicke töten können, er wäre vermutlich rückwärts umgekippt, doch so schaffte er es irgendwie, ihr wütendes Starren erfolgreich zu ignorieren, bis sie schließlich den Blick senkte. «Du kannst dir sicher sein, dass ich Mamoru hierzu befragen werde», murrte sie, «Jedenfalls sobald ich wieder zurück bin.» «Zurück?» Sie nickte und deutete beiläufig auf ihre prall gefüllte Sporttasche. «Eigentlich wollte ich Mamoru um einen Gefallen bitten.» Kunzite zog die Augenbrauen hoch. «Einen Gefallen?», wiederholte er abermals. Die junge Frau nickte noch einmal. «Der Priester des Amidaji-Tempels hat einige sehr verdächtige Beobachtungen in der Umgebung seines Tempels gemacht. Ich will das untersuchen und sicher gehen, dass es kein Youma ist. Aber dafür muss ich nach Hakone. Ich hatte gehofft, Mamoru könnte mich fahren.» «Ich fürchte derzeit fährt Mamoru nirgendwo hin», beschloss Jedite sich in das Gespräch einzumischen. Kunzite nickte. «Ich denke auch in dem Zustand kann er sich nicht ans Steuer setzen. Aber wenn du möchtest, kannst du warten. Ich habe Neflite Medikamente kaufen geschickt, wenn er zurückkommt, kann er dich fahren.» «Neflite soll mich nach Hakone fahren?», fragte ihr Gast misstrauisch. «Alternativ kannst du auch den Zug nehmen.» Einen Augenblick lang schien sie ihre Optionen abzuwägen. «Wird er denn noch lange brauchen?» Kunzite zuckte mit den Schultern. «Am Ende des Blocks ist ein KoKuMiN(1). Da wollte er eigentlich hin. Allerdings ist das schon eine Stunde her und ich vermute langsam, er hat sich unterwegs ablenken lassen. Es tut mir leid. Ich würde dich selber fahren, aber ehrlich gesagt ...» «Hat er immer noch keinen Führerschein», brachte Jedite den Satz zu Ende. Kunzite warf ihm einen bösen Blick zu. «Ich habe eben keine Zeit, um meinen Tag damit zu verplempern, ein Auto durch irgendwelche Übungsparcours zu steuern», verteidigte er sich. Jedite zuckte mit den Schultern. Er hatte eine eigene Theorie, was das betraf, aber er würde sich hüten, die jetzt auszubreiten. «Neflite hat das Auto nicht genommen, oder?», fragte er stattdessen und Kunzite schüttelte den Kopf. «Ich habe den Schlüssel auf dem Wohnzimmertisch liegen sehen. Warum?» «Nun, du hattest vielleicht keine Zeit für die Prüfung, aber ich.» Kunzite runzelte die Stirn. «Du willst nach Hakone fahren?», fragte er misstrauisch. Jedite nickte. «Wollen ist nicht das richtige Wort, aber sie braucht einen Fahrer und kann nicht warten. Und ich kann fahren und bin nicht derjenige dem Mamoru verboten hat noch mal sein Auto anzufassen.» Die Falte zwischen Kunzites Augen wurde noch ein wenig steiler. «Ich bin mir sicher, das wird ihm nicht gefallen», murmelte er. «Es wird ihm aber auch nicht gefallen, wenn wir zulassen, dass ein Youma in Hakone wütet, nicht wahr?» Kunzite seufzte. «Lassen wir vielleicht einfach unseren Gast entscheiden.» Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)