Das Tagebuch von Palantay von Rikarin (Die Geschichte der Saiyajins) ================================================================================ Kapitel 6: Das Winteropfer -------------------------- Der Krieg war vorüber, doch von Frieden konnte keine Rede sein. Die Aosaru und die Überreste der Shiro- und Kinsaru hatten nach dem kurzen Besuch der Gegner kaum Zeit zum Verschnaufen. Der Winter brach ein, dicke Lagen von Schnee überzogen die Berge. Die Aosaru und die Flüchtlinge der verlorenen Stämme zogen sich in den Überresten ihrer Höhlen zurück, die das Erdbeben überstanden hatten. Sie versuchten, so sparsam wie möglich mit ihren Vorräten umzugehen. Besonders jetzt, wo sie wegen dem überhöhten Tribut noch weniger hatten als geplant. Beutetiere waren die einzige Möglichkeit, noch was Essbares noch zu finden war. Doch die Jäger und Krieger mussten tagelang unterwegs sein, um Wild aufzuspüren und brauchten dann selbst das Fleisch, um zu den Höhlen wieder zurückzukehren. Die Beute war zudem mager. Das einzig Gute war die natürliche Barriere, die durch die Schneestürme entstand: keine feindlichen Saiyajins würden sich bei so einem Wetter in die Berge trauen. Der Wind war stark, der Schnee blendete und raubte die Sicht, die Kälte fuhr in die Glieder und lähmte einen, bis er vom Schnee begraben wurde. Selbst die Kurosaru wagten sich nicht hierher. Fürs erste waren die Aosaru vor Übergriffe sicher, jedenfalls bis zum Frühling. Aber oft waren die Magen leer und knurrten so laut, dass sich die Aosaru fragten, ob sie den noch erleben würden. Sogar Flechten von den Höhlenwänden wurden abgekratzt und Lederstreifen gekocht, um die kargen Suppen zu würzen. Um Energie zu sparen, verbrachten sie ihre Zeit meist im Bett, wo sie sich gegeneinander wärmten. Doch ständig weinten die Kinder, deren Bäuche vor Hunger schmerzten. Der Ältestenrat fasste daher einen Beschluss und rief nach Lota, der Mutter von Topina und obersten Heilerin. „Wir können das Weinen unserer Kleinsten nicht mehr ertragen. Um die Rationen zu strecken und das Leben der nächsten Generationen zu sichern, gibt es nur eine Möglichkeit. Bereite alles für das Ritual „Saiya Suppuku“ vor“ befahl ihr der Ältestenrat. Topina, die hinter ihrer Mutter stand, hörte zum ersten Mal von diesem Ritual. Fragend sah in die Gesichter der Ältesten, die seltsam entschlossen blickten, während die Miene ihrer Mutter sich verfinsterte. Eine düstere, ernste Stimmung war zu spüren. „So schlimm ist also die Situation?“ fragte Lota bitter. „Dadurch, dass wir den hohen Tribut bezahlt haben und die Jäger keine Beute mehr machen…ja, wir haben keine andere Wahl“ sagte die alte Pea „Fürchte dich nicht, mein Kind. Diese Opfer sind ehrenvoll, da sie aus freiem Willen beschlossen wurden“ fügte sie hinzu. Lota beugte den Kopf, widerstrebend, aber gehorchend. Grimmig stand sie auf und ihre Tochter, immer noch ahnungslos, folgte ihr. Am nächsten Abend versammelten sich die Erwachsenen in der größten Höhle. Sie hatten gehört, dass ein seltenes Ritual heute stattfinden sollte, mit dem man die aktuelle Situation verbessern würde. Palantay und eine Partnerin, die weißhaarige Shirosaru Elery, als seine Begleitung, waren ebenfalls da. Seine andere Partnerin Sabi kümmerte sich in der Zwischenzeit um die zwei kleinen Jungen. Palantay dachte schmerzhaft daran, wie hungrig sie geschrien hatten: ihre Mütter hatten selbst kaum genug zu essen, um sie zu säugen. Ihre