Eine Begegnung verändert alles von Charly89 (Daryl und Matt) ================================================================================ Kapitel 3: Perfekter Samstag ---------------------------- Matt   Gutes und Böses kommt unerwartet dem Menschen. Johann Wolfgang von Goethe   Glücklich und zufrieden, und vor allem mit vollem Magen, verlasse ich das Diner. So, und nur so, sollte man einen sonnigen Samstag verbringen. Eine Tour mit dem Motorrad, ein leckeres Essen, gebracht von einer äußerst netten Bedienung und dann wieder aufs Bike und … Hoppla. Was ist denn hier los? Mit dem Helm unterm Arm stehe ich etwas verwirrt auf dem Parkplatz. Ich habe meine Maschine extra abseits geparkt, damit sie nicht von irgendwelchen unvorsichtigen Leuten zerkratzt oder gar umgeschmissen wird. Das Bild was ich gerade sehe ist irritierend. Vor meinem Motorrad, in zwei Metern Entfernung, hockt jemand mit einer Kamera. Eine Frau, wie ich mich mit dem zweiten Blick rückversichere. Da kniet eine Frau und fotografiert mein Bike … Ich habe schon einiges erlebt, aber dass definitiv noch nicht. Langsam nähere ich mich dieser eigenartigen Szene. Ich bin echt unsicher was ich davon halten das soll. Die Frau ist so in ihr Tun vertieft, dass sie mich gar nicht mitbekommt, obwohl meine Stiefel hörbar auf dem Kies knirschen. Einen Moment stehe ich unschlüssig da und beobachte sie. Was macht sie da? Und warum? „Da wird sie sich aber freuen“, rufe ich schließlich belustigt um irgendetwas zu tun. Ich fühle mich ein wenig eigenartig und unbeholfen mit der Situation. Die Unbekannte nimmt die Kamera runter, betrachtet aber weiter meine Maschine während sie amüsiert antwortet, „Das ist doch wovon Jede träumt: einmal der Star eines Fotoshootings zu sein.“ Sie dreht ihren Kopf zu mir und lächelt begeistert. Einen Moment runzelt sie dann aber kurz die Stirn und mustert mich, grinst aber wieder im nächsten Augenblick. „Deine Lady?“ Frauen interessieren sich erfahrungsgemäß nicht für Motorräder, und wenn, dann sehen sie sie wohl eher als Konkurrenz. Sie hier offenbar nicht. Ihre blauen Augen strahlen mit ihrem Lächeln um die Wette, als sie mein Bike als Lady bezeichnet. Lady! Den Ausdruck find ich klasse! „Ja, meine Lady“, antworte ich begeistert von meiner Maschine, und auch von der Frau irgendwie, auch wenn ich noch nicht so richtig weiß warum. Die Unbekannte steht auf und lässt die Kamera sinken, so dass sie an ihrer Taille hängt. Ihr Blick schweift wieder über mein Motorrad. „Eine kostspielige Dame, oder?“ Ich nicke. „Ja, so sind sie, die Frauen. Ziehen ihren Männern das letzte Geld aus der Tasche“, witzle ich, und bin gespannt auf ihre Reaktion. Ich bin mir bewusst das dieses witzereißen im Grunde nur ein Schutzmechanismus ist, der die Leute davon abhalten soll hinter die Fassade zu sehen. Aber er ist trotzdem ein Teil von mir, den ich gerade in Situationen wie jetzt sehr zu schätzen weiß. Sie lacht. Nicht gespielt, sondern ehrlich und herzlich. „Na ja, so lange es sich lohnt und man sich sicher ist, dass sie es Wert ist, ist doch alles okay, oder?