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Im Nebel der Vergangenheit

Mystery Spell
von

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Dunkle Schatten

du mußt aus der Kälte kommen

um die Wärme zu schätzen

Anke Maggauer-Kirsche

 

Schlagartig ändert sich die Atmosphäre im Raum. Wärme und Lust verschwinden augenblicklich und eine bedrohliche Kälte greift um sich. Emma spürt, wie ihr Inneres sich ängstlich zusammenzieht. Doch bevor sie so richtig begreift was los ist, löst sich Ludwig von ihr und dreht sich um. Er baut sich regelrecht vor ihr auf um sie zu schützen.

Vor was? Sie sieht nichts außer den breiten angespannten Rücken des Mannes vor ihr. Das tiefe Knurren das er ausstößt beunruhigt sie nur noch mehr. Wer ist da?

Die Kälte wird immer eisiger und eine verzerrende Finsternis breitet sich aus. Das Labor verliert an Kontur und scheint wegzuschmelzen. Die Studentin spürt wie ihr schummrig wird und dann sackt sie in sich zusammen.

 

Feuchtigkeit ist das erste was Emma wahrnimmt, danach die eisige Kälte. Sie öffnet die Augen und ist extrem verwirrt. Vor ihr laufen dunkle Wellen über kleine Steinchen …

Sie ist … am See?

Mühsam setzt sie sich auf. Der See, der Wald – sie ist zurück in der realen Welt. Offenbar lag sie eine Weile auf dem Boden, ihre Sachen sind feucht. Die Kälte der Winternacht wird dadurch noch stechender und durchdringender. Sie beginnt zu zittern, wie sie noch nie gezittert hat. Die Studentin müht sich hoch. Ihre Gelenke wirken steif und wie eingefroren, alles wird durch einen stechenden Schmerz durchzogen und treibt ihr kleine Tränchen in die Augenwinkel.

Was ist da vorhin passiert? Ludwig … Sein Benehmen war … eigenartig, um es nett zu sagen. Sie ist sich natürlich bewusst gewesen, dass er etwas für sie empfindet, schließlich hat er verzweifelt versucht sie vor den Übergriffen von Nicolaes Verlobten zu schützen, und er ist bei ihr geblieben danach. Er hätte bestimmt hinübergehen können, raus aus der Zwischenwelt. Aber das seine Gefühle so sind, hätte sie nicht wirklich vermutet. Und das ihre eigenen plötzlich so verrückt spielen auch nicht! Verdammt! Sie hat tatsächlich nachgegeben! Wäre dieser Schatten nicht aufgetaucht, wie weit wäre sie gegangen?

Der Schatten!

Was um Himmels Willen war das? War das die Gefahr vor der sie Ludwig gewarnt hat? Irgendwie schien er aber zu wissen, wer das ist … Gestern meinte er aber, er wüsste nichts Genaues. Hat er sie belogen? Oder haben die Dinge gar nichts miteinander zu tun?

Hinter ihr ertönt ein Räuspern. Erschrocken fährt das Kindermädchen herum. Zwischen den Bäumen steht eine junge Frau. Ihre langen Haare sind blond und ihr Gesicht wirkt traurig. Der grüne Schimmer, der sie umgibt, verrät sie als Seelenfragment.

„Sei vorsichtig“, flüstert die ruhelose Seele. Ihr Blick wandert ängstlich umher. „Er hat sich oft nicht unter Kontrolle.“

„Wovon redest du?“, fragt Emma. Sie geht ein paar zittrige Schritte auf die Blonde zu. Irgendwie kommt sie ihr bekannt vor; womöglich liegt das an der Uniform der Mystery Spell Universität die sie trägt? Also scheint sie noch nicht sehr lange tot zu sein, immerhin gibt es die Uni erst seit einigen Jahren.

„Drogo“, haucht die Unbekannte und ein Schimmer aus Trauer und etwas anderem, Warmen, huscht durch ihr Gesicht.

Emma schaudert es. Sofort kommen die Bilder wieder hoch: sie beide im Esszimmer, wie er sie auf dem Tisch festgesetzt hatte und diese blutrote Flut in seinen Augen. Er war damals drauf und dran sie zu beißen, dass weiß sie.

„Sei vorsichtig“, wiederholt sich das Seelenfragment. „Seine Verbindung zu ihm ist sehr groß. Er würde es erfahren und dann würde er kommen … wie bei mir.“ Schmerz verzieht ihre Mimik und sie scheint sich in Erinnerungen zu verlieren.