Milch war fast versiegt. Jeden Tag ging Palantay los, um Wurzeln, Moos und Flechten unterm Schnee zu finden, mit denen sie ihre Rationen strecken konnten, doch es reichte kaum aus. Er selbst aß nur das Nötigste, damit die Frauen etwas mehr hatten…doch „Mehr“ von „fast null“ war nicht viel. Seine Bemühungen reichten nicht aus. Wenn das heutige Ritual die Situation auch nur ein wenig verbesserte, war er schon dankbar, aber er fragte sich, wie genau es funktionieren sollte. Man konnte sich schließlich den Frühling nicht herbei zaubern, so naiv war er nicht. Palantay sah sich in der sich füllenden Höhle um und bemerkte, dass besonders die ältesten Saiyajins ihre beste Kleidung und schönsten Schmuck trugen. Sie fielen damit in der Menge auf, die sich vor allem warm angezogen hatte, ohne auf Stil und Schönheit zu achten; Hauptsache warm. Viele Felle waren angeraut, die Kleidung dünn…durch den Tribut hatte man die besten Felle an die Kurosaru abgeben müssen und musste nun das tragen, was man noch übrig hatte. Gut, dass es wenigstens noch ein paar heiße Quellen zum Aufwärmen gab. Palantays Blick fiel wieder auf die wenigen Saiyajins in ihrer schönsten Kleidung, die reich verziert war: Farbenprächtig, Pelzsäume, mit Perlen oder buntem Garn bestickt, dazu Schmuck…Merkwürdig, gab es bereits was zu feiern? Woher kam die Gewissheit, dass es in dieser Nacht zu einem Wechsel kam und der Stamm mehr Vorräte bekam? Von außerhalb der Berge konnte man jedenfalls keine Hilfe erwarten. Er sah Topina hereinkommen, sich nervös umschauend. Auch sie trug ein edles, zeremonielles Gewand, was er noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Ihre Haare waren am Hinterkopf zu einem kunstvollen Knoten verschlungen, der mit einer polierten Holznadel gesichert wurde. „Pst, Topina“ winkte er sie zu sich heran. „Was läuft da heute? Was ist das für ein magisches Ritual?“ „Ich weiß es nicht“ Topina schüttelte den Kopf und Palantay bemerkte ein ängstliches Zittern in ihrer Stimme. „Aber etwas ist merkwürdig. Mutter ist so seltsam und dieser Trank…ich musste ihr dabei helfen, es zuzubereiten. Palantay, darin sind giftige Pflanzen drin, in einer viel zu hohen Dosierung. Ich habe Mutter gewarnt, aber sie meinte nur, es muss so sein. Was planen sie mit diesem Trank?“ Palantay verstand nun ihr Unbehagen. Gift?! Bevor er sie nach Details fragen konnte, bemerkte Topina ihre Mutter, die sich suchend nach ihr umsah. „Ich muss los. Dieser Trank muss von den Heiler präsentiert werden. Wir mussten so viel davon brauen, dass ein einziger ihn nicht tragen kann. Palantay, was immer man dir auch sagt…trink ja nichts davon“ warnte sie ihn. Palantay nickte, tief beunruhigt. Kaum war Topina verschwunden, rückte Elery nah an ihn ran, die wachsam die Menge im Blick behielt. „Die Luft ist seltsam aufgeladen. Jeder glaubt, er bekommt nach diesem Ritual ein Festmahl. Diese Stimmung kann schnell umschlagen, wenn sie enttäuscht werden…lass uns nahe am Ausgang stehen. Was immer auch geschieht, ich will hier schnell verschwinden können“ gab sie ihm den Rat. Elery war realistisch und ließ sich in keine kindische Hoffnung versetzen. Nachdem ihr Stamm verloren und sie eine der letzten Überlebende war, hatte sich ihre Stimmung in den vergangenen Wochen verschlechtert. Die Traditionen und Merkmale ihres Stammes würden bald ausgelöscht werden. Ihr Sohn hatte die blauen Haare seines Vaters geerbt und würde wie ein Aosaru aufgezogen