“ Ihr neugieriger Blick trifft mich mit voller Wucht und mein Magen dreht einen Looping. Ich verliere mich kurz in diesem hellen Blau ihrer Augen und frage mich, warum sie ihre Haare wohl unter der Stoffmütze versteckt. „Ja, so lange sie es wirklich wert ist, gibt man auch mit Vergnügen das letzte Hemd“, stelle ich ein wenig verträumt klingend fest. Die Unbekannte schürzt amüsiert die Lippen, sie hat scheinbar Spaß an unserem Geplänkel. „Was ja durchaus im Sinne der Frau sein kann“, stichelt sie und zieht neckisch die Augenbraue hoch. Nun ist es an mir herzlich zu lachen. Ja, diese kleine Frau hier, denn sie ist einen ganzen Kopf kleiner als ich, hat etwas an sich, was mir durchaus gefällt. Ziemlich gut gefällt sogar. Sie ist eher zierlich, ich schätze so Mitte Zwanzig und scheinbar ein sehr offener und fröhlicher Mensch – genau so, wie ich es mag. „Und wo kann ich meine Lady dann bewundern?“ Ich deute auf ihre Kamera die an dem breiten Lederband hängt. „Das weiß ich noch nicht. Ich habe im Moment keinen speziellen Auftrag oder so“, antwortet sie mir und legt den Kopf ein wenig schief und mustert mich interessiert. „Also bist du wirklich Fotografin?“, hake ich nach und versuche das Gefühl zu verdrängen, welches ihr Blick in mir auslöst. Sie nickt und lächelt. „Ja. Freie Fotografin. Ich suche mir aus, mit wem ich arbeite und für was. Eigentlich bin ich immer auf Achse und mache Bilder. Man weiß nie, was man gebrauchen kann. Manchmal brauchen Kunden kurzfristig ein Exposé und dann ist es gut, immer eine große Auswahl zu haben. Ich verkaufe auch Bilder, an Marketing-Firmen oder privat Personen.“ „Das klingt spannend. Aber ist finanziell etwas unsicher, oder?“ Ich verkneife mir, ihr zu sagen, dass wir offenbar noch mehr Gemeinsamkeiten haben, außer der Begeisterung für meine Lady. Meine Arbeit bei der Carter Corp. ist ihrer, vom Fotografieren selber abgesehen, womöglich sehr ähnlich. So als Grafikdesigner mache ich am Ende wahrscheinlich nicht viel anderes. „Ja, schon. Aber, wenn man etwas liebt, nimmt man eben auch gelegentliche Armut in Kauf. Und es gibt schlimmeres, wie einen ganzen Monat Makkaroni und Käse zu essen.“ Ihre sanfte, warme Stimme lullt mich ein bisschen ein und ich höre nur mit dem halben Ohr zu. In meinem Kopf rattert es unablässig.  Ich würde sie zu gern nach ihrer Handynummer fragen, wenn ich ehrlich bin. Normalerweise frage ich nicht, eigentlich nie. Wenn ich merke, dass mein Gegenüber interessiert ist, ignoriere ich das meist aus gewissen Gründen. Das führt dann allerdings dazu, dass ich meistens die Nummern einfach zugesteckt bekomme. Doch hier ist die Lage anders; ich hätte ihre Nummer gern, weiß aber nicht wie ich das am besten anstelle. Irgendetwas lässt mich vermuten, dass sie mir die direkte Frage übelnehmen könnte; oder ich rede mir das ein, weil ich mich nicht traue … Plötzlich kommt mir eine Idee. „Wie erfahre ich denn nun, wenn meine hübsche Lady irgendwo auf einer Titelseite auftaucht?“, frage ich neugierig nach. Die Frau sieht mich an und scheint zu überlegen. Ein wohlwollendes Lächeln bildet sich auf ihren Lippen, dass mir einen kleinen Schauer den Rücken hinunter jagt. Sie greift in eine der Seitentaschen ihrer Hose und holt ihr Smartphone heraus. Aus der Hülle zieht sie eine Visitenkarte und reicht sie mir. „Schreib mir einfach, dann hinterlege ich dich als Kontakt bei den Bildern und sag dir Bescheid, wenn es soweit ist.