Das Kindermädchen versteht nicht so ganz, worauf die Unbekannte hinauswill. Wessen Verbindung zu wem? Was hat das mit Drogo zu tun? Allerdings gibt ihr das den nötigen Denkanstoß um sich zu erinnern, wo sie diese Frau schon einmal gesehen hat. Letztes Jahr ist eine Studentin spurlos verschwunden, sie hat zufällig in der Zeitung einen Artikel darüber gelesen. Zum Jahrestag ihres verschwindend wurde darüber berichtet. Daneben war ein Foto von der Frau abgedruckt. Sarah hatte ihr dann erzählt, dass Gemunkelt wurde, dass der Jüngste der Brüder etwas damit zu tun hatte. „Du … Du bist Mia, nicht wahr?“, fragt Emma vorsichtig und geht einen weiteren Schritt auf das Seelenfragment zu. „Mia Cooper.“

Die Frau nickt betreten. Sie sieht sich erneut nervös um bevor sie weiterredet. „Wir waren zusammen, Drogo und ich. Wir haben uns geliebt, auch wenn ich es nie so ganz zu ihm durchgeschafft habe. Er … Er hat die Kontrolle verloren und … und …“

Das Kindermädchen spürt wie ihr das Blut in den Adern gefriert. Er hat sie gebissen! Und … getötet? Auch wenn es diese extrem brenzlige Situation mit dem Blonden gab, kann sie sich das irgendwie schwer vorstellen. Er ist zwar impulsiv und hat sich mitunter schlecht unter Kontrolle, aber einen Menschen bis zum bitteren Ende aussaugen? Könnte er das? Also jetzt noch? Sie weiß, dass er früher Menschen tatsächlich nur als Vieh und Spielzeug angesehen hat, aber jetzt … Noch dazu wo sie sich ja geliebt haben, zumindest laut der Aussage ihres Gegenübers.

„Es war knapp“, erzählt Mia. „Im letzten Moment hat er gestoppt … leider.“ Das letzte Wort war nur dahingehaucht, aber die Bitterkeit nicht zu überhören.

„Leider?“ Emmas Stimme überschlägt sich ungewollt. Was soll das heißen?! Wollte Mia etwa sterben? Das wäre schon arg perfide irgendwie. Oder wollte sie verwandelt werden?

„Ja, leider. Drogo war außer sich und überfordert, als er merkte was er getan hatte. Er lief weg und ließ mich allein. Dann … dann kam er, wie aus dem Nichts.“ Das Seelenfragment zieht sich langsam in die Dunkelheit zwischen den Bäumen zurück. „Er hat mich mitgenommen, hinfort in sein Reich; in seine Hölle. Sei vorsichtig! Sein Einfluss auf ihn ist groß …“

„Warte!“, ruft die junge Frau noch, aber die verlorene Seele ist bereits verschwunden. Wessen Einfluss, verdammt?! Wer ist aufgetaucht und hat die arme Mia in ihrem halbtoten Zustand mitgenommen? Ihre Gedanken kreisen zwar, aber es kommt nichts Vernünftiges dabei heraus. Ihr Gehirn scheint momentan genauso eingefroren zu sein, wie ihr Körper. Tatsächlich wird ihr bewusst, dass sie ihre Zehen nicht mehr wirklich spürt und auch ihre Finger werden allmählich taub.

Scheiße! Der Weg zurück ins Herrenhaus ist noch recht weit … Zu weit für ihren Zustand, das wird ihr schrecklich bewusst.

Emma kramt zittrig ihr Smartphone aus ihrer Jackentasche. Der Blick auf die Uhr erschreckt sie ziemlich. Es ist inzwischen fast Mitternacht. Offenbar lag sie viel länger hier in der klirrenden Kälte wie sie vermutet hat. Das erklärt auf jeden Fall ihre Unterkühlung.

Krampfhaft versucht sie das Gerät zu entsperren um Peter anzurufen. Aber keine Chance! Ihre Hände zittern so sehr, dass sie den Pin nicht eingeben kann. Die Studentin spürt wie ihr Tränen der Verzweiflung kommen; und der Angst. Sie hat doch nicht das letzte Jahr überlebt, um jetzt an Unterkühlung mitten im Wald zu sterben! Das darf doch alles nicht wahr sein!

„Was hat Rotkäppchen denn im Wald verloren, wenn der böse Wolf doch offenbar außer Landes ist?“, spottet es hämisch.