werden. Dieser Umstand machte sie traurig, dazu kam das schlechte Wetter und das ständige Eingesperrt- sein. Ihre Stimmung war auf den Tiefpunkt und sie fragte sich häufig, welchen Lebenssinn sie noch hatte. Die beiden Saiyajins drängten sich durch Menge und fanden einen Platz, etwas höher gelegen, nahe einer kleinen Öffnung, durch die sie sich im Notfall nach draußen quetschen konnten. Leises Trommelschlagen war plötzlich zu hören, das Gemurmel der Menge erstarb und nun sahen alle zum Haupteingang, wo mehre Heiler eintraten. Sie trugen alle ein langes, dunkelrotes Gewand, geschnürt mit Lederbänden. Um den Hals hing eine Kette aus blauen und schwarzen Edelsteinen und den spitzen Zähnen einiger Raubtiere. Angeführt wurde die Prozession von Lota, gefolgt von ihrem Gefährten und ihre gemeinsame Tochter Topina. Jeder von ihnen trug eine rote Schale; so groß, dass sie mit beiden Händen getragen werden mussten. Selbst aus der Entfernung erkannte Palantay die blutrote Farbe der Gefäße und die seltsamen schwarzen, unbekannten Symbole drauf. Hinter ihnen marschierte der Rest der Heiler, die letzten fünf. Es wären mehr, wenn die Helfer aus dem Krieg sicher zurückgekommen wären… Sie waren die einzigen Heiler, die ihr Haupt verhüllt hatten. Eine Kapuze, Teil ihres Gewandes, verdeckte ihr Gesicht, welches zu Boden gerichtet war. Dazu hielt ein jeder von ihnen einen dürren, langen schwarzen Ast in der Hand, in dessen Zweige blaue, weiße und gelbe Bänder geknotet waren. Am Ende der Höhle stellte sich der Ältestenrat im Halbkreis auf. Zu ihnen gesellten sich einige weitere grau-und weißhaarige Saiyajins, die aus den drei Stämmen stammten. Es waren diejenigen, die Palantay vorhin in ihrer besten Kleidung gesehen hatte. Die drei ersten Heiler knieten sich vor ihnen hin und boten ehrfürchtig die Schalen dar. Die anderen Heiler hielten Abstand und raschelten mit ihren Zweigen. Pea, als Anführerin des Ältestenrats, trat Lota entgegen und legte ihr beruhigend eine Hand auf den gesenkten Kopf. Palantay erkannten nun, dass die erfahrene Heilerin zitterte. Ihr Mund war aber so fest verkniffen, dass kein Klagelaut erklang. „Meine Kinder“ begann Pea zu sprechen „die Zeiten sind schlecht. Wir alle hungern und der Winter ist lang. Daher haben wir beschlossen, das alte Opferritual „Saiya Seppuku“ durchzuführen. Ihr alle seid in einer Zeit des Wohlstandes geboren und wusstet bisher nicht davon. Es wurde zuletzt in meiner Kindheit durchgeführt, als wir ebenfalls an Hunger litten. Um die Vorräte länger aufteilen zu können, wird ein Opfer benötigt. Dazu beschließen alte, edelmütige, großherzige Saiyajins freiwillig aus dem Leben zu scheiden, damit ihre Kinder und Kindeskinder anstatt überleben können“ erklärte sie. Die Menge keuchte auf. Ungläubig sahen die Aosaru ihre Großeltern an, die entschlossen an ihrer Stelle blieben. Langsam verstanden sie, wie dieses Ritual ihnen helfen sollte und warum die oberste Heilerin so litt. Was sie da darbot, war keine Medizin, sondern Gift! Heute würde sie niemanden heilen, sondern töten! Sie erkannten nun auch, warum die Alten ihre beste Kleidung trugen: weil heute ihr Todestag sein würde. Als wahre Saiyajins traten sie dem Tod ruhig entgegen, als würden sie auf ein Fest gehen. Topinas Augen wurden erschrocken groß und sie ließ ihre Hände mit der Schale sinken, um fassungslos die dunkle Brühe anzustarren. Pea sprach weiter, ihre Stimme so laut und kräftig, wie man sie lange nicht gehört hatte. Sie erschallte durch die Höhle bis zum letzten Anwesenden. „Wir, die hier stehen, haben uns freiwillig entschlossen, heute den Trank einzunehmen und friedlich, ohne Schmerzen, für immer einzuschlafen. Klagt nicht!