“ Ich bewundere kurz die Karte. Sie ist schlicht, aber hochwertig. Mein Blick fällt auf ihren Namen. Mia. Mir fällt direkt ein, dass ich mich gar nicht vorgestellt habe. Ich sehe sie an, lächle etwas peinlich berührt und strecke ihr die Hand entgegen. Die Fotografin lacht, weil sie scheinbar weiß, was mir gerade bewusstgeworden ist. Sie reicht mir die Hand. „Ich bin übrigens Matt“, stelle ich mich verspätet vor und grinse wie ein Idiot. „Freut mich Matt, ich bin Mia“, lacht sie amüsiert. Himmel ich kann einfach nicht von ihren Augen lassen. Sie glitzern wie das Meer im Sonnenschein. Es gehört verboten, jemanden mit diesem Blick anzusehen, da fällt selbst dem prüdesten Klosterbruder das Denken schwer. Aber ich muss denken. Was hatte sie vorhin gesagt? „Also, ich schreibe dir und du hinterlegst mich?“ „Ja, aber schreib dazu, dass es um die hübsche Lady geht. Nicht das ich mich wundere, wer mir da textet.“ Ihre Augen lassen von mir ab und sehen zu meinem Bike. Auch wenn mir dieses hübsche Blau sofort fehlt, bin ich froh. Mein Gehirn setzt sich endlich wieder in Bewegung. „Und wenn ich dir einfach so schreiben möchte?“, taste ich mich vorsichtig heran. Ich kann mir echt nicht erklären warum mir das hier gerade so schwerfällt und wovor ich Angst habe. „Kannst du gerne machen. Aber nicht morgens um 2 Uhr oder so.“ Mia sieht mich wieder an und wirkt ernst, bemüht ernst. Ich sehe das kurze Zucken an ihrem Mundwinkel, dass den Scherz hinter ihrer Aussage verrät. „Hmm … um 3 Uhr wäre aber okay?“, steige ich direkt mit ein und feixe amüsiert. „Ja, um drei ist okay“, lacht sie und reibt sich etwas verlegen über die Schläfe. Ich gebe mir einen Ruck, wo es einmal so gut läuft. „Ein Kaffee vielleicht?“, frage ich betont lässig und deute auf das Diner hinter uns. Sie mustert schweigend das Gebäude einen Moment und scheint zu überlegen. Kein gutes Zeichen. Ich erahne die Antwort bereits und merke, wie mir das Herz etwas schwer wird. Gerade als ich ansetzen will, die Situation irgendwie noch zu retten, passiert etwas Unerwartetes: Mia kommt mir zuvor. „Heute ist schlecht, ich habe noch zu viel auf meiner To-Do-Liste.“ Sie grinst und zwinkert mir zu. „Aber falls du magst; ich hätte ich morgen Zeit.“ Ihre hübschen blauen Augen und ihr hübsches zartes Gesicht lassen mich beinahe alles vergessen, was ich mir eben noch in meinem Kopf zurechtgelegt habe. Statt einfach nein zu sagen bietet sie mir tatsächlich eine Option an, dich ich schnell nutzen sollte! „Cool. In Sheepsheads Bay gibt es ein Restaurant, dass ziemlich abgefahrenen Fisch servieren soll.“ „Das klingt doch vielversprechend … oder todesmutig“, lacht sie amüsiert und legt den Kopf schief. „Und? Wann und wo treffen wir uns?“ Ich könnte mir ein Auto von einem Kumpel leihen, allerdings fürchte ich, dass es Fragen aufwerfen könnte. Sie scheint Motorräder zu mögen, also vermute ich, dass sie kein Problem damit hätte, wenn ich sie mit dem Bike abholen würde … Allerdings hätte ich ein riesen Problem damit. Und das möchte ich nicht erklären … also … Eine Alternative muss her! „Der Parkplatz, 15te Straße, in der Nähe der Schule? 