Mehr verwirrt wie erschrocken sieht das Kindermädchen auf.

Da zwischen den Bäumen, wo eben noch Mia war, steht Drogo. Er lehnt lässig gegen einen Stamm und hat sein typisches zynisches Lächeln aufgelegt; zumindest im ersten Moment. Doch kaum, dass er die junge Frau richtig angesehen hat, ändert sich seine Haltung. Er zeigt deutliche seine Sorge. Im Bruchteil einer Sekunde ist er bei ihr und legt einen Arm um ihre Schulter. „Emma, was ist passiert?“, fragt er hörbar bestürzt über ihren Zustand.

Emma. Ihr Name aus dem Mund des Blonden, das hat schon etwas Eigenartiges. Es muss wirklich schlecht um sie stehen, wenn er sich dazu hinreißen lässt, sie so zu nennen und nicht wie üblich als „kleines Ding“ bezeichnet. Sie ist ehrlich erleichtert, dass sie Hilfe bekommt und würde das auch gern sagen, aber ihre Zähne klappern und machen das Sprechen schwer, bis fast unmöglich. „Kalt“, bringt sie mühsam und zittrig hervor.

„Das merke ich“, antwortet Drogo trocken. Er beugt sich leicht hinunter und fährt mit dem Arm in ihre Kniekehlen. Mühelos hebt er sie hoch. „Festhalten, dass wird ein rasanter Ritt.“

Bevor das Kindermädchen etwas sagen kann, geht es bereits in halsbrecherischem Tempo durch den kahlen Wald. Der Wind, der durch die Geschwindigkeit entsteht, entzieht ihr langsam die restliche Körperwärme. Eine merkwürdige Müdigkeit fällt langsam über sie her; immer wieder fallen ihr die Augen zu.

„Wach bleiben“, flüstert es besorgt und fast schon panisch an ihrem Ohr. „Wach bleiben, Emma. Bitte.“

Drogo hat „Bitte“ gesagt. Wäre die Situation nicht so brenzlig, fände das Kindermädchen das schon fast amüsant. Sie kämpft mit aller Macht gegen das Einschlafen an, stemmt sich mit aller Kraft dagegen; ohne Erfolg. Kälte und Müdigkeit übermannen sie …

 

Das erste was sie bewusst wahrnimmt ist ein gleichmäßiges Pochen. Es braucht ein wenig bis sie begreift, dass es sich um einen Herzschlag handelt. Ein Herzschlag. Definitiv kann das Geräusch also von keinem der Bartholys stammen. Wer ist ihr also dann so nah?

Das zweite ist die eisige Kälte, die sich tief in sie hineingefressen hat und sie immer noch zittern lässt. Dieses Gefühl sitzt so tief, dass es den Eindruck macht es würde selbst von ihrer Seele besitz ergreifen.

Emma spürt wie sich um sie herum etwas bewegt, also richtig um sie herum. Etwas ist an sie geschmiegt und scheint sie fast komplett zu umhüllen. Es ist warm und weich und … pelzig? Mit großer Anstrengung öffnet sie ihre Augen und sieht … Eine schwarze Schnauze. Sebastian? Aber er ist doch gar nicht da, er ist am anderen Ende der Welt. Aber da ist ein Wolf, der förmlich auf ihr liegt.

„Verzeih mir“, hallt eine tiefe durch den Kopf der jungen Frau. „Ich … es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun dürfen … nicht ausnutzen dürfen … Außerdem habe ich dich in Gefahr gebracht … das wollte ich nicht …“ Ein betretenes Fiepen ist zu hören.

Das Kindermädchen macht große Augen. Ludwig? Er ist das? Das bedeutet, sie ist in der Zwischenwelt. Das heißt … Ist sie tot?! Stirbt sie gerade?! Panik schießt durch ihren Körper.

Als hätte der Werwolf ihre Gedanken gelesen, drückt er sich näher an sie. „Du musst kämpfen.“

Sie spürt wie der massige Körper, der um und auf ihr liegt, sich zusammenzieht und sie noch mehr, enger umgibt. Wärme keimt langsam wieder auf und das Zittern lässt nach.

Kämpfen. Sie muss kämpfen!

Die junge Frau schließt wieder die Augen und konzentriert sich auf diese kleine Flamme, die irgendwo ganz tief in ihrem Inneren noch brennt. Mit aller Macht versucht sie, das Feuer wieder zu entfachen. Sie versucht alles andere auszublenden und sich nur darauf zu konzentrieren.