“ sie deutete auf die Zweige, die von den Heilern gehalten wurde und fuhr fort „Wir sind alt und vertrocknet. Der Baum der Saiyajins muss weiterwachsen, seine Früchte müssen auf fruchtbaren Boden fallen. Verbrennt die verdorrte Wurzel, damit sie Dünger für den Samen wird. Ohne uns habt ihr weniger Münder, die ihr füttern müsst und der Frieden untereinander wird gewahrt. Ao, Kin und Shiro…Blau, Gold und Weiß…die Samen dieser Stämme müssen weiter leben…“ erklärte sie die Bedeutung der bunten Bänder in den vertrockneten Ästen. Die Ältesten dieser Stämme starben heute, damit die junge Generation, der Samen, überlebte. Das Überleben der Rasse stand an oberster Stelle. Die jüngsten der Anwesenden fingen an zu klagen und zu flehen, während ihre Eltern schwiegen und nur die Fäuste ballten. Sie verstanden den Ernst der Lage: Auch wenn sie der baldige Verlust schmerzte, so sahen sie keine andere Möglichkeit um zu überleben. Sie konnten nur schweigen und es dankbar annehmen. Das Opfer der älteren Generation war in der Tat nobel. Es ging darum, ihr gesamtes Überleben zu sichern. Bevor der Stamm verhungerte, opferten sich lieber diejenigen, die ihr Leben bereits gelebt hatten und keine Aufgabe mehr erfüllen konnte. Es waren die Alten, die ihren langen Leben ein schmerzloses Ende geben wollte, bevor der Hunger sie in den Wahnsinn trieb. „Saiya Seppuku“ konnte weder verlangt noch eingefordert werden. Es musste aus freiem Willen und Opferbereitschaft geschehen. Topina rührte sich nicht: sie kniete auf den Boden und sah auf die Schale mit dunkelbrauner Flüssigkeit vor sich. Sie war stolz auf ihre Aufgabe als Heilerin und hatte sich geschworen, Leiden zu mildern. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass so eine Aufgabe dazu gehören sollte. „Topina, steh aufrecht“ zischte ihre Mutter ihr verärgert zu. Lotas Gesicht war verbissen, aber sie erfüllte ihre Pflicht. Sie reichte bereits die Schale an Pea, während der zweite Heiler begann, die Gruppe rechts an der Seite zu übernehmen. Topinas Vater unternahm seine Aufgabe regungslos und mit bitterem Ernst, während er für so manch zitternden Alten die Schale an die Lippen hielt. Es war ebenfalls Topinas Aufgabe und sie sollte das Gift an die Gruppe links von ihr überreichen und überwachen, auf dass jeder den benötigten großen Schluck nahm. Doch Topinas Beine wollten sich nicht rühren. Ihre Finger verkrampften sich in ihr Kleid. Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie schüttelte trotzig den Kopf. Nein, sie konnte das nicht. Sie konnte Saiyajins nicht töten, selbst wenn diese danach verlangten. Es waren altbekannte, freundliche Gesichter, mit denen sie aufgewachsen war. Keine Blutsverwandten, aber Nachbarn und Stammesangehörige, deren Familien hier waren und sie beobachteten…wie konnte sie unter deren Augen ihre Großeltern umbringen? Warum wurde ein solches Verbrechen in der Öffentlichkeit abgehalten? Damit jeder das Opfer bezeugte und die Helden lobsang? Oder damit niemand von seinem Versprechen floh und als ehrlos galt? „Mein Kind“ Pea stand plötzlich vor, sie wankte bereits leicht, ein glasiger Schimmer in den Augen. „Mach uns den Abschied nicht schwerer als er ist“ bat sie