16 Uhr?“ Inständig hoffe ich, dass sie es mir nicht übelnimmt, dass ich sie nicht abhole. „Geht klar.“ Mia sieht mich an und strahlt über das ganze Gesicht. „Ich freu mich. Ich muss jetzt aber.“ Sie deutet lose in die Luft. „Na dann, gute Jagd noch“, scherze ich und deute auf ihre Kamera. „Bis morgen.“ „Bis morgen.“ Mia sieht mich warm an und schmunzelt. „Und gute Fahrt weiterhin.“ Ich sehe ihr nach, während sie davonläuft. Sie geht quer über den Parkplatz und ich glotze ihr ungeniert auf den Hintern, der knackig und ansehnlich ist. Die Kleine ist echt eine Hausnummer, so jemanden bin ich noch nicht begegnet. Ich freu mich extrem auf morgen. Ein angenehmes Kribbeln macht sich in meinem Magen bemerkbar und ich fühle eine deutliche Vorfreude. Mias Ziel ist goldgelber BMW in den sie einsteigt und davonfährt. Ich grinse blöd vor mich hin. Genau so, verläuft ein perfekter Samstag! Gerade, als ich das Bein über die Maschine schwingen will, vibriert mein Smartphone. Ich krame es aus meiner Jackentasche und mir rutscht das Herz in die Hose. Hektisch gehe ich ran. „Daryl? Alles in Ordnung?“ „Was soll dieser besorgte Ton, Brüderchen? Machst du dir etwa Sorgen um mich?“, witzelt es ironisch am anderen Ende der Leitung. „Ha, ha“, antworte ich sarkastisch. „Wenn du mich anrufst, hat das meist wenig erfreuliche Gründe.“ Traurig aber wahr, wir telefonieren meistens nur, wenn die Kacke sprichwörtlich bereits am Dampfen ist. Ein Seufzen ertönt – ein wenig genervt, ein wenig schuldbewusst. „Was machst du heute?“ Zutiefst verwirrt runzle ich die Stirn. Das Verhältnis zwischen mir und meinem Zwillingsbruder ist oft angespannt. Wir hassen uns nicht, ganz im Gegenteil, aber trotzdem ruft er mich nie an, um mich zu fragen, was ich mache. „Was ist los? Und speis mich nicht mit ,nichts‘ ab.“ „Du nun wieder“, brummt es genervt. „Vielleicht habe ich mir vorgenommen in Zukunft etwas interessierter an meiner verbliebenen Familie zu sein.“ Okay, irgendwas stimmt definitiv nicht. „Daryl …?“, frage ich sanft und hoffe, dass es Wirkung zeigt. „Ich …“ Es folgt Stille. „Ich … keine Ahnung. Ich könnte etwas Gesellschaft gebrauchen, denke ich“, erklärt sich mein Bruder leise und betreten. „Gib mir eine halbe Stunde“, antworte ich sofort. Wir legen auf, ohne uns zu verabschieden. Daryl klang niedergeschlagen. Und, dass nicht wie … sonst. Sonst ist er real niedergeschlagen, weil er sich wieder in irgendwas reinziehen lassen, oder sich mit den Falschen angelegt hat und ihm ordentlich die Fresse poliert wurde. Das jetzt klang aber … emotional? Das letzte Mal habe ich ihn so erlebt als … Hastig schüttle ich den Kopf um die Gedanken zu verdrängen. Ich packe mein Smartphone weg und steig auf mein Motorrad. Langsam fahre ich vom Parkplatz um dann mit Tempo die Straße hinunter zu brettern. Ich liebe dieses Gefühl. Die Straße, die Maschine und ich. Freiheit und Adrenalin – die perfekte Mischung. Doch ich kann es gerade nicht richtig genießen. Ich mache mir Sorgen. Um Daryl. Mal wieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)