Ludwig spürt ihre Bemühung und brummt. Er drückt sich noch fester an sie, als wolle er nicht nur Wärme, sondern auch seine Energie auf sie übertragen.

Emma ist so fokussiert darauf, dass sie die Stimme die sie ruft im ersten Augenblick nicht bemerkt. Sie ist leise, aber energisch. Immer wieder ruft jemand nach ihr … ein Mann so viel ist klar, aber wer? Es ist leise und verfremdet, als würde das Rufen aus einer anderen Welt kommen …

„Du musst gehen“, sagt der Werwolf lautlos und drückt sich hoch. Er legt seinen Kopf flach auf den konturlosen Boden und sieht die junge Frau mit seinen goldenen Augen an. „Er wird merken, dass ich noch da bin, wenn du länger hierbleibst.“

Zunächst ist das Kindermädchen verwirrt, doch dann versteht sie es. Genau in diesem Moment wird die Stimme plötzlich klar und deutlich. Es ist Nicolae, der ihren Namen ruft. Mit Bedauern registriert sie, dass sich Ludwig von ihr löst. Sofort fehlt ihr die Wärme, und auch das Gefühl von Schutz und Behütet sein. Doch er hat Recht, sie muss hier weg; sie gehört nicht in diese Welt! Unterkühlung hin oder her!

Mit aller Macht versucht sie, den Weg zurück zu ihrem Körper zu finden. Sie versucht ihn sich vorzustellen, ihn zu spüren. Die Stimme des Familienoberhauptes leitet sie irgendwie, wie eine Spur aus Tönen führt sie sie. Stück für Stück findet sie zurück und beginnt ihre reale Hülle wieder wahrzunehmen. Die wohlige Wärme, die sie eben noch umgeben hat, weicht allmählich wieder einer leichten Kälte. Die junge Frau fühlt das typische Stechen in ihren Zehen die langsam wieder auftauen. Das Knistern von Feuer ist zu hören und leises Gemurmel. Sie öffnet die Augen und muss sich direkt zusammenreißen, nicht erschrocken zu schreien.

Die Bartholy-Brüder sind unmittelbar vor ihr und sehen sie an; besorgt, erleichtert, verunsichert.

Mit einer wortlosen Geste deutet Nicolae Peter und Drogo etwas auf Abstand zu gehen. Der Pianist folgt der Aufforderung, schenkt dem Kindermädchen ein kleines Lächeln und verlässt direkt das Wohnzimmer. Der Blonde hingegen richtet sich zwar auf, bleibt aber lässig neben der Couch stehen. Seine nussbraunen Augen mustern Emma intensiv und etwas ist kurz in ihnen zu sehen. Etwas, was nach Sorge und Zuneigung aussieht, aber so schnell verschwindet, dass sie sich nicht sicher ist. Im nächsten Augenblick geht der Jüngste der Brüder ebenfalls aus dem Raum.

Nur sie und Nicolae bleiben übrig.

Ein nervöses Kribbeln macht sich in Emma breit. Die Situation hatten sie bereits einmal. Der Kamin, sie auf der Couch … die Erinnerungen überrumpeln sie einen Moment. Die Bilder spulen sich im Eilverfahren vor ihrem inneren Auge ab und trieben ihr ungewollt die Röte auf die Wangen.

Nicolae scheint zu wissen, was ihr durch den Kopf geht und räuspert sich bevor er aufsteht und Distanz zwischen sie beide bringt. Er setzt sich auf den Sessel und beobachtet die junge Frau ruhig. „Schlaf noch ein wenig“, sagt er leise.

Als wäre ein Kommando gefallen dämmert das Kindermädchen sofort weg.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Überarbeitet 08.09.21 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  luxmilla
2021-08-29T08:00:31+00:00 29.08.2021 10:00
Ich werde noch nicht genau schlau daraus wer der "böse" sein soll. Aber vielleicht bringen die nächsten Kapitel ja mehr Wissen 😁
Antwort von:  Charly89
29.08.2021 14:32
Uh, das dauert noch bis das Böse ein Gesicht und einen Namen bekommt XD Wegen Spannung und so ;)
Außerdem müssen wir vorher noch ein paar Dinge klären.

Allerdings sagt mir etwas, dass du dich nächstes Wochenende bestimmt freuen wirst ^-^

Und, für den restlichen September gibt es dann ein 5-Tage-Upload, damit wir vorwärts kommen :D

LG
Charly ^-^/


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