leise. Topina schluchzte auf. Pea hatte Recht. Je mehr sie weinte, desto länger würde die Prozedur dauern und den Abschied verschlimmern. Sie nahm ihre Kraft zusammen, stellte sich langsam auf und ging mit der Schale zur übrig gebliebenen Gruppe. Die Alten sahen ihr milde und entspannt lächelnd entgegen, ohne Furcht. Dabei hielt sie in ihren Händen einen tödlichen Trank?! Trotzdem wurde er mit einem dankbaren Zug in den Augen entgegengenommen?! Keiner von ihnen zögerte und sie alle nahmen den erforderlichen Schluck. Als jeder seinen Anteil getrunken hatte und die Schalen geleert waren, war die Zeit des Abschiedes gekommen. Die Familienangehörige der Opfer eilten zu ihnen, gaben ihnen Halt und ließen sie behutsam zu Boden sinken. Das Gift fing an zu wirken und lähmte zuerst die Beine. Ihre Augenlider fingen müde an zu flattern und sanken schließlich nieder. Sie fühlten keinen Schmerz, nur eine dumpfe, warme Schwere. Die angenehme Wärme kam von den Körpern neben ihnen. Es war die Wärme ihrer Familie, ihre Umarmung, ihr Abschied. Mit dem zufriedenen Gefühl, zu sterben, um sie zu schützen, schliefen die Opfer an. Ihr Herz schlug langsamer und hielt dann inne. Keine Schmerzen. Ein ehrenhafter Tod in den Armen von Geliebten Saiyajins. Konnte es eine bessere Art und Weise geben, um zu sterben? Der letzte Atem entfloh ihren Lippen, die zu einem zufriedenen Lächeln verzogen waren. An jenem Tag opferten sich 42 Saiyajins, um die Vorräte zu strecken. Damit gab es Hoffnung, dass der Stamm mit seinen Rationen bis zum Frühjahr durchkommen würde. Ihre Namen wurden am nächsten Tag von Palantay als Märtyrer an die Höhlenwand verewigt. Das Opfer hatte den Stamm verkleinert und den Altersdurchschnitt gesenkt. Ein neuer Rat musste gegründet werden, nun wo der Alte vollständig aufgelöst war. Dazu versammelten sich die Erwachsenen nach der Trauerphase wieder in der Höhle und suchten nach weisen Köpfen, die für diese Aufgabe geeignet waren. Namen wurden laut gerufen und empfohlen, die betreffenden Saiyajins nach ihrer Zustimmung gefragt und dann in einer heimlichen Abstimmung gewählt oder ignoriert. Der neue Rat bestand zum Großteil aus Aosaru, aber auch ein paar Kin- und Shirosaru waren dabei, die sich in den letzten Monaten durch ihre Fähigkeiten und weisen Rat hervorgetan hatte. Im Gegensatz zum letzten Rat befanden sich mehr Krieger und Jäger unter ihnen. Durch den Krieg war ihre Stellung innerhalb des Stammes gestiegen, ähnlich wie es wie sonst bei den anderen Stämmen auch gegolten hatte. Die Bewachung und die Jagd waren überlebenswichtig geworden. Auch Topinas Mutter war in den Rat gewählt worden: ihr Pflichtbewusstsein und ihre Haltung hatten so einige Saiyajins beeindruckt. Niemand machte ihr und ihrer Tochter Vorwürfe für ihre Tat. Es war kein Mord gewesen, sondern ein ehrenvolles Opfer, welches dank der Zeremonie lange im Gedächtnis bleiben würde. Die alten Saiyajins waren damit in den Stand von Helden gehoben worden, Leuchtfeuer in der Geschichte, wie sonst nur große Saiyajins die Ehre hatten. Man würde ihre Namen in der Familienlinie und im Stamm weitergeben…so lange er lebte… Es war nicht nur die Streckung der Rationen, es war die Hoffnung, die durch das Ritual entstand, welches die Saiyajins zum Durchhalten brachte. Dazu ihr Pflichtbewusstsein: Für die Opfer, die ihr Leben gegeben hatten, mussten sie überleben. So kam es, dass endlich die Sonne hervortrat, die Temperaturen stiegen und der Schnee schmolz. Der Frühling kam und der Stamm hatte es erfolgreich über den Winter geschafft. Das erste frische Grün inmitten der noch weißen Flecken Schnee wurde jubelnd gefeiert. Es zeigte sich öfters ein blauer Himmel mit wenig Wind. Doch damit fehlte auch bald die eisige Wind-Grenze, die den feindlichen Stamm fern gehalten hatte. Die Aosaru und ihre Freunde hofften, dass diese mit ihren neuen Jagdgründen zu beschäftigt waren, um sich auf neue Kämpfe zu stürzen. Bestimmt müssten ihre Wunden auch erst mal verheilen und vielleicht hätte man ein paar Jahre Ruhe vor ihnen. Man nutzte die friedliche Zeit, um eingestürzte Höhlen und Quellen vorsichtig freizuschaufeln und sich nach den Nachbarstämmen zu erkundigen. Doch die Späher, die sich auf den Weg machten, kamen mit Zuwachs und schlechten Nachrichten wieder. Auch die restlichen Stämme der Aosaru hatten im Winter gelitten und ebenfalls „Saiya Seppuku“ durchgeführt. Das hatte aber nicht immer zum gewünschten Erfolg geführt, ein paar Stämme waren trotzdem verhungert. Die andere waren so geschwächt, dass sie nun, im Frühjahr mit all seiner Arbeit, nicht mehr alleine lebensfähig waren. Daher folgten sie den Späher, um bei Palantays Stamm Zuflucht zu finden Zum ersten Mal seit Generationen war der Stamm der Aosaru komplett an einer Stelle versammelt, durchbrochen von einigen Köpfen der gefallen Stämme der Kin- und Shirosaru. Sehr viele blaue Köpfe, durchbrochen von etwas Weiß und Goldbraun. Im Vergleich zum letzten Jahr mit all seinen Flüchtlingen war noch relativ genug Platz übrig. Die vielen Todesopfer hatten Palantays Stamm verkleinert. Trotz der vielen Verluste versuchten sich die Saiyajins gegenseitig zu motivieren. Sie hatten den Winter geschafft und auf den Frühling würde der Sommer folgen und dann würde es wieder mehr zu essen geben. Doch Topina und ihre Mutter beteiligten sich nicht an dieser Hoffnung. „Welche Ernte?“ fragte Topina. „Wenn wir alle Samen bereits jetzt gegessen haben, jede Wurzel ausgegraben haben, wodurch soll wieder etwas wachsen? Auch das Wild hat nichts gefunden, ist verhungert und weitergezogen. Die einzige Chance, die ich noch sehe, ist das ehemalige Gebiet der Shirosaru, dass am Meer grenzt.“ Die letzten der Shirosaru kannten in der kargen Ebene, die ans Meer grenzte, Fischgründe, die auch andere Tiere anlockten. Essbare Algen, Muscheln und Seevögel mit Eiern könnten ebenfalls den Speiseplan auffrischen. Daher wurde eine Mannschaft aus den stärksten Kriegern und allen Shirosaru zusammengestellt, die ins feindliche Gebiet aufbrechen sollten. Wenn sie Glück hatten, waren die Fischgründe noch nicht gefunden worden, weil die Sieger die heimische Bevölkerung, die sich dort auskannte, ausgelöscht hatten. Zum Team gehörte auch Elery, die ihren Sohn verließ, um Nahrung zu bringen. Sie wusste, dass Palanaty und ihre „Schwester“ Sabi, seine andere Partnerin, sich um das Kind in der Zwischenzeit kümmern würden. Eine weiter Mannschaft aus Späher und Jäger sollte ins ehemalige Kinsaru-Gebiet, dem Dschungel, aufbrechen, um zu sehen, wie es den siegreichen Akasaru und Kurosaru dort erging. Je mehr sie über sie wussten, desto besser konnten sie sich auf ihre Ankunft vorbereiten. Vielleicht gab es dort auch genug zu jagen und sie konnten heimlich wildern. Einige Kinsaru, die sich am besten in der Gegend auskannten, begleiteten sie. Die zweite Mannschaft kam als erstes zurück. In ihrem Gepäck gab es kaum Fleisch, dafür schlechte Nachrichten. Der Dschungel existierte nicht mehr. Die Kämpfe als Ozaru hatten dafür gesorgt, dass die Erde platt getrampelt und Wälder in Brand gesetzt worden waren. Die wenigen Flächen an fruchtbaren Boden waren unter ständiger Kontrolle der feindlichen Stämme. Dort zu wildern, war unmöglich. Die Kinsaru waren besonders bedrückt. Ihre Heimat existierte nicht mehr. Sie hatten nach vertrockneten Fruchtständen gesucht, um wenigstens mit Samen zum Pflanzen heimzukommen. Dadurch war ihre Reise nicht umsonst. Doch es blieb fraglich, ob die Pflanzen, die wärmere Temperaturen gewöhnt waren, auch hier wachsen würden. Nun war man besonders auf die erste Mannschaft und ihren Fang angewiesen. Das gute Wetter hielt an, die Temperaturen stiegen erstaunlich schnell, was dazu führte, dass der Schnee rasant schmolz. Zu schnell für den gefrorenen Boden, der die Wassermassen nicht aufnehmen konnte. Die Aosaru hatten mit dem Schmelzwasser zu kämpfen und zur Sicherheit wurden die niedrigsten Höhlen aufgegeben. Der Bach schwoll in nie gekannter Höhe an und flutete beinahe das Tal. Die Aosaru-Krieger fassten daher einen Plan und sprengten mithilfe einer vereinigten Ki-Attacke einen Teil der Felsen weg, damit das Wasser abfließen konnte. In einen gewaltigen Sturzbach schoss es ins nächste Tal, wo es aber niemanden schadete. Doch der Lärm und der Schwall an Wasser führten dazu, dass man wieder auf die Berge und ihre Bewohner aufmerksam wurde. Am nächsten Tag landete eine kleine Gruppe von raubeinigen, schwarzhaarigen Saiyajins bei dem Aosaru. Sie trugen die typische Tracht ihres Stammes, wie es für Krieger Sitte war: schwarze Unterkleidung, dazu eine leichte, braune Leder-Rüstung, mit geschwärztem Metall an lebenswichtigen Stellen versetzt. Arm- und Beinschienen waren mit Lederbändern und Kordeln am Körper befestigt. „Na, sieh mal einer an, wer den Winter überlebt hat“ rief der erste spöttisch aus. „Wir dachten, ihr seid alle in diesem Mistwetter krepiert. Wir haben ein paar leere Höhlen weiter nördlich gesehen, mit kalten Leichen gefüllt. Bis gestern hätten wir nicht gedacht, dass hier noch jemand lebt. Hm, aber viele Köpfe sehe ich hier nicht“ er drehte suchend den Kopf. „Ist das der gesamte Stamm, der von den Aosaru noch übriggeblieben ist?“ Der schwarzhaarige Saiyajin lächelte überheblich angesichts dieser mageren Schwächlinge, die ängstlich seinen Blicken auswichen. Er konnte nur blaues Haar in verschiedenen Tönungen sehen. Die wenigen Kinsaru hatten sich schnell in die Höhle zurückgezogen und die Shirosaru waren immer noch fort. „Ja, wir leben noch“ sagte Lota trocken, die sich der „Gesandtschaft“ entgegenstellte. Ihr Gewand, welches sie als oberste Heilerin auswies, dank den drei Streifen am Ärmelrand, sorgte dafür, dass selbst diese derben Gesellen respektvoll zurückwichen. „Habt ihr die Überreste unsere Stammesbrüder respektvoll verbrannt oder seid ihr wie gierige Aasfresser gewesen“ fragte sie misstrauisch. Es würde sie nicht wundern, wenn diese Kerle die letzten Überreste der Toten geplündert hätten. „Hmpf, sie hatten nichts mehr von Wert bei sich. Sie waren dürr und stocksteif, nur in Lumpen gehüllt. Wir konnten sie nicht mal nach draußen schleppen, weil sie an die Felsen gefroren waren. Also haben wir die Höhlen zum Einsturz gebracht“ antwortete der Wortsprecher widerstrebend. Zu seiner Überraschung zeigte sich ein schmales Lächeln auf Lotas Lippen und sie nickte ihm dankend zu. „So sind wenigstens ihre Körper beisammen gewesen und keine Aasfresser konnten sie anfressen“ erklärte sie ihre Zustimmung für diese Tat. „Ja, ja“ winkte der Wortsprecher ab. „Wenn ihr so dankbar seid, sollte ja auch eine Belohnung für uns drin sein. Was habt ihr zu bieten? Felle, Trockenfleisch?“ gierig sahen die Krieger die Frau an. Ein paar schauten sich um und rochen in der Luft, um jegliche Spur von gekochten Essen aufzunehmen. Der erste gute Eindruck war damit wieder zunichte gemacht. Lota bemerkte, dass auch sie mager aussahen, obwohl sie in besserer Verfassung als ihr Stamm war. Sie erinnerte sich an die Eindrücke der zweiten Mannschaft: vom einstigen, riesigen Dschungel war nicht mehr viel übrig. Anscheinend hatten die Sieger nicht viel von ihren neuen Jagdgründen, die in den Kämpfen zu stark beschädigt worden waren. „Wir haben nichts“ sagte sie kurzangebunden. „Wir leben von dünnen Suppen. Es gibt kein Wild mehr und darum haben wir auch keine Felle mehr. Selbst das Feuerholz wird knapp.“ „Grmpf, und was ist mit Salben? Eure Arznei war sehr wirksam“ versuchte der Kurosaru zu verhandeln. „Hah, ebenfalls nichts mehr da“ verneinte Lota hämisch. „Wir haben die Pflanzen gegessen, anstatt daraus neue Arznei herzustellen, so verzweifelt waren wir. Solange es keine neue Ernte gibt, können wir nichts mehr zubereiten.“ Sie breitete betonend die Arme aus. „Das, wir hier seht…das ist alles, was wir haben. Dies karge Stück Land, welches wir noch bebauen müssen, damit es etwas abwirft. Wenn ihr uns vorher umbringt, bleibt es weiterhin leer.“ Die Krieger sahen sich um, bemerkten die ausgemergelten Anwohner und den kargen, schneebedeckten Boden. Hier wuchs nicht viel. Sie fingen an zu tuscheln. Schließlich drehte sich der Wortführer um und meinte überheblich „Selbst eure Frauen sind zu knochig, um sie anzufassen. Da kommen wir lieber im Sommer wieder. Dann solltet ihr einen großen Tribut für uns haben. Wehe, wen nicht. Wenn ihr uns nichts freiwillig gebt, dann nehmen wir es mit Gewalt. “ Mit dieser Drohung flogen sie wieder fort. Die Aosaru atmeten erleichtert auf. Topina rannte zu ihrer Mutter. „Du warst sehr mutig“ flüsterte sie. „Sie hätten uns vernichten können. Oder die junge Frauen stehlen…“ Lota schüttelte den Kopf. „Nein, dieses Interesse haben sie derzeitig nicht. Sie können es sich nicht leisten, mehr Zugang für ihren Stamm zu haben.“ Topina sah sie fragend an und ihre Mutter erklärte es. „Ihr Stamm hat dasselbe Problem wie wir: zu wenig Nahrung, zu kleine Jagdgründe. So, wie wir es im Winter getan haben, müssen sie die Anzahl an Esser klein halten. Da die Kurosaru so stolz auf ihre Krieger sind, haben sie besonders große Esser bei sich. Nahrung ist gerade das Einzige, was für sie zählt. Solange eine Hungersnot herrscht, wird die Libido der Saiyajins natürlich gebremst. Der Hunger stoppt den Fortpflanzungsdrang.“ „Dann sind wir fürs erste sicher“ murmelte Topina dumpf. Lota schüttelte den Kopf. „Die Schneeschmelze hat fruchtbaren Ackerboden fortgeschwemmt. Der Boden ist karg. Wir werden kaum etwas für uns selbst haben. Einen Tribut können wir uns nicht leisten. Und wenn wir ablehnen, wird es wieder zu Kämpfen kommen. Und dann…“ Topinas Augen wurden groß vor Erkenntnis und Schrecken. „Und dann geht das Kämpfen wieder los. Bloß dass wir dieses Mal gegen die Kurosaru kämpfen müssen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)